Framolf - Kommentare
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Alle Kommentare von Framolf
Streckenweise überdrehte Fortsetzung des 2014 für einen Oscar nominierten Erstlings. Die schräge Familie lässt die Steinzeit (zumindest gefühlt) ein Stück weit hinter sich und begibt sich in eine kleine und etwas sonderbare Welt voller halber Anachronismen, in der vieles an die Flintstones erinnert. Während der ersten Hälfte konzentrieren sich Drehbuch und Regie vorrangig auf das Worldbuilding, während der zweiten Hälfte begeben sich die „Helden“ auf eine absurde (und etwas speziell inszenierte) Mission gegen eine scheinbar übermächtige Bedrohung. Dementsprechend wird mit fortschreitender Dauer auch kaum noch Wert auf das Storytelling gelegt.
In inhaltlicher Hinsicht erscheint diese Fortsetzung also in weiten Teilen redundant, aber als reiner Fanservice funktioniert sie einigermaßen. Zumindest wenn man die Ansprüche, die durch den ersten Film vielleicht erweckt wurden, nicht allzu groß werden lässt.
→ Für rund anderthalb Stunden lockerer Unterhaltung durchaus okay, aber deutlich weniger ambitioniert als der Vorgänger.
Fünfeinhalb von zehn Erdnusszehen (plus ein paar Krümel).
Klassische Buddy-Cop-Komödie, die rund zwei Jahrzehnte nach den Erfolgen von 'Lethal Weapon' & Co. auf einem späten Ausläufer der damaligen Erfolgswelle mitsurfen möchte, dies allerdings nur bedingt schafft. In finanzieller Hinsicht konnte diese Produktion unter der Regie von Ron Shelton ('White Men Can't Jump') nicht einmal die Produktionskosten in Höhe von rund 75 Mio. US-Dollar wieder einspielen, was nicht zuletzt auch daran liegen dürfte, dass es 'Hollywood Cops' trotz einer ordentlichen Zahl an Gags und Actioneinlagen nicht gelingt, die spezielle „Filmmagie“ zu entfachen, durch die sich zumindest manche Vorgänger ausgezeichnet hatten.
Am Star-Faktor wird es mit Harrison Ford und Josh Hartnett in den Hauptrollen wohl eher weniger gelegen haben (zumindest nicht nominell), eher im Gegenteil. Das Drehbuch hingegen weist ein paar ungelenke Verrenkungen auf, kann aber auch durch den einen oder anderen Gag punkten. Ähnlich verhält es sich mit der Regie, die zwar in Hinblick auf das Gesamtkonstrukt keine Bäume ausreißt, die Inszenierung allerdings mit ein paar augenzwinkernden Details und Cameos würzt. Bei vielen Zuschauern scheint diese Mischung offenbar nur leidlich zu funktionieren, was möglicherweise auch mit den vorherigen Erwartungen zusammenhängen könnte. Denn in einzelnen Aspekten funktioniert Sheltons Inszenierung durchaus gut, doch es sind auch einige Schwächen (und noch mehr mittelmäßige Elemente) erkennbar. So gesehen dürfte die Bewertung hier ganz besonders vom (subjektiv empfundenen) Unterhaltungsfaktor abhängen und davon, ob man die Sichtung in der passenden Stimmung angeht. Bei mir scheinen diese Faktoren zusammengetroffen zu sein, daher eine Wertung im oberen Mittelfeld.
++ Leichte SPOILER ++
Kann eine Tragikkomödie über einen Alkoholiker und seine vernachlässigten Kinder wirklich funktionieren, ohne sich in selbstzweckhaften Geschmacklosigkeiten zu verlieren und die besagten Charaktere dem Gespött und der Lächerlichkeit preiszugeben (noch dazu über sagenhafte elf Staffeln hinweg)? Und wenn ja, klappt es auch, ohne diese Figuren auf verkitschte Weise verklärend zu glorifizieren und ganz nebenbei noch unterhaltsame Geschichten zu erzählen?
Der unkonventionelle Ansatz dieses Vorhabens ist bereits im groben Konzept angelegt, denn 'Shameless' ist eines der wenigen vielbeachteten und prämierten Familienepen, die weder im adeligen noch im bürgerlichen Milieu angesiedelt sind.
Gerade in Bezug auf die Verteilung der Sympathien ist 'Shameless' von einem Wechsel geprägt, wie kaum eine andere Serie. Zumindest von den Gallagher-Geschwistern (Liam ausgenommen) darf jeder mal Liebling, aber auch Buhmann oder -frau sein. Die vermeintlichen Sympathieträger der ersten Staffeln beginnen irgendwann, immer selbstzerstörerischer und egoistischer zu handeln, während einige der anfangs eher unsozial handelnden Charaktere im Verlauf der Serie ihr Verhalten abmildern oder gar zum Gegenteil verkehren.
Bei den Nebenfiguren, die nicht dem engsten Familienumfeld angehören, herrscht größtenteils ein Rotationsprinzip. Zwar sind beispielsweise Tommy und Kermit über weite Strecken der Serie mit dabei und dürfen in den späteren Staffeln auch deutlich mehr Raum einnehmen; denn nachdem sie zu Beginn lediglich Sidekicks darstellen, entwickeln sie sich später in Richtung „herkömmlicher“ Nebencharaktere. Der größte Teil der sonstigen Nebenfiguren wird allerdings munter ausgetauscht, sobald die jeweilige Geschichte auserzählt ist. Manchmal auch schon vorher. Das bringt immer wieder neue Elemente in die Story, sorgt aber auch für den einen oder anderen Abgang von Charakteren, die die Erzählung sichtlich bereicherten.
Zumindest zwei Konstanten gibt es dann aber doch im 'Shameless'-Universum. Hauptsächlich zu nennen wären da Kevin und Veronica. Ihre Beziehung dürfte die beständigste in der ganzen Hood sein und ist trotz zahlreicher Höhen und Tiefen von Loyalität gegenüber dem Partner geprägt (zumindest immer dann, wenn es darauf ankommt). Zwar erfinden sie sich ständig neu und ändern immer wieder die Richtung, in die sie streben, aber im Großen und Ganzen unternehmen sie diese Schritte immer gemeinsam.
Die zweite beständige Komponente stellt „Familienoberhaupt“ (die Anführungszeichen sind ganz bewusst gesetzt) Frank dar, der zwar ähnlich wie das Nachbarspärchen alle paar Episoden eine neue Sau durch's Dorf treibt, aber zumindest beständig in seiner Unbeständigkeit bleibt. Trotz zahlreicher Besserungsbeteuerungen und -versuche verfällt er immer wieder in alte Muster und bleibt sich auf schräge Weise selbst treu.
Und dementsprechend gestalten sich dann auch die zahlreichen Handlungsstränge, denen man im Lauf der Serie folgen darf. Während der jüngeren Staffeln entwickeln viele von ihnen eine gewisse Redundanz, doch spannenderweise begreifen die Autoren gerade die Covid-19-Pandemie als Chance, die gesellschaftliche Relevanz ihrer Erzählung wieder stärker zu betonen. Denn bemerkenswerterweise pflegt ausgerechnet diese Serie, deren wichtigstes Stilmittel die Übertreibung zu sein scheint, einen ganz besonders unverkrampften Umgang mit der Covid-Situation. Masken werden in den entsprechenden Szenen mehr oder weniger selbstverständlich getragen und die wirtschaftlichen Auswirkungen werden zwar ungeschminkt, aber auch nicht überdramatisiert, dargestellt. Mehrere Charaktere haben zwar wirtschaftlich an den Auswirkungen zu knabbern, jedoch war deren Leben oftmals vorher schon kein Zuckerschlecken. Covid kommt nun eben als weiteres Hindernis on top und zwingt sie zu noch mehr Kreativität - oder Kriminalität... Der mitunter lakonische und pragmatische (und bisweilen auch humorvolle) Umgang mit Unannehmlichkeiten gibt den Zuschauern bei aller Trostlosigkeit auch wieder etwas Hoffnung an die Hand. Denn sich nur im Unglück zu suhlen, ist eben auch selten eine hilfreiche Lösung; womit man letztlich dann auch wieder bei der Genreeinordnung wäre. Im Serienbereich dürfte es kaum ein anschaulicheres Beispiel für Tragikkomödien geben als 'Shameless'. Denn Humor ist und bleibt eben, wenn man trotzdem lacht. Und weitermacht. In diesem Sinne: Prost!
