Der Witte - Kommentare
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(Gesichtet beim dokArt Filmabend #78 im Metropolis Kino Hamburg in Anwesenheit des Regisseurs)
Dass sowas noch möglich ist: Abseits von distanzierender Ironie, High-Speed-Montage und sonstiger aufgesetzter Gefälligkeit befasst sich Cem Kaya adäquat sowie anhand starker Filmförderung mit dem im internationalen Auge als Nische empfundenen Phänomen des türkischen Kinos von einst, das seine Generationen jedoch in vielerlei Hinsicht begegnete, beeinflusste und reflektierte. Es geht in diesem Dokumentarfilm, der zudem ohne Voiceover oder emotionalisierende Tonteppiche auskommt, sodann auch nicht um die Allgemeinplätze eines Spektrums und Mythos billig produzierter Genreschätze, die vom Konsens zum Auslachen freigegeben werden. Stattdessen versteht Kaya die Unmengen an medialen Erzeugnissen eben schlicht als Markenzeichen der inländischen Kultur, deren Entstehung für wahr entgegen der Allgemeinheit funktionierte, jedoch als Ausdruck der Kreation eine stetige Welle an Transformationen erzeugte. Demnach verweigert sich Kayas Film auch einem gängigen Narrativ der Detailaufzählung mit Fazit Richtung Nostalgie oder sonstigem Pathos, das womöglich noch einen Abschluss im Kreislauf des Kreierens suggerieren könnte. Der Titel „Remake, Remix, Rip-Off“ gibt dafür schon eine gute Auskunft ab, die sich auch in der Haltung der Interviewpartner wiederfindet, welche in unaufgeregter Schlichtheit Anekdoten vom eigenen Wirken sowie der Strukturen des heimischen Filmapparates erzählen, der in jenen Tagen verstärkt aus der regionalen Marke Yeşilçam entstammte und als Massenmedium konstant Ware fürs Volk lieferte.
Da macht man sich auch keine falschen Illusionen bezüglich der Unterhaltungsfunktion jener Filme, wohl aber verklären Köpfe wie Çetin İnanç und Kunt Tulgar nicht ihren persönlichen Ansporn (auch zum bloßen Lebenserhalt), genauso wenig die Schwierigkeiten und Frechheiten (u.a. gestohlene Musik und Filmmaterialien, unversichertes Stuntwork), die sich innerhalb dieses wilden Westens des Filmemachens ergaben, auf bestimmte Publikumsgruppen sowie im Verlauf auch stärker auf staatliche Zensur achten mussten. Da wollen sich auch keine Helden des Subversiven im Nachhinein bilden, doch vom Zeitgeist her findet sich ab und an zufälligerweise durchaus einiges an beachtlichem Zündstoff in den Werken ein, wie ohnehin ein Mekka an Inspirationen für eine Filmindustrie gebraucht wurde, die im frischen Wind des Kommerz reichlich ankurbeln wollte, dafür abseits der Fantasie zu bestimmten Vorbildern aber nicht unbedingt das nötige Personal, Know-How, Sorgfalt und Geschmackssicherheit vorweisen konnte. Not macht jedoch erfinderisch und so berichtet der Film auch gerne (teilweise in genialen Bildern der zufälligen Symbole) von wahnwitzigen Improvisationen der Schaffenslust, wobei auch das Risiko darin mit ungeahnten Höhen aufwartet. Das Schnellschuss-Chaos geht dabei aber nicht in Cem Kayas Gestaltung über, so findet er stets natürliche Übergänge zwischen fair vermittelten Sachverhalten, die in geballten wie effektiven Segmenten an Erinnerungen, Archiv- und Anschauungsmaterial eine löbliche Kohärenz finden und den Spaß des Ganzen bewahrheiten, der in seinen Collagen des kollektiven Geschichtendrangs ohnehin liebevoll recherchiert erscheint.
Die Teilnahme an altbewährten Story-Mustern wird zudem übergreifend mit einem knackigen Selbstbewusstsein unterstrichen, das keine Unterschiede zwischen den Genres, E- und U-Kunst sieht (Çetin İnanç und Yilmaz Güney z.B. waren befreundet und aufmerksame Zuschauer füreinander), sondern die grundlegenden menschlichen Essenzen dieser eben auch als Antrieb versteht, aus welcher Kunst & Kommerz überhaupt erst erblühen können. Die Parallelen zum heutigen Kino, an dem noch immer oft und wehleidig Remakes, Topoi und einzelne Filmkategorien von Vornherein lamentiert werden, sind dabei nicht von der Hand zu weisen. Gleichsam ist die Geschichte des Kinos dadurch natürlich auch ein Melodram; eins, das mit gesellschaftlichen Veränderungen, Geschmäckern und neuen privateren Medien sowie Extremen hadert und auch nicht davon verschont bleibt, als Maßnahme der Bevölkerungslenkung von der Obrigkeit kontrolliert, sprich ein Politikum zu werden. Vorbei sind dann allein die Tage des fehlenden Urheberrechts, besonders unter härteren Regimen und dem Wandel zum Neoliberalismus hat es die Unschuld schwer - das Aufrichtig-Kritische darin erst recht. Nicht, dass die Bedingungen vorher unbedingt viel besser waren, Wille und Weg ergeben in jedem Labyrinth noch eine Linie, wenn diese auch stets Lasten und Engpässe zu stemmen hat. Bis in die Gegenwart, nun im Wettbewerb des Fernsehens gelandet, erfordert das Schaffen eine Übermenge an Energie, die gleichsam dem Recycling an Widerständen ausgesetzt ist, wie es dem „Ideenmangel“ der Weltgeschichte eben anheimfällt. Auch das Internet, durch Plattformen wie Youtube als grenzenlose Spielwiese initiiert, geht allmählich diesen Weg der gesetzestreuen Instrumentalisierung von Kommerz und Ideologie entlang.
Es verwundert daher auch nicht, dass Cem Kaya im letzten Akt zwar bittere Bilder der Konsequenz vom Verhältnis Realität-Fiktion zeigt, aber bar jeder Emotionalisierung die Abgeklärtheit dessen verinnerlicht, in welcher die Zukunft mit Anteilen der Vergangenheit voran schreitet, auch wenn das Erbe im Rausch der Zeit irgendwann leider stetig als verschollen gemeldet werden muss. Im Q&A, das Cem Kaya im Anschluss an die Vorstellung hält, berichtet er dann auch von der „Neueröffnung“ eines eben noch im Film abgerissenen Kinos, das sich inzwischen inmitten eines Shopping Centers vorfinden lässt und zumindest noch einzelne Elemente des Originals inne hat. Irgendwo eben auch eine schlechte Kopie, doch mit der Tatsache allein wird der Inhalt dessen noch lange nicht pauschal entwertet. Aus etwas Altem/Bekannten etwas Neues zu machen, ist eine Kunst für sich und bringt Bewunderer hervor, die Regionales, Triviales, Profundes sowie sich selbst und eine Motivation darin wiedererkennen können - in dem Sinne: „Wenn die das können, kann ich es auch schaffen“. Jeder Künstler fängt irgendwo als Amateur an, ohne Einflüsse aus Kultur und Leben wird und wurde bisher auch kein Meisterwerk inspiriert. Deshalb bedient sich Kayas Film für seinen Schlusspunkt auch beim Ende eines „Jagd auf Dillinger“-Remakes von Çetin İnanç, dass den Zoom auf die Betitelung eines Plakats im Films als Meta-Absacker binnen blutiger Schludrigkeit einsetzt. Kurios und bezeichnend zugleich kommt hier die bittersüße Schönheit dieses speziellen kulturellen Wiederkäuens zur Geltung - ein würdevolles Statement für den Reiz eines sorgenlosen Kinos, das seine Freiheit mit Anlauf aus Vorlagen zusammen klaute.
Generell wäre es ja reizvoll, die Betrachtung des globalen Leidens, wie es in Frankreich seit der Johanna von Orleans und im Kino u.a. durch Robert Bresson "kultiviert" wurde, ins Hier und Jetzt des Torture Porns zu versetzen und womöglich eine Reflexion zu erwirken, die aus dem Genre mehr als Angstbewältigung und Katharsis herausholt. Regisseur Pascal Laugier lässt sein zentrales Ensemble jedoch insofern ausbluten, indem er das vielleicht wichtigste Element seiner eigentlichen Passionsgeschichte, nämlich die Empathie, auszuklammern droht, in Schauwerten vergräbt, nur für ausgewählte Figuren der Unschuld bereithält (Grauzonen und deren Kinder kriegen sie mit einer Handvoll Tränen sowie ganz dicken Einschusslöchern "serviert") oder kurz darauf am Zwang von Plottwists vergessen lässt. So schafft es die brachiale Mordsschau im Hauptanteil nicht, ihren oberflächlichen Charakter zu durchbrechen, wenn ihre thematischen Werte zudem von Anfang bis Ende bis in die Belanglosigkeit hinein überstrapaziert werden. Die Grenzen des Kinos per extremer Körperlichkeit zu überschreiten, ist da grundsätzlich kein Störfaktor, schafft es in diesem Fall doch die direkteste emotionale Bindung zum Zuschauer (das Verhältnis zwischen Anna und Lucie wird höchstens angerissen) und besitzt ohnehin eine Konsequenz, die das Gegendrücken durch etablierte Tabus aussetzt.
Wird den Figuren darin jedoch jede Nuance vergönnt und stattdessen mit minimalstem Hintergrund erfüllt, der als Ventil für eine vermeintlich spirituelle Suche nach dem Göttlichen ziemlich einfältig bleiben muss, kann sich die Haltung zynischer Gafferei relativ einfach hineinschleichen, wenn daran auch noch mit unvermeidlicher Prätension ein Grundkurs von der Psychologie der Gefangenschaft probiert wird, welcher jenseits des Borderline-Syndroms und Halluzinationen relativ wenig und dann auch noch spekulativ äußert - Standard-Jumpscares und melodramatischer Soundtrack inklusive. Innerhalb der knapp hundert Minuten Laufzeit hat man es sodann mit einer Redundanz zu tun, deren narrative Abstraktion zunächst noch für effektiv gehalten werden könnte, anhand des Oberbegriffs des kollektiven Schmerzes aber auch mit Ankündigung auf der Stelle tritt und sich vom Handlungsverlauf her hingegen einige abstruse Eckpfeiler und Falltüren offen lässt, die sich mit dem grimmigen Realismus des Stils nicht so ganz anfreunden wollen.
Daran zeigt sich auch, dass die Idee des Ganzen innerhalb eines Schauplatzes Potenzial hat (ohnehin hat man manchmal das Gefühl, Laugier wollte "Das Haus der Vergessenen" bar jeder Subtilität neuverfilmen), die Ausführung dessen jedoch überflüssig gestreckt wird und dafür sogar Stück für Stück den im Intro noch vorhandenen Reiz der Suggestion ablegen muss - insbesondere in der Hinsicht, wie sich das Grauen erst den Opfern, dann dem Zuschauer zeigt und letztendlich noch ein oder zwei High-Tension...ähm High-Concept-Twists draus basteln muss. Sozialkritik durch eine Geheimgesellschaft des seligen Niederprügelns orientiert sich zeitgleich noch an derer des "Fight Clubs", die gemäß des Trends der Nouvelle Vague du Gore in Handkamera und hartem Kontrast eingefangenen Eindrücke vom "gut gemeinten" Faschismus ziehen da mitunter am Stärksten für das (streng unmissverständliche) Gleichnis einer omnipräsenten Unterdrückung des Individuums im Zeitgeist des verstärkten Rechtsrucks in Europa, welches sich in der übersteigerten Darstellung der Peinigung stimmig wiederfindet.
Laugier macht jene Erkenntnis eigentlich schnell sichtbar, lässt sie aber über neunzig Minuten lang noch auslaufen und bricht sie sogar nochmals vereindeutigend auf den primärsten Konflikt ihrer selbst runter, während dem Kontext zu Narrativ und Metaebene stetig mit Willkürlichkeit und Schockfaktor begegnet wird. Das hat zur Folge, dass die ultimative Ergründung des Märtyrdaseins als Erzeuger einer esoterischen Vision des Nirwanas wie nachgeholt daher kommt und (ähnlich wie bei Mel Gibsons "Die Passion Christi") ein vorangeganges Massaker halbgar als Pfad der Katharsis entschuldigen soll. Die Naivität darin kabbelt sich sodann durchaus mit dem angepeilten Anspruch des Films, die Härte des Lebens voller Ehrlichkeit und einer Portion Gnade in Filmform zu konzentrieren, wenn letztendlich doch eine ums Verrecken verschleierte (Gewalt-)Fantasie vermittelt wird. Hier wurde eben leider etwas zu plakativ und unausgegoren an eine recht respektable Ambition herangegangen.
