lieber_tee - Kommentare

Alle Kommentare von lieber_tee

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    Geysire aus rotem Plasma.
    „Project Wolf Hunting“ schwelgt in schwerer Körperverletzung, ist eine (fast) ununterbrochene Parade aus hervorquellenden Eingeweiden und zermatschten Körpern. Dieses Ballett aus blutgetränkter Brutalität ist nichts für Zimperliche. Choreografiert mit ungezügelter, erfinderischer Wildheit. Immer wenn Filmemacher Kim den Film verlangsamt, um sich mit den Beweggründen oder der Hintergrundgeschichte der Figuren zu beschäftigen, wird ersichtlich, das sie nur Kanonenfutter für Zerstückelungen sind. Dann lässt die Dynamik sofort nach. Wer infantile Lust auf ein Gemetzel hat, ist bei diesem Film genau richtig, in den Pausen kann dann Bier und Kotztüte nachgeholt werden.
    6 zerfetzte Gefangene.

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      lieber_tee 29.07.2023, 12:28 Geändert 29.07.2023, 15:14

      Forbidden Planet unter Wasser.
      Barry Levinson wollte hier nicht einfach nur eine Big-Budget-Monster-Sause im Alien-Modus drehen, sondern ein klaustrophobisches Psycho-Katz- und Mausspiel mit philosophischer Betrachtung über das Wesen der Menschen. Das Problem des Films ist sein Plot und seine Akteure. Beides nehme ich dem Film nicht eine Sekunde ab. Die Figuren sterben in der Reihenfolge ihrer (damaligen) Popularität, aber wer und warum hier den Löffel abgibt interessiert niemanden, denn die komplette Fehlbesetzung kann keinen Zugang zu den Charakteren schaffen. Inszeniert ist das wie ein Kammerspiel mit vielen sehr nahen Großaufnahmen der Gesichter (soll ein beengendes Gefühl erzeugen), oder es wird einfach dreist „Abyss“ kopiert. Die Darsteller sitzen viel zusammen und reden viel redundantes Zeug, was aber selten Sinn erbringt. Das mündet dann in ein dummes, unlogisches und undurchschaubares Affentheater. Immerhin gelingt es dem Film trotzdem zeitweise ein packendes und stimmungsvolles Unterwasserszenario aufzubauen und er endet in ein so dreist-doofes Ende, das ich den Mut dieser Drehbuchentscheidung schon fast bewundere.
      Lieber 5 mal Jules Verne lesen.

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        lieber_tee 28.07.2023, 16:45 Geändert 28.07.2023, 17:43
        über Furies

        Blutige Mischung aus Charlie's Angels und The Raid.
        Veronica Ngos Wurzeln aus dem Actionkino kommen hier voll zur Geltung. Das Prequel zum Film „Furie“ aus dem Jahr 2019 erzählt die Entstehungsgeschichte des Bösewichts, ist dabei aber recht eigenständig. „Furies“ fühlt sich an wie eine heroische Bloodshed-Story im Hongkong-Stil, mit viel Melodram und CGI, das die fliegenden Fäuste und das Kugelballett begleitet. Die rachsüchtige Fahrt ist voller weiblicher Wildheit. Auch wenn „cool“ in diesem knochenbrechenden Kampf Vorrang vor Logik oder Originalität hat, reicht es dennoch aus Ngos erfrischende, kinetische und wunderschön gedrehte und geschnittene Geschichte über Leben und Tod, Vergewaltigung und Rache im alten/neuen Saigon abzufeiern.
        6 und ein halbes, wildes Gänseblümchen.

