filmschauer - Kommentare
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Alle Kommentare von filmschauer
Es verwundert nicht, dass sich die längerfristige Situation der Geflüchteten in Europa allmählich auch im Kino deutlicher widerspiegelt. Dabei das Genre der Komödie zu bedienen, ist dann noch eine Schwierigkeitsstufe höher angesiedelt als ein anklagendes Drama. Das politische Minenfeld ist bekanntlich groß und worüber man hier womöglich lachen kann oder darf, manchmal gar ein Drahtseilakt. Bei den Norwegern braucht man jedoch eigentlich keine große Sorgen zu haben, denn der skandinavische Humor ist ja selten zimperlich. "Welcome to Norway" von Rune Denstad Langlo setzt sich damit auseinander, indem der Culture Clash sich auf ein sehr heruntergekommenes Hotel im schneereichen Nirgendwo konzentriert. Probleme sind da selbstverständlich inklusive.
Die zahlreichen interkulturellen Komplikationen zwischen den Neuankömmlingen und dem kriselnden Eigentümer werden dann auch schnell offensichtlich. Wie gewöhnlich sind skurrile Persönlichkeiten dabei, doch konzentriert sich das Geschehen zumeist auf den überforderten Protagonisten Primus. Werden anfangs einige Witze abgesondert, schwenkt der Film allmählich auf den schwierigen Wettlauf gegen die Zeit im Kampf um die behördliche Zulassung als Flüchtlingsunterkunft um. Was nun aufregender klingt, als es ist. Ob Primus oder Geflüchteter, ob große oder kleine Angelegenheit: Der Film singt gewissermaßen ein Hochlied auf den Pragmatismus, was man im Detail - seien es konkrete Aktionen der jeweiligen Person - nun positiv oder negativ deuten kann. Er hebt wohltuenderweise keinen moralischen Finger, doch hätte es in der zweiten Hälfte des Films gerne noch etwas mehr Pep in der Geschichte geben dürfen, die dann doch zu oft in vorhersehbaren Bahnen abläuft. So bleibt es immerhin ein netter Zeitvertreib über ein aktuelles Thema.
"Airport" gehört wohl zu denjenigen Filmen, die mehr von ihrer filmhistorischen Grundpfeilerstellung leben als von der eigentlichen Qualität des Inhalts. Das Signalwort dazu lautet: Katastrophenfilm. Wie einigen sicher bekannt ist, gab es davon einige in den 70er Jahren - meist ziemlich bombastisch und episch aufgezogen und mit prominenten Schauspielern aufgewertet. Vieles an wiedererkennbaren Mustern, die die Fans an solchen Filmen womöglich schätzen und die Gegner des Genres wahrscheinlich ablehnen, findet sich in George Seatons breit aufgefächertem Flughafenszenario wieder.
Breit aufgefächert meint: Es erwartet den Zuschauer eine sehr lange Exposition, in der eine gehörige Anzahl an Figuren eingeführt werden. Wenn man nicht wüsste, das eigentlich das Label 'Katastrophenfilm' ziert, würde man lange Zeit von einem Alltagsporträt eines Flughafens im Winter sprechen. Hier übertreibt es der Film, denn trotz aller Ausführlichkeit bleiben die allermeisten Charaktere die altbekannten Stereotypen - besonders, wenn man mit den heutigen Augen drauf schaut. Einzig Helen Hayes als ein sonderliches Exemplar einer blinden Passagierin sticht aus dieser Reihe heraus. Trotz der Comic-Relief-Anleihen rettet diese Figur nicht nur für mich diesen Film vor der völligen Ödnis.
Natürlich kommt zeitweise Spannung ob der Gefahr auf, die sich ab Mitte des Films abzeichnet, doch ist diese insgesamt zu wenig für über zwei Stunden Laufzeit. Dazwischen ist es das zu formelhafte Drehbuch, das nur schwerlich das Interesse an "Airport" aufrecht erhalten kann. So sehr dieser Film Genrevorreiter auch sein mag, bleibt bei mir am Ende lediglich eine kecke Oma im Gedächtnis haften. Da verbleibe ich viel lieber bei der großartigen ZAZ-Parodie...
Das System Hollywood wurde seit jeher argwöhnisch betrachtet - damals wie heute. Kunst vs. Kommerz, Originalität vs. berechnendem Pragmatismus sind hierbei Dauerbrenner-Themen, die sich nur in den konkreten Ausformungen unterscheiden. Ein regelmäßiger Blick auf die Schlagzeilen in diversen Filmportalen genügt da schon. Trotzdem kommen wir Zuschauer (und Filmschaffenden) letztlich doch nicht um deren faszinierenden Exponate herum. Wie auch Robert Altman, der vor knapp 25 Jahren sich diesem Meta-Thema angenommen hat - und daraus eine satirisch-verspielte Auseinandersetzung kreiert.
Basierend auf der Romanvorlage vom Autoren Michael Tolkin zeigt uns Altman eine immerzu kurzweilige Einsicht in das große Business, indem er sich auf das Geschäftsgebaren eines vielbeschäftigten Filmproduzenten konzentriert. Tim Robbins' Charakter erscheint dabei wie eine Karikatur, dennoch fiebern wir mit ihm mit, nachdem ein Schlüsselmoment seinen Alltag nachhaltig umformt. Altman überlässt es aber uns selbst, wie man dessen kathartische Entwicklung einordnet, denn eine gänzlich verbitterte Satire sieht doch anders aus. Es ist die geschickte Doppelbödigkeit der Geschichte, die hier köstlich bis zum Schluss ausgespielt wird. Garniert wird das mit überraschenden Genreeinschüben, die anhand diverser Mittel dargestellte Liebe an das klassische Kino und natürlich die zahlreichen Gastrollen, deren Gesichter die meisten auch heute noch sofort erkennen werden. Schlicht ein rundum gelungener Film für alle Fans des Mediums.
Ein bisschen tragisch ist das schon: Einst waren die Bourne-Filme stilprägend für ein ganzes Genre, konnten sogar mitunter dem großen Bruder James Bond ordentlich Dampf machen. Nach Teil 3 waren eigentlich alle zufrieden und wir hatten eine sehr feine Agententhrillertrilogie beisammen. Doch Hollywood wäre nicht Hollywood heutzutage, wenn selbst lange stillgelegte Kuhattrappen nicht nochmals reaktiviert werden würden, um verzweifelt gemolken zu werden (den Vermächtnis-Ableger lasse ich mal außen vor). Für die unnachgiebigen Fans sollte das Revival da sein, so Damons und Greengrass‘ Credo. Nun ja, wenn man ehrlich ist, trifft diese Maßgabe beim Endprodukt sogar zu.