Manche Filme haben es gewiss nicht leicht, aus dem Schatten eines Rufs zu entsteigen, den die öffentliche Meinung einst bildete und ironische Nerds bis heute reinforcieren. In letzter Zeit häuft es sich dann auch (durch Plattformen wie Screenjunkies oder Chris Stuckmann), dass manch einer „Superman IV - Die Welt am Abgrund“ auseinander zu nehmen versucht und dabei erneut auf die Allgemeinplätze der Rezeption jenes Films zurückgreift, die anhand technischer Kleinigkeiten offenbar den schlechtesten Teil der Reihe auszumachen glauben. Was in der Kritik einzelner Sätze und Spezialeffekte natürlich immer wegfällt, ist der erhellende Kontext drum herum und da lohnt es sich, den Film auf eigene Faust zu erkunden. Die Cannon-Produktion unter Regisseur Sidney J. Furie hält nämlich einen kurzweiligen Ritt durch das naive Spielfeld des frühen Superheldenfilms bereit, das sich nach dem durch und durch schizophrenen „Superman III - Der stählerne Blitz“ wieder auf die zentralen Werte seines Protagonisten verlässt und somit ein herzliches Abenteuer um Wunscherfüllung per Phantastik und der bodenständigen Neigung zum menschlichen Miteinander entwirft. Fernab des Slapsticks eines Richard Lester behilft sich Teil Vier sodann eher cleverer Dialoge zur humoristischen Beobachtung des hilfreichen Aliens, das als Clark Kent durch den Alltag sowie die Gunst von Gesellschaft, Kindern und der Frauenwelt stolpert, sich entgegen dem Rat seiner Vorfahren und Erzieher in die Belange des Weltfriedens einmischt, sobald die nukleare Bedrohung ihren Siedepunkt erreicht.
Die wahnwitzige wie aufrichtige Rede Supermans vor den Vereinten Nationen, die sich daraus ergibt, stellt dabei einen Höhepunkt des Eskapismus dar, wie er nur im Kino zustande kommen kann und gleichsam recht absurde Früchte trägt - allen voran durch die Rückkehr von Gene Hackman als Erzfeind Lex Luthor, der nun zusammen mit seinem 80's Hoschi-Neffen Lenny (Jon Cryer) einen Triumph des Zynismus anzettelt, sobald er die Profitabilität globaler Unruhe mit der Eigenkreation „Nuclear Man“ zu erhalten versucht. Als Geschäftsmann findet er eben stets neue Wege und Hackman gibt daher auch keinen Unsympathen, sondern einen abgeklärten Privatunternehmer ab, der sich humorvoll mit dem Selbstverständnis von Gut und Böse versorgt. Clark Kent hingegen hat noch mit der Zuneigung von Lacy Warfield (Mariel Hemingway) und Lois Lane (Margot Kidder) zugleich zu hadern. Erstere versucht mit Sex, Geld und Draufgängertum das Herz des tollpatschigen Brillenträgers zu erobern, während letztere ihre Liebe hinter dem Professionellen zu verstecken versucht und dennoch allzu gerne dem Zauber des Manns aus Stahl verfällt. Beide Figuren sind basierend auf dieser Schilderung aber keine bloßen Handlungsventile, sondern sprudeln vor Lebendigkeit, wenn auch Frau Kidder manchmal kindlicher als sonst von der Beziehung des Supermans zu ihr bzw. der Menschheit ausgeht.
Mit jener Grundnaivität schießt sich der Film aber natürlich nicht ins Aus, verinnerlicht er sie doch sowohl im Konflikt der Weltmächte, der übrigens auch im Kampf journalistischer Integrität gegen die Übernahme des Sensationalismus ausgetragen wird, als auch im Gemenge zwischen Superman und Nuclear Man um die Beschaffenheit unseres „Daily Planets“, für die auch mal die Logik von Natur, Physik, Astrologie usw. außer Kraft gesetzt wird. Sich aber darüber innerhalb eines Fantasyfilms zu beschweren, heißt sich dem Spaß der Fantasie verweigern zu wollen, wobei man jedoch immens an der Absicht des Films vorbeischrammen würde, der nicht nur als Aushängeschild billiger Spezialeffekte belächelt werden kann, sondern auch genuine Lachsalven im enthusiastisch verwirklichtem Verhältnis von Realität und Außerirdischem serviert. Moralische Betrachtungen abseits des Spiels mit der öffentlichen Meinung oder gar mehrere effektive Konzentrationen jener Haltung darin gelingen dem Film zwar vor allem zur zweiten Hälfte hin eher weniger, doch er versteht den eigentlichen Charakter der Reihe, die Richard Donner initiierte, dann doch mehr als ein Richard Lester es tat.
(Gesichtet im Rahmen des zehnjährigen Jubiläums vom BIZARRE CINEMA im Metropolis Kino Hamburg, 35mm, dt. Fassung)
Etwas doll konfus fällt sie ja schon aus, diese deutsche Kinofassung von „Dangerous Encounters of the First Kind“, die Tsui Harks Action-Crime-Hybrid urbaner Gewalt zu einem wankelmütigen Rausch an Eindrücken ballt, der unnachgiebiges Terrorkino erwirkt, natürlich aber auch die Sprengkraft in der Unmittelbarkeit des Originalkonzepts unter Wert verkauft. Die haltlose Wut der Jugend, wie sie dem grenzendurchstoßenden Film an sich sowie den Charakteren inhärent ist, steht somit im Wechselspiel mit einem undurchsichtigen Söldner-Plot, der in dieser Form anorganischen Filmprodukts natürlich auch fesselt, jedoch die Realität der ursprünglichen Kohärenz unterminiert. Davon abgesehen ist Tsui Harks Energie weiterhin ein virtuoser Antrieb für seine Darstellung einer gesellschaftlichen Finsternis, die ihre Apokalypse binnen fester Strukturen, derer Langeweile und dem Zynismus ihrer hingenommenen Spaltung aller selbst anzüchtet. Die Grenzen zwischen Unschuld und Absicht, Gesetz und Anarchie, verschwimmen dann auch in einer Turbulenz, die eine Identifikation oder ethische Einordnung mit den Charakteren schier unmöglich macht und deren Handeln dennoch als unfassbares Unterfangen durchs Hirn schießen lässt. Der Film zwingt einem in der Attacke seiner Bilder des Zerfalls sowie mithilfe seines unheilvollen (aus mehreren Quellen zusammen geklauten) Soundtracks dazu, mitzuhalten, eine Erfahrung der Angst als Zuschauer zu verinnerlichen; Gewalt, Hass und Frust auf universellem Wege zu erkennen, ohne dass für irgendjemandem im Ensemble letztendlich eine Moral oder gar Katharsis aufbewahrt wird. Alle dürfen bluten, sterben und das Massengrab aufstocken lassen. Eine Bombe des Bösen wird hier wortwörtlich in den Kinosaal geschmuggelt und lässt für eineinhalb Stunden den Horror auferstehen, den wir aus der Menschheit eigentlich trotz seiner Existenz ausblenden wollen. Tsui Harks radikalisierter Nihilismus kennt kein Erbarmen, genauso wenig schert er sich um Nuancen und Regeln, lässt daher auch reichlich schwarzen Humor, fiebrige Unterwelt, Tierquälerei, Blut und Gedärm aufkochen, die sich im Sog einer beengenden und zerrenden Bilderwelt zum Thrill türmen, aber auch eine Ermattung außer Atem fördern. Der Film war ohnehin so etwas wie der Anklang einer neuen Welle im Kino Hongkongs, das sich bis dahin eher an Wuxias, Martial-Arts und seichten Dramen orientierte, ehe es eine derartig im Zeitgeist wühlende Explosion an Genres und menschlichen Tiefen gewagt hätte. Von so einer Supernova kann man sich nur schwer erholen, aber auch heute noch schwer begeistert sein, ganz gleich wie sie für die jeweiligen Kinomärkte und Zensoren zusammen gestutzt wurde.
(Gesichtet im Rahmen des zehnjährigen Jubiläums vom BIZARRE CINEMA im Metropolis Kino Hamburg, 35mm)
Diese Wunderwaffe aus den achtziger Jahren beinhaltet als etwas mittellose, wenn auch ekstatische Darstellung von Sektenkult, Hedonismus und der allzu menschlichen Konsequenz der Liebe einige Wahrheiten, die im exploitativen Rahmen vielleicht eher als Unterhaltung pubertärer Reize empfunden werden, aber eigentlich auch ohne prätentiöse Betroffenheit (somit auch weniger durch eine grimmige Analyse schleppend, wie z.B. „Martha Marcy May Marlene“) den unvermeidlichen Erhalt von Ideologie und Gewalt in vermeintlich toleranten oder "bewusstseinserweiternden" Systemen beleuchten. Christian Anders' Regie probiert diesen Sachverhalt in durchgängiger Spekulation, seine Askese innerhalb plakativ bunter Kulissen vermittelt gleichsam aber auch den inneren Zwang, mit welchem das Hippie-hafte hier an sich selbst scheitert, die körperliche Feier eben mit tyrannischer Misanthropie anleiten zu müssen. Anders balanciert und banalisiert jedoch das Grauen in seinem Babylon und kontert daher voller Enthusiasmus mit Unmengen nackter Haut, üppiger Oberweiten und breitem Grinsen, die sich in Disco-Beats verlieren und dufte Sprüche binnen des Love Camps äußern, in welchem die freie Liebe ihren Höhepunkt findet, die Treue der Zweisamkeit jedoch bestraft wird.
Bezeichnend dafür erscheinen die Körper geradezu stählern unter der heißen Sonne Griechenlands, allen voran „Todesgöttin“ Laura Gemser weiß da Erotik als Macht zu gebrauchen, den Akt der Ekstase in einen geißelnden Bann zu verwandeln. Christian Anders selbst als Jünger Dorian befähigt sich da auch so einer Art von Zauber, wenn er Senatorentochter Patricia (Simone Brahmann) zur Liebe auf den ersten Blick verleitet, die derartig bedingungslos mit jugendlichem Leichtsinn glänzt, dass es für ein gereiftes Publikum schnell zur Lachnummer wird. All diese Aspekte kulminieren dann auch im Mann aller Männer, Tanga (Sascha Borysenko), der die Härte des menschlichen Bodys pausenlos verkörpert, im Stehen schwitzt und Muskeln en masse präsentiert, ruppig und fix als Entjungferungswerkzeug fungiert sowie die Treue zu seiner Meisterin mörderisch mit Sindbad-Säbel und Höllenschlucht ausführt. Als Charakter ist er an sich schon der pure Blickfang und vielleicht auch der interessanteste im Ensemble, dessen Handeln man aus der Übermacht seiner Präsenz nur stets verblüfft und entzückt, mal mit Gewissensbissen und mal vollkommen ohne Kompromisse, erwarten kann.
Er ist auch irgendwo eine menschgewordene Pointe; ein Fick-Terminator mit urigem Bart, den Anders nur im Bild anordnen oder schweigsam durch solches gehen lassen muss, um eine Reaktion vom Zuschauer zu erwirken. Seine impulsive Kraft wird dann auch die Essenz eines Films, der sich bar aller Gefälligkeit an Sexszenen, Festmahlen und Musical-Nummern ergötzt, ohne einen sauberen Übergang derer oder gar aufwendige Ausstattungen dazu darbieten zu müssen. Das Urweltliche im Menschen äußert sich nun mal im derartigen Eigensinn und das fällt in dieser unfassbar naiven Freiheit eines aufgedrehten Eskapismus des Gespielt-Erwachsenen dementsprechend beglückend aus, wenn sich das Spektrum an Themen und veräußerlichenden Schauwerten letztendlich auch etwas klein hält und selbst in der kurzen Laufzeit von 75 Minuten Längen und teils überflüssig einfältige Stereotypen aufweist.
Akira Kurosawa hat so einige Karten in der Hand, mithilfe derer er eine Partie von knapp zweieinhalb Stunden Länge schon mal im Ansatz kurzweilig auszufüllen weiß. Die Geschichte darin allein gibt aber auch innerhalb ihres Rahmens einen reichhaltigen Gesamteindruck vom Leben binnen finsterster Phasen wieder, dessen Apokalypse im Innern passiert und doch per Schlichtheit auf die Zwiespälte von Moral, Privileg, Schuld und Verzweiflung hinweist. Ganz natürlich scheinen da die Übergange zwischen den Genres, das Wechselspiel der Perspektiven zum Auffinden DER Perspektive; einer Lösung, die letztendlich keine ist, da in ihr leider auch, wie durchweg im Film, der Austausch, das Bestehen und die Eliminierung von Existenzen erfolgen muss. Daher ist Kurosawas Film zu Beginn schon Kapitalismuskritik sowie eine Betrachtung der Folgen von Ehrgeiz. Die Philosophie einer Ayn Rand wird daher nicht bedient, wenn sich der Großaktionär einer Schuhfirma, Gondo (Toshirô Mifune), zwar für die Ethik der Qualität entscheidet, Feinde und Freunde um sich ballt, jedoch innerhalb der Struktur seiner Familie ebenso allmählich fremd und störrisch wirkt. Die Unruhe verfolgt ihn stets wie auch das Risiko einer bedeutenden Investition, mit welcher der gesamte Haushalt auf dem Spiel steht. Sympathieverschiebungen werden da sehr präsent, aber keine Plattform für Zynismus.
