Framolf - Kommentare

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    Framolf 15.04.2024, 22:03 Geändert 16.04.2024, 08:05

    Dieser eine spezielle Sommer, an den man sich sein ganzes Leben erinnern wird; zumeist in bittersüßer Wehmut. Verschiedene Voraussetzungen und Ereignisse treffen in einer Konstellation zusammen, die zu bemerkenswerten Erlebnissen führen, von denen zum Zeitpunkt ihres Geschehens schon klar ist, dass sie in dieser Form höchstwahrscheinlich nie wieder eintreffen werden, weil sich irgendetwas grundlegend ändern wird. Vielleicht wird der Kontakt zu einer ganz speziellen Person abbrechen, womöglich steht aber auch ein Wohnortwechsel an oder es wird sich der Gesundheitszustand verschlechtern. So oder so steht zumeist ab dem Herbst eine neue Lebensphase bevor. Gerade (aber ganz sicher nicht nur) in französischen Dramen stellen derlei Geschichten ein bewährtes Konzept dar, das häufig eine ausgewogene Mischung aus heiteren und tragischen Ereignissen bereithält.

    Im Fall von Rebecca Zlotowskis sommerlichem Drama 'Ein leichtes Mädchen' (2019) lässt sich eine junge Frau vom Tatendrang ihrer Cousine mitreißen. Auch wenn ihr deren Verhalten augenscheinlich hier und da etwas zu stürmisch erscheint, siegt zumeist doch die Neugierde – und so stürzen sich beide gemeinsam in Situationen, die für eine der beiden offenbar Alltagserlebnisse darstellen, während ihre jüngere Cousin oft nicht so recht weiß, wie was sie von dieser oder jener Entwicklung halten soll. Doch das Glück des Sommers ist flüchtig, also versuchen sie beide, es auszukosten.

    So gut wie nichts an der in diesem Film erzählten Geschichte ist wirklich originell und auch die Inszenierung erfolgt recht konventionell. Auf der anderen Seite dürften hier vor allem jene Zuschauer auf ihre Kosten kommen, die Dramen mögen, in denen die Kostbarkeit des Augenblicks zelebriert wird. Zwar muss es nicht immer zwingend ein Sommer sein, doch wer kennt es nicht, das Gefühl, gerade etwas zu erleben, das bald enden und sich in der Form wohl nicht wieder zutragen wird? Manchen mögen solche Gedanken und Geschichten vielleicht banal erscheinen, andere fühlen dabei wahrscheinlich Empfindungen angesprochen, die man selbst schon erlebt hat. Recht haben vermutlich beide Fraktionen gleichermaßen. Wie so oft hängt eben vieles daran, welchen Dingen man welchen Wert beimisst – im Alltag wie auch vor dem Fernseher.

    KURZFAZIT

    Eine leichte Geschichte.

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    • 6
      Framolf 15.04.2024, 02:05 Geändert 20.02.2025, 04:14

      Oscar Madness Film 477 (1 Auszeichnung)

      Wes Anderson ('Isle of Dogs – Ataris Reise') kleidet 'The Wonderful Story of Henry Sugar And Six More' aus der Feder von Roald Dahl in Kurzfilmform und das Ergebnis fällt mehr oder weniger exakt so aus, wie die allermeisten Filmfans es vorher erwartet haben dürften. Skurrilitäten werden hier zu nahezu jeder Sekunde regelrecht zelebriert und einmal mehr zum leitenden Prinzip erhoben.

      Konkret geht es dabei um den Fall eines Mannes, der auch mit verbundenen Augen sehen können will. Es wird von einer Reihe von Tests berichtet, die an ihm durchgeführt werden und seine Backstory wird thematisiert. In Bezug auf das Ende gibt es noch ein paar Metagags on top. Von einer Geschichte im klassischen Sinn kann man dabei nur schwerlich sprechen. Vielmehr erinnert 'Ich sehe was, was du nicht siehst' an eine Gedanken- und Anekdotensammlung, die um etwas Gesellschaftskritik und einige Gags angereichert wurde. Durch Erzählungen aus dem Off wird eine Kette kurioser Ereignisse nachgezeichnet und hier und da etwas verschmitzt kommentiert.

      Ganz besonders in den Vordergrund drängt sich Andersons Inszenierung aufgrund einer für Kurzfilmverhältnisse enorm prominent bestückten Besetzungsliste, der mit Ben Kingsley, Benedict Cumberbatch, Ralph Fiennes und Dev Patel gleich mehrere Schwergewichte der Darstellerzunft angehören. Unzählige Regisseure wären sicherlich glücklich, auch nur einen dieser Darsteller für ein Spielfilmprojekt gewinnen zu können; Wes Anderson kann sie sogar für einen Kurzfilm im Paket zusammentrommeln. In diesem Licht erscheint es auch nicht weiter verwunderlich, dass 'Ich sehe was, was du nicht siehst' 2024 mit einem Oscar in der Kategorie „Bester Kurzfilm“ prämiert wurde, was wohl auch als Signal an andere Produzenten gewertet werden darf, dass ein hoher Aufwand die Aufmerksamkeit der Jury ganz besonders auf sich ziehen kann.

      KURZFAZIT

      Starbesetzter Kurzfilm, der alleine schon aufgrund der involvierten Prominenz aufhorchen lässt.

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      • 4

        Eine zweifache Mutter, die offenbar seit langer Zeit erfolglos versucht, keine Btm-Verstöße mehr zu begehen, trifft auf einen rätselhaften Mann, der sie in einen neuen Lebensabschnitt begleiten will. Das Problem dabei: Anstelle ihrer bisherigen Abhängigkeiten tritt nun eine neue Sucht, deren Zerstörungskraft sich nicht nur gegen sie selbst richtet, sondern in allererster Linie gegen ihr persönliches Umfeld. Während „herkömmliche“ Suchterkrankungen sicherlich auch schon enorme Schäden im Umgang mit Familienmitgliedern, Freunden, Kollegen und Bekannten anrichten können, steigt die diesbezügliche Bedrohung nun auf eine ganz neue Stufe; denn von nun an wird Ellie ihre Angehörigen nicht mehr nur mental aussagen, sondern auch im wahrsten Sinne des Wortes...

        Die Metapher, die in 'Family Blood' bemüht wird, gehört sicher nicht zu den subtilsten, die dem Publikum bisher im Horrorgenre aufgetischt wurden, aber bei einem derart rabiaten Umgang mit dem Holzhammer kommt die Botschaft wahrscheinlich sogar bei denjenigen Zuschauern an, die während der Sichtung einschlafen. Die besagte Mutter wird von jemandem in eine Abhängigkeitssituation geworfen, der auch danach fast ausschließlich seine eigenen Interessen im Kopf hat und dessen Verhalten irgendwie auch auf sie abfärbt. Unabhängig davon, ob sie es selbst will oder nicht, ändert sich ihr Verhalten und der Schaden, den sie anrichtet, wird immer größer.

        Immerhin gewinnt auf diese Weise eine zunächst ziemlich belanglos wirkende Erzählung etwas an Fahrt. Nach einem farblosen Auftakt, der sich noch nicht mal als gut oder schlecht bezeichnen lässt (denn er ist einfach gar nichts), werden die Spannungsschrauben angezogen und auch die Atmosphäre wird etwas dichter. Auf diese Weise gelingt zumindest noch etwas Schadensbegrenzung und die Inszenierung rettet sich wenigstens noch ins untere Mittelmaß. Sehr viel mehr war nach dem lahmen und fast schon trashlastigen Anfang kaum noch zu erwarten.

        KURZFAZIT

        Kaum der Rede wert.

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        • 7

          Abseits von stabilen Beziehungen nach konventionellen Mustern gibt es offenkundig auch offene Ehen, die über Jahrzehnte hinweg Bestand haben (auch wenn sich in vielen Fällen von außen nicht beurteilen lässt, wie es um den inneren Zustand der Beziehung bestellt ist), aber auch monogame Beziehungen, die bereits am ersten Fehltritt zerbrechen (manchmal vielleicht auch deshalb, weil dadurch einem der beiden Partner ein willkommener Vorwand zur Trennung geliefert wird). All diese Beziehungsmodelle scheinen Regisseur Adrian Lyne nicht besonders zu interessieren. Mit Werken wie 'Eine verhängnisvolle Affäre', 'Untreu', '9 ½ Wochen' und 'Lolita' hat er gleich mehrere Titel in seiner Filmographie stehen, in denen es um zumeist abseitige Liebschaften geht, die oft auch eine strafrechtlich relevante Komponente beinhalten.

          In 'Tiefe Wasser' wiederum breitet Lyne eine Situation aus, in der sich eine Ehefrau und Mutter einen Toy Boy hält, dessen Anwesenheit sie auch und besonders dazu nutzt, um ihren Gatten zu provozieren. Sie bewegen sich in Kreisen, in denen viel getuschelt wird und es daher so gut wie keine Geheimnisse gibt. Schnell stellt sich der Eindruck ein, dass Melinda ihren Ehemann Vic ganz bewusst aus der Reserve locken und zu einem wie auch immer gearteten Handeln bewegen will. Der gehörnte Gatte wiederum kanalisiert seine Aggressionen auf seine ganz eigene Weise. Ein gefundenes Fressen für das klatschsüchtige Umfeld aus der gehobenen Mittelklasse.

