lieber_tee - Kommentare

Alle Kommentare von lieber_tee

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    lieber_tee 26.11.2023, 23:44 Geändert 26.11.2023, 23:51

    „Sisi & Ich“ löst sich zunächst bewusst aus dem Korsett der klassischen Historienbetrachtung einer ikonischen Kaiserin und ist ein hibbeliger Frauenfilm, der überraschend humorvoll die statischen Hofregeln zu einem sommerlich-freiheitlichen Freundschafts-/ Liebesfilm mit 90er Soundtrack um-dekonstruiert. Sobald aber die Konventionen des adelige Standes wieder greifen gibt es nichts mehr zu lachen, die Tragik einer eingeengten, depressiven Frau nimmt zu. Das ist schade, da bedient der Film in der zweiten Hälfte dann doch wieder das Leidenskino, er wird vorhersehbar, schwermütig und die spielerische Energie des Films sowie der anfänglich originelle Blick von der Hofdame auf den Mythos geht verloren, wird zu einer bitteren Obsession. Schauspielerisch und filmisch bleibt der Film aber immer oberste Sahne.

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      lieber_tee 26.11.2023, 20:21 Geändert 27.11.2023, 01:21

      Mehr Slapstick als Slasher.
      „The Blackening“ will sich selbstbewusst irgendwo zwischen Get Out und Scary Movie ansiedeln. Das Ergebnis ist eher repetitiv, kann mit der Brettspiel-Prämisse und seinem Horror wenig anfangen und wirkt mehr wie ein geschwätziges Theaterstück. Allerdings untergräbt das Drehbuch teilweise subversiv-clever die Klischees auf Archetypen in Slasher-Filmen und traut sich politisch unkorrekt über eigenen Rassismus in der „schwarzen“ Community eine bitte Aussage zu machen. Letztlich ist er aber dann doch nur ein ausgedehnter Witz über die Vorhersehbarkeit eines Genres.
      5 weiße Armbrüste.

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        lieber_tee 26.11.2023, 00:02 Geändert 26.11.2023, 09:24

        Beginnt stark, gerät in der Mitte ins Stocken und ist am Ende nur noch albern. Der ernüchternden Blick auf die Kriminalität in LA und die düstere Interpretation dessen als L.A. Noir mit einem kaputten Polizisten und seinem kaputten Hund steckt voller faszinierender Aspekte. Leider werden diese nicht sinnvoll erforscht. Es gibt viele verschiedene Fäden, Themen und Handlungsstränge, die nie zu einem gelungenen Endergebnis führen, trotz starken Einzelsequenzen.

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          lieber_tee 24.11.2023, 20:45 Geändert 25.11.2023, 00:39

          Wenn nach 20 Minuten deutlich wird, das es in diese lächerlich überzogenen James-Bond-Verspottung um eine Parodie auf trashige Pulp-Romane und den Zusammenhang zwischen Sehnsüchte der Leser und Schriftstellerei, bzw. das Wechselspiel zwischen Werk und Autor, geht, könnte man meinen, das hier Meta-Kino angesagt ist. „Le Magnifique“ ist knallig und rau, eine pure Farce und eindeutig die Vorlage für die Zucker- und Abrahams-Filme der 80er Jahre (besonders „Top Secret!“). So clever ist das Vexierspiel, das hin und her springen zwischen „realer“ und „fiktiver“ Welt letztlich dann leider nicht geworden. Seine postmoderne Mischung aus Cartoon und Konventionen will etwas über die Hypermännlichkeit und Frauen als „Lustobjekt“ sagen, will über den reinen Unsinn hinausragen. Aber damit, das er dann doch ständig die Testosteron-getriebenen Motive bedient, bleibt er oberflächlich, sein absurder Balanceakt bleibt doch nur ein Vehikel für den Über-Chauvinistischen Belmondo, der selbst in der Übertreibung einer Übertreibung einer Übertreibung ein Macker bleibt und gefeiert wird (Schwulenwitze und schwache Frauen, die im Treppenhaus schlafen, inklusive).

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            Inception for Dummies.
            Auch wenn Affleck sich bemüht, das Publikum bei Laune zu halten, sein mürrisches Roboterschauspiel, die Greatest-Hits-Sammlung von Science-Fiction-Denksportaufgaben, die allzu ernste Herangehens- und verworrene Erzählweise lässt diesen Neuro-Noir zu einem ziemlich idiotischen Film werden. Seine Absicht ein teures B-Movie als Grindhouse-Nolan-Flick zu erzählen ist fast schon subversiv, aber außer Verwirrung entwickelt der Film wenig, da es völlig egal ist was hier real oder nicht ist.
            5 Studioaufbauten.