Die Dramatik jener Entscheidungslast bleibt in der ersten Hälfte des Films größtenteils innerhalb seines Hauses verortet, konzentriert mit der Konfrontation unter Personal, Familie sowie den Pfaden des Opportunismus spielend, welche sich dafür nicht mal absurde Spitzen ausdenken muss, um nachvollziehbar humanistische Spannung zu erzeugen. Kurosawas Kamera und die spärlichen Musikeinsätze akzentuieren die Schwere der Gefühlslage ohne melodramatischen Affekt, ohnehin fühlt sich der Zuschauer mehrfach eher dadurch einbezogen, dass der Raum des Breitwandformats mit beobachtenden oder zuhörenden Gesichtern innerhalb des Narrativ wirkender Charaktere gefüllt ist, als durch die eigentlich naheliegende Stilistik der eingezoomten Einsamkeit. Hier herrschen stattdessen kollektive Klaustrophobie und Machtlosigkeit, wenn auch die Grauzonen des Konflikts ab und an recht eindeutig, Theatralik aber noch vermeidend, im Dialog zu Tage treten. Jene Streitpunkte sind aber nur die Grundlage für Handlungsentwicklungen, die selbst für den heutigen Zuschauer weiterhin unvorhersehbar, gerade aber in ihrer Plötzlichkeit natürlich realistischer erscheinen, als ein Thriller mit Ankündigung. Entführung und Erpressung setzen sich am Gewissen fest, spannend sind da vor allem die Wechselverhältnisse von Reichtum und anstehender Armut, der Schutz des Individuums im Angesicht sowie im Zusammenspiel einer Gruppen übergreifenden Gerechtigkeitssehnsucht, die sich gleichsam bescheiden sowie niedergeschlagen geben und ebenso Mitleid empfangen.
Als Mittler der moralischen Entscheidungen hat das Gesetz hier Kompetenz und Verständnis inne, das jedoch genauso mit der Ermattung der vorhandenen Mittel zu hadern hat wie es im investigativen Verlauf der folgenden Akte sodann die Facetten des Sachverhalts sorgfältig abgleichen muss. Kurosawas Film wird dann auch ein behutsamer Krimi, jedoch keiner der Schauwerte, sondern einer, der punktgenau und doch mit Feingefühl im sozialen Spektrum unterwegs ist, sich die Öffentlichkeit und den Einzelnen zu nutze macht, um dem Verbrechen auf die Spur zu kommen. Manche Milieus können da trotzdem etwas spekulativ erscheinen, allen voran die Drogenhölle gegen Ende hat eben den Charakter einer solchen inne, während sich der Hauptanteil des Films eher nicht mit vorgefertigten Typen umgibt, stattdessen den Komplex einer Gesellschaft auch anhand der Stück für Stück weiter greifenden Inszenierung recht offen und ehrlich schätzt. Es liegt ihm letzten Endes auch nicht daran, ein Urteil zu fällen, eine Katharsis für Identifikationsfiguren oder eben ihre gesellschaftlichen Strukturen zu erwirken, sprich die Realität eines derartigen Falles zu verklären. Von daher braucht man auch keine grandiose Erklärung allen Glücks und Übels erwarten, genauso wenig ein sperriges Statement gegen die Zuschauergefälligkeit.
Kurosawa pendelt sich dabei zwischen kohärenter Systematik und grundlegender Empathie ein, wenn sich der übergreifende Täter eigentlich schlicht aus der fairen Grundlage allen Lebens nachweislich in die Unzufriedenheit getrieben sieht, gesellschaftlich ins Abseits geschoben, mit Enttäuschung und Hass auf eine Hierarchie blickt, in der es aber ebenso Individuen gibt, die mit Barrieren, Unterstützern und Rivalen ringen - da können die Vorwürfe noch so energisch tönen: Das Gesamtbild nimmt bewusst die Höhen und Tiefen von jedermann mit. Ein konsequenter Schlusspunkt, aber kein grundlos pessimistischer, dafür ist er im Vornherein eben auch intensiv mit den Zweigen des Daseins beschäftigt, die das größere Wohl bilden wollen, für dessen Abgeklärtheit aber stets gesorgt werden muss und einfach auch keine Pauschallösung existieren kann. Das Leben ist nicht leicht, doch die Balance des persönlichen Kampfes ist immerhin gemeinschaftlich inhärent, von daher geht Kurosawas „Zwischen Himmel und Hölle“ in seiner Universalität und Ambivalenz mit wohl endloser Haltbarkeit effektiv auf.
[...] Proyas mangelt es an Konsequenz, ehe er wie Luigi Cozzi und dessen „Herkules“ in die ungestüme Palette des Eskapismus greift. Ganz unähnlich sind sich die Herren aber nicht, wenn sie voller Wahnwitz Realitätsverständnis und Mythologie zugleich durchkreuzen. [...] Die Abgefahrenheit ist derart geballt, dass selbst die heutige Computermaschinerie an ihre Grenzen stößt und teils eigentlich peinliche Ergebnisse zum traditionellen Sandalenabenteuer hinzugibt. Jene Versuche der Größe – und die Offenheit des Scheiterns – machen allerdings den größten Charme des Films aus, der im Modus permanenten Chargierens selbst einen Anti-Sympathen wie Gerard Butler mit Unterhaltungspotenzial anfüttert [...] Innerhalb der zelebrierten Stumpfheit beharrt „Gods of Egypt“ jedoch auf einem mühsamen Erzählkino, das in moderner Fantasy leider zur Gewohnheit geworden ist [...]
Das reiche Weichei, das mit vorgehaltener Hand angeben darf: Eine neue Spitze ungemütlichen wie spießigen Anti-Humors. Ich wollte glauben, dass vom Konzept her ein hämischer Kommentar auf die potenzielle Idealisierung des öffentlichen Bildes in Serien wie "Louie" oder eben der inszenierten Echtheit von Reality-Shows dargestellt werden sollte, so asozial und dennoch um Herzlichkeit bemüht Rob sich selbst sowie sein Millionärsleben inklusive aufreizender 29-jähriger Ehefrau repräsentiert. Im Ansatz ist "Real Rob" das tatsächlich auch. Die Extreme der Selbstgefälligkeit suppen jedoch allzu schnell und gewollt in ein Sammelsurium an zynischen Gags, Klischees und zunehmend schlaffen Story-Konzepten über, das zudem 1:1 mit Robs echtem Stand-Up-Programm aus Sexismus, Rassismus, Homophobie, Organic Food, Penisneid und Anti-Vaxxer-Shtick übereinstimmt - schließlich gibt er es auch in redundant eingeworfenen Momenten vor einer Mauer à la Seinfeld wieder (Interview-Passagen und Non-Sequiturs gesellen sich auch manchmal dazu).
Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion, sprich fingierter und echter Unerträglichkeit, verschwimmen sicherlich in einem Anflug an Überspitzung, doch man möchte meinen, mit jeder möglichen Auflösung dazu noch weit weniger als überhaupt schon mit Rob (der Person, nicht der Kunstfigur) sympathisieren zu wollen, unabhängig davon, welche Absicht erzielt werden sollte (Die Anbiederung an den Humor-Bodensatz gelingt ihm jedenfalls recht souverän). Seine über Allgemeinplätze reflektierte Parodie aufs Showbiz bietet sich mit ihrem vorhersehbaren Plattmeier-Jux dementsprechend zum Fremdschämen an, das Potenzial zur Selbstironie muss sich dabei den Platz mit Unmengen an zur Unterhaltung ausgestellter Misanthropie teilen, für die Robs Charakter allerdings nur in Miniportionen die Quittung kriegt. Brüller. Teilweise geraten die Situationskomiken aber auch so haarsträubend einfältig, dass man den Reiz eines Zugunglücks empfindet, besonders in Folgen wie "Gaying in Shape" und "What's my Thing" sind derartige "Qualitäten" omnipräsent.
Die Blässe der Regie sowie deren Desinteresse an Timing, ebenso vom auteur d'être Rob ausgeführt, tun da ihr Übriges in diesem von Netflix finanzierten Familienprojekt, bei dem man schon wirklich beide Augen zudrücken müsste, um diesem gelungene Subversion zuzugestehen. Ob dabei nun die Entlarvung Hollywoods oder die Entlarvung der Leichtgläubigkeit des Zuschauers ins Auge gefasst wurde: Die Bandbreite an daraus ableitbaren Erkenntnissen hält sich äußerst im Grenzen. Nach Obskuritäten suchende Gesellen werden sich hier durchaus aufgehoben fühlen, wenn auch der Antrieb zum Weiterschauen nach maximal zwei Folgen ausgeschöpft ist. Masochisten wie ich wählen das Komplettpaket.
[...] Anstrengend erfährt der treue Zuschauer sodann das allerneuste Abspulen einer Young-Adult-Dystopie, die aus ihrer eigenen Mythologie nichts mehr zu schöpfen weiß. [...] Trotz Gewohnheit – ob in Dramaturgie, Ambiente oder Charakterzeichnung – gibt sich der Film nur wenig selbstbewusst, sondern drückt in künstlicher Aufregung auf die Tube, von seiner Zielgruppe so eindeutig wie jeder andere Genrevertreter empfangen zu werden. [...] Stereotypen und Klischees vom altbewährten Kampf zwischen Gut und Böse sind fest an der Tagesordnung, obwohl der Film in seinem Drang zur Auflösung der Übermacht ironischerweise stets wiederholt, dass die Fraktionen, sprich die Kategorisierung des Einzelnen in rein oder beschädigt, ein Ende haben müssen [...] ansonsten bleibt nur eine äußerst blauäugige Hoffnung in Geist und Gerechtigkeitssinn der Jugend. Die Moral von der Geschicht’ propagiert in Ermangelung an Originalität zudem das Misstrauen gegenüber Regierenden, während das Talent im Waffenumgang wie bereits in der „5. Welle“ gefeiert wird. [...]
https://www.youtube.com/watch?v=ge9QNcQ759E
Thörless rappt den Film recht stimmig und fesch zusammen "GESTATTEN SIE..."?
Vorhang auf für die phantasmagorischen Märchen des Horrorfilms, an dieser Stelle kuratiert von Dario Argento, welcher die Unschuld erneut mit virtuosem Effekt gegen das allgegenwärtige Übel antreten lässt. Dabei repräsentieren sich beiderlei Parteien innerhalb derselben Gestalten: Mensch, Natur, Architektur, Metall, Jugend und Reife. Urängste haben ihren Ursprung eben auch im Vertrauten und dem, was dahinter schlummern könnte. Die Differenzierung erfolgt sodann initiativ binnen Schweizer Täler, so nüchtern wie atemberaubend eingefangen, dass die Stilisierung relativ zügig Gefahr und Faszination vermengt. Argentos Schauerstücke vom Reiz der Verletzbarkeit stellen dafür gerne junge Frauen in den Fokus, auch hier wird zu Anfang eine dänische Studentin alleine in ihr unbekannten Regionen zurück gelassen und muss nach Hilfe suchen, zwischen Neugier und Überwindung über sich hinauswachsen. Sie findet ein jähes Ende in dem Ambiente, das der Film mit ätherischer Aura zeichnet, durch einen brutalen Einschnitt mit zerschellendem Glas und blitzender Klinge, welche aber bewusst noch von einem unsichtbaren Täter, vielleicht der Natur selbst, herausgeschossen zu kommen scheint. Mit ein bisschen Sex in jener Bildsprache kurbelt vor allem der Soundtrack dabei allmählich die Perspektive der Jugend an.
Argentos Filme sind zum Teil eben auch Rockkonzerte, in diesem Fall folglich Identifikationsflächen für eine Leinwandgeneration, die sich als Teens in den Achtzigern verstärkt selbst reflektiert sehen wollte. „Phenomena“ wird im Verlauf auch ein Bindeglied zwischen Verweisstücken des Übernatürlichen, des bodenständigeren Slashers/Giallos sowie den tiefen Wurzeln von Geschichte und Geschichtenerzählung - ein Abenteuer also, das aus dem weltlichen Ursprung heraus durch mehrere Adern zugleich fließt. Der zentrale Auftritt dafür gebührt Protagonistin Jennifer (Jennifer Connelly), die im Züricher Mädcheninternat geißelndes Personal, Lästermäuler und mörderische Visionen im Schlafwandeln vorfindet; gleichsam Freundschaft schließt mit Zimmergenossin Sophie, dem zurückgezogen lebenden Professor McGregor (Donald Pleasence) sowie der kleinsten aller Tierwelten, den Insekten. Die starke Kombo dieser „Außenseiter“ lässt sodann bezeichnenderweise auch die profunde Symbiose von Leben und Tod natürlich, liebevoll und hilfreich erscheinen. Doch der Kontrast des Schreckens anhand gleicher Komponenten macht sich ebenso bemerkbar. Der Film entwickelt daher auch ein sehr eigenes Tempo, das zudem von irren Eindrücken mitten drin und abseits vom Zeitgeist überfallen wird.
