Framolf - Kommentare

Alle Kommentare von Framolf

  • 8 .5
    über The Act

    Die tragischsten Geschichten schreibt das Leben.

    ++ Leichte SPOILER ++

    Eine in höchstem Maße manipulative Mutter (Patricia Arquette) schickt ihre Tochter (Joey King) durch ein langjähriges Martyrium und öffnet damit eine Büchse der Pandora der ganz besonderen Art. Das Perfide daran: Aus egoistischen Motiven kappt oder unterbindet sie nahezu jegliche Sozialkontakte der Tochter; zudem ruiniert sie auch noch aktiv deren körperliche Gesundheit. An wen soll sich Gypsy also wenden, wenn sie Hilfe braucht? Und einen Schritt weiter gedacht: Was soll aus ihr werden, wenn ihre Mutter eines Tages selbst das Zeitliche segnen wird? Dee Dee Blanchard ist das alles egal bzw. nicht wichtig genug, um derlei Gedanken in ihre Überlegungen miteinzubeziehen. Gypsy hat also nahezu keine Kontakte nach außen und innerhalb der eigenen vier Wände wird ihr das Leben zur Hölle gemacht – und das in einer Lage, in der sie vulnerabler kaum sein könnte.

    Wie grausam kann also ein Mensch sein – und welche Früchte des Zorns können daraus resultieren? Dee Dee Blanchard bettelt regelrecht darum, eine Antwort auf diese Frage zu finden.

    Ambitioniert verfilmt und hochkarätig besetzt wird dem Publikum mit 'The Act' eine immer intensiver vorgetragene Erzählung präsentiert, der man sich nur schwer entziehen kann. In Nebenrollen sind mit Margo Martindale, Rhea Seehorn, Chloe Sevigny, Juliette Lewis, Dean Norris u.v.m. zahlreiche bekannte Gesichter zu sehen, wodurch die beiden beherzt aufspielenden Hauptdarstellerinnen keineswegs im luftleeren Raum agieren, sondern innerhalb eines Ensembles mit zahlreichen renommierten Mitgliedern auftreten, was zusätzlich zur Intensität der Inszenierung beiträgt. Geschichten wie diese wirken ohnehin schon lange nach – erst recht, wenn die Umsetzung derart hochwertig erfolgt.

    KURZFAZIT

    Die tragischsten Geschichten schreibt das Leben. Leider.

    32
    • 4

      Die Tochter einer (mehr oder weniger) alleinerziehenden Mutter erweckt von einem Tag auf den anderen den Eindruck, nicht mehr sie selbst zu sein. Zwar treiben ihre Handlungen noch lange nicht die Blüten, die man aus Exorzismusfilmen kennt, doch irgendetwas stimmt trotzdem nicht. Als Zuschauer entwickelt man ab einem gewissen Punkt eine Ahnung, was hier vor sich gehen könnte, doch die Mutter will es offenbar lange Zeit nicht wahrhaben (aber gut, sie weiß auch nicht, dass sie in einem Film mitspielt...). Auf der anderen Seite hat sie noch ein anderes Thema mit ihrer eigenen Mutter, die zunehmend eine Demenz entwickelt.

      Filme wie 'Run Rabbit Run' findet man im Horror- und Psychothrillergenre wie Sand am Meer; da fällt es Filmschaffenden sicher nicht leicht, aus der Masse herauszustechen. Daina Reed (Regie) versucht es gar nicht erst. Zwar kann sich die düstere Atmosphäre dieses Psycho- bzw. Mysterythrillers durchaus sehen lassen, doch die Handlung erscheint derart herkömmlich, dass sich so gut wie keine Spannung einstellt. Langsam wird in bedrohlichem Erzählton ein Rätsel aufgebaut, das eigentlich gar keines ist. Oder genauer formuliert: Zwar wird man als Zuschauer lange Zeit über die biographischen Hintergründe der Charaktere im Unklaren gelassen, doch man kann ja auch verstehen, wie eine Maschine funktioniert, ohne zu Wissen, wo deren Erfinder gewohnt hat oder ob er verheiratet war. Oder wieder anders formuliert: Ein Teil des Rätsels bleibt lange offen, doch ob das auch der Teil ist, der die Mehrheit der Zuschauer interessiert, steht auf einem anderen Blatt. Mit ein klein wenig mehr Ambitionen wäre hier fraglos ein sehr viel besserer Wurf möglich gewesen. Doch so steht am Ende eben nur biederer Durchschnitt – wenn überhaupt.

      KURZFAZIT

      Ein ziemlich gewöhnliches Drehbuch solide abgefilmt.

      35
      • 6

        Fünf Freunde fahren in den Wald zum Camping. Sie haben ein paar Dosen Bier dabei, eine kleine Bong und immerhin ein Kondom. Im Überfluss leben sie damit zwar nicht, doch ein Anfang ist gemacht. Also Bierdosen und Hosenstall auf und los geht der Spaß!

        An sich ein guter Plan, allerdings nicht, wenn man auch gerne mal mit scharfen Klingen hantiert. Wie bereits zu Beginn des Filmes wenig subtil angedeutet wird, säbelt sich einer dieser Einsteins die Nudel (für die Jüngeren: die Aubergine) ab. Das war's dann wohl mit Bier, Gras und Sex. Naja, immerhin ein paar Dosen haben sie geleert. Doch jetzt steht für die übrigen vier Möchtegern-Camper eine Wanderung zum Krankenhaus an, wo ihrem Kumpel das beste Stück wieder angenäht werden soll – sofern nicht noch mehr Probleme auftauchen. Doch wie man sich denken kann, sind diese Ereignisse nur der Auftakt für eine regelrechte Aneinanderreihung von Absurditäten.

        Wer in seinem Leben bereits mehr als fünf US-Komödien gesehen hat (also jeder), wird eine ganze Reihe vermeintlicher Wendungen und Gags bereits mehrere Minuten vorher kommen sehen. Die Dialoge sind überwiegend dümmlich und ein Teil der Handlung ergibt keinerlei Sinn. Doch wer nicht hin und wieder gerne auch mal Deppenkomödien schaut, werfe den ersten Stein.

        Aua!

        Grob gesagt ist man hier in der Abteilung 'Repli-Kate' (2002) unterwegs, in der sich Phantasien und Ängste Jugendlicher auf unselige Weise vereinen. Die Charaktere schlittern von einer Katastrophe in die nächste – und haben doch irgendwie Spaß dabei. Große Teile des Publikums wenden sich entsetzt ab, doch wenigstens ist Regisseur Jake Szymanski ('Mike and Dave Need Wedding Dates') ehrlich. Mit 'The Package' liefert er dem Publikum genau das, was im Vorfeld zu erwarten bzw. zu befürchten war, was allemal besser sein dürfte als eine Produktion, die sich ohne jegliche Substanz aufplustert oder sogar manipulativ daherkommt.

        KURZFAZIT

        Niveaulos, dümmlich und vorhersehbar. Her damit! :-)

        31
        • 4 .5
          Framolf 15.06.2024, 06:32 Geändert 15.06.2024, 06:35

          Zwei Ganoven setzen sich auf der Flucht aus Amerika nach Deutschland ab. Dort kommen sie zunächst im Kiez von St. Pauli an, ehe es sie nach München verschlägt. Müßig zu erwähnen, dass sie sowohl im Norden als auch im Süden der Republik in skurrile Situationen verwickelt werden. Zur gleichen Zeit nehmen in den Vereinigten Staaten zwei andere Gangster, die nach einem Raubmord vom FBI verfolgt werden, vier Frauen als Geiseln, für die damit eine üble Tortur beginnt.

          Um es vorwegzunehmen: Der Titel dieses Machwerks hat nicht besonders viel mit der tatsächlichen Handlung zu tun. Wie man es von Alois Brummer und anderen Produzenten kennt, sollen diese zumeist halt entweder möglichst reißerisch oder bescheuert klingen, um für das interessierte Publikum kenntlich zu machen, ob es sich um einen eher gewaltorientierten Exploitationstreifen oder um eine frivole Komödie handelt. Da hier weder von Jucken, Jodeln, Dirndln, Lederhosen oder einer Alm bzw. Sünden die Rede ist, kann man also schon im Vorfeld getrost davon ausgehen, dass es hier relativ wenig zu lachen geben wird. Zumindest in dieser Hinsicht wird dann auch zuverlässig geliefert. Fast schon Schmerzen bereitet jedoch der äußerst holprige Erzählrhythmus. Nachdem man zunächst den beiden vertrottelten Neuankömmlingen in Hamburg sowie einem ganz besonders schrägen Zuhälter (ein kleinwüchsiger Geldeintreiber, der leidenschaftlich gerne Ohrfeigen verteilt, nur leider nicht groß genug ist, um ohne Hilfsmittel Backpfeifen verteilen zu können) bei der Arbeit zusehen darf bzw. muss, wird mehr oder minder unvermittelt in einem unbeholfen-ruppigen Übergang (ein Ganove fragt den anderen, was wohl die beiden Komplizen in den USA gerade machen könnten) die Szenerie gewechselt und über eine recht lange Strecke das neueste Verbrechen der beiden Delinquenten in Amerika gezeigt (die besagte Geiselnahme).