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              lieber_tee 22.11.2023, 23:21 Geändert 23.11.2023, 18:32

              Auch Gerard Butler kann den Nahen Osten nicht reparieren...
              Wüsten-trockener Actionfilm voller faulen und lächerlichen (ethnischen) Klischees. „Kandahar“ beginnt unnötig verworren und es dauert fast eine Stunde lang bis Butler wieder den knarzig-robusten Helden heraushängen darf. Der reumütige Ton über die US-Außenpolitik im Nahen Osten und in Afghanistan, wodurch viele Einheimische leiden mussten, wird hier nur als heroischer Kampf gegen den Terror umgedeutet. Jegliche Mehrdeutigkeit und Ambivalenz der politischen und religiösen Auseinandersetzung werden für eine Wegwerfgeschichte mit Betroffenheit- und Wiedergutmachung-Kitsch benutzt. Zumindest durfte Filmemacher Ric Roman Waugh schön viele Effekt-Bomben in Saudi-Arabien legen.
              4 fach guter Handyempfang in der Wüste.

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                lieber_tee 22.11.2023, 02:17 Geändert 22.11.2023, 03:11

                Echte Männer machen weiter.
                Zwei Jahre nach dem Abzug des amerikanischen Militärs aus Afghanistan und dem Ende des längsten Krieges in der Geschichte der USA fängt Guy Ritchie an darüber nachzudenken, was da eigentlich damals passiert ist. In Form eines handwerklich intensiven Actioners über Militärangehörige, die in Kriegszeiten Seite an Seite dienen, erzählt er eine bedeutsame Geschichte über Ehre und Brüderlichkeit. Die Tragödie der afghanischen Zivilisten im und nach dem Krieg wird bei ihm zu einen einfältigen, revisionistischen Rettungsfilm mit großem Herz.
                „The Covenant“ ist, wie schon sein letzter Spielfilm "Mission: Impossible – Möchtegern- Operation Fortune“, völlig frei von jeglichen stilistischen Besonderheiten, die einst die Arbeit des Regisseurs prägten. Der Film wirkt eher wie der Versuch den Stil von Peter Berg nachzuahmen. Guy Ritchies Blendgranatentechnik trommelt für den amerikanischen Exzeptionalismus, wo Krieg eine tolle Möglichkeit für Jungs ist sich kennenzulernen. Dabei hält sich das patriotische und pathetische Hollywood-Grunzen noch in Grenzen, eine Reminiszenz an die „Missing in Action“- und „Rambo“- Filme ist er dann doch nicht geworden.
                Aber fast. Besonders weil er seine fesselnde Geschichte als Wahrheit verkauft, auf wahren Begebenheiten basiert hier aber nix (auch wenn im Abspann reichhaltig Dokumaterial gezeigt wird). Ja, die afghanischen Dolmetscher wurden und werden, nach dem US-Abzug, im Stich gelassen, von Mitgliedern der Taliban gejagt. Und das, weil der amerikanische Imperialismus jene Menschen ausgenutzt und ihnen dann nicht geholfen hat. Am Ende des Films darauf aufmerksam zu machen und zugleich einen speckigen (und fiktiven) Rettungsmissionsfilm zu dem Thema zu drehen finde ich überheblich und geschmacklos, trotz guter Absichten.
                4,5 mal ins Kreuzfeuer geraten.

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                  lieber_tee 21.11.2023, 17:23 Geändert 21.11.2023, 18:22
                  über Suzume

                  Metaphern mit dem Holzstuhl, äh Holzhammer.
                  Suzume ist zutiefst traumatisiert weil sie Waise ist und dieses Trauma materialisiert sich als Erdbeben-Wurm... Zunächst recht gradlinig als niedlich-sympathisches Roadmovie durch ein idealisiertes Japan erzählt (offensichtlich vom spirituellen Touristenverband des Landes gesponsert). Zum Ende hin wird das Ganze dann ein religiös überhöhter Unsinn, der selbst seiner eigenen Logik nicht mehr folgen kann, weil er unbedingt einen auf große Emotionen machen muss. Formelkino von Makoto Shinkai. Er kann schwärmerische, fotorealistische Bilder und einfühlsame Momente, die er dann (seit Jahren) mit Unvermögen im Erzählen, (Natur-) Mystizismus und sentimentaler Kitsch-Soße ertränkt.
                  Trotzdem nett, der Film, weil ich die Charaktere mochte.
                  6 Arschloch-Katzen.

