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Alle Kommentare von filmschauer
Na, auch schon die romantische Ader der Untoten entdeckt? Vieles musste das nicht totzukriegene Zombie-Genre schon durchmachen müssen, was manch abseitige Idee angeht. Jene Liebesversion von Jonathan Levines "Warm Bodies" ist sicherlich nicht die logisch durchdachteste, aber sicherlich auch nicht uncharmanteste ihrer Art. Was diesen Film für mich jedoch erst interessant gemacht hat, war die Besetzung der beiden Protagonisten. Ist der Handlungsverlauf weniger originell als womöglich anvisiert, so macht die sonderbare Chemie zwischen Zombie R (Nicholas Hoult) und Mensch Julie (Teresa Palmer) den wesentlichen Teil aus, um den Film etwas abzugewinnen. Denn die sehr ausgeschmückte Exposition mit Off-Kommentar und auch der turbulente Erstkontakt zum Gegenüber mögen zuerst ganz aufregend sein, nachfolgende Entwicklungen bleiben leider nicht von dramaturgischen Hängern verschont. Aus mir unerfindlichen Gründen müssen zudem neben den, äh, 'normalen' Zombies mit Gefühlspotential auch noch eindimensional-hungrige CGI-Bonies (die mit Skelett-Äußerem) in die Handlung integriert werden, um ja stets eine adrenalinfördernde Bedrohung für alle zu haben. Als wäre ein echter John Malkovich als hartgesottener Colonel-Papa von Julie nicht sowieso schon Bedrohung genug für das junge Glück! Dennoch kriegt der Film dank der Schauspieler und kleinen satirischen Randnoten noch die Kurve, wodurch "Warm Bodies" doch tatsächlich spaßiger anzuschauen ist als zuvor erwartet. Auch so kann man für etwas mehr Toleranz werben, selbst mit gutherzigen Zombies.
Trauernde Kommissare im Tatort sind offenbar schwer in Mode gekommen. Nach Lürsen und Eisner muss nun Falke mit einem persönlichen Schicksalsschlag umgehen. Sie alle eint, dass stets die Ermittlungsarbeit ruft und zeitweise für etwas Ablenkung sorgen kann. Bei Wotan Wilke Möhring bedeutet das: noch mehr knurrige Laune und gelegentliche Konfrontationen mit dem jeweiligen Gegenüber. Doch dies ist nur ein Teilaspekt von "Kaltstart", der sich thematisch mit den ganz großen Brocken der jüngsten Technologievergangenheit auseinandersetzt - passenderweise mit den menschenleeren Weiten des JadeWeserPorts in Wilhelmshaven untermauert (irgendwie absehbar, dass dieses wirtschaftliche Prestigeprojekt auch mal für die norddeutsche Tatort-Version herhalten musste). Das auffallend beiläufige Platzieren eines Snowden-Bilds in mancher Szene gibt gewissermaßen die Richtung vor. Nun ja, schließlich sind Falke und Lorenz auf der Ebene der Bundespolizei gelangt, wo eben größere Dinger als 'nur' ein kleiner Mord behandelt werden müssen. Ob das als Krimi funktioniert? Teilweise, da zwar die Handlung in außergewöhnlichere Bahnen als üblich läuft, was per se interessant ist, dies trotz wirklich guter Bilder eines Marvin Kren (der hat übrigens die Genreperle "Rammbock" gedreht) jedoch nicht immer stringent und auch spannend genug erscheint. Die große Auflösung der Geschichte hätte wahrscheinlich vor einigen Jahren noch wie eine aus einem schlechten B-Actionthriller entliehene Idee gewirkt. Heutzutage jedoch bleibt gewissermaßen ein paranoider Nachgeschmack kleben. Schlimm genug.
In der Welt des Italowesterns geht es bekanntlich rau und wenig zimperlich zu. Auch "Django - Ich will ihn tot" (mit dem üblichen Django-Marketingtrick, obwohl die Hauptfigur in Wirklichkeit sich Clayton nennt) fügt sich in seiner harten Tonart problemlos in die Reihe ein, wo bei allerlei handfester Konfrontation ein Sheriff fast nicht mehr von einem Bandenchef unterschieden werden kann. Zwar mögen in Paolo Bianchinis Streifen nicht die großen Namen vor und hinter Kamera im Vorspann erscheinen, das Ergebnis kann sich mit seinen handwerklich routinierten Genre-Ingredienzen dennoch sehen lassen. Was aber wie so oft ein Knackpunkt sein kann, sind die vorhandenen oder auch nicht vorhandenen Ideen des Drehbuch und die Fähigkeit der Darsteller. Ersteres ist in seiner Motivation Standardware, indem einerseits das Geld, andererseits wie immer Rache die wesentlichen Antriebsfedern für unseren Hauptdarsteller sind. Ein sehr netter Kniff ist jedoch das Verwursten der Handlung mit dem ausklingenden Bürgerkrieg. Hier darf Django, ähh, Clayton kurz mal Schicksal in der amerikanischen Geschichte spielen. Das mag in seiner Entwicklung ordentlich absurd erscheinen, macht das Ganze nichtsdestotrotz um einiges kurzweiliger und brenzliger. Womit ich mehr Schwierigkeiten hatte, ist die Figur selbst bzw. der Schauspieler Craig Hill. Zwar als Antiheld angelegt, wirkt er nicht wie ein Sympathieträger, sondern bleibt mit seinem kargen, wenig charismatischen Äußeres stets distanziert - selbst, wenn er sich für geschundene Damen einsetzt. Die völlig humorlose Umsetzung macht die Szenerie, bei der Brutalität an der Tagesordnung steht, keineswegs freundlicher. Umso rigoroser und wilder wird für eine bessere Zukunft die Faust oder der Colt eingesetzt. Das für einen Western dieser Art ungewöhnliche Finale, welches die rücksichtslose Gier des Einzelnen nochmals auf die Spitze bringt, rundet Bianchinis Film dann aber doch überraschend symbolisch ab. Kein uninteressanter Genrebeitrag.
