EddieLomax - Kommentare

Alle Kommentare von EddieLomax

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    Wie geil ist das denn bitte? Da hat Dick Maas doch heimlich, still und leise nach 37 Jahren eine Fortsetzung zu seinem 80er-Hit VERFLUCHTES AMSTERDAM gedreht und Huub 'Flodder' Stapel spielt wieder die Hauptrolle! Na, wenn das nichts ist!! GROßE FREUDE!!!

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      EddieLomax 04.01.2025, 23:07 Geändert 05.01.2025, 11:44

      NOSFERATU von Robert Eggers ist ein Film der Atmosphäre, ein Film der Bilder. Der Regisseur erweist sich dabei erneut als großer Stilist des Morbiden, er rekreiert sowohl Murnaus expressionistische Bilder, als auch Herzogs Naturalismus und erzeugt dennoch etwas gänzlich eigenes, indem er den beiden Meistern in der heutigen, zeigefreudigen Ära des Kinos auch Bilder der Verwesung, der körperlichen Destruktion und des Blutes entgegensetzt. Seine Bearbeitung des Stoffes nach hundert bzw. beinahe fünfzig Jahren ist somit nicht nur vollkommen in Ordnung, sondern auch überfällig, vielleicht sogar notwendig. Ein Klima der Angst wird erschaffen, ein Schelm wer böses dabei denkt und Richtung Zeitgeist schielt. Die permanente Ankündigung und fortlaufende Erhöhung der kommenden Bedrohung dient nicht allein dem Spannungsaufbau, sondern kann gut als Kommentar zur allgemeinen Großwetterlage gelesen werden, wobei nicht vergessen werden darf, dass Murnaus Film bereits auf die Ankunft eines Dämons in Menschengestalt hinwies. Zwar wird hier die emotionale Intensität des Originals nicht erreicht, aber insgesamt gelingt Eggers auch hier zum wiederholten Male ein extrem selbstbewusstes Werk, welches sich niemals dem Massengeschmack anbiedert und sich ohne wenn und aber in sein bisheriges Oeuvre homogen eingliedert.

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        EIERDIEBE ist eine Milieustudie von Michael Fengler mit Charly Wierczejewski in einer der beiden Hauptrollen, den man aus dem ähnlich gelagerten SUPERMARKT (Roland Klick, 1974) kennt, nur ist es hier nicht das harte Pflaster Hamburgs auf dem sich kleine Ganoven durchschlagen, sondern Frankfurts Straßen, Eckkneipen und Hinterhöfe, was für reichlich Atmosphäre und Lokalkolorit sorgt. Die Geschichte um zwei Gauner, die sich in verschiedenen "Geschäftsfeldern" ausprobieren, nur um immer wieder zu scheitern ist kurz und knackig erzählt und interessiert sich weniger für die kriminellen Ambitionen, als für die Typen dahinter und ihr Umfeld. Das Umfeld wiederum bietet mit Originalen wie Rolf Zacher dann auch echte Highlights, die schön geerdet und ganz nebenbei ungeschönt und unaufgeregt Geschichten vom Nachtleben zwischen Halbwelt und Sozialfall erzählen.

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          EddieLomax 01.01.2025, 14:44 Geändert 04.01.2025, 00:47

          55 DAYS AT PEKING von Nicholas Ray (der nach einem Herzinfarkt durch Andrew Marton vertreten wurde) sollte als Auftrags-Arbeit die Regie-Karriere des als schwierig geltenden Filmemachers sanieren, wurde jedoch letztendlich zum Sargnagel derselben. Es blieb sein letzter Hollywoodfilm.

          Produzent Samuel Bronston, für den Ray bereits KING OF KINGS gedreht hatte, war erfolgsverwöhnt durch sein Modell, im günstigen Spanien (unter Franco) mit großen Monumentalfilmen wie EL CID Welthits zu erschaffen. Initiiert durch den berühmten Drehbuchautor und Oscar-Preisträger Philip Yordan sollte die Geschichte des Boxer-Aufstandes im China des Jahres 1900 und die damit einhergehende 55tägige Belagerung des Gesandtschaftsviertels in Peking für die Leinwand in 70 mm wieder auferstehen. Mit immensem Aufwand wurde der Stadtteil inklusive Kaiserpalast 1 zu 1 nahe Madrid nachgebaut, bei der Ausstattung keine Kosten und Mühen gescheut, sowie über 6000 Statisten angeheuert und aus aller Welt herbeigeschafft, Stars wie Charlton Heston, David Niven und Ava Gardner engagiert und damit beste Voraussetzungen für einen kommenden Kassenschlager gelegt. Doch es kam anders.

          Es gab kein verfilmbares Drehbuch, sodass jede Nacht die Szenen für den nächsten Tag geschrieben werden mussten. Ava Gardner litt unter Angststörungen und erschien, wenn sie denn erschien, nur stark alkoholisiert am Set. Nicholas Ray trank ebenfalls viel und davon reichlich und verzockte die Nächte hindurch seine beträchtliche Gage. Charlton Heston hängte sich mächtig rein um die Produktion (immerhin 21 Wochen Drehzeit bei 16stündigen Arbeitstagen) über die Bühne zu bringen (die er später als größten Mist bezeichnete, an dem er je mitgewirkt hat) und konnte sich nur auf den äußerst disziplinierten David Niven verlassen, der im Film die wohl einzige vernünftig geschriebene Rolle spielt, während der Hauptdarsteller (C.H.) das Ding mit seiner Star-Power halbwegs zusammenhält.

          Dabei fängt es recht vielversprechend an. Die einzelnen Nationen werden in einer cleveren Kamerafahrt vorgestellt, untermalt von Dimitri Tiomkins Komposition, dem neben der Ausstattung herausragenden Element des Films. Dann werden die historischen Eckdaten einigermaßen korrekt erklärt und die verschiedenen Positionen in Stellung gebracht, während im ganzen überlangen Rest des Films mit den verbürgten Tatsachen äußerst ignorant, teilweise sogar verfälschend umgegangen wird, was etwas verwundert, da es zahlreiche Augenzeugenberichte aus beiden politischen Lagern gibt, die den Vorfall hinreichend dokumentieren.

          Im ersten Drittel jedenfalls funktioniert das alles noch ziemlich gut, bis sich dann erste Längen einschleichen, melodramatische Szenen von der eigentlichen Geschichte ablenken und manche Handlungssprünge den Eindruck erwecken, als würden einige gefilmte Teilstücke fehlen. Davon nicht betroffen sind die durchaus eindrucksvoll inszenierten Action-Szenen (von Andrew Marton, der nach Rays Ausfall angeblich 65 % des Films fertigstellte), welche zum Glück immer wieder dafür sorgen, dass die Aufmerksamkeit des Zuschauers gesichert wird, während das Finale, in dem sich der Bogen zum Anfang schließt, als gelungen bezeichnet werden kann.