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          lieber_tee 27.07.2023, 18:00 Geändert 30.07.2023, 19:03
          über Limbo

          Wenn Menschen Müll sind...
          Atmosphärisches Stück kantonesischen Noir, dass mit unerbittlicher Grausamkeit über Geflohene, die zwischen den Welten festsitzen, erzählt und dazu in eine großstädtische Schattenseite eintaucht. Brutal, frustrierend und düster ist der Blick auf Hongkong, fern, ganz fern der leuchtenden Reklamen. Der zunächst klischeehafte Serienkiller-Krimi entlädt sich im dritten Akt. Das schleichende Unbehagen darüber wie viel Gewalt, Wertlosigkeit ein Mensch ertragen kann wird zu bemitleidenswertes, völliges Unbehagen. Stilistisch sind die schwarz-weißen Wimmelbilder beeindruckend, die nihilistische Gewalt (gegenüber Frauen) ist zwiespältig, abstoßend, im Kontext der Geschichte beklemmend.
          Sich 7 mal im Schmutz suhlen.

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            lieber_tee 27.07.2023, 16:54 Geändert 30.07.2023, 19:04
            über Rodeo

            Als ob John Cassavetes „Fast & Furious“ gedreht hätte...
            Zunächst taucht die angehende Filmemacherin Lola Quivoron in eine unbekannte Motocross-Rennwelt ein, wo die Sucht nach Gefahren und Motorräder im Vordergrund steht. Mit körnige Schönheit, roher Energie wird das Verlangen nach Unvorhersehbarkeit zelebriert und die Sehnsucht nach dem Wunsch ein Teil einer Familie zu sein. Diese Familie ist allerdings stark patriarchal aufgebaut. Die unterdrückte Rolle von Frauen in diesem System schreit zunehmend nach Ausbrechen und Aufbruch. „Rodeo“ bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Arthouse-Charakterdrama, Milieu-Studie, feministischer Gestik und Raubüberfall-Thriller, wobei die Elemente nie leicht miteinander harmonieren und definitiv nicht den Action-Durst befriedigen. Der Film ist eher ein mürrisches, etwas zu lang geratenes, Drama, getragen von der kantig-verletzlichen Darstellerin Julie Ledru.
            7 brennende Motorräder.

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              lieber_tee 26.07.2023, 00:01 Geändert 30.07.2023, 19:05

              Je mehr sich die Dinge ändern, desto mehr bleiben die Dinge gleich.
              Solider Verschwörungsfilm, als Genre-Mashup erzählt. Getrieben von geschwätziger Heiterkeit, mit grobkörniger und viel zu dunkler Blaxploitation-Ästhetik versehen, wird Spike Lee, Jordan Peele, „The Cabin in the Woods“ und ein bisschen „Invasion of the Body Snatchers“ gemixt und mit coolen popkulturellen Sprüchen garniert. Fertig ist ein Drehbuch und ein Film der überall herumrührt, ganz doll witzig sein will, aber auch die Unterdrückung bzw. Verdummung der Schwarzen thematisieren will. Genrekonform wird sich dann am Ende in die Freiheit geballert.
              Naja... Das hätte straffer, spannungsgeladener und in seiner Satire / Kritik über die systematische Knechtschaft marginalisierter und ausgebeuteter Klassen etwas schärfer oder zumindest fokussierter sein können. Und der Twist, das die Unterdrückten im Spätkapitalismus schließlich selbst zu Unterdrückern werden, hebt das kritische Potential des Film dann komplett auf.
              5 mal spontan im Aufzug mitsingen.

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                lieber_tee 25.07.2023, 22:56 Geändert 28.07.2023, 14:50

                Eher aufgeblasene Scheinkritik zum Thema Krieg gegen Terror, erzählt als old-school, handwerklich konzentrierter, Politthriller. Ein Film, der prophetisch vor dem 11. September 2001 spielt und dann von der Realität überrollt wurde. Lange ist „Ausnahmezustand“ überraschend differenziert im Umgang mit der Entstehung von Terrorismus, dem eigenen Anteil der USA daran und bei dem Thema Islamphobie. Die Macher erzeugen ein beängstigendes Szenario im Zwiespalt zwischen Idealen, Werten und deren Umsetzung davon. Am Ende gibt dann aber doch nur die private Schuld eines irren und machtgeilen Militärbefehlshaber als Auflösung. Bloß niemandem oder gar der amerikanischen Politik auf die Füße treten oder dort nach Lösungsvorschlägen suchen, stattdessen gibt es Unplausibilitäten, Pathos und Aufopferung. Schade.