Bei "Jason Bourne" bekommt man dementsprechend genau das, was man vorweg erwarten durfte, aber auch kein winziges Stückchen mehr. Auffallend überraschungsfrei werden die altbekannten Verbindungen zwischen CIA und verlorenem Agentensohn aufgewärmt und das einstige Mysterium ob der verblassten Vergangenheit mühsam weitergesponnen. Paul Greengrass versucht zwar, hier und da einen aktuellen Bezug auf Snowden, Facebook & Co einzubauen, doch bleibt das alles Stückwerk und seltsam irrelevant für die Geschichte - der scheinbar ewigen Verfolgungsjagd. Selbst "Spectre" hatte zuletzt da noch interessantere Grundfragen in den Raum geworfen. Wir sehen stattdessen wieder spektakuläre Fluchtversuche, stoische Gesichter hinter Mikros und Bildschirmen sowie gewaltsame Faustduelle. Manch Darstellergesicht wurde ausgetauscht, doch im Grunde wird hier nichts Neues geboten.
Der nicht abzusprechende Unterhaltungswert von "Jason Bourne" resultiert vor allem dem routiniert hohen Action-Pacing von Greengrass. Wir will, kann den spektakulären Crashs und Fausthieben frönen, worunter die zwei Szenarien in Athen und Las Vegas am meisten im Kopf bleiben dürften. Allerdings bleibt die grundlegende Spannung, wie sie besonders "Die Bourne Identität" prägte ob der verletzbaren Hauptfiguren, etwas auf der Strecke. Matt Damon erscheint hier wie ein schier unzerstörbarer Bourne, der scheinbar alle Fähigkeiten spontan ausführen kann, um aus jeder Szene irgendwie zu entfliehen. Wie gesagt, das ist nichts Neues, aber mittlerweile nach so langer Zeit fast schon cartoonesk wirkend. Dementsprechend war ich zu fast keiner Zeit emotional diesen Figuren verbunden.
"Jason Bourne" ist für sich genommen ein ordentlicher Agententhriller, der wieder mit handgemachter Action für viel Wumms sorgt. Leider bleibt das Drehbuch blass und zu mutlos, um der Filmreihe originelle Aspekte hinzuzufügen. Folglich stellt sich die Frage, ob man diesen Film wirklich gebraucht hat? Selbst ich bin wohl nicht Fan genug, um dies ohne Zweifel mit "Ja" zu beantworten...
Es ist schon unglaublich, welch kuriose Streifen aus Italien besonders in den 60ern und 70ern die Filmwelt beglücken durfte. Genrevorbilder und -konventionen werden genommen und zwischen finanziellem Pragmatismus, lüsterner Effekthascherei und liebevollem Enthusiasmus durch den Fleischwolf gezogen - Beispiele gibt es in der Historie reichlich. Auch das berühmte Frankenstein-Thema musste folgerichtig als Steigbügelhalter für 90 Minuten delikater Exploitation-Kost herhalten. Bei "Lady Frankenstein" ist der Name Programm: Hier genügt nicht der wissenschaftliche Wahnsinn, der von dem Baron von Frankenstein ausgeht und ein weiteres Mal eine missliebige Kreatur erzeugt. Kennen wir alles ja schon. Nun ist es aber die ehrgeizige Tochter, die seine Position beerbt und medizinisch dem Ganzen nochmals die Krone aufsetzt, ohne zuviel verraten zu wollen.
Der Beginn ist noch nahezu typisches Gruselkino, ausgestattet mit reichlich Kostümierung, faszinierenden Schlossgemäuern und nächtlicher Atmosphäre. Spätestens ab der Mitte lässt "Lady Frankenstein" nicht nur sprichwörtlich die Hüllen fallen. Speziell Rosalba Neri sich darf in diesem kunterbunten Cast mit u.a. Joseph Cotten und Herbert Fux richtiggehend austoben. Größter Makel sind allerdings fast sämtliche Szenen mit dem Monster samt Maske, welches die meiste Zeit die ländliche Umgebung unsicher macht und wo das knappe Budget am deutlichsten hervorsticht. Albern aussehend ist da noch eine feine Untertreibung.
Ist Mel Welles' Film nun Trash? Ja, wahrscheinlich wäre er gar ein guter SchleFaZ-Kandidat für Kalkofe und Rütten. Und doch ist es überraschend unterhaltsam, wie dieser Film immer mehr in diesen morbiden Fantasien aufgeht und sich genüsslich wälzt. Für die einen wohl ein absurder Italoschinken, doch ich selbst hab von dieser Sorte schon so viel Schlechteres sehen müssen, sodass ich "Lady Frankenstein" doch gerne als entfernter Anhänger dieser Art von Filmen beigewohnt habe. Immerhin: Selten war verbotene Hau-drauf-Chirugie wohl derart erotisch angehaucht...
Beim oftmaligen Einheitsbrei im Horror-Genre der letzten Dekade gehört "Zimmer 1408" zu jenen Filmen, die schon durch die Grundkonstruktion etwas mehr Ankerpunkte in meinem Gedächtnis hinterlassen konnten. Grund genug für eine Zweitsichtung und die Rückkehr in dieses höchst seltsame Hotelzimmer.
Die Vorlage entstammt aus der Feder von Stephen King, die Filmumsetzung von Mikael Håfström - beides Namen, die für eine gewisse Mindestgarantie an Qualität stehen. Und so hat auch "Zimmer 1408" trotz seiner schon anfangs unübersehbaren B-Movie-Attitüde einen relativ hochwertigen Eindruck hinterlassen, was Ausstattung und Produktionswert anbelangt. Zudem sind mit Samuel L. Jackson und an vorderster Stelle John Cusack zwei Schauspieler am Start, die vor knapp zehn Jahren noch nicht so sehr wie heute im DTV-Segment verhaftet waren. Besonders Cusack darf sich in diesem Film gekonnt austoben und sämtliche Alpträume auf einmal durchleben.
"Zimmer 1408" mag zwar bis auf die emotionale Auseinandersetzung mit der Vergangenheit des Protagonisten inhaltlich nicht überaus spektakulär oder tiefsinnig sein, dafür punktet er doch wissentlich mit seiner sonderlichen Sprunghaftigkeit und ständigen Unvorhersehbarkeit. Wenn man erst einmal das sich steigernde Kuriositätenkabinett innerhalb dieses Zimmers akzeptiert hat, wirkt dieser Film zeitweise wie eine aufregende und auch laute Gruselshow auf geselligem Jahrmarktniveau. Das soll jetzt nicht schlechter klingen, als es ist: Hier wird höchst solider Psychohorror mit einem altmodischen Touch geboten, der auch beim zweiten Mal nicht wirklich langweilig wird und sich durch seine sonderliche Hotel-Atmosphäre vom Genredurchschnitt abheben kann. Nicht die schlechteste Wahl für den nächsten Halloween-Abend.