          Die Möglichkeiten der Prämisse, die durchaus gute Voraussetzungen für eine bissige Satire bietet, werden allenfalls ansatzweise ausgereizt. Lynes Hauptinteresse liegt offenbar auf der Beziehungsdynamik zwischen den beiden Protagonisten, was zwar grundsätzlich ebenfalls eine Reihe an erzählerischen Möglichkeiten eröffnet; doch auch diese werden nur teilweise ausgereizt. Das Ergebnis ist ein durchaus unterhaltsamer Hybride aus Thriller und Drama, der über weite Strecken auf nicht allzu laute und plakative Töne setzt – was wiederum den Vorteil mit sich bringt, dass einige Zuschauer umso mehr Aufmerksamkeit aufbringen werden, um auf etwaige Zwischentöne zu achten. Auf der anderen Seite erscheint das Endergebnis aber doch profaner zu sein, als es womöglich sein könnte. Für Fans der beteiligten Darsteller gibt es sicherlich schlechtere Filme als diesen; dennoch kann sich am Ende der Eindruck einstellen, dass mit verhältnismäßig wenig Aufwand eine deutlich aussagekräftigere Inszenierung möglich gewesen wäre.

          KURZFAZIT

          Das Wasser ist nicht wirklich tief (der Protagonist kann ein Lied davon singen), die Charaktere sind es nur bedingt und die Handlung allenfalls ansatzweise. Unterhaltsam kann es dennoch werden – sofern man sich darauf einlassen möchte.

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          • 8

            Nur wenige europäische Serien dürften in der jüngeren Vergangenheit einen Widerhall gefunden haben, der mit dem von 'Die Brücke – Transit in den Tod' (2011-2018) vergleichbar ist. Infolge der positiven Resonanz auf das Original, dessen Handlung an der Grenze zwischen Dänemark und Schweden angesiedelt ist, wurde die Produktion einer ganzen Reihe von Serien mit ähnlicher inhaltlicher Ausrichtung angestoßen. 'The Bridge – America' (USA – Mexiko), 'The Tunnel – Mord kennt keine Grenzen' (Frankreich – Großbritannien), 'Most' (Russland – Estland) und 'The Bridge' (Malaysia – Singapur) folgen ebenso wie 'Der Pass' (Deutschland – Österreich) allesamt einer ähnlichen Prämisse. Eine Leiche wird an einer Landesgrenze gefunden und Ermittler aus beiden Ländern müssen sich zu gemeinsamen Nachforschungen zusammenraufen.

            „Nicht schon wieder ein redundantes deutschsprachiges Remake“, könnte man vielleicht im ersten Moment denken. Doch weit gefehlt. Auf einen mehr oder minder standesgemäßen bzw. herkömmlichen Einstand folgt eine Handlung, in der konsequent auf eine eigenständige Ausrichtung geachtet wird. Denn bei der hiesigen Version dieses Krimiplots handelt es sich um weit mehr als nur eine bereits mehrfach erzählte Geschichte mit bayerisch-österreichischem Anstrich. Grundideen und Charakter-Archetypen aus dem Original finden sich allenfalls in Spuren wieder und die Einbindung von Mythen aus der süddeutschen Sagenwelt erfolgt keineswegs nur zum Selbstzweck. Vielmehr werden dadurch in den meisten Fällen seelische Abgründe erlebbar gemacht bzw. in eine entsprechende Bildsprache übersetzt.

            Doch nicht nur zahlreiche Nebencharaktere (Zeugen, Opfer, Täter) blicken in finstere Abgründe verschiedenster Art; auch die beiden Protagonisten erweisen sich im Lauf der Erzählung als vielschichtig konstruierte Charaktere, die weit von der schablonenhaften Konzeption in vielen anderen Krimiserien entfernt sind. Die Eindrücke aus dem Original und dem US-Remake sollen dadurch keineswegs geschmälert werden. Im Gegenteil: Es wäre wohl eine vergleichsweise leichte Übung für Cyrill Boss und Philipp Stennert gewesen, die bewährten Erfolgsrezepte aus Skandinavien und den Vereinigten Staaten zu kopieren; doch stattdessen beschreiten sie eigene Wege – und der Erfolg gibt ihnen recht. Im Verlauf der drei Staffeln werden den Charakteren und der Handlung immer weitere Facetten hinzugefügt, sodass schnell klar wird, dass der Leichenfund an der Grenze eigentlich nur als Vehikel für eine ganz andere Art von Geschichte dient. Eine Geschichte, deren atmosphärische Schlinge sich mit fortschreitendem Verlauf immer enger zieht. Sowohl die Bilder als auch die Klänge und die inhaltlichen Motive werden immer morbider und erzeugen zunehmendes Unbehagen.

            Speziell die Einbindung zahlreicher Drehorte am und um den Arber (im Oktober 2022 wurde dort für rund drei Wochen gedreht) sorgen im Rahmen der dritten Staffel für atmosphärische Bilder von einer rauen, aber enorm sehenswerten Umgebung. Die Sets, die dabei aufgebaut wurden, waren vergleichsweise aufwändig, zudem war der Crew offenbar auch der Filmgott hold (sofern der häufig beschworene Fußballgott wirklich existiert, hat er bestimmt auch ein Pendant für cineastische Produktionen). Jedenfalls hatte ich das Glück, an einem Drehtag am Set sein zu dürfen, als kurz vor der Dämmerung eine extrem dichte Nebelwand von der tschechischen Grenze herüberzog, die den Berg in eine nur schwer in Worte zu fassende Atmosphäre hüllte. Auch wenn derlei Phänomene in höheren Lagen öfter zu beobachten sind, soll es schließlich auch schon unzählige Filmcrews gegeben haben, denen wochenlang kein Glück beim Warten auf die passende Wetterlage beschert war.

            Das Ergebnis der bemerkenswerten Arbeit der Locationscouts und der handwerklich versierten Inszenierung vieler Episoden kann sich jedenfalls sehen lassen. Schließlich resultiert daraus ein Produktionsdesign, das der Inszenierung von 'Der Pass' einen unverkennbaren Stempel aufdrück und den düsteren Charakter des Inhalts in passende Bilder kleidet. Passend zur Stimmung, die über drei Staffeln hinweg transportiert wird, fällt letztlich auch der Erzählton der finalen Szene aus, wobei zum Ende hin auch eine große Portion Wehmut mitschwingt. Niemals geht man so ganz. Zumindest in den Erinnerungen vieler Zuschauer wird ein Stück des Weges, den man auf diesem Pass zurücklegt, sicherlich noch lange präsent sein. Bei derartigen Resultaten macht dann eben auch ein Remake (das eigentlich ohnehin kein richtiges ist) eines bereits mehrfach verfilmten Stoffes fraglos Sinn.

            KURZFAZIT

            Düster, abgründig und bisweilen mystisch. 'Der Pass' führt sein Publikum nicht nur an den Rand geografischer Abgründe, sondern auch an seelische; sowohl in Bezug auf einzelne Charaktere als auch auf ganze Gruppierungen.

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            • 6

              Nach einem heftig aus dem Ruder gelaufenen Juwelenraub zieht der flüchtige Verbrecher eine regelrechte Blutspur hinter sich her. Seine Identität ist für das Publikum zunächst unbekannt, nicht aber der Weg, den er nimmt: Er versucht, in der Wildnis unterzutauchen und sich zu Fuß nach Kanada durchzuschlagen. Wegen mangelnder Ortskenntnis schließt er sich einer Wandergruppe an. Auf den Fersen ist ihm ein FBI-Agent, der ihn einfangen möchte, bevor er noch weiteren Schaden anrichten oder sich ins Ausland absetzen kann.

              Die Mitglieder der Wandergruppe sind also in höchster Gefahr. Doch wer von ihnen ist der Täter und wer kommt als mögliches Opfer infrage? Um die Katze nicht früher als unbedingt nötig aus dem Sack zu lassen, greift Regisseur Roger Spottiswoode ('James Bond 007 – Der Morgen stirbt nie') zu einem Kniff, der ebenso einfach wie effektiv ist: Er besetzt gleich mehrere Rollen mit Schauspielern, die dem Publikum aus anderen Filmen als Schurken bekannt sein dürften. Mindestens zwei der Kandidaten interpretieren ihre Rollen auch entsprechend, wodurch man als Zuschauer zwar einen Verdacht hegen, sich aber nicht wirklich sicher sein kann. Als nicht weniger ansprechend erweist sich die Naturkulisse, die für einige teils spektakuläre Bilder sorgt. Die Handlung an sich ist zwar recht minimalistisch, aber vielleicht auch gerade deswegen vergleichsweise effektiv. Der Mörder und seine beiden Verfolger belauern sich gegenseitig, auch wenn sie durch eine Distanz von mehreren Meilen von einander getrennt sind.

              Nicht unbedingt fehl am Platz, aber zumindest etwas ungewohnt, sind gelegentlich eingestreute Humoreinlagen, die die eigentlich recht grimmige Stimmung – je nach Sichtweise - etwas untergraben bzw. auflockern. In allererster Linie ist dafür Hauptdarsteller Sidney Poitier zuständig, der durch seine Mimik und ein paar augenzwinkernd vorgetragene Dialogzeilen für etwas Heiterkeit sorgt. Exklusiv ist die Komik aber nicht bei ihm angesiedelt (Stichwort Wandergruppe und Bär).
              Alles in allem entpuppt sich 'Mörderischer Vorsprung' als bodenständiger Actioner, dessen Konzept auch einige Jahrzehnte später noch mehr als passabel funktioniert.

              (Danke an pischti für den Tipp! Keine Ahnung, wie sich dieser Film so lang vor mir verstecken konnte. Hat Spaß gemacht.)

              KURZFAZIT

              Action- und Survivalthriller der alten Schule – und trotzdem keineswegs angestaubt.

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              • 5 .5
                über Curve

                ++ Minimale SPOILER ++

                Als Mallory irgendwo im Nirgendwo eine Panne hat, taucht wie aus dem Nichts ein Fremder auf und hilft ihr bei der Reparatur. Nach etwas Zögern bietet sie ihm eine Mitfahrgelegenheit an. Keine gute Idee, denn was danach folgt, ist ziemlich bedrohlich und wird von Minute zu Minute schlimmer. Allerdings zeigt sich recht schnell, dass Mallory sehr viel leidensfähiger ist, als es ihr Widersacher wahrscheinlich eingeplant haben dürfte.