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                  lieber_tee 24.07.2023, 19:23 Geändert 11.08.2023, 23:33

                  Spektakel der Funktionen.
                  Die spektakulären Stunts reichen aus, um sich eine gute Zeit zu machen. Sie reichen aber nicht aus, um daraus einen hervorragenden Film oder sogar einen besonders guten Mission: Impossible-Film zu machen. Diesmal will die Reihe so richtig angeben. Die Versatzbausteine werden allerdings arg funktionell bedient. Orte aus Tourismus-Broschüren, formulierte aber nicht spürbare Emotionen, viel zu viele Nebencharaktere, die nur Stichwortgeber sind, holprige Taschenspielertricks um die dösige Story vor sich her zu treiben. Der Rette-die-Welt-vor-der-KI-Plot ist James-Bond pur und existiert nur als dünnes Zwischengewebe zwischen dem Ich-bin-der-Tom-und-mache-alle-meine-Stunts-selbst-weil-ich-Angst-davor-habe-alt-zu-werden-Gehabe. Mit trägen Nolan-Erklärbär-Dialogen wird sich von einer Action-Szene zur nächsten gehangelt und Komplexität vorgegaukelt. Leider nehmen sie aber, bei dem eh schon viel zu langen Film, zusätzlich das Tempo raus, es stockt oft, geht nicht voran. Alles wird hemmungslos aufgeblasen und das ist erst die erste Hälfte (Fortsetzung folgt...). Das Einzige, was hier wirklich zählt, ist die Stunt-Showkunst. Der Rest war mir erschreckend egal.
                  6 Tom-Toms, die von einem Berg springen.

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                    lieber_tee 24.07.2023, 18:59 Geändert 28.07.2023, 14:53

                    Den schlechten Regeln für Fortsetzungen – größer, lauter, dümmer – folgen...
                    Was in einem Actionfilm zählt, ist die Action, und der ehemalige Stuntman und Regisseur Sam Hargrave hält dieses Versprechen ein. „Extraction 2“ orientiert sich an die gleichen Grundzüge des Vorgängers, wirkt dabei aber selbst für die Standards des Genres besonders einfältig. Ein angeschlagener und blutüberströmter Adonis darf sich durch ein militärisch angehauchtes Shoot-'em-up-Abenteuer ballern. Der schwindelerregende Filmstil, eine Mischung aus praktischer Stunt-Arbeit und unsichtbaren VFX, wirkt wie eine Zwischensequenz in einem Videospiel. Die pure, brutale Action ist unbestreitbar beeindruckend, der Rest nicht.
                    6 mal dem Autor Joe Russo verbieten Drehbücher zu schreiben.

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                      lieber_tee 24.07.2023, 01:18 Geändert 24.07.2023, 01:44

                      Frieden durch Waffen?
                      Nolans „Oppenheimer“ ist eine über-ambitionierte (Anti-) Heldenreise eines Mannes, der alles erntet, was er gesät hat. Als komplexe Biografie getarnt, aber letztlich doch nur ein biederes Biopic als 3 Akter, mit politischen und geschmacklosen Zeitbomben-Thrill angereichert. Er lässt den dunklen Ritter des Atomzeitalters durch Stakkato-Schnitte und Stakkato-Dialoge reiten, will die Natur der Macht untersuchen, wie sie entsteht, wie sie im Gleichgewicht gehalten wird und wie sie Menschen in ein Dilemma führt. Das ist dann alles sehr gesprächig und so emotional wie ein rastloses Mathe-Seminar, das nach Lösungen sucht. Drei Stunden lang hageln plakative und subtile Sequenzen auf den Zuschauer ein, es gibt großartige und peinliche Momente, bietet so viele prominente Darsteller, das einem schwindelig wird. Ambivalent über Geniekult und (gegenwärtige) Ängste vor der nuklearen Vernichtung in leicht verdaulicher Form zu erzählen gelingt Nolan indes nur bedingt. Stattdessen gibt es eine überlange Erzählung die Kopfschmerzen verursacht, die letztlich aber nicht sonderlich aufschlussreich, noch überraschend im Umgang zur Frage der Verantwortung von Wissenschaft ist. Die Widersprüche eines intellektuellen Giganten, der auch ein zutiefst fehlerhafter, intellektueller Mann war, werden allerdings erkennbar herausgearbeitet.
                      P.S. Irgendjemand sollte Nolan endlich mal sagen das er nur miserable Frauenfiguren schreibt.
                      6 Kettenreaktionen.