T-Shirts mit Barry-Gibb-Portraits und Sprüchen wie „86 % sind gegen die Atomkraft“ lassen sich also mit einer umtriebigen Schimpansendame namens Inga messen, die sich inmitten der telepathischen Verständigung von Mensch und Tier einfindet, während Jennifer im Traumzustand durch Lichter, Flure und Wälder flüchtet, um über den Dingen zu stehen, die sie festsetzen wollen. Der Frust der Bevormundung lauert ihr dabei geradezu omnipräsent auf in diesem „Schweizer Transsylvanien“, doch dessen mystifizierter „Föhn“ bringt in vielerlei Sequenzen auch den Rausch der Schönheit mit sich. Den fühlt man sogar zeitgleich, wenn der Ekel am Rücken hoch schleicht - symbolhaft ergänzt im mikroskopischen Blick auf Käfer, Maden und die parallele Zärtlichkeit Jennifers, jener Königin der Fliegen, wie die Internatsleiterin sie als Beelzebub zu entlarven glaubt. Die Selbstverständlichkeit dessen lässt innerhalb der knapp zwei Stunden Laufzeit sodann auch Luft für ein eher konventionelleres „Whodunit“, welches aber bei weitem keine konventionellen Auflösungen einhält. Die Steadicam schwebt als Fliege Hinweisen nach; Hard Rock von Iron Maiden und Motörhead trifft auf Leichentransport und Eingeschlossenheit; Inga findet die Mordwaffe im Müll; Jennifer will der Offenbarung des Täters und der fiesen Erwachsenenwelt entfliehen, doch die halten sie als Mächte des Wahnsinns in ihrem Bann.
Letzterer Punkt beweist im Umkehrschluss übrigens die Angst des Bösen vor der Kraft des Guten, wie sie sich im Rahmen des Horrors doch so gerne gegenseitig zerstören. Fernab eines kathartischen Triumphs jedoch, findet die destruktive Poesie darin dementsprechend auch ein Finale, welches Feuer auf dem Wasser ausbreitet, Mutationen des Fleisches verschlingt und Güte brachial per Metall köpft, ehe die Empathie von Mensch und Tier in Verzweiflung, Wut sowie Liebe mündet. In diesem wunderbar anorganischen Organismus passiert einfach alles und da wird es umso beachtlicher, dass Argentos Regie dies grundsätzlich über schlichte Reize vermitteln kann, einen Publikums-tauglichen Reißer italienisch à la carte entwirft und mit Naivität ins Herz eines jungen Individuums blickt. Von „erwachsener Qualität“ mag dabei vielleicht nicht alles an Darstellerleistungen und Dramaturgie betroffen sein, doch die Angst sowie die Bewältigung derer kennt nun mal kein Alter. Wohl deshalb hält Argentos Horrormärchen auch unabhängig vom Spaß an dessen Fantasie noch immer an.
Man, was sind wir Menschen impulsiv! Jene grundsätzliche Eigenschaft kann einem manchmal echt leicht aus der Wahrnehmung entwischen, so gut man sich insofern mit dem Alltag arrangiert, Menschenkenntnis im positiven wie negativen Sinne fürs Profiling anwendet und insbesondere in der Reflexion per Leinwand meist mit geordnet funktionellen Idealen oder Stereotypen begegnet wird. Geschichten wollen eben eine Perspektive haben, um sich selbst vermitteln zu können, so möchte man meinen. Ein Kerl wie John Cassavetes hatte es jedoch schon vor knapp fünfzig Jahren raus, dass allein diese Flächen der Emotionen, die wir Gesichter nennen, ein Bollwerk an Filmerfahrung ausmachen, vom Titel her bereits ikonisch einschlagen können. Gut, ein Wiedersehen mit später allzu bekannten Ensemble-Visagen seines Gesamtwerkes lädt hier ohnehin ein, von Gena Rowlands bis Seymour Cassel wird es schnell heimelig, nichtsdestotrotz lassen sich hier alle auf ihre Art liebgewinnen. Beinahe wie im trunkenen Taumel lässt Cassavetes diese in seiner Variante des Cinéma vérité ganz nahe beobachten, was an Persönlichkeit, Lebenslust sowie -frust in Augen, Mundwinkeln, Lachen und Tränen zu finden ist. Die Teilhabe am menschlichen Miteinander bannt dabei den Zuschauer, ohne mit voreingenommenen Erwartungen hinsichtlich Genre oder Figureneindeutigkeit anzubiedern oder gar Katharsis im Nachhinein einreichen zu müssen.
Bei solch einem eventuell blumigen Formalismus, den man aus jener Schilderung herleiten könnte, belässt er es aber auch nicht. Obwohl es ohnehin für den Großteil von Cassavetes' besten Arbeiten gilt, bilden Unbekümmertheit und Temperament hier schon mit großem Effekt die Grundessenz aus der Gestaltung heraus. Die Kamera nimmt sich mit krassem 16mm-Korn stets Freiheiten, ebenso befreit sich das Narrativ aus konkreter Emotionalisierung, u.a. mit einem Musikeinsatz, der hauptsächlich entweder on-screen ist, gar nicht existiert oder schlicht aus der Musikalität der Charaktere kommt. Deren Handeln ist nur sekundär mit einer leichten Dramaturgie verbandelt, nicht alle Motivationen lassen sich abseits oder gar binnen der Situationsabhängigheit dechiffrieren - Daumen hoch! Stattdessen tritt nämlich ein Leben zum Vorschein, bei dem Eigensinn um Eigensinn aufeinandertrifft, bar jeder Forcierung in Euphorie und Eskalationen kippen kann, aus anfänglichen Feindseligkeiten Busenkumpel kreieren lässt oder einen schönen Abend voll brüllendem Gelächter zu Offenbarungen innerer Verletztlichkeit verleitet. Und das beste daran: Alle Richtungen können sich stets der Interaktion geschuldet wieder umkehren und Sympathien verschieben, ohne dass auch nur an einer Figur ein Urteil erwirkt wird.
Die schlichte Äußerung des Pro und Kontra in jedermann durch Cassavetes birgt schon eine beachtliche Konzentration an Verständnis, komplettiert wird der Film dabei jedoch von der Sehnsucht nach Glück, Erfüllung und Verbundenheit, eben Liebe, die nie ganz ihr Ende finden kann. So erklärt sich natürlich auch das Erlebnis mit den Charakteren, wenn diese mit Einsatz in die Auflockerung stürmen und letztendlich doch ihren Schutzschild herunterfahren, mit wie viel Ungewissheit das Dasein angereichert ist. So wie sich angesichts dessen Humor, Wut, Zuneigung und Verzweiflung beinahe permanent kreuzen, wird man von der Turbulenz restlos mitgerissen, aber auch nicht in eine irreale Hysterie, sprich überfordernde Verkettung von Extremen hinein gerissen. Cassavetes begibt sich für wahr in destruktive wie auch intime Nächte, die Erdung in humaner Begegnung kommt ihm nimmer abhanden; der Drang zu bedingungsloser Empathie könnte ihn als naiv entlarven, wenn er denn nicht gleichsam den Schmerz im Zwiespalt jener Hoffnung verinnerlichen würde; eventuelle Aufdringlichkeiten in der Vermittlung der Kunst werden mit rohem Schnitttempo, schludriger Tonaufnahme und natürlich ungebremster Spielfreude unterlaufen.
Wie man's auch dreht: Solch eine Wahrhaftigkeit wird scheinbar nur selten im Medium erzeugt - dass sich da zum Schluss der über 130 Minuten an verweigerter Kategorisierung hin keinerlei Redundanz und Trivialität ergeben, ist umso verwunderlicher. Im Gegenteil: Da packt es einen erst recht, wenn sich urplötzlich ein Gesicht ohne Leben zeigt, ganz gleich mit welchen ausgesprochenen wie unausgesprochenen Wirrungen es zu hadern hatte. Die krasse Nähe des Ganzen schwellt auch dann nicht ab, wenn das Selbstverständnis der Liebe wütend und herzlich zur Wiederbelebung ansetzt, mit der Kippe im Mund einen Galgenhumor der gegenseitigen Empfindsamkeit zusichert. „Never felt like this before“ tönt es sodann im Abspann und man möchte es nur allzu getroffen glauben, obwohl das Ganze schlicht ein Wiedersehen ist, mit einem selbst und dem Menschen an sich.
[...] Die Fortsetzung vom „Stirb Langsam“-im-weißen-Haus-Kandidaten „Olympus Has Fallen“ versteht ihren Protagonisten noch weniger als zuvor als Charakter, so ist dieser nun schlicht zu einem Ventil geworden, das angesichts einer Welt voller Terror und dessen komplexen Hintergründen für mehr Überwachung, Drohneneingriffe und genüssliches Verstümmeln der Feinde bar jeder Diplomatie spekuliert. Gerard Butler gibt sich mit extra dicken Eiern die Ehre, die Donald Trumps und AfD-Wähler dieser Welt anzusprechen, wenn er als Übermensch der westlichen Welt mit jedem Schuss einen blutigen Treffer landet und seinen Angreifern zuschreit, sich zurück nach „Thefuckistan or wherever you came from“ zu begeben, während er ihnen zigmal die Klinge in den Rumpf rammt. [...] Er nimmt sich und seine Katharsis aber zu ernst, als dass er als Publikums entlarvende Parodie durchgehen könnte; gleichsam greift er zu gelassen auf aktuelle Ereignisse zurück, als dass er provokativ auffallen könnte. Dass er jenen Umstand letztendlich für eine einseitige Gewaltfantasie bar jeder Konsequenz nutzt, macht ihn wiederum äußerst bedenklich und setzt zu einem Rückschritt an, den das Kino (wie auch das Publikum) lieber nicht als Norm empfangen sollte [...]
(Gesichtet im Rahmen des BIZARRE CINEMA im Metropolis Kino Hamburg, 35mm, dt. Fassung)
Mal wieder einer von der Sorte „Genussfilm“. Wer die Reize der beiden Hauptdarstellerinnen Gloria Guida und Dagmar Lassander zu schätzen weiß, kann schon insofern erfreut sein, dass Regisseur Silvio Amadio ihnen hiermit gewiss eine Liebeserklärung schenkt. Diese mag in der dramaturgischen Dimension vielleicht mit der Sprache eines Groschenromans erscheinen und vom Budget her nicht allzu viel Aufwand sowie herzliches Schmuddelfilmflair vorzeigen (allein dieser Soundtrack!), doch offene Filmfreunde empfangen derartig „schludrige“ Präsentationen eben als freundschaftliche Bodenständigkeit, aus der sich Massen an Potenzial ergeben - bezeichnenderweise verheimlicht der Film auch seine Quasi-Adaption von Françoise Sagans „Bonjour Tristesse“ und verhält sich stattdessen durchweg eher so, wie es ihm gerade passt, was wiederum eine ungeheure Lebhaftigkeit hervorbringt. Jene Methodik findet sodann schnell die Schönheit in der Kulisse vor, in den Körpern der Frauen sowie deren jugendliche Sprunghaftigkeit. Euphorisch kombiniert der Film dies mit elliptischer Erzählung, pendelt schon nach dem Vorspann zwischen den Zeiten hin und her und ergänzt auf die Art trotzdem punktgenau die Wahrnehmung der jungen Angela (Gloria Guida) zu ihrer neuen Stiefmutter in spe, Irene (Dagmar Lassander), für welche sie sich schon allmählich ein kleines Komplott zusammen mit Inselficker Sandro (Fred Robsahm) ausdenkt.
Diese Jugend heutzutage... doch fern moralischer Verurteilung besitzen Amadios Charaktere im Grunde ein unbedarftes Wesen, umgeben sich allesamt mit wilden und gleichzeitig heimeligen Dekors unter der angenehmen Hitze des Ambientes und feiern bar jeder Verantwortung Freiheit, Liebe, Natur und Klamotten, während die Sonne so gleißend von der Leinwand strahlt, wie sie in der Naivität der Intrigen auch trügen kann. Angelas zentrales Spiel mit den Gefühlen (inklusive Versteckspiel unter grotesken Felsmassiven) basiert nämlich durchaus auf kindlicher Motivation, geht lediglich mit Vermutungen im Geheimen gegen Irene an, ehe sie diese überhaupt kennen lernt. Mit gleichsam keckem Esprit inszeniert sie sodann eine Zuneigung für Irene, obwohl der Film gerne damit spielt, wie viel Wahrheit doch darin stecken könnte. Erotik ist natürlich ein bindendes Glied in diesen Verhältnissen und bietet Amadio vor allem reichlich Freiraum zur Verinnerlichung von Blicken und im lauen Wind glänzenden Frisuren (Lassanders Rot lässt die Sinne explodieren!) sowie zur Begutachtung der unbekümmerten Nacktheit Guidas, doch neben dieser Zeigefreudigkeit ist das Narrativ ohnehin mit der Chemie der Verführung gepfeffert, welche vor allem den Frauen des kleinen Ensembles zusteht, bei dem die Männer eher im Hintergrund verbleiben. Selbst Sandro, der sich als Lover zwischen drei Damen versucht, hat nicht allzu viel zu melden, kommt mit seinen Anmacher-Allüren bei Irene erst recht nicht weit, ferner blickt er stetig tiefer in eine der mehrmals vertretenen J&B-Whisky-Flaschen.