Absurde Komödie über ein Paar wider Willen (bzw. eigentlich doch nicht), das von einer skurrilen Situation in die nächste gerät. Speziell die Konstellation Anne Heche – David Schwimmer wirkt auf so vielen Ebenen unglücklich (zusammengestellt), dass es fast schon beim Zuschauen Mitleid erweckt. Die Einbindung von Harrison Ford verschlimmbessert die Lage noch zusätzlich und die Reihe an vermeintlichen Frivolitäten, die in Wirklichkeit aber eher Ausdruck stark ausgeprägter Prüderie sind (Schlange in der Hose usw.), würden der Verfilmung normalerweise den Rest geben, wären da nicht auch positive Aspekte.
Neben den bereits erwähnten absurden Situationen, in die die Charaktere geraten, was über weite Strecken für Kurzweil sorgt, wäre ganz besonders das Setting zu nennen. Die spektakuläre hawaiianische Kulisse schreit regelrecht nach einer Sichtung mittels Beamer oder möglichst großer Mattscheibe. Prächtige Farben, abwechslungsreiche Landschaften und eine (zumindest suggerierte) Idylle machen die Sichtung zu einem kleinen Fest für die Augen.
In (punktemäßig) wirklich hohe Bereiche rettet das den Film als Ganzes zwar auch nicht, aber als ansehnlich bebilderte Wohlfühlkomödie funktioniert 'Sechs Tage, sieben Nächte' allemal. Immerhin.
Mit etwas gutem Willen 6,5 Punkte.
'Come Early Morning' erzählt die Geschichte einer Protagonistin, die ziellos und oftmals volltrunken durch ihren Alltag stolpert und sich selbst noch weniger schont als ihre Mitmenschen. Mehr oder weniger bindungsunwillig stürzt sie sich von einem Abenteuer (wobei diese Bezeichnung hier eigentlich Hohn ist) ins nächste und vermeidet das Aufkommen jeglicher Art von Nähe. Ihre Mitbewohnerin wurde von den Autoren als eine Art Gegenentwurf konzipiert, der das andere Extrem verkörpert und dadurch ähnlich stark mit sich hadert. Nicht umsonst lautet der deutsche Untertitel dieser Produktion 'Der Weg zu mir'. Die Erzählung versucht sich an einigen küchenpsychologischen Ansätzen, doch eigentlich ist der Weg hier das Ziel und die Bestandsaufnahme deutlich interessanter als die angedeutete Lösung.
Die wahrscheinlich größte Stärke der Inszenierung liegt wahrscheinlich ohnehin weniger in der Geschichte an sich als vielmehr in der Vermittlung eines Gefühls für die Lebensverhältnisse in Arkansas. Fernab der beliebten Filmlocations in den Metropolen und anderen immer wieder gezeigten Landstrichen spielt sich die hier erzählte Geschichte hauptsächlich in den Vororten Little Rocks ab. Hier kommt der aufgesetzte Glamour mancher Städte noch nicht einmal zum Sterben hin. Orte wie die hier gezeigten kennt man zwar hinlänglich aus diversen Dokus, in fiktionalen Filmen bekommt man sie allerdings eher selten zu sehen (in Serien tendenziell zumindest etwas öfter). Die teils spektakuläre Architektur von New York, Miami oder der Bay Area sind hier weit entfernt und für Gangstergeschichten sieht die Gegend zu gewöhnlich und bieder aus. In Bezug auf die Locations ist im Spielfilmbereich der Normalfall also mittlerweile zur Seltenheit geworden, könnte man sagen. Die umgekehrte Aussage trifft natürlich ebenfalls zu.
Von nennenswertem pekuniären Erfolg war diese Strategie aber ganz gewiss nicht geprägt, denn in finanzieller Hinsicht hat man mit dieser Produktion eine böse Bauchlandung hingelegt. Einem geschätzten Budget von etwa 6 Mio. US-Dollar stehen offenbar weltweite Brutto-Einnahmen von gerade mal rund 161 tsd. US-Dollar gegenüber. Doch auch wenn hier ganz gewiss kein Oscar-Kino geboten wird: Alleine schon die Darsteller dürften für den einen oder anderen Filmfreund interessant sein. Neben Ashley Judd sind beispielsweise auch Tim Blake Nelson, Laura Prepon, Scott Wilson, Ray McKinnon, Stacy Keach, Diane Ladd und einige andere (mehr oder weniger) bekannte Gesichter involviert.
→ Für Freunde halbwegs lebensnaher Dramen, die nicht das ganz große emotionale und dramaturgische Rad drehen, durchaus einen Versuch wert; und eventuell auch für all jene, die halbwegs ungefiltert die filmische Luft von Arkansas atmen wollen. Der Rest dürfte eher ernüchtert zurückbleiben.
Gerade noch 6,5 Punkte.
(MP fasst die Handlung übrigens in folgenden Tags zusammen: „Bier, Hund, Bar, Motel, Blondine, One-Night-Stand“. Wow!)
Drama über ein junges Gesangstalent, das in einem Internat geschult wird, seine vergängliche Gabe bestmöglich zu nutzen und sich über die dort erlernte Methodik auch Strategien für sein weiteres Leben anzueignen. Der anfangs eher rüpelhafte Protagonist freundet sich mit einem anderen Außenseiter an und gerät an einen Mentor, der ihn unter seine Fittiche nimmt. Doch – wie man sich denken kann – läuft nicht alles rund, zumal der Knabe auch durch familiäre Probleme belastet wird.
Grundsätzlich gelingt in 'Der Chor' der Spagat zwischen Familiendrama, Coming-of-Age- und Bildungsgeschichte durchaus gut und es werden Herz und Verstand gleichermaßen angesprochen. Die handwerkliche Umsetzung ist im Großen und Ganzen versiert, die Nebenrollen sind mit Darstellern wie Dustin Hoffman, Kathy Bates, Josh Lucas oder Debra Winger prominent besetzt und auch die Jungdarsteller schlagen sich wacker.
Um eine richtig hohe Wertung bringt sich Francois Girards Inszenierung jedoch durch mangelnde Risikobereitschaft. Vielleicht wurde dieses Übermaß an Kalkül dem Regisseur auch durch die Executive Producer, die Produzenten oder das Studio eingebrockt, doch manchmal gehen die Verantwortlichen eben so sehr auf Nummer sicher, dass sie sich damit selbst den zahn ziehen. Denn bei aller Wertigkeit dieses Filmes werden die bewährten Pfade des Formelkinos niemals so richtig verlassen. Allenfalls wird zwar hier und da ein Trampelpfad genommen, aber eigentlich stets nur einer, der sich in Sichtweite zur Hauptroute befindet. Auf diese Weise lassen sich zwar vermeintlich große Publikumssegmente bedienen, doch nachhaltig in Erinnerung bringt man sich damit nicht. Und so bleibt am Ende der Eindruck eines guten und durchaus sehenswerten Dramas, das aber mit etwas mehr Mut zum Risiko vielleicht sogar ein kleines Genrehighlight hätte werden können.
Oscar Madness Film 151 (1 Nominierung)
++ Achtung, SPOILER ++
Ein junger Mann fliegt in das Land seiner Ahnen, in dem phantastische Dinge vor sich gehen, um dort auf seine Schwester zu treffen, gemeinsam mit anderen einen bedrohlichen Feind zu bekämpfen und letztlich den Vater zu beerben. Ganz klar, das kann nur 'Black Panther' sein! Aber gut, never change a running system, also wieso nicht auch mal ein erprobtes Story-Grundgerüst mit einigen Variationen neu aufbereiten. Kommt ohnehin nicht oft vor bei Disney...
Nach einem rasanten Beginn, der fast schon wie eine überdrehte Hommage an 'Speed' wirkt, zieht es den Protagonisten nach Asien, wo nach einem kurzen Intermezzo bei einem Wett-Kampf gleich die nächste Action-Einlage in schwindelerregender Höhe folgt, ehe es in deutlich beschaulichere Gefilde geht. Doch auch dieses Intermezzo ist nur von kurzer Dauer, da alles auf einen Höhepunkt in einem Gebiet zusteuert, das man nur zu rar gesäten Zeitpunkten mittels einer Blase erreichen kann, die sich durch einen Wald bewegt, der ein erstaunliches Eigenleben zu haben scheint. Doch damit nicht genug. Am Ziel angekommen, treffen die Charaktere auf kleine Tierchen ohne Gesichter, einen Seelenfresser und auch „normale“ Drachen.
