Der Witte - Kommentare

Alle Kommentare von Der Witte

  • 7 .5

    [...] Auf der Suche nach dem Glück braut sich in beiden Herzen ein Schmerz aus Eigennutz und des Sich-vernachlässigt-Fühlens zusammen, der in Garrels Verknappung umso intensiver eskaliert, je unvereinbarer sich die Partner ihrem Gegenüber behaupten wollen beziehungsweise müssen, um die Oberhand zu behalten. [...] Andererseits ist Garrel aber keiner, der daraus eine Lehre ziehen will und zur Monogamie zurückzukehren drängt, da er die Ungewissheit seiner Figuren ernst nimmt, statt sie der Moral zu unterwerfen. Gesellschaftsmodelle und Politik sind hier eher die Schuldigen für eine Menschenzunft, die sich und andere belügt, um einen Status zu erhalten und aufrechtzuerhalten. [...]

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    • 6

      [...] Als erwachsener Zuschauer wünscht man sich jedoch mehr dramaturgisches Gewicht; insbesondere gegen Ende nimmt die Gefahr auf der Suche nach Angelina eine abarbeitende Note ein, die letztendlich nur leicht über den Rand der Sicherheit schaut. Die erheiternden oder sentimentalen Sequenzen hingegen dürften es zwischendurch jedem Alter recht machen, konzentrieren sich besonders auf Freundschaft und fördern das Verständnis zum Gegenüber, ohne dass Duguays Inszenierung auf anbiedernde Töne zurückgreifen müsste. Er hält sich teilweise vielleicht zu kurz mit jenen Aspekten auf, ansonsten geht sein audiovisuelles Talent durchaus mit beachtlichen Aufwand darin auf, dynamische Szenarien voller Tapferkeit und Esprit zu erschaffen, die eine gute Balance zwischen Naturverbundenheit, Realismus, Naivität und Effekt halten können. [...]

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      • 6

        [...] Was die zwischenmenschliche Interaktion angeht, kann man sich also auf eine Kicherrunde im Angesicht sich wahnwitzig ernst nehmender Offenbarungen vorbereiten. Das Herzblut des Films ist jedoch keine Lachnummer: Wie Utah und Co. mit Wingsuits durch die Alpen zischen, per Snowboard italienische Bergklippen umkurven, sich an Felswänden und Wasserfällen entlanghangeln und natürlich in die schärfsten Wellen seit Menschengedenken schmettern, bietet athletische Formvollendung, die man auf der Leinwand selten so hautnah erlebt. Als geistiger Nachfolger Willy Bogners fängt Ericson Core die Ekstase der Natur mit einer Euphorie ein, die stets ehrfürchtig über den Abgrund schaut, aber ebenso mitten ins Geschehen hinein springt. [...]

        6
        • 7

          [...] Die Hexe in Reiterhosen und ihre Freunde gehen ein verhältnismäßig aufrichtiges Coming of Age an, erst recht, wenn die Pubertät ruft, obwohl Küsse noch immer etwas eklig sind. Erwachsen werden muss man hier noch lange nicht, denn die Erwachsenen sind durchaus auch ziemlich lächerlich. Den Fun am Jugendlichen muss man eben nicht ablegen und umso schöner kommt die Überraschung, wenn sich entscheidende Lösungen filmisch unerforschten Möglichkeiten hingeben und mit einer Absurdität auftrumpfen, die selbst erfahrene Kinogänger aus den Sesseln hüpfen lässt. Manche, wenn nicht sogar viele Bilder, Symbole, Charaktere, Sprüche, Effekte und Einzelmomente wird man lange Zeit nicht vergessen und ins Herz schließen. [...] Das hat Temperament, Pep und Herzblut, trägt aber auch stolz Honkfaktor zehn auf. [...]

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          • 8 .5

            [...] Über allem hängt der Schatten der letzten Beziehung, der er einfach entflohen ist, doch die sich nun in jedermann bemerkbar macht. Michael predigt in seinem Beruf zwar die Stimme des Individuums – aber er kann sie nicht mehr hören. Kaufman reflektiert dies in einer Konsequenz, der man langsam, aber nicht kryptisch auf die Schliche kommt. Denn obgleich seine Figuren nach Perfektion und Glück streben und denken, lungert darin auch die Angst vor der Imperfektion, die im Stop-Motion-Verfahren nicht kaschiert wird, sobald einzelne Frames leicht verschiedene Hauttöne und Positionen einnehmen. Umso prägnanter stellen Kaufman und Johnson das Menschliche eines Ensembles heraus, dessen Komplexe und Makel nicht verborgen bleiben, egal, wie sehr es sich bemüht. [...]

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            • 3 .5

              Ein austauschbarer Slasher, dessen größter Sympathiepunkt (neben dem netten weiblichen Ensemble) darin besteht, dass er seine Charaktere relativ natürlich zeichnet und auch sonst recht unaufgeregt durch die Gegend spaziert, was sich von der Inszenierung her zugegebenermaßen angenehm runterspult. Sobald er jedoch anfangen will, Horror zu evozieren, sackt der Film mit seiner Plumpheit gnadenlos ab und zeichnet seine Figuren dümmer als sie eigentlich sein müssen. Letzteres lässt sich aber auch nur schwer/gleichgültig einschätzen, denn gegen Ende stellt man hauptsächlich fest, das jenseits von Stereotypen, Alltagsprozedere und einer Babyhandvoll Meta-Reflexionen zum Reiz des Horrorfilms nur allzu wenig aus deren Kombination gebastelt wurde. Wozu das alles letztendlich zusammenkommt, schlägt höchstens frustrierende Wellen, es sei denn man fiebert gleichsam konservativ dem Erhalt der Ehe mit richtig gewähltem Partner entgegen. Weil dafür aus keinerlei stimmigen Grund wahllos gemordet wird, übt das unausgearbeitete Konzept freilich höchst oberflächlichen Selbstzweck aus. Eine belanglose Fingerübung im Genre, die man während des Abspanns schon wieder vergessen hat.

              5
              • 8

                Wie reichhaltig ein anscheinend reißerisches Produkt der 50er-Jahre Sci-Fi-Welle beim Menschen ankommen kann, beweist Jack Arnold eindrucksvoll mit dem Schrecken des Schrumpfens. Was dem unbescholtenen Bürger aus der Mitte, Scott Carey (Grant Williams), geschieht, ist natürlich in erster Linie ein phantastisches Ereignis, auch im Rahmen des Narrativs eine Medien-Sensation, aber dennoch stets das Leiden eines Individuums in einer immer größeren und bedrängenden Welt. Welche gesellschaftlichen Symptome kann das Schrumpfen hinsichtlich der kapitalistisch geprägten Entstehungsära repräsentieren? Die anbahnende Angst vor dem nuklearen Wettstreit des kalten Krieges, geboren in der Übergangsphase vom zweiten Weltkrieg in die Baby-Boomer-Behütung der vermeintlich ideellen Surbubia? Die auslösende Nebelwolke mit ihrem unerklärlichen Staub auf hoher See gibt dafür schon frühe Hinweise, wie überhaupt auch bei folgenden Arztbesuchen über die eventuelle Arbeit mit radioaktiven Stoffen oder gar einer Krebserkrankung gesprochen wird. Arnold und sein Autor Richard Matheson spielen keineswegs verklärend mit den Zeichen der Zeit und Wissenschaft, obgleich die Inszenierung mit ihrem effizienten Zugang durchaus per Schlichtheit anspricht und die surrealen Veränderungen mit Spannung erwartet. Allmählich gerät die Sorglosigkeit der Verhältnisse für Scott ins Wanken, ob nun jene zum Eigenheim, zur Ehe oder zum Selbstbewusstsein an sich.

