Der Blockbuster-Sommer 2016 – Ein (tristes) Fazit

09.09.2016 - 09:10 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Suicide Squad, einer der wenigen Kassenerfolge des Kinosommers
Warner
Suicide Squad, einer der wenigen Kassenerfolge des Kinosommers
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Der Sommer neigt sich dem Ende, zufrieden waren Hitzefans nicht. Auch im Kino wartete man vergeblich auf eine Saison, die liefert, was sie traditionell verspricht. Derzeit taugt der Mythos des Sommer-Blockbusters nur noch zu verzichtbaren Pointen.

Die besonders warme Jahreszeit war in den Kinos der USA einmal besonders großen Filmen vorbehalten. Sie, genannt Sommer-Blockbuster, sollten als immer recht teure und manchmal recht tolle High-Profile-Produktionen auch während der Urlaubsmonate volle Kinos versprechen, terminiert in einem dreimonatigen Zeitfenster zwischen Memorial und Labor Day. Der weiße Hai, auf den der Mythos des Sommer-Blockbusters zurückgeht, war dann auch tatsächlich ein Film, der nicht nur von leergefegten Badestränden erzählte, sondern selbst für sie sorgte: Als Monstrum im doppelten Sinne, das die Kinolandschaft mit Rekordeinnahmen und ausgeklügelten Werbestrategien so stark veränderte, dass daraus eine neue Art der Filmproduktion und -Verwertung entstand (sowie die bis heute hartnäckige, wenngleich vollkommen sinnfreie Annahme, Steven Spielberg und George Lucas hätten damit das Kino im Allgemeinen und New Hollywood im Besonderen zerstört). Viele der seither umsatzstärksten Filme starteten in den USA während der Sommermonate ihrer jeweiligen Erscheinungsjahre, von Star Wars über Independence Day bis hin zu Findet Dorie, dem bislang erfolgreichsten Film 2016.

Obwohl sich die Wirksamkeit dieses Veröffentlichungsmusters in den vergangenen Jahren wandelte, beeinflusst durch in Herbst- und Wintermonaten volle Kinos garantierende Hobbits, Zauberschüler und neuerdings auch Sternenkriegsabenteuer, hält Hollywood weiterhin am Modell fest – und scheint schon aufgrund der Fülle von Sequels und Remakes nicht mehr in der Lage, den an heimischen Kinokassen Woche für Woche ausgetragenen Duellen um das einträglichste Geschäft zu entgehen. Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln versus X-Men: Apocalypse, Die Unfassbaren 2 versus Conjuring 2, Teenage Mutant Ninja Turtles 2 versus The First Avenger: Civil War. Schlechte Mütter gegen schlechte Nachbarn, Tarzan gegen Ben Hur, Haus- gegen Steinzeittiere. Dazwischen noch ein neuer Star Trek und die obligatorischen Comic- und Videospielverfilmungen. Orcs, Drachen, Poltergeister. Und sogar Steven Spielberg, der sich (ausgerechnet) einen Starttermin mit Roland Emmerich teilen und den vielleicht größten Flop seiner Karriere verdauen musste: BFG - Big Friendly Giant ging, wie so vieles in diesem von Blockbustern übersäten Kinosommer, gnadenlos unter – eine verzichtbare Pointe für den Mythos und seinen Schöpfer.

