MareikeHB - Kommentare

Alle Kommentare von MareikeHB

  • MareikeHB 27.04.2022, 15:35 Geändert 27.04.2022, 16:39

    Da geb ich Dir recht. „Fenster zum Hof“ gefällt mir neben „Der unsichtbare Dritte“ und „Vertigo“ von Hitchcock am besten. Viele Hitchcock- Filme können noch heute begeistern. Danke für die Würdigung dieses alten Meisterwerks.

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      Die Gaunerkomödie „Duffy, der Fuchs von Tanger“ von Robert Parrish verströmt viel 1960er Flair, bietet inhaltlich ansonsten Mittelmaß. Zwei verzogene Stiefbrüder (James Fox und John Alderton), beide von „Beruf“ Dandy, versuchen zusammen mit ihrer „Stiefschwester“ (Susannah York) den steinreichen, arroganten Vater (James Mason) um sein Vermögen zu bringen. Dabei suchen sie Kontakt zu einem berüchtigten Schmuggler und Betrüger - dem Fuchs von Tanger (James Coburn).

      Das Drehbuch, auch wenn die Wendung am Ende überzeugt, ist nicht wirklich der Hit. Die Geschichte erscheint ein bisschen sehr weit hergeholt, zudem gibt es immer auch langweiligere Passagen. Dafür kann man recht gelungene Aufnahmen aus Tanger sichten und einige interessante Kameraeffekte, z.B. eine psychodelisch wirkende Filteraufnahme in einem Nachtlokal. Auch die Hauseinrichtung des Schmugglers voller mehr oder weniger obszöner „Kunstgegenstände“ ist ausgefallen schräg. Die Gags zünden teilweise, manches ist völlig sinnfrei. Die Schauspielleistungen sind aber allesamt klasse.

      Von „Duffy“ scheint es derzeit keine deutsche Sprachfassung zu geben.

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      • MareikeHB 24.04.2022, 20:52 Geändert 28.04.2022, 14:01

        Super Idee, kidhan:

        Filme:

        - Rosenkranz und Güldenstern sind tot
        - Being John Malkovich
        - Jackie Brown
        - Matrix
        - Schindlers Liste

        Animationsfilme:

        - Wallace & Gromit unter Schafen
        - A Nightmare Before Christmas
        - Toy Story

        Serien:

        - Ausgerechnet Alaska
        - Mr. Bean
        - Ally McBeal
        - Die Simpsons
        - Seinfeld

        Beste Filmmusiken:

        - Jackie Brown
        - Il Postino
        - Viel Lärm um nichts
        - Jurassic Park
        - Eiskalte Engel

        Beste Hauptdarstellerinnen:

        - Kathy Bates (Misery)
        - Pam Grier (Jackie Brown)
        - Emma Thompson (Viel Lärm um nichts)
        - Katja Riemann (Nur über meine Leiche)
        - Glenn Close (Gefährliche Liebschaften)

        Beste Hauptdarsteller:

        - Richard Dreyfuss (Was ist mit Bob?)
        - Michel Piccoli (Eine Komödie im Mai)
        - Edward Norton (Fight Club)
        - Jeremy Iron (Verhängnis)
        - Jeff Bridges (The Big Lebowski)

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          „Alice oder die Bescheidenheit“ (Deutscher Titel in der Arte-Mediathek) von Nicolas Pariser ist eine recht amüsante Politkomödie. Der sozialistische Bürgermeister von Lyon benötigt neue Inspirationen und heuert eine Literaturwissenschaftlerin als philosophische Beraterin an.

          Der Film, der mit einem leisen Humor daherkommt, gibt einen interessanten Einblick in das Amt eines französischen Bürgermeisters in einer Großstadt und streift verschiedenste Gedanken zum Thema Politik, z.B. auch die zunehmende Politikverdrossenheit. Vieles ist dabei auf die (Probleme der) Sozialistischen Partei Frankreichs zugeschnitten. Wie kann man dieser Partei wieder mehr Leben einhauchen? Wirklich parteilos ist dieser Film dadurch nicht. Dementsprechend tritt der Bürgermeister (immer irgendwie goldig: Fabrice Lucchini) sehr sympathisch in Erscheinung - ebenso wie seine junge Beraterin (Anais Demoustier). Alles plätschert mit mehr oder weniger tiefsinnigen Dialogen auf nette Art so dahin. Dramatische Höhepunkte sucht man in diesem handwerklich solide gemachten Werk vergebens.

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            MareikeHB 23.04.2022, 18:53 Geändert 23.04.2022, 19:21

            „Das weiße Band - Eine deutsche Kindergeschichte“ von Michael Haneke ist ein extrem düsteres, exzellent bebildertes Psychodrama und zugleich ein Kriminalfilm im historischen Gewand. Mit dem äußerst gekonnten und detaillierten Porträt einiger protestantisch-preußischen Familien in einem Dorf prangert Haneke die Erziehungsmethoden in Deutschland am Vorabend des Ersten Weltkrieges an.

            Das Problem dabei ist, dass er zu Extremen neigt und nur dysfunktionale Familien zeigt, als ob es damals nichts anderes zu der Zeit in Deutschland gegeben hat. Damit unterstellt er sein filmisch brillantes Werk durch diese Verallgemeinerungen leider einem Schwarzweißdenken, das seinen Widerhall in den wunderschönen monochromen Bildern findet. Auch wenn derartige oder ähnlich haarsträubende Erziehungsmethoden damals sicherlich weit verbreitet waren, gab es natürlich auch Kinder, die von ihren Eltern mit Liebe großgezogen wurden. Letztlich lässt Haneke in seinem Film altbekannte Stereotype über die unbarmherzigen Deutschen wieder aufleben. Der Titelzusatz „Eine deutsche Kindergeschichte“ unterstreicht dabei noch seinen Absolutheitsanspruch. Das hat ihn möglicherweise auch den „Oscar“ gekostet, (der Film erhielt eine Nominierung in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film).