Es soll ja einige geben, die es sehr auf das eher eigenwillige Tierhorror-Subgenre abgesehen haben. Mutationen, Unfälle und andere üble Ideen werden regelmäßig genüsslich als Quelle genommen, um zuerst mehr oder weniger liebenswerte Geschöpfe schließlich zu fiesen Menschenfresser oder sonstigen Dämonen zu transformieren. Wenn man Glück hat, kommt noch etwas Subtext hinzu in der Geschichte. Ich gehöre eigentlich nicht zu dieser Anhängerschaft, denn dafür musste ich mich schon zu oft durch Streifen mit mäßig computergenerierten Kreaturen quälen, welche meist vieles waren, nur nicht angsteinflößend. Drum empfiehlt sich wie so oft der Blick zurück in die Kinogeschichte.
Angekommen bin ich diesmal beim "Alligator" von Lewis Teague aus den Anfängen der 80er. Und obwohl dieser offenbar nicht sonderlich populäre Film sichtlich wie ein B-Movie mit begrenzten Mitteln auftritt und schon viele typische Merkmale des Genres aufweist, ist er doch eine angenehme Überraschung geworden. Ein Riesenkrokodil in der Kanalisation von Chicago wird zum Medienereignis und abstrusen Horrormärchen. Aus dieser einfachen Ausgangslage kreiert Teague einen Plot, der trotz der spürbaren Wucht und Gefahr der Monsterechse auch immer seine feine Ironie des Ganzen im Hinterkopf hat. So mag ich diese B-Movies.
Stellvertretend für diesen Humor ist Robert Forster als Polizist Madison, der ein Glücksfall für diesen Film ist. Meinen Nerv hat er auf jeden Fall getroffen. Es wird niemals zu albern und damit gänzlich der Gruselfaktor außer Acht gelassen, sondern immerzu die nötige Balance gewahrt. Zu verdanken ist es auch der Effekteabteilung, die diesen Alligator clever in Szene setzen und ohne CGI-Gedöns deutlich hermacht als vieles, was heute über die Leinwand trampelt (speziell in diesem Budget-Segment). Selbst wenn sich doch einige Genreklischees wiederfinden, die man aus heutiger Sicht umso deutlicher aufspüren kann: Teagues "Alligator ist in der Summe ein regelrecht charmantes Tierhorror-Erlebnis - ja, auch so etwas gibt es manchmal.
Wahrscheinlich bin ich nicht der Einzige, der unter den zahlreichen Adaptionen von Victor Hugos "Der Glöckner von Notre Dame" die Disney-Version zuallererst gesehen hat. Da ich jener nicht sonderlich viel abgewinnen konnte, hielt sich mein Interesse an weiteren Verfilmungen zuerst in Grenzen. Der alten Hollywood-Version von 1939 mit seiner hochklassigen Darstellerauswahl wollte ich dennoch eine Chance geben. Immerhin wäre es interessant zu sehen, wie die Geschichte ohne dem kindgerechten Disney-Schema wirken würde.
William Dieterles Version bietet mit rund zwei Stunden auffallend viel vom bewährten Dramaturgie-Spektrum. Elemente wie Liebe, Furcht, Hass, Eifersucht und Todesangst wechseln sich in den verschiedenen Szenarien ab. Es zeigt den abwechslungsreichen Abenteuercharakter dieser Story, aber zugleich tun sich menschliche Abgründe rund um Esmeralda, Quasimodo und Co. auf, die einen teilweise erschaudern lassen. Das mag von den Motivationen her manchmal gar etwas sprunghaft wirken, allerdings war ich insgesamt positiv überrascht, dass der Plot mich doch noch mal packen konnte. Ein Grund, warum der Film funktioniert, ist vor allem auch die Ausstattung, angefangen von den mittelalterlichen Gebäuden, den imposanten Notre-Dame-Gemäuern bis hin zu der Quasimodo-Maske für Charles Laughton. Trotz des fortgeschrittenen Alters lässt dieser Film sich noch richtig gut ansehen und schnell in die damalige Atmosphäre eintauchen.
Apropos Laughton: Seine Darstellung des Glöckner ist absolut beeindruckend, ohne jemals lächerlich zu erscheinen. Aber auch die weiteren Schauspieler wie das begehrenswerte Mauerblümchen Maureen O’Hara, ein heldenhaft-forscher Edmond O’Brien oder natürlich auch ein Walter Hampden als wirkungsvoller Intrigant sind ein positives Merkmal dieses Films. Das alles hat mich doch noch mal mit dieser Geschichte versöhnen lassen. Ein sehenswerter Klassiker aus der einstigen Hochphase des Hollywood-Kinos.
Manche Filme kann man nur unzureichend rezensieren, damit ein Außenstehender ein stimmiges Bild davon bekommt. Nicht einmal der Vergleich zu anderen Werken drängt sich auf oder passt nur mäßig. Maren Ades "Toni Erdmann" gehört genau in diese Kategorie. Ein seltenes Kino-Phänomen.
Gezeigt wird, wie ein einsamer Vater versucht, sich seiner im Ausland lebenden Tochter wieder anzunähern. Gezeigt wird, wie schonungslos es in Zeiten von Globalisierung und entfesseltem Kapitalismus zugeht. Gezeigt wird aber auch, wie stark die Konformität innerhalb dieser Gesellschaft durchscheint. Dies zu durchbrechen versucht nun die titelgebende Kunstfigur. Im Grunde geht es hier um Verkleidung und Maskerade, immer und überall. Erstaunlich, was Ade daraus strickt. Denn dieses Thema scheint nicht nur narrativ durch, sondern auch handwerklich. So wirkt der Film von außen betrachtet wie ein überlanges Arthouse-Vehikel, stets ohne Filmmusik und mit auffallend langen Einstellungen, wo andere sonst schon laut "Cut!" rufen würden. Hier denkt der Zuschauer aber meist eher an Begriffe wie "WTF" ob der skurrilen Szenarien, die sich mit schmerzlicher Ehrlichkeit entfalten. Es ist verstörend, manchmal gar bescheuert wirkend, in welchen Situationen sich Vater und Tochter begegnen. Es ist eine Mischung aus Ekel, Fremdscham und auch abwegigem Humor, der dabei hineinspielt. Doch je länger man über die eine oder andere Szene nachdenkt, desto konsequenter, kreativer und cleverer erscheinen die Drehbuchideen - unterstützt durch die erneut mutige und eindrucksvolle Darbietung einer Sandra Hüller und einem bärenstarken Peter Simonischek. Es sei versichert, dass man viele Momente nicht so schnell vergessen wird. So entfaltet der Film sich letztlich doch anders im geistigen Auge als im ersten Moment gedacht.
"Toni Erdmann" sollte man durch seine unkonventionelle und scheinbar ungestüme bzw. bewusst an den Kopf stoßende Machart und Tonalität auf jeden Fall mal gesehen haben. Ein verblüffendes Stück Film, das nicht wenig vom Zuschauer fordert, aber dafür auch einiges zurückgibt. Denn wann war der Versuch einer Demaskierung schon einmal so herrlich komisch?