                Nicht aber die Gefahr von außen oder von Invasoren bestimmt hier den Abstieg, sondern viel mehr die inneren Zweifel der Persönlichkeit, welche sich immer mehr ihrer Kraft beraubt sieht und nie wissen wird, weshalb es genau geschieht. Arnold bewegt seinen Protagonisten zum Abgrund hin, der zunächst auch ein finanzieller ist. Die Relevanz und die baldige Armut des Einzelnen im Gesamtgefüge der Gesellschaft stellt sich hier schon in Frage, im Grunde aber reflektieren die sinkenden Kräfte Scotts auch den universell nachvollziehbaren Umgang mit der Depression. Nichts gelingt einem mehr, nichts passt mehr, zeigen will man sich sowieso niemandem und anders als die anderen ist man von Vornherein, ganz gleich wie sehr man eigentlich den Anschluss finden will. Das lässt sich am Effekt der Geschichte mit genialer Einfachheit erzählen, wie auch Scotts Treffen mit der kleinwüchsigen Clarice (April Kent) neue Hoffnungen illustrieren kann, selbst aus jener Lage heraus weiterzumachen und auf die Hilfe von Freunden zählen zu können. Das Wechselbad vom Schwung des Optimismus zur unvermeidlichen Wiederkehr von Zweifeln, die einen erneut kleiner machen, fängt Arnold aber genauso empathisch und direkt ein, wie er im Folgenden sodann den Überlebenskampf in die reißende Tiefe mit der Überwältigung durch die eigentlich kleinsten Einflüsse zeichnet. Diese personifizieren durch ihre tricktechnische Imposanz im Gewöhnlichen den Schrecken im Alltag und vor der Welt, dem man sich mit der Flucht in abgeschlossene Zellen des Privaten zu entziehen versucht, woraus man sich allerdings gleichsam zu einem Gefangenen macht.

                Wer schon mal dementsprechende Abkopplungen mit dem Sozialen durchgemacht hat oder durchmacht, wird sie in Scotts Bezwingung des „Normalen“ wiedererkennen, seine Verzweiflung spüren und bei seinem Aufbegehren mitfiebern, während die Schauwerte ohnehin mit klassischer und liebevoll ausgestatteter Kohärenz mitreißen, ohne die Belange des Charakters zu übertrumpfen. Das Bild vom erneut im Urschlamm angekommenen Menschen wählt Arnold bewusst zur Ambition des Wiederaufbaus und der Selbstverwirklichung, letzten Endes bringt die Probe der Bewältigung und der Flucht aus der Gefangenschaft aber nicht die Rückkehr zum Gewöhnlichen, im Gegenteil: Scott wird weiter schrumpfen, doch innerhalb der Dimensionen werden ihm und dem Zuschauer erst recht bewusst, wie klein der Einzelne bleibt, in der Mächtigkeit des Äußeren aber auch zu den Sternen, sprich zu den Möglichkeiten des Menschenmöglichen blicken kann, obwohl der Kampf darin bestehen und nichts für immer bleibt. Arnolds Film schließt bittersüß ab, wie man es von der Außenwirkung her nicht unbedingt erwartet hätte und den Zuschauer alles andere als gelassen entlässt. Er weiß nun mal, dass Lösungen und Erklärungen keine Selbstverständlichkeit darstellen, aber er hilft über den Genre-Rahmen hinaus zu verstehen, was das Individuum stets auf sich zu nehmen hat, um sich selbst sowie die Rolle des Menschen im Universum zu finden und eine Grundhoffnung am Leben zu erhalten, für die es sich durchaus zu hadern lohnt und gemessen am Film auch ungemein dringlich anzusehen ist.

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                • 4

                  [...] So hangelt sich der Film von einem unbeholfenen Overstatement zum anderen, lässt seinen Hauptdarsteller bipolar keifen, prügeln und dramatische Entwicklungen erleben, die stets düster brummen, ihn wieder zur Natur finden und sich von verständnisvollen Wolfsaugen helfen lassen. Die schwachbrüstig-esoterische Gesellschaftskritik, die sich ausgerechnet das Finanzkapitol Deutschlands für die Auswüchse des Tieres im Menschen ausgewählt hat, tut ihr Übriges. [...] Langweilig wird „Die dunkle Seite des Mondes“ gewiss nie, nur muss man den Film aus einer versöhnlicheren Perspektive sehen, um den „sinnlichen Genuss“ am Hanebüchenen zu erfahren.

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                  • 6

                    [...] Wenn jedes Verantwortungsgefühl von vornherein zur Tür entlassen wird, klicken E-Mail- und Handytöne einen nervösen Rhythmus. Red-Bull-Dosen stapeln sich für den Erfolg zum Turm von Babel, worauf dieser Millionen an Jobs, Behausungen und Menschen fallen lässt. Mit jenem sich zu wiederholen drohenden Weltbild könnte McKay dringlicher punkten, würde er das Big picture im Big Short nicht zugunsten eines beinahe dokumentarischen Ablaufzwangs verkomplizieren, obwohl er es in seiner Außenwirkung virtuos und subtil verpackt. Andererseits ist sein präzis-kritischer Ton und die authentische Darstellung ungehörter Propheten inmitten machtloser Mächtiger lobenswert, ohne dass er auf die Faulheit gekünstelter Empathie zurückgreifen müsste. [...]