Ein Arschloch macht der Film aber auch nicht aus ihm, sind ja alles junge Menschen - mit Buggy, Mode und Teleobjektiv ausgestattete Touristen der seligen Lust, in die sich die um eine Generation ältere, aber kaum weniger bezaubernde Irene ebenso hinein verlieren könnte, wenn ihre Zuneigung zu Frauen denn nicht aufgrund tragischer Erfahrungen unter einem schlechten Stern stehen würde. In ihr schlummert die Verletztlichkeit - Angela ist sich dessen im Leichtsinn der jungen Unschuld noch nicht bewusst und spielt dann auch mit der Liebe, als dass sie die Bedeutung derer in ihrem Leben schon wirklich erfahren hat. Visuelles und Dramatisches kreuzen sich dabei übrigens nicht allzu kalkulierbar zur Filmerfahrung zusammen - die Fühlbarkeit bleibt jedenfalls nimmer auf der Strecke, wenn geballte Sehnsucht in den Bildern und Handlungen der Figuren steckt, Motive und Komplexe derer im Unterbewusstsein der Sinnlichkeit jedoch stets weiterlaufen und für Impulse sorgen, welche die Schwärmerei für das weibliche Geschlecht und das Ambiente zwar bis zum Ende nicht als Heuchlerei oder Fantasterei entlarven, wohl aber die Macht der Reize aus der Funktion als Spielzeug herausheben. Von einer möglicherweise konservativen Schlussmoral emanzipiert sich Amadio aber auch, indem er sich stets die Freiheit nimmt, verspielt zu bleiben und das Korsett formaler Strenge sowie Bedeutungsschwangerschaft zu vermeiden.
Bezeichnenderweise liest Irene in einer Szene auch einen „französischen Roman“, den sie sehr interessiert verschlingt, bei dessen intellektueller Haltung sie aber auch Verständnis zeigt, dass diese eigentlich auch „überflüssig“ wäre - gleichsam bringt der Film auch nebenbei Sigmund Freuds Theorien zu Wort, ohne sich an diese allzu lange klammern zu wollen (siehe auch „Emanuelle Nera und ihre wilden Hengste“, ebenso mit Lassander). So lässt sich auch dieser im Deutschen schon gar nicht mal so falsch, aber auch unterschätzt betitelte Film reflektieren, dessen hormoneller Appeal nicht bloß primitive Exploitation hergibt, sondern als „Mogelpackung“ mit den hellen Strahlen allzu menschlicher Freuden kokettiert und an seiner ganzen Ausstrahlung auch nicht vergisst, die Liebe im Individuum und dessen Fragilität empathisch zu beleuchten. Selbst wenn man dabei eine sexy Sause mit Sonne, Sand, heißen Schenkeln sowie Spaghetti und tollen Sprüchen Marke Schier/Eder empfängt, erhält die Subversion im Endeffekt mehr an Gehalt, als der allgemeine Anspruch zu sehen glaubt. Dabei sind Amadios Bildkompositionen gerade in ihrem eigentlich kleinen Rahmen eine kleine Sensation - und seine Darstellerinnen fern forcierter Allüren absolut hinreißende Herrscherinnen der Leinwand.
Die Verletzbarkeit von/in Träumen im Film kann beinahe synonym mit Altmeister Wes Craven genannt werden. Selbst vor seiner Ikone des Freddy Kruegers war das Auseinanderhalten von Realität und Gedankenspiel eine beliebte Eigenschaft in Werken wie „Mondo Brutale“ und „Tödlicher Segen“, welche die Vermengung individueller Perspektiven im Angesicht metaphysischer Furcht verstärkte wie auch die Sicherheit durch Autoritätsfiguren und Vormund stetig abgesetzt wurde. Versteifte Gesellschaftsverhältnisse sind dabei gerne Auslöser einer Spirale ins Extreme hinein, frei nach dem Motto „Familiarity breeds contempt“. Und so findet sich das Böse in „Shocker“ auch mitten im Alltag, geradewegs aus der Fernsehröhre wieder. Nun ist es kein Geheimnis, dass dieser Film im Auftrag der Universal Pictures als eine Art „Elm-Street“-Konkurrenz gedacht war, welche die Übernahme von mentalen Privatsphären junger Protagonisten als Reißer des Übernatürlichen nochmals überbieten sollte. Doch obwohl Craven äußerst vertraut mit den Zutaten der „suburban invasion“ umgeht, verläuft die Hatz durch Visionen und elektrische Ströme (die hier wie so gerne im Horrorgenre ebenso als Lebenssaft einstehen und dafür Blut verschütten) alles andere als vorhersehbar.
Das unstete Prozedere basiert dabei hauptsächlich auf High-School-Sportskanone und Findelkind Jonathan (Peter Berg), dessen Familienverhältnisse sich (ganz der Craven) so spezialisiert am Rande der Disfunktionalität offenbaren, wie sie zudem im Blutrausch auf eine intensive Zelle des Überlebens destilliert werden. Das Vertrauen des Adoptivvaters Lt. Don Parker (Michael Murphy) wird immer weniger zur Garantie, je näher die Taten eines gewissen Horace Pinker (Mitch Pileggi) das Umfeld seines Sohnes treffen, welcher in der Bewältigung des Bösen unfreiwillig, doch reinen Gewissens mit involviert wird, bis Nutzung und Zerstörung des sorgsam aufgebauten Alltags die einzigen Optionen bleiben. Fairerweise sei gesagt, dass er vorher selber Opfer jener destruktiven Kraft wird, die ihm in vertrauter Atmosphäre merkwürdigerweise ebenso vertraut begegnet und ihn dennoch so verhöhnt, bis sie seine Realität zerreißt. Pinker scheint dabei als übermenschliches Übel zunächst ungreifbar und doch so massiv in Vulgarität und Brutalität, dass es Jonathans Wahrnehmung und jene des Zuschauers verwirrt, bis die Familiarität des „Traumes“ allzu verzweifelte Gewissheit wird - soweit also ganz genre-gerecht und voll mit Verweisen auf die Bewährungsstufen der Nancy Thompson gefüttert.
Die Austreibung des Bösen bringt jedoch ein Arsenal an Tücken mit sich, das über das irdische Verständnis hinausgeht und selbst unsere Helden zu unwirklicher Methodik und Motivation verleitet. Fortan befindet sich der Film also in einer Aura der Traumlogik, die sich allein dadurch schon ankündigt, welch abschreckende Eindrücke auf jenen versammelten Flimmerkisten geballt werden, mit denen sich Pinker im Privaten umgibt. Das spricht durchaus für eine Kritik auf Macht und Verantwortung der Medien, viel mehr jedoch zeigt es eine Reflexion der Wahrheit in natura (wie der Film ebenso Gewalt über sein Medium verarbeitet), die jedoch erst im Kreislauf der Gewöhnlichkeit/Gewöhnung sowie jenseits von Nuancen zu Extremen heranwächst. Nutzung und Zerstörung jener Verhältnisse werden dem Film im Angesicht dessen entsprechend auch geläufig, wenn er narrative Muster und Erwartungen Stück für Stück aushebelt, Heavy Metal auf spröde Gefängnistrakte treffen lässt, jedes Szenario abseits von Konklusion oder Katharsis weiterentwickelt, Charaktere aus dem Nichts hinein holt und wieder entlässt, bis der Überblick einer omnipräsenten Bedrängung weicht. Es gibt kein Entkommen.
Gewiss ist Pinker das unberechenbarste Element in der Handlungsführung zwischen dem Mut und der Angst Jonathans. Es kann blitzende Effekte beschwören sowie irre Verstümmelungen und Sprüche herbeiführen. Gleichzeitig ist die Selbstverständlichkeit, mit der sich das sonstige Ensemble um sich selbst dreht und bar jeder Einweihung des Zuschauers Lösungen vorbereitet, ebenso surreal veranlagt; teilweise von einer Mythologie umgeben, die (der Zielgruppe entsprechend) durchaus von jugendlicher Grundnaivität ausgeht, aber so oder so aus der Zeit fällt. Man bedenke allein Jonathans Verhältnis zu jenem Herz-Talisman, den er seiner Freundin Alison (Camille Cooper) vermacht, im Verlauf ein entscheidendes Werkzeug wird, das über die einfache Kausalität von Liebe vs. Böses hinausgeht und sodann eine Kette an abwegigen Entscheidungen verursacht. Selbst wenn die Empathie zu Jonathan als zentrales Ventil der Bezwingung ungebrochen bleibt: Alles trägt zur Umkehr der Gewissheit, im inhaltlichen wie filmischen Rahmen bei, so wie sich auch die Modi der Sterblichkeit gegen ein Regelwerk wenden, Pinkers Geist in mehrere Körper springen lassen, die Verantwortung für das anbahnende Chaos ambivalent verteilen, sogar auf die ursprüngliche Unschuld zurückführen (eine Vorschau auf Cravens „My Soul To Take“) und letztendlich auch auf einen Trip durch die Zwischenwelten im TV-Wunderland hinauslaufen, wo unabhängig von Leben und Tod alles existiert, solange der Strom eingesteckt bleibt.
An der Filmerfahrung lässt sich also trotz der Erfüllung von Genre-Thrills und temporeichen Horror-Shots nicht allzu viel pauschalisieren, so wie sie die Belange des Hauptcharakters durch einen Albtraum unter Vertrauten peitscht und mit aberwitzigem Terror im transformativen Sender-Empfänger-Verhältnis auf die Spitze treibt. Die Bewältigung dessen kann da nur zu den Sternen (= Möglichkeiten, auch jene der Medien) schauen und sich wundern, ob das Böse für immer verbannt wurde, wenn dieses doch stets weiß, dass es bei Gelegenheit einfach nur wieder eingeschaltet werden muss, um sich zu verbreiten. Horror never dies - gleich daneben darf auch ein anderes unschuldiger erscheinendes Credo stehen: Plug and Play. So sind eben auch die Impulse des Lebens und des Mediums programmiert, woran Cravens Charaktere fiebrig zu knabbern haben, der Zuschauer aber umso verzückter einen „Shocker“ umtriebiger Filmgestaltung in Gang setzen kann.
Ingmar Bergmans Ensemble wandert zwar im Zwang emotionaler Kälte umher, im Innern sengt ein Fieber es jedoch an. „Schreie und Flüstern“ kommen dem Titel entsprechend der zentralen Frauengruppe entgegen, von der eine, Agnes (Harriet Andersson), im argen Krebsleiden die Ekstasen des Sterbens erlebt, während ihre Schwestern, Maria (Liv Ullmann) und Karin (Ingrid Thulin), eine nur leidlich passive Verzweiflung eingehen. Ehe wir jedoch die genauen Figurenverhältnisse nachgesagt bekommen, gibt Bergmann acht auf unser Bewusstsein zu Umgebung und zwischenmenschlicher Interaktion. Allen voran das altertümliche Dekors in seinem gleißenden Rot gibt Auskunft über ein drakonisch eingemauertes Leben, das abseits vom Licht alsbald in der Finsternis verschwimmt und wohl nur deshalb so farbig leuchten kann, da die Menschen hier fortwährend ihr Blut, ihren Lebenssaft vergießen. Mit der Farbdramaturgie hat es hier so einiges auf sich, die Wurzel der Verklärung kommt in dem Ambiente somit besonders transparent zum Vorschein. Wie schon in „Die Jungfrauenquelle“ werden Qualen nämlich der Gewöhnlichkeit sowie des Glaubens halber erduldet, obgleich die Position im Irdischen jedermann von Innen zu verkrüppeln scheint, so wie sich Maria und Karin wider des individuellen Glücks in der Ehe befinden oder wie die Bedienstete von Agnes, Anna (Kari Sylwan), den frühen Tod ihrer Tochter hinnimmt.
Letztere setzt ihre Demut zumindest in eine bedingungslose Mütterlichkeit für Agnes um, für die ihre Schwestern nicht bereit sind, obwohl allesamt mehr oder weniger an Einsamkeit, Entsagung und Manierlichkeiten aufgewachsen sind. Umso intensiver zeichnet Bergmann deshalb die Begegnung mit Empathie und unausgesprochener Sehnsucht, wenn der Drang zu und die Angst vor Berührungen innerhalb des Figurenkreises versucht werden. Das Treffen von Haut zu Haut innerhalb der starren Gemäuer birgt durchaus Erotik, insbesondere Maria will damit reizen, allerdings geht der Film weit mehr vom menschlichen Grundbedürfnis aus, die Nähe eines anderen, sprich Verständnis spüren zu wollen - der Mangel dessen hat sodann symbolisch zum Leiden von Agnes geführt, obwohl sie die Einsamkeit der Mutter als erste derer Kinder erkannte. Ihre Schwestern sind gegenüber jener Erkenntnis allerdings gehemmt: Maria versucht sich im Geheimen an eine Affäre, wobei ihre in Eigennutz getunkte Naivität sie entlarvt und statt Glück nur Unglück erschafft. Einer eventuellen Hilfe für die Geschädigten entzieht sie sich. Karin hingegen übt sich im Schweigen (die Verknüpfungen zum gleichnamigen Film von Bergman sind ohnehin prägnant), gibt zwischen den Stationen freiwilliger Selbstgeißelung lediglich Einzelmomente nackter Wahrheit von sich preis, bis ihre Abscheu vor dem Gesamtbild der Lügen in blutiger Selbstverstümmelung mündet. Der Rückzug in die Entmenschlichung kann eben nicht auf ewig halten.