          Als ich 55 TAGE IN PEKING noch als vielleicht Zehnjähriger zum ersten Mal sah, war ich schwer begeistert, vor allem vom markigen und supercoolen Charlton Heston. Bei späteren Sichtungen konnte mich immerhin, neben Heston, der ganze Budenzauber mit seinen spektakulären Massenszenen überzeugen. Heute, nach ausführlicher Kenntnis des geschichtlichen Hintergrunds, sieht das etwas anders aus. Man könnte es mit dem No-Brainer-Prinzip erklären. Wirft man jeden Gedanken an Authentizität über Bord, bekommt man einen leidlich unterhaltsamen Großfilm mit Top-Stars serviert, der zwar nicht mehr (wenn er es denn je getan hat) zündet, doch zur feiertäglichen  Nachmittagsbespaßung immer noch hinreichend geeignet ist.

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          • EddieLomax 31.12.2024, 11:25 Geändert 31.12.2024, 11:27

            Mein Film- und Serien-Jahr 2024 (bestehend aus 410 Filmen und 26 Serien)

            TOP TEN KINO

            01. CIVIL WAR (Alex Garland)
            02. KING'S LAND (Nikolaj Arcel)
            03. THE BIKERIDERS (Jeff Nichols)
            04. CITY OF DARKNESS (Soi Cheang)
            05. MONKEY MAN (Dev Patel)
            06. FURIOSA (George Miller)
            07. LOVE LIES BLEEDING (Rose Glass)
            08. KONKLAVE (Edward Berger)
            09. MAXXXINE (Ti West)
            10. HORIZON (Kevin Costner)

            TOP TEN DVD/STREAMING (Erstsichtungen)

            01. SWORD OF DOOM (Kihachi Okamoto)
            02. THE HARDER THEY COME (Perry Henzell)
            03. TOTE ZEUGEN SINGEN NICHT (Enzo G. Castellari)
            04. THE KILLING FIELDS (Roland Joffe)
            05. DAS UNBESIEGBARE SCHWERT (Ronny Yu)
            06. ADAGIO (Stefano Sollima)
            07. BILLY ELLIOT (Stephen Daldry)
            08. IL DIVO (Paolo Sorrentino)
            09. BLOND (Andrew Dominik)
            10. LES MISERABLES (Claude Lelouch)

            TOP TEN DVD/STREAMING (Rewatch)

            01. PAT GARRETT & BILLY THE KID (Sam Peckinpah)
            02. SINDBAD, DER SEEFAHRER (Richard Wallace)
            03. HERZKÖNIG (Philippe de Broca)
            04. DER LETZTE MOHIKANER (Michael Mann)
            05. YOJIMBO (Akira Kurosawa)
            06. EIN GEHEIMNIS (Claude Miller)
            07. SCHWARZER SONNTAG (John Frankenheimer)
            08. DIE ERSTE KUGEL TRIFFT (Russell Rouse)
            09. LAND DER SCHWARZEN SONNE (Bob Rafelson)
            10. SNATCH (Guy Ritchie)

            TOP TEN SERIEN

            01. BOSCH
            02. SEINFELD
            03. RIPLEY
            04. TOKYO VICE
            05. GUNPOWDER
            06. 3 BODY PROBLEM
            07. GODLESS
            08. TULSA KING
            09. LOUDERMILK
            10. SCHLEUDERGANG

            FLOP TEN

            01. MEGALOPOLIS (Francis Ford Coppola)
            02. OPERATION VALHALLA (Lou Antonio)
            03. LOST WORLD - DIE LETZTE KOLONIE (Lee H. Katzin)
            04. THANKSGIVING (Eli Roth)
            05. DIE INSEL DER BLUTIGEN PLANTAGE (Kurt Raab)
            06. BOUNTY HUNTER - DER KOPFGELDJÄGER (Robert Ginty)
            07. LEDERSTRUMPF (Donald Shebib)
            08. BURNING SPEED (Karzan Kader)
            09. HAI-ALARM AM MÜGGELSEE (Leander Haußmann & Sven Regener)
            10. THE DO-OVER (Steven Brill)

            VIELEN DANK FÜR DIE ERKENNTNISREICHE AKTION UND KOMMT ALLE GUT NACH 2025!

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              EddieLomax 30.12.2024, 09:19 Geändert 30.12.2024, 09:37

              THE IROQUOIS TRAIL von Phil Karlson basiert auf den Lederstrumpf-Erzählungen von James Fenimore Cooper und bedient sich in der Hauptsache beim Roman-Klassiker DER LETZTE MOHIKANER, nimmt sich jedoch viele Freiheiten. Hawkeye wird hier von George Montgomery verkörpert, der die Rolle zwei Jahre später in THE PATHFINDER von Sidney Salkow noch einmal spielte und somit der einzige Schauspieler ist, der in zwei Kinofilmen zu dieser literarischen Figur wurde. Sein Blutsbruder Chingachgook trägt in der vorliegenden Bearbeitung des Stoffes den ebenfalls aus den Büchern bekannten Namen Sagamore und wird von Monte Blue dargestellt. Die beiden Töchter des Colonels verschmelzen hier zu einer Person, besetzt mit Brenda Marshall, die sich mit einem Handkuss von der Leinwand verabschiedet, in ihrer letzten Rolle. Die mit einigem Aufwand hergestellte Produktion kann sich sehen lassen und erreicht beinahe die Qualität der Version von 1936 mit Randolph Scott in der Hauptrolle. Unter Karlson's straffer Regie wird zunächst der historische Hintergrund des Siebenjährigen Krieges (French-Indian-War, 1754 bis 1763), inklusive der politischen und militärischen Taktiken erklärt, währenddessen die handelnden Figuren in Position gebracht. Zugunsten der Spannung werden, wie damals übliche Praxis, große Teile der Vorlage, sowie Namen verändert oder schlicht ignoriert, was dem Vergnügen keinen Abbruch tut. Unterhaltung steht klar im Vordergrund. George Montgomery gefällt mir als Hawkeye um ein vielfaches besser, als in unzähligen seiner Western. Über den schwachsinnigen deutschen Kino-Titel kann man nur den Kopf schütteln, ob der völligen Ignoranz gegenüber der Vorlage und des Sujets.

              https://www.moviepilot.de/liste/alias-natty-bumppo-eddielomax

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                EddieLomax 29.12.2024, 23:10 Geändert 29.12.2024, 23:12

                THE CONVERT von Lee Tamahori (auch Co-Autor) führt den Zuschauer ins Neuseeland des Jahres 1830 und ist bereits der dritte Film des Regisseurs, in dem er die Geschichte seines Landes und die Lebensweise seiner Ureinwohner zu ergründen versucht. Im zeitgenössischen ONCE WERE WARRIORS (1995) ging es um die sozialen Missstände der heutigen Gesellschaft, während MAHANA (2016) die Ursprünge der Unabhängigkeit in der Mitte des 20. Jahrhunderts beleuchtete. Tamahori ist selbst zu einem Teil Māori.