Der Großstadtdschungel L.A. der 70er, breiter Asphalt, nächtliches Laternenlicht und kalt wirkendes Parkhausbeton als willkommene Rettungsinsel - der passende Ort für beherztes und gelenkiges Lenkradkurbeln. Walter Hills "Driver" ist so etwas wie der Fiebertraum für jeden Filmfan, wo das Thema Verfolgungsjagd mit an vorderster Stelle steht. Vielleicht etwas unvernünftig, aber so kann und soll Kino ja manchmal sein. Denn auch wenn der hier porträtierte Beruf des abgebrüht agierenden Fluchtfahrers eher exotisch anmutet, so verlockend anders oder eben einfach cool und spektakulär wirkt doch das zeitweilige Verweilen auf dem Seitensitz. Nicht von ungefähr hat das gleichnamige Computerspiel sich großer Beliebtheit erfreut (mich eingeschlossen) oder Refns "Drive" mit ähnlicher Thematik breite Resonanz erfahren, sodass auch rückwirkend "Driver" nicht zu Unrecht stilprägend für die Popkultur wurde.
Walter Hills Streifen ist vielleicht dem Sujet angemessen auch entsprechend knapp und fokussiert aufgebaut. Der Driver und der Detective liefern sich ein Duell auf außergewöhnlicher Weise, passend besetzt mit einerseits einem auffallend ruhigen Ryan O'Neal und andererseits einem überaus entschlossenen Bruce Dern. Durch die spezielle Charakterisierung samt Moralvorstellung der beiden lässt sich auch nicht eindeutig sagen, wem man, wenn überhaupt, so recht die Daumen drücken sollte. Trotz mehrerer direkter Konfrontationen bleibt es die meiste Zeit ein faszinierender, aber auch harter Schattenkampf um etwas Geld, viel Ehre und ein paar Jahre Knast. Trotz der Intensität wirkt bei mir die Geschichte final allerdings immer so, dass man denkt: Da wären noch ein, zwei Haken in diesem Plot möglich gewesen. Somit bleibt der Film auch narrativ äußerst direkt und schnörkellos. Nichtsdestotrotz lebt "Driver" mächtig von seiner nächtlichen Atmosphäre und den unverkennbaren Film-Noir- und Western-Anleihen, welche schon Grund genug sind, dass man als Fan des Genres diesen Film immer mal wieder auf der Rechnung haben wird.
Viel Italien, sogar 2x Bava dabei: Eine ansprechende Liste, kann ich da nur sagen! "Die Stunde wenn Dracula kommt" gefällt dir bestimmt.
Der Eintrag "Baskin" fällt mir noch auf. Den habe ich zwar jetzt nicht in meiner Auswahl, werde ich aber auch diesen Monat noch schauen.
Liebe CineCouch, ich wäre auch noch gerne dabei beim Gruselgucken. Wie im letzten Jahr gibt es von mir lediglich einen leicht verspäteten Start in die neue #Horrorctober-Saison. Aber da ich einen Kandidaten bereits hinter mir habe, liege ich noch ganz gut in der Zeit bis Halloween. :)
http://www.moviepilot.de/liste/horrorctober-2016-filmschauer
Diese Spannung! Diese Schocker! Diese Musik! Dieses Schauspiel! Dieser Schnitt! Dieser Film!
Das Zusammenspiel aus dem, was Kino ausmacht, lässt sich selten so vielfältig, anschaulich und logisch wertschätzen wie bei Alfred Hitchcocks Horrorstreifen "Psycho". Zwar hat der Film in den über 55 Jahren seit Bestehens zurecht seinen bahnbrechenden Kultstatus in der Filmgeschichte zementieren können und etliche Lobshymnen erfahren, doch mal ehrlich: Wie gut funktionieren solche Kinomeilensteine aus heutiger Sicht noch, wenn es um die bloße Anerkennung deutlich hinaus geht?
Bei "Psycho" lehne ich mich mal einen Spalt aus dem Fenster und sage: Der Film hat noch immer eine vollkommene Wirkung, wie sie fast kein anderes Werk dieser Genregattung leisten kann. Hier ist trotz Schwarz-Weiß-Bild nichts altbacken oder verstaubt, nichts veraltet oder zu handzahm. Hitchcocks einstmals wahnsinnig stilprägende Umsetzung hat alle Zutaten, selbst heutzutage bei der jungfräulichen Erstsichtung den Boden unter einem wegzuziehen. Die berühmt gewordenen Schlüsselszenen brennen sich sprichwörtlich ins Gedächtnis ein, bei denen Bernard Herrmanns musikalischen Klänge und George Tomasinis Schnitt ein kongeniales Stelldichein geben. Gänsehaut deluxe. Wer Hitchcocks Oeuvre kennt, weiß um dessen Fokussierung auf möglichst effektives Kinohandwerk. Darum liebe ich so viele seiner Filme: Erst weil dieses (Grund-)Gerüst genauestens auf seinen Füßen steht und für den Zuschauer möglichst unwiderstehlich erscheint, entspinnt sich auf diesem Fundament erst der Subtext eines Films. Auch bei "Psycho" lässt sich auf einer weiteren Ebene herrlich darüber sinnieren ob der ungeheuren Taten der Protagonisten.
Deshalb sei jedem, der diesen Film schon gesehen hat, eine Zwei- oder Drittsichtung herzlichst empfohlen. Noch interessanter wird es natürlich, wenn der Sitznachbar zeitgleich ihn bisher nicht kennt (warum auch immer...). Hier merkt man jedoch ganz eindrucksvoll, wie durchdacht die gesamte Geschichte durch Joseph Stefanos Skript aufgebaut wird und welche Zweideutigkeiten und Symboliken in Bild und Sprache einfließen (bspw. die eigentlich unverdächtige Butterbrotszene). Anthony Perkins sei Dank, wäre vielleicht auch noch zu sagen, dessen Mimik und Gestik in der Rolle des Norman Bates herrlich undurchsichtig wirkt. Ein Gefühlschaos auch für den Zuseher, weil man nicht weiß, wem man hier im ganzen Ensemble so recht trauen will oder gar sympathisch findet.
Nun könnte ich noch viele weitere Worte über "Psycho" verlieren, doch kompensieren diese nicht ansatzweise die Erfahrungen, die jeder selbst mit diesem Werk machen sollte. Ein Meisterwerk und vielleicht der beste Hitchcock, auch wenn die hochklassige Auswahl so schwerfällt. Pflichtprogramm!
Für die Bourne-Filme steht neben Matt Damon der Name Paul Greengrass. Nicht zu Unrecht, ist sein Handwerk doch stilprägend für das "moderne" Actionkino geworden, was mal mal mehr, mal weniger geglückte Nachahmer gefunden hat - 007 lässt grüßen. Doug Liman wird da gerne mal vergessen, er ist allerdings derjenige, der die Romanvorlage erst in die Neuzeit transferiert hat und wesentliche Grundbausteine für diese Kinoreihe gesetzt und geschürft hat.
