filmschauer - Kommentare

Alle Kommentare von filmschauer

  • 7 .5

    "Another Earth" ist ein schönes Beispiel, wie man mit sehr begrenzten Mitteln viel erreichen kann: Was nicht unmittelbar dargestellt werden kann, wird idealerweise im Kopf des Zuschauers weitergesponnen. Der offensiv vorgetragene SciFi-Aspekt einer zweiten Erde in plötzlicher Sichtweite lässt anfangs vielleicht einen etwas anderen Film erwarten. Der Weg allerdings, den Regisseur Mike Cahill einschlägt, ist nicht minder interessant. Denn eigentlich erleben wir hier ein sehr einfühlsames Drama, welches teilweise universell die Frage von Schuld und verzweifelter Wiedergutmachung behandelt. Dass diese Geschichte sich an mehreren Stellen mit der Alternative am Himmel, die sich jeden Tag wie ein ständiger Beobachter erweisen sollte, überhaupt befasst, ist vielleicht auch mehr die psychologische Bebilderung von dem, was rund um die Hauptfigur Rhoda und deren Gefühlswelt fortan passiert: die Aus- und Erlösung zugleich oder auch die stetige, vielleicht unerreichbare Vision eines besseren Lebens. Natürlich ist die Situation eines plötzlich erscheinenden Spiegel-Planeten im Grunde absurd (vom wissenschaftlichen Standpunkt will ich gar nicht erst sprechen); genauso wie mancher fast schicksalhafte Zufall, welcher die Handlung in diese oder jene Richtung lenkt. Doch ist dies alles wunderbar vernachlässigbar, weil der Film auch so erstaunlich homogen funktioniert für das, was er transportieren möchte und alles weitere nicht unbedingt deutlicher fokussiert, als es nötig ist. Speziell der mir zuvor unbekannten Brit Marling in der Rolle der Rhoda muss ein dickes Lob ausgesprochen werden, da ihre zerbrechliche Erscheinung und der Verzicht auf mögliche Charakter-Klischees von vergleichbaren Indie-Produktionen den Film schnell einzigartig machen, abgesehen von den sonstigen besonderen Umständen. Eine sinnliche, melancholische und doch die meiste Zeit ganz irdische Odyssee, die man gerne begleitet hat.

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    • 5

      Manche Filmlücken müssen nicht unbedingt gestopft werden, auch wenn es sich um einen erst 12 Jahre alten Actionthriller mit dem großen Robert de Niro in einer der Hauptrollen handelt. Tatsächlich ist "15 Minuten Ruhm" die ganzen Jahre an mir spurlos vorbeigelaufen, obgleich der Titel samt seines Inhaltes selbst eigentlich nach grenzenloser Aufmerksamkeit gieren sollte. Dies mit einer leicht erkennbaren Medienkritik zu schmücken, wenn das ausländische Gangsterduo in stetiger Begleitschaft einer Videokamera und zweier Polizisten New York City in der Prä-9/11-Phase unsicher machen, ist jedoch nur auf dem Papier eine nachdenkenswerte Eigenschaft. Denn der Film bettet dieses nur sehr rudimentär in die Handlung ein, die im Verlauf äußerst gewalttätige Züge annimmt, einer genaueren Charakterisierung der Antagonisten aber schuldig bleibt und somit das übergeordnete Thema, worin John Herzfelds Film sicherlich keine Pionierarbeit leistet, sich schnell abschwächt in der Wahrnehmung. Zugegebenermaßen geschieht dieser Blick auf die Medien zwangsläufig aus der Perspektive des heutigen Internet-Zeitalters, die die Grenzen nochmals erheblich verschoben hat.

      Viel eher bleibt der 'mutige' Schwenk zur Mitte der Geschichte aus anderen, offensichtlicheren Gründen in Erinnerung, der - ohne den genaueren Inhalt vorweg nehmen zu wollen - so etwas wie eine kleine Zäsur des kompletten Films darstellt. Dabei gerät die zuerst noch schwunghafte Erzählweise mit ironischen Spitzen (u.a. nimmt de Niro nochmal Bezug auf eine legendäre "Taxi Driver"-Szene Bezug) zusehends ins Stocken, was die späteren Überraschungsmomente des Plots als solche erkennen lässt und in einem äußerst unmotivierenden Finale endet. Es bleibt in der Endabrechnung ein zwar routiniert umgesetzter, aber leider zu oberflächlicher Genre-Reißer zurück, von deren Sorte es in der Jahrtausend-Wende einige gab und in der Rückschau fast nicht auseinanderzuhalten sind, allen löblichen Ambitionen zum Trotz. Nichts wirklich Ruhmreiches verpasst also in all den Jahren.

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      • 7 .5
        über Ekel

        Wenn Frauen hassen: Polanskis eigenwilliges Frühwerk "Ekel" über den introvertierten Zerfall eines Individiums hält nicht weniger, als es womöglich bei distanzierter Beobachtung verspricht. Distanziert zu sein fällt jedoch schwer, wenn man die zunehmend trostlose Präsenz der jungen Carole hautnah begleitet. Wohnung, Straßengang, Arbeit, Straßengang, Wohnung - so das wiederholte Muster, das nur eine brüchige Fassade eines Alltags bildet. Viel mehr sieht die Protagonistin und sehen wir als Zuseher nicht. Das 'Warum' bleibt zunächst schleierhaft, das 'Wie' wirkt umso eindrucksvoller. Die schwarz-weißen Bilder im London der 60er Jahre ohne jeglichen Glamour, die eingängige Kameraführung (anbei: RIP Gilbert Taylor!), welche Catherine Deneuves zartes Gesicht, obwohl sonst jegliche körperliche Annäherung abweisend, quasi berühren möchte, ziehen einen langsam, aber konsequent in die bösen Fänge des seelischen Abgrunds mit hinein. Anziehung und Abstoßung könnten dabei fast nicht näher zusammenliegen. Visualisiert wird der Zustand mit einigen Symboliken, die manchmal schon fast zu deutlich sind, um die jeweilige Situation zu umschreiben, aber die verwegene Faszination am Untergang nicht abschwächen und ganz im Sinne des düsteren Horrors für kleine Spannungsspitzen sorgen. Ein sehr merkwürdiger Streifen, den man aufgrund seiner monoton bedrückenden Atmosphäre gewissermaßen durchstehen muss und an einigen Szenen anecken wird, aber einen nach einem ziemlich entlarvenden Ende für viele Beteiligte dann doch noch ein paar Tage mehr beschäftigen könnte. Im Grunde ein Zeichen für einen guten Film, oder?