                "Seit über 500 Jahren kämpfen die Māori mit Hieb- und Stichwaffen. Im 19. Jahrhundert erwarben sie Musketen ... und das Christentum."

                Der Laienpfarrer Thomas Munro (Guy Pearce) kommt auf einem Handelsschiff nach Neuseeland, wo er den Siedlern spirituellen Beistand leisten soll, denn hier am Ende der Welt gibt es kaum etwas, an dem sich die Leute festhalten können. Zwischen der rauen See und dem Urwald gibt es für die kleine Gemeinde nur wenige Möglichkeiten zu einer zivilisierten Gemeinschaft zusammenzuwachsen, da kann der Glaube sprichwörtlich Berge versetzen. Doch rundherum leben verschiedene Māori-Stämme, deren Konflikte sich langsam aber sicher zu einem Krieg auswachsen, von dem in erster Linie die Kolonialisten profitieren. Als es gefährlich wird, versucht der Neuankömmling zu vermitteln.

                Mit wuchtigen Bildern und starker Atmosphäre schildert Tamahori ein authentisches, klassisch erzähltes Abenteuer und lenkt den Blick nach der Einführung seiner Figuren mehr und mehr auf das Miteinander des Naturvolkes, schwelgt immer wieder in überwältigenden Panoramen der atemberaubenden Landschaften, zeigt den Stammes-Alltag und die traditionellen Riten, sowohl mit respektvoller Erhabenheit, als auch in ihrer Grausamkeit. Bereits zu Beginn gerät der Protagonist in eine blutige Auseinandersetzung zwischen zwei Māori-Gruppen. In der Gewaltdarstellung ist der Film nicht gerade zimperlich, was sich im Verlauf der über weite Strecken ruhig und konzentriert erzählten Geschichte noch intensiviert, wenn die Fehde zwischen den Stämmen eskaliert.

                Zwar bedient sich Tamahori einer weißen Person um dem Zuschauer die Kultur nahe zu bringen, doch als zweite Hauptfigur wird eine junge Māori-Frau etabliert, deren Schicksal für den Verlauf der Handlung entscheident sein wird. Mit reichlich Schauwerten ausgestattet, kann der Film schon durch seine visuelle Opulenz beeindrucken, doch auch inhaltlich wird viel geboten. Neben Kritik an der Kolonialpolitik Großbritanniens werden auch existenzielle Fragen gestellt, wobei die Position der Ureinwohner in den Fokus gerückt wird.

                Leider hat es auch dieser Film nicht auf die deutschen Kino-Leinwände geschafft, wobei man sich fragen könnte, über welche Qualitäten man noch verfügen muss, um dafür geeignet zu sein.

                https://www.moviepilot.de/liste/western-down-under-eddielomax

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                  EddieLomax 27.12.2024, 09:52 Geändert 27.12.2024, 11:04

                  THE RAINMAKER von Joseph Anthony ist die Verfilmung eines Theaterstücks von N. Richard Nash, der auch das Drehbuch schrieb.

                  Ein Scharlatan (Burt Lancaster) kommt während einer großen Dürre zu einer Ranch im mittleren Westen, wo ein verwitweter Vater (Cameron Prud’Homme) mit seinen drei mittlerweile erwachsenen Kindern lebt. Mit dem Erscheinen des Fremden wird das familiäre Gefüge gehörig durcheinandergeschüttelt, wobei vor allem die Tochter Lizzie (Katharine Hepburn) zwischen den traditionellen Familienwerten und den freigeistigen Aussagen des Gastes hin und hergerissen ist. Auch der jüngste Sohn (Earl Holliman), gerade zum ersten Mal verliebt, sieht sich von den konservativen Vorstellungen seines älteren Bruders (Lloyd Bridges) gefesselt und lässt sich nur zu bereitwillig vom großen Gestus des Betrügers einnehmen, dem allerdings bereits der örtliche Sheriff (Wendell Corey) auf der Spur ist, der ebenfalls ein Auge auf Lizzie geworfen hat.

                  Klassisches Starkino ist das, welches seine Herkunft von den Bühnen des Broadway in Spiel und Inszenierung zu keiner Zeit verleugnen kann. Dennoch wird man gepackt, zunächst von Burt Lancaster mit seinen blauen Augen und blitzendem Lächeln, seiner Körperlichkeit, die es dem Zuschauer leicht macht, sich mitreißen zu lassen. Dann jedoch, sobald Katherine Hepburn die Bühne betritt und ihre der Jugend entwachsene Figur mit einer Hingabe und Intensität verkörpert, das die Leinwand glüht, obwohl sie mit Ende vierzig, beinahe fünfzig Jahren natürlich viel zu alt für diese Rolle war. Doch auch Earl Holliman, der im vergangenen Monat starb zeigt, dass deutlich mehr in ihm steckte, als es uns die vielen Nebenrollen erzählen, die er im Laufe seines Lebens spielte. Er erhielt für seine Darstellung einen Golden Globe, zudem gab es zwei Oscar-Nominierungen für Katharine Hepburn & Alex North' Soundtrack.

                  Die universelle Geschichte um Lebensträume, Selbstbestimmung und Unabhängigkeit vermittelt dabei Werte wie Offenheit, Toleranz und Nächstenliebe. Das mag in der hier dargebotenen Form als reine Studio-Produktion zwar nicht mehr besonders zeitgemäß erscheinen, weil es optisch altbacken und theatralisch daherkommt, aber entziehen kann man sich dem als Zuschauer auch nicht, zu humorvoll, dramatisch und lebensecht gelingt es den Schauspielern die Aussagen des Stückes zu übertragen. Am Ende haben wir Menschen aus Fleisch und Blut kennengelernt, deren Hoffnungen und Wünsche berühren.

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                    EddieLomax 25.12.2024, 17:48 Geändert 25.12.2024, 17:52

                    BOBBY DEERFIELD von Sydney Pollack ist komplett in Vergessenheit geraten und das nicht ganz unbegründet. Al Pacino spielt die siebente Hauptrolle in seinem achten Film und sah wohl nie besser aus als hier. Leider passt die Figur des leeren, distanzierten Rennfahrers so gar nicht zu dem Method Actor und hätte wahrscheinlich besser mit Pollack's Dauer-Kollaborateur Robert Redford besetzt werden müssen. Paul Newman war im Gespräch, lehnte aber ab.

                    Obwohl Pacino zur Drehzeit bereits mit seinem Co-Star Martha Keller liiert war, entsteht niemals so etwas wie eine Chemie zwischen den beiden. Der Formel-1-Zirkus dient eher Werbe-Zwecken und spielt, abgesehen von ein bisschen Name-Dropping eine vollkommen untergeordnete Rolle. Viel wichtiger schienen dem Regisseur die überaus ansprechend inszenierten, schönen europäischen Schauplätze gewesen zu sein.