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                    lieber_tee 20.11.2023, 22:24 Geändert 21.11.2023, 00:45

                    Insomnie der Liebe.
                    Die Obsession zwischen einem Detektiv und seiner Verdächtigen ist eine ohnmächtige Romanze, ein Kaninchenbau, in den man hineinstürzen kann. Die Nebelfrau ist vielleicht nicht so fesselnd wie die vorherigen Arbeiten von Park Chan-Wook, sicherlich aber sein melancholischster Film. Mit seidenweicher Handwerkskunst, spinnt er ein Netz aus Intrigen, Intimitäten und Boshaftigkeiten, die ebenso verführerisch wie erschütternd sind. Bemerkenswert dabei ist, trotz der Dunkelheit gibt es einen komödiantischen Faden, der in bitterer Tragik endet. Ein ziemlich raffinierter Noir-Thriller, meisterhaft gemacht, der immer wieder bewusst an Hitchcock erinnert.
                    7 Schildkrötenbisse.

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                      lieber_tee 19.11.2023, 02:48 Geändert 19.11.2023, 22:05

                      „Unser Blut wird weiß.“
                      „Killers of the Flower Moon“ ist eine düstere und epische Darstellung des systematischen Massenmordes an das Osage-Volk, das für die Ölrechte im Oklahoma der 1920er Jahre sterben musste. Der neue Scorsese zeigt handwerkliches Können, formale Erhabenheit, wunderschöne Bild-Kompositionen und ein lebendiges Produktionsdesign. Seine bittere Kritik an den Ursprung des US-Amerikanischen-Gründer-Mythos, der auf Ausbeutung und Mord beruht, seine gallige Kapitalismuskritik, all das sind Aussagen, die den Film kaum angreifbar machen.
                      Angreifbar sind allerdings (für mich) drei wesentliche Aspekte, die mir den Filmgenuss nachhaltig vermiest haben.
                      Zunächst, es scheint mir, der Meister hat die Kontrolle über sein Werk verloren. Die exorbitante, aufgeblähte (fast dreieinhalb Stunden lange) Laufzeit ist in keinster Weise künstlerisch und erzählerisch zu rechtfertigen. Hier wird ein Film zu einem Ausdauerwettbewerb vs. Marvel. Spätestens nach 90 Minuten sind alle wesentliche Motive und Aussagen (Manipulation und Ausbeutung des Osage-Volkes) auf dem Tisch, dann wiederholt sich der Film ständig, eine Vertiefung oder weitere Erkenntnisse sind nicht zu finden. Nichts treibt die Handlung voran, alles ist repetitiv, es gibt kein großes Geheimnis. Die Schuldigen, Opfer, Doppelzüngigkeiten und Motivationen aus Gier und Geld sind klar. Es folgen nur noch tempo-killende, erdrückende Füller. Scorsese will so vielleicht filmisch den Zuschauer zermürben und quälen, das Leiden der entmenschlichten Native Americans spürbar machen, mich hat es zunehmend frustriert.
                      Frustrierend sind ebenfalls die Schauspielmanierismen von Leonardo Dicaprio. Seine Performance eines aufgedunsenen, tumpen Schönlings, auf den alle irgendwie einen Crush haben (warum auch immer), wird von ihm mit aufgeblasenen Backen und heruntergezogenen Schmolllippen im Marlon-Brando-Erinnerungsmodus gespielt. Nicht eine Sekunde habe ich Leo seine Rolle abgenommen. Das ist eher eine Selbstparodie auf Mimikry-Spiel.
                      Und dann kommt dieses deplatziert wirkende Ende, das einen seltsamen Bruch hat, in seiner tonal witzigen Darstellung einer inszenierten Podcast-Wahrheit mit nachgemachten Geräuschen. Keine Ahnung warum Scorsese dieses Ende für seinen Film gewählt hat, er selbst noch im Betroffenheitsmodus einen Monolog führen musste. Mich hat der Film da spätestens nicht nur gelangweilt, sondern auch noch verärgert.
                      „Killers of the Flower Moon“ will ein scharfsinniger Film sein, aber er hätte dringend nochmal bearbeitet werden müssen. Das hier wirkt unkontrolliert und selbstgefällig.
                      Lieber eine 5 stündige, packende Netflix-Serie über dieses Thema schauen.