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        • 6

          Guckguck, wieder da! Na ja, fast. Denn so ganz scheint die obligatorische Sommerpause des sonntäglichen Krimiguckens ohne Frischware eigentlich noch nicht beendet, wenn man auf die nächsten zwei Wochen mit erneuter Tatort-Abstinenz vorausblickt. Aber immerhin gibt es einen kleinen Weckruf aus der Schweiz, der sozusagen die neue Saison einleitet. Fluch und Segen zugleich, da man ohne den wöchentlichen Krimi-Rhythmus ganz unbedarft an die Sache herangehen kann, wenngleich die Fälle mit Flückiger und Ritschard nicht gerade für spontane Schweißausbrüche vor Spannung sorgen konnten. Doch "Geburtstagskind" ist gar nicht mal so schlecht, wenngleich rein krimitechnisch mancher Plotstrang gewisse Pfade der Verdächtigungen provoziert (und zumeist auch bestätigt). Aber manchmal kommt es auf das "wie" an, was in dieser Episode schlussendlich am meisten Würze verleiht. Speziell durch die tiefergehenden Einblicke in die Seelen der unmittelbar Beteiligten rund um den Teenager-Mord gewinnt dieser Tatort einiges, wofür auch die ansehnliche Leistung einiger Nebendarsteller sorgen kann. Andererseits ist die diffizile Ermittlungsarbeit von Bedeutung, bei der es offenbar schwer fällt, Vorurteile und Sympathien aus der möglichst rationalen Spurensuche außen vor zu halten. Flückiger und Ritschard bilden hier zwar offensiv, aber nicht zu aufdringlich einen kleinen, für die Spannung ganz fruchtbaren Konflikt miteinander. Zusammen mit einigen nebelverhangenen Atmo-Ingredienzen und ganz kleinen Frotzeleien (bspw. die Sache mit den Liebhaber-LPs) gibt der neueste SF-Tatort eine ganz ordentliche Figur ab, wodurch man bei dem Ganzen fast vergessen kann, dass immer noch auf die missliebige Hochdeutsch-Übersetzung zurückgegriffen wird.

          4
          • 7

            Schon die erste Szene, eine nebulöse Abfolge (optisch wie thematisch) in den Räumen einer Polizeistation mit Schreien und Wutausbrüchen, lässt schnell erahnen, dass man es in Sidney Lumets "Sein Leben in meiner Gewalt" nicht unbedingt mit einem stinknormalen Thriller der 70er Jahre inklusive einem ehrenhaften Sean Connery als Schauspielstar zu tun hat. Jedoch lassen die darauffolgenden Minuten mit dem Fall mehrerer Kindesentführungen und -vergewaltigungen eine dem Genre entsprechend normale Kriminalhandlung folgen, wenn auch in gewohnt nüchternder Bildsprache. Erst später könnte man erahnen, dass sich die Macher um Lumet und Autor John Hopkins einem Theaterstück bedienen würden. Nicht nur, dass sich die Handlung räumlich immer mehr auf die geschundene Psyche der Connery-Figur Sergeant Johnson konzentriert, auch die zeitlich verschachtelte Erzählweise (womit die Einführungsszene ihren Ursprung bekommt) macht den Film speziell und herausfordernd. Auf den ersten Moment mögen diese Stilmittel willkürlich sein, doch eröffnen sie auch die Möglichkeit, besser an Johnsons zerrüttertem Innenleben teilzuhaben, mindestens während dieser teilweise sehr intensiven Filmminuten mit ausufernden Dialog-Duellen, wo Täter- und Opferposition sich irgendwann aufzulösen drohen. Dafür sorgt auch die impulsive Performance von Connery, der jeglichen glitzernden 007-Charme wissentlich abzustreifen versucht und an dessen Verhalten ohne wirklichem Sympathie-Potential man sich regelrecht reiben muss. Nicht zuletzt findet sich das in der zweiten Hälfte des Films wieder, wo die Geschichte quasi zum absoluten Stillstand kommt - ohne erkennbaren Ausweg. Somit mag das Ende unbefriedigend sein, doch ist Lumet in dieser Situation mit seinem gewählten Konzept eigentlich nur konsequent. Obwohl "Sein Leben in meiner Gewalt" etwas hinter den Lumet-Klassikern zurücksteht und auch sonst nur äußerst wenig mit herkömmlichem Krimi-Vergnügen zu tun hat, das man in diesem Genre zumeist findet, so bleibt mit etwas Abstand doch ein sehenswertes Werk zurück.

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            • 7 .5

              Als filmischer Seelenverwandter von Guillem Morales' wunderbar-mysteriösen "The Uncertain Guest" spinnt Jaume Balagueró mit "Sleep Tight" eine weitere, noch offenkundigere Abhandlung über die fragwürdigen Mechanismen eines stillen Mitbewohners in den eigenen vier Wänden. Präsentiert wird eine perfide Überwachung der noch analogen Art, um eine fremde Privatsphäre zu okkupieren, die zweifelsohne, das bekommt man im Film ausführlichst zu sehen, einer ausgeklügelten Planung bedarf. Hausmeister César und Hausbewohnerin Clara pflegen somit ein doppeltes, fast schon harmonisch funktionierendes Beziehungskonstrukt: die oberflächliche, funktionale Kontaktpflege einerseits, die einseitig intime dunkle Zusammenkunft andererseits. Die Ursachen für Césars Verhalten erscheinen trotz seiner Erklärungen wenig greifbar, eher grotesk, doch anhand der ständigen Beobachtung seiner manipulierenden Handlungen bleibt man als Zuschauer dann doch wie ein Komplize am Geschehen dran. Es ist ein Spiel, was bei Start dieses Films eingegangen wird, und man ist trotz allem ganz einfach gespannt, wie dieser César sich aus dieser oder jener verzwickten Lage befreien kann. Das Zentrum des Interesses wird folglich zum bösen Täter gelenkt, weniger zum etwas zu leichtgläubigen Opfer. Auch ein Verdienst von Darsteller Luis Tosar, der mittels seine markanten Mimik alleine schon das wechselhafte Stimmungsbild gemäß des ja entscheidenden Tag-Nacht-Rhythmus prägen kann. Spätestens beim Finale wird vielleicht erst so richtig klar, welch beunruhigende Tragweite Césars Aktionen haben - und man hat einfach dabei zugesehen. Spanien bleibt zurecht die erste Adresse für düstere Psychospielchen im Thrillergewand.