Ich mag "Die Bourne Identität" aus verschiedenen Gründen
noch immer sehr gern (was ich bei der erneuten Sichtung anfangs selbst nicht gedacht hätte): Ein klare wie nebulöse Amnesie-Prämisse, gut einbezogene Sets in Europa, handgemachte Actionszenen und im Herzen ein empathisches Duo, welches unterschiedlicher nicht sein könnte. Matt Damon wirkt hier als Bourne noch nicht wie der stahlharte Kerl, den nichts umstoßen könnte. Seine ihm selbst unheimlichen Fähigkeiten kommen erst nur langsam zu Tage. An seiner Seite sind wir als Zuschauer ebenso überrascht wie er selbst, sobald es auf die Ego-Suche geht. Franka Potente ist dagegen der kleine, freundliche Rettungsanker in dieser brisanten Ausgangslage, bei der die Verfolger scheinbar übermächtig erscheinen. Diese Verlorenheit und ständige Unsicherheit vermittelt Liman sehr wirkungsvoll, sodass man ständig die Bedrohung vor CIA & Co. spüren kann. Der mächtige Überwachungsapparat, wie wir ihn heute kennen, wird schon hier deutlich.
"Die Bourne Identität" ist ein erstklassiger und runder Actionthriller geblieben, der sich auch ohne das prägende Greengrass-Gewackel gekonnt behaupten kann. Er könnte ohne Probleme für sich stehen, da er im Grunde die wesentlichen Themen über das unschöne Agententum und fragwürdige Behördenvorgänge aufbereitet, aber wie wir wissen, ist er ebenso ein kräftiger Appetithappen für weitere Bourne-Abenteuer. Das schmerzhaft-digitale Katz-und-Maus-Spiel, was wahrscheinlich doch kein Ende kennt.
So mysteriös und geheimnisvoll einst "Cloverfield" daherkam, so konsequent anders ist sein Nachfolger. In der zumeist enttäuschenden Anzahl an derzeitigen Fortsetzungen, die dann doch nur das Konzept des Originals identitätslos neu aufwärmen, muss man "10 Cloverfield Lane" allein schon konzeptionell loben - selbst das Genre wird neben dem weggelassenen Found-Footage-Gewackel knallhart gewechselt. Hier ist es völlig egal, ob man nun schon den Vorgänger gesehen hat oder nicht - dem Filmvergnügen tut das nur wenig Abbruch.
Regie-Neuling Dan Trachtenberg hat eine sehr abwechslungsreiche Version eines Bunker-Kammerspiels umgesetzt, die verstörend oft zwischen zerbrechlicher Heiterkeitsstimmung und hysterischer Untergangsatmosphäre pendelt. Trotz vermeintlich klaren Umständen folgend schafft es der Film, einem nie die endgültige Gewissheit zu geben ob der Umstände. Hierfür sorgen neben der stilsicheren Kameraarbeit speziell die nachhaltig beeindruckenden Schauspielleistungen, bei denen natürlich Mary Elizabeth Winstead und John Goodman hervorstechen (Sorry, John Gallagher). Winstead ist die obligatorische Führungsfigur für uns Zuschauer und verzweifelt-rationaler Rettungsanker in diesem Bunker. Goodman gibt jedem seiner Fans nochmals gehörig Futter, indem er unnachahmlich einen völlig unberechenbaren Charakter mimt, dem man in 100 Minuten fast das gesamte Spektrum eines Menschenzugs abdeckt.
Zugegeben, nicht jede Drehbuchwendung, speziell bei den Finalszenen, hat mich so richtig überzeugen können. Und das mag "10 Cloverfield Lane" einen etwas unrunden Nachgeschmack verleihen. Wer jedoch ein dickes Überraschungspaket mit einer ordentlichen Portion Spannung sehen und einen Goodman in Hochform genießen will, der macht hier nicht viel falsch.
Ein faszinierender Typ, dieser Mark Watney. So beschissen und bedauernswert seine Lage völlig allein und verlassen auf unserem Nachbarplaneten auch ist, so herrlich aufregend, komisch und fachlich interessant ist sie für uns Rezipienten. Es sind diverse Punkte, die "Der Marsianer" so abwechslungsreich machen - etwa der positive, konstruktive Geist, den alle Beteiligten umgibt. Oder eben schlicht die Tatsache, dass unser eigenwilliger Held sich mal nicht, wie man es bei Blockbuster-Filmen meist gewohnt ist, mit Schusswaffen oder Faustschlägen behilft, sondern mittels Kreativität, Spontanität und wissenschaftlichem Verständnis seine mal großen, mal kleinen Ziele erreicht. Der Plot ist im Grunde herrlich simpel und doch so genial einvernehmend. Debütautor Andy Weir hat mit seinem lockeren, teils flapsigen Schreibstil ein mitreißendes und kurzweiliges Buch für jeden Weltraum-Fan geschaffen - und damit gewissermaßen eine sehr willkommene Filmvorlage serviert. Ridley Scott hat einen guten Riecher gehabt, sich dieser Romanumsetzung anzunehmen und ein weiteres Mal in seiner Vita einen Science-Fiction-Film abzuliefern. Erfrischend: Diesmal sind die Wissenschaftler sogar schlaue Menschen, anders als noch so so manches Mal in seinem "Prometheus"...
Nun soll es hier eigentlich keinen dezidierten Vergleichsvortrag zwischen Buch und Film geben. Darum so knapp wie möglich: Das Buch liefert unheimlich viel Futter für jeden, der technisch und physikalisch jede Watney-Handlung auf dem Mars nachvollziehen will. Fast schon erwartbar konnte Scott in diesem Segment nicht alle Details und Szenen auf die Leinwand bringen, weil das den Film wahrscheinlich gesprengt hätte. Immerhin gibt es noch zwei weitere Orte, die in dieser Geschichte wichtig sind. Natürlich hätte man zugunsten einer puristischen Mars-Odyssee sich nur auf Watneys Treiben spezialisieren können. Zugegeben, eine solche Umsetzung hätte ich auch als sehr spannend empfunden, wäre jedoch zu einer reinen One-Man-Show à la "Cast Away" geworden. Wie das tatsächliche Ergebnis jemand nun empfindet, der ohne Bucherfahrungen Watneys teils waghalsige Überlebensszenarien sieht, ist eine Frage, die ich nur schwer beantworten kann. Das allein sollte jedoch Grund für jeden Zuschauer sein, bei Interesse das Buch nachzuholen.
Ansonsten hat Scott vieles richtig gemacht: Watneys unnachahmlichen Humor so gut es geht vermitteln, die allgegenwärtige Todesgefahr trotz des lange porträtierten Zeitraums nicht allzu vernachlässigen und für eindrucksvolle Bilder sorgen (Jordaniens Wüstenlandschaft ist dein Freund bzw. Feind). Letzteres ist bei Ridley Scott eigentlich immer geglückt, möge der Film sonst noch so vernachlässigbar sein. Hier hat er neben naheliegenden Umsetzungsideen wie der der Video- statt Texttagebücher aber auch ein gutes Händchen bei den Darstellern bewiesen, wo selbst die Nebenrollen noch ziemlich namhaft besetzt worden sind. Auch wenn ich vorweg leichte Zweifel hatte ob der Wahl Matt Damons für Mark Watney, so passt diese Rolle doch ausgesprochen präzise. Der Geist von Weirs Vorlage wurde damit sehr zufriedenstellend eingefangen, selbst wenn zugunsten der Kinodramaturgie die "gefühlte" Zeit auf dem Mars etwas rapide verkürzt wurde. Auch deshalb wird der Roman weiterhin noch höher in meiner Gunst verbleiben. Scotts "Der Marsianer" ist aber eine gelungene Adaption und bietet mit seiner kämpferisch-heiteren und fast vollständig unsentimentalen Attitüde eine willkommene Alternative im Genre. Mission accomplished!