Bisher ich habe bei der Beurteilung der Schweizer Kollegen eine kleine Portion an freundlicher Nachsicht walten lassen, doch bei "Zwischen zwei Welten" ist nun auch das aufgebraucht. Dass Flückiger und Ritschard mit ihren ganz eigenen Problemchen oft nicht die Harmonie in Perfektion sind, war ja schon genügend offenbart worden. Das pseudodramatische Hochjazzen einer Meinungsverschiedenheit im Zuge der Ermittlungen im Mordfall der Woche wirkt jedoch mehr als albern und ist schlimmer als die wie üblich schwierige Nachsynchronisation. Aufregender wird's dadurch auch nicht - was irgendwie tragisch ist, weil schon der Fall selbst äußerst wenig hergibt. Mehr als handwerklich ganz ansehnliche Ansätze in Optik und Szenerieauswahl gibt es nicht zu beobachten. Spirituelle Heilkunde trifft u.a. auf eine hasserfüllte Vätergruppe, das ist schon per se harter Tobak. Das war und ist nicht nur für die Kinder des Opfers zu viel, sondern auch für die unsere beiden Ermittler, die im Zuge dessen als letztes Mittel sich sogar (ernsthaft!) mittels Mediumismus behelfen müssen, um an das Ziel zu kommen. Man muss nicht mal ausgewiesener Skeptiker sein, um einen solchen Esoterik-Quatsch fragwürdig zu finden. So etwas dann in einem Tatort sehen zu müssen, lässt einen sehr üblen Nachgeschmack übrig.
Es ist doch immer wieder ein schönes Gefühl, wenn man Filme, die womöglich äußerlich wenig freundlich erscheinen mögen, es ganz einfach machen, sie in sein Herz zu schließen. "Hafen im Nebel" ist so ein gutes Beispiel, das nun schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hat. Die Kulisse, die Umstände oder die Gefühlswelt des Protagonisten kann in diesem Fall noch so betrüblich erscheinen, Regisseur Marcel Carné führt uns Zuseher sanft und ohne große Umschweife in das unbekannte Treiben des fahnenflüchtigen Soldaten Jean in purer Einsamkeit ein. Die unvorhersehbaren, kleinen Glücksmomente kommen jedoch peu à peu daher. Dies für sich zu entdecken und zu begreifen, erfordert schon etwas Überwindung und Mut - wenn eben der Anhalter auf der Straße überaus tolerant eingestellt ist, ein dahergelaufener Hund zum neuen Freund wird, die Bleibe für eine Nacht ganz willkommen erscheint oder aber eine schicksalhafte Begegnung mit einer jungen Dame ansteht. Trotz spontaner Zurückhaltung und gelegentlichem Frust öffnet Jean sich zusehends diesen Möglichkeiten, die das Leben manchmal auf ganz eigene Weise bereithält.
Gespielt wird dieser Soldat von einem tollen Jean Gabin, dessen Mimik allein schon meist aussagekräftig genug ist. Ansonsten hilft bei Bedarf natürlich seine doppelter Backpfeifen-Stil, um deutlich zu werden. Die von Carné erzählte Geschichte ist eigentlich sehr simpel, aber formal einfach wunderschön umgesetzt und völlig kitschfrei erzählt - wie man es bei einem Exemplar der französischen Realismuswelle aus den 30ern fast schon erwarten könnte. Die Dramatik steigt natürlich, je weiter sich Jeans netteren und widrigeren Bekanntschaften entwickeln. Von einem Ende dieser Art ist man dennoch ergriffen. Wenn ein Film das nach so einer langen Zeit immer noch ohne jede Einschränkungen schafft, dann hat er ganz, ganz viel richtig gemacht.
Zum nun schon 25. Mal geben sich Boerne und Thiel die Ehre, die populäre Juxabteilung der Tatort-Reihe wiederzugeben. Dafür schonmal Glückwunsch, wenngleich der Trend zuletzt nicht gerade nach oben gegangen ist - womit die sehr wechselhafte Qualität der Episoden gemeint sind und nicht die reine Quantität der GfK-Zuschauerzahlen. Glücklicherweise reißen sie passenderweise jetzt das Ruder herum und präsentieren mit Lars Kraumes "Der Hammer" mit die gelungenste Ausgabe der letzten Jahre. Zumindest ist diesmal nie das Gefühl da, es hätten sich womöglich Abnutzungserscheinungen im Zusammenspiel von Liefers und Prahl abgezeichnet und die Komik zwanghaft versucht, die fehlende Spannung zu kaschieren. Diese Folge hat sowohl in Sachen Absurdität (Ein selbsternannter Comicheld taucht auf! In Münster!!) und Ernsthaftigkeit (blutige Selbstjustiz als letztes Mittel gegen die heimische Verquickung von Wirtschaft und Politik) genügend zu bieten, was auch das Ermittlerduo zu einer unkonventionell-launigen Spurensuche von gewohnt haarsträubender Natur veranlasst. Das ist neben der guten Prise schwarzen Humors dann auch kurzweilig genug, um mit dieser Form einer Krimikomödie jederzeit seinen Freude zu haben und gelegentlich sogar mitzufiebern. Kleiner Makel am Rande: Hätten die Macher dann noch so manch prominenten Namen im Vorspann unerwähnt gelassen, wäre der pure Überraschungseffekt wahrscheinlich noch größer gewesen. Sei's drum. Wenn Münster dieses ermutigende Niveau halten kann, dann kann es mit den beiden ruhig noch einige Jährchen weitergehen.