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              • Diese Thementage sind eine gute Sache, freue mich schon auf die Lektüre morgen! Mehr Aufmerksamkeit hätte der Western immer verdient, speziell abseits des allbekannten Genre-Kanons.

                Gespannt bin insbesondere auch auf Jennys Ausführungen, nachdem sie ihr Credo schon vor einiger Zeit mal erläutert hatte: http://www.moviepilot.de/news/der-western-tot-lebendig-oder-nur-ein-zombie-111984 :P

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                • 9

                  Wie brüchig manchmal das soziale Geflecht eines jeden sein kann, vermittelt Thomas Vinterberg in "Die Jagd" auf äußerst drastische Weise - und legt zugleich den Finger in die Wunde bei der emotionalen Aufarbeitung, wie es nur sehr wenige können. Ein leiser Verdacht der möglichen Pädophilie steht dort im Raum, dessen Ursprung, sofern man nur das Gezeigte deutet, einen lächerlichen Ursprung besitzt. Doch sobald diese Möglichkeit durch eine Aneinanderreihung nebulöser Wortfetzen der kleinen Klara mal ausgesprochen ist, setzt sich die Psychologie des Zweifels wie ein Virus in die Köpfe der Beteiligten. Der Kindergärtner Lucas ist das Opfer für uns Zuseher, den jedoch alle Beteiligten in dieser dänischen Dorfgemeinde ohne Umschweife als Täter klassifizieren. Vinterberg zeigt mit Vehemenz die unbarmherzigen Mechanismen, die sich aus daraus fast schon zwangsläufig entwickeln. Die Ohnmacht herrscht allerdings auf allen Seiten: Während der zunehmend isolierte Lucas nur auf seine Unschuld pochen kann, sorgen sich die anderen schlicht verzweifelt um ihre Kinder. Und man könnte nicht einmal jedem Einzelnen wirklich mit Nachdruck einen Vorwurf dabei machen. Bei sowas bleibt scheinbar der Gedanke an die Unschuld fast schon außen vor. Umso erschreckender zeigt sich hier, wie dieser bitterböse Verdacht jeder vermeintlichen Entlastung lange widerstehen kann. "Die Jagd" bietet mit einigen zeitlichen Sprüngen eine ungemein intensive und ergreifende Möglichkeit, diese gedankliche und soziale Komplexität nachzuempfinden. Dass der sowieso fast immer großartige Mads Mikkelsen jene zentrale Rolle spielt, ist nicht weniger als ein Glücksfall für den Film, welcher auch sonst mit angemessenen Darbietungen (u.a. Thomas Bo Larsen) aufwarten kann. Ein meisterliches Drama von Vinterberg, das man nicht nur aufgrund der universelleren Thematik unbedingt sehen sollte. Das dänische Kino ist bei solchen Kandidaten weiterhin jede Beachtung wert.

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                  • 7

                    Die sympathische Note ist wohl eine der größten Stärken von "The Frighteners", Peter Jacksons letztem Film vor seiner monumentalen Fantasy-Reihe. Das liegt nicht nur an dem gewitzten Geisterplot oder an den netten neuseeländischen Ortschaften, sondern - wie so oft - an einem Michael J. Fox an vorderster Schauspielfront, der trotz gerissener Geschäftsidee beim resultierenden Kampf gegen die böse Parallelwelt immerzu unschuldig, aber nicht weniger entschlossen wirkt. Zwischendurch verziert Jackson die Geschichte mit allerlei Spielereien des Horrorsegments, das besonders in der ersten Hälfte sehr unterhaltsame Minuten bereithält. Auch dass ein gewisser Robert Zemeckis als Produzent seine Fühler im Spiel hat, ist beim locker-leichten Abenteuer-Flair nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Allein die Fox-Besetzung lässt da natürlich sofort bestimmte Bilder im Kopf entstehen. Nebenbei gibt es noch netten Anschauungsunterricht davon, was die Effektschmiede Weta schon Mitte der 90er zu leisten imstande war. Die Geister- und Verformungsszenen wirken auch heute noch ganz ansehnlich. Die ansteigende Dramatik, die die Geschichte erfahren muss, ist dann allerdings die kleine Achillesverse des Films. Der letzte Akt passt nicht so richtig gut in die Gesamtatmosphäre und wirkt in ihrer Verkrampftheit ernster und ein Stückchen unrhythmischer, als man es zu Beginn des Films je vermuten würde. Obwohl es eine gewisse Tendenz in seiner Filmografie gibt, wäre jene Einschätzung womöglich zu gemein, dass Jackson seine Geschichten selten prägnant zu Ende bringt. "The Frighteners" macht jedoch insgesamt zu viel Spaß als Horrorkomödie, um ihn deshalb nicht gut in Erinnerung zu behalten.

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                    • 4
                      über Savages

                      Oliver Stones Regiewerke und das 21. Jahrhundert - irgendwie will das nicht zusammengehen. Auch "Savages" bestätigt diese wenig euphorische Entwicklung eines einstmals bedeutsamen Karrierebeginns vor knapp 30 Jahren. Dabei spielen seine Lieblingselemente wie das Thema Drogen oder gewaltsame Außenseitergeschichten hier eine wichtige Rolle, doch jeglicher Innovationswillen des Regisseurs flammt nicht auf, trotz manch gewagter Narration (siehe Finale), trotz expliziter Darstellungen, trotz teils sehr bekannter Schauspielnamen. Die deutlich auf (zu) cool gestylte Geschichte bleibt seltsam distanziert, mit holprigem Off-Text der weiblichen Figur in der feschen Dreiecksbeziehung überaus umständlich eingeleitet und in ihrer ganzen Entwicklung trotz allem nur wenig erkenntnisreich. Das blutige Duell mit einem mexikanischen Drogenkartell verläuft nicht zuletzt mit Benicio del Toro als cholerischer Köter unterhalb einer teils selbstsicheren, teils trübseligen Selma Hayek in altbekannten Klischeemustern ab. Dies wäre gar nicht mal so tragisch, wäre da nicht ungemein blasse Gegenpart in Form von Taylor Kitsch sowie Aaron Taylor-Johnson. Dass beide keine glorreichen Charaktergrößen darstellen, ist keine brandneue Erkenntnis, aber in gemeinsamer Position fällt diese Diskrepanz noch mehr auf. Umso bezeichnender die eigentlich unwichtige Szene, als im Film selbst der unglückliche Vergleich mit dem grandiosen "Zwei Banditen"-Trio Newman/Redford/Ross erwähnt wird. Hier fehlt einfach einiges, um auf direkte Weise emotional in diesen Film eingebunden zu werden, und das können auch nicht die nach außen getragenen Monologe von Blake Lively als Spielball der Gegnerschaft kompensieren. Vielmehr ist man froh, nach deutlich über zwei Stunden mit bisweilen einfallslosen Color-Grading-Erlebnissen (das berüchtigte Hollywood-Blau-Orange lässt grüßen) diesen Film nach vollendeten Tatsachen hinter sich lassen zu können. Da ergeht es einem gar nicht so unähnlich wie mancher Filmfigur.