                Die Verfilmung, die Blumhouse seinem Publikum hier auftischt, könnte „klassischer“ kaum sein. Wie so oft bei dieser Produktionsfirma ist man auch hier darum bemüht, möglichst auf Nummer sicher zu gehen, was im Großen und Ganzen auch recht gut gelingt. Auch wenn sich (besonders zu Beginn) gleich mehrere Filmfehler eingeschlichen haben und zudem reihenweise Genreklischees erfüllt werden, hat Iain Softleys Inszenierung auch einige Höhepunkte zu bieten. Das Setting wirkt passend gewählt und in manchen Szenen ist die Bedrohung regelrecht mit Händen greifbar. Die Inszenierung erinnert über weite Strecken an ein Kammerspiel ohne Kammer (wenn man vom Autowrack absieht). Durch die Quasi-Isolation der Charaktere in einer verlassenen und unwirtlichen Gegend greifen hier eben auch Gesetzmäßigkeiten, die man ansonsten vor allem aus dem Theater kennt. Die beiden Kontrahenten sind zunächst komplett auf sich selbst und sich gegenseitig fixiert. Zwar öffnet sich die Szenerie gegen Ende ein wenig, doch selbst dann bleibt die Lage vergleichsweise überschaubar. Alles steht und fällt also mit den beiden Hauptdarstellern und der Art und Weise, wie sie in Szene gesetzt werden. Da beide ihre Sache mehr als ordentlich machen und die Regie mehrere Spannungsspitzen setzt, kommen Fans von (im weitesten Sinne) Survivalthrillern hier durchaus auf ihre Kosten. Etwas mehr Mut zu ein paar halbwegs unverbrauchten Ideen hätte trotzdem nicht geschadet.

                KURZFAZIT

                Grundsolide Stangenware.

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                • 9
                  Framolf 09.04.2024, 01:26 Geändert 20.02.2025, 04:13

                  Oscar Madness Film 476 (2 Auszeichnungen, 9 weitere Nominierungen)

                  Wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sollen in den Nürnberger Prozessen an symbolträchtiger Stelle die Verbrechen einiger federführender Akteure des Nationalsozialismus juristisch aufgearbeitet werden. Angelehnt an den wahren Begebenheiten zeichnet Stanley Kramer (oscarnominiert in den Sparten Beste Regie und Bester Film) in seinem Justizdrama 'Das Urteil von Nürnberg' den Hergang der Verfahren anhand einer geringfügig verfremdeten Darstellung nach.

                  Mit Spencer Tracy, Judy Garland und Montgomery Clift (alle oscarnominiert) stehen ihm dabei zusammen mit weiteren Stars und aufstrebenden Schauspielern wie Burt Lancaster, Marlene Dietrich, Richard Widmark und William Shatner große Namen für die Besetzung zur Verfügung.

                  Besonders herausragend wirkt in diesem prominent besetzten Umfeld die Mitwirkung eines deutschsprachigen Darstellers, der in gleich mehreren Szenen sein ganzes Schauspielerherz in die Waagschale wirft und seinem beherzten Auftritt die Auszeichnung mit dem renommiertesten Filmpreis seiner Zunft zu verdanken hat. Der Begriff des Advocatus Diaboli wird dabei sowohl in buchstäblicher als auch in sprichwörtlicher Hinsicht zugespitzt. Anwalt Hans Rolfe (oscarprämiert: Maximilian Schell) tritt hier nicht nur als Verteidiger des ehemaligen Justizministers (Burt Lancaster) auf, sondern er hält dem US-Publikum auch einen Spiegel vor, indem auf auf den Nuklearwaffeneinsatz in Hiroshima und Nagasaki oder ein Eugenikprogramm in den Vereinigten Staaten verweist, das auch nach den Nürnberger Prozessen noch jahrzehntelang Bestand haben sollte. Seine Dialogzeilen ließen sich zwar (wahrscheinlich auch nicht zu Unrecht) als Whataboutism abtun, weisen aber wie die Einbindung völlig zerstörter Kulissen in Nürnberg und Berlin darauf hin (Oscarnominierungen in den Bereichen Szenenbild, Kamera und Schnitt), dass es sich bei aller Entsetzlichkeit der Verbrechen dabei nicht zwingend um ein Phänomen handeln muss, das sich nicht wiederholen wird. Oder anders formuliert: Demokratie und Menschenrechte bedürfen ständiger Verteidigung und auch wenn Systeme und Werte noch so gefestigt erscheinen, müssen sie jederzeit mit Attacken von außen oder Angriffen von innen heraus rechnen.

                  Hinzu kommt: Die unteren Ränge berufen sich darauf, reine Befehlsempfänger gewesen zu sein, die oberen weisen jegliche Beteiligung an der praktischen Ausführung von sich. Ansätze von Reue oder zumindest Einsicht zeigen im hier dargestellten Fall allenfalls zwei der vier Angeklagten. Der äußerst reflektiert wirkende Richter (Spencer Tracy) lässt derlei Überlegungen in sein Urteil mit einfließen, wird von politischer Seite (in Gestalt eines US-Senators) aber auch zu relativer Milde angehalten, da man das deutsche Volk auch als Verbündete im sich anbahnenden Kalten Krieg brauche. Nicht zuletzt wegen dieses relativ breit gefächerten Blicks, sondern wohl auch aufgrund des nicht nur auf Spannungsgesichtspunkte fixierten Handlungsaufbaus wurde neben Maximilian Schell auch Drehbuchautor Abby Mann mit einem Oscar bedacht, wodurch 'Das Urteil von Nürnberg' nach der ebenfalls elf mal nominierten 'West Side Story' zum zweiterfolgreichsten Beitrag bei der Oscarverleihung 1962 avancierte.

                  8,5 – 9 Punkte.

                  KURZFAZIT

                  Reflektiert erzähltes, versiert in Szene gesetztes und virtuos gespieltes Gerichtsdrama mit einem Hintergrund, der bedeutsamer kaum sein könnte.

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                  • 6
                    Framolf 08.04.2024, 01:14 Geändert 20.02.2025, 04:12

                    Oscar Madness Film 475 (3 Auszeichnungen, 4 weitere Nominierungen)

                    In 16 Kapiteln wird die Geschichte dreier Schwestern erzählt, von denen jede ihr Päckchen zu tragen hat. Um die Lage noch zusätzlich zu verkomplizieren (oder vielleicht auch um sie entsprechend heiter zu gestalten) haben die Geschwister drei Männer in ihrem Umfeld, die sich auch nicht gerade als unkompliziert erweisen. Verteilt auf eine lose Abfolge von Episoden werden die Charaktere durch verschiedene Situationen geschickt, von denen nicht wenige wie eine Replik (oder wie ein Echo) auf Woody Allens ähnlich gelagertes Werk 'Manhattan' von 1979 wirken, zumal es gerade inhaltlich eine beachtliche Schnittmenge zwischen beiden Tragikomödien gibt. Um nur einige Beispiele zu nennen, kommen dabei unter anderem folgende inhaltliche Motive in den Sinn:

                    Buchladen, Southampton, Hörverlust, Kinderwunsch, ein Job bei einer Fernsehproduktion, jemand schreibt ein Buch, es wird auf Noam Chomsky verwiesen, es gibt Seitenhiebe gegen den Nationalsozialismus, jemand hat eine Affäre mit einem verheiratetem Mann und ein Besuch bei einer Kulturveranstaltung ('Manhattan': Ausstellung, 'Hannah und ihre Schwestern': Konzert) gefällt nur einem von beiden.

                    Eingefleischte Fans von Woody Allen werden sicher noch weitere Überschneidungen erkennen, doch das Prinzip dürfte auch so klar sein. Gewissermaßen wirkt der neuere der beiden Filme wie ein cineastischer Nachtrag zum älteren, fast so, als wollte Woody Allen seinem Publikum eine Reihe an Ideen nachliefern, die sich in 'Manhattan' nicht mehr unterbringen ließen.

                    Allgemein erweist sich ein Großteil der Dialoge in 'Hannah und ihre Schwestern' als scharfzüngig, hintergründig und bissig. Als Zuschauer spürt man regelrecht, dass sich bei dem Autorenfilmer vieles angestaut haben muss. Trotz aller Routine, die sein Werk durchzieht, wirken viele Ideen unverbraucht. Die Darstellung eines Hypochonders auf Sinnsuche eröffnet ihm dabei eine Vielzahl komödiantischer Möglichkeiten, bei denen er sein Rollen- und Darstellerimage bei zahlreichen Gelegenheiten auch selbstironisch auf's Korn nehmen kann. Doch bei allen humoristischen Anwandlungen kreist das Drehbuch auch in den ernsteren Momenten oftmals selbstrefenziell um den Autorenfilmer (bzw. um seine Gedankenwelt) selbst. Seine Fans schätzen ihn dafür – und nicht nur die. Im Rahmen der Oscarverleihung 1987 wurde 'Hannah und ihre Schwestern' mit drei Auszeichnungen (für Dianne Wiest und Michael Caine in ihren Nebenrollen sowie für Woody Allen als Drehbuchautor) geehrt. Hinzu gesellten sich weitere Nominierungen in den Sparten Bester Film, Beste Regie, Bester Schnitt und Bestes Szenenbild.

                    6 Punkte mit leichter Tendenz nach oben.

                    KURZFAZIT

                    Einer der Höhepunkte in einer üppigen Filmographie.

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                    • 8

                      Während ihrer Kindheit in einem Waisenhaus wird Beth Harmon durch den dortigen Hausmeister an die Kunst des Schachspiels herangeführt. Es dauert nicht lange und sie überflügelt ihren ersten Mentor deutlich. Dieser erkennt ihr Potenzial und stellt ihr einen Schachtrainer vor, dem ebenfalls schnell Gewahr wird, welch schillernder Weg möglicherweise vor ihr liegen könnte. In ihrer Freizeit verschlingt sie von nun an Schachmagazine, aber auch Beruhigungsmittel, die ihr durch die Heimleitung verabreicht werden und ihr zwar einerseits helfen, sich besser zu konzentrieren, deren Einnahme aber andererseits auch eine Reihe an Problemen nach sich zieht – die vor allem dann besonders heftig durchschlagen, wenn sie an Entzugserscheinungen leidet.