Als jemand, der sich nicht gerade zu den Fans des Originals zählt, war die Konfrontation mit dem "Evil Dead"-Remake von eher unemotional-rationaler Art. Wobei alleine schon die Tatsache, dass man hier mit Fede Alvarez einen uruguayischen Regieneuling und nicht solch Horror-Remake-Spezialisten wie Nispel & Co. für das Projekt herangezogen hat, vergleichsweise sympathisch anmuten könnte. Immerhin konnte man ja, nachdem zuvor der spontane Aufschrei über die bloße Ankündigung nicht unerheblich war, sowieso nicht mehr sonderlich viel verlieren. Umso angenehmer überrascht war ich über das Ergebnis.
"Evil Dead" transferiert die Geschichte nicht plump 1:1 in die Gegenwart, sondern schlägt durchaus variantenreich die Brücke zum Original, an der man sich durchaus reiben kann. Die Umsetzung distanziert sich sichtlich vom modisch-gängigem CGI-Einsatz und setzt lieber tendenziell auf die gute alte Schule, ohne zugleich reines Retro-Kino abzubilden oder lediglich die Raimi-Regie zu kopieren. Alleine das ist lobenswert, visualisiert es den Horror in dieser beschränkten Szenerie doch sehr wirkungsvoll, was besonders im furiosen Finale kulminiert.
Im Drehbuch jedoch dürften sich die größten Schwächen des Films verstecken und am ehesten nach den üblichen Genrekonventionen verlaufen. Die Charaktere sind annehmbar gezeichnet (was in diesem Genre ja schon was heißt), ohne dass sich allerdings ein wirklicher Sympathieträger aufbaut. Zumindest bleibt man so ein neutraler, jedoch nicht unbedingt distanzierter Beobachter des Ganzen. Mit dem teuflischen Thema selbst wird weniger subtil gespielt, zugleich aber intensiv für die Spannungskurve benutzt. Und das mit vollem Einsatz, was das blutige Make-Up hergibt. Der Claim des Filmplakats mag zwar zu hoch gegriffen sein, ansonsten ist das - trotz wenig Vorliebe für die Splatter-Abteilung - richtig unterhaltsames Genrekino und zudem ein gelungenes Spielfilmdebüt.
Erster kleiner Ausrutscher nach unten bei einem Borowski-Tatort seit etwas längerem. Im Grunde handelt es sich bei "Borowski und das Meer" um durchschnittliche Krimikost, die zum einen fast lehrbuchhaft mal wieder ein wichtiges Thema - diesmal ist es der skrupellose Kampf um seltene Erden - in eine Geschichte presst, zum anderen mit einigen Genremittel versucht, einen möglichst wendungsreichen Plot zu inszenieren. Ersteres ist insoweit gelungen, dass das Sujet wahrscheinlich eh nicht gerade das naheliegendste für einen spannenden Krimi ist, wodurch sich die Motivation für Zweiteres gewissermaßen herleiten lässt. Speziell an der Frage des seltsamen Ablebens unseres Opfers hangelt sich diese Episode entlang, indem es den Zuschauer zwar ebenso wie die gewohnt unterhaltsamen Ermittler mit einem vermeintlich klassischen Whodunit-Fall konfrontiert, darüber hinaus allerdings unscheinbare Hinweise über den wirklichen Ablauf der Geschehnisse einstreut. Dies ist aus Drehbuchsicht ein kleiner Taschenspielertrick, den man, wenn man einigermaßen aufmerksam bei der Sache ist, durchschauen kann. Spätestens aber, als der Warum-auch-immer-Gastauftritt des Herrn Schätzing vorbei ist, bleibt ein kleines Geschmäckle bei dieser Episode dann doch zurück. Immerhin habe ich so auf Umwegen erfahren, wer mit seinem Buch ganz überraschend momentan die Nr. 1 im Bestseller-Ranking ist. Wenn das das Ziel war, dann hat's ja irgendwie doch funktioniert.