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                    • 6

                      Danny Bilson und Paul De Meo, spätere Drehbuchautoren des "Rocketeer", übten für die Empire Pictures schon mal vor und zauberten hier einen waschechten B-Movie über kosmische Einmischung im zweiten Weltkrieg zusammen, der das schleichende Low-Budget-Tempo der Fünfziger emuliert, sich damit durchaus der Kostengünstigkeit von Produzent Charles Band unterordnet, aber stimmig sympathisches Gut draus fördert. Anhand einer kernigen und doch ziemlich bodenständigen Vier-Mann-Truppe aus US-Streitkräften geht es in die blassen Wälder Italiens, die solch einsparendes Feeling vermitteln, wie auch das Ensemble mehr mit schnippischen und totkauenden Dialogen ums Überleben kämpfen muss, als mit einer Kanonade an Schauwerten, Ausstattung, extravaganter Kameraarbeit oder anderen reizvollen Goodies. Sie sind als Charaktere auf sich allein gestellt, den Zuschauer zu fesseln und das kriegen sie sogar größtenteils mit schlichter Präsenz hin, die sich nicht unbedingt mit Ironie dem Charme des simplistischen Billig-Manövers nähern muss. Die Rollentypen sind dabei durchaus klar verteilt: Der eiserne Sarge (Tim Thomerson), der brummende Mittelstandsbär Mittens (Art LaFleur), der junge naive Comic-Sonnyboy Joey (Timothy Van Patten) und der mutige Journalist Dolan (Biff Manard). Zusammen gilt es, gegen die Krauts zu bestehen - eine Gruppe an uniformierten Darstellern, die mit schwerem Akzent die deutsche Sprache versuchen und mit finsteren Maschinen sowie einem verdächtig dem Imperial-Marsch aus Star Wars nachempfundenen Orchesterstück das Böse verbreiten.

                      Doch die Parteien sind nicht allein, da UFOs auf der Wiese gelandet sind und haarige Piloten in die Nacht entsenden, die sich als hilfreicher erweisen, als man zunächst glauben würde. So ist es! Bilson und De Meo lassen die antikommunistische Paranoia-Funktion der Ausserirdischen aus dem Sci-Fi-Kino der Fünfziger hinter sich und setzen diese für das Gute ein - zumindest am Stärksten im letzten Drittel und auch dann nur dramaturgisch recht dünn etabliert. Die Involvierung des Extraterrestrischen ist durchaus von Sparmaßnahmen gezeichnet, baut aber gleichsam auf der Natürlichkeit des langsamen Herantasten auf, welches eine Konfrontation mit der dritten Art durchaus mit sich bringen würde. Das ist natürlich eine schwache Ausrede meinerseits für die umständliche Hinhaltetaktik des Films, aber auch Teil jener Art von altbackener Inszenierung, die naiv und harmlos den Spannungsaufbau für ein naives und harmloses Publikum versucht und pubertäre Vorteile aus der Alien-Technik schlägt, obwohl das Reißerische der Prämisse durchaus hinters Licht führt. Die Nachahmung bringt aber auch das Spielerische zwischen den Zeilen heraus, voller Eigenarten und kleinen charakterlichen Details, deren Beziehungen zueinander und Marotten des G.I.-Genres bestimmend, auf dass einem die Angelegenheit trotz geringer Mittel stetig zu Herzen geht. Alles andere eben als eine eventuelle Neufassung dieser Geschichte, die sich im modernen Standard der grenzenlosen CGI nur ins Hohle verlaufen würde.

                      Wenn hier dann nämlich einer unserer vier ins Gras beißt, wird man überrascht sein, wie feucht die Augen dabei werden und dabei nicht mal aus ideologischer Nähe zum pathetischen Militär-Mythos - wohl auch, weil der Film seine Hemdsärmeligkeit (auch irgendwo die seiner Protagonisten) von Anfang an offen auf den Tisch legt, weshalb sich umso leichter mit den Konsequenzen seiner Welt mitfühlen lässt, wenn Prätention von Vornherein eliminiert ist. Ein größeres Budget hätte dem Film also nicht unbedingt besser gestanden, wohl aber könnte sein Konstrukt noch eine Handvoll clevere Einfälle mehr vertragen, um die knapp 82 Minuten Laufzeit kurzweiliger zu gestalten, obgleich seine so schon minimalistische Kohärenz mit gesundem Selbstbewusstsein auftritt. Zumindest kann er sich stets mit einem Score der Marke Richard Band brüsten, welcher bei jedem noch so trägen Empire Picture eine Symphonie des Kinos vor dem geistigen Auge suggerieren lässt. Natürlich bleibt es ein halbwegs actionreiches Scharmützel unter Jungs (oder doch nicht?) und für Zuschauer unserer Ära eine Schnarchtablette sondergleichen. Für aufgeschlossene Filmfreunde dürfte sich hier aber auch mal wieder beweisen, dass selbst das Unvermögen mit aufrichtiger Seele ausgestattet ist und an seinen Limitationen umso ehrlicher wächst.

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                      • 5 .5

                        Schon gewusst? Eigentlich sollte John Carpenter hier die Regie übernehmen, ehe Universal es sich nach dem Misserfolg von "Das Ding aus einer anderen Welt" in letzter Sekunde nochmal überlegte. Schade allerdings, dass in Mark L. Lester ein Ersatz gefunden wurde, welcher nur in wenigen Momenten dazu fähig ist, das Potenzial des Narrativs zu bündeln und in eine inszenatorisch eindrucksvolle Form zu gießen. Lester bewegt sich durchaus unbeholfen durch seine erste größere Studioarbeit, schleppt sich dementsprechend mit angezogener Handbremse durch eine Charakterstudie, die gemessen an ihrem Inhalt jedes Zuschauerherz brechen könnte, aber meist ineffektiv vorgeführt wird. Liegt das an Tangerine Dreams teilnahmslosen Score, am altbackenen Schnitt, der Rückblenden mit Gedankendunst ankündigen muss oder an der stolpernden Dramaturgie an sich, welche nie so recht feststellen will, ob sie ihren Antrieb auf die Flucht oder auf die Belagerung von Regierungsseite aus fokussiert? Die Antwort liegt bei allen genannten sowie weiteren Faktoren, ein besserer Film liegt aber eindeutig im Kopfkino bereit. Die Zutaten bizarrer Psi- und Feuerkräfte, die in der Unschuld verpackte Gewalt des Übernatürlichen, das Spiel mit Vaterfiguren, Beschützerinstinkten und Verantwortung, gedanklicher Manipulation (die telepathischen Kräfte des Vaters/die Beeinflussung Charlenes durch John Rainbird), Vertrauen, Hoffnung, Angst, Verständnis und Wut sind jedenfalls allesamt vorhanden. Schade allerdings, dass Lester sie beinahe ausschließlich in der Pyrotechnik zur Eskalation treiben kann, wie er es auch kurz darauf mit "Phantom-Kommando" weit befriedigender und flotter hielt.