Normalerweise versuche ich – soweit möglich – keine Nacherzählungen der Handlung zu liefern, da sie im Regelfall kaum Wert haben (für ausführliche Recaps gibt es schließlich deutlich geeigneteren Plattformen). Doch selten wurden die Schnittmengen zwischen Disneys Filmen für die kleinen Kinder und denen für die großen Kinder anschaulicher offenkundig als im Fall der beiden 2021 veröffentlichten Produktionen 'Raya und der letzte Drache' und 'Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings'. Einerseits eine bewährte Strategie, bei Zuschauern im Kindesalter Bedürfnisse zu schaffen, die später in leicht abgewandelter Form bedient werden. Andererseits lief der Krug in den 80er und 90er Jahren schon einmal Gefahr zu brechen (so wie auch einige Zuschauer...).
Die Innovationen beschränken sich – wie so oft - auf den technischen Bereich und somit rettet sich hier einmal mehr ein Film dieses Studios über die B-Note in den halbwegs relevanten Bereich. So gesehen ein ehrlicher Deal: Viele Fans erhalten zuverlässig das, womit bereits im Vorfeld zu rechnen war, aber wer sich bei Disney üblicherweise nicht abgeholt fühlt, kann ruhigen Gewissens fernbleiben. Und wer halbwegs damit leben kann, dass die Form weit stärker überzeugt als der Inhalt, bekommt zumindest solide Unterhaltung geboten. Zu letzterer Gruppe gehöre dann wohl auch ich...
Ergo: Für mich unterer Durchschnitt bzw. 4,5 Punkte.
Nachtrag: In der Kategorie "Beste visuelle Effekte" wurde 'Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings' 2022 für einen Oscar nominiert, was alleine schon aufgrund der schieren Menge an (überwiegend) sehr versiert umgesetzten Effekte plausibel erscheint. Die Auszeichnung wurde im Rahmen der Verleihung jedoch an die Crew von 'Dune' vergeben.
Oscar Madness Film 150 (6 Auszeichnungen, 4 weitere Nominierungen)
Die audiovisuelle Umsetzung von 'Dune' lässt die Herzen vieler Ästheten höher schlagen. Ganz besonders überzeugen dabei die Kamera (Greig Fraser) und das Szenenbild (Patrice Vermette), die beide allerbeste Chancen auf Oscarnominierungen haben dürften. Die Kulissen wirken aufgeräumt, sehr bedacht konstruiert und setzen – gemeinsam mit der Cinematographie - eine Atmosphäre, die man nur selten zu sehen bekommt. Sie wirken regelrecht maßgeschneidert auf die Handlung und tragen dennoch die unverkennbare Handschrift Dennis Villeneuves, denn so manche Elemente und Formen lassen sich in ähnlicher Ausführung auch in 'Blade Runner 2049' und 'Arrival' erkennen. Selbiges gilt für die Kostüme, die einen ähnlich kalten Charme verbreiten, durch den die Lebensfeindlichkeit der Umgebung unterstrichen wird, zugleich aber auch ein Kontrapunkt zu der Hitze der Wüste gesetzt wird. Nicht minder überzeugend erscheinen Ton, Schnitt, Musik und einige der Darsteller. Die Regie punktet vor allem durch ihre handwerkliche Exzellenz, muss sich aber den Vorwurf gefallen lassen, den Kern des Themas nur ansatzweise herauszuschälen.
Zwar lässt sich die Qualität des Drehbuchs zunächst nur unzureichend beurteilen, da schwer abzusehen ist, wie genau sich die kommende Fortsetzung gestalten wird, aber da 'Dune' bisher nur für sich genommen (und nicht als Teil eines größeren Ganzen) beurteilt werden kann, und die bisher geäußerte (implizite) Gesellschaftskritik offenbar bewusst eher diffus geäußert wurde, lässt sich auch die Moral von der Geschicht' erst dann endgültig einordnen, wenn die komplette Erzählung vorliegt. Der extrem hohen artifiziellen Qualität in der Gestaltung stehen also auf der inhaltlichen Seite zahlreiche Fragezeichen und Leerstellen gegenüber. Zwar ist davon auszugehen, dass in dieser Hinsicht einiges noch konkretisiert werden wird, aber dies bereits von vornherein einzupreisen, könnte auch zu Fehldeutungen oder zu Überinterpretation führen. Bisher zumindest beschränken sich die Implikationen vorwiegend auf Allgemeinplätze. Daher bleibt letztlich nichts anderes, als die für 2023 anberaumte Fortsetzung abzuwarten. Gut möglich, dass diese dann auch inhaltlich von der hier ausgebrachten Saat profitieren wird (in nicht wenigen Serien wurde schließlich ähnliches schon meisterhaft vollbracht). Bis dahin muss sich 'Dune' aber durchaus den Einwand gefallen lassen, inhaltlich doch sehr im Vagen zu bleiben und auf der stilistischen Seite ein klares Übergewicht zu haben. Oder griffiger formuliert: Die Verpackung könnte edler kaum sein, doch der Inhalt ist vorerst nur schwer zu beurteilen, weil noch eine Weile auf sein Komplementärstück - und letztlich auch auf seine Veredelung - warten muss. Bis auf weiteres überwiegt jedoch der Eindruck einer gestreckten Erzählung, die ein inhaltliches Gewicht andeutet, das aber noch auf seine Einlösung wartet.
Nachtrag: Kamera, Szenenbild, Schnitt, Ton und Musik wurden 2022 in der Tat mit jeweils einem Oscar ausgezeichnet. Hinzu kommt eine weitere Trophäe für die visuellen Effekte. In den Kategorien "Bestes Kostümdesign" und "Bestes Make-up und beste Frisuren" gab es zudem Nominierungen (Gewinner: 'Cruella' bzw. 'The Eyes of Tammy Faye'), die von zwei weiteren Nominierungen in den Sparten "Bestes adaptiertes Drehbuch" und "Bester Film" abgerundet werden (Gewinner in beiden Kategorien: 'Coda').
'I Declare War' geht mit einer durchaus ambitionierten Prämisse an den Start, welche aber allenfalls ansatzweise ausgereizt wird. In einem Szenario, das an 'Herr der Fliegen' erinnert, treten einige Kinder und Jugendliche in einem Capture the Flag Wettkampf (mit Betonung auf „Kampf“) gegeneinander an und lassen die Geschehnisse teils heftig aus dem Ruder laufen. Rein visuell werden manche „Tode“ und „Verletzungen“ auch als solche dargestellt, was zunächst insofern gewöhnungsbedürftig wirkt, dass man als Zuschauer erst einmal lernen muss, zwischen fiktiven und tatsächlichen Verletzungen zu unterscheiden, um nur mal ein Beispiel zu nennen. Grundsätzlich ist natürlich sehr schnell klar, welcher Kniff hier bemüht wird und wie er zu begreifen ist, aber da er für einen Film mit sehr jungen Darstellern derart ungewöhnlich ist, braucht es ein paar Minuten zur Gewöhnung.
Mit dem Inhalt verhält es sich ähnlich wie mit der Inszenierung. Die doch recht ungewöhnliche Geschichte macht sich auf den ersten Blick zwar interessant, kann jedoch nur bedingt einlösen, was sie zunächst verspricht. Zwar steht am Ende schon irgendwie eine Parabel zu den Themenkomplexen Gewalt, gesellschaftliche Ordnung und zwischenmenschliche Dynamiken, doch auf wirklich aussagekräftige oder erkenntnisreiche Schlussfolgerungen läuft es nicht hinaus. Möglicherweise sind auch einige Implikationen so gut im Subtext versteckt, dass sie kaum jemand erkennt, doch damit würde man sich bei gesellschaftlich relevanten Stoffen auch keinen Gefallen tun. Überschaubare Themenkomplexe lassen sich gerne auch mal unterschwellig abhandeln, indem man beispielsweise die Zuschauer zum Rätseln einlädt, aber wer den Zuschauern keinen Schlüssel zur Interpretation an die Hand gibt, darf sich nicht wundern, wenn er am Ende falsch oder gar nicht verstanden wird. Doch im Fall von 'I Declare War' drängt sich ohnehin der Gedanke auf, dass die Handlung in erster Linie zum Selbstzweck dient.
→ Jason Lapeyres und Robert Wilsons Inszenierung ist aufgrund des ungewöhnlichen Charakters durchaus eine Empfehlung für aufgeschlossene Zuschauer wert; aber eher zur Erweiterung des filmischen Horizonts als zur Unterhaltung oder zu irgendeinem Erkenntnisgewinn.