Haifilme könnten so langsam auch ein ureigenes Genre bilden, wenn man sich die Menge an solchen Produktionen ansieht. Als wäre die windige Asylum-Schmiede und seine findigen Varianten eines überzogenen Monsterangriffes aus dem Wasser schon nicht genug (wobei Letzteres bekanntermaßen nicht mal unbedingt gewährt sein muss, siehe "Sand Sharks" und Konsorten), gesellen sich hier und da noch weitere Vertreter dieses Sujets hinzu. Bei "Bait" ist es eine australische Ausgabe, die den Zuschauer mit trashig-angsteinflößender Haiaction sogar minimal ernsthafter als womöglich erwartet abspeisen will. So zumindest wirkt es an einigen Stellen, bei denen es mal etwas ruhiger zugeht und immerhin versucht wird, Charaktere eben Charaktere sein zu lassen und sie nicht 'nur' als lebendiges Fischfutter dienen zu lassen. Gleichwohl darf man hier nicht zuviel erwarten. Ein atmosphärischer Schwachpunkt bleibt die simple Prämisse selbst, nachdem sich die Szenerie nach einem Beginn mit grausigstem CGI-Überflutungen sich auf einen unterirdisch gelegenen Supermarkt (was sonst!) sowie angegliederten Parkhaus beschränkt. Für einen Film mit '3D' im Titel wirkt das schon auffallend reduziert. Ein paar memorable Genremomente sind im Verlauf sicherlich dabei, jedoch bleibt das Gefühl eines nicht gerade satisfaktionsfähigen Mischmaschs aus ernstzunehmenden Katastrophenfilm und selbstironischer Monster-Groteske. Das reicht zwar, um Kimble Rendals Hai-Version über vielen seiner meist unsäglichen Filmkollegen zu hieven, aber als alleinstehender Tierhorrorfilm bleibt durch seine zu wenigen Ideen dennoch ein mauer und überflüssiger Eindruck zurück.
Zuerst war ich etwas skeptisch, als die ersten Farbkleckser auf der Leinwand erschienen. Was soll das nur werden? Ist wahrscheinlich nicht unähnlich zu einem Autor beim Niederschreiben der ersten Satzfetzen. Doch das Ergebnis kann sich echt sehen lassen: Nicht nur die gemalten Bilder von Julia Benz mit allerlei Farbübergängen und kreativen Formen, sondern auch diese viertelstündige Doku selbst, deren beiden Macher parallel zum Inhalt auch gewissermaßen mit ihren eigenen Mitteln spielen. Zwar ist der musikalische Beginn eine kleine Strapaze für den Subwoofer gewesen, lässt sich ansonsten aber sehr, sehr angenehm anschauen. Ja doch, da steckt Talent drin.
Wer noch auf der Suche nach dem Video-Link ist: http://vimeo.com/30933524
"Tatort" muss offenbar nicht immer 'nur' Krimi sein - was nicht zuletzt die Tschiller-Episoden actionhaltig belegen. Die Kölner gehen nach Franziskas Abschied nun auch gewissermaßen an die Grenzen, womit nicht lediglich die betont akkurate Besetzung ihres Nachfolgers oder der fehlende Gang zur Würstchenbude gemeint ist. "Der Fall Reinhardt" wird vor allem durch das traurige Schicksal einer zerrütteten Familie in Erinnerung bleiben. Die Gesichter der beiden ausdrucksstarken Darsteller Susanne Wolff als eher aktiver und Ben Becker als eher passiver Part stehen dafür stellvertretend. Der Bereich Drama überflügelt die Krimi-Sparte in dieser Episode, wenn der gesellschaftliche Absturz in mehreren Facetten thematisiert werden. Die Tendenz resultiert aber auch daher, dass die Spannung bzw. Intensität weniger daraus resultiert, wer in klassischer Whodunit-Manier nun den tödlichen Hausbrand gegangen hat, sondern ob und wie sehr man als Zuschauer selbst das vermeintliche Unglaubliche in Erwägung ziehen würde. Sofern man sich darauf einlässt, sieht man den Machern womöglich auch die üblichen Nebelkerzen im Ermittlungsfortgang nach.
Vor der offiziellen Absetzung gedreht, nach jener gesendet: Zumindest hat "Frühstück für immer" keine weitere Negativwerbung für den noch gegenwärtigen Tatort aus Leipzig gemacht. Es ist sogar eine relativ solide Krimi-Episode geworden, die ganz gefällig nach dem routinierten Schema eines Whodunit-Plots verläuft. Kurze Vorschau auf das potentielle Opfer, der obligatorische Leichenfund, allerlei Tatverdächtige aufdringlicher Natur (die es natürlich dann nicht sind), eine groteske Wendung vor dem letzten Akt der Handlung und die vermeintlich überraschende Auflösung samt emotionaler Darstellung der Motive bilden die üblichen Bausteine in Claudia Gardes Film. Wer will, wird letzteres womöglich schon erheblich früher in ratefreudiger Erfahrung bringen, falls man es unbedingt darauf anlegt. Im Gedächtnis bleiben wird wahrscheinlich eher das übergeordnete Leidensthema des weiblichen Ü40-Lebens, womit der Fall an vielen Stellen kokettiert. Dass die Kamera bei den zahlreichen Schilderungen dabei auffallend oft direkt auf Thomallas Gesicht gerichtet ist, gehört dabei schon irgendwie zu den gemeinen Anekdoten dieser Folge. Wohl dem, der solch einen loyalen Kollegen wie Keppler an der Seite hat.
Puh, hätte ich mal auf meine Intuition gehört. Die Prämisse von "The Purge" besitzt zwar eine ordentliche Portion Schnapsidee-Charakter, wonach das Ganze eigentlich schon nach dem Introtext abschaltungswürdig gewesen wäre, aber zumindest könnte diese jährliche 'Säuberungsnacht' ja als rudimentärer Aufhänger für eine als Horrorstreifen verpackte Gesellschaftsstudie herhalten. Diese kleine Hoffnung wurde jedoch allzu schnell begraben. Schnell wird hier klar: jeglicher sozialanalytische Ansatz ist nur Mittel zum Zweck, um den Gewaltaspekt auch als Filmemacher vorbehaltlos auszuleben. Dass "The Purge" in seiner Umsetzung aber nicht mal als reines Genrewerk funktionieren will, ist allerdings bitter. Mögen die mit Hawke und Headey prominente Führungsriege an Darstellern und die nicht billige Optik anfangs noch etwas Eindruck schinden, so weit bleibt James DeMonacos Drehbuch mit seinen wenig originellen Verwicklungen aus der vergessenen Schublade an Klischees üblicher Home-Invasion-Streifen zurück, bei denen in Folge dessen auch die Figuren wie wenig empathische Schablonen wirken. Nach allerlei drögen Hausszenen war das Ende dann auf seine Art wie eine kleine Erlösung. Immerhin: Nicht jeder Regisseur bekommt die Chance, es mit Teil Zwo deutlich besser zu machen. Man sollte es mir aber nachsehen, dass ich meine gewissen Zweifel habe.