Das Rot jener Destruktion verbindet sie jedoch alle, so wie die vielen Überblendungen zu jener Farbe Figuren und Geschichten im wechselnden Zeit- und Realitätskontext verknüpft, wie ein Herzschlag pocht und ein ideologisches Urteil zugunsten gemeinsamer Ungewissheit vermeidet. Dementsprechend wird die Gefangenschaft aller, ob nun im Leben oder im Tod, nicht aufgehoben - das Innehalten der Hoffnung jedoch, selbst in Mikrozellen an Momenten, bildet bezeichnenderweise das Schlussbild des Films vor der letzten Rotblende ins Herz. Die Verkapselung dessen im Zelluloidformat erzählt schon reichlich von der einzigartigen Funktion des Mediums an sich, abseits davon wirkt Bergmans Film aber alles andere als zeitabhängig in der Darstellung einer grundsätzlichen Versöhnung der Menschheit mit ihrer Krankheit sowie der fehlenden Abgeklärtheit dazu. Das liegt nicht nur am Aussparen historischer Details seinerseits oder an den teilweise auftretenden surrealen Qualitäten seiner Dramaturgie, sondern an der Erkennung scheinbar unvermeidlicher Systematiken im Umgang mit humanen Werten. Da steht es ambivalent um Selbstgefälligkeit und Status im Angesicht zu Kontakt und Liebe, wenn eine (z.B. gesellschaftliche) Richtung das Leben und dessen Ende bestimmen kann, eine Farbe hier die Perspektiven zwischen den Schicksalen umschließt, Jesus für die Sünden aller gestorben sein soll und der Schmerz auf Erden dennoch bestehen bleibt. Wir bluten eben alle - da ist Bergmann Humanist, Optimist, Pessimist und Realist zugleich, wenn er Höhen und Tiefen der Norm sowie die Zärtlichkeiten dazwischen in „Schreie und Flüstern“ definiert.
[...] Somit verlagert er waschechte Actionheroes in ein reales Krisengebiet, die ihren Verbündeten in der Bevölkerung zeigen, was sie drauf haben. Anstatt die latente Überheblichkeit jedoch in eine einseitige Schuss-und-Treffer-Euphorie münden zu lassen, beweist sich Bay erneut als Meister des Chaos. Nirgendwo passen Orientierungslosigkeit zwischen Funken, Kugeln und Explosionen, Verzweiflung und Adrenalinschub besser hinein, als in die urplötzliche Belagerung. [...] Die Faktoren der Anbiederung und manipulativen Emotionalisierung sind keine, die man nicht nur der politischen Korrektheit wegen einfach ausblenden kann. Ohnehin wird der Zuschauer erneut auf die Probe gestellt, wie die Schere zwischen Distanz und Involviertheit gemäß des filmisch umgesetzten Sujets anzusetzen ist. „13 Hours“ hat im Verlauf auch reichlich brutale Eindrücke parat, die der amerikanischen Mentalität einen Denkzettel verpassen und die Schuld nicht auf die Schultern eines Landes legen, sondern auf das forcierte Abwarten, sprich das Einhalten von Regularien. Ebenso entsteht ein Großteil der Eskalationen im Durchbrechen dieser Regularien [...] Entlastet verlässt man den Kinosaal hier nicht – erhellt vielleicht noch weniger. [...]
Frisch von der Robocop-Vorstellung auf 35mm zurück (unglaublich, wie assig Fox damals extra fürs deutsche Publikum gekürzt hat, der Film war dennoch Bombe), hab ich mir noch das Programm des Metropolis Kino Hamburg für den März gegriffen. Und ich muss da wohl einziehen, denn diese Termine (und noch viele mehr) sind einfach unverpassbar grandios:
01. März, 17 Uhr: 12 Uhr Mittags
06. März, 14.30 Uhr: Sonne, Sand und heiße Schenkel (Daggi!)
08. März, 19.15 Uhr: Bei Anruf Mord
12. März, 19 Uhr: Spiel mir das Lied vom Tod
13. März, 21.15 Uhr: Begierde (jap, mit Bowie)
18. März, 17 Uhr: Mein Name ist Nobody (!!!)
18. März, ab 20 Uhr: Die Todesgöttin des Liebescamps & Söldner kennen keine Gnade
20. März, 14.30 Uhr: Das Auge des Satans
21. März, 19 Uhr: Remake, Remix, Rip-Off
27. März, 14.30 Uhr: Häschen in der Grube
27. März, 19 Uhr: Tscherwonez
und noch viel mehr, soweit nicht anders vermerkt auch hauptsächlich von 35mm und ein Geldfresser wie sonst was, aber fuck it, Kino her! :D Ich hoffe, viele von euch da zu treffen^^
Nichts ist so ersichtlich wie das große wunderbare Tauziehen zwischen Tobe Hooper und Steven Spielberg, das dieser Melange aus suburbanem Terror und matriarchalischer Empathie zugrundeliegt. Spielbergs Handschrift scheint dabei gerne öfter die Überhand zu verinnerlichen, wohl schon seiner Funktion als Produzent und Drehbuchautor geschuldet; Cutter Michael Kahn sowie die Produzenten Kathleen Kennedy und Frank Marshall haben gewiss auch den Einfluss jenes Mannes reinforciert, dessen E.T. zeitgleich in ähnlichem Ambiente ungewöhnliche Ereignisse (und Massen an Star-Wars-Merchandise) binnen einer Familienkonstellation aufbereitete. Nimmt man zudem Hoopers frühere Werke zur Hand, also "Blutgericht in Texas", "Blutrausch", "Brennen muss Salem" oder "Das Kabinett des Schreckens", hat die leichtherzige und gewissermaßen konventionelle Vermengung von Charakterwerten, Schauspiel und Erzählform nicht allzu viel gemein mit dem stetig Unheilvollen, in siedenden Albträumen herumwanderndem Ensemblestück, das sich beim Regisseur bis dahin anbot und im Nachhinein auch wieder zur Norm wurde. "Invasion vom Mars" brachte insofern später die Erkenntnis, wie seine Version vom "Poltergeist" in konsequenterer Form ausgesehen hätte, nichtsdestotrotz bieten sich innerhalb der Spielberg'schen Idylle genug Themen an, die Hooper zusprechen dürften, wenn sie auch für seine Verhältnisse recht offen telegraphiert werden.
Von Anfang an zieht sich das "star-sprangled banner" durch den Film, hält die Familie per Fernseher bis zum Einschlafen hinein warm und beherbergt doch allzu bezeichnend das nachfolgende Spukereignis. Die im Detail aufgelöste Vorsehung des Intros gleicht sich gut mit Hoopers "Funhouse" ab, die Dastellung der familiären Verhältnisse zeigt hingegen einen herzlichen Frieden inklusive Nachbarschaftsstreichen, der zumindest in politischer Beobachtung durchaus an die Ausmaße der amerikanischen Selbstgefälligkeit im "Blutgericht in Texas" anknüpft. Das schlägt sich am ehesten am Patriarchen Steve (Craig T. Nelson) durch, der sich mit seinen Kumpels ein Footballspiel per Glotze anschauen will und durch die Fernbedienung des Nachbars gestört wird. Er ist zudem Teilhaber am Handlungsort und Wohngebiet Cuesta Verde, das identische Einfamilienhäuser aus dem Boden springen lässt, folglich sind die "remote controls" zum Lebens-bestimmenden TV in komischer Überhöhung ebenso eineiig. Ohnehin dreht die Komik am Rad, sobald Mutter Diane (JoBeth Willams) den verstorbenen Familienpiepmatz Tweety entsorgen muss, jedoch nicht einfach im Klo runterspülen kann, so wie Spielberg eine universelle Kindheitssituation mit den Augen Carol Anns (Heather O'Rourke) konstruiert, die ihm ein naiv ausgeschmücktes standesgemäßes Begräbnis bescheren will.
Selbst der Golden Retriever der Freelings (so der Name der Family) nimmt an der Trauerfeier im Garten teil, ehe er das Grab sofort wieder auszubuddeln versucht und Carol Ann sich urplötzlich zwei Goldfische wünscht. Der Bezug des Gewöhnlichen zur Sterblichkeit klingt gewiss nach Hooper, alle Zutaten dieser Szenerie sprechen aber eher vom drolligen Eskapismus Spielbergs als von der unterschwelligen Satire eines Hoopers. Letztere wirkt zumindest am schönsten nach, sobald die Mutter sich darüber aufregt, dass Carol Ann auf ein weißes Rauschen starrt, ehe sie mit dem Umschalten auf einen Kriegsfilm wieder beruhigt ist. Ebenso voller Hintersinn (und doch recht offensichtlich in der Funktion) blättert Vater Steve mit regem Interesse in einer Ronnie-Reagan-Biographie herum - obgleich er dabei zusammen mit seiner Gattin unbedarft Joints raucht und glaubt, die Werte des 60's-&-70's Umschwung mit konventioneller Lebensqualität verbinden zu können, wird er mit den Ausmaßen der aufkommenden Reaganomics (und gewiss auch dem kalten Krieg im Nacken) im Verlauf noch einschlagend konfrontiert. Für wahr sind diese Horrorszenarien dann die Stärke Hoopers, der den metaphysischen Horror aus Menschheit, Natur, nationaler Historie und deren Zwischenwelten herauskitzelt, mit Symbolen der Vertrautheit sowie Fantasien und Urängsten direkt die Sicherheit des Konsens in Frage stellt und angreift. Das trifft natürlich die Kleinste, Carol Ann, ein Spiegelbild des im Wunderland des Grauens krabbelnden Mädchens aus Hoopers "Blutrausch", am schlimmsten - die Angst des Verlusts und der Machtlosigkeit überkommt jedoch alle und da verknüpfen sich Hoopers und Spielbergs Sensibilitäten allmählich, wie man dem Spuk noch in aller Ermattung begegnen kann.
Spielbergs Seite schafft das in der (gemessen am Okkult-Fimmel jener Ära nachvollziehbar schnell eingeschalteten) Untersuchung durch Parapsychologen mithilfe von Empathie gegenüber dem kindlichen Gewissen (Diane erwünscht sich das auch von Steve bei einer frühen Möbel-Demonstration), die übernatürliche Welt als Teil einer möglichen Realität zu verstehen - ganz dem religiösen Glauben verpflichtet und mit "wonderment" im Auge der Treppe zum Himmel aufschauend, als wäre demnächst noch "Casper" im Anmarsch. Hooper hält aber ebenso nicht allzu lange inne, die Furcht vor dem Aberglauben wahr werden zu lassen sowie anhand seiner intensiven Farb- und Lichtdramaturgie Überforderungen der Sinne, Tränen, Geschrei und Gewalt aus dem Jenseits zu erwirken. Jene beidseitigen Qualitäten vereinen sich zudem in Medium und Quasi-Exorzistin Tangina (Zelda Rubinstein, welche in ihren Showbiz-Avancen die Ghostbusters vorwegnimmt), welche die Gesinnung der Mächte genauso hin- und herpendeln lässt wie Jerry Goldsmiths bipolarer Score, welcher aber auch recht innig von der Gefühlslage der Mutter ausgeht - und das obwohl der Film trotzdem aus vielerlei Perspektiven erzählt, was die multiple Persönlichkeit der Autorenschaft repräsentiert, aber auch die Albtraumlogik des "Texas Chainsaw Massacres" repliziert.
Spielbergs Sinnlichkeit für die Behütung im Elternhaus findet hier jedenfalls einen taffen Meister in Hoopers Vision der Hölle und obgleich ein Happy-End in Aussicht steht, geht das letzte Drittel nochmal in die Vollen, bettet die Heimsuchung endgültig in rotes Licht und kräfteringende Bewältigungen, bis nur noch die Flucht zu Punkt Null übrig bleibt und das Vertrauen in die Lügen des modernen Amerikas aus der familiären Einheit ausgeschlossen wird. Ist das letztlich ein Unentschieden im Tauziehen der Autoren? Obwohl nämlich keiner mit voller Konsequenz in seine Spezialitäten eingedrungen ist, macht das den Film an sich zu einem reichhaltigen Experiment, das die Unnachgiebigkeit Hoopers mit für ihn ungewohnt sympathischen Charakterwerten verknüpft, welche die Hoffnung nicht aufgeben wollen und am Ende doch allzu ausschöpfend gegen die Folgen des größeren Ganzen bestehen müssen. Das wirkt nicht immer geschickt, auch vom Subtext her etwas schnell ins Auge springend, aber nichtsdestotrotz menschlich "to the core" - selbst, wenn die Menschen zum wütendem Poltergeist-Dasein übergegangen sind. Mit Transformationen, also der Angst vor und der Empfängnis dessen, geizt der Film nun wirklich nicht (eine Art Geburt mit "Baby" Carol Ann findet auch statt), ob nun auf der realen, der surrealen Ebene oder in der schieren Absicht seiner Macher.