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                        lieber_tee 18.11.2023, 22:47 Geändert 21.11.2023, 01:50

                        Damals an den Kinokassen gescheitert und von den Kritikern (zu Unrecht) verrissen, gehört meiner Meinung nach dieser (vielleicht) zugänglichste Film von Abel Ferrara zu einen der interessantesten New York-Filme der 80er Jahre. Oberflächlich dem Romeo und Julia-Motiv folgend, taucht er in die dunkle Seite von Little-Italy und China-Town ein, um die tödliche Rivalität zwischen der italienischen Mafia und den chinesischen Triaden zu beschreiben. Das dem Untergang geweihte Liebespaar ist der emotionale Motor, um die verheerenden Auswirkungen von Hass und Rassismus zu kommentieren, eingebettet in urbaner Atmosphäre voller Gewalt, Alpha-Gehabe und kapitalistischen Interessen. Das ist nicht tiefsinnig, aber genau auf den Punkt gebracht und famos in Szene gesetzt.

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                          lieber_tee 18.11.2023, 20:21 Geändert 19.11.2023, 01:26

                          Hätte, hätte, Fahrradkette...
                          Beeindruckendes Debüt von Joachim Trier, das dreistes filmisches Sampling, voller ironischer Kommentare und struktureller Gesten, betreibt. Der Bohemian-Lifestyle von wohlhabenden Mittzwanzigern, die in ihrer toxischen Freundes-Clique aus Frauenfeindlichkeit, Neid und unterdrückter Homoerotik selbstgefällig ihre Runden drehen, ist hier irgendwie der Motor für literarische Ergüsse. Die Zweifel, Ängste und Sehnsüchte der beiden Hauptprotagonisten werden zu nichtlinearen Momenten und Innenwelten der Charaktere. Sobald etwas für den Zuschauer greifbar wird, wird es sofort gebrochen, hinterfragt und als mögliche fiktionale Ebene verschlüsselt. Das Ende ist dann übermütig optimistisch, natürlich im Konjunktiv erzählt, wird so als pseudo-existenzieller Blödsinn männlicher Identitätsfindung entlarvt. Oder auch nicht, oder doch... ne, ist letztlich egal. So hübsch-verspielt auch „Auf Anfang“ anzuschauen ist, als Künstlerportrait, Psychodrama, Tragödie, Komödie, Liebes- und Freundschaftsfilm kratzt mir das letztlich in seiner intellektuellen Meta-Verspieltheit alles zu sehr an der Oberfläche und mir wurden die Figuren immer egaler.
                          Könnte ich aber auch anders sehen.
                          6,5 mal François Truffaut in Paris besuchen.

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                            lieber_tee 14.11.2023, 23:49 Geändert 15.11.2023, 08:31

                            „Ein Bulle darf nicht lange Trauer tragen.“
                            Ziemlich eindimensionaler Belmondo-Polizei-Film, der seine bekannten Versatzstücke der Knautschfresse direkt ins Gesicht drückt und dabei den Glanzzeiten seines Hauptdarstellers hoffnungslos hinterher hinkt. Bebel darf hier mal wieder bis zur Selbstparodie seinen selbstgefällig-chauvinistischen Sexismus bis zur Oberkante ausleben, verstärkt durch eine vulgär-kalauernde Synchronisation. Frauen als „Beute“, die Bösewichter mit einem harten Lappen wegwischen, hier wird Polizeigewalt als unorthodoxe Ermittlungsarbeit verkauft, moralisch gerechtfertigt. Die kernige Überzeichnung und seltsame Gleichgültigkeit, die durch den Film weht, lässt das Endprodukt kaum ernsthaft erscheinen. Der Profi 2, der mit dem ersten Teil gar nix zu tun hat, ist eine „hohle Hose“, die ebenso schlicht, wie temporeich harte Eier vorgaukelt, aber letztlich nur inhaltliches Rührei bietet.
                            5 Kanonen in die Schnauze stecken.