            Zurück zum Positiven: Die (un-) menschlichen Beziehungen werden von Haneke sehr glaubwürdig und psychologisch nachvollziehbar mit viel Feingefühl geschildert. Die Darsteller und Darstellerinnen werden großartig geführt. Am schwächsten war noch Hauptdarsteller Christian Friedel, der den einzigen halbwegs sympathischen, männlichen Charakter verkörpert, da ihm etwas die Ausstrahlung als Identifikationsfigur fehlt. Aber das ist Jammern auf dem höchsten Niveau, da die übrigen Darsteller und Darstellerinnen wie Leonie Benesch, Ulrich Tukur und Burghard Klassner sowie auch die zahlreichen Kinderdarsteller einfach überragend sind.

            Das Ende ist halbwegs offen gestaltet. Geschickt werden Vermutungen und Klatsch erwähnt, sodass sich das Publikum selbst einen Reim auf die möglichen Geschehnisse machen kann. Abschließend kann nur konstatiert werden, dass Haneke ein handwerklich überragender Filmemacher ist. Die offensichtliche, deprimierende, universale Lehre dieses spannenden und aufwühlenden Films ist: „Wer Gewalt säht, wird Gewalt ernten.“

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              MareikeHB 22.04.2022, 19:19 Geändert 22.04.2022, 19:19

              „Uzak - Weit“ von Nuri Bilge Ceylan ist eine kunstvolle, aber sehr ruhig erzählte Charakterstudie zweier verwandter Männer. Ein junger Mann vom Lande hat aufgrund der Wirtschaftskrise seinen Job verloren und sucht einen entfernteren Verwandten in Istanbul auf, um einen Neuanfang zu wagen. Letzterer, ein alleinstehender, intellektueller Fotograf, nimmt ihn widerwillig auf. Er sieht den jungen Mann mehr als einen Eindringling, als einen Gast.

              Regisseur Ceylan beweist mit seinen subtilen, lebensnahen Porträts menschlicher Naturen, die auch hier immer wieder durch lange Nahaufnahmen der Gesichter geprägt sind, den wunderschön durchkomponierten, langen Kameraeinstellungen und seiner präzisen Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse in der Türkei, dass er zu den größten türkischen Filmemachern gehört. Wobei sich dieses Werk schon durch eine gewisse Langatmigkeit und Sperrigkeit auszeichnet.

              Der Titel „Weit“ ist sehr treffend. Weit und lang ist schon die Eröffnungssequenz - eine Aufnahme einer hügeligen, schneebedeckten Landschaft. Weit ist der Weg vom Lande zu Fuß nach Istanbul. Weit ist die Kluft zwischen gebildeter städtischen Bevölkerung und Landbevölkerung, verkörpert jeweils durch die beiden Protagonisten. Weit sind die Orte der Sehnsüchte. Weit ist für beide letztlich auch der Weg zum persönlichen Glück. Istanbul versinkt im Schnee - ein Sinnbild für die durch Einsamkeit geprägte städtische „Kälte“ und die unterkühlte Beziehung der beiden Hauptfiguren.

              Weit entfernt ist dieser Film von einer typischen Hollywood Produktion, die aus der Thematik wahrscheinlich einen Feel-Good-Film gemacht hätte.

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                MareikeHB 21.04.2022, 15:28 Geändert 21.04.2022, 17:10

                Nur noch bis zum 30.04.2022 in der Arte-Mediathek!: „Drei Leben und ein Tod“ von Raoul Ruiz ist der helle Wahnsinn, wie man so schön sagt. Es ist eine ungewöhnliche, surreale Komödie über Identitätsprobleme. Ein Erzähler am Mikrophon schildert verschiede, höchst skurrile Episoden über unterschiedliche Protagonisten, die von der italienischen Filmlegende Marcello Mastroianni verkörpert werden.

                Äußerst kreativ werden Zuschauende immer wieder mit Verrücktem und Überraschendem konfrontiert. Die Kamera wird dabei sehr einfallsreich, oft scheinbar auf engstem Raum, dirigiert und die Kulissen - es sind überwiegend Innenaufnahmen - sind erlesen. Auch die dezent eingesetzten Spezialeffekte sind gelungen, mit leichten Horroranleihen. Das Schauspiel überzeugt insgesamt, allerdings wird der Gesamteindruck etwas durch einen unsympathisch nervigen, stark stotternden Charakter in einer der Episoden getrübt. Der Streifen ist ein einzigartiger Psychotrip, in dem Wirkliches und Unwirkliches kaum von einander zu unterscheiden sind, mit viel französischem Charme, Esprit und einem gelungenen Ende erzählt. Regisseur Ruiz erhielt eine Nominierung für die goldene Palme bei den Filmfestspielen in Cannes. Leider war es Mastroiannis letzter Film.

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                  „Indianapolis“ von James Goldstone ist weniger ein spannender Rennfahrer-Actionfilm, sondern vielmehr die Charakterstudie eines Rennfahrers, der mit Beziehungsproblemen zu kämpfen hat. Die Geschichte ist recht einfach gehalten und bietet wenig Überraschungen. Paul Newman darf hier jedoch einmal mehr zeigen, dass er einer der großartigsten Darsteller Hollywoods war. Seine Mimik verrät in zahlreichen Szenen viel mehr als Worte. Seine Ehefrau Joanne Woodward spielt überzeugend seine Filmehefrau und Robert Wagner mimt gekonnt den Widersacher. Ihm ist hier aber nicht so viel charakterliche Tiefe vergönnt.

                  Der Originaltitel "Winning" bezieht sich treffend zum einen auf das Ziel, beruflich als Rennfahrer zu gewinnen, aber letztlich auch privat als Gewinner dazustehen, da der Erfolg ansonsten ein sehr einsames Vergnügen ist.
                  Sehenswert ist dieser Film aufgrund seiner unspektakulären Authentizität der Charaktere, der sehr gelungenen Kameraführung, Regie und Schnitttechnik. Der coole Easy-Listening Soundtrack von Dave Grusin unterstreicht den lässigen 1960er Charme dieses Films.
                  Paul Newman, der auch privat ein leidenschaftlicher Motorsportfan war, produzierte den Film als Herzensangelegenheit mit.