'The Many Saints of Newark' fühlt sich an wie ein Klassentreffen mit umgekehrten Vorzeichen. Statt gealterte Gesichter aus der Schulzeit zu sehen, blickt man hier in entsprechend verjüngt Versionen einiger vertrauter Charaktere. Die Besetzung mit Michael Gandolfini hätte gar nicht passender sein können. Auch einige andere Darsteller orientieren sich sehr deutlich an der Mimik und Gestik ihrer Pendants. Nur das Alter der Darsteller erscheint in manchen Fällen etwas problematisch. Im Großen und Ganzen erscheint 'The Many Saints of Newark' als klarer Fanservice, der aber vielleicht erst im Kontext möglicher weiterer Episoden zu bewerten sein wird. Rein auf die erzählte Zeit bezogen klafft noch eine deutliche Lücke zu den Geschehnissen der Serie, weshalb man gespannt sein darf, was wohl noch folgen wird.
Punktabzug gibt es jedoch für den unnötigen Spoiler zu Beginn des Filmes, dessen Zweck völlig rätselhaft erscheint. Fans der Serie wissen ohnehin schon, was dort gezeigt wurde. Und wer den Film als Einstieg in das Universum der Sopranos nutzen will oder noch nicht alle Staffeln gesehen hat, bekommt damit gleich mal die Laune verdorben. Für beide Seiten ist dieser Einstieg also komplett ohne jeglichen Nutzen. Dass gerne auf diese oder eine ähnliche Art in nachträglich produzierte Prequels gestartet wird, kennt man ja aus anderen Produktionen. Besser wird es allerdings auch dadurch nicht. Man kann nur hoffen, dass während etwaiger weiterer Fortsetzungen diese Klippe umschifft werden wird.
Die Geschichte nimmt weiter ihren Lauf und der Protagonist wird langsam immer stärker zu einem Superhelden (oder etwas in der Art) aufgebaut. Ebenfalls im Zentrum der Handlung steht eine junge „Mitstreiterin“, die zwischen dem übergriffigen Blinden und neuen Eindringlingen regelrecht eingeklemmt wird.
In gewohnt düsterer Atmosphäre erzählt der Film in bitter ernstem Erzählton seine durch und durch abstruse Story, punktet durch einige ordentlich umgesetzte Gewaltszenen, verliert an anderer Stelle aber wieder durch fragwürdige Entscheidungen im Storytelling. Die Motivation der Einbrecher erweist sich als Relikt des Eploitationkinos; ob das nun positiv oder negativ zu werten ist, bleibt natürlich Ansichtssache.
Als Fanservice geht die Inszenierung durch Rodo Sayagues in Ordnung, zumal die Handlung durchaus kurzweilig in Szene gesetzt wurde. Sehr viele neue Zuschauer werden sich damit allerdings wahrscheinlich nicht hinzugewinnen lassen. Grundsätzlich war letzteres vermutlich auch nicht das Ziel, aber wer würde schon darauf wetten wollen, dass es ganz sicher keine Fortsetzungen mehr geben wird? :-)
++ Leichte SPOILER ++
965 n. Chr. Soll Loki geboren worden sein. Ein wahrer Jungspund im Vergleich zu den Helden dieses Filmes!
Mit der Verpflichtung von Chloé Zhao ('Nomadland') als Regisseurin dürfte bereits klar gewesen sein, dass man im MCU für 'Eternals' einen Weg abseits der gewohnten Pfade vorgesehen hatte und – so viel kann man spoilerfrei verraten – Zhao hat in dieser Hinsicht zuverlässig geliefert. Und zwar in Form einer Origin-Story, die in mancherlei Hinsicht so minimalistisch ist, dass sie sogar auf einen herkömmlichen Gegenspieler verzichtet. Stattdessen wird hier auf ein anderes Konstrukt gesetzt, das jedoch nur schwer spoilerfrei angedeutet werden kann und daher unerwähnt bleiben soll. Zudem reichern Zhao und die anderen Autoren die Geschichte mit zahlreichen kleinen Details an, die man in dieser Form noch nicht aus dem MCU kennt (beispielsweise die Entwicklungen um Thena oder um Dane), woraus ein etwas anderer Handlungsaufbau als in den allermeisten Vorgängerfilmen resultiert. Darüber hinaus wirkt die Atmosphäre relativ kühl und es wird ein deutlich anderer Erzählton angeschlagen als bei den allermeisten vorhergehenden Origin-Stories. Auf der anderen Seite wirkt die Handlung in ihrer Gesamtheit nicht in jeder Facette komplett rund und stellenweise etwas arg phantasiegetrieben, doch dazu später mehr.
Das Label der Usprungsgeschichte wurde in besonderem Maße wörtlich genommen, da nicht nur die Herkunft der Eternals, sondern auch die der Menschen mit einer kreationistischen Erzählung begründet wird. Passend dazu verweisen einige Namen nicht nur auf die griechische Mythologie, sondern es wird indirekt über das Gilgamesch-Epos und via Tiamat (hier: Tiamut) über das Enuma Elisch auf zwei der ältesten überlieferten Schöpfungsmythen verwiesen. Ein handlungsbezogenes Erbe, das zwar auf die Comics zurückgeht , von den Autoren des Films aber offenkundig bereitwillig angekommen wurde. Auf diese Weise wird dem hier gezeigten Superheldenteam ein deutlich größeres historisches Gewicht auferlegt, was in Zukunft fast zwangsläufig Gegenspieler nach sich ziehen dürfte, die noch bedrohlicher als Thanos aufgebaut werden könnten.
Durch die Querverweise auf Thanos hat man sich jedoch nicht zwingend in jeder Hinsicht einen Gefallen getan. Der Auftritt seines Bruders Eros erinnert zunächst an ein gängiges Stilmittel aus Telenovelas und Seifenopern, birgt aber zumindest dramaturgisches Potenzial. In Bezug auf das Gesamtkonstrukt bringt man sich jedoch selbst in Bedrängnis. Zunächst heißt es, die Eternals hätten in den Kampf gegen Thanos nicht eingegriffen, um die Entwicklung der Menschheit nicht zu beeinflussen. Hilfe durch andere außerirdische Kombattanten wie Thor oder Rocket wird allerdings nicht unterbunden. Mit gutem Willen lässt sich diese Argumentation vielleicht sogar noch rechtfertigen. Schwierig wird es jedoch, wenn man bedenkt, dass Thanos nicht nur die Hälfte der Erdbevölkerung oder der Galaxie verschwinden lassen wollte, sondern gleich des ganzen Universums (darunter macht man es im MCU ja mittlerweile offenbar nicht mehr, wie man auch an der ersten Staffel von 'Loki' sehen kann). Es ist also davon auszugehen, dass durchaus auch Eternals betroffen waren – zumindest indirekt. Natürlich kann es auch sein, dass Thanos aufgrund seiner Herkunft als „halber“ Eternal keinen Zugriff auf sie hatte, doch es bleibt die Frage, ob sie nicht auch anderweitig betroffen waren (Beispiel: Wenn auch Deviants verschwinden, die eigentlich Predatoren beseitigen sollen, und dadurch ein Planet nicht wie geplant besiedelt werden kann.) Somit stellt sich die Frage, warum dies im Rahmen eines vorausschauenden Storrytellings nicht bereits in 'Infinity War' oder 'Endgame' thematisiert wurde – und sei es nur in Form eines Easter Eggs, das als Proof hinterlegt wurde. [Sollte es so etwas tatsächlich geben, bitte gerne eine entsprechende Antwort unter den Kommentar posten.]
Bei der Betrachtung des Casts fallen einige Kuriositäten ins Auge: Neben Kit Harrington und Richard Madden, den beiden Halbbrüdern innerhalb der Geschichte von 'Game of Thrones' weisen auch Barry Keoghan und Harry Styles (beide 'Dunkirk' eine gemeinsame Vergangenheit auf. Kreativ bis augenzwinkernd erscheint wiederum die Vergabe der Rolle des Phastos an Brian Tyree 'Paper Boi' Henry ('Atlanta'). Seltsam wird es jedoch bei der Besetzung der Rolle von Sersi mit Gemma Chan, die ja eigentlich bereits einen anderen Charakter innerhalb des MCU verkörpert (Minn-Erva in 'Captain Marvel'). Easter-Egg bzw. Querverweis oder einfach nur nur eine Schludrigkeit, von der man hofft, dass sie kaum jemandem auffällt? Die Antwort kennt nur Kevin Feige...