Dass solche Duelle kommerziell schädlich sind (und Konkurrenz das Geschäft hier nicht belebt, sondern es mitunter, wie in den ersten Wochen des zurückliegenden Kinosommers geschehen, regelrecht lahm legt), müsste eigentlich auch den Studios einleuchten. Sie aber vertrauen auf die Zahlen – und die stimmen, weil Masse eben doch Kasse macht, auch 2016: Mit Einnahmen von viereinhalb Milliarden US-Dollar am heimischen Markt können die Studios nach einem überdurchschnittlich gut laufenden August, Suicide Squad sei Dank, den zweiterfolgreichsten Kinosommer ihrer Geschichte verbuchen. Dieser Umsatz sagt freilich nichts über Gewinne aus. Box-Office-Duelle kosten Geld, nicht selten mehr als ihre ohnehin teuren Duellanten. Und um die Kapitalrentabilität sogenannter Tentpoles ist es, wie man am Beispiel DC nachvollziehen kann, schlecht bestellt : Hohe Einspielergebnisse bedeuten nicht automatisch profitable Geschäfte. In der Zusammenstellung der eigentlich umsatzstärksten Sommer-Blockbuster 2016  tummeln sich hinter den Erwartungen zurückgebliebene bis verlustreiche Filme wie Independence Day 2, Jason Bourne, Legend of Tarzan, Star Trek Beyond und Ghostbusters.

Man muss daraus nicht schlussfolgern, dass das Publikum der vielen Fortsetzungen und Neuauflagen überdrüssig sei (auch wenn man es natürlich, mit ein wenig Wunschdenken, versuchen kann). Doch lässt sich schwer leugnen, dass das große Angebot letztlich nur eine kleine Auswahl zur Verfügung stellt. In der Summe machen zwar viele Filme auch viel Kasse, wirklich durchstarten aber tut kaum eine Handvoll von ihnen. Auf jede Veröffentlichung, die ein gutes erstes und bestenfalls noch zweites Wochenende spielt (um mehr geht es angesichts der kurzen Halbwertszeit an den Kinokassen nicht), kommen zwei, drei landesweite Starts, die brachialer floppen als ein Hit punkten kann. Dem Duell der Blockbuster fallen auch mittelgroße Produktionen zum Opfer. Das ist bedauerlich, nicht weil es sich bei The Nice Guys, Popstar: Never Stop Never Stopping, The Free State of Jones, Das Morgan Projekt oder The Infiltrator um übergangene Meisterwerke handelt (vielleicht schon, ich weiß es nicht), sondern weil sich das ohnehin karge Feld der einst selbstverständlichen Mid-Budget-Filme somit weiter ausdünnt (von den desaströsen Verhältnissen  im US-Indie-Sektor ganz zu schweigen). Einzig Horror ist zuverlässig rentabel, wenngleich es verräterisch anmutet, dass ein solider Erfolg wie Don't Breathe von Analysten als Sensation gefeiert wird – und die Weiße-Hai-Hommage The Shallows, noch eine Pointe, besser als der letzte Spielberg läuft.

Sommer-Blockbuster sind, scheint es, wie der Sommer selbst geworden: Unzuverlässig, trist, immer öfter begleitet von Unwetter, das einem die Laune verdirbt. Während Studios aus unverhofften Gründen ins Schwitzen geraten, bleibt das Publikum von gerade nicht unverhofften Ekstasezuständen jedweder Art verschont. Vielseitigkeit, nicht zu verwechseln mit Originalität, gibt es im gegenwärtigen Blockbuster-Betrieb kaum noch. Es fehlt an Überraschungen und Ungezähmtheiten. An erzählerischen und ästhetischen Wagnissen, auf die im Hollywood-Mainstream zu hoffen keine Naivität sein muss. Es fehlt an großen Filmen, die tatsächlich Großes zu bieten haben, und an eben nicht nur recht teuren, sondern auch recht tollen High-Profile-Produktionen. Das Problem sind nicht Sequels und Remakes, das Problem sind schlechte Sequels und Remakes. Auch Mad Max: Fury Road war, zumindest dem Titel nach, eine Fortsetzung, doch konnte niemand im Vorfeld ahnen, mit welcher Virtuosität dieser zum Sommer-Blockbuster mutierte Autorenfilm seine Konkurrenz buchstäblich in die Wüste schicken würde. Das kann und muss, selbstverständlich, nicht jedes Sequel leisten. Aber zur Abwechslung dürften es einige andere wenigstens mal probieren.

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