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                      • 4

                        Als langjähriger "Jurassic Park"-Sympathisant bin ich bei der Wahl an Dinosaurier-Streifen, weil sie ja doch eher rar gesät sind im heutigen Filmuniversum, ziemlich schmerzfrei (die Asylum-Produkte mal außen vor gelassen). Dies bezieht sich jedoch mehr auf das reine Begutachten dieser Exemplare als auf das blinde Durchwinken, was die jeweilige Beurteilung angeht. Der britische Vertreter "The Dinosaur Project" gehört in diesem Zusammenhang in die unliebsame Kategorie "zu gut, um sich darüber im Nachgang groß zu ärgern, aber zu schlecht, um es entfernt als einen gelungenen Film zu bezeichnen". Dabei sind die Schauwerte mit dem wunderbaren Südafrika-Setting eigentlich gute Voraussetzungen für ein aufregendes Abenteuer. Darin verwoben sind dann die Auftritte so einiger CGI-Dinos, die das Leben der verunfallten Expeditionsgruppe etwas einheizen dürfen. Deren Computer-Herkunft ist zwar eindeutig zu sehen, hätte jedoch angesichts des offenbar nicht sehr hohen Budgets deutlich schlimmer ausfallen können. Bedauerlicher ist vielmehr ein weiteres Found-Footage-Konzept, das man trotz unzureichender Stringenz dem Zuschauer auftischen möchte, inklusive anfangs aufgefundenem Videomaterials und weiteren unoriginellen Ideenmustern dieser modischen Technik.

                        Sid Bennetts Film fehlt trotz der vielleicht noch neuen Kombination Dinos + Wackeloptik außer der ganz netten Onboard-Dino-Szene aber jegliche Originalität, sowohl das Erzeugen von wirklich spannenden Momenten als auch die präsentierte Geschichte an sich betreffend. Letzteres wiederholt einzig die oftmals gesehenen Klischees des neuzeitlichen Abenteuerfilms. Besonders bezeichnend ist neben dem handelsüblichen schwarzen Schaf der Gruppe immer wieder die Vater-Sohn-Kombination (vgl. "Sanctum" u.a.), die natürlich zuerst zerstritten sein muss, um nach überstandenen Gefahrsituationen jegliche Zwietracht über Bord zu schmeißen, bevor das zarte Pflänzchen des Zutrauens auf eine harte Probe gestellt wird. Das Ende darf sich jeder selbst ausmalen. Leider nichts atemberaubend Neues im Dinomania-Segment.

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                        • 7 .5

                          Die kleine, feine B-Seite von "Homeland": "Hatufim" aus Israel steht zwar international ziemlich deutlich im Schatten der (später realisierten) US-Adaption von Showtime, hätte jedoch mehr Beachtung verdient. Natürlich basieren beide Serien im Grunde auf der gleichen Idee von Gideon Raff, doch unterscheiden sie sich in Prämisse, Umsetzung sowie kulturellen Unterschieden so sehr voneinander, dass sich das Entdecken der jeweils anderen Version auf jeden Fall lohnt. "Hatufim" punktet dabei sicherlich durch die unverbrauchten Gesichter, die nach kleiner Eingewöhnungsphase umso wirkungsvoller einen in die oftmals ziemlich ruhige Handlung eintauchen lassen (man möchte eigentlich keinen Darsteller extra hervorheben). Die kleinen Anlaufschwierigkeiten kommen auch daher, dass es gleich mehrere Heimkehrer aus einer 17-jährigen (!) Gefangenschaft sind und damit ganz andere Umstände und Entwicklungen als jene ambivalente Damian-Lewis-Figur aus "Homeland" erzeugen. Dessen 'Duell' mit der unnachahmlichen Claire Danes ist im direkten Vergleich sicherlich um einiges aufregender (wobei ich erst eine Staffel davon gesehen habe).

                          In "Hatufim" werden die vereinzelten Spannungsmomente wiederum auf sehr viel unspektakulärere Weise und zudem erst mit gehörigem Anlauf erzeugt. Die Gegenposition der zweifelnden Ermittler wegen möglicher Geheimnisse aus der Gefängniszeit bleibt dabei zumindest in Staffel 1 noch um einiges zurückgedrängter. Sowieso sind die Dramaelemente weitaus größer angelegt, womit der Leidensweg, den man als Zuschauer beim Wiedereintritt in ein möglichst normales Leben inklusiver brutaler Flashbacks miterlebt, nicht unbedingt angenehmer, aber glaubwürdiger wird. Speziell die unterschiedlichen Familienverhältnisse bekommen einen prominenten Platz in dieser Serie und bieten eine sehr facettenreiche Sicht auf Themen wie den Umgang mit Verlust, verdrängten Sehnsüchten und komplizierten Beziehungsproblemen. Ein gutes Beispiel, wie unterschiedlich eine Kernidee auf zwei verschiedenen Punkten der Erde aussehen kann - und bei beiden bin ich gleichermaßen gespannt auf die Fortsetzung.

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                          • 8