→ Zhaos 'Eternals' bringt etwas frischen Wind in die Reihe und bereitet den Boden für kommende Schlachten. Für sich genommen überschlagen sich in der Handlung nicht gerade die Ereignisse, aber es ist gut möglich, dass sich die Bedeutung des Filmes für die gesamte Reihe erst später offenbaren wird. Lassen wir uns überraschen und harren der Dinge. Wenn es sein muss, eben auch 5000 Jahre.
5 – 5,5 Punkte
Durchschnittliches Horrordrama (mit Amanda Seyfried und James Norton), das die Geschichte einer problematischen Ehe mit einer Geistermär verbindet. Auf den ersten Blick mag das vielleicht wie eine Variante von 'Spuk in Hill House' klingen und so ganz abwegig ist dieser Vergleich – trotz teils enormer Unterschiede – auch gar nicht. Angesichts einer (im direkten Vergleich) deutlich kürzeren Laufzeit von nur zwei Stunden gestaltet sich die Erzählung natürlich deutlich übersichtlicher und gestraffter. Eigentlich lässt sich an der Schnittstelle zwischen Horror und Drama der Kern beider Genres oftmals ja besonders deutlich herausschälen; im Fall von 'Things Heard And Seen' ist dies jedoch nur sehr bedingt möglich. Zu diffus bleibt einfach die Problembeschreibung und zu wenig pointiert erscheint die Handlung in einigen Punkten.
Zwar ist Shari Springer Bermans Inszenierung keineswegs schlecht und auch die Geschichte an sich birgt durchaus Potenzial, doch um aus der Masse ähnlich gelagerter Produktionen herauszuragen, fehlt hier einfach ein Alleinstellungsmerkmal oder wenigstens ein schärferes Profil in inhaltlicher oder stilistischer Hinsicht. Daher: Empfehlenswert für einen müden Abend, an dem man vor der Sichtung noch nicht weiß, ob man bis zum Ende des Filmes wach bleiben wird. Egal, ob man dann durchhält oder einschläft: In beiden Fällen würde man nicht allzu viel falsch machen...
Eichhörnchenstarker Superheldenfilm der etwas anderen Art. Ein Mädchen belebt ein ein verunfalltes Oachkatzl wieder (FYI: Sein Atem riecht wohl leicht nussig) und päppelt es in ihrem Zimmer wieder auf. Dabei stellt sie fest, dass das kleine Tierchen zwar ziemlich tollpatschig ist, aber auch die weltberühmte Superheldenlandung beherrscht. Und wo professionell gelandet wird, sind auch Superkräfte nicht weit.
'Flora & Ulysses' erzählt eine irrwitzige Geschichte und macht sich besonders dadurch interessant, dass teilweise selbst größte Absurditäten mit ernster Miene zur Kenntnis genommen werden. Die Handlung grenzt zwar an groben Unfug, aber die Inszenierung punktet nicht zuletzt durch ein hervorragend animiertes Eichhörnchen. Da wirkt es umso bedauerlicher, dass bei der visuellen Gestaltung der Katze so extrem geschludert wurde. Alyson Hannigan ohne Jason Segel sehen zu müssen, bricht einem zwar fast das Herz, aber Ulysses macht das im Alleingang wieder wett.
Kreative Bäume werden hier zwar nicht ausgerissen, aber alleine schon die Animation des tierischen Helden und die kurzweilige Erzählung sind eine Sichtung wert – sofern man sich darauf einlassen mag und über ein paar Holprigkeiten hinwegsehen kann.
Relativ uninspirierte Fortsetzung des Vorgängerfilms von 2017. Die beiden Brüder sind nunmehr erwachsen geworden und Tim hat mittlerweile eigenen Nachwuchs. Und – riesen Überraschung – eine seiner beiden Töchter entpuppt sich als deutlich erwachsener als vermutet. Darüber hinaus zieht das Drehbuch einen zweiten Kniff, um sich der Handlung der ersten Filmes noch weiter anzunähern und los geht die verrückte Fahrt. Das Tempo ist einigermaßen hoch und eine ganze Reihe aberwitziger Ideen sorgt für Humor und kurzweilige Unterhaltung. Auf der anderen Seite schlägt aber auch eine Handlung zu Buche, die – wie schon der Vorgängerfilm – etwas mehr Mut und Biss sowie ein Plus an Satire vertragen könnte. Denn gerade in letzterer Kategorie kann 'Boss Baby' bisweilen durchaus punkten, besonders durch die Überzeichnung alltäglicher Marotten und Eigenarten. Selbstverständlich ist und bleibt die Hauptzielgruppe ein eher kindliches Publikum, aber allerspätestens seit 'Shrek' gehört es für viele Animationsfilme ja regelrecht zum guten Ton, erwachsene Zuschauer durch popkulturelle Referenzen und Metagags mit ins Boot zu nehmen. Natürlich ist das auch hier der Fall, aber angesichts der Thematik hätte man vielleicht ein Feuerwerk abbrennen können, das einen etwas bleibenderen Eindruck hinterlässt.
→ Solider Fanservice, der keineswegs schlecht ist, aber eben auch nicht die Würze aufweist, die er vielleicht haben könnte. Für passable Unterhaltung reicht es aber allemal.
'Contra' erzählt (erneut) die Geschichte eines zynischen Professors, der eine Studentin, gegen die er kurz zuvor mit rassistischen Stereotypen ausfallend wurde, zur Vorbereitung auf einen Debattierwettbewerb unter seine Fittiche nimmt (bzw. nehmen muss, da ihm dies durch seinen Vorgesetzten als Rehabilitierungsmaßnahme angeraten wurde).
Christoph Maria Herbst spielt einmal mehr seine Paraderolle als rhetorischer Knochenbrecher, Nilam Farooq darf sich etwas vielseitiger geben. Anfangs spricht sie voll die Ottosprache, Alter. Doch nach einer Weile artikuliert sie sich extraordinär distinguiert. Ein Wandel der in dieser extremen Ausprägung schon etwas arg zügig vorangeht. Auch das Verhalten ihres Mentors ist natürlich hier und da etwas überzeichnet, aber auch seine Charakterzeichnung ist noch nahe genug am realen Leben, um als greifbar durchzugehen.
Problematisch ist jedoch, dass bereits Yvan Attals Version von 2017 stark konstruiert und stilisiert wirkt. Wenn Sönke Wortmann nun vier Jahre später ein Remake in die Kinos bringt, das fast eine 1:1 Kopie (oder sagen wir eine 1:1,05 Kopie) des Vorgängers darstellt, kann man sich ausrechnen, wie viel Raum da noch für Überraschungen, Originalität und zumindest halbwegs gewagte Elemente bleibt. Ein stärkeres Maß an Kalkül ist eigentlich kaum vorstellbar. Schade eigentlich, denn Qualität ist hier in vielen Bereichen der Umsetzung fraglos vorhanden. Nur das Drehbuch geht so extrem auf Nummer sicher, dass sich am Ende – bei aller inhaltlichen Relevanz und handwerklichen Fertigkeit – der Eindruck purer Redundanz einstellen kann. Denn im Grunde ist eine Sichtung nur für Leute empfehlenswert, die Interesse an der Geschichte haben, aber die französische Version nicht sehen wollen oder nicht verfügbar haben.