                    Der Rest ist eine Mischung aus typisch amerikanischer Hemingway-Beziehungs-Liebelei mit Anleihen bei LOVE STORY. Den zugrundeliegenden Roman schrieb Erich Maria Remarque, von dem aber nicht viel übrig blieb. Wer schönen Reichen beim reisen und laaange, nicht besonders tiefgründige Dialoge führen zuschauen mag, ist hier richtig, für alle anderen wird's vermutlich zur Geduldsprobe.

                    Dem NEW-HOLLYWOOD-Regisseur schwebte anscheinend so etwas wie die französischen Dramen eines Claude Sautet oder ähnliches vor, nur leider fehlt seinem Krankheits-Liebes-Drama neben charakterlichem Tiefgang jedwede Leichtigkeit, womit es zu einer sehr zähen Angelegenheit wird. Pacino hat zumindest ein paar starke Szenen, die Optik passt und als Fan des Stars kann man BOBBY DEERFIELD ruhig mal goutieren.

                    Nachdem ich jahrelang der vergriffenen DVD nachgejagt bin, war ich jetzt ganz froh das Ding bei YouTube für Umme gesehen zu haben und kann an einen weiteren seltenen Film den Haken machen.

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                      EddieLomax 25.12.2024, 10:55 Geändert 25.12.2024, 11:47

                      THE TROUBLE WITH GIRLS (AND HOW TO GET INTO IT) von Peter Tewksbury ist Elvis' vorletzter Spielfilm und es wird ziemlich deutlich, warum der King keinen Bock mehr auf den ganzen Hollywood-Mist hatte, für den er jetzt schon über zehn Jahre seines Lebens vergeudet hatte. Aus der seriösen Schauspiel-Karriere war Dank seines gierigen Managers Col. Tom Parker nichts geworden, und seiner eigentlichen Leidenschaft, nämlich auf der Bühne Konzerte zu geben, konnte er auch nicht mehr frönen. Mit Tewksbury hatte er zuvor schon den chaotischen und völlig verunglückten STAY AWAY, JOE gedreht.

                      Als Walter Hale, Manager einer 'Traveling Chautauqua Company' (so etwas wie ein Wanderzirkus mit Bildungsprogramm und Zuschauerbeteiligung) kommt Elvis im Jahr 1927 in eine Kleinstadt in Iowa, was gehörig für Aufregung sorgt und das gesellschaftliche Gefüge ordentlich durcheinander bringt. Wir lernen die Bewohner kennen, ihre Probleme und Nöte, aber auch jene, die von der Talent-Show profitieren wollen. Irgendwann geschieht ein Mord.

                      Ursprünglich als Projekt für Glenn Ford, mit Elvis in einer Nebenrolle geplant, spielt der King nun die nominelle Hauptrolle, aber es ist eigentlich ein Ensemble-Film, in dem der Star eine eher untergeordnete Rolle recht unbeteiligt spielt. Einige der Supporting Actors sind dann aber doch sehr sehenswert in ihren Parts. So gibt Dabney Coleman einen lüsternen Ladenbesitzer, Vincent Price leicht angeschwult einen Moral-Prediger und John Carradine ist ebenfalls mit von der Partie. Die interessantesten Figuren sind hier die Frauen, was angesichts des Entstehungsjahres nicht verwundert. Marlyn Mason und Sheree North sind die zentralen Figuren in dieser, selbst für damalige Verhältnisse bereits reichlich antiquiert inszenierten Chose, die sich zwischen Komödie, Drama und Musical nicht entscheiden kann.

                      Den ersten Song gibt Elvis nach einer geschlagenen halben Stunde zum besten, es folgen gegen Ende vier weitere innerhalb weniger Minuten, während ein Großteil der Musiknummern des Films von den Kindern und Kleinkünstlern des Aufführungsortes bestritten wird. Der Film endet ebenso unmotiviert, wie er begonnen hat und versucht sich durch Texteinblendungen über den historischen Hintergrund der eigentlich interessanten CHAUTAUQUA einen seriösen Anstrich zu verpassen, der zu keiner Zeit eingelöst wird.

                      Elvis sieht dabei zumindest genauso fantastisch aus wie beim 68'er Comeback Special, in dessen unmittelbarem Anschluss THE TROUBLE WITH GIRLS gedreht wurde. Danach machte er noch den besseren CHANGE OF HABIT, verabschiedete sich von der Kino-Leinwand und ging zurück auf die Bühne.

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                        EddieLomax 24.12.2024, 17:19 Geändert 24.12.2024, 21:06

                        UNA RAGIONE PER VIVERE E UNA PER MORIRE von Tonino Valerii ist eine (weitere) Italo-Western-Variante von DIRTY DOZEN und gibt sich auch keinerlei Mühe das irgendwie zu verschleiern. Ein Nordstaaten-Colonel (James Coburn) stellt aus einer Gruppe sprichwörtlicher Galgenvögel (Bud Spencer u.a.) ein Himmelfahrts-Kommando zusammen, um seine militärische Niederlage auszuwetzen und ein Fort von den Südstaatlern zurückzuerobern, die es ihm einst abgenommen haben. Außerdem will er sich beim Kommandeur (Telly Savalas) für den Mord an seinem Sohn rächen.

                        Dabei ist die Fassungslage in Deutschland besonders schwierig, denn ganze drei Versionen mit ebenso vielen Synchronisationen sind im Umlauf. Die seltenste (50 Jahre nicht gezeigt), für die (gekürzte) Kino-Fassung (ca. 95 Minuten) lag mir nun vor, nachdem ich über die vergangenen 40 Jahre bereits jeweils die anderen beiden Versionen (Comedy-Fassung mit ca. 82 Minuten; Fernsehfassung mit ca. 112 Minuten) sichten konnte und mit keiner davon glücklich geworden bin.

                        Ein Zustand, an dem sich wohl nichts mehr ändern wird, wenn auch die Synchro in dieser hier noch die beste sein dürfte, was am ausschließlich mit prominenten Sprechern besetzten Cast liegt, der ernsthaft und professionell bei der Erstellung, sowie ohne jeden Humor, der Geschichte die passende nihilistische Stimmung verleiht. So kommen zum Beispiel Gert Günther Hoffmann (auf James Coburn), Wolfgang Hess (auf Bud Spencer), sowie Arnold Marquis (auf Telly Savalas) zum Einsatz.

                        Ich hätte nie gedacht, dass ich es mal sage, aber die Kürzungen der Kino-Fassung sind zu verschmerzen und geben dem über lange Strecken doch ziemlich öden Streifen noch etwas Tempo. Dennoch halte ich diesen Genre-Beitrag Valeriis nicht für gelungen und das obwohl ich für solche fatalistischen Kommando-Filme echt was übrig habe. Die Ausgangslage ist zwar vielversprechend, aber weder die US-Stars, noch der Regisseur können überzeugen. Einzig Bud Spencer - (Wer hätte das gedacht?) - zieht sich achtbar aus der Affäre. Da ich nun alle verfügbaren Versionen kenne, belasse ich es dabei und sehe ein, das nicht jeder verstümmelte Film in Wahrheit ein viel besseres Werk in sich birgt.