                            Schon die ersten Szenen in "Arizona Colt" mit der konsequenten Stürmung eines Gefängnisses durch eine wilde Bande machen unmissverständlich klar, was man als Zuseher in den nächsten knapp zwei Stunden zu erwarten hat: Schusswechsel in erhöhter Frequenz, Explosionen an den verschiedensten Stellen und abgedrehte Manöver im Wüstensand. Derbe Italowestern-Essenz par excellence also, die man vielleicht mögen muss, worin ich mich als Genre-Fan jedoch unmittelbar heimisch fühlte. Mittendrin: Giuliano Gemma als beinharter Antiheld, der mal wieder zu Höchstleistungen getrieben wird, sowie ein Fernando Sancho in der gewohnten Funktion des grausamen Bandenführer - womit das Schauspieler-Duell aus den beiden "Ringo"-Filmen ein erneutes Kapitel erfährt. Wo Sancho wie üblich keine Gefangenen macht, was nicht bei drei auf den Bäumen bzw. über alle noch so felsigen Berge ist, ist Gemmas Figur jedoch ein paar Stufen 'rationaler' als vergleichbare Protagonisten, was die üblichen Erwartungen an den üblichen Retter der vertrackten Situation einer ganzen Dorfgemeinschaft zwischenzeitlich gehört unterläuft. So weit dabei das wilde Gebahren von jeglicher Realität entfernt ist, so ungemein viel Laune macht Michele Lupos astrein inszenierter Streifen in Bild, Ton und speziell Musik (De Masi). Nicht nur, weil der Mix aus Action, gewitzten Einzelszenen oder Dialogen (ich sage nur: Uhr!) und funktioneller Einer-gegen-alle-Story wunderbar aufgeht, sondern auch weil eben der Grad der Gewalt in der Kunstwelt Wilder Westen samt seiner überhöhten Tonlage und ohne geringstem Interesse an politischer Korrektheit oder ähnlichem heute wahrscheinlich nicht mehr möglich wäre. Das macht "Arizona Colt" sicherlich weniger massenkompatibel und auch ein Stückchen anspruchsloser als viele seiner ungleich berühmteren Genre-Kollegen, aber ganz bestimmt nicht weniger unterhaltsam (ähnlich wie die Fulci-Beiträge). Die richtige Dosis, wenn man wieder Lust auf knallharte Italowestern-Kost bekommen möchte.

                            10
                            • 6

                              Wenig erwartet, aber einiges bekommen. "Chernobyl Diaries" kokettiert als kleiner Billigstreifen sichtlich mit der erfolgreichen Found-Footage-Ecke, obwohl in der Umsetzung jene Stilmittel gar nicht konkret zur Anwendung kommen. Mit wackeligen, zumeist unausgeleuchteten Kameraaufnahmen wird man trotzdem zu Genüge versorgt, ebenso mit ziemlichen Nonames auf der Darstellerliste. Und doch hat diese Simplizität mit der titelgebenden Prämisse "Wir machen mal so eben einen Extremausflug ins Sperrgebiet" seinen unverschämten Reiz, den Regisseur Bradley Parker zu nutzen weiß: Es soll gruselig sein und ist auch einfach gruselig, so realitätsfern manches doch erscheinen mag. Speziell die ersten zwei Drittel des Films bieten die eine oder andere Schaueratmosphäre, bevor die kleine Schicksalsgemeinschaft im alten Bulli so langsam dezimiert wird. Zwar sind die abgespulten Horrormechanismen gewiss keine Neuheit, bereiten dem Horror-Fan aber durchaus spannende Momente, wenn nicht gerade das Geschehen mit absurden Szenen unfreiwillig aufgelockert werden. Diese werden dann schließlich umso gravierender, je näher es zum verstrahlten Reaktor geht - fast so, als würden den Drehbuchautoren (u.a. mit Paranormal-Activity- sowie zweifelhafter Asylum-Vergangenheit) gleichermaßen die Sicherungen durchgehen. Inhaltlich muss man fast schon erwartbar einfach über einige Dinge hinwegsehen können. Zieht man "Chernobyl Diaries" jedoch in der Funktion eines genuinen Genre-Film heran, macht der eine überraschend akzeptable Figur.

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                              • 7

                                Welche Gelegenheit als der heutige Tag des Kusses wäre wohl passender, um Rudolf Thomes "Das rote Zimmer" anzusprechen? Denn der allbekannte Akt des möglichen Vorspiels wird hier wie sonst nur selten in einem Film derart genüsslich ausufernd und in den unterschiedlichsten Situationen exerziert. Der zweite besondere Punkt dieses Werks ist die einer weiteren Version einer Ménage-à-trois-Geschichte, welche sich nach bedachter Exposition mit deutlicher Positionierung der wichtigsten Figuren mehr und mehr abzeichnet. Neben dem erotischen Unterbau sind die konkreteren Charakterisierungen der Figuren samt ihrer tatsächlichen Vorstellungen interessant, da für mich als Thome-Novize und skeptischer Thriller-Freund stets die Möglichkeit bestand, dass nicht immer mit offenen Karten gespielt wird. Wenn dann manche Erwartungen mit einerseits einem ziellosen Kussforscher (sowas existiert wohl tatsächlich) und andererseits einem eher weniger ziellosen Damen-Duo bewusst konterkariert werden (den Tagesschau-Moment wird man so schnell nicht aus dem Gedächtnis bekommen), macht den Film nicht unsympathischer. Mit grundsätzlich sehr ruhigen, teilweise lang(weilig)en oder dann auch extrem verträumten Szenen mag das gewiss nicht jeden ansprechen. Das harmonische Schauspieler-Trio und ein ziemlich überraschender Ausgang heben den kitschfreien Film mit angenehmer Sommer-Atmosphäre jedoch von der üblichen Konfektionsware des Liebesfilms grundlegend ab. Es gibt jedenfalls bedeutend schlechtere Leinwand-Knutscher.

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                                • 4

                                  [Disclaimer: Reisetagebuch-Aktion (Teil 2) aus fiktiver Cineastensicht, initiiert durch Filmkollege lieber_tee und in dieser Form mit wöchentlichen Fortsetzungcharakter, ohne Rücksicht auf wilde Phantastereien sowie mögliche Spoiler]

                                  Wenn einer eine Reise macht, hat er viel zu erzählen...
                                  ...auch wenn so manche langjährige Enttäuschung sich darunter mischen mag. Beim Terminal-Plausch mit dem werten Otto kamen ja die ganz seltsamen Dreharbeiten zur Sprache. Dass es sich dabei um "Miami Vice" handeln würde, konnte ich zuerst nicht glauben. Von vielen als absoluter Kult angesehen, von mir zumindest eine gewisse Wertschätzung, obwohl ich die Serie nur am Rande mitbekommen habe. Nur waren bei meiner Städtetour diesmal ganz offenbar die Arbeiten zum Miami-Vice-Film von Michael Mann am Gange (Zufall!?), auf den ich prinzipiell auch sehr neugierig war, selbst wenn solche wilden Adaptionen mit derben Zeitabstand oft genug daneben gehen. Zwar konnte ich in der Stadt selbst nur kurz dem Produktionsteam über die Schulter schauen, aber besser als nichts an dem Tag. Ich war allerdings etwas verdutzt, als der Kameramann mit Digitalkameras sowie ohne Steadicams seine Szenen gedreht hat - mit großem Stolz auch noch! Gab's natürlich auf ähnliche Weise schon in Manns Vorgängerstreifen "Collateral", aber das muss doch nicht plötzlich der Standard für Michael-Mann-Filme sein, oder?