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                    MareikeHB 12.04.2022, 23:04 Geändert 12.04.2022, 23:34

                    „Der große Trick“ von Jeremy Kagan ist ein unterhaltsamer, anspruchsvoller Kriminalfilm mit tragikomischen Elementen, der den typischen Zeitgeist der 1970er Jahre reflektiert. Richard Dreyfuss ist sehr überzeugend als verletzlicher, überforderter Detektiv, der einen Politskandal aufdeckt. Die Geschichte ist recht komplex und erschließt sich vielleicht erst nach mehrmaligem Anschauen. Dennoch bietet dieser Film viel Vergnügen mit schrägen Einlagen skurriler Charaktere jenseits des Mainstreams. Sehr schön ist der Running-Gag mit dem gebrochenen Arm.

                    Richard Dreyfuss, der auch an der Produktion beteiligt war, ist überragend mit seinem temperamentvollen Schauspiel, aber auch die Nebendarsteller, wie z.B. Susan Aspach und John Lithgow, sind exzellent. Der zuweilen ironisch wirkende Soundtrack von Bill Conti untermalt das Geschehen perfekt.

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                      MareikeHB 08.04.2022, 10:38 Geändert 08.04.2022, 13:12

                      Cooler Trailer, danke Moviepilot!
                      Das zeitlose Psychodrama "Eine Handvoll Hoffnung" (Bigger than Life) zählt zu den fast vergessenen Meilensteinen der 50er Jahre und neben "...denn sie wissen nicht was sie tun" zu den bedeutendsten Filmen des Regisseurs Nicholas Ray. Der Nouvelle-Vague Regisseur und einer der führenden Filmkritiker Frankreichs Jean-Luc Godard setzte "Bigger than Life" 1963 auf seine legendäre Top Ten Liste der besten amerikanischen Filme aller Zeiten.

                      Während also die europäischen Intellektuellen den Film feierten, so wurde er auch für den Goldenen Löwen bei den Filmfestspielen in Venedig nominiert, war der Erfolg des Films in den USA eher verhalten. Einerseits hatte die (amerikanische) Pharma-Lobby ein Problem mit diesem Film, andererseits hatten einflussreiche Köpfe die Sorge, dass der Film das Publikum verunsichern könnte. Dies erklärt auch, weshalb er so gut wie nie im Fernsehen gezeigt wurde.

                      Es geht in dem Film um Medikamentenmissbrauch und zwar nicht irgendeines Medikaments, sondern um das noch heute häufig verschriebene Kortison. Damals galt es als Wundermittel, war neu auf dem Markt und noch nicht so fein dosiert wie heute. Die früheren Präparate konnten anscheinend gemäß der damaligen medizinischen Fachliteratur bei einer erheblichen Überdosierung zu psychischen Veränderungen, insbesondere zu psychotischen Wahnvorstellungen, bei den Patienten führen. In diesem Bewusstseinszustand fühlt man sich im Extremfall mit natürlich äußerst bedrohlichen Auswirkungen "Bigger than Life", also gottgleich.

                      Genau dies geschieht mit dem Lehrer Ed Avery (James Mason) in diesem Film. Auf brillante Art und Weise wird gezeigt, wie sich der Bewusstseinszustand dieses Mannes langsam bis zu einem äußerst dramatischen Höhepunkt verändert. Ehefrau, Sohn und sein persönliches Umfeld finden sein Verhalten zunächst nur ein bisschen wunderlich, aber zunehmend bedrohlicher. Die psychischen Wahnvorstellungen, aber auch die Hilflosigkeit Angehöriger eines psychisch kranken Menschen werden sehr glaubwürdig dargestellt.

                      Gleichzeitig kritisiert Ray mit seinem Film aber auch den American Way of Life. Er zeigt, wie permanente Überanstrengung und Konsumdenken Menschen krank machen kann. Ed Avery hat neben seinem Job als Lehrer noch einen weiteren und befindet sich regelrecht ständig am Limit, um sich sein adrettes Middleclass-Leben in den 1950er Jahren mit kleinem Haus, Fernseher, Staubsauger etc. leisten zu können. James Mason, der auch an der Produktion dieses schön mit satten Farben bebilderten Filmes maßgeblich beteiligt war, spielt diese Rolle großartig, aber auch Walter Matthau sticht heraus.

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                        MareikeHB 05.04.2022, 20:53 Geändert 05.04.2022, 21:51

                        Der Western „Der letzte Mohikaner“ von Michael Mann ist eine spannende, etwas blutige, auf Hochglanz polierte Filmversion des gleichnamigen Romans von James F. Cooper. In der Mitte des 18. Jahrhunderts werden drei Fallensteller, zwei Mohikaner (Vater und Sohn) sowie der weiße Ziehsohn (Daniel Day-Lewis), in den Krieg zwischen Briten und Franzosen um die nordamerikanischen Kolonien sowie der mit ihnen verbündeten Indianerstämme hineingezogen. Dabei zeigt sich, dass die amerikanischen Ureinwohner letztlich zum Spielball der europäischen Mächte werden und die „Zivilisation“ auf Blut gebaut ist. Zugleich wird deutlich, weshalb die amerikanischen Siedler einen immer stärkeren Drang zur Unabhängigkeit von den Kolonialherren verspürten. Vor dem Hintergrund historischer Tatsachen entspinnt sich ein episches Drama aus Gewalt, Liebe und Rache.

                        Selbst wenn die geschichtlichen Ereignisse hier schlüssig dargestellt werden, kratzt der Film inhaltlich eher an der Oberfläche. Die Charaktere bleiben überwiegend simpel gestrickt. Dafür entschädigen die mitreißende Dramaturgie und die malerischen Aufnahmen. Leider wird das sinnliche Filmvergnügen etwas getrübt durch einige unnötig kitschige Dialoge wie aus einem Groschenroman zwischen den Hauptdarstellern Day-Lewis und Madeleine Stowe, die übrigens ein hübsches Liebespaar abgeben, und durch den insgesamt zu glatten Look - wie bei einem Werbefilm. Auch der eingängige Soundtrack von Trevor Jones mit seinen melodischen Synthesizer-Klängen schwankt zwischen Großartigkeit und Schwülstigkeit. Zumindest ist der Film deutlich packender als der Roman, auf dem er basiert. Den habe ich eher langweilig in meiner allerdings schon ziemlich verblassten Erinnerung.