          Kurz vor dem eher komödiantischen Finale geht der Blick dann zurück nach Deutschland, wo die beiden Gauner vom Anfang der Geschichte ein Ehepaar überfallen und ausrauben. Die Ehefrau, die des Zusammenlebens mit ihrem geizigen und kleinkarierten Gatten überdrüssig ist, nutzt die Gelegenheit, um ein neues Leben zu starten. Falls es die selbstgestellte Aufgabe der „Autoren“ gewesen sein sollte, die dümmstmögliche Geschichte in die Handlung einzuflechten, ist ihnen dies auf jeden Fall gelungen. Glückwunsch dazu!

          KURZFAZIT

          Unausgegoren zusammengestöpselte Mischung halbseidener Ideen.

          ---

          Die Zusammenfassung der Handlung auf MP tut fast schon körperlich weh. Eine Mischung aus Geschmacklosigkeiten und Unwahrheiten - und ganz nebenbei wird auch noch das Ende gespoilert. Offenbar wollte man das Niveau des Drehbuchs noch unterbieten. Mission gelungen!

          31
          • 5 .5

            Ein Milliardär (welch bodenständiges Understatement von Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller Russell Crowe) besorgt sich zunächst eine rätselhafte Substanz, ehe er seine Freunde aus Jugendzeiten zu einer Pokerpartie einlädt. Von einem urigen Spieleabend, wie ihn wahrscheinlich die meisten Zuschauer aus ihrem eigenen Leben kennen dürften, könnte man dabei gar nicht weiter entfernt sein, denn schon der Weg zu seinem Anwesen ist als Autorennen in Nobelkarossen konzipiert – und das ist noch so ziemlich der normalste Teil der ganzen Veranstaltung. Was folgt, ist jedenfalls zunächst ein Psychoduell der eher extravaganten Art, ehe die Handlung in eine etwas andere Richtung abbiegt, die zwar schon früh angedeutet, aber erst etwas später auch tatsächlich beschritten wird. Gegen Ende hin schlägt der Tonfall erneut um, wodurch die Handlung im Stil eines Dramas abgeschlossen wird.

            Ambitioniert sind Russell Crowes Pläne allemal; schließlich strebt er hier einen Mix aus verschiedenen Genres an, in denen eine ganze Reihe von Gefühlslagen vereint werden soll. Thrillersequenzen und nachdenklichere Töne wechseln sich mehrfach ab, wobei das Produktionsdesign von einem leicht futuristischen Touch umgeben ist, was wiederum von einem gewissen Mysteryeinschlag während der Szene bei dem Schamanen unterbrochen wird. Wirklich rund wirkt diese Mischung allerdings nur selten. Crowes Wirken erinnert an die ersten Spiele eines neuen Fußballtrainers, dessen Spielidee zwar erkennbar ist, aber bisher noch keine nennenswerten Früchte trägt.

            Als einer der Gründe ließe sich neben dem zwar vielseitigen, aber etwas unausgegorenen Drehbuch die Besetzungsliste anführen. Neben Elsa Pataky sind mit Aden Young, RZA, Liam Hemsworth oder Daniel MacPherson zwar einige durchaus bekannte Gesichter involviert, mit Blick auf das Alter der einzelnen Darsteller ergibt sich aber bereits das eine oder andere Fragezeichen, was zwar eigentlich keine große Sache darstellt, aber letztlich doch symptomatisch für diesen Film erscheint: Statt sich auf die fraglos vorhandenen Qualitäten zu stützen, wollte man offenbar zusätzlichen Glitzer über die Produktion streuen, auch wenn dabei die Gesamtrezeptur noch weiter ins Wanken gerät.

            ++ SPOILER ++

            Als eigentlicher Clou der Konzeption erweist sie die Idee, der Geschichte einen Prolog voranzustellen, dessen Grundstruktur später gespiegelt wird: Der Protagonist und seine Freunde liefern sich eine Art Psychoduell, das auf den ersten Blick massiv zu eskalieren droht, ehe sich ihre etwas älteren Widersacher als die wahre und eigentliche Bedrohung entpuppen, gegen die es gemeinsam an einem Strang zu ziehen gilt.

            KURZFAZIT

            Durchaus ambitioniert, aber nicht fokussiert genug.

            38
            • 7 .5
              Framolf 12.06.2024, 01:16 Geändert 04.03.2025, 08:54

              Oscar Madness Film 489 (7 Auszeichnungen, 6 weitere Nominierungen)

              Lässt sich eine Karriere, oder gar ein ganzes Leben (und somit auch ein Biopic), auf einen einzigen Aspekt reduzieren? Im Großen und Ganzen wahrscheinlich schon, in Hollywood aber auf jeden Fall. Selbst wenn die Laufzeit eines Filmes satte drei Stunden beträgt, ist keineswegs ausgemacht, dass das Leben des Protagonisten in vielerlei Facetten ausgeleuchtet wird. Gerade bei historischen Persönlichkeiten wie J. Robert Oppenheimer, deren Name untrennbar mit einem ganz bestimmten Projekt und dessen Auswirkungen verbunden ist, dürfte sich im Rahmen der Vorproduktion ganz besonders die Frage stellen, in welchem Ausmaß private (oder auch von der Hauptthematik abweichende berufliche) Aspekte vom Publikum erwartet bzw. toleriert werden. Da der Film den Titel 'Oppenheimer' – und nicht etwa 'Die Bombe' oder eine ähnliche Überschrift trägt – wird die Aufgabenstellung wohl sein gewesen, eine Geschichte über das Projekt (und zugleich den Fluch) seines Lebens zu erzählen, die aber zumindest teilweise über Oppenheimers Berufsleben hinausgeht.

              Christopher Nolan ist dieser Spagat bekanntlich bestens gelungen; schließlich sorgte er mit seinem Werk aus dem Jahr 2023 für furiose Erfolge im Box Office sowie an den Kinokassen. An Oppenheimer als Individuum nähert sich Nolans Inszenierung nur äußerst zaghaft an (bzw. nur so weit, wie es in Bezug auf die Verknüpfung seines Berufs- und Privatlebens nötig erscheint), womit zwar eine gewisse Distanz zwischen dem Publikum und der Hauptfigur gewahrt wird, was aber auf der anderen Seite auch den Vorteil mit sich bringt, dass nicht allzu viele (unüberlieferte) Leerstellen mit Fiktion aufgefüllt werden müssen.

              Das Ergebnis ist nicht weniger als ein bildgewaltiges Epos, das von mitunter überragenden Darstellern getragen und einer handwerklich äußerst versierten Crew in die Kinosäle und heimischen Wohnzimmer gebracht wird. Bemerkenswerterweise gibt es in Bezug auf das Drehbuch gar nicht mal den einen Aspekt, der alles überragen würde, doch die Komposition (oder besser: die Symbiose) verschiedener Elemente, die Nolan hier gelungen ist, macht Oppenheimer zu einem Erlebnis, wie es in der Form noch nicht allzu oft zu sehen war. Die persönliche Einordnung seiner Errungenschaft steht sicher nochmal auf einem anderen Blatt, doch fraglos ist es ihm gelungen, ein potenziell trockenes Thema nicht nur massenkompatibel und zugleich niveauvoll aufzubereiten, sondern darüber hinaus fast schon ein neues popkulturelles Phänomen zu erschaffen. Mag sein, dass sich die Konzeption von 'Oppenheimer' durchaus von verschiedenen Seiten aus angreifen lässt, im Großen und Ganzen lässt sich jedoch festhalten, dass Nolan nicht nur das Thema seines Filmes, sondern ein gesamtes Medium regelrecht zelebriert. Große Teile des Publikums danken ihm es – und die allermeisten Kinobesitzer sowieso.