                        Den Charme der Geschichte kann er hier zwar nie komplett ausbrennen lassen, dafür ist die Laufzeit schon großzügig genug, doch das Geschick einfühlsamer oder dynamischer Akzentuierung ist ihm (vor allem zur zweiten Hälfte) nur bedingt vergönnt. Bezeichnend wird dies in einer Szene, in welcher die zwei zwanghaft Getrennten, Vater und Tochter, im Gegenschnitt weinend auf ihren Betten liegen, woraufhin zu einem Wachmann geschnitten wird, der dieselben Bilder auf zwei nebeneinander gestellten Monitoren verfolgt. Das ist redundant, könnte unter Umständen vielleicht aber melodramatisch anschlagen, wenn Lester die Szene denn nicht derartig plump und kurzatmig in den Raum werfen würde. Und über den nur unbeeindruckend etablierten Tod einer der Hauptcharaktere gegen Ende lässt sich ebenso nur wenig Ansprechendes sagen, wo die Aufregung der Inszenierung doch eher auf den Effekt des Feuertods setzt. Eine vergeigte Chance zur Großartigkeit wie diese ist aber gewiss auch eine interessante Fallstudie darin, wie man sich als Zuschauer in das Geschehen hineinfinden und den Paranoia-Zeitgeist der Achtziger (die Skepsis gegenüber Reagan und dem kalten Krieg) sowie das Unikat ungleichmäßig abgemischter Filmakzente beobachten kann. Das Pendel der Ambition schwingt dabei etwas zu oft einer Bauchlandung entgegen, aber wenn einen etwas nochmals aufgreifen kann, dann ist es der Drang zum Nukleus der Familie, der trotz aller unkonzentrierter Beilagen noch angemessen durch David Keith und Drew Barrymore dargestellt wird und sein Feuer der Befreiung nicht gerade zurückhaltend entfesselt. Die Leinwand brennt davon aber noch lange nicht, wenn nur ein Pyrotechniker das Streichholz hält.

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                        • 3

                          [...] Im Kern hält Lucinda Coxons Drehbuch ein simples Melodram bereit, das äußerst geradlinig und formelhaft von der Sehnsucht nach der wahren Identität erzählt und dabei keine Chance ungenutzt lässt, seine Absichten auch im Dialog eindeutig auszusprechen [...] Redmayne spielt diesen Reiz in der Berührung mit Kleid und Körper unter stockendem Atem aus. Später wird er passend dazu mit hinter die Beine geklemmtem Gemächt vor dem Spiegel posieren und die Bewegungen einer Frau nachahmen, als würde Weiblichkeit ausschließlich Vogue-Bildern entsprechen. [...] Es ist das Symptom einer übergreifenden Theatralik, welche die Leidensgeschichte der Akzeptanz mithilfe einer audiovisuellen, kitschigen Pastiche zum Wohlfühlen zwingen und über beinahe karikaturenhaft gezeichnete Stationen der Ablehnung zum Rettungsanker in weißen Kitteln und wunderschönen Kurorten kommen muss. [...] „The Danish Girl“ hätte ein aufrichtiges Plädoyer zur Selbstbestimmung werden können, das nicht nur mit einem Lächeln und einigen hier und da verteilten Tränen über die jeweiligen Sorgen hinweggesehen oder etliche Male den Drang zur Wunscherfüllung proklamiert hätte. [...]

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                          • 6

                            Nun mal ein kleines Stück Sympathie zum "schwarzen Schaf" im Fundus von John Carpenter (obwohl es seine Variante vom „Dorf der Verdammten“ mit Leichtigkeit übertrifft): Es führt kein Weg dran vorbei, die eigentliche Konventionalität des Inhalts anzusprechen, mit dem Carpenters bislang letztes Filmwerk ausgestattet ist. Dem Potenzial eines Terrors innerhalb der Psychatrie steht ein etwas unausgereiftes Drehbuch entgegen, das seine Thrills einigermaßen berechenbar hält und auch gar nicht mal so außergewöhnliche Rückblenden aufwendet, wie das Charakterspektrum ohnehin in eher „effektiver“ Natur aufbereitet ist, um beim modernen Tempo mithalten zu können. Von reiner Austauschbarkeit im Gesamteindruck kann aber gewiss nicht die Rede sein. Carpenters Perspektive der Belagerung, wie er sie über die Jahre hinweg immer öfter ins Auge der Angst trieb, geht auch hier konsequent zugange, pegelt sich dabei vor allem auf sein weibliches Ensemble ein, das sich mit jugendlicher Natürlichkeit im Zeitkolorit der sechziger Jahre einzufinden versucht, es aber nur innerhalb von Gittern, Mauern und weiteren Einschränkungen ausleben darf, ehe die verständnislose Leitung erneut die Therapie gegen den Widerstand einleitet. Wäre „The Ward“ in jener Ära erschienen, hätte man ihn in diesem Sinne alsbald als Reflexion zu Vietnam, den Studentenunruhen und anderen antiautoritären Entwicklungen verstanden, hinsichtlich des Veröffentlichungsjahres 2010 spürt man hingegen durchaus das Echo von Guantanamo, wobei Carpenter allerdings eher eine recht persönliche Psychoanalyse im Prozedere der Mordsanstalt durchmacht.

                            Seine gefangenen Frauen repräsentieren verschiedene Persönlichkeiten und individuelle Probleme, besitzen aber beinahe kollektiv Aufsässiges sowie den Hang zur Flucht, obgleich ihre Erscheinung vom „Girl next door“ herrührt - Rollenmodelle, die von Laurie Strode über Elizabeth Solley bis hin zu Jenny Hayden etc. im Werke Carpenters auftauchen. Mit dem behandelnden Chefarzt Dr. Gerald Stringer (Jared Harris) taucht ohnehin eine psychologische Vertrauensperson auf, wie sie sich auch in Carpenters Durchbruch in „Halloween“ anhand von Dr. Loomis präsentierte. Nun ist er erneut der Träger einer mysteriösen Mordslaune innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs, ihm lässt sich im Vergleich zu seinem Vorgänger nicht ganz trauen und doch ist er am Ende stets der Helfer gewesen. Damit hören Carpenters Reminiszenzen an die eigene Vergangenheit gewiss nicht auf, wenn man sich auch die Morde anschaut, die unseren Heldinnen nach und nach zustoßen: Der erste Würgegriff erinnert an Michael Myers, die kühlen chirurgischen Eingriffe an die Haken des „Fog“ oder die Pfählungen des „Fürsten der Finsternis“, die bratenden Elektroschocks an seine „Vampire“ im Sonnenlicht und manch im Off veranstaltetes Sterben an die Suggestion des „Assault“. Die Fratze, welche all dies ausführt, folgt über die Dimensionen hinweg und kreist die Korridore ein, wie auch die Helfer in Weiß - welche den Blick fürs Grauen à la „Sie leben!“ ausblenden - mitmischen, als wäre „Big Trouble in Little China“ angesagt. Die Einflüsse reichen nun mal von überall her und vermitteln durchweg den Carpenter-Touch, wie er auch den „Turm der schreienden Frauen“ wie gehabt auf den Röhrenfernseher zaubert, um eine Parallele zum Story-Schrecken aufzustellen.