                                  Die spätere Kinoaufführung mit den vielen nächtlichen Bildern war dann dementsprechend 1) körnig, 2) wackelig, 3) unästhetisch. Jedenfalls weiß man danach umso mehr eine Steadicam bei Kinoproduktionen zu schätzen. Aber auch der eigentliche Inhalt bleibt sehr ernüchternd: viel weniger Miami-Sets als erhofft, eine trotz ordentlichem Beginn wirklich uninspirierte Undercover-Geschichte, dazu bierernst in jeder Faser und nicht zuletzt mit zwei Protagonisten, die nicht mal halb so cool sind wie ihre Serienvorbilder (einzeln mag ich die Darsteller wahrscheinlich lieber). Viel zu lang ist die ganze Sache mit über 130 Minuten natürlich auch noch. Nein, aus heutiger Sicht war der Versuch, eine 80er-Jahre-Serie ins Hier und Jetzt zu adaptieren, ziellos und damit auch in letzter Konsequenz überflüssig. Dann lieber nochmal eine alte Serienfolge anschmeißen, dem großartigen Titelsong lauschen und ein paar nette Abenteuer erleben. Zwei Dinge habe ich aber gelernt aus dieser Sache: (Analog-)Filmliebhaber Tarantino hat doch recht und die Stadt Miami ist viel interessanter, als es Michael Mann uns diesmal verklickern wollte.

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                                  • 7

                                    Nein, mein Lieblingsfilm unter denen mit einem Martin Scorsese auf dem Regieposten wird "Bringing Out the Dead" wohl nicht werden. Seine diffuse melancholische Ausdrucksart verbietet das schon fast und wahrscheinlich war diese nächtliche Sanitäter-Odyssee durch die düsteren Ecken von New York City auch deshalb relativ spät auf meinem Radar erschienen. Doch ist die Sichtung letztendlich weniger das schnöde Abhaken eines weiteren Werks der langen Scorsese-Filmliste, sondern mehr einer dieser kleineren künstlerischen Ausreißer, die man so nicht unbedingt erwarten konnte. Das äußert sich durch die betont audiovisuelle Auseinandersetzung mit dieser auf dem Papier eigentlich sehr nebulösen Handlung, die sich eine der unzähligen Notfälle als Schlüsselerlebnis und narrative Klammer herauspickt und daraus einen Strudel des Scheiterns und der Hoffnungslosigkeit für unseren Protagonisten entwickeln lässt.

                                    Die Idee, mit Nicolas Cage diesen Borderline-Charakter zu besetzen, erweist sich dabei auch aus heutiger Sicht auf Cages Karriere-Highlights als erstaunlich passend. Sein bekanntlich etwas extremes Schauspiel fügt sich da konsequent in diesen semi-surrealen Alltag zwischen Krankenhaus, Transporter und dem Zuhause ein. Dennoch ist die ständige Konfrontation mit Krankheit, Armut und Tod kein leichtes Unterfangen, was der teilweise repetitive Ansatz dieser Geschichte nochmals verstärkt. Es ist ein traumatisches Berufsbild, den Scorsese von der nächtlichen Welt des Krankentransports zeichnen will, bei dem jeder professioneller Handgriff allmählich der Verzweiflung und der Resignation weicht. Am Ende ist man als Zuschauer richtiggehend froh, dieses Hamsterrad wieder zu verlassen. Vielleicht auch dieser speziellen Gefühlswelt wegen sollte man "Bringing Out the Dead" zumindest einmal gesehen haben.

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                                    • 3 .5

                                      'Tatorten' zum Abgewöhnen, so als lieblosen Schlusspunkt vor einer zweimonatigen Sommerpause - wer könnte das besser als die Bodensee-Ausgabe? Selbst ein Perlmann startet in verzweifelter Form nunmehr einen Seelenstriptease ob des monotonen und wenig motivierenden Karrierewegs, den wir teilweise miterleben müssen. Was kein Wunder ist, bleibt er noch immer das vernachlässigte Teilstück im Ermittler-Duo, sei es von Blum selbst oder eben von den Drehbuchschreibern. In "Letzte Tage" gibt es in dieser Beziehung mal etwas an emotionaler Abwechslung, wenn auch in seltsamer (und selbstverständlich glücklosen) Liebespose. Genauso wenig verschont man den Zuschauer vom erneuten Erscheinen des Schweizer Kollegen Lüthi, der sich mit einer gewagten Geschichte in diesen 'Medizin-Krimi' einbringt. Ein genauerer Grund für sein Erscheinen abseits der konkreten Plot-Struktur ist jedoch schwer auszumachen. Qualitativ gewinnt Tatort Konstanz mit dieser externen Hilfe jedenfalls so gut wie nichts hinzu, lassen wir Blums erhöhter Grad an Fantasie für nützliche Fesselspiele hier außer Acht. Dies alles fügt sich in ein diffuses Krimigeflecht ein, das mal wieder viele Themen unterschiedlichster Art anreißt, zudem zeitweise melodramatisch, dann wieder lustig und heiter sein möchte, im Endeffekt aber wieder das übliche Stückwerk ohne größerem Tiefgang bietet. Dass die TV-Ausstrahlung nun plötzlich ein Hoch bei den DKMS-Spenden ausgelöst hat, ist da immerhin die positive Randnotiz eines sehr mauen Saison-Abschlusses.

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                                      • 5 .5

                                        [Disclaimer: Reisetagebuch-Aktion (Teil 1) aus fiktiver Cineastensicht, initiiert durch Filmkollege lieber_tee und in dieser Form mit wöchentlichem Fortsetzungcharakter, ohne Rücksicht auf wilde Phantastereien sowie mögliche Spoiler]

                                        Wenn einer eine Reise macht, hat er viel zu erzählen...
                                        ...zum Beispiel die mir eifrig zugetragene Geschichte, wie ein verrückter Ostfriese einst das sonnige Miami unruhig machte und dabei wie kein anderer sein Land vor der großunternehmerischen Dampfwalze bewahren wollte. Otto hieß dieser lustige Vogel, lebte passenderweise in einem Leuchtturm (!) und war immer die gute Seele des Küstenvolks. Egal, ob es um seine Mitbewohner oder um neugierige Touristen handelte, so konnte er jederzeit tatkräftig zur Seite stehen. Für diese wunderbare und freundliche Gegend ist er irgendwie wie ein personifiziertes Maskottchen, der scheinbar immer einen kleinen Jux parat hatte. Vielleicht nicht immer treffsicher, aber absolut sympathisch. Nur sind normalerweise nicht alle Menschen so nett und freundlich gesinnt. So gab es reichlich Ärger mit einer seltsamen Industriefirma, die das rot-gelben Kultgebäude als störendes Hindernis für ihre geplante Teststrecke ansahen. Zu allem Übel gehörte Otto dieser Turm gar nicht selbst, sondern seinem Bruder Benno. Dieser hätte demnach persönlich vorstellig werden müssen, um das Übel noch zu stoppen.