                      Scott Frank und Allan Scott, die Entwickler dieser Miniserie, stellen in das Zentrum ihrer Geschichte eine Protagonistin, die ihre soziale Isolation (die durch die regelmäßige Medikamenteneinnahme noch verstärkt zu werden scheint) in eine persönliche Trumpfkarte umzuwandeln vermag. In Verbindung mit ihrem Talent, Spielzüge nicht nur zu antizipieren, sondern sie regelrecht zu visualisieren, findet sie in einem von Einzelkämpfern (nicht zwingend: Einzelgängern) geprägten Individualsport ihre Rolle, ihre Berufung und schließlich auch ein mehr oder minder passendes soziales Umfeld, in dem sie zumindest auf mehr Verständnis stößt als außerhalb der Schachwelt. Doch auch innerhalb dieser Szene nimmt sie – nicht zuletzt auch aufgrund eines eigenwilligen Spielstils und Lebenswandels – eine Sonderrolle ein. Doch genau das erweist sich bei vielen Turnieren auch als Vorteil.

                      Hauptdarstellerin Anya Taylor-Joy scheint mit 'Damengambit' bereits in einer frühen Karrierephase eine der Rollen ihres Lebens schlechthin gefunden zu haben. Im Grunde spielt sie die Rolle der Beth Harmon nicht nur, sondern sie scheint regelrecht mit ihr zu verschmelzen. Ein durchaus ambitionierter Drehbuchansatz findet (nicht nur in dieser Hinsicht) seine Entsprechung in der Umsetzung, wodurch man als Fan von Drama-Miniserien kaum um eine Sichtung umhinkommen dürfte.

                      KURZFAZIT

                      Ambitionierte Melange aus Charakterstudie, Suchtdrama und Sportfilm im Miniserienformat.

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                      • 3 .5

                        Der Kampfgigant schlägt wieder zu!

                        Oh nein, es ist ja gar nicht DER Kampfgigant, sondern ein völlig anderer. Na toll. Wer ist denn nun der wahre Kampfgigant unter den beiden? Naja, hilft ja nichts, finden wir es heraus!

                        Schnell wird klar, dass dieser Film so gut wie nichts mit der (fast) namensgleichen ersten Episode zu tun hat und dass der deutschsprachige Filmtitel im Grunde nichts als ein Marketinggag ist. Immerhin das Grundgerüst ist dasselbe: Irgendwo in Asien (dieses mal auf den Philippinen) treibt eine üble Verbrechermiliz ihr Unwesen. Eine Gruppe von einheimischen Freischärlern, Widerstandskämpfern, Freiheitskämpfern oder wie auch immer man sie nennen mag, soll von einer zwielichtigen (westlichen) Soldatenbande zerschlagen werden. Dabei wird auch vor Kriegsverbrechen wie Vergewaltigungen nicht Halt gemacht. Ein aufrechter und anständiger Militärberater und Kämpfer, der selbst zwischen die Fronten gerät, schließt sich den Einheimischen an – und Überraschung: gemeinsam sind sie stark!

                        Wer darauf steht, Leuten in olivfarbener Kleidung dabei zuzusehen, wie sie von A nach B laufen (und dann natürlich wieder zurück), wird hier voll auf seine Kosten kommen. Hin und wieder wird auch geschossen oder etwas in die Luft gejagt - auch wenn die Szenen mitunter so schludrig inszeniert sind, dass sie nicht immer Sinn ergeben. Und wem das nicht reicht, der bekommt sogar noch so etwas ähnliches wie eine Liebesgeschichte on top! Also Männer: Setzt euch mit euren Herzensdamen vor die Glotze und lasst euch von diesem Elitekämpfer und seiner Begleiterin in den Bann ziehen!

                        Doch wer ist nun eigentlich der einzig wahre Kampfgigant: Robert Ross (Miles O'Keefe) aus der ersten Episode oder Mark Hardin (Rob Brown) aus 'Der Kampfgigant 2'? Ganz schwer zu beurteilen. Ihr werdet also nicht umhin kommen, euch beide Filmjuwelen selbst anzuschauen. Viel Spaß dabei und Prost!

                        => Gigantische 3,5 – 4 Punkte.

                        KURZFAZIT

                        Komplett anders als 'Der Kampfgigant', aber irgendwie trotzdem derselbe Murks.

                        35
                        • 4 .5

                          Ein Soldat der Extraklasse... Nein, halt! Ein waschechter Kampfgigant wird von einem zwielichtigen Politiker (Donald Pleasence aus den 'Halloween'-Filmen) nach Vietnam geschickt, um dort mal ordentlich aufzuräumen – mit dem Maschinengewehr versteht sich. Auch wenn er sich eher knurrig gibt, kommt ihm dieser Auftrag ganz recht, denn so kann er seinen Sohn, der dort lebt, in die Vereinigten Staaten holen. Dieser will zwar eigentlich gar nichts mit seinem Vater zu tun haben, aber wen kümmert das schon? Also macht sich unser Rambo-Verschnitt auf den Weg in den Dschungel und legt los. Dort angekommen trifft er schon bald auf seinen brother from another mother. Zu zweit nehmen sie es mit einer verbrecherischen Armee auf, während sie eine regelrechte Schneise der Verwüstung (in Form von Kollateralschäden) hinter sich herziehen.

                          Miles O'Keeffe, (un)bekannt aus Krachern wie 'Flash Fighter', 'Hard Bull' oder 'Mission Death' (na gut, aus den 'Ator'-Filme dürften ihn wirklich einige Zuschauer kennen) lässt keinen Zweifel aufkommen: Die Handlung von 'Der Kampfgigant' und seine Rolle des kompromisslosen Robert Ross sind bierernst! Mindestens ebenso ernst wie der Husten des Senators, von dem man nie genau weiß, ob er nicht gleich ersticken wird.

                          Zwar hat man so ziemlich alles an der Handlung auch schon anderswo gesehen, aber das ist ja letztlich nur ein Beweis dafür, dass sich Qualität eben langfristig bewährt. Wichtig ist erstmal, dass es Explosionen und Hubschrauber gibt. Ein Regisseur, der damit aufwarten kann, hat eigentlich schon gewonnen. Und das Publikum? Zumindest so halb. Der Unterhaltungsfaktor stimmt einigermaßen. Und dass so ziemlich alle gängigen Klischees aus dem Actiontrash-Sektor der 80er Jahre erfüllt werden, macht den Film zumindest zu einem passablen Kandidaten für einen bierseligen Retro-Abend.

                          KURZFAZIT

                          Videotheken-B-Movie-Klassiker der halbwegs unterhaltsamen Art.

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                            ++ Leichte SPOILER ++

                            Nach der Zerstörung seiner Violine gerät ein Musiker in einen düsteren Zustand der Depression. Er empfindet kaum noch Freude an all den Dingen, die er zuvor so sehr mochte, und beginnt nun auch noch verstärkt, zahlreiche andere Facetten seines Lebens zu hinterfragen. Dabei schweifen seine Gedanken vermehrt in die Vergangenheit ab. Schnell wird klar, dass nicht einfach nur sein Lieblingsinstrument in die Brüche ging, sondern eigentlich seine komplette Lebensplanung. Vielleicht könnten diese Umstände auch die Quelle schmerzerfüllter Musikkunst sein, doch dazu scheint ihm neben Motivation auch die Kraft zu fehlen.

                            Über weite Strecken werden auf verschiedenen Zeitebenen vergangene Entscheidungen mit aktuellen Lebensumständen des Protagonisten in Verbindung gebracht. Nach und nach entsteht dabei ein Mosaik, bei dessen Zusammensetzung man durchaus auch Zweifel entwickeln kann, ob man das Gesamtbild überhaupt sehen möchte. Denn bei allen Kuriositäten, die hier präsentiert werden, dominiert der Eindruck um sich greifender Finsternis.

                            Zu ihrer größten Stärke läuft die Inszenierung von Marjane Satrapi und Vincent Paronnaud erst gegen Ende hin auf. Im Zuge der Auflösung des Backstorymysteriums kommt es zu einer Begegnung, deren Darstellung mehr aussagt als tausend Worte. Eine ganze Bandbreite an Emotionen wird bei den beteiligten Charakteren (und damit indirekt auch bei den Zuschauern) angesprochen, was wiederum vielfältige Gedanken und Überlegungen nach sich ziehen kann. Spätestens hier wird ein Punkt erreicht, an dem sich 'Huhn mit Pflaumen' von einer Vielzahl anderer Dramen abhebt. Süßer Geschmack und Bitterkeit, Freude und Schmerz, Hoffnung und Enttäuschung, Sehnsucht und Verharren liegen dabei so dicht beieinander, wie man es wahrscheinlich nur aus wenigen Filmen, aber vielleicht aus der eigenen Biographie kennt.

                            Zwei übereinstimmende Willenserklärungen ergeben eben noch lange keinen Ehevertrag.

                            KURZFAZIT

                            Über weite Strecken trostlos, aber skurril inszeniertes Drama, das erst zum Finale auf den Punkt kommt.