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                        lieber_tee 24.07.2023, 00:27 Geändert 30.07.2023, 19:08

                        Fieser Finne.
                        „Ein-Mann-Armee“-Film mit ausgeprägter Desinteresse an Mehrdeutigkeiten... Der Film wird wahrscheinlich diejenigen begeistern, die Gewalt lieben, dürfte aber für Zuschauer, die cleverere Handlungsstränge erwarten, eher enttäuschen. „Sisu“ ist das was er ist, will nicht mehr sein. Ein absurdes Stück Pulp im Grind-House-Stil, irgendwo zwischen Spaghetti-Western im Zweiten Weltkrieg und John Wick-Film, unter dem Motto „Stumpfsinn macht Frohsinn“. Mit Effizienz und Stoizismus werden unermüdlich namenloser Cartoon-Nazis vernichtet und zerstückelt. Story gibt es nicht, emotionale Bindungen auch nicht und um dem Protagonisten muss man sich angesichts seiner Unsterblichkeit auch keine Sorgen machen. Die blutgetränkten Wiederholungen werden jedoch irgendwann ermüdend. Am Ende kann der zugetane Zuschauer dann „Bro, das war krank!“ rülpsen.
                        6 ergrauter Goldsucher.

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                          lieber_tee 23.07.2023, 20:50 Geändert 23.07.2023, 20:57

                          Der Klügere tritt nach?
                          Die Story von „Sonne und Beton“ ist einfach. Es gibt keine Twists, kein konstruiertes Drehbuch, keinen Hollywood-Pathos. Die Darsteller wirken, als sein sie direkt aus der U7 Richtung Rudow gecastet worden. Der Film zeigt einfach nur ein kurzes Zeitfenster von ein paar Jungens im Gropiusstadt-Plattenbau. Für einige Zuschauer mag dieses Leben eine unwirkliche Parallel-Gesellschaft sein, die sie nur aus (jeweils zielgerichteten) Beiträgen der Medien kennen. Allerdings (ich arbeite als Sozialarbeiter in diesem Bereich) schafft es der Film (auch, oder wegen seiner Klischees und dramatisch-fiktionalen Verdichtung) die Realität dieses Mikrokosmos realistisch darzustellen. Die Dialoge sind authentisch, die Probleme sind authentisch, das Umfeld ist authentisch, all das erweckt die Figuren und ihre Welt zum Leben.
                          „Sonne und Beton“ ist kein Felix-Lobrecht-Stand-Up-Comedy-Film, sondern ein (mit bitteren Witz erzähltes) Jugenddrama, ohne pädagogischen Zeigefinger. Er ist ein deutscher „La Haine“ in Neukölln (könnte aber in jedem anderen Getto einer deutschen Großstadt spielen). Sein Thema Armut und Gewalt steht im Mittelpunkt, ruft für Verständnis für diese Jugendlichen auf, die offensichtlich benachteiligt in diesem Milieu aufwachsen. Der Film zeigt wie schwer es ist frei, gewaltfrei, eine Wahl zu treffen. Denn die Gewalt ist allgegenwärtig. Männer, die ihre Frauen verprügeln, Gewalt in der Schule, Gewalt unter Geschwistern, verbale Gewalt usw. Es gibt kaum eine Chance aus dieser Situation, diesen Teufelskreislauf zu entkommen. Das ist beklemmend anzuschauen, aber am Ende gibt es so was wie Hoffnung, sogar einfache Lösungsideen.
                          7,5 mal den Schülerausweis vergessen.