              KURZFAZIT

              J. Robert Oppenheimer: Ein Mann, ein Projekt. Leider. - Nichtsdestotrotz ist Christopher Nolan mit diesem Biopic einmal mehr ein cineastisches Ausrufezeichen gelungen.

              39
              • 6

                Catharine (Theresa Russell) steht auf wohlhabende Männer – besonders auf solche, die kurze Zeit, nachdem sie sie kennengelernt haben, tot sind. Selbstlos, wie sie ist, kümmert sie sich nach deren Ableben rührend um das Erbe der Verstorbenen. Eine Ermittlerin (Debra Winger), die ungefähr im selben Alter ist, schöpft Verdacht, woraufhin sie ihren Vorgesetzten dazu drängt, diesem Fall auf den Grund gehen zu dürfen. Schnell entwickeln beide Frauen ein Verhältnis zueinander, das von einer bizarren Faszination auf der einen Seite und gegenseitigem Misstrauen auf der anderen Seite geprägt ist.

                Zwar geht Regisseur Bob Rafelson ('Wenn der Postmann zweimal klingelt') so gut wie keine Risiken bei der Inszenierung von 'Die schwarze Witwe' ein, doch auch wenn die Handlung althergebrachten Schemata folgt, gestaltet sich eine Sichtung keineswegs langweilig. Der Teufel, nein, die Teufelin liegt hier im Detail. Augenscheinlich wird nicht jeder einzelne Gedanke der Charaktere verbalisiert, sodass die gesamte Produktion zu einem guten Teil von der Kommunikation lebt, die sich zwischen den Zeilen abspielt. Die gilt nicht nur in Bezug auf das Psychoduell zwischen den beiden Protagonistinnen, sondern lässt sich auch auf den einen oder anderen anderweitigen Schachzug der Ermittlerin münzen. Einige kleinere Aspekte ergeben sich erst aus den Begebenheiten in später folgenden Szenen, in denen sie allerdings auch nicht mehr groß thematisiert werden. Während also die Handlung in ihren groben Zügen doch recht vorhersehbar erscheint, wird durch gelegentlich eingestreute (mehr oder minder) subtile Signale etwas Würze in die Handlung gebracht. Oder um es mit einem der bewährten Essensvergleiche zu sagen: Die Grundzutaten könnten gewöhnlicher kaum sein, doch die Kräuter und Gewürze sind immerhin recht fein abgeschmeckt.

                KURZFAZIT

                80er Jahre Kriminalthriller wie aus dem Bilderbuch.

                33
                • 4 .5
                  über Lou

                  Verkürzte Zusammenfassung der Prämisse, um die ohnehin schon spärliche Handlung nicht unnötig zu spoilern: Nach einem brutalen Mord verfolgen zwei Frauen (Allison Janney und Jurnee Smollett) den Täter durch die Wälder. Dabei läuft alles auf einen finalen Showdown hinaus.

                  Gerade während der ersten Hälfte mutet Anna Foersters 'Lou' wie ein (sehr) freies Remake von Roger Spottiswoodes 80er-Jahre Actionthriller 'Mörderischer Vorsprung' an – nur mit dem Unterschied, dass die Rollen der Geisel oder der Verfolger auf stark abweichende Art besetzt sind. Die Gegend, in der sich die Geschichte abspielt, erweist sich als heimlicher Co-Star neben den durchaus renommierten Castmitgliedern. Die Wälder geben eine prächtige Kulisse für die Handlung ab. Alles könnte also auf einen relativ minimalistischen Thriller hinauslaufen, der zwar nicht besonders komplex, aber durchaus spannend daherkommt – wäre da nur nicht die zweite Hälfte des Filmes. Die alberne Backstory, die präsentiert wird, um die Motivation des Antagonisten zu begründen, grenzt fast schon an Publikumsverachtung. Ohne dem Autorenduo zu nahe zu wollen, könnte man auch den Eindruck gewinnen, dieser Teil des Drehbuches wäre von einem Kind mit ausufernder Phantasie geschrieben worden. Die Beweggründe und die Herkunft des Gegenspielers hätte man vielleicht besser ungeklärt lassen sollen und die Frage nach den Fähigkeiten der Protagonistin hätte man auch mit einer nebulösen Andeutung beantworten können (so nach dem Motto: „Ich war beim Militär.“). Leider zieht man es aber vor, knüppeldick aufzutragen und dann auch noch zu allem Überfluss eine finale „Wendung“ zu präsentieren, von der vermutlich kein einziger Zuschauer überrascht sein dürfte – zu oft hat man derlei (vermeintliche) Twists in ähnlicher Form schon anderswo gesehen.

                  Zehn Minuten weniger Laufzeit und keine an den Haaren herbeigezogenen Erklärungen und 'Lou' hätte sicherlich ein bis zwei Punkte mehr verdient.

                  4,5 Songs von Toto (drei mal 'Hold the Line' und anderthalb mal 'Africa').

                  KURZFAZIT

                  Vielversprechender Auftakt, lausige Backstory, vorhersehbares Ende. Aber immerhin macht ein Teil der Drehorte einiges her.

                  33
                  • Mia (Chloe Sevigny) – Hit & Miss
                    Sarah Linden (Mireille Enos) - The Killing (US)
                    Kimmy Schmidt (Ellie Kemper) – Unbreakable Kimmy Schmidt
                    Luisa Leon (Catalina Sandino Moreno) - The Affair
                    Gretchen Cutler (Aya Cash) – You're the Worst
                    Holly Gibney (Justine Lupe) – Mr. Mercedes
                    Annie Wilkes (Lizzy Caplan) – Castle Rock
                    Alex (Margaret Qualley) - Maid
                    Kim Wexler (Rhea Seehorn) - Better Call Saul
                    Dawn Darcy (Regina Hall) – Black Monday

                    Ersatznominierungen (falls jemand wegen Dopings oder anderen Regelverstößen disqualifiziert wird):

                    Olive Kitteridge (Frances McDormand) -Olive Kitteridge
                    Robyn (Dominique Fishback) – Die letzten Tage des Ptolemy Grey
                    Cassie Maddox (Sarah Greene) – Dublin Murders

                    Special Award für das gesamte Ensemble von 'Orange is the New Black'

                    31
                    • 5

                      Sönke Wortmanns 'Der Nachname' beginnt, wie seine Inszenierung von 'Der Vorname' geendet hat: Mit Steve Harleys 'Make me smile (Come up and see me)', während in einer vorspannartigen Sequenz zunächst nur die Nachnamen der Beteiligten hinter der Kamera und der üblichen Verdächtigen vor der Kamera eingeblendet werden.

                      Die Sippschaft aus dem Vorgängerfilm kommt also erneut zusammen; dieses mal auf Lanzarote, wo die Mutter (Iris Berben) Neuigkeiten zu verkünden hat. Während die anreisenden (erwachsenen, aber kindsköpfigen) Kinder noch rätseln, worum es dabei wohl gehen könnte, deutet sich bereits an, dass jeder, wirklich jeder, der Charaktere sein Päckchen zu tragen hat – wie im realen Leben eben auch. Jeder hat seine Geheimnisse und Schwachpunkte; und jeder von ihnen hat mindestens einen „Gegenspieler“, der genüsslich darauf herumreitet. Kein Geheimnis hält länger als ein paar Stunden stand und immer wenn jemand Öl ins Feuer gießt, verbrennt er (oder sie) nicht nur das jeweilige Ziel, sondern mit großer Zuverlässigkeit auch die eigenen Finger.

                      Schnell wird also klar, dass Geheimnisse hier keine große Bedeutung haben und eigentlich nur als Vehikel für eine recht überschaubare Handlung, aber mitunter durchaus heitere Dialoge dienen. Verbale Spitzen werden in so großer Menge (und mit erkennbarem Augenmerk auf dem Timing) abgefeuert, dass fast schon zwangsläufig ein Teil davon ins Schwarze treffen muss. Wenn man ehrlich ist, halten Regisseur Sönke Wortmann und Drehbuchautor Claudius Pläging nicht nur ihren Charakteren, sondern letztlich auch dem Publikum einen Spiegel vor, denn anhand der Protagonisten werden zahlreiche Marotten auf's Korn genommen, die man auch aus dem Alltag zur Genüge kennt. Pedanterie, Bigotterie, Verlogenheit, Manipulation und andere Wesenszüge kommen dabei in einer Art Zerrspiegel zum Vorschein und werden auf's Korn genommen. Wer ehrlich zu sich selbst ist, wird vielleicht auch sich selbst in der einen oder anderen Dialogzeile bzw. in manchen Manövern der Figuren in verballhornter Weise erkennen. Große Erkenntnisse treten dabei wahrscheinlich nicht zutage, doch nach der ersten Episode dürfte ohnehin jeder Zuschauer wissen, worauf man sich einlässt: Auf ein heiteres Kammerspiel, das von einem vergleichsweise namhaften Ensemble dargeboten wird.