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                              lieber_tee 14.11.2023, 00:36 Geändert 14.11.2023, 00:38

                              Staffel 1
                              Lichtschwert-Kampf der Woche.
                              Die Absicht dieser Show ist klar. Die Vergangenheit, wie sie in Obi-Wan Kenobi, The Mandalorian und The Book of Boba Fett manifestiert wurde, geht nirgendwo hin. Also muss hier ein neuer Topf aufgemacht werden. Die Anbindung an Serien wie Rebels oder The Clone Wars ist genauso nostalgisch wie die anderen „Star Wars“-Streaming-Produkte. Es ist nur eine Nostalgie für etwas, mit dem ich nicht so vertraut bin, weil ich mich mit den Vorlagen wenig auskenne. Animierte Charaktere, die im Live-Action-Modus herumlaufen, interessieren mich weniger...Hier gehen Neulinge und Gelegenheitsfans verloren... Die vom Fließband des Mäusehauses, in Flaschen abgefüllt und intravenös injizierten Produkte sind die immer gleichen kinderfreundlichen Drama mit gestelzten Dialogen im Cartoon-Stil. Aus technischer Sicht sieht die Show fantastisch aus, der Rest ist unglaublich langsam und hölzern. Unterm Strich ist „Ahsoka S01“ zwar nicht das Schlimmste, was Star Wars hervorgebracht hat, aber bei weitem nicht das Beste.
                              Zumindest haben wir noch „Andor“.
                              5 sympathische Druiden.

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                                lieber_tee 13.11.2023, 23:30 Geändert 13.11.2023, 23:55

                                Nur ein mal im Leben gewinnen...
                                Slacker-Movie, Boxdrama, Underdog-Geschichte und tragische Komödie. Dieser bitter-komische Kommentar zu Japans Sexismus und Leistungsorientierung erzählt über Menschen, die keine Sicherheiten mehr haben, über gesellschaftliche Stolpersteine und über ein verspätetes Coming of Age. So grimmig der Humor ist, so unerträglich ist das Leiden, was hier dargestellt wird. Überraschenderweise macht das alles die Protagonistin immer stärker (famos gespielt von Ando Sakura). Sie wird von einem mental und körperlich trägen Zombie zu einer zunehmend selbstbewussten Kämpferin mit ordentlich Punch. Leider entwickelt sie sich zu spät, als schon alles vorbei ist. Da wirft der Film seine Genre-Standards des Sportfilms über den Haufen, wird ein Entwicklungsdrama, mit einer traurigen Vergeblichkeit, die ihre Wut über die Chancenlosigkeit und Ungerechtigkeit herausschreit. Am Ende bleibt nur eine ungewisse Zukunft, die auf dem richtigen Weg ist.
                                Lieber spät als gar nicht.
                                7,5 Magenschläge.

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                                  Cyberpunk: Edgerunners ist eine eigenständige Serie, die im Universum des Spiels „Cyberpunk 2077“ spielt. Sie ist nicht so philosophisch wie andere prominente Cyberpunk-Visualisierungen oder so schön ausgefeilt wie die Arcane-Verfilmung, sie gehört aber definitiv zu einen der besten Netflix-Anime-Originalen. Die knapp 25 Minuten jeder Episode haben mich als Ü-50er, wegen ihrer extrem aufgepumpten Extravaganz, ihrem irren World-Building und Hochgeschwindigkeit-Schnitt-Gewitter an meine Grenzen gebracht. Die herzzerreißende Geschichte über die langfristigen Auswirkungen von Gewalt, Traumata und Kapitalismus berührt. Der grelle, visuelle Stil und melancholische Ton kombiniert trotz extremer Reizüberflutung Sucht mit Körperhorror im Cyberpunk-Flair, da stören manch pubertäre Ausfälle nicht so sehr.

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                                    lieber_tee 12.11.2023, 01:03 Geändert 12.11.2023, 15:10