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                            lieber_tee 23.07.2023, 01:31 Geändert 23.07.2023, 20:58
                            über Hunt

                            „Hunt“ könnte gut als knallharter Actionfilm funktionieren, denn die Regie, Kameraführung und Leistungen der Haupt- und Nebendarsteller sind hervorragend. Leider schafft das Drehbuch aber nie die Handlung verständlich oder glaubwürdig zu halten. Nicht nur, aber auch, weil es schwer ist die zentralen Figuren optisch auseinander zu halten (ok, meine Schuld wenn ich als westlicher Zuschauer die beiden asiatischen Hauptdarsteller nicht unterscheiden kann) und weil es schwer ist die historischen Ereignisse im geteilten Korea der 80er Jahre einzuordnen (ok, meine Schuld wenn ich nicht vorher einen Wikipedia-Artikel dazu lese). Die labyrinthische Spionagestory rast von einer plötzlichen Schießerei zur nächsten, selbst Dialoge / Verhöre sind wie Actionszenen inszeniert und das alles endet in ein unüberschaubares Durcheinander. Das ist zunehmend frustrierend, ich hab komplett den Überblick bei all den Gegenplänen und überraschenden Enthüllungen verloren... und aufgegeben.

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                              lieber_tee 19.07.2023, 00:09 Geändert 19.07.2023, 00:58

                              Betrunken von seiner eigenen Kreativität.
                              Optisch erweist sich der zweite Animation-Spider-Man in vielerlei Hinsicht als äußerst einfallsreich und atemberaubend. Dieser schwindelerregende Pop-Art-Wirbel wird getragen von einer Geschichte über Schicksal, Freundschaft und den Preis, den es kostet, ein Held zu sein. Das verrückte filmische Durcheinander aus Comic-Bildern, Comic-Mimikry, Multiversum-Handlung und Fan-Service ist für Spiderman-Anhänger sicherlich pures Gold. Als Gelegenheitszuschauer, Nicht-Experte über 50, bin ich allerdings oft an meine Grenzen gekommen der Story folgen zu können. Und seine angestrengte Aufgebrachtheit und hektische Bildsprache hat mich benommen zurücklassen. Die sich ständig recycelnde und wiederholende Dramaturgie erschöpfte mich Zusehens. Vielleicht wäre hier ein serielles Medium besser geeignet gewesen. Aber beeindruckend ist die ganze Nummer schon.
                              6 Cliffhanger-Enden.

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                                lieber_tee 17.07.2023, 00:08 Geändert 17.07.2023, 00:15

                                Fassbinder-Melodram als Krimi.
                                Mal ein deutscher Film, der nicht wie das typische Beamtenfernsehen aussieht und Mut zu einer sperrigen Geschichte hat. Christoph Hochhäusler liebt das Genre-Kino. Hier kombiniert er Undercover-Krimi mit Milieu-Studie, Fragen nach sexuellen Identitäten und herber Liebesgeschichte. Die toxische Anziehung und Abstoßung zwischen der Transfrau Leni und dem schwulen Polizisten Robert steht im Mittelpunkt des Films und kreiert so einen etwas anderen Blick auf das Genre-Kino. Die Mischung aus Thriller, Drama und Lovestory funktioniert dabei nur bedingt, schafft es aber seine jeweiligen Grenzen auszuloten und aufzulösen, so wie den konservativen Blick auf das binäre Denken über Geschlechter.
                                7 urbane Irrlichter.

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                                  lieber_tee 16.07.2023, 19:45 Geändert 17.07.2023, 00:13
                                  über Nimona

                                  Der Film zum Pride-Monat.
                                  Die animierte Adaption des Webcomics von ND Stevenson transportiert offensichtlich seine Trans-Elemente in eine LGBTQ+-Parabel über die Fluidität von Identität. Sie erzählt dieses Motiv als Geschichte über einen einarmigen Ritter und einem magischen Wesen, als Steampunk im Blade-Runner-Stil, Artus-Fantasie und Godzilla-Hommage. Im Mittelpunkt steht (Selbst-) Akzeptanz und Inklusivität. Die respektlos-anarchische Punk-Hymne, die viele Kritiker in dem Film erkennen, konnte ich nicht erkennen und sooo genial und überraschend ist er dann auch nicht geworden. Ich sehe da eher eine schlichte High-Fantasy-Saga mit überladenen Actionszenen und detailarmer Animation, deren gute Absicht besser ist als das Endergebnis.
                                  5 Heldinnen der Gegenkultur.