                      KURZFAZIT

                      Solide, dialoglastige Komödie.

                      37
                      • 4

                        Kurze Zeit nach dem Verschwinden zweier Mädchen...

                        Ach, ganz ehrlich, bei 'Der Exorzist: Bekenntnis' lohnt es sich kaum, sich näher mit dem Inhalt zu beschäftigen. Gespielt wird dieselbe Klaviatur wie in unzähligen anderen Besessenheitsfilmen, während man Alleinstellungsmerkmale allerhöchstens in ein paar Detailfragen findet. Der Mehrwert in diesen Punkten erscheint nicht nur überschaubar, sondern es stellt sich mitunter sogar die Frage, ob damit das Konzept der Geschichte (zumindest in der vorliegenden Ausführung) nicht sogar noch verschlimmbessert wird (Stichwort Blendung oder der Umstand, dass das Böse eine Wahl treffen „muss“). Jedenfalls werden die daraus resultierenden Chancen nur wenig bis gar nicht genutzt, sodass man die Handlung vermutlich schon wieder zwei Wochen nach der Sichtung vergessen haben wird.

                        Der Blick auf die äußere Form fällt leider auch nicht besser aus. Im Gegenteil, mehrere Szenen umgibt der zweifelhafte Charme eines Fernsehfilmes und selbst wenn es düster wird bzw. werden soll, wirkt vieles eher konfus statt bedrohlich. Die Besessenen sehen aus wie Ferengi, denen die Ohren abgefallen sind und ihre Dialogzeilen wirken eher gewollt als gekonnt. Anerkennung verdient zweifellos das Bemühen, an mehreren Stellen Fäden zu den ersten beiden Teilen der Reihe zu spinnen und so auch für langjährige Fans der Reihe das eine oder andere Schmankerl einzustreuen. Am Ende kann sich jedoch auch der Eindruck einstellen, dass das Publikum damit nur für weitere Fortsetzungen angefüttert werden soll, was grundsätzlich zwar nicht schlecht ist, angesichts der aktuellen Ideenarmut jedoch auch etwas zweifelhaft erscheint. Denn selbst als Auftakt einer Trilogie wäre das hier dargebotene Schauspiel bemerkenswert dünn.

                        KURZFAZIT

                        Routiniert entworfene Fortsetzung. Leider etwas zu routiniert.

                        36
                        • 6 .5

                          ++ Minimale SPOILER ++

                          Jacob King (Chadwick Boseman) reist von Südafrika in die USA, um dort nach seiner Schwester zu suchen. Der Verdacht steht im Raum, dass sie Opfer eines Verbrechens geworden sein könnte, also stellt King Ermittlungen auf eigene Faust an, um mehr über ihren Verbleib, aber auch über den seines Neffen herauszufinden. Wenig überraschend sticht er dabei in ein Wespennest, wodurch die Inszenierung von 'Message from the King' rasch von einem Kriminalfilm in einen Rachethriller umschlägt. Humor-, kompromiss- und schnörkellos bahnt sich der Protagonist seinen Weg durch die Reihen der Verbrecher, deren Umfeld sich recht schnell als deutlich größer erweist als zunächst vielleicht angenommen. Offenbar hat King sich mit mächtigen Gegnern angelegt, die über genug Mittel verfügen, um ihm eine ganze Reihe an Widersachern auf den Hals zu hetzen.

                          Fabrice Du Welz (Regie) kommt bei der Inszenierung zügig auf den Punkt. Seitenstränge rechts und links der Hauptstory sind auf ein Mindestmaß beschränkt, sodass die Geschichte nicht weiter aufgeplustert wird als unbedingt nötig. Der Vorteil: Als Zuschauer folgt man so dem Protagonisten quasi als unsichtbarer Begleiter bzw. man taucht mehr oder weniger in dessen Perspektive ein. Großes Erzählkino resultiert daraus natürlich nicht gerade, doch geradlinige Action ist eben auch nicht zu verachten. Von den 'Taken'-Filmen ist man dabei zwar noch ein ganzes Stück entfernt, aber es war vermutlich auch nicht das Ziel, diese abzukupfern.

                          Ganz besonders lebt dieser Thriller von seinem Cast, dem neben Chadwick Boseman auch Teresa Palmer, Luke Evans, Alfred Molina, Tom Felton und Natalie Martinez angehören. Feines Besteck ist zur Verköstigung zwar nicht nötig, aber deftiges Fingerfood hat eben auch manchmal seinen Reiz.

                          KURZFAZIT

                          Dieser König nimmt keine Gefangenen. Das Ergebnis ist nicht unbedingt innovativ, aber durchaus unterhaltsam.

                          33
                          • 4 .5

                            'Das Gift' – ein Filmtitel, der gleich mal Erwartungen weckt. Vielleicht an einen Horrorthriller, in dem Leute betäubt und ermordet werden; oder an einen Kriminalthriller, in dem ein Serienkiller seine Opfer reihenweise lautlos um die Ecke bringt. Vielleicht wird es auch ein Psychoduell, in dem jemand verbales Gift langsam wirken lässt? Alles weit gefehlt! Zwar wird gleich zu Beginn mit derlei Erwartungen gespielt (es wird gezeigt, dass jemand einen augenscheinlich leblosen Körper hinter sich herschleift), doch was anschließend folgt, geht in eine völlig andere Richtung. Tatsächlich läuft es vielmehr auf ein Mysterydrama hinaus, in das leichte Anleihen aus dem Psychothriller hineinspielen.

                            Da man hier lange über den Kern der Geschichte im Unklaren gelassen wird, verbietet es sich fast von selbst, eine Synopse zu verfassen; sogar ein paar Worte zur Prämisse würden entweder unnötig viel verraten oder an der eigentlichen Handlung vorbeizielen. Was kann man also überhaupt zum Inhalt schreiben? Es geht um eine Mutter, ihr Kind und um eine Verlustthematik; doch selbst das stimmt schon wieder nur halb. Also lieber ein paar Worte zum Stil: Nach der besagten Auftaktszene kommt es zu einem schlagartigen Wechsel im Tonfall. Ruhig, bedächtig und fast schon meditativ erzählt eine Stimme aus dem Off, was sich im Vorfeld der Einleitung zugetragen hat. Manche Sachverhalte werden rein verbal vermittelt, andere werden gezeigt und von der Erzählstimme kommentiert. Statt den zunächst angetäuschten Thriller zu sehen zu bekommen, wird man als Zuschauer auf eine Art Traumreise mitgenommen, die von einer Begebenheit handelt, die man wahrscheinlich auch als Horrorfilm hätte inszenieren können. Doch Claudia Llosa (Regie) entscheidet sich für eine vom Dramenkino angehauchte Variante, deren Rezeption durchaus ihre Tücken hat. Auf den ersten Blick bzw. Klang wird das Publikum mit sanften Worten eingelullt, doch die Geschichte weist durchaus einen gewissen Schrecken auf, der eben betont leise vermittelt wird; fast so als würde man jemandem Gift verabreichen. Das Konstrukt dahinter erscheint gut durchdacht. Doch ob einem das Essen schmeckt, in dem das Gift versteckt wurde, steht auf einem anderen Blatt.

                            KURZFAZIT

                            Die Dosis wirkt, doch die Mahlzeit, mit der sie verabreicht wird, könnte etwas mehr Würze vertragen.