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                            • 6 .5

                              Die besten Geschichten (oder zumindest die Basis dafür) schreibt bekanntlich oft das Leben. Im Fall von Lee Daniels Drama 'Der Butler' ist es der Werdegang eines Hausdieners, der es nach einem extrem schwierigen Start ins Leben bis zu einer jahrzehntelangen Anstellung im Weißen Haus bringt. Einer der größten Konfliktpunkte findet sich also bereits in der Prämisse und spiegelt sich im Verhältnis der Protagonisten zu seinen beiden Söhnen wider, deren Ansichten unterschiedlicher kaum sein könnten. Vereinfacht gesagt lässt sich der Kern der Handlung auf die Frage herunterbrechen, ob der Aufstieg des Butlers als Erfolgsmodell innerhalb der afroamerikanischen Community zu werten ist, oder ob eine Anstellung als Diener nur eine etwas humanere Form der Sklaverei darstellt. Ein Großteil der Dialoge und inneren Konflikte, die in dieser Inszenierung zum Ausdruck kommen, dreht sich jedenfalls um diese Frage. Doch Hollywood wäre wohl nicht Hollywood, wenn derlei Problemstellungen nicht auch selbstreferenziell diskutiert werden würden. Konkret sprechen der Hauptcharakter und seine Frau davon, wie sehr sie Sidney Poitier schätzen und wie sehr sie ihm den Gewinn eines Oscars gönnen. Der ältere Sohn, der sich als politischer Aktivist immer stärker radikalisiert, wirft Poitier hingegen vor, sich den Weißen durch gekünsteltes Verhalten anzubiedern.

                              In Bezug auf die Award Season war diese vermeintliche Card Blanche jedoch nur bedingt zielführend. Trotz teils herausragender Leistungen sprangen weder Nominierungen für die Oscars noch für die Golden Globes heraus, obwohl sich das Team um Lee Daniels und die Produzenten Buddy Patrick und Laura Ziskin im Vorfeld berechtigte Hoffnungen auf die Berücksichtigung in mehreren Kategorien machen durfte (beispielsweise in den Kategorien Beste Regie, Bester Hauptdarsteller, Beste Nebendarstellerin und Bester Nebendarsteller).

                              KURZFAZIT

                              Filmbiographie über einen Werdegang, der symbolträchtiger kaum sein könnte.

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                                Framolf 02.04.2024, 02:04 Geändert 20.02.2025, 03:39

                                Oscar Madness Film 474 (7 Auszeichnungen, 6 weitere Nominierungen)

                                London, Ende des 16. Jahrhunderts. Die Besitzer zweier konkurrierender Theater buhlen beide um die Dienste eines jungen Autors namens William Shakespeare, der sich allerdings gerade mitten in einer Schaffenskrise befindet. Zu allem Überfluss ist der Dichter auch noch unglücklich verliebt und zudem auf der Suche nach einem bisher unbekannten Nachwuchsdarsteller, der seiner Herzensdame erstaunlich ähnlich sieht. Als ob das nicht schon genug des Trubels wäre, wird auch noch von verschiedenen Seiten Druck auf ihn ausgeübt. Keine leichte Aufgabe, all das unter einen Hut zu bringen – oder etwa doch?

                                Regisseur John Madden inszeniert die Handlung von 'Shakespeare in Love' als ein heiteres Lustspiel, das in ähnlicher Form auch aus der Feder von Shakespeares selbst stammen könnte – allerdings mit dem Hauptunterschied, dass Maddens Entwurf in eine deutlich modernere Form gekleidet wurde. Der Fokus liegt dabei zwar auf einer Mischung aus Künstlerdrama, Liebesgeschichte und Verwechslungskomödie, was jedoch nicht heißt, dass es zwischen den Zeilen nicht auch eine Reihe kleinerer Anspielungen auf den Zeitgeist, auf biographische und historische Frage oder auf auf textimmanente Details aus Shakespeares Werken gäbe. So finden sich beispielsweise kleinere Verweise auf die Debatte um die Autorenschaft von Shakespeares Werken, wenn ihm etwa ausgerechnet Christopher Marlowe Ratschläge für den Beginn einer frühen Fassung von 'Romeo und Julia' erteilt.

                                Unabhängig von derlei inhaltlichen Fragen glänzt Maddens Inszenierung vor allem durch akribische Arbeit in den Bereichen Kostüm und Szenenbild. Besonders die Gestaltung des elisabethanischen Theaters und der entsprechenden Spielstätten gilt dabei in Fachkreisen als äußerst akkurat. Sandy Powell (Kostümdesign) sowie Martin Childs und Jill Quertier (beide Szenenbild) wurden 1999 dementsprechend auch mit Oscars ausgezeichnet. Weitere Auszeichnungen mit den begehrten Goldstatuen konnten Stephen Warbeck (Filmmusik), Marc Norman und Tom Stoopard (Originaldrehbuch) sowie Hauptdarstellerin Gwyneth Paltrow und Nebendarstellerin Judi Dench verbuchen. Dank zusätzlicher Nominierungen für Regisseur John Madden, Nebendarsteller Geoffrey Rush sowie für die Verantwortlichen in den Bereichen Kamera (Richard Greatrex), Schnitt (David Gamble), Make-up (Lisa Westcott und Veronica McAleer) und Ton (Robin O'Donoghue, Dominic Lester und Peter Glossop) ging 'Shakespeare in Love' als einer der erfolgreichsten Filme in die Geschichte der Academy Awards ein. Dass der Triumphzug während der Award Season schlussendlich durch eine Prämierung in der Königskategorie „Bester Film“ gekrönt wurde, versteht sich in diesem Licht fast von selbst.

                                Auf der Suche nach der Quadratur des Kreises (Adressierung von Shakespeare-Fans, Akademikern und unterhaltungsorientierten Filmfans gleichermaßen) haben Madden und seine Crew augenscheinlich eine Formel gefunden, die bei verschiedenen Zuschauergruppierungen ebenso Anklang findet wie bei vielen Kritikern und Filmpreisjuroren. Sehr viel mehr war mit einem derartigen Stoff nicht zu erreichen.

                                KURZFAZIT

                                Eine überwiegend auf Unterhaltung getrimmte Handlung, eingebettet in ein akribisch aufbereitetes Setting.

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                                  Framolf 01.04.2024, 07:51 Geändert 01.04.2024, 09:01

                                  ++ Minimale SPOILER ++

                                  Amerika im Jahr 1890. Die größte Euphorie des Goldrausches ist vorbei und die Claims in Bezug auf Grund und Boden sind überwiegend abgesteckt. Während man einige Jahre lang relativ sicher sein konnte, mit etwas Abenteuergeist, Fleiß und Mut zum Risiko ein kleineres oder (mit entsprechender krimineller Energie) größeres Vermögen anhäufen zu können, dominiert nun die Verlustangst. Gierige Viehzüchter trachten kleineren Konkurrenten nach deren Viehbständen oder Ackergründen. Wer Bargeld oder Wertsachen bei sich trägt, lebt grundsätzlich gefährlich. Wo also eine Zeitlang die Hoffnung auf Hinzugewinne im Mittelpunkt stand, dominiert nun eine diffuse, aber auch wohlbegründete Verlustangst. Mitten in dieser Gemengelage macht sich eine Engländerin mit einer Tasche voller Banknoten auf den Weg durch verschiedene amerikanische Bundesstaaten, um einen Mann zu finden, der ihr großes Leid zugefügt hat. Unabhängig von materiellen Dingen spielen Verlustängste für sie auch unter anderen Gesichtspunkten eine große Rolle. Denn Geld ist eine Sache, doch die eigene Gesundheit, persönliche Beziehungen oder die Leben liebgewonnener Menschen sind unter derlei Umständen ebenfalls keineswegs selbstverständlich.

                                  Emily Blunt, die auch zu den Produzenten dieser Miniserie gehört, geht regelrecht auf in ihrer Rolle der Außenseiterin, die die Logiken, Dynamiken, Gepflogenheiten und Gesetzmäßigkeiten des Wilden Westens besser versteht als so mancher Akteur, der dort schon einige Jahre länger sein Unwesen treibt. Mit einer schnellen Auffassungsgabe, guter Menschenkenntnis und einer ordentlichen portion Glück bahnt sie sich gemeinsam mit einem Gefährten, dessen Vita nicht minder viele Brüche aufweist, ihren Weg zu dem anvisierten Ziel. Die gesuchte Person wird dem Publikum lange Zeit überwiegend mittels Rückblicken vorgestellt.

                                  Strukturiert ist die Erzählung zunächst in einer Mischung aus Series und Serial. Es gibt episodische Elemente, wie beispielsweise Charaktere, Orte oder Motive, die nur für eine Folge eine Rolle spielen, während sich die restlichen Handlungsstränge über die gesamte Spieldauer erstrecken. So gesehen erinnert der Aufbau der Handlung vor allem an die Kapitel eines Romans. Das Erzähltempo erscheint bisweilen schleppend, was stellenweise zwar der Immersion zuträglich ist, auf der anderen Seite aber auch den Fortgang der Handlung ausbremst. Möglicherweise wäre es ein guter Kompromiss gewesen, von der konventionalisierten sechsepisodien Struktur abzuweichen und die Produktion um ein bis zwei Episoden zu straffen. So oder so kann diese entschleunigte Reise aber dennoch einen Ritt wert sein – sofern man damit leben kann, dass es hier und da mal etwas ruhiger zugehen kann. Einen Vorteil hat die gewählte Vorgehensweise jedoch allemal: Die regelmäßig eingestreuten Gewaltspitzen wirken durch den stetigen Wechsel des Erzähltons und -tempos umso effektiver.

                                  KURZFAZIT

                                  Cineastische Reise durch eine raue Umgebung, die von zahlreichen üblen Gesellen bevölkert ist.

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                                    Framolf 30.03.2024, 20:27 Geändert 13.02.2025, 06:14

                                    Oscar Madness Film 470 (2 Nominierungen)

                                    Agent Ethan Hunt (Tom Cruise) ist wieder im Einsatz. Dieses mal soll er einem McGuffin nachjagen, dessen Beschaffung derart kompliziert ist, dass sie nicht in einer einzigen Episode zu bewerkstelligen ist. Aber jede Mission hat einen Anfang und nach der Selbstzerstörung der entsprechenden Nachricht geht es auch schon los.