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                          „Eins, zwei, drei“ von Billy Wilder zählt wohl zu den herausragendsten Komödien aller Zeiten. Da ich mit meiner Meinung offensichtlich nicht alleine dastehe, widme ich diesen Text einer hier bei Moviepilot von mir sehr geschätzten Person. Doch dazu unten mehr!
                          Billy Wilder zählte zu den größten und auch vielseitigsten Regisseuren, die Hollywood je hervorgebracht hat. Auch wenn seine Filme erkennbar aus einer anderen Zeit stammen, der Mitte des letzten Jahrhunderts, bieten sie noch heute beste, anspruchsvolle Unterhaltung. Das liegt zum einen an dem sehr hohen Erzähltempo, großem Einfallsreichtum, hintergründigen Geschichten mit intelligentem Wortwitz und seinen liebevoll gezeichneten und in seinen Komödien oftmals grandios überzeichneten Charakteren, die durch eine perfekte Besetzung verkörpert werden.

                          „Eins, zwei, drei“ war eine Komödie, die zwar alle oben genannten Vorzüge Wilders auf sich vereinen konnte, aber sie hatte ein damals durchaus gewagtes und unbequemes Thema: Der Kalte Krieg. In dem Berlin nach dem zweiten Weltkrieg treffen hier Deutsche, die mehr oder weniger von der Nazi-Vergangenheit geprägt sind, auf wohlhabende, (groß-) kapitalistische U.S.-Amerikaner und auf kommunistische Soviet-Russen. Allerdings wurde während der Dreharbeiten im Jahre 1961 die Berliner Mauer gebaut, sodass der Film, in dem die Mauer noch nicht vorkommt, zunächst geschichtlich überholt wirkte und dementsprechend an den Kinokassen floppte. Erst viele Jahrzehnte später, insbesondere nach dem Mauerfall, erfreute der Film sich wachsender Beliebtheit und wurde als Klassiker wiederentdeckt. Es brauchte wohl eine Generation, bis man über die treffsicheren Spitzen in alle Richtungen wirklich herzhaft lachen konnte. Insbesondere die damaligen nationalen Eigenheiten und die unterschiedlichen Ideologien werden äußerst pointiert aufs Korn genommen.

                          „Eins, zwei, drei“ lohnt sich allein schon wegen der zahlreichen deutschsprachigen Einlagen durch Schauspieler wie Horst Buchholz und Lieselotte Pulver im Originalton zu schauen. Ich kenne hier jemanden, die sich absolut bevorzugt immer den Originalton gönnt, sei es eine noch so fremde Sprache: Unsere geschätzte EudoraFletcher68! Ihr Filmgeschmack ist so vielfältig wie das Medium Film selbst. Mit unglaublichem Fleiß und viel Herzblut schreibt sie Kommentare, führt auch gerne einmal kontroverse Diskussionen, interessiert sich unter anderem für Kakerlaken, Schnee und Eis oder zieht Werkschauen besonders konsequent durch. Ich denke da nur an die weit über hundert gesichteten Filme von Samuel L. Jackson oder die äußerst zahlreichen philippinischen Produktionen. Von beeindruckenden 3.454 bis jetzt gesichteten Filmen hat Eudora nur 21 mal 10 Punkte vergeben. Bei „Eins, zwei, drei“ waren es nicht nur 10 Punkte, sondern auch ein Herz!

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                            MareikeHB 27.03.2022, 18:57 Geändert 27.03.2022, 19:59

                            Bis zum 16.04.2022 in der Arte Mediathek!
                            „Honecker und der Pastor“, Kommunismus und Kirche, wie passt das wohl zusammen? Man kann sich kaum vorstellen, dass Erich Honecker und seine Frau Margot nach seinem Sturz als Staatsratsvorsitzender der DDR keine Bleibe mehr hatten und ironischerweise in einem Pfarrhaus Asyl fanden. Das sehenswerte Historiendrama von Jan-Joseph Liefers beruht jedoch auf wahren Tatsachen. Bevor die beiden Honeckers (vor allem optisch sehr überzeugend: Edgar Selge und Barbara Schnitzler) ins Exil nach Chile entschwanden, strandeten sie bei einer Pfarrersfamilie in der Gemeinde Lobetal in der Nähe von Berlin. Interessanterweise war Lobetal zugleich eine bekannte Einrichtung für beeinträchtigte Menschen und solchen, die abseits der Gesellschaft standen. Für den Pfarrer (Jan-Uwe Bauer) und seine Ehefrau (Steffi Kühnert) war es letztlich eine reine Christenpflicht, die Honeckers aufzunehmen. Auf viel Verständnis stieß diese Aktion bei ihren Mitmenschen nicht. Schließlich waren die Honeckers nach dem Mauerfall für viele die Staatsfeinde Nr. 1. Dementsprechend gibt es auch bedrohliche Situationen für die standhafte Pfarrersfamilie.

                            Interessant ist, wie hier zwei völlig unterschiedliche Weltbilder aufeinanderprallen. Man muss sich arrangieren. Dies wird mit viel Fingerspitzengefühl dargestellt. Die Honeckers treten definitiv nicht als Sympathieträger in Erscheinung, aber auch nicht völlig unmenschlich. Sie bewahren eine gewisse Höflichkeit und zeigen sich erstaunlich liebevoll mit der Tochter und dem Enkelsohn, die sich auf dem Weg nach Chile bei ihnen noch verabschieden.