Wim Wenders’ Frühwerk will bezeichnenderweise schon so „on the road“ wie seine nachfolgenden Arbeiten sein, vorerst fängt es aber beim Menschen an sich an, der womöglich bald von seiner Sehnsucht getrieben wird, jedoch innerhalb der zeitgenössischen Verhältnisse erstmal im Zweifel zu sich selbst steht. Die Aufbruchstimmung ist eine verhaltene bei Protagonist/Anti-Held Bloch (Arthur Brauss), einem Torwart in Österreich, der rastlos durch die Stadt zieht, in Hotels unterkommt und nur flüchtige Bekanntschaften schließt. Seine Persönlichkeit gibt nicht viel von sich preis, für den Zuschauer bleibt der Mann ein Mysterium, dem man gespannt zuschaut, wie er seine Blicke ohnehin schon mit Unruhe und Ungewissheit zu Horizonten sowie Schallplaten, Münzen und Frauen zugleich lenkt, von einer Situation der Ziellosigkeit in die andere wandert. Bleiben will er nicht, aber weg kann er umso weniger. Seine wehmütigen Ansatzpunkte im Zwischenmenschlichem und einem euphorischen Lebensgefühl scheinen Anekdoten über die Mannschaft, über die einstige Tour durch die USA (er trägt sogar mehrere Dollar mit sich) und die Jukebox in jeder Gastwirtschaft zu sein. Nicht, dass die anderen Menschen tieferes abseits des Alltags auszudiskutieren haben, viele lernt man sogar nur anhand ihrer Auffassung von Berufsmethodiken und Smalltalk kennen, so wie sich das gewöhnliche Gesellschaftsbild eben im primären Umgang auch definiert. Bloch ist in seiner Funktion des jede Möglichkeit erwartenden Torwarts ebenso an eine nicht nur mentale Stelle gebunden.
Selbst die Flucht ins Kino oder in den Sex fängt Wenders zwar stets „auf dem Weg dorthin“ ein, die Ausführung wird aber meistens abgeblendet. Die Verinnerlichung des Geisteszustandes unseres zentralen Charakters bereitet einen aber weder auf seine mörderischen Impulse vor, noch auf die Nichteinlösung einer im Kino sonst so selbstverständlichen ideologischen Haltung zu seinen Taten. In einer Charakterstudie wie dieser kommt nun mal alles von ihm aus: Bloch ist ein stiller Wanderer, Opfer und Täter im Zeitgeist, höchst wankelmütig und doch präzise, wie er Spuren verwischt und doch nur zaghaft eigentlich notwendige Auswege aufsucht. Daraus ergibt sich auch eine pointierte Schlichtheit in der Inszenierung, die kurzweilig geschnitten Nebensächlichkeiten beobachtet und jede Handlungsdringlichkeit sowie Genre-Topoi ausklammert. Wenders’ späterer Road-Movie-Pathos, das Bewusstsein zu Raum, Landschaft und Freiheit, ist dabei schon ersichtlich und von Kameramann Robby Müller entsprechend aufreizend gestaltet (Diese Farben!). Blochs Perspektive, somit auch die des Zuschauers, kann den greifbaren inneren Wandel jedoch noch nicht für sich selbst entschlüsseln - selbst wenn die Abendröte zu allen Möglichkeiten lockt, treibt sich der Torwart mit seiner Jukebox herum und landet schließlich, wohl auch mit der schleichenden Schuld im Nacken, im stillen Dörflein.
Das provinzielle und gemütliche Ambiente birgt für ihn zumindest noch alte Bekanntschaften wie jene mit der rothaarigen Pächterin Hertha (Kai Fischer) sowie eine Beschäftigung mit den kleinsten Aspekten des Lebens, anhand derer man beinahe auch die Tat unseres Hauptdarstellers vergisst, wenn denn Wenders nicht doch ins Gewissen ruft, dass das spurlose Verschwinden in dieser grundlegenden Arbeit noch keine Option ist. Zeitungen, Fernsehen und Radio werden stets, auch von Bloch, eingeschaltet und sprechen von seinem Fall sowie dem eines verschwundenen Jungen, zu denen er sich gleichsam gleichgültig verhält. Seine Nervosität kann er nicht vollständig ablegen, doch der Film denkt nicht daran, dies so zu stilisieren, dass sich ihm die Schlinge langsam um den Hals zieht. Viel mehr zeichnet er seinen gegenwärtigen Zustand beispielhaft anhand von Sequenzen an einem Standpunkt, in denen Bloch u.a. die Chance zur Romantik nutzen könnte, sich aber doch wieder grundlos ablenken lässt und wie und je Emotionen „aufspart“. Kamera, Schnitt und Jürgen Kniepers Musik halten dabei mit ihm Schritt, wie abstrahiert er sich zwischen den Trivialitäten und Chancen bewegt; mal scheinbar willkürlich mit Nettigkeiten glänzt, Angebote vor- und abschlägt, dann Eskalationen herbeiführt und sie gleichsam wortlos fallen lässt, vergisst und mit seinen Mitbürgern über Sachen lacht, welche insgeheim mit seiner Schuld zu tun haben.
Zudem ist er auch ein guter Zuhörer, aber keiner mit Problemlösungen in petto. Er ist stets auf dem Sprung, nie wirklich konsequent und doch scheint er selbstsicher und genügsam. Allen voran die Sehnsucht steckt ihm und Wenders in den Knochen, aber sie leben sich gemäß des inneren Zwangs der Gewöhnlichkeit noch im System aus, welches jedoch bei all den Aspekten, die sich hier anbieten, keine Dämonisierung oder Verherrlichung erfährt - Bloch ergeht es da nicht anders. Es ist wie es ist: eine komplexe Beobachtung, mit den Fingern zwischen den Jalousien steckend, die hier Frust im Offenen sowie Glück im Geschlossenen vorfindet und andersrum genauso überzeugend argumentieren kann, ohne eine Entscheidung vom Zuschauer zu forcieren. Auf diesem Wege bleibt das Ende auch unaufgelöst, doch verständnisvoll gegenüber der Zwiegespaltenheit und Vielfältigkeit menschlicher Existenz, schließt Blochs mentale Sackgasse ironischerweise mit einer luftigen Kamerakranfahrt ab. Ziemlich reife Leistung für einen einst so jungen Burschen!
Huch, jetzt wird’s Meta! Life imitates art und der ganze Kram! Sicherlich ist der erfahrene Filmfreund von heute für jede Überraschung gewappnet, die ihm das Horror-Genre zuwerfen könnte und wenn man mal für einen Moment die Vorsicht der Spoiler-Kultur ausblendet, ist Bigas Lunas Werk in seiner Gesamtheit auch eine Erfahrung, welche die meisten Nachgeborenen bereits destilliert im Intro von „Scream 2“, ferner „Scary Movie“ oder auch den jeweiligen „Blobs“ sahen: Die Vermischung der Ebenen im Schrecken, zwischen Realität und Leinwand in selbstreferenzieller Ironie ergänzend. Die Symbiose aus Film und Zuschauer ist dem Medium nun mal ureigen, Luna stellt anhand dessen also ein allzu nachvollziehbares Konzept zusammen, das mit effektivem Thrill imminent im Kintopp zuschlägt. Die oben erwähnte Ironie des Ganzen, welche die mediale Konfrontation der Urängste mit der Verwirklichung eben dieser kollidieren lässt, schlägt sich demnach weniger in einer spaßigen Erfahrung aus, als in einem doppelbödigen Terror, der im Kinosaal umso stärker nachwirken könnte, während Heimkinozuschauer nun wiederum verstärkt Kopfkino anstrengen müssen. So oder so lässt Luna schnell wissen, wie nah er an unsere Rezeptoren, sprich direkt ans Auge will und von der Verletzlichkeit zehrt, die wir gegenüber unseren Körpern oder unseren Repräsentanten im Film empfinden.
Sein Film im Film, eine für sich alleine schon verstrahlte Psycho-Variante, verbindet den Nervenkitzel eruptiver Gewalt sodann mit drastischen Blicken zur Sezierung und kommt zudem im Narrativ mit einer Hypnose an, die Mutter und Sohn miteinander verknüpft und sich wie alle audiovisuellen Eindrücke auch mehr oder weniger im Publikum auswirkt - je nachdem, wie sensibel man dafür ist. Luna überspitzt jene Unruhe der Reflexion im Verlauf zu einer Kette an Parallelen, die er weder esoterisch noch rationell zu erklären versucht, als dass sie sich eh unabhängig vor den bereitwilligen Gruppen an Zuschauern abspielt, welche wie die Mutter im Film-im-Film stets noch mehr verlangen. Dass darin Augen herausgeschnitten sowie Blicke gefangen werden (die audiovisuelle Gestaltung ist ohnehin ein triebhafter Schmaus), in jener Vermengung all dessen die transformative Verarbeitung von echter zwischenmenschlicher Zerstörung für uns Zuschauer erster Instanz stattfindet, birgt komplexe Faszinationen, obgleich Lunas Film dem Genre keine unbedingt ungefährliche Wirkung zuspricht und doch direkt in dessen Stilmerkmalen zupackt. Er geht durchaus ambivalent von einem Extremfall aus, welcher in jener Ära der Slasher-Fließbänder und Selbstjustiz-Reißer allerdings ebenso zur Norm gehörte und in der Menschenkenntnis nicht unbedingt immer die Empathie (eben auch für das Monster - Luna setzt seine Zuschauer ja auch in Relation mit dem hypnotisierten Mörder) ausstrahlte, anhand derer der Horrorfilm eigentlich am meisten glänzt.
Ähnlich funktionell wie in einem „Freitag, der 13.“ stellt uns Luna also auch eine Identifikationsfigur im Kinosessel zur Verfügung, Patty (Talia Paul), von der wir nicht viel mehr erfahren werden, als dass sie sich mit ihrer Freundin einen Film anschaut, etwas empfindlich ist und die ganzen Ausmaße des Horrors an sich erfährt. Ihre jugendliche Universalität ist beliebig wie allerdings auch ein großes Ass für den Film, der aus ihrer Unschuld und Furcht ein ideales Ventil für die Begegnung mit der Angst macht. Nichts daran ist unbedingt neu und gemessen am Gesamteindruck lässt sich Lunas Film ebenso schlicht als schniekes Genrewerk mit Gimmick rezipieren, wie es in der Welt des Kinos seit jeher gang und gäbe ist. Wenn man aber eins aus einer Lebenserfahrung an Horrorfilmen lernt, dann, dass man sie nie unterschätzen sollte, wie sie einen unversehens doch (auch im Horror des Lebens) kriegen können - Luna arbeitet da auch nur nah am Menschen (ganz gleich welcher Dimensionen), wenn er jenes Potenzial direkt an der Quelle entfesseln lässt. Da gibt’s wenig Gnade in der Unsicherheit, irgendwie muss man sich damit aber auch arrangieren und notfalls stets die Augen offen halten. Hans Schifferle sagt in seinem Buch über „Die 100 besten Horror-Filme“: „Man ist gebannt und ein wenig erschrocken von dem, was sich nicht greifen lässt. Sensation, Ritual und Magie: damit hat jede Filmvorführung zu tun.“. Regisseur und Autor Bigas Luna macht dementsprechend einige Grenzen locker.
[...] Regisseur Florian Gallenberger hat sich mit Koautor Torsten Wenzel dazu entschlossen, die Geschichte der „Colonia Dignidad“ in einen Thriller zu verpacken, der nicht nur ansatzweise die Herangehensweise von „Argo“ repliziert [...] Gallenberger strapaziert die Geduld des Zuschauers mit seiner Redundanz des kaum über Standardbilder von Prügel und Peitschen ausgereizten Lageralltags – ganz zu schweigen von jener Liebesgeschichte zum Drang der Wiedervereinigung, deren Relevanz dem Zuschauer aufgrund spärlicher Charakterzeichnungen nicht allzu viel bedeuten kann. Dennoch drängt Gallenberger darauf, Spannung wiederholen zu müssen und lässt den Sachverhalt auch gerne mehrmals per Dialog und Bild erklären, damit deutlich wird, wie schlimm doch alles ist. In einem besser ausgearbeiteten Kontext würde das bestimmt auch ankommen, die Struktur dieses Films lässt jedoch nur einen blassen Eindruck zu, der sein brisantes Potenzial durch möglichst leicht verdauliche Genremuster lediglich als Hintergrund nutzt, während die Flucht schablonenhafter Liebender aus der Unterdrückung im Fokus steht. [...]
Familienduell! Wes Craven gebraucht nach „Mondo Brutale“ erneut die Plattform reißerischen Horrors für eine Betrachtung familiärer Strukturen und deren folgerichtiges Chaos in der Konfrontation mit dem Bösen, welches sich allzu bezeichnend „nebenan“ befindet. Mit einem dem „Texas Chainsaw Massacre“ nicht ganz unähnlichen Ansatz verschlägt es unsere Bilderbuchfamilie auf ihrem Weg gen Kalifornien per Auto und Wohnwagen mitten in die Wüste. Obwohl dort eine Testanlage für Militär- und Nuklearaktionen vorherrscht, reizen die innewohnenden Silbermienen unsere Patriarchen und deren Söhne, welche als Verkörperung des gemütlichen 70's-Suburbia vom Selbstverständnis des heimatlichen Privilegs ausgehen. Mit dabei, etwas skeptisch und doch genügsam sind die mütterlichen Figuren, die zeitweise sogar romantische Anklänge in der letztendlichen Verlorenheit finden, während das männliche Geschlecht seinen Geltungsdrang im vermeintlichen Abenteuer auslebt. Der Geist der Satire schwebt durchaus über dieser uramerikanischen Station, in der sich jedermann wie im Western, somit als draufgängerischer Siedler fühlt, inklusive tollen Schäferhunden mit Namen wie „Beast“ und „Pearl“ im Schlepptau. Im Verlauf werden sie jedoch zu weit primitivere Zeiten zurückgeschleudert, wenn der scheinbar unprovozierte Angriff des Unbekannten geschieht. Jenes ist sodann eine mutierte Form ihrer selbst, in einzigartiger Kultur zwischen den Felsen unterwegs und ebenbürtig selbstsüchtig um ihren Besitz, ihre „Heimat“ kämpfend.