                            34
                            • Gar nicht mal so leicht zu beantworten, da ja nach Charakteren und nicht nach Darstellerleistungen gefragt wird. Meine Auflistung ist natürlich nicht ansatzweise vollständig, weil ich viel zu viele Serien (noch) nicht gesehen habe. Aber dabei sein ist alles. :-)

                              Gannicus (Dustin Clare) - Spartacus: Gods of the Arena
                              Stephen Holder (Joel Kinnaman) - The Killing (US)
                              Heiko Schotte (Bjarne Mädel) - Der Tatortreiniger
                              Julien Baptiste (Tcheky Kario) - The Missing
                              Emerson Hauser (Sam Neil) - Alcatraz
                              Wilson Wilson (Adeel Akhtar) - Utopia (UK)
                              Stephen (Stephen Merchant) - Hello Ladies
                              Daniel Holden (Aden Young) - Rectify
                              Jimmy McGill (Bob Odenkirk) - Better Call Saul
                              Patrick Melrose (Benedict Cumberbatch) - Patrick Melrose

                              ...und ungefähr 20 weitere Charaktere aus GoT und TWD. :-)

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                              • 6
                                Framolf 31.05.2024, 01:23 Geändert 31.05.2024, 01:41

                                Ein mit allen Wassern gewaschener Ganove (Frank Grillo), der nach einer Haftstrafe erneut mit einem Bein im Knast steht, verdingt sich als Fluchtwagenfahrer. Aus den Überfällen an sich hält er sich heraus; zumindest versucht er es. Doch als er zwei Räuber zu ihrem anvisierten Tatort fährt, überschlagen sich die Ereignisse und der Wheelman gerät zwischen die Fronten. Einerseits wird nicht nur er selbst, sondern auch seine Tochter bedroht, andererseits werden Forderungen an ihn gestellt, die nahezu unerfüllbar erscheinen. Da er – wie bereits erwähnt – bisher mit nur einem Bein im Knast steht, stellt er den anderen Fuß auf das Gaspedal und düst auf einer rastlosen Hatz durch die nächtliche Stadt.

                                Auch wenn die Handlung auf einen Bierdeckel passt (man hätte sie sicher noch deutlich kürzer zusammenfassen können, als ich das gerade getan habe), kommt hier auch bzw. gerade wegen der kurzen Laufzeit von rund 80 Minuten keinerlei Langeweile auf. Regisseur Jeremy Rush gönnt seinem Protagonisten (und somit auch dem Publikum) hier und da kleinere Atempausen, wodurch die Actionszenen weder ermüdend wirken noch zu rar gesät erscheinen. Seine Erzählung kommt auf den Punkt, ohne in eine stumpfsinnige Reifenquietschorgie auszuarten.

                                Apropos Rush: Könnte es einen passender Namen bei einem Film wie diesem geben? Laut seinem Eintrag in der imdb heißt er aber wohl tatsächlich von Geburt an so.
                                Grillo wiederum spielt seinen Part einmal mehr trocken und routiniert herunter, was ihn als eine durchaus passende Besetzung für diese Rolle erscheinen lässt. Atmosphärisch erscheint das nächtliche Szenario als Zugewinn, ohne dass allzu viele Sequenzen entstehen, in denen man kaum noch erkennen kann, was gerade passiert. Unter dem Strich steht also ein Actionfilm, der passend zu seinem (Anti)Helden daherkommt: Professionell, grimmig und geschwindigkeitsliebend. Auch wenn die Handlung enorm herkömmlich erscheint, gibt es sicherlich schlechtere Alternativen für einen unterhaltsamen Filmabend.

                                5,5 - 6 Punkte.

                                KURZFAZIT

                                Hier werden keine Gefangenen genommen. Schnörkelloser Actionfilm mit Bleifuß.

                                33
                                • 7 .5

                                  Eine Familie möchte auf einem recht luxuriösen Anwesen einen Urlaub verbringen, doch die erhoffte Idylle wird bereits früh unterbrochen. Zwei ungebetene Besucher stehen vor der Tür, doch das ist noch das kleinste Problem; denn die beiden Neuankömmlinge haben schlechte Nachrichten im Gepäck. Draußen scheint sich ein apokalyptisches Szenario anzubahnen, dessen Ursache völlig unklar ist. Handelt es sich um einen Krieg, einen Putsch, einen technischen Kollaps oder gar um eine Alieninvasion? Die Betroffenen (unter ihnen die beiden Oscar-Gewinner Julia Roberts und Mahershala Ali sowie der mehrfach nominierte Ethan Hawke) tappen völlig im Dunkeln – aufgrund der Stromausfälle teilweise sogar im wahrsten Sinn des Wortes. Was also tun, wenn man sich vor einer Bedrohung schützen will, von der man gar nicht weiß, worin sie besteht?

                                  Regisseur und Drehbuchautor Sam Esmail lässt in 'Leave the World Behind' eine ganze Reihe an Motiven durchblitzen, die man bereits aus seiner Erfolgsserie 'Mr. Robot' kennt. Was jedoch zunächst völlig unklar erscheint, ist die Frage, ob dem Motiv des Wahnsinns in diesem Spielfilm eine ähnliche Bedeutung zukommt wie in der Serie über den Hacker mit der starken Neigung zu Halluzinationen. Zumindest diese Frage wird im Lauf der Handlung beantwortet. Wobei: Wirklich sicher sein kann man bei Esmail in solchen Fragen wohl erst, wenn alles vorbei ist. Nach dem offenen Ende dieser dystopischen Geschichte erscheint mehr als fraglich, ob die Erzählung bereits abgeschlossen ist. Zahlreiche Fragen bleiben offen und es wurde eine ganze Reihe an Anknüpfungspunkten für mindestens ein Sequel geschaffen (sogar ein Prequel wäre denkbar). So gesehen dürfte eine Sichtung bis auf Weiteres nur dann Sinn machen, wenn man sich damit abfinden kann, dass (zunächst?) eine ganze Reihe an Fragen offen bleiben wird. Der Weg ist also das Ziel; und dieser fällt nicht nur bedächtig und bedrohlich aus, sondern ist auch in eine durchaus ansprechende Atmosphäre gekleidet. Mit dem Einsetzen des Abspanns erscheint vieles möglich; etwa, dass man gerade den Auftakt zu etwas Großem gesehen haben könnte, vielleicht aber auch, dass mit der einen oder anderen Auflösungsvariante das ganze Konstrukt in sich zusammensacken könnte. Gibt man Esmail aufgrund seiner Arbeit an 'Mr. Robot' einen gewissen Vertrauensvorschuss, erscheint durchaus möglich, dass sich noch das eine oder andere Kaninchen in seinem Hut befinden könnte. Vielleicht ist er aber auch nur ein Fuchs, dem bewusst ist, wann es Zeit zu schweigen ist. Die Zukunft wird es zeigen.

                                  Esmail selbst scheint sich einen Spaß aus derlei Erwartungen zu machen, indem er beispielsweise mit den Namen berühmter Autoren dystopischer oder rätselhafter Werke jongliert und H. G. Wells, George Orwell, Aldous Huxley, John Sandford sowie Alfred Hitchcock auf die eine oder andere Weise einfließen lässt. Recht viel mehr als Namedropping oder ein Spiel mit inhaltlichen Motiven kommt dabei zwar nicht heraus, doch zum Auslegen treffender oder auch falscher Fährten reicht dies allemal. Selbiges gilt für die Botschaften, die via Aufschriften auf T-Shirts, Flyern etc. vermittelt werden. Ob die zahlreichen Andeutungen Substanz haben, ungelöst bleiben oder eines Tages sogar in einer Propagandaveranstaltung im Stil von 'Red Dawn' enden werden, bleibt bis auf Weiteres offen.

                                  KURZFAZIT

                                  Handwerklich gut umgesetzt, inhaltlich jedoch nicht zu bewerten (zumindest nicht als alleine für sich stehender Film).

                                  38
                                  • 6 .5

                                    Ellie (Inka Kallén) sitzt auf einer relativ abgeschiedenen finnischen Insel regelrecht fest. Ihr Ehemann, ein Pfarrer, der sich selbst gerne reden hört, ist mit ihr aus beruflichen Gründen vor einigen Jahren an diesen eigentlich recht idyllischen Flecken Erde gezogen. Den wenigen Bewohnern, die ebenfalls dort leben, läuft man bei Spaziergängen so gut wie nie über den Weg. Trotzdem kennt man sich natürlich. Die dortigen Lebensumstände stellen das exakte Gegenteil zum Großstadtalltag dar. Die Wohnlage bietet mit einem Wald, mehreren Wiesen und einem abgelegenen Strand zwar großartige Refugien in örtlicher Hinsicht, doch auf fremde Menschen trifft man so gut wie nie. Da trifft es sich für Ellie und ihren Partner Mikko gut, dass ein alter Weggefährte für einige Zeit zu Besuch kommen möchte. Es kommt natürlich, wie es kommen muss, und der bisher so beschauliche (und für Ellie offenkundig stinklangweilige) Alltag gerät aus den Fugen.