The Show must go on: Nachdem "Willkommen in Hamburg" vor einem Jahr schon die etwaige Tonlage festgelegt hatte, war bei gleicher Besetzung nicht ernsthaft zu erwarten, dass es nun ungleich subtiler vonstatten gehen würde. Beispiele gefällig? "Fuck" ist nicht mehr lediglich das erste ausgesprochene Wort wie in der Premierenfolge, sondern jetzt anfangs der konsequente Einsatzbefehl für Kommissar Tschiller und der Frau Staatsanwältin; Tatort Bett sozusagen, nachdem das Schäferstündchen keinohrhasenesk auffliegen muss. Genauso andrenalinbehaftet geht's danach weiter, wenn die Fahrt mit der Ex-Frau ansteht und - natürlich - man sich einer hörbar tickenden Zeitbombe gegenübersieht. Mit der Unterwelt der Hansestadt ist offenbar nicht zu spaßen - speziell, wenn man mit solcher Hingabe in das Milieu zweier Clans und ihren Geschäften hineintappt. In einem ziemlich hastigen Tempo läuft man als Zuseher mit Til Schweiger und Fahri Yardim (endlich ohne Beinverletzung, aber zugleich leider mit etwas weniger Witz) durch diese dramaturgisch holprige Geschichte, wobei mittels Alvarts Regie jederzeit für akkuraten Glanz gesorgt werden soll. Der Inhalt selbst bleibt, speziell wenn man den zuletzt sehenswerten Bremer Tatort mit ähnlicher Clan-Thematik im Hinterkopf hat, reichlich oberflächlich. Der genremäßige Schwenk ins Actionfach ist so groß wie nachhaltig - und wird jeden puristischen Krimifan weiterhin vor den Kopf stoßen, nur dass es diesmal halb so originell erschien. Ich war derweil meistens mit der Bodycount-Strichliste beschäftigt. Kurioserweise bin ich nicht ganz auf die pressewirksame Rekordmarke von 19 gekommen...
Würde ich spontan eine Ermittler-Hitliste aufstellen müssen, käme ich nicht umhin, die Bibi und den Moritz mittlerweile an die oberste Stelle zu setzen. Immer wieder herrlich, ihrem stets sehr lebhaftem und teilweise auch grantigem Zusammenspiel einer großen Portion Wortwitz teilhaben zu dürfen, ohne große Kompromisse für das nichtösterreichische Publikum machen zu wollen. Wenn dann auch noch eine spannende Geschichte hinzukommt, dann kann nur ganz wenig schiefgehen. Ein durchgehend unterhaltsamer Krimi, der das verkrustete und abgründige Innenleben des Polizeiapparats anhand eines vermeintlichen Unfalls zum Vorschein bringt und besonders Eisner vor einige Hürden stellt. Dass man das Komische an diesem verzwickten Beweismittel-Dschungel im andauernden Schneegestöber nicht ganz hintenan stellt, macht die Sache dann erst richtig rund. Da kann man es auch den Autoren locker nachsehen, wenn sie sich (wahrscheinlich zufällig) einem ähnlichen Kniff zum entscheidenden Lösungsschritt wie im jüngsten Borowski-Tatort bedienen. Anschauungsmaterial für so manche gelangweilte TV-Kollegen, wie ein guter Krimi auszusehen hat, ist es so oder so.
Leider hat "Fast & Furious 6" nicht diesen Impact, der den vorigen Teil noch so überraschend unterhaltsam gemacht hat. Der Mix aus Humor, zwischenmenschlicher Chemie und zunehmender Rasanz in seinen Autostuntszenen mag zwar diesmal ebenso ersichtlich sein, hapert in seiner konkreten Umsetzung jedoch mehr als erwartet. Dass die Handlung eines solchen Films zumeist maßgeblich für die Präsentation langer Actionsequenzen gestrickt sind, ist ja kein Geheimnis, doch hier fehlt einfach der unvergessliche Kniff wie das irrwitzig-grandiose Finale von "Fast & Furious Five", da helfen diesmal auch keine menschlichen Rekordversuche im Springen von Fahrzeug zu Fahrzeug. Außerdem gibt's zu viele Szenen mit dem eher unscheinbaren Luke Evans als jenen entscheidenden Bösewicht, dagegen deutlich zu wenige Einspieler mit dem großen Dwayne Johnson als Agent Hobbs. Das Resultat: Obwohl beide Sequels im Vergleich fast auf die Minute gleich lang sind, gab es diesmal unübersehbare Längen, die den Spaß dann doch mindern. Entweder war es zuvor lediglich ein Glücksfall, dass die genrespezifischen Ingredienzen genau zusammengepasst haben oder es gilt dann doch die altbekannte Kinoregel à la "Star Trek" (nur umgekehrt), dass die ungeraden F&F-Filme offenbar die Besseren sind. Zumindest lässt der Cliffhanger mit einem weiteren actionerprobten Promi-Glatzkopf etwas mehr auf einen guten Teil 7 hoffen.