                            Er zeigt daran gleichsam die fließende Adaption des Genres, umso stärker ballt er seine Zutaten sodann in einen Horror, der inzwischen nur noch konventionell wirken kann, wo er doch soviel dazu beigetragen hat. Umso bittersüßer illustriert er damit auch den Tod und die Homogenisierung des Horror-Auteurs, wenn er seinen ums Überleben kämpfenden (und doch nie ganz unschuldigen) Protagonistinnen/Vertretern seiner Karriere-Eckpunkte hier im oftmals zum Zynismus tendierenden Mainstream-Tempo beim Sterben zusehen muss. Der objektiv gesehen etwas plumpe, aber in seiner inszenatorischen Tragik recht bezeichnende Schluss, dass alle Hauptdamen dem Gehirn eines schizophrenen Mädchens entstammen, festigt sodann den Meta-Gedanken. Carpenter sieht seine Ideale und Erinnerungen schwinden, bis vom vielfältigen Leben sowie der Kreativität in die verschiedensten Richtungen nur noch ein Mensch vom Künstler übrig bleibt, aus dem man alles herausgezogen hat. Wie man aber am letztendlichen Album der gezeichneten Erinnerungen an Leute, die nie existiert haben, erkennen kann, hält Carpenter den Grundgedanken der Unsterblichkeit im Kino gerne am Leben (wohlgemerkt in 35mm, das inzwischen umso gereifter beglückt) und gibt sogar nochmal einen schicken Jumpscare oben drauf, welcher sich ganz klar für die Unzerstörbarkeit des Genres positioniert. Hoffen wir aber bloß, dass „The Ward“ trotz Carpenters präsentierter Abgeklärtheit kein Abschluss seiner Karriere wird, denn nach solch einem audiovisuell und schauspielerisch weiterhin zackigen Kommentar auf den Stand des modernen Horrors muss irgendwann noch die Neuerfindung folgen.

                            7
                            • 8 .5
                              über Krähen

                              Sechsundsechzig Minuten lang dauert dieser bittersüße Traum von einem Film. Regisseurin Dorota Kedzierzawska entwirft darin einen Alltag und die Reise von zwei Kindern im polnischen Moloch, jedoch abseits einer genau identifizierbaren Zivilisation - umso verbundener zu einer eigenen Welt, die in der überwältigenden Einsamkeit nach Zuneigung und Flucht sucht. Die zehnjährige Protagonistin Wrona (Karolina Ostrozna) streift daher oftmals alleine am Strand entlang und in der Stadt umher, vor allem am familiären Konsens und an der eher zwanghaften Sozialisierung der Schule vorbei. Frau Mutter (Malgorzata Hajewska) arbeitet eh die Nacht durch und ist auch tagsüber kaum für die Tochter da, so bahnt sich diese also durch die erdrückenden Gebäude ihrer Umgebung ihren Weg. Sie stiftet kleinen Unfug, flucht, stänkert mit anderen Kindern herum und versucht dennoch, im Laufe der kaum verstreichenden Zeit, ans Herz ihrer Mutter heranzukommen. Solange das nicht klappt, spendet der schwarze Hund von der Straße halbwegs Trost oder eben auch das Plätschern am Meeresufer. Dass es selbst da nicht ganz sicher ist, wird Wrona nicht wirklich zum Verhängnis, wie auch ihre sonstigen Handlungen unterwegs von einer Freiheit sprechen, derer Erwachsene nicht nahe kommen - trotz merkwürdig verstärkter Polizeipräsenz.

                              Nicht nur visuell hält der Film dabei eine unausgesprochene Surrealität inne, welche der drolligen Unschuld der Kindheit ein freiläufiges Ventil bietet, aber dennoch nicht zum verklärten Spaß führt. Die Tragik Wronas, mit aller Unschuld fern der benötigten Liebe durch das junge Leben umherwandernd, steigert sich nun mal mit fixer Effizienz beim Zuschauer hinein. Wohlgemerkt ohne manipulative Inszenierung oder Rührseligkeit, schlicht mit charakternaher Empathie und stiller Schönheit. So sanftmütig Kedzierzawskas Film ist, so einfach hält sich dieser auch und schafft es trotzdem entgegen aller Klischees mit locker gesetzter Dramaturgie zu fesseln. Dabei hilft natürlich auch, dass man durchweg mit den Charakteren zusammenhängt, sie im natürlichen Spiel sowie bei ihrer Beobachtung in kindlicher Naivität/Wahrheit nachvollzieht. Da erlebt man jeden kleinen Einfluss von außen emotional genauso einwirkend, wie es den Kids geschieht. Apropos, mal der Aufklärung halber: Es geht ja um zwei Mädchen. Das kommt daher, dass Wrona eines Tages beschließt, von zuhause abzuhauen und die kleinkindliche Malenstwo (Katarzyna Szczepanik) zu kidnappen, sich vor ihr als neue Mutti vorzustellen und gemeinsam ein neues Leben anzufangen.

                              Sie versucht darin durchaus aus Trotz die Rolle einzunehmen, die ihre eigene Mutter nicht erfüllen kann und legt dabei Regeln wie Späße an den Tag, die Erziehung spielen, aber auch echte Gemeinsamkeit erschaffen. Der Weg, den die Beiden dafür unternehmen, verschlägt sie sodann nochmals in unmögliche Landschaften jenseits gesellschaftlicher Sorge; Hauptsache sie kommen weg von der Tristesse hinein in eine Märchenrealität. Diese kommt natürlich nicht zustande und sowieso ist Streit in dieser mehr oder weniger freiwilligen Generationsabhängigkeit nicht fern. Doch in der unbedingten Güte der kleinen Malenstwo findet Wrona auch ihr urtümliches Verhältnis zu ihrer Mutter wieder, dem sie in ihrer Rolleneinnahme selber nicht gerecht werden konnte, ihr aber Hoffnung verleiht. Zumindest eine, die in den letzten Minuten des Films zu einem herzzerbrechenden Verständnis der Sorge führt. Dies repräsentiert die bittersüße Qualität von „Krähen“ im Großen und Ganzen, doch innerhalb der kurzen Laufzeit lässt sich neben der Moral der Geschichte reichlich finden, anhand dessen mehrere Filme zu Meisterwerken avancieren könnten. Dass Dorota Kedzierzawska alles daran so geschickt und scheinbar mühelos zu verknüpfen vermag, macht ihr Werk jedoch zu einer Leistung, die mehr als nur ein „Geheimtipp“ sein sollte.

                              8
                              • 6
                                über Legend

                                [...] Alles steht unter dem Schutzmantel des Plakativen, ist teilweise mit markigen Sprüchen, lächerlichen Politikern und Polizisten angereichert, die genauso gute Chancen haben, wie manche Ganoven als Running Gag zu enden. Es spricht aber auch durchaus für sich, dass Helgeland seine Burschen noch (unabhängig von der Wahrheit) als mehr oder weniger sympathische Selfmade-Men zeichnet, die aus der Unterschicht kommen, etwas aus sich machen, gegen Widerstände wettern oder bei Frau Mutter Kuchen mampfen, nachdem sie jemanden in den Kopf geschossen haben. Der mangelnde Respekt vor Autoritäten zieht weiterhin an und im Grunde wird ohnehin lediglich untereinander gekabbelt und gekillt, ehe man als Zuschauer große Mühen haben muss, die Distanz zu wahren. [...]