                            Kamera und Beleuchtung machen für eine Fernsehproduktion einen hochwertigen Eindruck - auch wenn ich mich an der beliebten Orange/Türkis-Beleuchtung schon ein wenig sattgesehen habe. Die darstellerischen Leistungen sind ebenfalls überdurchschnittlich, selbst wenn die „deutsche Krankheit“ des aufgesetzten Schauspiels zumindest in Ansätzen nicht weg zu diskutieren ist. Aber wen wundert das bei Jan-Joseph Liefers, wenn man ihn als Schauspieler kennt! Trotzdem überzeugt seine Regieleistung insgesamt. Der mit komischen wie tragischen Elementen fein ausbalancierte und kurzweilige Film bietet insgesamt durchaus anspruchsvolle Unterhaltung. Fraglich ist, wie nah das alles wirklich an der Realität war.

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                              „Der schönste Augenblick“ von Luciano Emmer ist ein eher mittelprächtiges Melodram mit interessanten historischen Bezügen. Geschildert wird die verbotene und heimliche Liebe zwischen einem jungen Gynäkologen, der an einem Krankenhaus in Rom arbeitet, und einer auf seiner Station beschäftigten Schwester.
                              Heute wundert man sich vielleicht über die ein oder andere Beziehungsproblematik in diesem Film. Voreheliche Verhältnisse waren in dem Italien der 1950er allerdings noch gesellschaftlich verpönt und eher ein Tabuthema. Um so mutiger war es sicherlich damals, sich dieser Thematik zu stellen. Schließlich widmete man sich in Europa filmisch zunehmend im Zuge des Neorealismus auch den gesellschaftlich unangenehmen und brisanteren Gebieten, wohl auch in Abgrenzung zu dem durch den Hays Code reglementierten Hollywood-Kino. Der Film sollte offensichtlich fortschrittlich sein. Emanzipatorische Aspekte und auch aufklärerische, insbesondere was die Geburtsvorbereitung betrifft, sind zu erkennen. Diese und das hervorragende Schauspiel der Leinwandikone Marcello Mastroianni und der wunderschönen Giovanna Ralli heben den Film etwas über den Durchschnitt. Ansonsten sei der Streifen vor allem historisch interessierten Gynäkologen sowie Geburtshelfern empfohlen.

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                                Wer würde nicht einmal gerne eine Fernsehfernbedienung aktivieren, um unliebsame Mitmenschen abzuschalten und verschwinden zu lassen? Natürlich kämen wir niemals auf eine solche verrückte Idee. Der sonderbare Mr. Chance (Peter Sellers) tickt da anders und probiert es zumindest einmal. „Willkommen Mr. Chance“ von Hal Ashby ist die vielschichtige, tragikomische und satirische Geschichte dieses liebenswerten Sonderlings, der sein Elternhaus nie verlassen hat und die Welt weitestgehend nur durch den Bildschirm diverser Fernseher kennt. Mit dem Tod seines Vaters muss er sein Zuhause verlassen und wird plötzlich mit der wirklichen Welt konfrontiert. Sehr schnell zeigt sich, dass er geistig etwas limitiert ist, sein Herz aber auf dem rechten Fleck trägt und dass er ein leidenschaftlicher Gärtner ist. Durch einen Zufall landet er bei einer äußerst wohlhabenden und politisch sehr einflussreichen Familie...

                                Sehr gekonnt verteilt Ashby einige satirische Spitzen: Da wäre die mögliche Verdummung durch übermäßigen Fernsehkonsum, die Ignoranz gegenüber Missständen und Armut, die Sehnsucht der Menschen nach einem Heilsbringer, der unreflektierte Glaube an politische Kompetenz, solange das Umfeld stimmt, die allgemeine Verdummung der Massen etc. Der Erzählstil ist dabei immer eher ruhig und kammerspielartig. Durchgehend superb sind neben den Figurenzeichnungen die darstellerischen Leistungen von dem unglaublich stoischen Peter Sellers, der verführerischen Shirley MacLaine, dem verschmitzten Melvyn Douglas und dem schwächelnden Machthaber Jack Warden.

                                Sehr schön anzuhören war die Funk and Soul-Version von Richards Strauss „Also sprach Zarathustra“ als Mr. Chance sein Zuhause erstmalig verlässt. Dies ist möglicherweise als eine Referenz an die bekannte Szene von Stanley Kubricks „2001 - A Space Odyssey“ zu verstehen, als der Knochen von Menschenaffen als Werkzeug entdeckt und zu der Musik von Richard Strauss in die Luft geschleudert wird. In Kubricks Film macht sich die Menschheit die Erde durch die Entwicklung der Intelligenz zum Untertan und in diesem Werk vollzieht das Individuum Mr. Chance den Sprung vom unsichtbaren Underdog zum Medienstar, aber eben ohne die nötige Intelligenz. Sowohl der Name „Mr. Chance“ wie auch die wunderbare Schlussszene suggerieren seine (vermeintlichen) Eigenschaften als Heilsbringer.

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                                  „Baron Blood“ von Mario Bava ist ein entspannter (eben auch nicht allzu spannender) Horrorfilm alter Schule. Ein lange verstorbener, sadistischer und deshalb auch verfluchter „Blutbaron“ wird von einem jungen Nachfahren leichtsinnigerweise wieder zum Leben erweckt. Dieser unangenehme Geist verlangt sodann einen gewissen Blutzoll und ist leider auch nicht so leicht wieder loszuwerden.

                                  Die österreichische Schlosskulisse passt natürlich zu einen klassischen Gruselfilm wie das Blut zu Dracula. Zudem liefert Bava mit der kunstvollen Farbdramaturgie seiner Bilder immer eine passende Atmosphäre. Trotzdem kann er mit seinen schaurig schönen Aufnahmen nicht über das äußerst mittelmäßige Drehbuch hinwegtäuschen.

                                  Den Darstellern wird auch nicht allzu viel abverlangt. Elke Sommer, mit ihrem Minirock und ihrem Rotkäppchen nett anzuschauen, darf gelegentlich etwas kreischen und halb in Ohnmacht fallen. Massimo Girotto kann und muss sich hier auch nur auf sein gutes Aussehen verlassen, während Joseph Cotton schon etwas, wenn nicht gar etwas zu viel, Schauspielkunst zeigt. Damit zieht er seinen Charakter fast schon ins Lächerliche.
                                  Untermalt wird alles von einer teilweise erstaunlich fröhlich aufspielenden, belanglosen Schubidu-Musik, eines Komponisten, bei dem man sich nicht die Mühe machen muss, den Namen zu recherchieren. Die ausgeprägte Easy-Listening-Musik und der überaus stylische Kleidungsstil der Darsteller fangen den Zeitgeist der frühen 1970er Jahre jedenfalls gut ein.