                                    Was man auf den ersten Blick vielleicht noch als klischeehafte Sommerphantasie einer gelangweilten Hausfrau abtun könnte, entpuppt sich jedoch rasch als Ehedrama, dessen große Stärke in den Zwischentönen liegt. Das Ehepaar hat sich in eine Lage manövriert, aus der die beiden nun offenbar keinen Ausweg mehr finden. Zwar hängt Chekhovs Gun buchstäblich an der Wand, doch der Umgang damit scheint eher ein Scherz der Autoren zu sein. Am naheliegendsten wäre wohl ein Umzug auf das Festland, um dem Umstand entgegenzuwirken, dass die beiden komplett aufeinander fixiert sind. Da die Handlung aber während der Covid Pandemie spielt, erscheint auch diese Strategie allenfalls mittelfristig wirken zu können. Eine weitere Möglichkeit wird durch Mikko als Testballon in den Raum geworfen (SPOILER: Jährliche Besuche durch den besagten Freund). Worin die beiden letztlich ihr Heil suchen werden, bleibt jedoch offen.

                                    Aku Louhimies Beziehungsdrama 'Mittsommerlust' (der Origintaltitel 'Odotus' (Erwartung) trifft den Kern der Handlung mutmaßlich besser) liefert zwar kaum Antworten, stellt jedoch eine Reihe berechtigter Fragen, die letztlich jedes Paar für sich selbst beantworten muss. Was für manche eine geeignete Lösung darstellen könnte, würde für andere die Lage noch verschlimmern. Insofern würde sich bei der Wahl eines Paartherapeuten sicherlich auch die Frage stellen, inwieweit dieser um individuelle Lösungen bemüht ist bzw. eigene Lebenserfahrung in die Ratschläge einfließen lässt. Um es kurz zu machen: Ob und wie die Beziehung der beiden langfristig zu retten ist, lässt sich nur schwer absehen. Letztlich ist diese Frage aber auch irrelevant, da sich Louhimis mit dieser Problemstellung ohnehin hauptsächlich an das Publikum wendet. Ob man 'Mittsommerlust' unterhaltsam findet, ist eine Frage; ob man daraus etwas für das eigene Leben mitnehmen kann, eine andere.

                                    6,5 - 7 Punkte.

                                    KURZFAZIT

                                    Flirten auf finnisch. Unterkühlt und nüchtern. Teilweise reflektiert, teils aber auch impulsiv. Zumindest für skandinavische Verhältnisse...

                                    34
                                    • Von mir keine Top-Liste, sondern einfach ein paar Filme in den Raum geworfen, die mir gefallen haben.

                                      Harry und Tonto
                                      Die Unbestechlichen
                                      Türkische Früchte
                                      Der Exorzist
                                      Paper Moon
                                      Der Champ

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                                      • 6 .5

                                        Otto Anderson ist seines Lebens überdrüssig. Als er nach dem Tod seiner Ehefrau auch noch in den Ruhestand entlassen wird, sieht er seine einzige verbliebene Aufgabe darin, in der Wohnanlage, in der er lebt, auf die Einhaltung der vereinbarten Regeln zu pochen. Schlechte Mülltrennung, Falschparken oder die Missachtung eines Durchfahrtverbots rufen ihn regelmäßig auf den Plan, denn irgendjemand muss sich ja darum kümmern; denkt sich jedenfalls Otto. Doch so richtig erfüllt ihn diese Aufgabe auch nicht. Überhaupt ist das Leben als Witwer einfach nur grau und freudlos für ihn; also fasst er den Entschluss, sich das Leben zu nehmen – just in dem Moment, als eine neue Familie in eine der Nachbarimmobilien einzieht. Der Mann ist ein Tollpatsch, die Frau eine Optimistin und die beiden Kinder sind... Wie nennt man das nochmal? Otto kennt dieses Wesenzug gar nicht mehr so richtig... Ach ja, sie sind aufgeschlossen. Von einem Tag auf den anderen kommt also wieder frischer Wind in Ottos Leben, der (zwar widerwillig, aber doch einigermaßen pflichtbewusst) den Neuilingen in der Nachbarschaft wiederholt unterstützend zur Seite steht. Ein neuer Mensch wird dadurch noch lange nicht aus ihm, aber immerhin sieht er sich dadurch gezwungen, sein eigenes Verhalten sowie seinen ganzen Lebensweg zu überdenken.

                                        Während Tom Hanks in der Titelrolle seinem bisherigen Rollenimage eine neue Facette hinzufügt, verkörpert sein Sohn Truman Hanks die Figur des jüngeren Otto in den regelmäßig eingestreuten Rückblickszenen. Durch die Erzählung auf mehreren Zeitebenen wird dem Publikum ein Gefühl dafür vermittelt, dass der Protagonist keineswegs immer schon so grummelig war, sondern eben erst durch verschiedene Entwicklungen in seinem Leben in diese Richtung geformt wurde. Einerseits leben wir im Hier und Jetzt, doch auf der anderen Seite sieht man den Menschen eben nicht an, durch welche Höhen und Tiefen sie zuvor gegangen sein könnten. Doch auch wenn die Geschichte durchaus erzählenswert erscheint, fügt dieses Remake der originalen Verfilmung ('Ein Mann namens Ove', 2015) nur wenige neue Qualitäten hinzu. Insgesamt wirkt die neuere Version etwas glatter, wodurch angesichts eines recht schroff auftretenden Hauptcharakters die Wirkung der Erzählung eher abgemildert als verstärkt wird.

                                        KURZFAZIT

                                        Relevante Thematik, aber (abgesehen von finanziellen Gesichtspunkten) ein unnötiges Remake.

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                                        • 4 .5

                                          ++ Leichte SPOILER ++

                                          Zwei windige Hochstapler schließen sich zusammen, um (mit Hilfe einer Bankangestellten) Kaufinteressenten von Eigentumswohnungen über den Tisch zu ziehen. Eine genauere Erläuterung der Betrugsmasche lohnt nicht, da das Drehbuch von 'Betonrausch' – zumindest in Detailfragen - ebenso auf Sand gebaut ist wie das Geschäftsmodell der beiden Wichtigtuer. Mit einer lächerlichen List gelingt es ihnen, als einzige Interessenten bei einem Zwangsversteigerungtermin zu erscheinen. Eine Sicherheitsleistung (üblicherweise zehn Prozent) müssen sie offenbar nicht erbringen, was aber immerhin ganz gut dazu passt, dass sie sich bei einer anderen Gelegenheit auch auf albern einfache Weise das Passwort eines Fremden erschleichen können. Und wenn auf dem Bau Sand ausgeht, holt man ihn halt auf dem Spielplatz. Die leitenden Ermittlerin erledigt zu allem Überfluss auch noch einen Botengang für einen Verdächtigen. Die Welt von 'Betonrausch' ist so ziemlich alles, nur nicht kompliziert.

                                          Schade eigentlich, denn grundsätzlich dürfte hier durchaus die Keimzelle zu einer bissigen Satire vorhanden sein. Die Kernaussage des Filmes über den Immobilienmarkt und dessen Akteure (sinngemäß: je dubioser, desto reicher) schreit regelrecht nach einer Komödie im Stil von Adam McKay; tatsächlich wollte man sich aber offenbar eher am Stil von Todd Phillips 'War Dogs' orientieren. Gelungen ist dies zwar ganz passabel, doch möglicherweise wäre es Drehbuch und Regie nicht schlecht zu Gesicht gestanden, den beiden Hauptcharakteren (gespielt von David Kross und Frederick Lau) noch etwas mehr Verachtung entgegenzubringen. Stattdessen wurde eine Mischung aus Aufstiegsgeschichte, Gaunerdrama und einem Schuss zahnloser Kapitalismuskritik angerührt. Das Ergebnis ist nicht unbedingt eine Bauchlandung, aber – gemessen an der Prämisse – leider doch recht belanglos. Hier und da blitzt allerdings durchaus etwas Biss auf. Zudem verfügt die Erzählung über ausreichend Tempo, um keine unnötigen Längen aufzuweisen. Trotz einiger unnötiger Simplifizierungen hält die Geschichte genügend Zutaten für solide Unterhaltung bereit, auch wenn angesichts der Prämisse vielleicht etwas mehr zu erwarten gewesen wäre.

                                          Randnotiz: Endlich mal wieder ein Film, in dem Leute in ihren eigenen vier Wänden Jogginghosen tragen dürfen!

                                          KURZFAZIT

                                          Der Bauplan beinhaltet gute Ideen, nur leider wird dem Publikum hier der Rohbau als schlüsselfertige Immobilie verkauft.