Was 20 Jahre früher die Emmerich-Blaupause für den Katastrophen-Blockbuster darstellte, ist heutzutage schon fast ein nostalgischer Trip: "Independence Day" bleibt für mich ein Hingucker - seien dessen inner- und außerirdischen Merkmale bei genauerer Betrachtung noch so platt, noch so mängelbehaftet. Worin heutige Filme mit vergleichbarer Tragweite oftmals scheitern, kann "ID4" noch immer punkten. Der Film besitzt trotz des ganzen Brimboriums Herz, was besonders dem starken ersten Akt geschuldet ist, der eine nicht mal kleine Anzahl an (menschlichen) Figuren mit hinreichend Unterbau ausstattet, um sie einigermaßen sympathisch zu finden. Umso bemerkenswerter, wenn man sich anschaut, welch extreme Charaktere hier dargeboten werden, die mit Leuten wie Jeff Goldblum, Bill Pullman oder Will Smith allerdings gut und passend besetzt wurden.
Natürlich kommt dem auch gewissermaßen zugute, dass in den 90ern eben nicht das erst aufkommende CGI locker flockig alles überrennen konnte und man deshalb gezwungenermaßen mit seinen Eyecatchern haushalten musste. Diese sind jedoch in den allermeisten Szenen auch heute noch äußerst eindrucksvoll (es lebe der Miniaturbau!), angefangen beim großen, angsteinflößenden Alienangriff bis hin zur unheimlichen Mutterschiffsszene. Einfach spektakulär das Ganze, wenngleich mir die Auflösung dieser Geschichte eine Spur zu billig daherkommt. Die Prise Ironie, wie immer durch Goldblums Darstellung besonders präsent, steigert nichtsdestotrotz den Unterhaltungswert und lässt die eine oder andere fragwürdige Drehbuchidee schlucken - insbesondere der bei "Independence Day" obligatorisch zu nennende US-Patriotismus. Roland Emmerichs endgültiger Durchbruchsfilm ist nach wie vor sehr unterhaltsames Popcornkino. Schade, dass er danach dieses Level bisher nie wieder erreichen konnte.
Wenn der Name Corbucci im Spiel ist, dann ist der Begriff Italowestern nicht weit. Nur ist es bei "Im Staub der Sonne" nicht der werte Sergio, der hier die Klaviatur der erhofften Pistolero-Unterhaltung bedient. Dessen jüngerer Bruder Bruno darf sich hier mal etwas austoben, nachdem er schon bei Sergios Genre-Meisterwerken in Sachen Drehbuch unterstützen konnte. 1968 war mitten in der Hochphase des Italowesterns, bei der scheinbar jeder italienische Regisseur mal einen Beitrag zu leisten hatte (siehe Fulci, Bava & Co). Bemerkenswert ist dabei immer wieder die unvermeidbare Handschrift eines jeden Filmemachers, welche sich in einem zumeist archetypischen Western-Korsett widerspiegelt.
"Im Staub der Sonne" ist dabei sicher kein Ausreißer aus narrativer Sicht: Es geht um Rebellion, clevere Deals, Schicksalsgemeinschaften, zerrüttete Familienverhältnisse und blutige Schießereien. Alles ziemlich ernsthaft und sehenswert umgesetzt, wie man es gewohnt ist. Bei Bruno Corbucci, der eher mit Komödien in Verbindung gebracht wird, ist hier und da aber noch ein (harmloser) Schuss Witz und Ironie dabei, der diesem Italowestern mehr Ecken und Kanten verleihen soll. Das geht los mit einer Ente (!), die ausgerechnet von einem Banditenboss stets umsorgt wird und endet mit den beiden Hauptdarstellern und deren schmissigen Konversationen. Gewöhnungsbedürftig, aber okay.
Corbuccis Film hat anfangs seine kleinen Temposchwierigkeiten, während die verschiedenen Figuren in Erscheinung treten. Doch spätestens, als dieses Duo, Cowboy Stark und dessen wertvolles Transportmittel namens Fidel, unter widrigen Bedingungen sich tagelang gegenseitig das Leben schwer machen, kann "Im Staub der Sonne" gewissermaßen mitreißen. Das Finale ist schließlich so, wie es Genrefans erwarten: laut und bleihaltig, allerdings auch vorhersehbar in seiner Entwicklung. Die Geschichte mag zwar damit narrativ einigermaßen rund sein, ohne jedoch mit dramatischer Finesse zu glänzen. Viele Momente wirken zu konstruiert, um den gewünschten Effekt - wie etwa die steigenden Sympathiebekundungen zwischen den beiden Protagonisten - zu erzielen. Inszenatorisch ist der Film allerdings auf sehr guten IW-Niveau, speziell die Kameraarbeit. Summa summarum ein absolut fähiger und unterhaltsamer Genrefilm, ohne bei mir die ganz großen Jubelschreie auszulösen.
Auf dem nüchtern betrachteten Papier ist Brad Peytons "San Andreas" ein Katastrophenfilm der handelsüblichen Sorte. Viel Gaga, zahlreiche Szenen in typischer Ritt-auf-der-Rasierklinge-Manier und der handelsübliche US-Pathos. Nicht zu vergessen: Eine Special-Effects-Show der dicken Sorte als gewichtetes Hinschau-Argument. Der beste Effekt ist in diesem Erdbebenszenario aber die vorderste Besetzung. Denn ja, Dwayne Johnson rockt für mich diesen Film in unnachahmlicher Manier. Er kann quasi alles: Hubschrauber pilotieren, Flugzeuge fliegen, Autos fahren (und rechtzeitig bremsen), Boote steuern, Luft anhalten - was man eben so macht, wenn man die Familie retten will. Schlicht ein Loblied auf das Ein-Mann-Rettungspaket, wie man es mit solch breiten Schultern nur bei Arnie in den 80ern derart imposant beobachten durfte. Nur sind hier keine Bösewichte im Weg, sondern zusammenkrachende Wolkenkratzer, natürlich in dramaturgisch vorteilhafter Zeitfolge.