                                    Fanservice wird in der Inszenierung von Regisseur Christopher McQuarrie ('Jack Reacher') groß geschrieben. Neben einigen weiteren gewohnten Elementen kommen dementsprechend auch wieder die beliebten Gesichtsmasken zum Einsatz, die offenbar auch Stimme, Statur und Körperhaltung verfremden können. Das sorgt für allerlei heitere Elemente, erinnert das Publikum aber auch in regelmäßigen Abständen daran, dass man hier eher im Märchen- als im Spionagegenre unterwegs ist. Aber: Never change a running system – der Erfolg gibt McQuarrie und seiner Crew schließlich recht. Das Einspielergebnis fällt mehr als passabel aus und im Rahmen der Award Season wurde die Produktion mit mehreren Nominierungen und Auszeichnungen bedacht. Nachdem auch die Bewertungen von Kritikern und Publikum überwiegend gut ausfallen, ist davon auszugehen, dass sich auch bei künftigen Veröffentlichungen aus dem 'Mission Impossible' Universum nicht allzu viel ändern dürfte. In Bezug auf die Inszenierung der Actionszenen kann das bei vielen Fans sicherlich Vorfreude schüren, mit Blick auf einige dümmliche Stellen im Drehbuch sollte man sich aber wahrscheinlich nicht allzu großen Hoffnungen auf Besserung hingeben. Im Grunde ist es aber nur konsequent, dass nahezu sämtliche Ressourcen in die technische Umsetzung und die Gagen der zahlreichen namhaften Darsteller investiert werden, da die Handlung hier ohnehin nur als Vehikel für die Präsentation von Stunts und Spezialeffekten betrachtet wird – und davon gibt es hier reichlich.

                                    KURZFAZIT

                                    Regisseur Christopher McQuarrie liefert genau das, was von ihm im Vorfeld erwartet wurde – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

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                                      Framolf 30.03.2024, 01:00 Geändert 13.02.2025, 06:16

                                      Oscar Madness Film 472 (1 Nominierung)

                                      Feuer, Wasser, Erde und Luft sind auf den ersten Blick recht unterschiedliche Elemente. Wenn sie aufeinandertreffen, ziehen gerne mal Kräfte in verschiedene Richtungen. Demenstprechend bleiben die Angehörigen der verschiedenen Gruppierungen oftmals unter sich. Viele fühlen sich von ihresgleichen besser verstanden – und überhaupt: Schließlich sind auch schon viele Vertreter der vorherigen Generationen unter sich geblieben. Wo kämen wir denn da hin, wenn plötzlich Traditionen hinterfragt werden würden?

                                      Auf der anderen Seite können die verschiedenen Eigenschaften der Elemente auch ausgleichend wirken. Wenn beispielsweise Feuer zu stark um sich greift, kann durch Wasser der Schaden begrenzt werden. Und bei aller Wertschätzung für tradierte Handlungsweisen: In vielen Fällen ist ein Blick über den Tellerrand sicher nicht die schlechteste Idee.

                                      In Pixars Animationsfilm 'Elemental' trifft eine junge und feurige Feuer-Frau, die sich anschickt, beruflich in die Fußstapfen ihrer Eltern zu treten, auf einen wachsweichen Wasser-Mann, der nach der ersten Begegnung sofort Feuer und Flamme ist, während sie betont unterkühlt reagiert. Trotz aller kulturell gepflegten Unterschiede vollziehen beide also bereits hier einen Rollentausch bezüglich ihrer zugeschriebenen Verhaltenseigenschaften. Kann es also sein, dass die beiden vielleicht doch sehr viel mehr verbindet, als es einige Traditionalisten wahrhaben wollen?

                                      Beide werden durch eine Reihe unterschiedlicher Situationen geschickt, die naturgemäß auch den Kontakt zu Vertretern der beiden anderen Elemente beinhalten. Im Zusammenspiel mit diesen zeigt sich ein ähnliches Muster: Rein äußerlich erscheinen die trennenden Unterschiede zunächst recht groß, während am Ende aber doch individuelle Faktoren entscheidend sind. Hilfsbereitschaft ist schließlich keine Sache der Herkunft. Schwierige Vertreter der Gruppierungen kann es natürlich auch geben, aber das ist dann eben nicht zwingend eine Frage der elementaren Herkunft, sondern eher eine des persönlichen Charakters.

                                      Wie man es aus dem Hause Pixar kennt, werden auch in 'Elemental' Zusammenhänge aus dem realen Leben in Metaphern gekleidet, deren phantasievollen Aufbereitung Kindern entgegenkommen und die Erwachsene stellenweise auch auf einer zweiten Ebene ansprechen dürfte. Der Erzählstil ist heiter und die visuelle Gestaltung kann sich sehen lassen. Als Ergebnis steht am Ende zwar ein Stück Fließbandarbeit, jedoch eines der hochwertigeren Sorte.

                                      KURZFAZIT

                                      Ein Pixar-Film wie er typischer kaum sein könnte: Hochwertige Animationen und eine metaphernreiche Erzählung.

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                                        Framolf 30.03.2024, 00:53 Geändert 13.02.2025, 06:15

                                        Oscar Madness Film 471 (1 Nominierung)

                                        In Zeiten, in denen es nicht mehr selbstverständlich ist, dass sich Kinder für das Lesen begeistern, möchte man eigentlich meinen, dass erstmal wichtig ist, dass überhaupt viel gelesen wird – und zwar nicht nur auf Bildschirmen, sondern gerne auch auf klassisch-analoge Weise. Doch auch wenn immer weniger Kinder lesen, ist mancherorts ein erbitterter Kampf über die Entscheidungshoheit bezüglich der zu vermittelnden Inhalte entbrannt. Während im deutschsprachigen Raum oftmals über den Umgang mit (tendenziell) älteren Werken diskutiert wird, in denen eine aus heutiger Sicht unangemessene Diktion verwendet wird, werden in einigen US-Amerikanischen Bundesstaaten offenbar vorrangig moderne und postmoderne Werke in den Fokus genommen. Dabei geht es dann in der Regel nicht um Rassismusvorwürfe oder dergleichen, sondern darum, dass betont liberale Positionen vertreten werden. Ganz unabhängig von den parteipolitischen Präferenzen der zuständigen Entscheider (zumeist sind es Elternvertreter) könnte man natürlich versuchen, Kinder zu einem kritischen Umgang mit Texten jedweder Art zu erziehen. Mit einer bewusst geförderten Lesekompetenz als Rüstzeug könnten diese dann eines Tages selbst darüber entscheiden, wie die jeweiligen Inhalte zu interpretieren sind. Schließlich geht es in vielen Fällen nicht um Texte, die an Leseanfänger gerichtet sind, sondern um solche, die sich entweder an fortgeschrittene Leser oder sogar an Jugendliche richten. Oder man wählt eben den gegenteiligen Weg und schränkt den Zugang zu allen Büchern ein, deren Inhalte als unliebsam betrachtet werden.

                                        Trish Adlesic und Nazenet Habtezghi lassen einerseits junge Leser sowie eine Zeitzeugin der Bücherverbrennungen im Dritten Reich zu Wort kommen. Auf der anderen Seite blenden sie kurze Zitate aus Werken ein, die mancherorts auf eine schwarze Liste gesetzt wurden, sodass der Zugang zu ihnen entweder erschwert oder sogar komplett unterbunden wird. Welches der Werke in welchem Ausmaß (bezogen auf die Anzahl der Schulen oder Bundesstaaten) betroffen ist, bleibt offen. Ob es sich also um Einzelfälle oder flächendeckende Restriktionen handelt, müsste man als Zuschauer also selbst recherchieren. Zudem ist nicht immer ganz klar, ob die Werke aufgrund der eingeblendeten Textpassagen aus den Regalen geräumt wurden oder ob stattdessen andere Zitate als kritisch erachtet wurden. Eines haben die gezeigten Werke allerdings gemeinsam: Sie alle repräsentieren und propagieren einen liberalen Zeitgeist. Ob es auch eine Gegenbewegung in dem Sinne gibt, dass auch der Zugang zu konservativen Beiträgen erschwert wird, wird nicht thematisiert.

                                        Angesprochen wird also ein relevantes und gewichtiges Thema, Fakten werden allerdings nahezu gar nicht vermittelt. Politisches Agitationskino per se ist sicher ein legitimes Mittel zur Meinungsbildung; doch wenn die Filmemacher ihrem Beitrag selbst das knöcherne Gerüst entfernen, fügen sie ihm auf dem Schlachtfeld der Debatten ohne Not ein Handicap zu.

                                        KURZFAZIT

                                        Gut gemeint.

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                                          Framolf 30.03.2024, 00:43 Geändert 13.02.2025, 06:18

                                          Oscar Madness Film 473 (1 Auszeichnung)

                                          24. Februar 2022. Während angesichts des Heranrückens russischer Truppen tausende Menschen aus Mariupol fliehen, macht sich ein Filmteam ganz bewusst auf den Weg in die Hafenstadt im Südosten der Ukraine. Während ihnen der Zustand der Stadt zu Beginn ihrer Dreharbeiten noch verhältnismäßig normal erscheint, verschlechtert sich in den Folgetagen die Lage zusehends. Im Zuge der „militärischen Spezialoperation“ Russlands kommt es dabei zu einer regelrechten Zerstörungsorgie, an deren vorläufigem Ende die Stadt einer apokalyptischen Endzeitszenerie gleichen wird. Russische Propagandisten behaupten, es würden ausschließlich militärische Ziele ins Visier genommen, ukrainische Offizielle sprechen von einem gezielten Beschuss ziviler Gebäude und Einrichtungen. Von außen könnte man zu dem Eindruck gelangen, es werde scheinbar wahllos jedes Gebäude zerstört, in dem Gegner vermutet werden oder das schlichtweg als Hindernis betrachtet wird. Mittendrin in diesem Szenario befindet sich die besagte Filmcrew, deren Hauptproblem der Zusammenbruch der Infrastruktur für die Telekommunikation zu sein scheint. Wiederholt weist der Sprecher darauf hin, dass man Sorge habe, das gedrehte Material nicht nach außen schicken zu können. Als Konsequenz daraus wird das Material in zehnsekündige Ausschnitte zerlegt, um die Chancen auf einen erfolgreichen Upload zu erhöhen. Material, das von internationalen Fernsehsendern übernommen wird, zeigt Filmemacher Mstyslav Chernov an mehreren Stellen dieser Dokumentation erneut. Vielleicht betrachtet er sie mit einem gewissen Stolz, vielleicht möchte er aber auch besonders einschneidende Ereignisse doppelt wirken lassen.