PS: Ich sage jetzt nicht, dass es das Sahnehäubchen wäre, wenn Til Schweiger ein weiteres Remake für das US-Kino drehen würde – vielleicht mit sich selbst als Dozent, einer seiner Töchter als Studentin und Nick Nolte als Präsident der Universität! Kommentar und Praeteritio Ende. ;-)
'Venom 2 – Let There Be Carnage' nimmt keine Gefangenen – abgesehen von Cletus Kasady (Woody Harrelson) und Frances Barrison (Naomie Harris). Die Reihe radikalisiert sich bzw. ihre Stilmittel richtiggehend und entfernt sich noch weiter von einigen (vermeintlichen oder tatsächlichen) Erfolgsrezepten, indem sie sich deutlich stärker einem ruppigen Stil annähert, der auch vor trashigen Anleihen nicht zurückschreckt. Fast möchte man meinen, hier soll eine Comicverfilmung wieder auf ein etwas dreckigeres Level zurückgeführt werden. Rein stilistisch erscheint dies aufgrund des garstigen „Protagonistenduos“ Eddie / Venom auch durchaus plausibel. Für Stirnrunzeln sorgen allerdings einige Dialogzeilen und mehrfach auch das Timing (Beispiel: [SPOILER] Frances wird just in dem Moment auf höchst martialische Weise befreit, als die Ärztin ihr sinngemäß sagt, dass sie nicht gefunden werden wird [SPOILER ENDE]). Mit derlei Szenen legt man es natürlich auch ganz bewusst darauf an, als Trash wahrgenommen zu werden. Selbiges gilt für eine ganze Reihe der Scherze, die hier dargeboten werden. Ob diese Maßnahmen einer Frischzellenkur oder einem kommerziellen Selbstmord gleichkommen, wird sich noch erweisen. An den Kinokassen hat sich 'Let There Be Carnage' unter Pandemiebedingungen wacker geschlagen. Welche Auswirkung die Enttäuschung mancher Zuschauer auf die Resonanz auf etwaige weitere Episoden haben wird, bleibt abzuwarten. Wer bereits die erste Episode grenzwertig fand, wird diese erste Fortsetzung wahrscheinlich erst recht abstoßend finden. Andererseits kann man Andy Serkis aber zugute halten, dass seine Inszenierung für Columbia bzw. Sony nicht auf Disneys Hochglanzwelle mitschwimmt und ihr Glück stattdessen auf anderen Pfaden versucht. Wenn Disneys Marvel-Filme Filialen eines verhältnismäßig hochpreisigen Anbieters aus der Systemgastronomie wären, könnte man 'Venom 2' mit einer besonders ranzigen Eckkneipe vergleichen. Essen bestellen dort nur die Mutigen oder die Optimisten, aber für einen lustigen Abend gibt es wahrlich schlechtere Orte.
Vorläufige Wertung: 6 Punkte (wird evtl. noch um einen halben Punkt nach oben oder unten angepasst).
Wehmütige französische Tragikomödie über Trauer, Verlust und entsprechende Bewältigungsstragien (oder besser: -versuche). Nach dem für ihn plötzlichen Verlust seines Vaters kommuniziert der Protagonist, ein Schriftsteller, auch weiterhin mit ihm bzw. seinem Geist (daher auch der doppeldeutige Titel), was selbstredend zu entsprechenden Verwicklungen führt, die mal mehr und mal weniger humorvoll aufbereitet werden. In erster Linie dominieren hier nachdenkliche Töne der Trauer und es wird das Zusammenwirken aus Trauerarbeit und Bewältigung des Alltags der Hinterbliebenen in den Vordergrund gestellt. Denn schließlich dreht sich die Welt trotz eines Sterbefalles weiter und es lauern bereits die nächsten Tragödien und Schicksalsschläge, weshalb man den Wert der Achtsamkeit (gegenüber den Mitmenschen, aber auch sich selbst) gar nicht hoch genug schätzen kann. Und genau diese Gedanken versucht Èric Besnard in seiner Inszenierung auf die Leinwand zu bringen. Der schmale Grat zwischen Trauer und Hoffnung (auch gegenüber den jüngsten Hinterbliebenen), „Selbstpflege“ und Rücksicht, Innehalten und Weitermachen und somit letztlich zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist oftmals nicht ganz leicht zu beschreiten – und eben dieses Gefühl möchte 'Meine geistreiche Familie' vermitteln.
In Bezug auf einzelne Szenen gelingt dies auch mehr als passabel, doch im Großen und Ganzen erweckt der Film den Eindruck, dass hier fahrlässig die eine oder andere Chance auf ein noch viel größeres, expliziteres und dadurch vielleicht sogar relevanteres Werk liegengelassen wurde. Besnard fängt das Gefühl einiger Situationen treffend ein, verliert sich zwischendurch aber auch immer wieder im Klein-Klein seiner Charaktere, wodurch am Ende zwar ein halbwegs lebensnahes Werk steht, aber auch eines, das auch etwas unkonkret bleibt. Vielleicht tut man ihm mit derlei Urteilen auch unrecht, denn wer behauptet, den einzigen allgemeingültigen Weg für solche Lebensphasen zu kennen, ist vermutlich ohnehin Anhänger einer Sekte... Daher wirkt das hier gemachte Understatement durchaus sympathisch, allerdings bleibt am Ende eben auch die Frage, ob man an manchen Stellen nicht noch etwas hätte nachschärfen können.
Eine passende Punktewertung gestaltet sich daher enorm schwierig. Zwischen 4,5 und 7,5 könnte man eigentlich jede Wahl hervorragend begründen. So gesehen ist dieser Film also wie das Leben. Manchmal weiß man eben nicht, ob man lachen oder weinen soll; viele Trauergäste kennen das ja, wenn man sich an heitere Anekdoten aus dem Leben des Verstorbenen erinnert.
Nachwort: Eigentlich wollte ich für diesen Film eine leicht unterdurchschnittliche Bewertung einbuchen, doch je mehr ich darüber nachdenke, desto besser erschließt sich die mutmaßliche Intention Besnards. Es ist ein wenig wie bei einem Mosaik, bei dem man erst ein paar Schritte zurücktreten muss, um das ganze Bild zu erkennen. Ob man (bzw. ich) es dann richtig interpretiert, ist nochmal eine andere Frage, aber erkennbar wird das Gesamtbild durch die Reflexion allemal. :-)
++ Leichte SPOILER ++
Eine Gruppe von Söldnern rottet sich für eine „Aufklärungsmission“ zusammen, von der eigentlich von Anfang an klar ist, dass es um weit mehr als reine Informationsbeschaffung gehen würde. Verhältnismäßig trocken und streckenweise betont nüchtern zieht Regisseur J. C. Chandor seine Inszenierung durch. Bemerkenswert ist das auch insofern, da er bisher vor allem mit den beiden Finanz- bzw. Gesellschaftsdramen 'A Most Violent Year' und 'Margin Call' sowie wie dem Survivaldrama 'All is Lost' von sich reden machte. Mit 'Triple Frontier' widmete er sich einem dann doch etwas trivialerem Stoff, aber das Setzen von eigenen Akzenten kann man ihm auch hier nicht absprechen.
Ungefähr ab der Hälfte der Laufzeit kippt die Erzählung in Richtung einer modernen Version von 'Hans im Glück' um. Tonfall und Tempo der Erzählung ändern sich ein wenig und auch die Schauplätze könnten unterschiedlicher kaum sein. Vom Dschungel über ein kleines Dorf und verschneite Berggipfel bis hin zu einem Meeresstrand ist so ziemlich alles mit dabei. Ob sich diese Änderungen positiv oder negativ auf die Erzählung auswirken, mag jeder für sich selbst entscheiden, aber ein wenig Abwechslung ist innerhalb der relativ eng gesteckten Grenzen auf diese Weise allemal gelungen.
Ein böser Streich wäre vielleicht gewesen, zu Beginn der Handlung per Texttafel zu behaupten, die Handlung würde auf wahren Begebenheiten basieren. Dann wäre jetzt gut was los in den Gebieten, in denen die mit Geld gefüllten Taschen deponiert wurde... :-D
++ Leichte SPOILER ++
Spannender Psychothriller über einen Familienvater (Sam Worthington), der mit dem Personal einer Klinik in Konflikt gerät. Regisseur Brad Anderson ('Der Maschinist') macht die Zuschauer zu Detektiven – und das gleich in einem doppelten Sinne. Denn einerseits geht das Publikum gemeinsam mit dem Protagonisten auf die Suche nach der Lösung eines Rätsels, andererseits stellt sich ab einem gewissen Punkt aber auch de Frage, wem man hier glauben darf und wem nicht. Phasenweise bekommt man fast schon eine Ahnung davon, wie sich wohl Leute fühlen mögen, die nach der Reid-Methode verhört werden. Man ist zunächst fest von einem Sachverhalt überzeugt, gerät womöglich nach entsprechend eindringlichem Input von außen aber doch ins Wanken. Andererseits kann allerdings auch keine Psychotherapie wirken, wenn man nach außen hin komplett dicht macht. Was geht hier also vor? Ein Komplott oder vielleicht doch etwas anderes?
Andersons Inszenierung ist auf Spannung und Atmosphäre getrimmt. Zudem wird ein gewisses inhaltliches Niveau über die gesamte Inszenierung gewahrt und ganz nebenbei bringt er auch noch ein wenig Kritik an den vorherrschenden Zuständen in so mancher Notaufnahme mit ein. Daher klarer Tipp für Thrillerfans!