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                                    MareikeHB 16.03.2022, 18:18 Geändert 16.03.2022, 18:21

                                    „Stadt in Angst“ von John Sturges ist ein spannender, ruhig erzählter Neo-Western mit einer zeitlos aktuellen Thematik. Es ist ein äußerst beherztes Plädoyer für Mut und Toleranz vor dem Hintergrund der Nachwehen des zweiten Weltkrieges.

                                    Ein älterer, einarmiger Herr (großartig: Spencer Tracy) taucht im Jahre 1945 plötzlich in einem Provinznest im Nirgendwo Arizonas auf und sucht einen Japaner, der dort leben soll. Die Dorfbewohner, angeführt von dem einflussreichen Farmer Mr. Smith (Robert Ryan) und seinen zwei raubeinigen Handlangern (Ernest Borgnine, Lee Marvin), begegnen ihm äußerst feindselig. Offensichtlich gibt es ein dunkles Geheimnis.

                                    Mit einem subtilen Spannungsaufbau und viel psychologischem Feingefühl wird der ausweglos erscheinende Kampf des Protagonisten gegen das Böse geschildert. Dabei stellt sich immer wieder die Frage, ob es mutige und hilfsbereite Dorfbewohner gibt, die ihm beistehen. Letztlich lebt es sich in diesem abgeschiedenen Ort ähnlich wie in einer Diktatur. Den meisten Menschen fällt es sehr schwer sich gegen die dominierende Macht zu stellen. Dieses abgelegene Dorf in der Wüste Arizonas ist wie eine Insel, die von den Werten her nicht wirklich zu den Vereinigten Staaten dazugehört. Es bedarf eines unbeirrbaren, aufrechten Menschen, Recht und Ordnung wieder herzustellen.

                                    In vielen Filmen aus der Mitte des 20. Jahrhunderts ist die Vermittlung von moralisch hoch geschätzten Werten ein Hauptanliegen der damaligen Filmemacher. Für die aufgezeigten Leitbilder in diesem Werk treten tatsächlich noch heute immer wieder mutige Menschen auf der Welt ein, nehmen den Kampf gegen das Böse auf und verteidigen sich mit Molotow-Cocktails gegen eine übermächtige Waffengewalt.

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                                    • MareikeHB 15.03.2022, 19:48 Geändert 15.03.2022, 20:02

                                      Eine schöne Idee für eine Liste, Sithlord! Da Du ja anscheinend nach Geheimtipps für Soundtracks suchst, biete ich Dir:

                                      - Etwas erhaben Symphonisches von dem Maestro William Alwyn: „Odd Man Out Suite“ (Ausgestoßen 1947):

                                      https://www.youtube.com/watch?v=EwXCsS85OXY

                                      - Ein (etwas unbekannteres) Meisterstück von dem großartigen Danny Elfman: „Beetlejuice: Main Theme“ (Beetlejuice):

                                      https://m.youtube.com/watch?v=oZktSPrGSck

                                      - Das jazzige „The Great Race - Overture“ (Das große Rennen rund um die Welt) von dem wunderbaren Henry Mancini:

                                      https://m.youtube.com/watch?v=kLhgBAC1LXc

                                      Das impressionistische „Phantom Thread - House of Woodcock“ (Der seidene Faden 2017) von dem vielseitigen und gerade schwer angesagten Jonny Greenwood:

                                      https://m.youtube.com/watch?v=bT_XjcdgT6g

                                      - Das extrem düstere „Journey to the Center of the Earth - Suite“ (Reise zum Mittelpunkt der Erde 1959) von dem fantastischen Bernard Herrmann:

                                      https://m.youtube.com/watch?v=t74TokI8qy4

                                      Ein großartiger Soundtrack ist das I-Tüpfelchen für jeden Film! Schön, dass Du das so zu schätzen weißt. Dann werde ich wohl einmal bei Gelegenheit meine Soundtrack- Playlisten füttern :-)

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                                      • 7 .5

                                        „Der Leopard“ von Luchino Visconti ist ein wunderschön bebilderter, aber überlanger Historienfilm. Vor dem Hintergrund der Unruhen, die der Gründung des ersten modernen italienischen Nationalstaates am 17.03.1861 vorausgingen, wird eine sizilianische Adelsfamilie porträtiert. Das Familienoberhaupt, der Fürst von Salina (Burt Lancaster), sieht sich mit diversen politischen Strömungen konfrontiert und versucht seinen Platz in diesem Veränderungsprozess der italienischen Gesellschaft zu finden.

                                        Die verschiedensten politischen Ansichten werden durch einzelne Typen hervorragend repräsentiert. Die Fürstin steht für die alte Zeit, das Konservative. In ihrer Welt herrscht der Adel und die Kirche. Der Neffe (Alain Delon) ist ein Opportunist, der sich auf die Seite der jeweiligen Gewinner schlägt. Dessen Schwiegervater steht wiederum für das aufstrebende, machtbewusste, aber auch korrupte Bürgertum. Der Fürst dagegen, genannt der „Leopard“, steht irgendwo dazwischen. Er arrangiert sich notgedrungen mit den neuen Strömungen, sieht vieles kritisch, trauert aber auch der alten Welt nach.

                                        Der Machtverlust des Adels wird in wunderbare Bilder gekleidet. Von der makellosen Oppulenz seines Palastes aus begibt sich der Fürst mit seiner Familie auf Reisen, setzt dabei im wahrsten Sinne des Wortes Staub an. Die örtliche Umgebung der Familie wird durch einen zunehmenden Verfall gekennzeichnet. Höhepunkt ist sodann ein überaus prächtiger Ball, von dem wohlhabenden Schwiegervater arrangiert, der dem „Geldadel“ zuzurechnen ist. Viele wahre Adelige können sich etwas derartiges nicht mehr leisten. Dabei wird der Adel hofiert, allerdings auch mit einem Verfall der Werte konfrontiert. Die alte Welt trifft auf die neue Welt.