                                          Das Hauptaugenmerk seiner Reportage scheint auf vergleichsweise expliziten Bildern aus den wenigen verbliebenen Krankenhäusern zu liegen. Verletzungen und Tod sind allgegenwärtig. Der Kontext ist dabei nicht immer ganz klar. An einer Stelle macht Chernov diesen Umstand auch sichtbar, wenn verängstigte Bewohner von Beschuss durch ukrainische Truppen berichten, während ihnen jemand aus der Filmcrew widerspricht. Heikel wird es besonders dann, wenn Menschen nach kritischen Aussagen über die Invasoren aufgefordert werden, vor der Kamera ihren vollen Namen zu nennen. Ob ihnen der Filmemacher damit einen Gefallen tut, erscheint angesichts der veränderten Machtverhältnisse vor Ort mehr als fraglich.

                                          Wiederholt bemüht der Sprecher die Metapher eines von einer Krankheit befallenen Organismus (Beispiel: „Es ist 9. März. Wie eine Krankheit breitet sich der Krieg aus.“). Treffender als auf diese Weise dürfte sich die Situation kaum verbalisieren lassen. Gefahr droht den Einwohnern nicht nur von militärischer Seite, sondern auch aus der eigenen Gesellschaft heraus. Durch Einbrüche und Plünderungen macht ein Teil der Bevölkerung den Mitbürgern das Leben zusätzlich zur Hölle. Viele Menschen verlieren Angehörige, hausen notgedrungen in stark beschädigten Gebäuden und müssen dann auch noch hilflos zusehen, wie das verbliebene Hab und Gut geraubt wird. Überforderte Sicherheitskräfte werden so auf völlig unnötige Weise gebunden, was die Situation zusätzlich erschwert.

                                          Diese und ähnliche Begebenheiten werden in der Dokumentation '20 Tage in Mariupol' deutlich sichtbar gemacht. An vielen Stellen wird zu den Stilmitteln der Personalisierung und Emotionalisierung gegriffen, Das große Ganze (in Bezug auf den Mikrokosmos der Stadt Mariupol) bleibt angesichts der Schwierigkeiten bei der Informationsbeschaffung naturgemäß weitgehend auf der Strecke, denn sowohl die Bewohner als auch die Journalisten sind größtenteils von Informationen aus anderen Stadtvierteln – und erst recht aus dem Rest des Landes – mehr oder minder abgeschnitten. Das Ergebnis der Dreharbeiten ist eine collagenartige Zusammenstellung einer Reihe von Ereignissen, deren Kontext zwar nicht immer klar ist, doch die alle dieselbe Nachricht transportieren: Krieg ist scheiße.

                                          KURZFAZIT

                                          Eindringliche Bilder aus einer Stadt im Belagerungszustand.

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                                            Der kleine JR (für ihn ganz wichtig: Ohne Punkte nach den Buchstaben, was ihm ständig die Frage einbringt, wofür „JR“ überhaupt stehe) wächst ohne regelmäßigen Kontakt zu seinem leiblichen Vater auf. Lange Zeit „kennt“ er diesen nur als Moderator einer Radiosendung. Er baut sich ein verklärtes Bild seines Erzeugers auf, das er allerdings auch schon früh zu hinterfragen lernt. Mit seiner Mutter lebt er bei deren engsten Verwandten. Sie fühlt sich dort nicht besonders wohl und betrachtet den gemeinsamen Wohnsitz nicht als ihr zu Hause; der Junge hingegen schon. Auf ihren Vater ist sie nicht gut zu sprechen, da er seine Erziehungsaufgaben nur widerwillig erledigt habe.

                                            An dieser Prämisse zeigt sich bereits die vielleicht größte Qualität dieser Regiearbeit von George Clooney: Die Verhältnisse werden differenziert betrachtet und nicht simplifizierend pauschalisiert. JR und seine Mutter nehmen dasselbe familiäre Umfeld höchst unterschiedlich wahr. Zudem wird der abwesende Vater zunächst auf ein Podest gestellt und es werden Hoffnungen auf ihn projiziert, während der immerhin anwesende Vater offen gescholten wird. Ein Phänomen, das vermutlich häufig zu beobachten sein dürfte. Der Großvater (Christopher Lloyd) war offenbar kein besonders guter Vater, allerdings scheint es auch deutlich schlechtere zu geben. Nun teilt er sich mit seinem Sohn (Ben Affleck) - und ein paar Gästen aus dessen Kneipe – die Vaterrolle des Jungen. Gemeinsam schaffen sie es, den Buben zu motivieren, zu fördern und ihn durch seinen Alltag zu begleiten, bis er eines Tages alt genug ist, um flügge zu werden.

                                            Auf einen formelhaften Handlungsaufbau und Spannungsbogen wird in 'The Tender Bar' nahezu vollständig verzichtet; stattdessen reihen George Clooney und Drehbuchautor William Monahan verschiedene Wegmarken aus der Kindheit und Adoleszenz ihres Protagonisten aneinander, woraus sich eine nicht minder starke Aussagekraft ergibt. Die Erzählung orientiert sich vornehmlich am realen Leben bzw. an Alltagssituationen, die viele Zuschauer aus eigenen Erfahrungen kennen dürften. Im Vergleich zu manch anderen autobiographischen Werken wird hier der Ball bemerkenswert flach gehalten, was dem Gesamteindruck eher zuträglich sein dürfte, als ihm zu schaden. Denn auf diese Weise wird nicht nur Glaubwürdigkeit aufgebaut, sondern letztlich auch Immersion gefördert. Wer unaufgeregte Dramen mag, kann hier bodenständig konzipierten Charakteren dabei zusehen, wie sie Hindernisse überwinden (oder daran scheitern), die sich in so ähnlicher Form auch schon vor jedem der Zuschauer aufgetan haben dürften. Kunst, die das Leben imitiert, dürfte ganz gewiss nicht der schlechteste Ansatz sein und mag wahrscheinlich auch schon dem einen oder anderen Zuschauer in verschiedenen Lebenslagen geholfen haben. Daher erscheint ein Besuch in Ben Afflecks Film-Kneipe „The Dickens“ mehr als empfehlenswert.

                                            KURZFAZIT

                                            Unaufgeregt erzählte Szenen aus dem Leben.

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                                              Framolf 28.03.2024, 00:58 Geändert 13.02.2025, 06:12

                                              Oscar Madness Film 469 (1 Auszeichnung, 1 weitere Nominierung)

                                              In einer mennonitischen Gemeinde nutzt eine Gruppe von Frauen die Abwesenheit der allermeisten Männer zu einer geheimen Versammlung. Mehrere von ihnen schütten sich gegenseitig ihr Herz aus, denn sie leiden unter einem Unterdrückungsregime, in dem auch Gewalt und sexuelle Übergriffe an der Tagesordnung zu stehen scheinen. Gemeinsam erörtern sie das Für und Wider bezüglich einer Flucht sowie anderer Möglichkeiten.

                                              Der Inhalt dieser Geschichte ist ganz Gewiss nicht exklusiv auf die innere Verfasstheit mennonitischer Gemeinden bezogen, sondern lässt sich – wenn auch in abgeänderter Form - durchaus auch auf andere Formen des religiösen, familiären und gesellschaftlichen Zusammenlebens beziehen. Nicht selten werden auch inhaltliche und gestalterische Schnittpunkte mit Margaret Atwoods Roman bzw. Bruce Millers Serie 'The Handmaid's Tale – Der Report der Magd') augenfällig, nur dass dort eben die Form eines dystopischen Szenarios gewählt wurde.

                                              Inszeniert wurde dieses Drama durch Regisseurin Sarah Polley als eine Art offenes Kammerspiel, in dessen räumlichem Zentrum eine Scheune steht. Zwar wird auch die nähere Umgebung in die Handlung miteinbezogen, doch dem Wesen nach befindet sich die Umsetzung näher am Theater als an den räumlichen Möglichkeiten, die das Kino bietet. Der Vorteil der gewählten Stilmittel liegt auf der Hand: Durch die Fokussierung auf das Wesentliche wird verhindert, dass der Blick durch unnötige Ornamente verstellt wird. Dementsprechend karg fällt auch die farbliche Gestaltung der Bilder aus. So gesehen lässt sich Polleys Stil auch als eine cineastische Gegenthese zur Inszenierung zahlreicher Blockbuster begreifen. Zwar kippt in der Folge die Spannung hier und da etwas hinten über, doch es liegt eben auch in der Prämisse, sich eher auf andere Qualitäten zu konzentrieren.

                                              Prämiert wurde dieser durchaus mutige Ansatz 2023 mit einem Oscar für das beste adaptierte Drehbuch für Sarah Polley sowie einer Nominierung in der Kategorie Bester Film (Gewinner: 'Everything Everywhere All At Once').

                                              KURZFAZIT

                                              Kammerspielartig inszeniertes Drama, in dem nicht nur religiöse und philosophische, sondern auch und besonders gesellschaftliche Fragen erörtert werden.