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                          CORONER CREEK von Ray Enright ist der vierte von fünf Western, die der Regisseur in den 1940er Jahren mit Randolph Scott drehte und dabei einer der ersten, der für die von Scott und Harry Joe Brown gegründete Producers-Actors Corporation produziert wurde, für welche später auch einige Filme des berühmten RanOwn-Zyklus Budd Boetticher's entstanden. Einige der Themen, die diesen auszeichneten, werden hier bereits vorweggenommen.

                          Chris Danning erwartet seine Verlobte, die in einer Postkutsche auf dem Weg zu ihm ist. Als die Kutsche von Indianern überfallen wird, nimmt sie sich das Leben, um ihnen nicht in die Hände zu fallen. Doch die Indianer waren nicht allein, ein Weißer hat sie angestiftet. Als Chris der Täter von einem der beteiligten Indianer beschrieben wird, macht er sich auf die Suche nach ihm. In Coroner Creek wird er fündig und die Zeit für seine Rache ist gekommen.

                          Auffällig sind dabei mehrere Aspekte des Films. Da ist zum einen die Hinwendung zur vielschichtigen Psychologisierung der handelnden Figuren, deren Probleme sich zunehmend komplex gestalten und nicht mehr durch einfache Wahrheiten und Entscheidungen zu lösen sind, etwas das eigentlich erst im folgenden Jahrzehnt Einzug in das Genre halten sollte. Bis Ende der 40er gab es in aller Regel die klare Unterscheidung von Gut und Böse, Held und Schurke, doch hier ist das nicht so einfach, denn der Protagonist ist bereits von einem Rachedurst getrieben, der nicht nur seinem Umfeld, sondern letztlich ihm selbst schadet.

                          Was ebenfalls heraussticht, ist die für damalige Verhältnisse sehr drastische Darstellung der Gewalt, wobei eine ausufernde Prügelei zwischen Randolph Scott und Forrest Tucker darin gipfelt, dass sich die Kontrahenten gegenseitig die Schusshand zertreten. Ein Blick auf Ray Enright vermag eine Erklärung dafür bieten, schließlich inszenierte er einige Jahre zuvor mit Scott und John Wayne die wohl berühmteste Schlägerei der Filmgeschichte in THE SPOILERS.

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                            FRONTIER MARSHAL von Allan Dwan ist die zweite der drei Verfilmungen des Romans WYATT EARP - FRONTIER MARSHAL von Stuart N. Lake innerhalb von zwölf Jahren, welcher später noch die heute bekannteste, MY DARLING CLEMENTINE von John Ford mit Henry Fonda folgte. Zudem ist es der erste Film über den berühmten Gesetzeshüter Wyatt Earp und seinen Freund Doc Holliday, was schlicht daran lag, dass bei der Erstverfilmung des Buches aus rechtlichen Gründen die Namen der Protagonisten geändert werden mussten.

                            Wyatt Earp kommt in die aufstrebende Stadt Tombstone, die nach Silber-Funden wie ein Pilz aus der Erde geschossen ist und Tag für Tag mehr Glücksritter anzieht. Bald herrscht das blanke Chaos und nachdem der bisherige Town Marshal kurzerhand hinwirft, weil er keine Witwe und Waisenkinder hinterlassen will, übernimmt Earp das Amt und setzt das Gesetz mit allen Mitteln durch, obwohl bereits Allianzen gegen ihn geschmiedet werden. Als der schwerkranke Spieler und berüchtigte Killer Doc Holliday auftaucht, werden die Karten neu gemischt.

                            Die aufwändige 20 CENTURY FOX Produktion aus dem Super-Western-Jahr 1939 gibt sich, wie die Vorlage, gänzlich der Legendenbildung hin und bietet mit dem im besten Saft stehenden Randolph Scott einen überaus jovialen Wyatt Earp, der wenn es hart auf hart kommt ohne zu zögern seine Fähigkeiten an der Waffe nachdrücklich zu zeigen bereit ist. Ihm gegenüber steht mit Cesar Romero ein verführerischer Doc Holliday, der zunehmend ins Zentrum der Handlung rückt, dessen krankheitsbedingter Fatalismus und innere Zerrissenheit gut zum Ausdruck kommen und einmal mehr, wie so oft in der Folge weiterer Verfilmungen des Stoffes, zu den Highlights der häufig neu erzählten Western-Story zählen.

                            Mit den John-Ford-Regulars John Carradine und Ward Bond, sowie dem späteren WOLF MAN Lon Chaney jr. befinden sich weitere große Namen im Cast eines Filmes, der den Frauenfiguren, verkörpert durch Nancy Kelly und Binnie Barnes eine besondere Bedeutung zukommen lässt, deren schwieriges Wechselverhältnis zu Holliday sich zum Motor der romantisiert umgedeuteten Geschichte entwickelt. In den späteren Bearbeitungen wurden meist andere Schwerpunkte gesetzt und eher die komplexe Männerfreundschaft zwischen Earp und Doc beleuchtet, erst DOC von Frank Perry (1971) lotete wieder die Geschlechterverhälnisse aus.

                            Leider wurde FRONTIER MARSHAL nie in Deutschland veröffentlicht und fiel, auch weil er später von John Ford's übermächtiger Version überragt wurde, dem kollektiven filmgeschichtlichen Vergessen anheim, wobei gerade Freunde des klassischen Hollywood der Goldenen Ära mit dieser dichtesten (und schlankesten) Erzählung der Legende viel Freude haben können. YouTube schafft Abhilfe.

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                              EddieLomax 18.12.2024, 09:20 Geändert 19.12.2024, 07:49

                              I MONGOLI von Andrè De Toth entstand für den immer schon nach größerem strebenden Dino De Laurentis in der Folge von erfolgreichen Hollywood-Epen wie THE VIKINGS und betreibt beträchtlichen Aufwand mit seiner historisch inakkuraten Schilderung der mongolischen Invasion im Europa des 13. Jahrhunderts. Als das Heer Dschingis Khans unter Führung seines ältesten Sohnes Ogotai Polen angreift, beschließt der König einen Unterhändler zu schicken, um den Frieden auszuhandeln. Doch der vom Krieg besessene Reiterfürst denkt gar nicht daran, darauf einzugehen.

                              Jack Palance gibt als Ogotai dem Größenwahn ein Gesicht, während Anita Ekberg an seiner Seite intrigieren und morden darf, dass es eine Freude ist. Der spätere Italo-Western-Star Gianni Garko (SARTANA) ist in einer größeren Nebenrolle zu sehen. Mit knapp zwei Stunden Länge fällt das insgesamt handlungstechnisch doch sehr überschaubare Minimal-Epos recht üppig aus, kann aber mit Statistenheeren und einigen Grausamkeiten unterhalten, die zur damaligen Zeit die Grenzen des zeigbaren ausgereizt haben dürften.