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                                • 5 .5

                                  [...] Der Schleier der Verklärung, ob nun von Gefühlen, Tatsachen, Distanzen oder Nähen, liegt über allem und jedem, sowohl im Zirkel der Zufriedenheit im schönen Eigenheim als auch in der filmischen Auswertung dessen. Letzteres hat eine umständliche Vermittlung zu Folge, die unausgegoren zur Ambition schreitet und Substanz in ineinander verwürfelten Episoden verteilt. Unter Umständen macht gerade das den Film spannend, beherbergt er doch in seiner Inszenierung Unkonventionelles und Eigenes, das (meist) fern plakativer Filmsprache an den reizvollen Modus Operandi seines Ensembles tritt. [...]

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                                  • 6 .5

                                    [...] Eigentlich sind es – ganz nach dem Formate der Home Movies in „Frankenweenie“ – Dachshunde in Rattenkostümen, die stets in Rudeln durch die Kanalisation laufen und Menschen aus dunklen Ecken angreifen. Ein Anblick, der immer wieder aufs Neueste amüsiert [...] Nicht, dass man wirklich mitfiebern würde, dafür steht insgesamt nicht viel auf dem Spiel und mit dem Erscheinungsbild der Ratten ist überhaupt jeder Ernst über Bord geworfen. Umso schöner kann sich „Night Eyes“ als unbedarfter Horrorfilm herausputzen und unterhalten, obgleich er sein Gore und seine Nudity eher inmitten einer netten, kleinen urbanen Romanze einordnet, bei der man(n) das Fertigfutter sogar aus dem Ofen holt, wenn eine angenehme Bekanntschaft vom Vormittag noch zum Abendessen einlädt. [...]

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                                      Eine mehr als würdige Analyse zu den thematischen Qualitäten von INDEPENDENCE DAY, natürlich nicht von mir: https://www.youtube.com/watch?v=wcma0bKjJlY

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                                        [...] Stattdessen fokussiert er den Mystery-Terror nicht zu löschender Posts und Profile, die aber alleine daher rühren, dass die Kundenbetreuungen jener Seiten unfähig sind, etwas zu unternehmen. Ein nicht einmal irrealer, aber inzwischen auch trivialer Kritikpunkt am Onlinephänomen, dem nichts hinzugefügt wird, weil er in jenem Kontext von Hexenhand manipuliert wird und Social Media sogar der Verantwortung entlastet wird. Solche Inkonsequenz repräsentiert die oberflächliche Nutzung eines Themas, das sich fortan als Aufhänger für die x-te Offenbarung einer düsteren, gar okkulten Vergangenheit hergeben muss. [...] Nun, wie es sich für jenes Sujet gehört, sind grauenvolle Dialoge, abgebrüht ungläubige Autoritätspersonen sowie spekulative Ansichten zur dargestellten Technik an der Tagesordnung. Jener naive Charme erschöpft sich leider lange vor dem erwartungsgemäß einfältigen Finale und bricht sich zudem das Genick mit zynischen, im Fachjargon ans Zielpublikum gerichteten Sprüchen („Lösch die tote Bitch!“). Ein primitives Menschenbild für einen Film, der sich in seiner stilistischen und inhaltlichen Steinzeit wohlfühlt und missachtet, wie rasant er darin altern dürfte [...]

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                                        • 4 .5

                                          [...] Feuer, Fleischwunden und fettige Bärte laden ebenso zur erwartungserfüllenden Unterhaltung ein, letztendlich sind sie aber nicht mehr als Zutaten für eine Filmerfahrung, die in Dialog, Charakterzeichnung und Inszenierung nicht über das Notwendige an Genrefutter hinausgeht. Schlimmer noch, sie entscheidet sich sogar dafür, die Aufregung daran zu sezieren, damit sich alle in der Runde noch einmal erklären können, warum sie damals so reagiert und wie sie sich dabei gefühlt haben, als wäre man in einer cineastisch ausgeleuchteten Talkshow gelandet. Auf das Fegefeuer der Empathie folgt aber dieselbe Mentalität etlicher Vorgänger, durch die sich der Film den Drang zur humanistischen Sehnsucht verdienen will. Doch er kommt zu spät und mit nur allzu wenig Ansporn an sein Ziel. [...]

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                                            [...] Der Film benutzt für diese Stationen eine dramaturgische Episodenhaftigkeit, die geläufigen Kinderserien als auch dem Gestus von Schulz’ ursprünglichem Serienformat entspricht. Der rote Faden von Charlies Ziel wird jedoch stets beibehalten und illustriert in jener Wiederholung des Scheiterns auch, dass man im Leben mit Enttäuschungen rechnen muss und dennoch niemals aufgeben sollte. [...] Letztlich hat der Film ein offenes Herz für die individuellen Belange seines Ensembles und legt trotz Rotzbengelfaktor fest, dass sich gemeinschaftlich um die Erfüllung des Einzelnen gekümmert wird und dass dieser als Persönlichkeit geschätzt wird und daran auch wachsen darf. Nicht nur Kindern wird diese Einsicht eine Menge Freude bereiten – aber das liegt eben auch an dem seit jeher anhaltenden Charme, den das Universum der Peanuts ausmacht. [...]

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                                            • 5 .5

                                              Dieser Schauermauerschuppen heimlicher Schuldigkeiten, raffgieriger Erbschafts-Tycoons und erotischer Durchtriebenheit ist gewiss nicht Margheritis Glanzstunde des paneuropäischen Ensemble-Grusels. Die zwischen Vergangenheit und Gegenwart gotischen Englands pendelnde Gesellschaftsrunde am Abgrund der Moral gibt da vor allem der Spießigkeit mörderischer Grafschaften Saures, verknüpft diese jedoch mindestens genauso spießig mit der Sicht auf deren lesbische Eifersüchteleien, obwohl die Inszenierung natürlich aufreizend Kapitel aus nackter Haut schlägt. Der Hang zum Perversen geht dem Streifen durch seine Konventionalität ohnehin ab, solange dieser einen inzwischen streng harmlosen Krimi-Background (inklusive Blacky Fuchsberger) aufwendet. Entschädigen kann dafür stimmiges Setdesign in Zusammenarbeit mit souveräner Kameraleistung der Marke Haunted-House sowie reißerische Synchronsprüche und allen voran Helga Anders als Objekt weiblicher Begierde. Das alles ist innerhalb von nicht mal achtzig Minuten Laufzeit ohnehin so kurzweilig miteinander verbunden, dass man dem Euro-Chic auf dem Stairway to the Duke of Burgundy gerne einmalig eine Chance gibt, so wie dessen Herrenzunft hier beim schön verwilderten Finale im Morast versinkt. Im Werke Margheritis lassen sich aber noch durchaus schönere Schlösser besichtigen.