Im Grunde formiert sich dieser Film zu einer abstrusen Form eines Familienabenteuers in einer außergewöhnlichen Situation, wo jedoch letztlich die "richtigen" Werte wieder zusammengesetzt werden. Das fand ich für dieses Genre nicht einmal unsympathisch umsetzt und das hätte schon fast als Plot gereicht. Die lokale Politik spielt zwar hier überraschend gar keine Rolle, dafür aber das obligatorische Wissenschaftsteam, die das drohende Unheil vorhersieht. Trotz Paul Giamatti wirkt dieser Handlungsnebenstrang bis auf die medialen Warnhinweise jedoch eher überflüssig. Die ganze Geschichte ist natürlich streng auf Spektakel hin konzipiert, aber das passend hohe Tempo und die handwerklich gute Umsetzung (jedoch nicht immer) lässt einen als Zuseher recht locker über die knapp zwei Stunden hinwegkommen. Die letzte Einstellung hätte man sich jedoch getrost schenken können. Möge die Spalte in der Realität noch lang seine Ruhe behalten. Das vielleicht nötige Methadon-Programm für Genrefans, bevor Roland Emmerich demnächst wieder das Zepter der gekonnten Katastrophenorgie übernimmt.
PS: Biergenuss kann während der Sichtung nicht schaden.
Das Bahnhofskino ruft mal wieder: "Perrak" ist honoriges Krautploitation-Entertainment der 70er, wie so oft aus der großen Hansestadt im Norden und selbstverständlich so verrucht, schmutzig und wild dargestellt wie möglich. Allein die kuriose Einparksituation am Hafen oder ein im gleichen Jahr als Tatort-Kommissar startender Walter Richter als obdachloser Suffkopp und zufälliger Entdecker eines ermordeten Transsexuellen machen zu Beginn die Richtung schnell klar. Wallace-Spezi Alfred Vohrer hat hier einen für Genrefreunde sehr ansprechenden Film geliefert, indem er das, was später in Italien als Poliziottesco etikettiert wurde, zumindest schon einmal merklich streift. Kein Geringerer als Horst Tappert darf sich hier in einer Art Derrick-Vorversion der Hamburger Kriminalität annehmen, was ihn u.a. in devote Bordellformen eintauchen lässt. Ansonsten sollte man über die Geschichte nicht zu viel verraten: Die Krimihandlung hat genügend Fleisch, um ständig am Ball bleiben zu müssen und wird auch ganz befriedigend zu Ende gebracht. Ausgeschmückt wird diese mit sehr skurrilen Figuren fernab jeglichen PC-Gedankens, wunderbaren Dialogen aus der Abteilung ehrlicher Lebensberatung und genügend urbane Atmosphäre vergangener Zeiten. Zwar hat der spätere "Zinksärge für die Goldjungen" etwa in Sachen Rasanz und Attraktion noch ein gutes Stückchen drauf setzen können, "Perrak" muss sich aber in dieser heutzutage schnell in Vergessenheit geratene Filmsparte und darüber hinaus wahrlich nicht verstecken.
"Demolition Man" ist für mich ein Phänomen: Eigentlich als reißerischer B-Actioner etikettiert, wie sie dutzendfach in den 90ern vom Stapel liefen, konnte der Film über Jahre einen schwer begründbaren Reiz bewahren, weshalb er nie im Dunstkreis seines Genres so recht untergehen wollte. Er ist gewissermaßen mehr, als seine Einzelteile vermuten lassen. Zuallererst ist es eine unterhaltsame Gut-gegen-Böse-Geschichte. Trotz seiner Fehler wirkt der von Sylvester Stallone imposant dargestellte John Spartan von Beginn an wie der Superheld dieser Geschichte. Wesley Snipes in allen Ehren, doch seine Antagonistenrolle ist hier nur Mittel zum Zweck - da kann er noch so verrückt spielen. Er ist ein veritabler Widerpart zur widerwilligen Geheimwaffe Spartan, doch ihre direkten Konfrontation in ferner Zukunft sind allein noch nicht das ganz große Highlight von "Demolition Man".
Viel lohnenswerter sind für mich hier die beiläufigen, manchmal gar subtilen Einfälle, die das Zukunftssetting erst mit Leben füllen. Mit Spartan trifft der brachial-ironische Pragmatismus der Gegenwart auf eine verstörend klinisch-naive Zukunft. Culture Clash der etwas anderen Sorte. Dass das nicht selten schiefgeht, ist klar - Stichwort: die drei Muscheln (legendär in bestimmten Fankreisen, habe ich gehört). Es sind aber auch wirklich einige sehr illustre Zukunftsideen dabei. Manches, wie etwa autonomes Fahren oder das erotische Virtual-Reality-Erlebnis, sind schon heute aktueller denn je. Allein diese Aspekte, geschmückt mit einem Augenzwinkern, verleihen "Demolition Man" einen interessanten Wiederseheffekt. Es ist aber auch der trockene Oneliner-Humor eines Stallone oder die meisten Szenen mit der denkwürdigen Erscheinung namens Lenina Huxley (Sandra Bullock), weshalb der Streifen auch nach über 20 Jahren dicke punkten kann.
Wo viele futuristische SciFi-Filme an ihren meist anspruchsvollen Maßstäben und Visionen beim Zuseher scheitern, trifft "Demolition Man" vom Italiener Marco Brambilla (hier darf man wohl bedauerlicherweise von einem One-Hit-Wonder-Regisseur sprechen) trotz eines bewährten Grundkorsetts mit lockerem Ton und dennoch harter Gangart ziemlich gekonnt ins Schwarze. Wieviel man von genau dieser Zukunftsversion nun erhofft oder befürchtet, darf dann jeder mit sich selbst ausmachen. So als kleine Hausaufgabe, wenn der Abspann läuft.
In "Malone" riecht und schmeckt man förmlich das Actionkino der 80er Jahre: Prominenter Hauptdarsteller, schonungslose Bösewichte, ansehnliche Damen, ein geradliniger Plot, viel Krawumm und entsprechende Einschusslöcher bei jeder Ladung aus der Kanone sowie die eine oder andere Explosion. Fertig ist das Paket, passend dazu mit dem FSK-18-Siegel von einst. Ist es tatsächlich so einfach? Zumindest der relativ zurückhaltende Beginn hat mich schnell in diese Geschichte einbezogen. Wie ein tendenziell schweigsamer Burt Reynolds im fortgeschrittenen Alter (womit dessen Figur später sogar kokettiert) das kleine Dörfchen in einem Gebirgstal unfreiwillig länger einen Besuch abstattet, hat schon etwas. Jedoch sind die Handlungsparameter allzu schnell gesteckt. Jeder weiß, worauf es wohl hinauslaufen soll und auch wird. Nun kann man mit sich selbst ausmachen, ob das für einen Film reicht. Letztlich kann "Malone" lediglich das Genre bedienen, ohne auch nur die Spur darüber hinaus Futter zu liefern. Das wirkt als Gesamtpaket dann doch nur eingeschränkt aufregend - speziell, wenn mit heutigen Augen darauf schaut und dessen Genrekollegen aus dieser Zeit kennt. Eher was für den geneigten Reynolds-Fan, falls es den noch in der Form gibt.