                                        Und da kommt Miami ins Spiel. Hier lebte Benno bis vor kurzem als recht erfolgreicher Privatdetektiv, doch die Konfrontation mit diesem existenziellen Problem hat auch bei ihm das ostfriesische Herz wieder aufleben lassen. Was Otto hier dann alles an abstrusen Situationen erleben sollte, darf man eigentlich gar nicht erzählen. Man würde es schlicht nicht glauben. Es seien nur die Worte Tennisspielerin, Disko und Dreharbeiten genannt. Ich hoffe mal, dass Benno und Otto die Sache bereinigt haben. Zumindest klang letzterer beim zufälligen Kennenlernen am Flughafen in Miami auf seltsam-kecke Art (inklusive lustigen Geräuschen btw) sehr optimistisch. Aber wer sich mit solch putzigen wie erbärmlichen Englischkenntnissen in 'Magic City' durchschlagen kann, hat das einfach verdient! Dankenswerterweise hat er mich mit seiner Geschichte zugleich auf ein interessantes Ziel bei der Stadterkundung gemacht. Davon dann beim nächsten Mal.

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                                        • 5 .5

                                          Es ist immer wieder amüsant mitzuerleben, wenn die Realität zeitliche Sci-Fi-Fixpunkte, welche sich durch spezielle Zukunftsvisionen auszeichnen, einholt. Bei "Cherry 2000" mit dem konkret ausgewiesenen Jahr 2017 wäre es demnach in vier Jahren soweit, wenn ausgefeilte und lebensechte Frauenroboter die Normalität darstellen würden. Doch davon ab ist die Prämisse auch so prinzipiell verheißungsvoll und hätte für einen sehr guten Film herhalten können. Der Konjunktiv zeigt allerdings schon auf, dass jede Erwartungshaltung lieber mal sanft heruntergekurbelt werden sollte. "Cherry 2000" ist ein waschechtes B-Movie aus der Blütezeit der actionhaltigen, kompromisslosen und bunten 80er Jahre und reiht sich vom Niveau leider dementsprechend ein. Darum verwundert es wenig, dass die Mensch-liebt-Roboter-Thematik - jüngst erst durch die schwedische Serie "Real Humans" so großartig durchgespielt - im Grunde lediglich als erzählerischer Aufhänger fungiert, nachdem ein leidenschaftliches Schaumbad etwas daneben geht.

                                          Die Suche nach einem Ersatzgerät (jener ausrangierte Typ 'Cherry 2000') für unseren Protagonisten mithilfe einer ortskundigen Kopfgeldjägerin (Melanie Griffith mit betont auffälliger Haarfrisur) bietet nur die Plattform für eine sehr breit angelegte Konfrontation gegen eine wilde Anarcho-Wüstenbande. Dies ermöglicht allerlei kurzweilige wie absurde Momente, am Rande sogar kleine nette Gadgets einer möglichen Zukunft, kann jedoch nie die sehr schlichte Struktur kaschieren. Mit genügend großer Retro-Brille kann Steve De Jarnatts Film vielleicht noch als amüsante Trash-Unterhaltung durchgehen, ansonsten ist es wenig wahrscheinlich, dass ich ausgerechnet 2017 noch an dieses vermeintlich visionäre Sci-Fi-Werk zurückdenken werde. Außer, es laufen mir dann andauernd hübsche Lady-Roboter über den Weg...

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                                          • 4 .5

                                            Vorsicht ist geboten: der krimieske Episodentitel klingt verheißungsvoller als der Inhalt einlösen kann. Das trifft auch auf die ruhige Schneelandschaft zu, die anfangs die melancholische Atmosphäre bestimmt, als eine frostige Kinderleiche durch die Mutter schreiend aufgefunden wird, unweit vom verbitterten Vater beim Suizidversuch. Etwaige Erwartungen auf einen sehr dramatisch ablaufenden Fall, der die Grundfesten eines brüchigen Familienkonstrukts durchleuchtet, werden jedoch gewollt oder ungewollt unterlaufen. Denn hier stehen Thomalla und Wuttke als Ermittlerduo Saalfeld und Keppler im emotionalen Mittelpunkt - deutlich mehr, als es dem Tatort Leipzig guttut. Fast könnte man meinen, das private Einerlei wäre deshalb so hervorstechend, weil das Drehbuch in Sachen Ermittlungsarbeit ziemlich dünn ist. Künstlich gestreckt und auch teilweise langatmig wirken die Szenen trotzdem. Dass ausgerechnet Katja Riemann das Ganze als Wuttkes Ex und zugleich stolze Geschützin des intervenierenden BKA auf drakonische Art und Weise zwischendurch belebt, ist schließlich irgendwas zwischen bemerkenswert und bezeichnend. Dies lässt Hälfte Zwo zwar etwas unterhaltsamer aussehen (inklusive erhöhtem Zicken-Modus von Thomalla), über die arge Konstruiertheit des Plots sollte man anschließend allerdings nicht zu lang den Kopf grübeln lassen. Immerhin ist dann die fahrlässige Distanziertheit des vielfach angedeuteten Familienschicksals fast schon vergessen.

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                                            • 5

                                              Von der Insel gab es in den letzten Jahren viel Gutes, wenn es um schräge Genremischungen mit dem nicht unwichtigen Zusatz an humorigen Einfällen geht. Auch Jon (nicht Joe) Wrights "Grabbers" wirkt in seiner äußeren Schale mit den urigen Bewohnern eines Küstendorfs wie ein kultverdächtiger Kandidat, der mit vermeintlich schrägen Ideen und absurden Schaumomenten punkten könnte. Doch manchmal hapert es mit der Nachhaltigkeit (im Sinne von: "Wow, an diese oder jene Szene werde ich mich noch lange erinnern!") und genau das vermisst man hier. Gruseln vor dem bösen, bösen Tentakel-Monster aus dem Meer werden sich hier wohl nur die wenigsten. Bliebe noch die andere Seite, die so eine Horrorkomödie konzeptionell ausstattet. Die ultimative Monster-Abwehrstrategie ist allerdings nur für den einen Moment überraschend wie erheiternd, sofern man nicht eh von dieser ungewöhnlichen Idee vorab in Kenntnis gesetzt worden ist. Ganz gut funktioniert die zwar absehbare, aber charmante Verbindung zwischen Richard Coyle und der mir noch unbekannten Irin Ruth Bradley, sobald man gemeinsam gegen das Unbekannte anzukämpfen hat. Sie alleine rettet "Grabbers" jedoch letztendlich keineswegs vor dem missliebigen Etikett 'Standardware' - zumindest in dem Fall, ohne gleich eine ähnliche Maßnahme wie die Bewohner vollziehen zu wollen.