Der qualitative Aufwärtstrend der Bremer Tatort-Ausgabe aus dem vergangenen Jahr bleibt bestehen. Das liegt nicht nur daran, dass zumindest in diesem Fall die persönlichen Angelegenheiten der Kommissare zugunsten der Krimi-Handlung auf, naja, fast Null zurückgefahren werden, sondern u.a. auch an der erneuten Regiebesetzung durch Florian Baxmeyer, der sichtlich für gehobene TV-Inszenierungen sorgen kann. "Brüder" ist zwar ziemlich auf schwarz-weiß getrimmt, was die Verteilungen angeht. Dar Salim als wirkungsvoll gespielter Ober-Antagonist Hassan erfüllt in seinen charakterlichen Zügen und den familiären Strukturen hier sicherlich so manches Immigrantenklischee (siehe Nebenfiguren). Umso schmerzlicher und wirkungsvoller ist jedoch, wie weit doch Baxmeyer mit dieser charismatisch-einschüchternden Figur geht - und dabei so einiges an gängiger P.C. über Bord schmeißt. Gerade weil der Fall mit den Positionen von Gericht, Mordkommission und Streifenpolizei breiter als sonst aufgestellt wird, werden an mehreren Ebenen die aufkommenden Widerstände und Probleme spannend behandelt. Die Figur des rigoros gemobbten Polizisten besitzt an zweiter Front ebenso Brisanz, wenngleich manches doch überreizt erscheint. In der Rezeption womöglich kein ungefährlicher Krimi durch seine Thematik, aber vielleicht deshalb auch so interessant in seiner ganzen Aufmachung. Böses Bremen.
Außer vielleicht der Erkenntnis, dass das hiesige Tatort-Duo aus Ludwigshafen ebenso die Zeit überdauert hat wie das altehrwürdige Zirkusleben, bleibt wenig übrig bei der nunmehr 900. Folge der weiterhin megaerfolgreichen Krimi-Reihe. Dass überhaupt dieses völlige Randthema nach der Tukur-Episode im letzten Dezember erneut den zentralen Handlungsort darstellt, ist planungstechnisch ziemlich suboptimal gelegt. Dort hat sich schon gezeigt, dass der nicht unwichtige Aspekt der Spannung wenig Chancen besitzt und auch der gesellschaftskritische Ansatz des Zirkus-Milieus schnell klar umfasst ist. War es da jedoch noch ein Tukur mit seinen künstlerischen Sperenzchen, die den Zuschauer bei Laune gehalten hat, bleibt diesmal lediglich die gewohnt gestelzten Ermittlungsdialoge zwischen Odenthal und Kopper und eine völlig belanglose Kriminalhandlung. Da helfen auch die Schauspielleistungen in den Nebenrollen nicht darüber hinweg. Ludwigshafen bleibt bei Normalform wie so oft ein Tatort zum Abgewöhnen.
Ach ja, die 80er. Filmisch gesehen wahrscheinlich das Jahrzehnt mit den meisten Guilty Pleasures, welche man trotz ihrer kleinen Makel aus diversen Gründen einfach wertschätzen möchte - speziell im komödiantischen Bereich. Den Streifen "Die Mafiosi-Braut" von keinem Geringeren als Jonathan Demme könnte man dazuzählen, dessen abenteuerliche Geschichte über eine Mafia-Witwe in neuer Lebensfindungsphase sicherlich kein Klischee des Gangstermilieus auslässt. Was jedoch keineswegs stört oder von Nachteil ist, da die Umsetzung auch dadurch ausgesprochen kurzweilig und pointiert geraten ist. Eine sehr, sehr ansehnliche Michelle Pfeiffer füllt diesen Film charmant mit Leben und es macht nebenbei auf seltsame Art und Weise viel Freude, in fast jeder neuen Szene mit den schönsten Modesünden, mit der gewagtesten Dauerwelle oder den schillerndsten Ohrring-Mutationen konfrontiert zu werden. Fast könnte man meinen, Demme hätte all diese Kleinigkeiten bewusst für die Nachwelt festgehalten. Doch es funktioniert tadellos, sodass man schnell die Atmosphäre dieser Zeit spüren kann. Dies steht auch im Einklang mit der komödiantisch aufgezogenen Krimihandlung, die so altbewährte Namen wie Matthew Modine, Dean Stockwell, Alec Baldwin oder auch den immer gern gesehenen Oliver Platt bereit hält. Und spätestens, wenn eine impulsive Figur wie Connie (Mercedes Ruehl) ihre imaginären Ehe-Fesseln löst, ist die knallbunte Action-Gaudi wahrlich garantiert.