                                        Leider ist der Film etwas zäh und handlungsarm geraten. Die Charaktere packen einen nicht wirklich emotional. Auch stört ein gelegentlich übertriebenes Schauspiel. Dennoch wird die komplexe politische Situation Italiens und auch die Identität der Sizilianer in den Dialogen immer wieder treffend umschrieben. Die gemäldeartigen Einstellungen sind von einer starken visuellen Kraft und zeigen ein zwiegespaltenes Italien zwischen höchster ästhetischer Pracht und durch Armut gekennzeichneten Verfall.

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                                        • Habe bemerkt, dass alle gemeinsam sehr hoch bewerteten Filme schon hunderte von Kommentare haben. Da Du ja offensichtlich filmischen Herausforderungen sehr gut gewachsen bist, wünsche ich mir einen Kommentar zu meinem Lieblingsfilm von Stanley Kubrick, dem perfiden und sicherlich sehr komplexen Meisterwerk „Lolita“ (zu dem ich auch noch irgendwann einmal einen ausführlicheren Kommentar schreiben muss).

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                                          • Tolle Idee! Ich wünsche mir einen Kommentar zu dem Whodunnit „Sheila“. Den hast Du ja eh schon vorgemerkt 😀. Fand den echt cool, und den kennen noch nicht so viele.

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                                            • 7 .5
                                              MareikeHB 10.03.2022, 19:02 Geändert 10.03.2022, 19:05

                                              In der ARD-Mediathek!
                                              „Das Begräbnis“ von Jan Georg Schütte ist eine hervorragend konstruierte Miniserie (sechs Folgen von ca. 40 Min.) mit gutem Unterhaltungswert. Rund um die Beerdigung des Familienoberhaupts der Familie Meurer in einem Dorf in Mecklenburg-Vorpommern kommt die große Familie zusammen. Dabei tritt der ein oder andere Skandal ans Tageslicht, und es entbrennt ein Kampf ums Erbe.

                                              Charly Hübner, Devid Striesow, Anja Kling und viele andere bekannte Gesichter zieren die Besetzungsliste. Bis auf gelegentliche theaterhafte Übertreibungen, dürfen sie ihr schauspielerisches Talent voll und ganz zum Ausdruck bringen. Interessant ist, dass wohl viel improvisiert wurde. Die Figurenzeichnungen pendeln zwischen klischeehaft und herrlich schräg. Die Serie schlägt überwiegend komödiantische, gelegentlich aber auch ernstere Töne an. Sehr witzig ist der Schwabe „Ich bin der Nette“ (hehehe). Ansonsten stechen Charly Hübner und Anja Kling heraus.

                                              Dies ist zumindest einmal ein Begräbnis, das so schnell nicht vergessen wird!

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                                                MareikeHB 09.03.2022, 17:53 Geändert 29.03.2022, 15:38

                                                „Die große Leidenschaft“ von David Lean ist ein gelungenes Beispiel für ein klassisches Filmmelodram. Tatsächlich stehen in dieser inhaltlich unspektakulären Dreiecksliebesgeschichte die emotionalen und seelischen Konflikte der Beteiligten im Vordergrund - wesentliche Merkmale eines Melodrams. Im Zentrum steht eine junge, hübsche Frau (Ann Todd), die zwischen ihrer Jugendliebe (Trevor Howard) und ihrem bereits reiferen, gut situierten Ehemann (Claude Rains) hin und hergerissen ist.

                                                Auch wenn das Geschehen inhaltlich eher dahinplätschert und man vergeblich auf größere Höhepunkte wartet, ist die suggestive Bildsprache hervorragend. Die Kamera übernimmt immer wieder den Blickwinkel eines Beteiligten, sodass man an seinem Innenleben unmittelbar teilhaben darf. Zudem lässt uns die Protagonistin durch ihre Stimme aus dem Off an ihren inneren Monologen partizipieren - ein Stilmittel, das man heute eher selten findet.

                                                In der heutigen Zeit kann man sich schwer vorstellen, was es bedeutet, in den 1940er Jahren dem Ehemann untreu zu werden. Die Folge wäre die völlige juristische Entrechtung und gesellschaftliche Ächtung der Frau. Vor diesem Hintergrund wird das seelische Dilemma der Protagonistin deutlich und offenbart auch den moralischen Zeigefinger, hier ist es „Du sollst nicht Ehebrechen“, der in den Filmen aus der damaligen Zeit immer präsent war. Wer Sünden begeht, muss leiden und kommt nicht so leicht davon. Damals wurden den Menschen noch Werte auf dem Silbertablett, schön eingekleidet in unterhaltsame Geschichten, serviert.

                                                Ann Todd spielt ihre Rolle hervorragend - sie gehörte damals zu den führenden britischen Darstellerinnen. Interessant ist, das sie so gut wie kein sichtbares Make-up trägt. Ihre Augen sind nicht einmal dezent geschminkt. Claude Rains ist grandios als der düpierte Ehemann und zeigt mit seinem nuancierten Spiel, dass er zu den ganz großen Charaktermimen seiner Zeit gehörte. Trevor Howard bleibt dagegen relativ farblos. Da hätte man sich einen leidenschaftlicheren Darsteller/Liebhaber gewünscht. Aber im wirklichen Leben fällt die Liebe ja auch wer weiß wo hin.
                                                Die musikalische Untermalung ist zuweilen etwas aufdringlich und zählt leider nicht zu den großen Würfen. Filmhistorisch gesehen ist der Film auf jeden Fall interessant.