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                                                Framolf 26.03.2024, 23:36 Geändert 13.02.2025, 06:11
                                                über Bugsy

                                                Oscar Madness Film 468 (2 Auszeichnungen, 8 weitere Nominierungen)

                                                Der Unterweltpate Bugsy Siegel... Nein, halt, stopp! Bugsy wird er zwar von vielen Leuten genannt, aber nur hinter seinem Rücken. Denn er geht schnell mal in die Luft, wenn er mitbekommt, dass er so genannt wird. Wenn das geschieht, sollte man besser nicht in seiner Nähe sein, denn Impulskontrolle ist so gar nicht sein Ding (auch wenn er gerne mal einen Zungenbrecher als eine Art Mantra aufsagt, um sich selbst zu beruhigen). Also nochmal von vorne:

                                                Der Unterweltpate Benjamin Siegel (maximal „Ben“ ist für ihn als Spitzname noch okay), der seine Finger bei allerlei krummen Machenschaften im Spiel hat, gibt auf der anderen Seite das Geld auch gerne wieder mit beiden Händen aus. Früher oder später muss also eine Idee her, wie er nachhaltig zu Reichtum kommen kann. Die Lösung: Ein Casino mitten in der Wüste Nevadas. Eine irrwitzige Idee, die sich in den folgenden Jahrzehnten als Keimzelle zu einer regelrechten Gelddruckmaschine und einem der größten Tourismusmagneten in den Vereinigten Staaten von Amerika erweisen sollte. Der Reichtum von Las Vegas ist nur im buchstäblichen Sinn auf Sand gebaut. Tatsächlich fundiert er auch auf einem der solidesten Sockel dieses Landes: Dem organisierten Verbrechen...

                                                Ein Blick auf die beiden Oscars, mit der diese Produktion 1992 ausgezeichnet wurde (Szenenbild und Kostümdesign), deutet es bereits an: Die wahrscheinlich größte Stärke von Barry Levinsons ('Rain Man') Inszenierung dürfte in der Ausstattung bzw. ganz allgemein in der visuellen Umsetzung liegen (auch Kamera und Regie wurden nominiert). Auch wenn bei der Gestaltung der Anzüge ein Hauch der Mode der 90er Jahre mitschwingt, wirken die Kostüme und Requisiten authentisch und edel (was ganz besonders für die Karossen gilt. Ganz offensichtlich hat es sich seinerzeit nicht schlecht gelebt in der Unterwelt, die in vielen Szenen allerdings kaum noch von der legitimierten Oberschicht zu unterscheiden ist. Las Vegas sollte sich einige Jahre später in dieser Hinsicht als DAS Sinnbild schlechthin erweisen. Erzählt wird die Geschichte derart herkömmlich, dass sich manche Szenen schon bis ins Detail vorausahnen lassen; gelegentlich wird der überwiegend ernste Erzähllton auch von kleineren humoristischen Einlagen durchbrochen. Das Drehbuch wurde ebenso für einen Oscar nominiert wie auch die Filmmusik von Ennio Morricone sowie die Darsteller Warren Beatty, Harvey Keitel und Ben Kingsley. Dass sich zu diesen vielen Berücksichtigungen auch noch eine Nominierung in der Sparte „Bester Film“ gesellt, versteht sich fast schon von selbst. Neben einem bizarren architektonischen Denkmal in der Wüste Nevadas wurde Bugsy, Verzeihung, Ben Siegel also auch ein weiteres in cineastischer Form gesetzt.

                                                Sechs von zehn „Bumsmeistern“.

                                                KURZFAZIT

                                                Gangsterepos mit einem wahren Hintergrund und etwas eingewobener Gesellschaftskritik.

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                                                  In einer mehr oder weniger fernen Zukunft haben die Menschen ihre Sehkraft verloren. Einige von ihnen finden sich allen Widrigkeiten zum Trotz erstaunlich gut in einer rauen Umgebung zurecht. Manche leben in Siedlungen und machen regelrecht Jagd auf weniger gut ausgerüstete Gruppierungen aus dem Umland, andere haben sich in die Wälder zurückgezogen, um dort ihre Ortskenntnis als Vorteil bei der Verteidigung gegen Angreifer nutzen zu können. Gerüchteweise soll es Kinder und Jugendliche geben, die über Sehkraft verfügen, was der Herrscherin ein Dorn im Auge ist.

                                                  Ein Blick auf die Prämisse macht schnell klar, dass die Thematik der Serie durchaus auch im übertragenen Sinn aufzufassen ist. Ein historischer Verweis, der dabei relativ unverhohlen mitschwingt, lässt sich mit Blick auf das 18. Jahrhundert erkennen. Nachdem über Jahrhunderte hinweg die Kirchen ein Quasi-Monopol auf die Ausbildung im Lesen und Schreiben hatten, begann sich ab dem 17. Jahrhundert auch ein säkulares Schulwesen vermehrt auszubreiten. Zwar sollte es in zahlreichen Gegenden noch viele Jahre bis zur flächendeckenden Einführung einer Schulpflicht dauern, doch die gesellschaftlichen Umwälzungen infolge einer groß angelegten Alphabetisierung fielen mehr als gravierend aus.

                                                  In diesem Licht erscheint auch die Furcht der Herrschenden in 'See – Reich der Blinden' vor sehenden Menschen mehr als begründet. Wer sehen – und gar lesen - kann, kann sich Wissen aneignen und ist deutlich schwieriger zu kontrollieren; von den rein physischen Vorteilen ganz zu schweigen. Gerade während der ersten Staffel, die vor teils atemberaubenden kanadischen Naturlandschaften verfilmt wurde, spielt dieses Motive eine tragende Rolle. Während der zweiten Staffel ändern sich die Konstellation und das Setting zwar deutlich, doch inhaltlich dreht sich die Geschichte um ähnliche Fragen. In personeller Hinsicht erweist sich dabei die Rivalität zwischen Jason „Aquaman“ Momoa und Dave „Drax“ Bautista als (zumindest für Serienverhältnisse) besonderes Highlight. Zur finalen Staffel kommt es inhaltlich und stilistisch zu einigen gravierenden Umstellungen, ohne jedoch einen übermäßigen Bruch herbeizuführen. Das Finale wirkt rund und erweckt den Eindruck, dass ein passender Zeitpunkt zum Ausstieg gewählt wurde.

                                                  Die wahrscheinlich größte Stärke der Inszenierung dürfte in der Einbindung der mehr als sehenswerten (Natur-)Kulissen liegen. Auch wenn die Handlung hier und da Kapriolen schlägt, kann man sich besonders während der ersten Staffel an einigen der Landschaften kaum sattsehen. Umso unverständlicher erscheint die Entscheidung, die Handlung der mittleren Staffel vorwiegend in bebauten Gebieten anzusiedeln. Zwar punktet diese Produktion teilweise auch durch ihre vergleichsweise aufwändige Ausstattung, aber dennoch gibt es in diesem Bereich Licht und Schatten.

                                                  Einige Facetten der Handlung wiederholen sich darüber hinaus zwar bis zur Ermüdung (vor allem das Motiv rivalisierender Geschwisterpaare), doch angesichts einer vergleichsweise überschaubaren Anzahl von gerade einmal 24 Episoden relativieren sich derlei Kritikpunkte schnell wieder.

                                                  Zum Abschluss ein sinngemäßes Zitat (den genauen Wortlauf habe ich gerade nicht parat):

                                                  „Ich habe schon viel von dir gehört.“
                                                  - „Das ist bedauerlich.“

                                                  Bewertung: Acht von zehn Müttern, die nur knapp fünf Jahre älter als ihre Filmtöchter sind.

                                                  KURZFAZIT

                                                  Visuell imponierendes Endzeit-Epos im Stil einer Historienverfilmung.

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                                                    Profiboxer Ray (Jeff Fahey) wird durch einen rückgratlosen Trainer und einen zwielichtigen Promoter bedrängt, einen zweifelhaften Deal anzunehmen: Er soll einen Kampf absichtlich verlieren und dafür als Gegenleistung auf absehbare Zeit einen Titelkampf angeboten bekommen. Unklar, ob die Versprechen später auch eingehalten werden. Zudem steht der Verdacht im Raum, dass auch im Titelkampf Manipulationsversuche stattfinden könnten. Ray zeigt sich widerspenstig und legt nur wenig Begeisterung für diesen „Vorschlag“ an den Tag. Schließlich hat er einen guten Ruf zu verlieren, denn er entstammt einer regelrechten Boxerdynastie. Sein Großvater war ebenso Boxer wie sein Vater (Gene Hackman) und sein jüngerer Bruder steht als aufstrebender Amateur und möglicher Olympiateilnehmer vor einer vielversprechenden Karriere. So oder so stehen Ray schwierige Tage bevor.

                                                    Auch wenn in einem mehr oder weniger spoilerfreien Kommentar nicht näher darauf eingegangen werden kann: Der deutschsprachige Titel dieses Filmes erweist sich als nicht nur doppel-, sondern sogar als mehrdeutig, während der Originaltitel 'Split Decision' nicht nur auf ein 2:1 Punktrichterurteil, sondern auch auf gleich mehrere heikle Entscheidungssituationen im Rahmen der Handlung hinweist.

                                                    Wie man es aus der erfolgreichen 'Rocky'-Reihe kennt, werden auch hier einigen Dramenelemente aufgegriffen; wobei es sich im Fall von 'Sein letzter Kampf' aber eher um ein Familien- als ein Sozialdrama handelt. Nebenher keimt auch hier eine zarte Liebesgeschichte auf, die aber eher Beiwerk darstellt. Besetzt wurde die Rolle des Love Interests bezeichnenderweise mit Jennifer Beals, deren Stern seinerzeit mit dem Tanzfilm 'Flashdance' aufging, in dem ebenfalls mit einigen Motiven aus 'Rocky' (1976) gespielt wird.

                                                    Zwar hebt sich David Drurys Inszenierung nicht unbedingt aus der Masse der vielen Sportfilme ab, doch man hat auch ganz gewiss schon schwächere Produktionen gesehen.

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                                                    Schnörkelloser, bodenständiger und grundsolide inszenierter Boxsportfilm mit vergleichsweise namhafter Besetzung.

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