Nachdem Tatort Berlin zuletzt durchaus mutige und unkonventionelle Genre-Pfade betreten hatte, kehrt "Großer schwarzer Vogel" in altgewohnte Sphären zurück. Leider verheißt das oft nichts Gutes, denn damit schlendert man als Zuschauer mal wieder durch ein betont wirres Geflecht an Verdächtigungen, das zwar in seiner Ausgangslage - diesmal ein versuchter Anschlag auf einen Radioseelsorger, bei dem ein Kind zu Tode kommt - sich zuerst ziemlich interessant anhört, diese Erwartungen aber nicht erfüllt werden. Darum wird dieser Krimi auch lediglich als vermeintlicher 'Domian-Tatort' in die Annalen dieser Reihe eingehen. Seelenstriptease und Depri-Stimmungen wird es zwar reichlich geben, aber in einem völlig anderen Kontext, als man vielleicht erwartet. Viele thematisch dankbare Ablenkungsmanöver werden vollführt (Lebensratschläge per Radio sind nicht immer ungefährlich), bevor sich der Fokus zügig auf die Vergangenheit der einzelnen Charaktere und im Zuge dessen auch auf einen anderen 'Unfall' von vor fünf Jahren richtet.
Ein Fall im Fall sozusagen, wodurch der Tod des Jungen völlig in den Hintergrund gerät. Für die Ermittler und womöglich auch für den Zuschauer sitzt lediglich die zurückgebliebene Mutter eisern auf einer Bank im Polizeirevier, um als personifizierte Mahnung zu dienen. All die Verschachtelungen und Symboliken machen den Tatort jedoch keineswegs aufregender oder cleverer, sondern im Nachhinein eher unglaubwürdiger, wenn man sich die Figuren in der Jetzt-Zeit betrachtet. Als passabler Whodunit-Fall taugt er auch nur bedingt, da er sich ein, zwei Kniffe herausnimmt, die schon sehr weit hergeholt sind. Dennoch wirkt die Auflösung erstaunlich überraschungsfrei. Die Geschichte mit ihren Charakteren hätte bei mir höchstwahrscheinlich mehr Chancen gehabt, wenn sie ohne das Krimi-Korsett des Tatorts als reines Drama aufgezogen worden wäre. Dass "Großer schwarzer Vogel" zugleich unabsichtlich die Abschiedsfolge mit Dominic Raacke alias Till Ritter darstellt, ist schade, aber verschmerzbar, wenn man noch seine Problemchen im Ohr hat.
Oft gewünscht, selten erreicht: Filme mit entsprechender Nachwirkung. Welche, bei denen nach dem Abspann man nicht sofort gedanklich sich anderen Baustellen zuwendet. Die sogar noch nach Tagen Erinnerungen nach der einen Szene, nach der einen Einstellung aufkommen. Leider ist dies alles zum einen höchst individuell, zum anderen stets unerwartet. Bei Michelangelo Antonioni und seinem Werk "Die rote Wüste" hätte ich diese Konsequenzen zumindest nicht unbedingt erwartet. Die ersten seltsamen Bilder einer Industrieanlage erscheinen fernab jeglicher handwerklicher Ästhetik des Regisseurs fast unangenehm. Ebenso das Schicksal der jungen Giuliana mit ihrem Kind, die anfangs fast hilflos durch die Szenerie schlendern. Was schnell klar wird, ist, dass man hier keinen herkömmlichen Unterhaltungsfilm erwarten darf.
Viel eher erscheint "Die rote Wüste" wie ein psychologisches Abenteuer, das man zwangsläufig mit Giuliana durchlebt. Nicht zuletzt die andauernde Kamerapräsenz von Mimik und Gestik sowie die sehr langsam fortschreitende Handlung provozieren diese innerseelischen Momente. Thematisch behandelt der Film sichtlich die Konformität eines Lebenskonzept, aus der man nur schwer ausbrechen kann. Scheinbar hat Giuliana ein geordnetes Familienleben mit Mann, Kind und großer Wohnung. Einige Szenen zeigen die oberflächliche Harmonie, doch zugleich ist die Melancholie, die Ziellosigkeit und die sich verstärkende Angst vor jeglicher Bindung stets spürbar. Die Äffäre zum Arbeitskollegen des Ehegatten ist ein mit vornherein zum Scheitern verurteilendes Liebes-Intermezzo, das die aufkeimende Rebellion sogleich abschwächt. Diese grundsätzliche Kritik an einem Gesellschaftsbild wird zwar in diesem Fall mit Antonionis bunt-symbolischer Inszenierung auf das Industriezeitalter der 60er Jahre gemünzt, lässt sich jedoch auch noch auf die heutigen Begebenheiten übertragen.
Völlig zeitlos hingegen ist das brillante Spiel von Monica Vitti als Giuliana, die den langen Szenen in dieser sonst so grauen Atmosphäre entscheidend für Intensität und Spannung sorgt. Dafür muss sie kurioserweise weniger handeln, als man vielleicht erwarten würde. Dieses im guten Sinne leicht einlullende Momentum - speziell gegen Ende des Films wegen einer ganz bestimmten Szene - führt dann schließlich zu einer diffusen Gefühlslage meinerseits. Ein sehr faszinierendes Stück Film, dessen Wert mir erst viele Stunden nach der Sichtung so richtig klar wurde.
Der in Krimigewand gekleidete Fortsetzungsroman aus Dortmund findet seine gebührende Fortsetzung. Dass ein quasi gleichberechtigtes Vierergespann einen Balanceakt für die Macher darstellen würde, war schon in Folge eins ersichtlich. Dies in jeweils persönliche Handlungspfade zu kleiden, ist natürlich ein verständlicher Weg, um einem die unterschiedlichen Charaktere näher zu bringen. Was jedoch hervorsticht, ist mehr denn je die ziemlich episodenübergreifende Erzählweise, die für die Tatort-Reihe in der ausgebreiteten Form ungewohnt ist. Wer also über die Beziehungsschwierigkeiten, Callboy-Erfahrung oder Trauerverarbeitungen dieser Gruppe zuvor wenig oder gar nichts mitbekommen hat, wird mit den Begebenheiten von Dror Zahavis "Auf ewig Dein" seine kleinen Schwierigkeiten haben. Das ist deshalb erwähnenswert, weil bekanntermaßen zwischen zwei Folgen einige Monate verstreichen können. Wer hier ein gutes Seriengedächtnis hat, ist klar im Vorteil.