                                    Einfach die Arbeit erledigen...
                                    Grob einer französischen Graphic Novel nachempfindender Killer-Noir. Mit puren Stil und großartigem Gespür für das Genre erzählt Fincher eine packende Geschichte. Fassbenders verhärmtes, unergründliches Gesicht gibt der Mythologie des Attentäters einen Zynismus, der irgendwo zwischen Selbstreflexion und Selbstparodie angelegt ist. Stark vom Backkatalog des Regisseurs geprägt, wird hier eine Ode auf die Unpersönlichkeit, die etwas Persönliches hat, gesungen. Finchers perfektionistisches Filmemachen wirkt wie eine düstere Komödie auf die kalkulierte Perfektion seines Mörders. Im Zeitalter von Amazon, UberEats und Streaming-Diensten, wo Menschen in Anonymität versinken, wird ein herzloser Job erledigt. Auf seine Art, mit seiner bewussten Redundanz, ist „The Killer“ eine Charakterstudie über einen Arbeiterklasse-Typ, der die Ethik des Mordes (kaum) hinterfragt, weil ihm Wirksamkeit und Selbstoptimierung wichtiger, weil emotionale Distanz eine Tugend ist. Das ist bissig-zeitgeistig, unerbittlich und überraschend witzig.
                                    7,5 Yoga-Dehnübungen.

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                                      lieber_tee 06.11.2023, 21:47 Geändert 07.11.2023, 00:18

                                      Fargo im Süden.
                                      Carl Franklins bemerkenswerter Debütfilm verwebt zwei separate Erzählstränge – einen aus der Sicht des Gesetzes und einen aus der Sicht des Kriminellen – was schließlich zu einem tragischen Höhepunkt führt. Die vertrauten Genre-Elemente (z.B. Western, Gangsterfilm, Roadmovie) werden durch einen stimmungsvollen und fokussiert-akribischen Regiestil benutzt, um einen düsteren Krimi bei Sonnenlicht zu erzählen, der die Wunden des Rassismus in den Mittelpunkt stellt. Das clever-einfache Drehbuch zwingt das Publikum, sich um die unglücklichen Protagonisten des Films zu kümmern, verschleiert zudem geschickt seinen moralischen Kern unter dem Stereotyp des ländlichen Neo Noirs. Die Art und Weise, wie "One False Move" als Thriller beginnt, Geheimnisse ans Licht kommen, Pläne schiefgehen und als menschliche Geschichte endet funktioniert auch ohne Verfolgungsjagden und Actionszenen.
                                      Eine 90er Jahre Perle.
                                      7 mal an der Tanke anhalten.

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                                        lieber_tee 04.11.2023, 16:50 Geändert 04.11.2023, 16:52

                                        Die Muschel mit einem Kullerauge.
                                        Die Art und Weise wie Regisseur Dean Fleischer in seiner Mockumentary Stop-Motion mit alltäglicher Live-Action verbindet ist toll, als Erzählung fügt sie sich allerdings nicht so gut zusammen. Dieser kinderfreundliche A24-Film ist skurril, bittersüß, lebensbejahend und herzzerreißend, besonders in seinem ironischen Blick auf die Menschheit. Das ist alles rührend. Ein Wohlfühlfilm, der manchmal arg pädagogisch belehrend seine großen Lektionen fürs Leben vermittelt. Und selbst mit 89 Minuten ist der Film zu lang, man merkt ihm an, das er eine Sammlung aus YouTube-Kurzfilmen ist, die auf Spielfilmlänge gestreckt wurde.
                                        Niedlich und harmlos.
                                        6 mal seine Familie in der Schublade vermissen.

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                                          lieber_tee 04.11.2023, 00:49 Geändert 04.11.2023, 13:18

                                          Agatha-Christie-Hausmannskost.
                                          Branaghs dritter Auftritt (und hoffentlich letzter) als schnauzbärtiger Detektiv (in Ruhestand) ist ein Poirot nach Zahlen. Weniger prominent besetzt, gibt es hier immerhin eine stilistische Abkehr von seinen Vorgängern, das venezianische Produktionsdesign ist weitaus greifbarer als das ekelige CGI von „Tod auf dem Nil“. Mit etwas nervöser Energie, Jump-Scares und beunruhigenden Kamerawinkeln pumpt Branagh seinen Retro-Whodunnit als Gothic-Horror auf. Leider gibt es dann doch nur gemütliche Ü-60 Schreckensmomente: Türen knallen, Kronleuchter fallen herunter, Papageien kreischen... Die Konzentration auf ein Kammerstück scheitert an den skizzenhaften Standardfiguren und an der mauen Geschichte. Die Charaktere sind alle nervig, das Mysterium (wer der Mörder ist) ist mittelmäßig. Nach zu vielen Zufällen muss ein verbitterter und müder Held für die Wahrheit sorgen... Für mich nur ein Theatererlebnis, das mich gelangweilt hat.
                                          4,5 Séancen.