Die angewandte Feindseligkeit äußert sich besonders brachial, doch die Ursprünge dafür lassen sich im Ansatz bereits in unseren Protagonisten wiederfinden. Deren Häuptling, der alte Vater, hält reichlich zynische Sprüche für die Randgruppen bereit, die er als Polizist im Laufe der Jahre fertig gemacht hat, umso angepisster erkennt er die Ironie, dass er aufgrund eines Unfalls durch die eigene Familie (und sich selbst, aber das ist für ihn nebensächlich) im Morast stecken bleibt. Eine Konfrontation ergibt sich daraus natürlich nicht, viel mehr wird die Situation runter geschluckt und von allen so weit es geht ins Positive verklärt, wie im Verlauf des Films ohnehin durchweg Notlügen zur Beruhigung oder Zurückhaltung aus Schamgefühl gebraucht werden - sei es die Ignoranz gegenüber den Anweisungen des Hausarzts vonseiten des Vaters, die Verharmlosung stundenlanger Abwesenheit von Familienmitgliedern oder die leidlich geäußerte Vermutung, ein Hund wäre weggelaufen, obwohl dessen Leiche schon gefunden wurde. Ehrlich ist da zumindest noch die Liebe untereinander, welche die Formation einigermaßen beieinander hält und Menschlichkeit ausstrahlt. Wenn das aber wegfällt, ist Bambule angesagt, wie es sich an der Geschichte der Widersacher illustriert, die aus ihrer grundamerikanischen Familie aufgrund ihrer äußerlichen Andersartigkeit verstoßen beziehungsweise mit Gewalt begegnet wurden, auf dass sie aus der Gegenwart des „Normalen“ verschwinden sollten. So hat sich also ein Hass in geradezu religiöser Überzeugung binnen der Zurückgezogenheit gebildet und setzt nun gegen die vermeintlich ideelle Kehrseite der amerikanischen Familie an.
Mitten drin gibt es jedoch den Vermittler, die Aussteigerin, Ruby (Janus Blythe), mit der sich Craven gemessen an seiner Vergangenheit in einer Baptistenfamilie am ehesten identifizieren dürfte und sie auch schlussendlich schockiert zwischen den Fronten stehen lässt - gleichsam erschafft er an ihrem Verhältnis zur Mutter die Grundlage für spätere thematische Ausbauarbeiten wie „Tödlicher Segen“, „Nightmare - Mörderische Träume“ und „Der Tödliche Freund“, in denen allesamt die disfunktionalen Konflikte zwischen Kindern und ihren Eltern im Vordergrund stehen. In diesem Fall ist es jedoch ein Aspekt unter vielen, welcher der überwiegenden Dekonstruktion der familiären Sozialisierung anfällt. Die „Hügelkinder“ können nämlich auch nicht anders, als in trauter Gemeinschaft anzugreifen und sich das zu holen, was ihnen fern ihrer Kontrolle vom Heimatland entsagt wurde. Das sieht natürlich hässlich und brutal aus, letztendlich fällt der Überlebenswillen der Gegenseite aber auch nicht minder krass und heimtückisch aus, nachdem sich die übersteigerte Selbstsicherheit des Patriarchen als höchst unwirksam erwiesen hat. Infolgedessen ist das Neugeborene, die noch unschuldige Zukunft also, in den Händen der Mutanten gelangt und so entfesselt sich in der Verzweiflung ein Kampf back-to-basics, der die stumpfe Steinzeit des Handgreiflichen heraufbeschwört, durch seine Überzeichnung aber gleichsam bewusst komische Züge trägt - allein wenn man bedenkt, wie schlau und fähig der Hund „Beast“ als Genre-Fantasie agiert oder wie die Toten trotz emotionaler Ermattung der Lebenden für einen explosiven Hinterhalt genutzt werden, bei dem die Statussymbole der kapitalistischen Idylle ohnehin bereitwillig in die Luft gejagt werden, somit ihre Entbehrlichkeit offenlegen.
Bei Autorenfilmer Craven sind Energie und Spannung in der Inszenierung natürlich dennoch durchweg die treibenden Kräfte, die im Rahmen eines Genrewerks mit zugänglichem Antrieb punkten können und den „social commentary“ nicht allzu vordergründig telegrafieren müssen, um einen nah am Zuschauer ankommenden Horror zu vermitteln. Seine Charakterzeichnung ist dementsprechend auch nicht zu detailliert und gleichsam nicht zu funktionell ausgefallen, so wie die Balance des Gesamtbilds ohnehin Schlichtheit bevorzugt, ohne ins Triviale auszurutschen. Es nimmt der Filmerfahrung vielleicht einiges an Dringlichkeit bei mehrmaliger Sichtung, hält aber genügend Tiefgang per Reflexion bereit, den man aufgrund der kurzweiligen Laufzeit umso inniger im Nachhinein erforschen kann. Vieles daran schöpft sich eben auch aus dem Zeitgeist, der ganz natürlich darin wirkt, das vermeintliche Ideal der amerikanischen Selbstgefälligkeit, wie es in den Fünfzigern und Sechzigern gepredigt wurde, als Fassade zu entlarven, die im Angesicht mit ihrer eigenen Schöpfung gleichsam am Bodensatz aufschlägt. Cravens kompakte und unprätentiöse Verpackung dieses Sachverhalts in ein beinahe postapokalyptisches Bild innerhalb der zeitgenössischen Gegenwart gibt da wie vieles an seinem Lebenswerk durchaus einen Geniestreich der Subversion ab, der weiterhin eine große Spannweite an Filmfreunden unterhalten kann und die eigenen Werte ambivalenter verarbeitet, als einem lieb sein mag.
Super Mario Bros., Mother Of Tears, Zorn der Titanen, The Spirit, Dumm & Dümmerer und wohl auch Dumm & Dümmehr
Um zu verstehen, warum Tobe Hoopers Film solch eine profunde Reichweite für sich behaupten kann, von der aus das Horrorkino wie wir es kennen eine neue Dimension des Schreckens erschuf, muss man nicht weiter Ausschau halten, als sich Struktur und Ursprung von Albträumen bewusst zu machen. Das „Kettensägenmassaker“ ist nicht explizit auf ein surreales Erlebnis ausgelegt, greift aber mit audiovisueller Furchtlosigkeit auf entsprechende Bahnen menschlicher Psyche zurück, wie einen die Angst vor allem zerebral überwältigen kann. Bezeichnenderweise setzt diese per Heimeligkeit an, wohlgemerkt in Texas, also behütet im Herzen Amerikas und (dem Zeitgeist entsprechend) vermeintlich fern vom globalen Terror via Vietnam und allerlei. Unsere Protagonisten sind sogar ganz gemütlich auf einer Spritztour, um beim alten Familienhaus von Sally (Marilyn Burns) und Franklin (Paul A. Partain) Halt zu machen. Alle Anzeichen vermitteln jedoch eine geballte Ungemütlichkeit, die allein daher rührt, dass lediglich schon winzige Details verschroben wirken müssen, anders als in der Erinnerung auftreten oder Fantasien greifbar machen, die man stets vermutete. Was erzählt man sich da nicht vom alten Schlachthaus, wie die Tiere einst und heute getötet werden; was hört man nicht in den Nachrichten von morbiden Ereignissen in nächster Nähe, bei denen sich die Vorstellungskraft selbst mit erweiterter Lebenserfahrung geschlagen geben muss. Die Heimat ist keine mehr und doch ist man der Wiederentdeckung wie selbstverständlich erlegen.
So ergeht es einem im Traum, so handeln auch die Charaktere in Hoopers Film, die sich auch dann nicht vom Ziel abbringen lassen, wenn der verrückte Anhalter aus dem Nichts seine Hand und die von Franklin anritzt (Astrologie langt ihnen so ziemlich als Erklärung dafür) - schließlich liegt das alte Anwesen zufällig ein paar Minuten von der letzten Tankstelle entfernt; völlig schnuppe also, dass das Benzin allmählich knapp wird. Der oben erwähnte Franklin sitzt ohnehin hilflos im Rollstuhl und ist zudem der (als solche ebenso für den Film maßgebende) delirierenden Hitze der Umwelt ausgesetzt, weshalb man in der Fokussierung seiner Umstände zunächst einen Protagonistenstatus seinerseits erkennen mag, doch wie es in einigen der besten Genrewerke (siehe „Tanz der Teufel“ oder „Nightmare - Mörderische Träume“) oder eben nach Traumlogik funktioniert, springt die empathische Rollenwahrnehmung im Verlauf auch allzu natürlich auf andere über - was auch dramaturgisch Platz für Überraschungen offen lässt, so wie die Figuren in ihren primären Funktionen schnell zugänglich sind. Schließlich mündet die Bewegung der Charaktere in eine intensive Phase der Beobachtung binnen des verschlissenen Hauses, welches finstere Ecken, Ekel und Brüchigkeit hortet, deren Anblick man mit einer Faszination folgt, wie es scheinbar nur das Kino liefern kann. Grundsätzlich liegt das aber schlicht am Menschen, wie ratlos er von klein auf seiner Verletzbar- und Sterblichkeit entgegen schaut und sich damit - entsprechend des oft erwähnten Gleichnis vom beobachteten Zugunglück - verstärkt aufhält. Selbst Franklin ist da keine Ausnahme, wie er beinahe kindisch mit der Klinge spielt, sein eigenes Blut dran vorfindet und spekuliert, warum sein Angreifer durchgedreht hat. Sowieso gönnt sich die gesamte Truppe einen wundernden Blick aufs verschmierte Blut am Van.
Dass man solchen Eindrücken auch im Schlafe begegnet und trotz Angst länger zuschaut als gewollt, ist in Hoopers Vision quasi 1:1 umgesetzt, im rohen 16mm-Korn ohnehin gleichsam unwirklich erscheinend und meistens schon in der Suggestion von Erwartungen und Befürchtungen ein schauerliches Ereignis. Wohlgemerkt geht er aber noch ein Stück weiter, als die meisten Träumer imstande sind, welche den Schrecken mit einem Aufwachen auch schnellstens unterbinden können. Hier geht er in die Ermattung ohne Wiederkehr, sobald unsere Charaktere (in Daniel Pearls leicht untersichtigen Kamerafahrten) von ihrer Faszination angezogen werden und einer Bestie in vermeintlich unschuldiger Behausung begegnen, die allerdings auch nur ein Mensch ist. Wozu der Mensch allein fähig ist, welch ekelerregende Instrumente und „Dekorationen“ er via der natürlichen Konsequenz von Tod und Verwesung erschaffen kann, trifft umso schockierender beim Zuschauer ein und dementsprechend ausgiebig blickt er - jenseits der Logik vom Fluchtgedanken - auf die Ausmaße seiner realisierten (oder auch bisher unbekannten) Angst. Und je mehr er findet, desto fassungsloser begibt sich auch der Film in die Nacht hinein, zwischen unwirklich einkesselnden Ästen und der Gewalt der Kettensäge, deren reißende Töne sich mit den Schreien der Opfer zur Kakophonie eines Albtraums ergänzen. Dort wie auch im Narrativ des Films kann man noch so verzweifelt rennen - überall wartet die nächste Sackgasse, die nächste Eskalation, mit welcher der Körper aber auch die Angst vor dem, was noch kommen mag, an ihre Grenzen stoßen.
Symbolisch dafür (auch vorne an auf der aktuellsten Heimkino-Veröffentlichung illustriert) lässt Hooper das Auge in Großaufnahme zucken - nur wenige Organe sind essenziell und empfindlich zugleich, ein Tor der Reize und Emotionen sowie ein vorzeitiger Empfänger aufkommender Gefahr, der in diesem Fall am liebsten aus dem Schädel springen will und doch Gefangener einer Familie ist, die das Schlimmste am Menschen repräsentiert, dabei keinerlei selbsternannte Monster darstellt, sondern in ihrem Eigensinn das auslebt, was wir normalerweise in den finstersten Tiefen unserer Gehirnströme ablagern. Das alles wirkt immens nach, erst recht ohne die Zugabe einer Katharsis, die uns Hooper wie gehabt trotz halbem „Happy-End“ erspart und über den Abspann hinaus konsequent mit Unruhe, Unheil und Ungewissheit füttert, welche sich gerade erst recht ohne Tonnen an Blut und Fleisch in die Gedanken einnisten. Was man nicht sieht und nicht sehen will, feuert eben das Kopfkino an, lässt sich nicht so schnell abschütteln und verinnerlicht vielleicht am besten, warum Tobe Hoopers Film als Visualisierung dieses menschlichen Umstandes solch einen anhaltenden und im Grunde auch hilfreichen Mehrwert besitzt. Jean-Paul Sartre meinte schon, dass die Menschheitsgeschichte ein einziger Kampf dafür wäre, aus einem Albtraum zu erwachen - selten erlebt man ein derartig perfektioniertes Kunstwerk zu diesem Sachverhalt wie hier.