Und vielleicht auch von Nöten, weil (bekanntermaßen) persönliche Verflechtungen plötzlich auch Thema in einem Kriminalfall werden können. Das diesmalige Thema Kindesmissbrauch ist nicht sonderlich neu im Genrespektrum, bekommt durch die angedeuteten Verbindungen allerdings eine ganz eigene Dramaturgie. Das kann man als effekthascherisches Mittel zum Zweck verstehen, weil das Thema selbst bis auf einige Bilder der Opfer zumeist eher akademischer Natur bleibt. Erst durch die Person Faber dämmert uns langsam die Intention dieses Falles. Bei der Zuspitzung bedient man sich zwar, ob wissentlich oder nicht, an anderen berühmten Serienvorbildern, was das Finale aber nicht weniger spannend macht. Speziell Jörg Hartmann, der als Faber-Darsteller immer präziser die Grenzen dieser Figur auslotet, und einem diabolischen Florian Bartholomäi ist zu verdanken, dass die verquere Auflösung ihre Wirkung nicht verfehlt. Gleichzeitig stellt dieses auch nach nun vier Episoden einen vorläufigen Endpunkt einer zuvor aufgewühlten Entwicklung dar, womit die Zukunft des Ermittlerteams und damit die erzählerische Richtung weiterer Dortmunder Tatorte ziemlich interessant werden dürfte.
Wer heute abend noch etwas Programm vor dem Super Bowl braucht: "Durch die Nacht mit..." ist mit einer neuen Folge am Start.
-> Günter Wallraff & Daniel Domscheit-Berg sind dabei
-> arte, 23:30 Uhr - 0:25 Uhr
-> http://www.arte.tv/guide/de/048860-011/durch-die-nacht-mit
Während heute das Krimi-Genre mit all seinen Auswüchsen in Deutschland scheinbar alles überstrahlt, führt das benachbarte Thriller-Genre in originärer Form leider ein eher trauriges Dasein. Dabei gibt es vereinzelt etwas zu entdecken, auch wenn man wie bei "Abwärts" 30 Jahre in die Vergangenheit zurückgehen muss. Hier zeigt sich, dass man gar nicht mal so viel braucht, um einen reinen Spannungsfilm zu inszenieren: Vier Personen in einem defekten Fahrstuhl und ein nicht ganz aufmerksamer Pförtner im chilligen Wochenenddienst. Dass die Harmonie dieser zufälligen Gruppierung da nicht ewig halten würde, versteht sich von selbst. Der unnachahmliche Götz George spielt das reizbare Alpha-Tier, Renée Soutendijk sein untreues Anhängsel, Hannes Jaenicke mit nur 24 Jahren in seinem Debütfilm den obercoolen und rebellischen Schlaks und Wolfgang Kieling den auffällig unauffälligen Büroherrn im gehobenen Dienstalter. Wie diese Konstellation sich der schwierigen Lage behilft, ist allerdings keineswegs vorhersehbar, da bei jeder Figur langsam eine zuvor unerkannte Seite ihres Charakters zum Vorschein tritt. Wie treffsicher dies ob der extremen Situation porträtiert ist, muss jeder selbst beurteilen. Dem Fortgang der Geschichte hilft es natürlich. Die Situation nutzt Regisseur Carl Schenkel darüber hinaus jedoch für einen wahren Drahtseilakt im Fahrstuhlsystem. Schweiß, Blut und quietschendes Metall sind willkommene Bestandteile für virtuose Actionszenen, die nichts an Intensität verloren haben - ebenso wenig das dramaturgisch clevere Finale, das dem Zuschauer auf zweierlei Weise nochmal einen richtig mitgibt. Klasse Film, der meine Synapsen für dieses Genre wunderbar trifft.
Unabhängig davon, ob Spoiler nun prinzipiell gut oder schlecht sind in einer Kritik: Dass die Hysterie gefühlt stärker geworden ist, liegt in meiner Beobachtung daran, dass die streng fortlaufende Erzählweise bei Filmreihen und Drama-Serien deutlich an Gewichtung gewonnen hat. Wenn ich wie Lawrence schon min. zwei Staffeln von "Homeland" hinter mir habe, weiß ich eben genau, wie die Figurenkonstellation, der Erzählstil oder die aufgegriffenen Handlungspfade einzuordnen sind. Ähnlich verhält sich mit den unzähligen Sequels/Prequels/Spinoffs etc. im Filmbusiness. Sobald ich also selbst dem Kontext des rezipierten Inhalts bewusst bin, ist jedes vermeintliche Geheimnis bei jedem neuen Teil womöglich zuviel, welches ich irgendwo aufschnappe. Bei völlig eigenständigen Werken ist diese automatische Einordnung vorab meist noch nicht gegeben und man bleibt viel weniger empfindlich für etwaige Spoiler in einer Kritik - sofern man sie als solche beim Lesen überhaupt erkennt, wenn sie eben mal nicht mit dicken Lettern vorab gekennzeichnet wurden.