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                                          • 6

                                            Claudine ist alleinerziehend. Ihr (nicht mehr ganz so junger) Sohn hat Pflegebedarf, sein Vater ist seit einer gefühlten Ewigkeit über alle Berge (sogar im wahrsten Sinn des Wortes – schließlich spielt der Film in der Schweiz). Regelmäßig begibt sie sich in ein abgelegenes Hotel, um dort mit alleinreisenden Männern ein paar intime Stunden (oder Minuten) zu verbringen. Das bringt Abwechslung vom Alltag und lässt sie die eine oder andere Anekdote in Erfahrung bringen, die sie dann ihrem Sohn in Briefform als fingierten Reisebericht seines Vaters zukommen lässt. Zwar steht die Vermutung im Raum, dass ihr Junior das Spiel längst durchschaut haben könnte, doch irgendwie leben beide ganz gut mit diesem Ritual – bis sich eines Tages eine Variable in ihrem Leben nach der anderen ändert und sie vor der Frage steht, ob bzw. was sie in ihrem Leben ändern will.

                                            In einem betont unaufgeregten Stil erzählt Maxime Rappaz die Geschichte einer Frau, die eine vergleichsweise späte Midlife Crisis erlebt. Feste Bindungen scheinen nicht so ihr Ding zu sein, Einsamkeit aber auch nicht. Beruflich hat sie sich ihren eigenen Traum erfüllt und ihn zugleich dennoch meilenweit verfehlt (offenkundig schneidert sie gern, hat jedoch kaum Kunden). Die Tragödien des Alltags, die sich in dieser Geschichte abspielen, werden fast schon beiläufig vorgetragen – so wie es eben auch oft im echten Leben geschieht. Wenn jemand persönliche Rückschläge einstecken muss, läuft im wahren Leben eben nur selten schwermütige Musik im Hintergrund. Während eine Person still leidet, bekommt eine andere Person, die nur wenige Meter weiter steht, vielleicht gar nichts davon mit. Was ein Mensch locker wegsteckt, empfindet ein anderer vielleicht als persönliches Fiasko und umgekehrt. Dies ist der Themenkomplex, der in 'Fass mich an' verhandelt wird. Dass sich die Protagonistin betont unterkühlt ihren Weg durch den Alltag bahnt, erleichtert den Zugang nicht unbedingt, zeigt aber auch, dass man sich von der Fassade nicht zu sehr blenden lassen sollte. Wäre dieses Drama ein Musikstück, würde es wahrscheinlich nicht von einem pompösen Orchester oder einer lauten Metal-Band gespielt werden, sondern von einer schüchternen Sängerin leise gesummt werden. Wer gerne zwischen den Zeilen liest, dürfte hier gut aufgehoben sein.

                                            Sex von zehn selbstherrlichen Gockeln, die rein zufällig ein Magazin mit einem selbstverfassten Artikel aufgeschlagen auf dem Hoteltisch liegen haben, als Damenbesuch kommt.

                                            KURZFAZIT

                                            Unaufgeregt, aber vergleichsweise nah am realen Leben.

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                                            • 6 .5
                                              Framolf 14.05.2024, 01:43 Geändert 20.02.2025, 05:19

                                              Oscar Madness Film 488 (1 Auszeichnung, 1 weitere Nominierung)

                                              Die schönsten Geschichten schreibt das wahre Leben – oder etwa doch nicht?

                                              ++ Leichte SPOILER ++

                                              Ein junger Mann von kolossaler Statur und mit einem gewissen Talent für Basketball (und weitere Sportarten!) bekommt dank des Einsatzes eines Bekannten und eines Sportlehrers einen Platz an einer Schule, an der er ansonsten vermutlich nie aufgenommen worden wäre. Seine Mutter ist in erster Linie mit sich und ihrer Sucht beschäftigt, der Vater ist ohnehin längst über alle Berge. Schon nach kurzer Zeit nehmen sich die Eltern eines anderen Schülers seiner an. Er zieht bei ihnen ein und wird zum fünften Mitglied ihrer Familie.

                                              Doch halt! Seine vermeintlichen Pflegeeltern adoptieren ihn nicht, sondern übernehmen kurz nach seinem 18. Geburtstag seine Vormundschaft, woraus sich für die „Eltern“ deutlich weniger Verpflichtungen ergeben (Stichwort Erbschaft). Regisseur John Lee Hancock deutet durch die einleitende Erzählung aus dem Off bereits früh subtil an, dass durchaus auch Kalkül statt Altruismus die Triebfeder für das Verhalten der Eltern gewesen sein könnte. Eine vermeintliche Wendung kurz vor dem Finale zielt in eine ähnliche Richtung. Möglicherweise ist die Wahrheit auch eher grau statt einfach nur schwarz oder weiß. Die einleitenden Sätze legen jedenfalls nahe, dass Leigh Anne Tuohy schon früh erkannt haben könnte, das Big Mike beste Voraussetzungen zu einem erfolgreichen Offensive Tackle mit sich bringen könnte.

                                              Eigentlich sollten derartige Frage reine Nebensächlichkeiten sein. Manche Zuschauer würden diesen Film mit Lob überschütten, andere würde ihn als Stilisierungsversuch einiger White Saviors abkanzeln; die üblichen Rituale eben. In diesem speziellen Fall stellt sich jedoch ganz besonders die Frage, wie nahe die Geschichte wohl an den tatsächlichen Vorkommnissen ist.

                                              Zeitsprung in das Jahr 2023. Aus dem seinerzeit rosarot gezeichneten Märchen wurde mittlerweile ein Hauen und Stechen, in dem sich gleich mehrere Parteien mit gegenseitigen Vorwürfen überziehen. Die Vormundschaft wurde per Gerichtsbeschluss aufgehoben und über die spärlichen Tantiemen aus den Filmrechten wird heftig gestritten. Oher verlangt eine höhere finanzielle Beteiligung von Familie Tuohy, der Autor beklagt sich, dass er weniger als 0,1 Prozent der Einnahmen für die Filmrechte erhalten habe und in den sozialen Medien wird Sandra Bullock wegen ihrer Mitwirkung an diesem Filmprojekt angefeindet. Doch zumindest im finanziellen Bereich ist nicht alles schlecht: Ohers verbliebenes Privatvermögen wird auf eine niedrige achtstellige Summe geschätzt.

                                              Ach ja, abseits wahrer oder auch erfundener Handlungsdetails ist natürlich auch noch die Inszenierung an sich zu besprechen. In handwerklich tadelloser Umsetzung bringt Hancock eine Mischung aus Aufstiegsgeschichte und Feelgood Movie auf die Leinwand (bzw. den Bildschirm), deren holprigster Aspekt wahrscheinlich die komprimierte Darstellung von Michaels sportlicher Entwicklung sein dürfte. Nach einer zündende Motivationsrede im Training und einem Erweckungserlebnis im ersten Spiel unter Wettbewerbsbedingungen scheint alles zum Selbstläufer zu werden. Taktisch geschult und körperlich in Form gebracht wird er von einem kleinen Jungen, motiviert von einer Innenarchitektin. Dem Trainer wird zwar auch ein gewisser Anteil an seiner Entwicklung zugestanden, dieser bleibt in Hancocks Erzählung aber überschaubar. Als es gegen Ende hin um Einflussnahme im negativen Sinn geht, wird der schwarze Peter einer Nachhilfelehrerin zugeschoben. Positive Effekte kommen also vorrangig aus der Familie heraus, negative eher von außen. Vielleicht hat es sich exakt so zugetragen, vielleicht auch nicht. Vielleicht stützte Michael Lewis, der Autor der Originalvorlage, seine Schilderungen auch schlichtweg vorrangig auf Erzählungen der Tuohys. Mit letzter Sicherheit wird sich das vermutlich nicht mehr aufklären lassen. Was also bleibt, ist ein durchaus unterhaltsamer und routiniert inszenierter Sportfilm, der eine schöne Geschichte erzählt, deren Wahrheitsgehalt aber (zumindest in Detailfragen) umstritten ist.

                                              KURZFAZIT

                                              Auf den ersten Blick zu schön, um wahr zu sein; doch bei genauerer Betrachtung wird auch schon in der Spielfilmversion die vermeintliche Idylle wiederholt durchbrochen.