Nachdem es lange Zeit ziemlich ruhig um die Schauspielauftritte des einstigen Publikumsmagneten Will Smith geworden war, hat es durchaus Freude gemacht, ihn wieder einmal als gewohnten Hauptdarsteller in einem Film zu Gesicht zu bekommen. "Focus" hat nicht nur deshalb einen leichten Retro-Charakter. Immerhin geht es hier trotz des Internetzeitalters um die klassisch-analoge Trickbetrügerei. Die alte Schule sozusagen. Krumme Dinge und Diebstähle von fantasievoller Qualität sind auf der Tagesordnung, wobei sich nicht nur die Protagonisten gegenseitig ausspielen, sondern parallel dazu auch der Zuschauer hin und wieder auf die Probe gestellt wird. Auch das Kino selbst benutzt bekanntermaßen den einen oder anderen Trick (einige könnten das Wort Manipulation in den Raum werfen), um den Zuschauer hinter das Licht zu führen, ihn bewusst abzulenken, damit hintenrum das forcierte Ziel erreicht wird. Gut, dass wir nur am Ende (meist) nur die Höhe des Ticketpreises dafür zu zahlen haben. Manch anderer in diesem Film hat einen immens höheren Beitrag zu leisten. Mit welcher Nonchalance diese kriminellen Fähigkeiten vor meist schöner Kulisse dargestellt werden, ist die unterhaltsame Note dabei. Smith wirkt in gewohnter Form, auch Kollegin Margot Robbie spielt ihre Szenen erfreulich locker weg. Da ist es verschmerzbar, dass der Plot irgendwann die Grenze erreicht, was noch einigermaßen glaubwürdig erscheint. Zuvor ist es die wahnwitzig-groteske Wettszene mit B. D. Wong (Stichwort: Football-Stadion), die allein schon die Sichtung von "Focus" wert ist. Insgesamt mag diese illustre Betrugsgeschichte vom Regie-Doppelgespann Glenn Ficarra & John Requa zwar nicht der große Wurf sein, aber immerhin kurzweiliges Hollywoodkino in bewährter Form - und zur inhaltlichen Nachahmung selbstverständlich nicht empfohlen...
Auch mit etwas zeitlicher Distanz: Der neue Star-Wars-Film "Das Erwachen der Macht" bleibt für mich ein zweischneidiges Schwert.
Die kindliche Seite in mir hat ganz simpel ein weiteres Weltraumabenteuer in altmodischerer Manier herbeigesehnt, über allerlei Bekanntes und Unbekanntes in diesem Universum gestaunt, mit den neuen Charakteren mitgefiebert und über so manch lockeren Spruch gelacht.
Die erwachsene Seite in mir hat sich reflexhaft über narrative Spontanvergleiche mit dem Handlungsbogen der Originaltrilogie hergemacht, sich mehr über die Novizen im Cast wie der wahr gewordene Nerdtraum Rey als über die Altcharaktere gefreut und letztlich die kühl-clevere Vermarktungs- und Kalkulationsstrategie von Disney & Co. zumindest anerkennen können.
Vielleicht ist dieser Zwiespalt ja auch nur typisch für eine solche Art von Blockbuster im heutigen Reboot- und Remake-Zeitalter. J.J. Abrams versteht es natürlich, generell Vorfreude auf einen Film zu produzieren - siehe "Star Trek", "Cloverfield" oder "Super 8". Und dann noch "Star Wars", der Goldesel der Filmbranche. Entsprechend gestaltete sich die Erwartungshaltung und analog dazu sieht auch der Film aus. Im Grunde kann man ihm wenig vorwerfen: Mit dem Wissen, welche Reaktionen die Star-Wars-Prequels von Lucas provoziert haben, hat er inszenatorisch und atmosphärisch auf der richtigen Klaviatur gespielt. Wir wollten alle die Originalstimmung, hier ist die im Film verkleidete Nostalgieshow ohne glänzendem CGI-Bombast, aber dafür mit viel Altmetall. Und das nach all den Jahrzehnten! Ich kann nicht verhehlen, dass dieses verkappte Familientreffen ihren Spaß gemacht hat. Dass sich die Geschichte selbst trotz des sehr verheißungsvollen Beginns mit Rey, Finn oder Poe an vielen Stellen nicht genügend von der Original-Trilogie emanzipieren kann, sondern manchmal einzig nur den berüchtigten Fanservice bietet, mag demzufolge ein logisches Merkmal sein. Was dann, wenn man genauer darüber nachdenkt, doch in ihrer berechnenden Note stellenweise ernüchternd wirkt. Es wird interessant zu beobachten sein, ob er in meiner Gunst noch steigen oder fallen wird, wenn der Rest dieser erweiterten Saga veröffentlicht ist.
Ich hoffe, dass in Teil 8 mit Rian Johnson am wichtigen Kommandopult die alten Zöpfe endgültig abgeschnitten werden können. Die sehenswerten Grundpfeiler, ob auf der hellen oder dunklen Seite, sind zumindest schon gesetzt. Naiv gesprochen: Schlicht mehr Mut und mehr Fantasie wagen, der Kosmos ist schließlich groß genug - und die Dollars werden auch so genügend in die Kassen wandern.
So etwas wie die Fury-Road-Variante der Stummfilmzeit: "Der General" von und mit Buster Keaton ist ein erstaunliches Stück Kino, das auch mit dem heutigen Blick nichts von seiner Rasanz, seinem Witz und seiner Finesse verloren hat. Keaton stellt mit einem wahnwitzigen Eisenbahnduell einen kleinen Aspekt des amerikanischen Bürgerkriegs in den Mittelpunkt und verknüpft das gekonnt mit den Mitteln der Komödie. Der Vergleich zu George Millers neuestem Mad-Max-Abenteuer kommt bei mir nicht nur auf, weil hier wie dort eine symmetrische Plotstruktur mit zwei Verfolgungsjagden im Mittelpunkt steht, die mit verrückten Stunts aufwarten können, sondern auch aufgrund der sehr visuellen Erzählweise, die mit wenig Dialog bzw. Zwischentitel auskommt und trotzdem eine kompakte und nachvollziehbare Geschichte präsentiert.
Keaton spielt den Helden mit zwei Herzen in der Brust zudem dermaßen überzeugend in stoischer Manier, das man als Zuseher jede noch so waghalsige Aktion nachsieht. Die Liebe, ob Maschine oder Mensch, steht trotz Kriegstreiben im Mittelpunkt. Hier stimmt richtig viel: Pacing, Kameraarbeit, Schnitt, Musik. Ausdrücklich empfehlenswert für jene, die vielleicht ansonsten riesige Probleme mit Stummfilmen haben. Der tut gar nicht weh und macht verdammt viel Laune! Fast ärgere ich mich, dass ich ihn nicht schon eher gesehen habe, was ich nicht über jeden Klassiker sagen könnte. Klar ist nur: Ich sollte demnächst noch mehr Keaton-Filme nachholen!