                              Vom nüchternen Realismus seiner Film Noir 's und Western, die De Toth in Hollywood gedreht hatte, ist dieser Film weit entfernt, weshalb die Vermutung naheliegt, dass er engagiert wurde, um die beiden Co-Regisseure Leopoldo Savona und Riccardo Freda anzuleiten. Später drehte er in Italien noch den Römer-Streifen DAS GOLD DER CÄSAREN (mit Jeffrey Hunter), bevor er seine Regie-Karriere mit dem starken britischen Kriegsfilm EIN DRECKIGER HAUFEN (mit Michael Caine) beendete.

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                                EddieLomax 16.12.2024, 18:55 Geändert 16.12.2024, 19:47

                                BLOODSPORT von Newt Arnold, der zuvor unter anderem häufig als Regie-Assistent für Sam Peckinpah arbeitete, zeigt einen gerademal 25jährigen Jean Claude Van Damme in seiner ersten Hauptrolle, in der er bereits über ein gewisses Schauspieltalent verfügt, aber vor allem durch seine beeindruckende Physis und einen eleganten Kampfstil überzeugen kann.

                                Die damals als wahre Geschichte vermarktete Verfilmung der zu großen Teilen erfundenen Auto-Biographie von Frank Dux, über ein geheimes Kampfsport-Turnier in Hongkong, spielte mehr als das zehnfache seiner Herstellungskosten ein und avancierte zum Kultfilm, den ich in meiner frühen Jugend unzählige Male durch den Videoplayer laufen ließ. Ich hätte niemals gedacht, dass der womöglich zu oft gesehene Film nochmal mein Interesse weckt, aber genau das ist nun geschehen.

                                Nachdem ich am Wochenende CITY OF DARKNESS im Kino erleben konnte und davon ziemlich beeindruckt war, was in erster Linie am Schauplatz der WALLED CITY KOWLOON, einer gesetzlosen Enklave Hongkongs lag, stellte ich nach kurzer Recherche fest, dass BLOODSPORT 1986 genau hier entstanden ist und somit die einmalige Möglichkeit bietet, Original-Aufnahmen von dort zu sehen, bevor der Stadtteil in den 90er Jahren abgerissen wurde. Insofern war die erneute Sichtung des handlungsarmen Kampfsport-Spektakels mit anderen Augen für mich lohnenswert, auch wenn ich mir mehr Aufnahmen der einzigartigen Umgebung gewünscht hätte.

                                Unterhaltsam ist der Film weiterhin, die Montagen der Fights sind mitreißend und Van Dammes Spagat tut beim zuschauen noch immer weh. Wenn ich mich recht erinnere, war es auch der erste Film in dem mir der spätere Oscar-Preisträger Forest Whitaker aufgefallen ist und Bolo Yeung bleibt so furchteinflößend wie eh und je. Mit 14 hätte ich hier großzüg Punkte verteilt, jetzt reicht es noch für 7 Zähler auf der Skala, wobei der Nostalgie-Wert nicht zu unterschätzen ist. Immerhin konnte ich ihn jetzt mal im Originalton sehen.

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                                  JIU LÓNG CHÉNG ZHÀI-WÉI CHÉNG von Soi Cheang ist in vielerlei Hinsicht äußerst interessant. Allein der Schauplatz des Filmes, die Walled City auf der Hongkonger Halbinsel Kowloon, einer ehemaligen Militärbasis, stellt ein reizvolles Setting für einen Action-Thriller der alten Schule mit modernsten Mitteln dar.

                                  Als Festland-Flüchtling Chan Lok-Kwan (Raymond Lam) in den 1980er Jahren nach Hongkong kommt, gerät er bald an den Triaden-Boss Mr. Big (Sammo Hung), der ihn sogleich abzockt. In seiner Not stiehlt Chan eine Tasche voller Drogen und flieht in die abgschottete Walled City, um sie dort zu Geld zu machen. Doch hier herrscht der Gangster-König Cyclone (Louis Koo). Während sich Chan nun behaupten muss, will Mr. Big nicht nur seine Drogen zurück, sondern endlich auch Cyclones Hoheit in der Enklave brechen.

                                  Rein visuell und erzählerisch wird hier das klassische Hongkong-Kino nicht nur referenziert, sondern sogar übertroffen. Allein die Kulisse der Walled City ist ein wahrer Augenschmaus und beschert massives Endzeit-Feeling als eine Stadt in der man kaum einmal den Himmel sieht, bestehend aus endlosen Hochhauskomplexen, ewiger Baustelle, dunkel und feucht, voller herumhängender Kabel und Rohre, sowie jeder Menge Menschen, die im ewigen Überlebenskampf um ihr täglich Brot rotieren, dabei immer der Gefahr ausgesetzt, zwischen die Fronten zu geraten. Viel Zeit verwendet der Regisseur darauf, diesen Mikrokosmos zu etablieren, spürbar zu machen. Der Zuschauer taucht ein in eine Welt der Dunkelheit, aber auch der Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe. Und wenn sich die Konflikte dann hochgeschaukelt haben und eskalieren, gibt's kein Halten mehr.

                                  Während bereits zu Beginn einige Action-Highlights gesetzt werden, entwickelt sich das Finale zur wahren Tour-de-Force für die Akteure, wenn sie sich in den schmalen Gängen und Ebenen, auf Dächern und zwischen Balkonen des lebendig scheinenden Stadtkomplexes wilde Martial-Arts-Auseinandersetzungen liefern, deren Ausgang immer wieder auch von der jeweiligen Architektur des Kampfplatzes abhängt.

                                  Auch schauspielerisch kann CITY OF DARKNESS überzeugen. Zwar hat keine der Figuren besonders viel charakterliche Tiefe durch das zugrundeliegende Drehbuch erhalten, doch gelingt es den Schauspielern fast durch die Bank greifbare Figuren zu erschaffen, deren Motivation glaubwürdig entwickelt ist. Einzig bei einem der Antagonisten wird maßlos übertrieben, was im Genre-Kanon allerdings nicht ungewöhnlich ist. Die Hongkong-Veteranen Sammo Hung und Louis Koo stechen klar heraus, brillieren in dankbaren Rollen und geben der epischen Geschichte ihr Fundament. Soi Cheangs spektakulärer Thriller wurde als Bester Internationaler Film für den Oscar eingereicht. Für mich eines der Kino-Highlights des Jahres.