'Red Notice' verlässt sich voll und ganz auf seinen namhaften Cast; Nebencharaktere nehmen – abgesehen von vielleicht zwei Ausnahmen – nur minimalen Raum ein. Dazu kommen eine Story, die simpler kaum sein könnte, sowie in regelmäßigen Abständen ein paar Gags (meist unernste Dialogzeilen, die von Ryan Reynolds aufgesagt werden), obendrauf eine Unmenge an Green-Screen-Einstellungen sowie ständige Schauplatzwechsel, gegen die selbst Bond-Filme wie Kammerspiele wirken, und fertig ist das vermeintliche Crowd-Pleaser-Rezept. Zu leichter Unterhaltung für zwischendurch reicht diese Mixtur allemal; sehr viel mehr sollte man jedoch besser nicht erwarten.
Die Kritik, die der Film für seine Entstehung am Reißbrett einstecken muss, ist ganz sicher nicht aus der Luft gegriffen. Im Vergleich zu vielen anderen Produktionen in derselben Preisklasse (kolportiert werden rund 160 Mio. US-Dollar) erscheint 'Red Notice' allerdings auch nicht wesentlich risikoärmer als viele andere Vertreter. Die Produzenten versuchen ganz offensichtlich, möglichst wenig Ecken und Kanten zu bieten, um die Zielgruppe so groß wie möglich zu halten. Dass sich viele Filmfreunde aber genau davon abgestoßen fühlen, ist vermutlich schon mit eingepreist. Rawson Marshall Thurbers Inszenierung ist eben die filmische Entsprechung zu Fast Food. In der richtigen Laune durchaus einen Snack wert, aber das war es dann auch.
Fun Facts: Regisseur Thurber und Dwayne Johnson haben bereits gemeinsam an 'Skyscraper' und Central Intelligence' gearbeitet. Johnson und Gadot kennen sich aus der 'Fast & Furious' Reihe und Reynolds und Gadot aus 'Jerico-Project'. Hollywood ist eben auch nur ein Dorf...
++ Enthält SPOILER ++
Ist das noch Spukhaus oder kann das ins Dramenregal (das oftmals ja ohnehin eine Stufe höher steht)? Edgar Wright ('Shaun of the Dead') rührt in 'Last Night in Soho' eine ganz eigene Mischung aus Psychodrama, Retrospektive, Gesellschaftskritik und Schrecken an, die den Horrorfilm ein Stück weit auch wieder zu seinen psychologischen Wurzeln zurückführt, und ihm auch eine darüber hinausgehende Relevanz verleiht.
Protagonistin Eloise, geplagt mit mentalem Ballast aus ihrer Vergangenheit, zieht aus ihrem ländlich geprägten Umfeld in Cornwall nach London, um dort Modedesign zu studieren. Dort angekommen gerät sie zunächst an einen übergriffigen Taxifahrer und wenig später an eine Mitbewohnerin und einige Kommilitoninnen, die es nur unwesentlich besser mit ihr meinen, weshalb sie schnell das Weite sucht und sich im Haus der schrulligen Miss Collins (Diana Rigg in ihrem letzten Film) einmietet, was den Auftakt zu einer Verkettung sonderbarer Ereignisse darstellt.
'Last Night in Soho' nimmt das Publikum mit auf eine Zeitreise in eine bunte Version der Sechziger Jahre, deren Fassade nach und nach zu bröckeln beginnt. Der Subtext der Erzählung (und nicht nur der) berichtet von den destruktiven Auswüchsen einer patriarchisch geprägten Gesellschaft und deren Fortwirken bis in die Gegenwart hinein. Was das eine Geschlecht als ausgelassenes Vergnügen betrachtet, erweist sich für das andere als zerstörerische Gewalt, die den Körper ebenso auslaugt wie den Geist. Doch nicht nur Reste dieser Struktur haben sich bis heute erhalten (s. Taxifahrer), auch die dadurch entstandenen Dämonen peinigen viele Menschen bis heute auf die eine oder andere Art. Eloise bekommt dies gleich auf mehrfache Weise zu spüren. Einerseits durch das ausgrenzende Verhalten einer ihrer Kommilitoninnen, andererseits auch durch ****siehe Spoiler am Ende des Textes****. Aufgrund habitualisierter Verhaltensweisen vergangener Tage wird nicht nur bis heute Leid erzeugt, sondern auch das Zusammenleben späterer Generationen massiv erschwert.
Thomasin McKenzie untermauert mit ihrer Darbietung einmal mehr die Erwartung, dass in den kommenden Jahren ganz gewiss auch bei so mancher Preisverleihung mit ihr zu rechnen sein wird. Eine bessere Rolle als diese hier hätte ihr in ihrer derzeitigen Karrierephase kaum unterkommen können, da ihr hier nahezu die volle Bandbreite darzustellender Gemütsregungen abverlangt wird. Nicht minder überzeugend, aber mit nicht ganz so viel Raum zur Entfaltung ausgestaltet, wirkt Anya Taylor-Joy, die zunächst ein Dasein als Vamp antäuscht, um über demonstrativ gelangweilte Darbietungen bis hin zur emotionalen und körperlichen Ausgebranntheit ebenfalls einige Facetten ihres Repertoires zum Besten geben darf. Die bereits erwähnte Diana Rigg ('Game of Thrones', 'James Bond 007 – Im Geheimdienst Ihrer Majestät'), die durch ihre Mitwirkung an der Bond-Reihe wie die Faust auf's Auge in diese Inszenierung passt, wird indirekt über den mehrfachen Verweis auf 'Thunderball' (auch wenn sie in einer anderen Episode der Reihe zu sehen war) auch in ihrer Eigenschaft und Funktion als Schauspielerin indirekt adressiert.
Unter dem Strich ist Edgar Wrights atmosphärisch enorm dichte Inszenierung weit mehr als nur die Summe ihrer Einzelteile, denn letztlich fügen sich die Elemente der Erzählung zu einem großen Ganzen zusammen, das zwar vielleicht nicht an jeder Stelle konkret auf den praktischen Alltag bezogen sein mag, seine Botschaft indirekt aber dennoch sehr eindringlich klarmacht.
++ MASSIVER SPOILER zum Filmende ++
Abschließend noch der komplette Satz, der weiter oben nur angedeutet wurde:
Einerseits durch das ausgrenzende Verhalten einer ihrer Kommilitoninnen, andererseits auch durch die Rachsucht ihrer Vermieterin, die allerspätestens durch ihre Attacken auf Eloise und John komplett über das Ziel hinausschießt und augenscheinlich jegliches Maß verloren hat.
(Danke an Hardshot alias Headshot77, der kürzlich schon mal die Stimmung für eine Sichtung angeheizt hat. ^^)
Oscar Madness Film 112 (2 Auszeichnungen, 4 weitere Nominierungen)
Florian Zellers Demenzdrama 'The Father' interpretiert sein Sujet aus einer bis dato recht ungewohnten Perspektive heraus und bringt seine Hauptfigur - und ganz besonders dessen Sorgen und Nöte - auf diese Weise dem Publikum deutlich näher, als es bei den allermeisten anderen Genrevertretern bisher der Fall war.
Einheimsen konnte 'The Father' eine ganze Reihe von Auszeichnungen und Nominierungen, u. a. bei den Academy Awards. Wahrscheinlich am meisten Beachtung fand Anthony Hopkins Prämierung als bester Hauptdarsteller. Nach seiner Auszeichnung für 'Das Schweigen der Lämmer' (Hauptdarsteller, 1992) sowie vier weiteren Nominierungen in den Jahren 1994 ('Was vom Tage übrig blieb', Hauptdarsteller), 1996 ('Nixon', Hauptdarsteller), 1998 ('Amistad', Nebendarsteller) und 2020 ('Die zwei Päpste', Nebendarsteller) ging er somit bereits zum sechsten mal in das Rennen um eine Darstellertrophäe. Dabei reizt er in 'The Father' eine große Bandbreite ihm zur Verfügung stehender schauspielerischer Mittel aus. In einigen Sequenzen legt er durch nuancierte Mimik seine Gedankenwelt offen, in anderen Situationen lässt er seine Gemütsregungen regelrecht eruptiv heraussprudeln. Natürlich bietet sich bei vielen Szenen eine ganze Fülle an Möglichkeiten, sie darzustellen; und Hopkins und Regisseur Florian Zeller entscheiden sich in nahezu allen Fällen für eine der besten Varianten, so hat es den Anschein. Speziell den Tränenausbruch hätte man vielleicht auch anders darstellen können, doch Hopkins schafft es, seine Figur facettenreich und dennoch kohärent auf die Leinwand zu bringen. Neben Hopkins wurde auch Olivia Colman, die bereits 2019 als beste Hauptdarstellerin für 'The Favourite – Intrigen und Irrsinn' ausgezeichnet wurde, als beste Nebendarstellerin nominiert.