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                                              • 8
                                                über Evil

                                                Der Umgang mit Gewalt in der Jugendzeit ist scheinbar ein gutes Thema für skandinavisches Kino. War schon der norwegische "King of Devil's Island" mit einem eisigen Straflager im Nirgendwo ein bemerkenswertes Unterfangen, ist auch der ältere, aber in der Zeit deutlich später spielende "Evil" aus Schweden schonungslose Kost. Diesmal ist es jedoch 'nur' ein Elite-Internat während der 50er Jahre, der den Ort des Geschehens markiert. Doch auch dies besitzt seine eigenen Regeln, so unsinnig sie auch zu scheinen mögen. Ein heikler Weg für unseren Eric, der zuerst als einfältiger Raufbold mit Hang zum Draufschlagen in Erscheinung tritt und damit mal so gar nicht in das übliche Muster des empathischen Protagonisten passen will - und genauso wenig mit den unsäglichen Gepflogenheiten dieser traditionell hierarchischen Schülerschaft dieses Internats einhergehen wird, welches auf schicksalhafte Weise seine letzte Chance für einen Abschluss wäre. Ein Spannungsverhältnis zeigt sich schnell auf, weil jeglicher Kontrollverlust alles auf Spiel setzen würde. Doch je länger der Film läuft, umso mehr imponiert der gegangene Weg von Eric während dieser Schulzeit, was in diesem allegorisch aufgezogenen Mikrokosmos der tolerierten Ungerechtigkeit absolut kein leichter ist. Es ist diskutabel, inwieweit sich diese Figur weiterentwickelt, da Eric einerseits seine essentielle Prinzipientreue immerzu bewahrt, andererseits sie immer geschickter und resoluter anwendet – egal, in welcher Situation. Insgesamt ist die von Andreas Wilson sehr engagiert ausgefüllte Hauptrolle aber neben der tadellosen Regie eines Mikael Håfström vor seiner USA-Zeit sowie den guten Nebendarstellern sicherlich der Schlüssel, um von "Evil" beeindruckt zu sein. Ein durch und durch kraftvoller Film, sicherlich nicht nur wegen der blutigen Fausthiebe.

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                                                • 6 .5

                                                  Das war unerwartet: Was sich in der vergangenen Episode wie der beabsichtigte Personalwechsel an der Seite von Inga Lürsen andeutete - neuer Lover Uljanoff gegen Bundeswehrsoldat Stedefreund mit Ziel Afghanistan -, wird in "Er wird töten" von jetzt auf gleich wieder umgeschmissen. Schade! Wobei dies auf brutale Weise eingeleitet wird und immerhin direkt zum diesmaligen Kriminalfall führt, der fast kammerspielartig sich die meiste Zeit in den dunklen Räume des Präsidiums abspielt. Das Resultat ist für jeden Fan des lebhaften Antoine Monot Jr. sehr bedauerlich, wird aber mit einer nicht uninteressanten Geschichte belohnt, nachdem eine verängstigte Frau auf der Flucht vor ihrem Mann hineinplatzt. Auf die reinen Krimi-Mechanismen bezogen bleibt diese zwar wenig spektakulär (und könnte unter anderen Umständen leicht durchschaut werden), Regisseur Baxmeyer macht daraus jedoch noch relativ viel, was über die herkömmliche TV-Inszenierung hinaus geht. Auch die differenzierte Schauspielleistung von Sabine Postel ordne ich dieses Mal als sehr angemessen und eingängig ein, wodurch die psychologische Komponente in diesem Tatort über eine lange Strecke gut funktioniert. Da stört nicht mal das gelegentliche Nuscheln von Mommsens Stedefreund-Charakter inklusive den erwartbaren 'Post-Auslandseinsatz-Momenten' oder den typischen narrativen Ablenkungsmanövern (diesmal von der Sorte radikal) kurz vor dem Finale. Die nüchtern-melancholische Stimmung zwischen Fassungslosigkeit, Trauer und harter Ermittlungsarbeit hat durchaus ihren Reiz gehabt. Es gab definitiv schon schlechtere Folgen aus Bremen.

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                                                  • 7

                                                    Da wäre sogar der große Gatsby wahrscheinlich neidisch geworden: Einfach mal das größte Privatanwesen der USA errichten zu wollen, bodenständig und genügsam lediglich dem emposanten Schloss Versailles nachempfunden. Eine Traumgeschichte über die Reichsten der Reichen kündigt sich mit Lauren Greenfields "The Queen of Versailles" zuerst an, wo der mustergültige American Dream von der wirtschaftlich sehr erfolgreichen Siegel-Familie bis in letzter Konsequenz zelebriert wird. Doch wo der Aufstieg möglich ist, kann auch schnell der Absturz folgen. Klassisches Reporter- bzw. Dokumentarfilmer-Glück, wenn man beiden Richtungen mit einem Kamerateam ganz nah beiwohnen kann. Und so ist dieser Film eine ziemlich absurde Randgeschichte im Zuge des großen Immobiliencrashs geworden, als von einem Tag auf den anderen sich die Banken zum härtesten Feind einer ursprünglich scheinbar supersicheren Timeshare-Idee wandeln. Die erbarmungslosen Konsequenzen für dieses eigenartige Familiengeflecht mit alterndem Mogul mit gescheiterter Unternehmensvision, dem Ex-Model als ahnungslos-trotzige Gattin, die ganze acht Kinder nun 'leiten' muss und dieser nicht mal fertigen Mega-Villa als Fußfessel, die keiner zum Marktpreis natürlich kaufen will, werden dann besonders in der zweiten Hälfte teilweise etwas spöttisch begleitet, wodurch man sich manchmal schon fragt, warum hier und dort die Kamera eingeschaltet werden durfte. Eine gewisse Zuneigung für ausgedehnte Homestorys sollte man deshalb mitbringen. Darüber hinaus ist der Inhalt dieser Doku allerdings dermaßen fern aller gewohnten Maßstäbe, dass man sich diesem grotesken Einblick nicht verwehren sollte.

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