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                                    CARRY-ON von Jaume Collet-Serra markiert die Rückkehr des Regisseurs zum Thriller-Genre, wo er meiner Meinung nach am besten aufgehoben ist. Man merkt von der ersten Minute an, dass hier die Zutaten und das Handwerk stimmen und fühlt sich regelrecht in alte Glanzzeiten zurückversetzt, als Action-Filme noch zu Weihnachten spielten, erstmal die Charaktere etablierten, ein Gespür für den Schauplatz vermittelten und durch eine dichte Dramaturgie zu fesseln vermochten. Taron Egerton passt in die Rolle des nicht sehr ehrgeizigen Sicherheitsbeamten perfekt und Jason Bateman gibt einen ziemlich überzeugenden Bösewicht, dessen perfide Manipulationstechniken ein ums andere Mal überraschen können. Die Nebenfiguren sind zahlreich und aus Fleisch und Blut, was heutzutage nicht mehr selbstverständlich ist, und die Laufzeit mit unter zwei Stunden passt hier ebenfalls, wenn man auch bemängeln könnte, dass der Flow im Mittelteil etwas ins Stocken gerät, allerdings nur um im finalen Drittel dann so richtig Fahrt aufzunehmen. Die Macher waren ganz offensichtlich sehr motiviert etwas vorzeigbares zu erschaffen und das ist ihnen auch gelungen. Hat das Zeug zum Hit.

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                                      ROBBER'S ROOST von Sidney Salkow ist die Neuverfilmung eines Romans von Zane Grey und dieses Mal in Farbe (die erste ist von 1932, Regie: Louis King). Die United-Artists-Produktion kommt für einen Western dieser Preisklasse ziemlich wertig daher und sieht unheimlich gut aus, was auch dem in diesem Genre oft verwendeten Drehort um Durango geschuldet sein dürfte.

                                      Ein Fremder (George Montgomery) kommt zu einer Ranch, deren Besitzer (Bruce Bennett) in seiner Not gleich zwei Banden von Viehdieben gegen Belohnung engagiert, seine Herde von 6000 Rindern zum Verkaufsort zu treiben, in der Hoffnung das sie sich gegenseitig fertig machen. Als die attraktive Schwester (Sylvia Findley) des Ranchers auftaucht, kommt Bewegung in die Sache, da nun alle um ihre Gunst buhlen.

                                      Wenn ein Film nur so gut ist, wie sein Bösewicht, dann ist dieser hier sehr gut, oder zumindest so gut, dass er ihn erheblich besser macht, denn man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Richard Boone ein herausragender Schuft ist. Er ist der heimliche Hauptdarsteller und reißt praktisch den gesamten Film an sich. Montgomery hält sich bis zum Showdown, wenn er sein Geheimnis lüftet, ziemlich bedeckt und Peter Graves als Anführer der zweiten Outlaw-Gang hat gegen Boone nicht den Hauch einer Chance.

                                      Die ungewöhnliche Story bleibt lange im ungewissen, was wohl an Grey's Vorlage liegt, der bekannt für seine authentischen Geschichten aus dem alten Westen war, und das Drehbuch arbeitet eine für die Entstehungszeit nicht unbedingt erwartbare sexuelle Komponente heraus, die nochmal umso überraschender erscheint, als das die Hauptdarstellerin Sylvia Findley zum Zeitpunkt des Drehs bereits über 50 Lenze zählte, was man ihr natürlich nicht ansieht.

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                                        KING ARTHUR: LEGEND OF THE SWORD von Guy Ritchie gefiel mir auch in der Zweitsichtung sehr gut als Mix aus HERR DER RINGE und GAME OF THRONES im Ritchie-Style. Man muss sich halt darauf einlassen, dann kann man viel Spaß haben. Gedacht als Start einer mehrteiligen Reihe, die in der Folge nicht zustande kam, funktioniert die stark in Richtung Fantasy ausgerichtete Version der Sage auch als Stand-Alone-Film. Einen zweiten EXCALIBUR sollte man allerdings nicht erwarten und so war es offensichtlich auch nicht gedacht. Jude Law, den ich eigentlich nicht besonders mag, ist als Finsterling unter Guy Ritchies Regie einmal mehr großartig und Charlie Hunnam's coole Attitüde hat noch nicht so genervt wie heutzutage. Daneben gibt's nicht viel Raum für andere, aber der Straßen-Artus und seine Gang bietet genug Unterhaltungswert um die Pausen zwischen den Effekt-Spektakeln humorvoll auszufüllen. Ein Artus ohne Mythos, aber mit ganz viel Street-Credibility. Ich bleibe bei acht Zählern.

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                                          Als ich vor kurzem las, dass SEINFELD nicht mehr lange auf NETFLIX sein wird, beschloss ich die Serie endlich mal komplett zu schauen, nachdem ich über die vergangenen 30 Jahre immer wieder mal hier und da ein paar Folgen gesehen und für gut befunden hatte. 90 Tage und 180 Folgen später ist es vollbracht. Es hat sich für mich gelohnt. SEINFELD startet bereits auf solidem Niveau, groovt sich in den ersten beiden, kürzeren Staffeln ein, um sich in Staffel 3 und 4 zu absolut wahnwitzigen Höchstleistungen aufzuschwingen. Die anschließenden Staffeln 5, 6 und 7 bieten zwar nur wenige neue Ideen, liefern jedoch hohe Gag-Dichte mit perfektem Timing. Staffel 8 und 9 schließlich erreichen wieder die Qualität der genialen 3ten und 4ten, womit das Resümee sein muss, hier eine der zurecht erfolgreichsten Comedy-Serien ever genossen zu haben, bei der es gelungen ist, den perfekten Abschluss zu finden. Da ich weiß wie schwierig es ist, eine gute Comedy-Serie zu finden, die den eigenen Humor treffend widerspiegelt, kann ich nur sagen: Volle Punktzahl für diese grandiose Serie!

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                                            LULU ON THE BRIDGE von Paul Auster, dessen Drehbücher zu SMOKE und BLUE IN THE FACE ebenfalls mit Harvey Keitel in der Hauptrolle verfilmt wurden, entstand zur Blütezeit des amerikanischen Independent-Kinos und besteht praktisch zu einhundert Prozent aus Themen und Motiven des Ausnahme-Schriftstellers, von ihm höchstpersönlich auf Film gebannt. Jazz-Saxophonist Izzy wird in einem New Yorker Club während seines Auftritts auf der Bühne von einem Irren niedergeschossen. Als er im Krankenhaus wieder aufwacht ist alles anders. Kurz darauf findet er einen Ermordeten, dessen Habseligkeiten er an sich nimmt. Darin findet er einen Stein und eine Telefonnummer. Der Stein hat magische Kräfte, Dank der Nummer lernt er eine Frau kennen, mit der er eine Liebesbeziehung beginnt. Bald geschehen merkwürdige Dinge. Ein Film der leisen Töne um Existenz und Identität, das Leben und die Liebe, kurz die Fragen des Daseins, erzählt als unwahrscheinliche Romanze mit doppeltem Boden. Ein New-York-Film, eine filmische Reflektion, ein Kleinod.