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                                    Ein Haufen CGI-Schrott zur Kommerzialisierung von Hasbro-Spielzeugen.
                                    Willkommen im Toys R Us Cinematic Universe, Ansätze von Intelligenz sind im Lieferumfang nicht enthalten. Programmiert von einer KI, wird der lauten, klobigen und pompös-dröhnenden Transformers-Formel gefolgt. Aber ohne der spektakulären Regie eines Michael Bays, ohne den nerdigen Charme von Bumblebee bleibt ein sich selbst verzehrender No-Brainer übrig, der nur übles Rülpsen verursacht. Technik-affine Affen werden begeistert sein, sowie Kinder unter zehn Jahren, die noch im Sandkasten spielen.
                                    4 Bommelmützen aus Peru.

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                                      lieber_tee 02.07.2023, 00:18 Geändert 02.07.2023, 00:22

                                      Parodie über das Leben eines Parodisten.
                                      „Weird“ ist ein aus den Fugen geratenes Fanfiction-Werk, das als popkultureller Witz zunehmend auf die Nerven geht. Die anfänglich spielerische Parodie auf Musik-Biopics passt wunderbar zum Werk des legendären Musikers. Hat einen angenehmen Nostalgiefaktor, eine durchaus intelligente Meta-Ebene und ist herrlich absurd. Spätestens wenn die Beziehung zu Madonna als alternative Realität serviert wird, geht dem Film aber die Luft aus. Die Sammlung aus Gags ist im Ganzen weniger erquicklich als seine Einzelteile. Hier wird Irrsinn mit Albernheit verwechselt. Radcliffe, auch wenn er sich Mühe gibt, wirkt wie jemand, der versucht, einen Witz zu erzählen, ihn dann aber verkackt.
                                      5 Polka-Partys.

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                                        Ach ja, als der Master of Desaster noch charmante Scheiß-Filme drehte...
                                        Godzilla '98 ist die westliche Blöd-Blockbuster-Version vom japanischen Kulturgut. Viel mit dem Original hat der Film nicht gemeinsam. Ist mehr ein Remake von „Panik in NY“ mit Jurassic Park und KingKong-Moves. Als überkandidelter Monster- und Katastrophenfilm funktioniert der Streifen, auch aus heutiger Sicht, ganz gut, ist effektvoll und mit Wumms ins Szene gesetzt. Seine (alberne) Selbstironie lässt das dümmliche Drehbuch, die furchtbaren Charaktere, das bräsige Schauspiel und sein Wichsen auf Militarismus erträglich erscheinen.
                                        6 Sehenswürdigkeiten von Manhattan zerstören.

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                                          „The Unseen“ versucht Familiendrama, Tropus des unsichtbaren Mannes und Realismus in einem Film zu verschmelzen, ohne dabei in ein Freakshow abzudriften. Die Fäden der Story werden dabei holprig zusammenfügt, das Tempo stimmt nicht immer, dafür ist die geerdete Stimmung gelungen. Am Ende bleibt ein nicht ganz zufriedenstellendes Drama über einen Mann übrig, der lange unsichtbar war, es aber schafft aus seiner Unsichtbarkeit sichtbar zu werden.

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                                            lieber_tee 24.06.2023, 23:33 Geändert 25.06.2023, 00:54

                                            „Das Gift ist in meinem Hintern. Saug es raus! - Ich soll an deinem Hintern nuckeln?! - Ja, nuckel an meinem Hintern, sonst sterbe ich!“
                                            Krasse Holterdiepolter- Mischung aus Klamauk und Action. Dieses Stirb-Langsam-Rip-Off aus Hongkong, wo hyperventilierend-slapstickartige Figuren mit schlimmem Overacting brachiale Hirnrissigkeiten von sich geben, bietet neben pubertären Schwanzvergleichwitzen und Bruce-Lee-Parodien eine brutale Actionsause mit hohem Tempo. Die Kampfsporteinlagen sind ordentlich, die Modellfotografie eher nicht, der Puppenweitwurf lächerlich. Das ist alles wie ein entfesselt-überzogener Comic, in dem ein ernsthafter Jet Li wie Falschgeld herumtanzt.
                                            5 verpixelte Kleinkinderpenes beim Urinieren abfilmen.