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                                                  MareikeHB 08.03.2022, 18:31 Geändert 08.03.2022, 19:55

                                                  Für meinen ältesten aktiven Film-Buddy (natürlich nicht vom Alter her, sondern von der Dauer der Freundschaft her gesehen), dem absoluten Klassikerfreund - Tada - Vertigo60 alias Tom: Wie Du siehst, ich habe es mir ziemlich leicht gemacht und mir einmal einen extra großen Klassiker, nämlich Hitchcocks „Der unsichtbare Dritte“, von Deinen Lieblingsfilmen herausgepickt.
                                                  Diese wegweisende Thrillerkomödie bildet mit Meisterregisseur Alfred Hitchcock sowie den Stars Cary Grant und James Mason aus alten Zeiten sozusagen eine Essenz unserer gemeinsamen filmischen Interessen. Mit dem genialen Hitchcock, da sind ja einige seiner Filme unter unseren Lieblingsfilmen, und dem allseits beliebten Grant, den wir hier in einer absoluten Paraderolle sehen, stehen wir als Fans nicht alleine da. Aber um die Brillanz eines Mason zu erkennen, muss man definitiv ein Herz für Klassiker haben und tiefer in die Filmgeschichte eintauchen.

                                                  Die beiden gebürtigen Engländer Grant und Mason sind gleichermaßen schauspielerisch überbegabt und bestechen durch ihr äußerst elegantes Auftreten. Bei Grant weiß man allerdings immer, was man bekommt, da er sich standhaft weigerte, bösartige oder tragische Charaktere zu verkörpern. Mason entpuppt sich dagegen als das dunkle Spiegelbild Grants. Seine Rollenauswahl gleicht dem Griff in eine Wundertüte. Selten ist er der strahlende Held, seine Rollen sind oft tragischer Natur oder er ist der Widersacher, wie in diesem Film. Als eiskalt charmanter Gegenspieler Grants ist er hier perfekt besetzt, allerdings hätte man ihm etwas mehr Bildschirmzeit gewünscht.

                                                  Den Herren wird noch die wunderschöne Eva Marie Saint zur Seite gestellt, die in ihrer Undurchsichtigkeit allerdings keine Heilige ist, wie ihr Name nahelegen könnte. Neben einer Top-Besetzung bis in die kleinsten Nebenrollen, bietet Hitchcock mit seiner stilvoll inszenierten Agentengeschichte angenehme Spannung, für seine Verhältnisse ungewöhnlich viel Komik und köstliche Dialoge mit treffsicheren Pointen. Das Ende erscheint vielleicht ein wenig unvermittelt, ist aber voller Symbolik, da die Zensur damals nicht mehr erlaubte.

                                                  Hitchcock hat mit seiner einzigartig unterhaltsamen Mischung seinerzeit etwas völlig Neues geschaffen. Viele Szenen wurden im Laufe der Filmgeschichte immer wieder kopiert. Insbesondere auch die James Bond Filme wurden von diesem Werk stark beeinflusst.

                                                  Hier ist der Link zu Vertigos wunderbar humorvollen Kommentar zu eben diesem Film:

                                                  https://www.moviepilot.de/movies/der-unsichtbare-dritte/kritik/2049833

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                                                    MareikeHB 03.03.2022, 19:14 Geändert 04.03.2022, 15:23

                                                    Mit dem zutiefst beeindruckenden „Fabian oder Der Gang für die Hunde“ hat Erfolgsregisseur Dominik Graf wohl sein cineastisches Meisterstück abgeliefert. Inhaltlich angelehnt an Erich Kästners autobiografisch geprägten Roman „Fabian. Die Geschichte eines Moralisten“ wird die Berliner Gesellschaft Anfang der 1930er Jahre porträtiert, kurz vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten.
                                                    Der junge Werbezeichner Jakob Fabian (Tom Schilling) wird in Berlin unter anderem mit der Liebe der selbstbewussten Cornelia (Saskia Rosendahl), die nach höherem strebt, konfrontiert, seinem vergnügungssüchtigen Freund Stephan (Albrecht Schuch), Arbeitslosigkeit und allgemeinem Sittenverfall.

                                                    Inhaltlich hat der Film bereits viel zu bieten, aber seine herausragende visuelle Gestaltung macht ihn zu einem Ausnahmewerk. Die Eingangssequenz mit einer gleitenden Kamera, die ohne Schnitt durch einen U-Bahnschacht in Berlin und von der heutigen Zeit in die Vergangenheit „reist“, ist schon sehr gelungen. Aber auch sonst verwendet Dominik Graf immer wieder überraschende visuelle Techniken, die nie zum Selbstzweck werden, vielmehr auf den Inhalt direkt Bezug nehmen. In einem Nachlokal wird das Bild zeitweise wackelig und grobkörnig, passend zu den Rauschmitteln. Als ein erfolgreicher Filmproduzent vorgestellt wird, gibt es auf einmal für ein paar Minuten Zwischentitel, wie bei Stummfilmen. Bei den Aufnahmen der Stadt Berlin werden immer auch Originalaufnahmen aus der Zeit integriert. Wohl aus diesem Grund oder auch weil er eine Überreizung der Zuschauer verhindern wollte, hat sich Graf für ein schmales 4:3 Bildverhältnis entschieden. Schließlich gab es in den 1930er Jahren noch kein Breitbildformat, wie z.B. Cinemascope. Kamera und Beleuchtung sind großartig, die Bilder sind farblich perfekt abgestimmt und suggestiv. Kostüme und Ausstattung sind ebenfalls sehr überzeugend. Zwischendurch überrascht eine äußerst markante Erzählerstimme aus dem Off, die eine gewisse Distanz zum Geschehen schafft.

                                                    Der Film bedient dabei das gesamte Gefühlsspektrum von schwarzem Humor bis zur bitteren Tragik. Die Darsteller und Darstellerinnen sind exzellent, selbst Nebenrollen werden exquisit besetzt. Auch die abwechslungsreiche Filmmusik mit einigen bekannten klassischen Werken wird, ähnlich wie die Dialoge, immer pointiert eingesetzt. Alles in allem ist es ein äußerst intensives Filmerlebnis mit Ecken und Kanten, auf das man sich einlassen muss. Der künstlerische Anspruch bewegt sich auf höchstem Niveau.

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