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                                          • 4 .5
                                            lieber_tee 01.11.2023, 23:24 Geändert 02.11.2023, 08:36

                                            Kinderfressende Monster.
                                            Genre-begabt gefilmter, deutlich konventioneller, aber phasenweise durchaus wirkungsvoller Hexen-Paranoia-Gruseler, der zunächst eine Küstenort-Stimmung mit Teenager-Angst (vor Erwachsenen) einfängt, dann aber zunehmend ein Geheimnis kreieren will, das gar keins ist und in einem holprigen Horror-Showdown endet. Neu ist hier gar nix, Substanz ist ein Fremdwort, wenn mit dem Holzhammer auf den Zuschauer eingeschlagen wird. Ich hätte den Pierce – Brüdern ein besseres Drehbuch gewünscht, auf den Punkt inszenieren können sie.
                                            4,5 Dorfschlampen.

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                                            • 6 .5
                                              lieber_tee 31.10.2023, 18:16 Geändert 31.10.2023, 18:17

                                              Als Einblick in einen kleineren Aspekt des John-Wick-Universums hat „The Continental“ durchaus seinen Reiz. Nicht, weil es unbedingt wichtig ist die Vorgeschichte des Hotel-Manager Winston zu wissen, sondern weil dieser viereinhalb stündige Streifen überraschenderweise als old-school Genre Film aus den 70ern daher kommt. Nostalgisch-stimmungsvoll in ein vergangenes New York angesiedelt, gibt es hier tatsächlich so was wie eine zusammenhängende, einfache Geschichte, die nicht ausufert und mit starken Figuren und stylischen Kämpfen garniert ist. Die Actionsequenzen sind fachmännisch choreografiert, eingebettet in tatsächliche historische Ereignisse, mit Fragen zu Sexismus, Rassismus und Kluft zwischen Arm und Reich.
                                              Der typische John-Wick-Stil wird hier weniger bedient, die Mythologie nicht reichhaltig ausgebaut, aber als urbaner Heist-, Gangster- und Killer-Film funktioniert das Teil überraschen gut.

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                                                lieber_tee 31.10.2023, 00:11 Geändert 31.10.2023, 13:51

                                                Ritueller Spuk.
                                                Ein durchaus erstaunliches Arthouse-Horror-Debüt, als klaustrophobisch-spirituelles Kammerspiel mit nur zwei Figuren in Szene gesetzt. „A Dark Song“ beschäftigt sich metaphysisch-katholisch mit Themen wie Liebe, Verlust, Glauben, hat den Mut das als langes, detailreiches Ritual zu erzählen. Das ist eher hypnotisch-zäh als gruselig. Aber die (von Kritikern) hochgelobte Originalität und psychologische Beunruhigung konnte ich nicht erkennen. Die gekonnt inszenierte dunkle Schönheit wirkte auf mich zunehmend zu gewollt grüblerisch, mit seinem Zelebrieren von männlichen Aggressionen und weiblichen Leiden kann er letztlich wenig anfangen. Das Verschwimmen von Gut und Böse verpufft in einen transzendentalen Abschluss, der wenig zufriedenstellend ist, weil dann doch wieder nur die pathetisch-religiöse Vergebung bemüht wird. Schade.
                                                5 Zimmer nach Westen raus.

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                                                  Autor und Regisseur Andrea Di greift den fatalistischen Geist der italienischen Polizeifilme der 70er auf, fügt den urbanen Glanz und die emotionale Kraft eines Michael Mann oder Johnnie To hinzu und kreiert ein packendes, aber auch ziemlich bewegendes Thriller-Melodram. Es ist schon eine Weile her, dass ich einen so stilvollen, suspense-vollen Krimi mit soviel begabter Genre-Sensibilität gesehen habe. Klasse.

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                                                  • 6
                                                    lieber_tee 30.10.2023, 00:00 Geändert 30.10.2023, 00:01

                                                    Angenehm schräge Alien-Invasionsgeschichte, die gelungene praktische Effekte und Körperhorror mit fähigen Filmemachen verbindet, dabei auf intellektuelle Substanz verzichtet und stattdessen seine eher problematischen Charaktere dem Genre-Fraß vorwirft. Düster-komisch und übertrieben gibt es eine altmodische 80er Jahre Grusel-Verfolgungsjagd auf der Straße, mit Schleim und Blut. Das fühlt sich zwar wie etwas an, was wir eine Million Mal gesehen haben, ist aber durchaus charmant.

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