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                                            • 6 .5
                                              lieber_tee 23.06.2023, 23:21 Geändert 26.06.2023, 00:14

                                              Im eigenen Narziss-Pool.
                                              Die vielversprechende erste Hälfte dieses Urlaubsinfernos nagt am Verstand und ist creepy. Folgt einer ebenso verrückten wie satirisch-originellen Idee. Weiter fortlaufend dreht sich der Film dann aber ständig im Kreis. Er will etwas über die unmoralische Gesellschaft, über Reichtum und Privilegien, über existenzielle Verzweiflung von Männlichkeit und Identität sagen. Dieser düsterer Absturz in die menschliche Verkommenheit ist anstrengend anzuschauen, weckt dabei den Intellekt, nährt den Blutdurst, bietet Grenzüberschreitung bis zur Pornografie. Aber er kommt nicht so richtig ans Ziel. Die Handlungsstränge wirken unausgereift, die grafischen Bilder bleiben im Dienste einer oberflächlichen Allegorie. Die ist allerdings verstörend.
                                              6,5 zermatschte Gehirne.

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                                              • 7
                                                lieber_tee 23.06.2023, 17:40 Geändert 23.06.2023, 19:36

                                                Bond im All.
                                                Geprägt vom Krieg der Sterne - Erfolg folgt dieser 007 einer stratosphärischen Prämisse, die so albern ist, das sie in ihrer Dämlichkeit ein Riesenspaß ist. Ein größenwahnsinniger Milliardär will die Menschheit auslöschen und züchtet seine eigene arische Herrenrassen im All. Bond in Cordhose, Chauvinisten- und Laserwaffen-Modus, diesmal von einer fähigen und klugen Frau begleitet, vereitelt diesen Plan mit einer Fülle an ikonischen Actionszenen, die zwischen Bodenständigkeit und irrer Phantastik pendeln. Sicherlich der karikaturhafteste Bond.
                                                7 mal ohne Fallschirm vom Himmel stürzen.

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                                                  Gegen die Gesetze Gottes und der Schwerkraft verstoßen.
                                                  Das 10. Kapitel dieses Live-Action-Cartoon-Franchise ist der erste Teil eines möglicherweise dreiteiligen Finales. „Transporter“-Regisseur Louis Leterrier gibt ordentlich Vollgas, alles ist ständig in Bewegung. Die hochoktanige Action und bräsige Seifenopfergeschichte bleiben dem Schleudertrauma-Kino treu. Sein aufgeblähtes Personenarsenal muss irgendwie unter die Haube gebracht werden, mit verzweifelter Vertrautheit wird ein Gemetzel aus Familie, Corona-Bier und Rache zusammen geschraubt, bis zum Cliffhanger-Ende. Rein kaufmännisch kann das vielleicht funktionieren, aus kreativer Sicht ist die Reihe aber schon längst zu einer Parodie auf sich selbst geworden. Aquaman als extravaganter Schurke weiß das und parodiert mit seiner schlecht eingekleideten Overacting-Show diese alberne Overaction-Show.
                                                  5 subnautische Hochleistungsneutronenminen.

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                                                  • 5
                                                    lieber_tee 13.06.2023, 23:22 Geändert 13.06.2023, 23:23

                                                    Geriebener Hirschpenis.
                                                    Dieses ziemlich peinlich überhebliche Selbstliebefest von Steven Seagal hat etwas Selbstironie und wird von John Gray routiniert und kernig in Szene gesetzt. Da ist kaum was originell, aber als 90er Jahre Reste-Rampe funktioniert das, zumindest so lange, wie der Zuschauer seine Erwartungen nicht zu hoch hängt.
                                                    5 hässliche Sofabezüge als Kleidung.

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