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                                              EddieLomax 07.12.2024, 17:46 Geändert 07.12.2024, 17:47

                                              HOTEL COLONIAL von Cinzia Th. Torrini ist eine Mischung aus Abenteuer-Drama und Thriller, zudem recht gut besetzt, doch leider will der Funke zu keiner Zeit überspringen. Der in New York lebende Italiener Marco (John Savage) erfährt telefonisch vom Selbstmord seines Bruders Luca in Kolumbien und reist umgehend dorthin um alles zu regeln. Der Bruder (Robert Duvall) war ein Ex-Terrorist, der in Bogotá untergetaucht ist und als seine Leiche identifiziert werden soll wird klar, dass es ein anderer ist. Marco macht sich auf die Suche, die ihn bis zum Amazonas führt, wo er an den Drogenhändler Carrasco (auch Robert Duvall) gerät. Ein Film voller Ungereimtheiten, dessen Glaubwürdigkeit bisweilen arg strapaziert wird. Obwohl die Regisseurin am Drehbuch beteiligt war,  scheint sie nicht besonders am Stoff interessiert gewesen zu sein, denn die Suche nach dem Verschwundenen tritt viel zu lange auf der Stelle. Duvall als Antagonist taucht erst in der zweiten Filmhälfte auf und spult eine exzentrische Nummer ab, während Savage durchaus ambitioniert versucht, das Beste aus seinem Part zu machen. Erst im letzten Drittel kommt etwas Bewegung in die Sache, was den Film jedoch nicht mehr retten kann. Angesichts des prominenten Personals hinter der Kamera ist es schon etwas verwunderlich, wie wenig hier funktioniert. Pino Donaggio's Soundtrack wirkt ebenfalls nicht unbedingt homogen und irritiert immer wieder. Einzig Giuseppe Rotunno's Kamera-Arbeit kann sich sehen lassen. In einer kleinen Nebenrolle kann man den jungen Demian Bichir entdecken.

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                                                REVOLT AT FORT LARAMIE von Lesley Selander stammt aus der Produktionsschmiede BEL AIR von Howard W. Koch und Aubrey Schenck, die vornehmlich im B-Movie-Bereich tätig war. Als der Amerikanische Bürgerkrieg ausbricht, spaltet sich die Besatzung eines Forts im Indianerland in Nord- und Südstaatler auf, was zu schweren Auseinandersetzungen führt. Während der Kommandant versucht seine Integrität zu wahren und die Wogen zu glätten, schaukelt sich die Aggression in der Truppe hoch und droht jederzeit zu eskalieren. Mit den Sioux auf dem Kriegspfad stellen sich zudem weitere Herausforderungen. Aus dieser spannenden Prämisse macht Regie-Handwerker Selander, der zwischen 1936 und 1968 über 100 Western drehte, einen gelungenen kleinen Genre-Beitrag, der zu seinen besseren Arbeiten gezählt werden kann. Zudem bietet der Film die Gelegenheit den sonst auf Schurkenrollen abonnierten Charakter-Darsteller John Dehner mal in einer positiv besetzten Hauptrolle zu erleben, wobei er den inneren Konflikt des Befehlshabers überzeugend rüberbringt. Auch gibt Harry Dean Stanton hier sein Leinwand-Debüt.

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                                                  STROGOFF von Eriprando Visconti, dem Neffen Luchino Viscontis, ist eine Literaturverfilmung nach einem Romanklassiker von Jules Verne und kann mit einigen berühmten Namen protzen. Der geschäftstüchtige Atze Brauner produzierte nach einem Drehbuch unter Mitarbeit von Georges Lautner mit John Phillip Law in der Titelrolle ein teures und ansprechend gefilmtes, doch unglaublich Saft- und kraftloses melodramatisches Winter-Abenteuer in den verwehten Schneespuren Doktor Schiwagos, dem es kaum einmal gelingt, das Interesse hochzuhalten. Frei von Höhepunkten oder inhaltlich interessanten Dialogen plätschert das Möchtegern-Epos voller Charakter-Schablonen in ruhigem Fahrwasser vor sich hin, bis auch der letzte Zuschauer eingeschlafen ist. Zum Glück habe ich das Werk morgens vor der Arbeit genossen, wo ich ziemlich entspannt in den Tag starten konnte. Wer so etwas für die gepflegte Nachtruhe sucht, wird bei YouTube fündig.

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                                                    THE LIFE AND TIMES OF JUDGE ROY BEAN von John Huston, nach einem Drehbuch von John Milius, ist als satirischer Abgesang auf den alten Westen weniger der historischen Wahrheit verpflichtet, als an der Demontage seiner Mythen und Legenden interessiert und findet Dank der Vereinigung des Regisseurs, dessen Lebensthemen gut zur Geltung kommen, wie seines Stars Paul Newman, der ein feines Portrait als Anti-Held gibt, zu einer einzigartigen Symbiose aus Reflektion und ideenreicher (fiktionaler) Biographie. Newman's Roy Bean steht dabei in direkter Folge seiner Außenseiter-Figuren (z.B. HUD, COOL HAND LUKE) und hat mit dem tatsächlichen, posthum zum 'Hanging Judge' erklärten, selbsternannten Richter ebenso wenig gemein, wie einst Walter Brennan's OSCAR-prämierte Darstellung desselben im Gary-Cooper-Klassiker THE WESTERNER (William Wyler, 1940).

                                                    Der Film beginnt mit einem ernsthaften, realistisch gestalteten Prolog über die Ankunft Bean's in Vinegarroon, einer kümmerlichen Ansiedlung in West-Texas, wo Banditen und anderes Geschmeiß sich vor Gesetz und Zivilisation verstecken, er sogleich ausgenommen wird und mit einem Strick um den Hals, an ein Pferd gebunden zu Tode geschleift werden soll. Dies misslingt und er rächt sich fürchterlich, bleibt jedoch und umfunktioniert den Unterschlupf sogleich in Saloon und Gerichtssaal zugleich, um fürderhin als THE ONLY LAW WEST OF THE PECOS, Richter und Henker in Personalunion, Recht zu sprechen.

                                                    Von hier an entwickelt sich ein episodisch-chronologisch angelegter Reigen aus teilweise absurd komischen, zuweilen brutal gelösten Situationen, die eine Vielzahl prominenter Gastauftritte ermöglichen (u.a. Anthony Perkins, Ava Gardner, Stacy Keach), deren schwarzhumorige Tendenzen häufig an die späteren Moritaten der Coen-Brothers erinnern. Erstaunlich dabei ist, dass der zur Entstehungszeit bereits 66-jährige John Huston mit einer künstlerischen Offenheit und Frische inszeniert, die sich vor dem sich parallel entwickelnden NEW HOLLYWOOD, zu dessen Vertretern ja auch Milius zählte, nicht zu verstecken braucht, wie einige andere seiner Werke jener Schaffensphase eindrücklich beweisen  (bspw. FAT CITY). Für Paul Newman war es eine seiner Lieblingsrollen und er verstand sich mit Huston so gut, dass sie anschließend noch den Thriller THE MACKINTOSH MAN drehten.

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