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                                              • 6 .5
                                                über Die Axt

                                                Ein Angestellter (José Garcia), der nach seiner Entlassung keine neue Anstellung in seiner Branche findet, fasst einen Plan, mit dem er sich voraussichtlich in noch gravierendere Probleme manövrieren wird: Er möchte seine Hauptkonkurrenten ausfindig machen und deren ständigen Wohnsitz auf den Friedhof verlegen... Mit einer List erschleicht er sich die Lebensläufe und Anschriften der besagten Kandidaten und schon kann es losgehen. Die praktische Ausführung seiner Mordpläne könnte stümperhafter gar nicht sein, denn er ist nicht nur im Umgang mit seiner Luger überfordert, sondern er achtet auch so gut wie gar nicht darauf, unbeobachtet zu bleiben. Hinzu kommt, dass es auch der Zufall nicht gerade gut mit ihm meint. Offenbar ist ihm das aber egal, denn er ist fest dazu entschlossen, den Kreis seiner Leidensgenossen (die ja selbst alle auf Jobsuche sind) zu reduzieren. Im Verlauf der Handlung wird ihm zwar immer stärker bewusst, dass seine Opfer in spe zwar im selben Boot sitzen wie er und von Ängsten und Nöten geplagt werden, die auch er bestens kennt, doch ob er sich dadurch von seinen Plänen abbringen lassen wird, steht auf einem anderen Blatt.

                                                Costa-Gavras (Regie) nimmt in diesem satirischen Thriller die fehlende Solidarität unter vielen „kleinen“ Bürgern auf's Korn, die sich dadurch oftmals selbst und gegenseitig zusätzliche Steine in den Weg legen. Hier und da werden auch noch weitere Auswüchse thematisiert und persifliert, wobei einem als Zuschauer jedoch zumeist das Lachen im Hals stecken bleibt. Trotz aller Überspitzungen steckt im Kern der Geschichte einfach zu viel Wahrheit, als dass man alles weglächeln könnte. Auch wenn sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt rund zwanzig Jahre später deutlich verändert hat, bleibt das Thema aktueller denn je; nicht zuletzt auch deshalb, weil man es nicht verengt auf Angestellte (sondern vielmehr mit Blick auf Bürger ganz allgemein) betrachten sollte. Das tägliche Hauen und Stechen findet ja keineswegs ausschließlich auf dem Jobmarkt statt, sondern auch bei politischen und sozialen Themen, im Straßenverkehr, im Immobiliensektor und teilweise auch bei Beziehungsthemen. Dass die allermeisten Menschen vorrangig ihr eigenes Wohl im Sinn haben, liegt nahe und ist sicher auch nicht verwerflich. Der Umstand, dass das System stellenweise auch Exzesse begünstigt, verschärft die Brisanz aber teilweise über die Maßen.

                                                Der Protagonist in diesem Film hält sich jedenfalls für schlau und interpretiert die „Regeln des Systems“ in seinem ganz eigenen Sinn. Wird er damit Erfolg haben? Costa-Gavras bietet auf diese Frage eine ganz eigene Antwort.

                                                KURZFAZIT

                                                Die Axt im Hause erspart den Umschulungskurs...

                                                ...oder etwa doch nicht?

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                                                • 6 .5

                                                  Jetzt ist Schluss mit lustig. Die Androiden sind es leid, Handlanger ihrer Schöpfer zu sein, also zetteln sie einen Krieg an. Schlecht für Georgia und Sam, die gerade ihr erstes Kind erwarten. Da es in Asien gerüchteweise noch sichere Häfen geben soll, machen sie sich auf den Weg in Richtung Küste, doch die Strecke ist weit und beschwerlich. Erst recht in der Zeit rund um eine Entbindung.

                                                  Nach einem kurzen und blutigen Auftakt lagert Mattson Tomlin (Regie) erstmal einen Teil der Spannungsbildung auf das Publikum aus. Funktionieren kann seine Inszenierung streckenweise nur, wenn man alles für bare Münze nimmt und auch Ereignisse hinnimmt, die zunächst gar nicht zu sehen sind; man muss gewissermaßen an die Bedrohung glauben, statt sie zu sehen. Zwar ist immer wieder die Rede davon, dass in unmittelbarer Nähe Androiden lauern würden, doch da nicht immer ein visueller Beweis dafür geliefert wird, wird man als Zuschauer quasi zur Akzeptanz dieser Behauptung genötigt. Wer darauf hofft, eine Kampfszene nach der anderen dargeboten zu bekommen, wird also gerade während der ersten Hälfte bitter enttäuscht werden. Und wenn dann doch mal ein Maschinenkämpfer zu sehen ist, muss man auch wieder die Phantasie bemühen, da sie in intaktem Zustand eben kaum bis gar nicht von biologischen Menschen zu unterscheiden sind. Spannung entsteht hier (oder auch nicht) also noch stärker im Kopf als in vielen anderen Science Fiction Filmen. Der Tonfall ist pessimistisch und gefühlt wird die Lage der Protagonistin immer schlechter. Zwar kann man sich als Zuschauer ganz gut als unsichtbarer Begleiter mit auf die Reise nehmen lassen, doch etwas Geduld ist bei der Sichtung auf jeden Fall von Vorteil. Eifriges Rätselraten lohnt sich hier so gut wie gar nicht. Doch wem es reicht, einfach nur die Atmosphäre auf sich wirken zu lassen, der kann bei Georgias Odyssee durch die Wälder durchaus auf seine Kosten kommen.

                                                  KURZFAZIT

                                                  Minimalistische Handlung, pessimistischer Erzählton.
                                                  Kurzum: Wenn die Androiden angreifen, sind wir alle am Arsch!

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                                                    Zwei Buben freunden sich während ihrer Kindheit miteinander an. Einer von ihnen ist ein typischer Naturbursche (wobei ihm diese Bezeichnung ziemlich sicher missfallen dürfte), sein neuer Kumpel ist ursprünglich ein Stadtmensch, der sich aber in den Bergen deutlich wohler fühlt; vielleicht auch deshalb, weil dort die Beziehung zu seinem Vater eine andere Qualität hat. Während sein alter Herr im urbanen Milieu berufsbedingt offenbar ständig abwesend ist, nimmt er seinen Sohn im Sommer zu Bergtouren mit, auf denen sie zwar nicht viel sprechen, aber dennoch ein verbindendes Element erleben. Auf eine kurze Episode aus der Jugendzeit des Protagonisten (und Erzählers) folgt ein zweiter größerer Zeitsprung in das Erwachsenenalter der beiden Hauptcharaktere. Der ehemalige Städter ist immer noch begeisterter Bergsteiger und nach wie vor regelrecht besessen von seinem Kumpel, der sich nun noch weiter zurückziehen möchte (vom kleinen Bergdorf in eine abgelegene Hütte). Gemeinsam verfolgen sie zunächst ein gemeinsames Handwerksprojekt, bevor verschiedene Irrungen und Wirrungen des Lebens beide in Beschlag nehmen.

                                                    Man merkt 'Acht Berge' die Herkunft aus einer literarischen Vorlage in einem Maß an, wie es nur bei wenigen anderen Produktionen der Fall ist. Auch wenn die sehenswerte Bergkulisse eine eindrucksvolle Visitenkarte dieses Dramas abgibt, macht insgesamt der Tonfall der Dialoge die Musik. Dabei werden einerseits durchaus relevante Themen verhandelt (oder zumindest angeschnitten), die allerdings an mehreren Stellen von der Obsession des Erzählers in Bezug auf den Freund aus Kindheitstagen überlagert wird, sodass man auch einen englischsprachigen Filmtitel wie 'Eight Brokeback Mountains' für möglich halten würde. Pietros ebenso sehnsuchtsvolle wie vorhersehbare „Bruno“-Rufe bergen stellenweise fast sogar die Gefahr, die Erzählung in den Bereich einer Persiflage abrutschen zu lassen. Ehe es soweit kommt, besinnen sich Regie und Drehbuch dann aber doch einer anderen Strategie und es wird die Unterschiedlichkeit zweier Lebensentwürfe in den Vordergrund gestellt, die beide als „alternativ“ gelten können. Hier der in der Heimat verwurzelte Bruno (die Metapher des kleinen Bäumchens, das nicht mehr richtig gedeiht, wenn es um einige Meter verpflanzt wird, spricht Bände), dort der Weltenbummler, den es aber regelmäßig an dieselben Orte zurückzieht. Belanglos ist das keineswegs; doch inwieweit man sich davon vereinnahmen lassen will, steht auf einem anderen Blatt.

                                                    KURZFAZIT

                                                    Acht Berge – sechs Punkte.

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