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                                                Die Liebe zu einem Film kann manchmal schon alleine mit den Zutaten beginnen, die er für den Zuschauer bereithält. Im Falle von Don Coscarellis „Das Böse“ bedeutet das in erster Linie, wie er so ziemlich auf das Kopfkino eines gelungenen Videoabends in den Achtzigern einstimmt: Eine schaurig inmitten der Dunkelheit stehende Villa, jene Totenhalle „Morningside“ mit dem Friedhof davor; ein elektronisch-gotischer Soundtrack direkt aus der Zeit (ein Stück weit mit Fabio Frizzi vergleichbar), doch zeitlos im Herzen pochend; eine klassische Berliner Synchronisation; Kameraarbeit, Ausstattung und Nachtaktivität im Rahmen des niedrigbudgierten Horrorfilms, so voller Heimeligkeit mit konzentriertem, beinahe familiärem Ensemble im Genre unterwegs. Und doch setzt der Film am effektivsten mit seiner Geschichte an, die dem dreizehnjährigen Michael geschuldet ist. Gänzlich ohne Klischees, da in jener ihn umgebenden Pampa geradezu allein in seinem Alter und somit auch seiner Persönlichkeitsbildung unterwegs (und in den Hormonen auch nur insofern beeinflusst, dass er seinen Bruder mal mit einem nackten Mädel erwischt), folgt der Film seiner Beobachtung mysteriöser Ereignisse, die um Begräbnisse herum geschehen, wo er doch ausgerechnet schon Vater und Mutter verloren hat, ihm somit bloß noch Bruder Jody und dessen Kumpel, Eisverkäufer Reggie, bleiben.

                                                Die Aura des Todes, zum Beispiel dem des jüngst verstorbenen Freundes Tommy, dessen Ursachen sich keinem so richtig erschließen mögen, werden insbesondere bei Michael Anlass für eine Angst, seinen Bruder auch noch zu verlieren, der sich inzwischen ohnehin als Vaterfigur bewährt, während die Beiden im kontemporär eingerichteten Einfamilienhaus wohnen und zudem eine Menge Knarren besitzen. Die Atmosphäre daran wirkt wie von einem dunklen Schleier bedeckt, wobei der Film überhaupt auch traumartig verläuft, schon zum Anfang mit gestalterischem und erzählerischem Geschick nicht linear suggeriert, wie Michaels Zweifel im Heranwachsen seine Ungewissheit zwischen Leben und Tod anfeuert. Den Hang zum Phantastischen lässt er schon in seinem Zimmer an der Wand, mit dem Plakat eines Ausblicks vom Mond zur Erde, hängen - fortan scheint er besonders anfällig für eine Welt jenseits des Jenseits, die brutaler in die Realität eingreift, als er es den anderen zunächst klar machen kann. Der Film behandelt darin durchaus das Gefühl der Missverstandenheit, welches Kindheit und Jugend stets inne haben, jedoch überakzentuiert er es nicht für eine vermeintlich kindliche Sicht der Dinge, dafür attestiert er Michael und dem Publikum genügend Reife, das sich der Umgang mit dem Unglaublichen mit Wahrhaftigkeit beobachten lässt.

                                                Umso ehrlicher wirkt da selbst der zackige Angriff der Silberkugel im Marmorkorridor des Bestattungsunternehmens, wenn Coscarelli den darauffolgenden Tod mit einer Direktheit präsentiert, welche dem Film hierzulande sein noch immer bestehendes (und unsinniges) Verbot beschert hat. Der Horror des Films ist aber nie einer im Fokus von Blood & Gore, sondern einer voll alptraumhafter Gestalten, also nicht abzuschüttelnde Zwerggestalten, abgetrennt weiterlebende Finger, hartnäckige Fliegenwesen und natürlich der ikonische Tall Man - jene Präsenz in schwarz, die sich aus dem Nichts materialisieren kann und fortwährend in Michaels Angst schlummert. Sie zu überwinden ist in der Bedrängung der Dunkelheit in diesem Film beinahe unmöglich, dennoch stellt sich Michael öfter als man glaubt der Initiative, aus der Sicherheit, der Festung der Heimat herauszukommen, der Sache auf den Grund zu gehen und vor allem seinem Bruder und den anderen beizustehen. Erst dann, wenn das Narrativ ein Stück weit nach einer Erklärung zum Grauen sucht und hinter die Dimensionen schaut, geht das Intime der Geschichte von Natur aus ein kleines Stück verloren, ansonsten aber bleibt Coscarelli hauptsächlich bei Michael und Jody, wie sie der Situation begegnen, Pläne gegen das Böse aushecken und dabei auch auf Reggie zählen können, während alle anderen Begegnungen eher freier im Verlauf herum schweben.

                                                Ohnehin hat man es noch mit einigen vergleichsweise naiven oder unbeholfenen Momenten zu tun, die man abseits des kleinen Budgets auch insofern verzeihen kann, wenn man insbesondere den Schluss des Ganzen bedenkt. Jener wird an dieser Stelle natürlich nicht offenbart, gewiss kann man ihm aber attestieren, dass er mit der Verlustangst Michaels einen rahmenbildenden Punkt setzt, welcher dem Zuschauer zweifellos klar macht, dass in diesem Film die Empathie zur jugendlichen Verarbeitung im Mittelpunkt steht und nicht etwa der Selbstzweck eines typischen Horrorfilms oder eben einer Gewaltverherrlichung, wie das AG München fälschlicherweise urteilte. Das Jugendabenteuer Coscarellis steigt stattdessen in die Psyche einer Angst ein, die Unbedarftheit und Konfrontation zugleich bewältigt, derer sich der Film so offen und ehrlich hingibt, wie er auch seine zeitgemäßen Mittel derartig unbeschwert und effektiv einsetzt, dass man ihn dafür ohne Weiteres lieben will - nicht mal unbedingt nur auf Video.

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                                                  [...] Das Erbe anzutreten ist die dramatische Ader jener Kinder von beiden Seiten der Macht, durch die, aus den Handlungen des Einzelnen, ganze Galaxien auf dem Spiel stehen. Und so zieht es Rey und Finn von dem kleinsten Posten unversehens zur großen Aufgabe, dem Krieg der Sterne. Abrams’ stetige Eskalation des Abenteuers hält dann auch nicht mit Bombastsequenzen in gesunden Abständen zurück, obgleich seine Fliegergefechte im Spezialeffektrummel beinahe beiläufig krachen, während der Fokus eher auf die Konfrontation am Boden gerichtet wird. [...] Visuelles Storytelling ist wie gehabt Abrams’ Stärke, aber seine luftige Choreografie wäre nichts ohne die Liebe zu den Figuren, ob nun den alten oder den neuen, welche allesamt fernab des stumpfen Fanservice an die Macht glauben. Abrams lässt sie mit dramaturgischem Pathos erwachen und packt dafür auch einschlagende Emotionen an – die Balance zur Hoffnung aber, zum Teamwork mit Buddy-Faktor und ohnehin jene zum Selbstbeweis der Persönlichkeit hält er durchweg am Laufen. [...]