Die Auszeichnung für das beste adaptierte Drehbuch und die Nominierung für den besten Schnitt gehen im Fall von 'The Father' quasi Hand in Hand einher. Denn aufgrund dieser beiden filmischen Mittel (und teilweise auch über das ebenfalls nominierte Szenenbild, das verschiedene Welten regelrecht visuell verschmelzen lässt) bleibt der Zuschauer nicht nur Zeuge einer Verfallsgeschichte, sondern er tritt den Gang in verwirrende Gedankenwelten regelrecht gemeinsam mit dem Protagonisten an. Die Grenzen zwischen Realität, Wahrnehmung und Interpretation der Eindrücke verwischen zunehmend und bereits nach kurzer Zeit bemerkt man auch im Publikum, wie einem selbst beim Zuschauen die Lage mehr und mehr entgleitet. Auf diese Weise bekommt man nicht nur von außen einen Eindruck der Geschehnisse, sondern man wird auch selbst mit einem erodierenden Gefühl für Realität und deren Einordnung – und letztlich auch mit einem kollabierenden Scharfsinn konfrontiert. Wer im privaten oder beruflichen Umfeld bereits mit Demenzpatienten zu tun hatte, wird hier sicherlich vieles wiedererkennen.
Dass als Resultat dieser geballten Qualität am Ende auch noch eine Nominierung als bester Film heraussprang, erscheint letztlich nur folgerichtig. Denn am Ende steht eine Verfilmung, die deutlich mehr leistet als „nur“ das Portrait eines Demenzkranken und die damit regelrecht Neuland erschließt.
7 - 7,5 Punkte.
Oscar Madness Film 149 (1 Auszeichnung, 2 weitere Nominierungen)
Cary Joji Fukunaga ('Sin Nombre') schafft den Spagat, einige Elemente der traditionsreichen Filmreihe auf links zu drehen und dennoch ihren Geist zu bewahren. Vorbei sind die Zeiten eines macho- oder gar rüpelhaften Bonds ohnehin bereits seit mehreren Jahrzehnten und mit jedem der Darsteller ging eine andere Art der Verkörperung einher, was ganz besonders für Daniel Craig gilt. Doch auch und gerade an seiner Interpretation der Figur gibt es in 'Keine Zeit zu sterben' noch einige neue Facetten zu entdecken. Sein von Rami Malek verkörperter Gegenspieler bleibt (vermutlich gewollt) eher farblos, wodurch vielleicht auch gewährleistet werden sollte, dass der Fokussierung auf den Protagonisten niemand allzu sehr im Weg steht.
Bond hingegen muss deutlich stärker einstecken als gewohnt. Körperliche Extremsituationen ist Craig-Bond ja ohnehin gewohnt, doch auch in emotionaler Hinsicht wird ihm hier vieles zugemutet. Und als ob dem nicht genug wäre, darf er auch noch einige Metagags einstecken, die man einem Connery oder Moore wohl im Leben nicht zugemutet hätte ([SPOILER:] Verweigerter Händedruck, Neuvergabe seiner Doppel-Null-Nummer sowie einige Sprüche und Scherze auf seine Kosten [SPOILER ENDE]). Auf diese Weise wird auch der bisweilen schwermütige Tonfall regelmäßig unterbrochen und aufgelockert; ein Prinzip, das auch in der Filmmusik seine Entsprechung finden sollte.
Ganz besonders punkten kann die Inszenierung nicht nur deshalb im akustischen Bereich. Sowohl der Ton als auch Billie Eilishs Titelsong 'No Time To Die' dürften für Oscarnominierungen in Betracht kommen. Letzterer sicher alleine schon deshalb, weil sich die Academy ganz gerne mal namhafte Acts für den Abend der Zeremonie gönnt. Aber unabhängig davon fängt das Lied auch treffend die wehmütige Stimmung des Filmes ein und macht die Verletzlichkeit mehrerer Charaktere regelrecht hörbar. Außenseiterchancen dürfte auch Hans Zimmer haben, der jedoch durch seine Mitwirkung an Denis Villeneuves 'Dune' ein weit aussichtsreicheres Pferd im Stall hat. Doch auch sein Score zum Bond-Film kann sich mehr als hören lassen. Immer wieder greift er dabei die Titelmelodie in verschiedensten Variationen auf und durchbricht auf der anderen Seite die melancholischen Anwandlungen durch verspielte Einlagen (wenn beispielsweise während eines Gefechts jeder einzelne Schuss des Protagonisten musikalisch unterlegt und somit in der akustischen Wirkung verstärkt wird). Geringfügige Chancen könnten zudem in den Kategorien Schnitt und Kamera bestehen, aber vor allem in ersterer Sparte dürften sie eher theoretischer Natur sein.
Am Ende bleibt ein angemessener Abschied aus einer rund fünfzehnjährigen Ära (wenn man die verschiedenen Verschiebungen des Kinostarts des Finales mit einrechnet), die im Vergleich zu den Ägiden der anderen Darsteller deutlich runder wirkt. Der Einstieg begann 2006 mit 'Casino Royale', wodurch der Bogen zum „Ur-Bond“ der 'Climax!'-Reihe (1954) gespannt wurde und beendet wurde die Reise durch das nun vorliegende und durchaus stimmig wirkende Finale.
++ Massiver SPOILER zum Ende des Filmes ++
In die Knie gezwungen werden konnte Bond letztendlich nur durch Friendly Fire, das er – angesichts seiner hoffnungslosen Lage – auch mehr oder minder bereitwillig über sich ergehen ließ. Gewissermaßen also ein (zumindest teilweise) selbstbestimmtes Ende , das sich zumindest keiner seiner Gegner so richtig auf die Fahnen schreiben darf. Zwar hat Safin durchaus Aktien daran, sein alleiniges Werk ist es aber keinesfalls.
7 – 7,5 Punkte.
Nachtrag: Die Oscarnominierung in der Kategorie "Bester Ton" ist tatsächlich erfolgt und Billie Eilish wurde für ihren Titelsong sogar mit der begehrten Trophäe ausgezeichnet. Eine weitere Nominierung erfolgte in der Kategorie "Beste visuelle Effekte", die jedoch die Konkurrenz von 'Dune' für sich entscheiden konnte.
Auch wenn man mit Superlativen bekanntlich sparsam umgehen sollte: Kann man sich eine unnötigere Fortsetzung vorstellen als diese hier? Grundsätzlich bestimmt, aber wenn man mal von Produktionen absieht, die sich im Lauf der Sequels in den Trashbereich verabschiedet haben oder die von vornherein schon schwach waren, dürfte es nur wenige Weiterführungen geben, die sich als ähnlich unnötig erwiesen haben wie 'Ghost Rider 2: Spirit of Vengeance'. Denn bizarrerweise wurde das Budget ungefähr halbiert und im Gegenzug alles gestrichen, was im ersten Film funktioniert hatte und durch Downgrades ersetzt. Die weniger gelungenen Elemente des Vorgängers hat man hingegen beibehalten...
Am eklatantesten fallen die Änderungen in den Bereichen Kamera und Schnitt in's Auge, aber auch das Drehbuch und die Besetzung stellen nicht gerade einen Mehrwert dar. Daraus resultiert ein völlig anderes Flair; retten können da auch einige Anleihen aus 'Terminator 2' nicht mehr viel...
Das Publikum jedenfalls reagiert(e) mit Humor darauf. Zwar wurden die Produktionskosten um 50 Prozent gesenkt, jedoch sanken die Einnahmen – im Vergleich zu Teil eins – ungefähr im selben Maße... In der Folge wurde die DVD mit 'Spirit of Vengeance' beispielsweise im deutschsprachigen Raum einer TV-Zeitschrift als Beilage angefügt. Meistens ist es kein gutes Zeichen, wenn eine Fortsetzung auf diesem Weg vertrieben wird, ohne dass zuvor der bzw. die Vorgängerfilm(e) beigelegt wurden ('American Werewolf 2' wäre ein ähnliches Beispiel). Anfangsepisoden werden so ganz gerne mal als Appetizer unter das Volk gebracht ('Star Trek', 'Der unglaubliche Hulk' usw.) und manchmal auch komplette oder fast vollständige Reihen wie 'Transporter', 'Taxi', 'Tomb Raider' usw. Aber wenn es auf diesem Wege ausschließlich eine bzw. die einzige Fortsetzung gibt, kann man sich oft schon denken, was es geschlagen hat...