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                                                  • 7

                                                    Francis Ford Coppola setzte in den Achtzigern einen verstärkten Kurs Richtung Herzlichkeit - eines der effektivsten Produkte zum Eskapismus jener Ära, den er wie viele seiner New-Hollywood-Epigonen per Retro-Chic verortete, ist dieses Märchen einer High-School-Ballkönigin, die nach einem Ohnmachtsanfall beim Wiedersehen mit den Mitschülern von einst 25 Jahre zurück in die Zeit versetzt wird. Coppola gebraucht dafür weniger Spezialeffekte (eine rahmenbildende, fingierte Spiegelung bildet die Ausnahme), als dass er die Erfahrung im Fokus auf seine Protagonistin verinnerlicht. Vor dem Ereignis sieht sie sich einer gescheiterten Ehe sowie Klassenkameraden gegenüber, die ihre Präsenz von einst feiern, mitunter aber auch weiter als sie gekommen sind oder auch eben nicht - hängt ganz vom Individuum ab. Insgesamt wiegt die Erkenntnis, dass das Potenzial zum Glück nie ganz ausgeschöpft wurde, dass sich die in der Jugend hochgeschraubten Erwartungen nicht erfüllen lassen oder dass jeder schlicht mit dem zusammengekommen/zufrieden ist, was stets "der/diejenige" war und dass sich dagegen nichts machen lässt, weshalb zum emotionalen Selbstschutz ein Schleier der Nettigkeit aufgezogen wird, anhand dessen man sich untereinander zumindest unterstützen kann. Eine Versteifung aufs Drama wird aber gleichsam vermieden, da Coppolas Ensemble aus jungen Leuten in Make-Up besteht und teilweise ulkige Rollentypen repräsentiert, die sich grell aufspielen und als Vertreter des Mittelstandes mit Hang zum Pop ohnehin provinziellen Charme ausstrahlen.

                                                    Exemplarisch aufgedreht (vor allem von der Stimmlage her) und als Charakter dennoch höchst ergiebig: Crazy Charlie, gespielt vom einzig wahren Nicolas Cage. Er ist jedoch ebenso der Ex von Peggy Sue (Kathleen Turner), um die es geht und um deren Privatleben sich am liebsten die ganze Schule dreht, obgleich sie dem Druck der Erwartungen, der Vergangenheit und Zukunft ihrer Existenz nur voll innerer Furcht ins Auge blicken kann. Sodann schleudert sie ein unerklärliches Phänomen ins Jahr 1960 zurück: Verwundert begegnet sie dem Vergangenen, einer frisch erhaltenen Jugend zwischen Leichtsinn und dem baldigen Erwachsenwerden. Der Aberglaube der Situation entschwindet ihr aber bald zugunsten einer emotionalen Überwältigung, der Familie und ihren seitdem verlorenen Mitgliedern erneut zu begegnen - ein Knackpunkt, an welchem dem Zuschauer ebenso Tränen herunter kullern dürften, so wie Peggy Sue ihre Liebe zum Wiedersehen ausstrahlt, ihren Mitmenschen die Bedeutung klar macht, anhand derer sie aufgewachsen ist. John Barrys schamlos sentimentaler Score verbindet sich dabei mit Coppolas relativ schlichter, doch menschennaher Inszenierung zu einem Tearjerker der Extraklasse, dem zudem ein aufrichtiges Schauspiel der Empathie vorausgeht. Hinzu kommt sicherlich auch, dass Coppola die Familienkiste mit dem Einsatz seiner Tochter Sofia akzentuiert, wie es überhaupt auch immensen Spaß macht, zurückzublicken, wer alles in diesem Film mitwirkt - ganz, als wäre man Peggy Sue selbst auf der Reise durch die Zeit.

                                                    Die will auf jeden Fall die Chance nutzen, etwas zu verbessern, ihren Mitmenschen und sich selbst zu neuen Lebenswegen zu verhelfen, sprich die Zukunft neu zu bestimmen, anhand derer sich das Glück maximieren lässt. In dem Wissen, wie es ansonsten verlaufen wird, heißt es für sie auch, die Beziehung zu Charlie fallen zu lassen, womöglich einem anderen Schwarm hinterherzujagen und allgemein mit der Zufriedenheit der Suburbia zu brechen, der sie sich mit selbstbewusster Reife stellen kann, ohne jedoch die Freundschaften von einst zu vernachlässigen. Umso stärker fängt aber auch Charlie an, sich zu bemühen, seiner einzig wahren Liebe gerecht zu werden, wie er sie schon seit Anfang an hielt und nun ihre ihm unbekannte, neue Herangehensweise zu verstehen versucht. Peggy Sue pendelt daher auch hin und her, wie sie seinen daraus resultierenden oder von ihr bislang nicht erkannten neuen Seiten gegenüber steht und an sich heranlässt, so stark sie doch eine Veränderung herbeisehnt, ihm und sich zudem Jahrzehnte des Schmerzes ersparen will. Dieser Diskurs hält den ganzen Film über packend an, Coppola fängt aber auch durchweg eine Leichtigkeit des Zeitgeists ein, welche den Unterhaltungspegel mit optimistischem Grundton am Laufen hält, aber auch mit einem Coming-Of-Age verknüpft, das in noch so trivialen Jugendmechanismen an die Empfindsamkeit appelliert.

                                                    Die Auflösung dessen hat, ganz dem Zeitkolorit gemäß, gewiss auch Melodramatisches inne, besitzt darin aber gleichsam keine künstliche Wärme, wenn Coppola seine Fantasie noch mit drolligen Sternenbildern, Doo-Wop-Kostümen und schrulligen alten Herren untermauert, die allesamt unsere Hauptfigur wie auch das Publikum auf eine Reise durch die Gelegenheiten des Lebens nehmen und das Glück weiterhin im Zwischenmenschlichen finden. Trotz aller Bemühungen im Rückblick und der Reflexion zur Zukunftsaussicht bleibt die Persönlichkeit letztendlich dieselbe und da lässt sich weniger grundlegend verändern, als dass sich umso energischer am Zustand, an der Realität des Moments und der Verbindung zum Liebgewonnenen arbeiten lässt. Ein recht behutsamer Film also, aber einer ohne falsche oder gar zynische Töne, eben lieb und in seiner Naivität ganz unbedarft der Empathie verpflichtet. Einer der Höhepunkte im Schaffen Coppolas und dabei auch nur eine weitere, jedoch aus dem Herzen umgesetzte, Auftragsarbeit.

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