MareikeHB - Kommentare

Alle Kommentare von MareikeHB

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    „Eins, zwei, drei“ von Billy Wilder zählt wohl zu den herausragendsten Komödien aller Zeiten. Da ich mit meiner Meinung offensichtlich nicht alleine dastehe, widme ich diesen Text einer hier bei Moviepilot von mir sehr geschätzten Person. Doch dazu unten mehr!
    Billy Wilder zählte zu den größten und auch vielseitigsten Regisseuren, die Hollywood je hervorgebracht hat. Auch wenn seine Filme erkennbar aus einer anderen Zeit stammen, der Mitte des letzten Jahrhunderts, bieten sie noch heute beste, anspruchsvolle Unterhaltung. Das liegt zum einen an dem sehr hohen Erzähltempo, großem Einfallsreichtum, hintergründigen Geschichten mit intelligentem Wortwitz und seinen liebevoll gezeichneten und in seinen Komödien oftmals grandios überzeichneten Charakteren, die durch eine perfekte Besetzung verkörpert werden.

    „Eins, zwei, drei“ war eine Komödie, die zwar alle oben genannten Vorzüge Wilders auf sich vereinen konnte, aber sie hatte ein damals durchaus gewagtes und unbequemes Thema: Der Kalte Krieg. In dem Berlin nach dem zweiten Weltkrieg treffen hier Deutsche, die mehr oder weniger von der Nazi-Vergangenheit geprägt sind, auf wohlhabende, (groß-) kapitalistische U.S.-Amerikaner und auf kommunistische Soviet-Russen. Allerdings wurde während der Dreharbeiten im Jahre 1961 die Berliner Mauer gebaut, sodass der Film, in dem die Mauer noch nicht vorkommt, zunächst geschichtlich überholt wirkte und dementsprechend an den Kinokassen floppte. Erst viele Jahrzehnte später, insbesondere nach dem Mauerfall, erfreute der Film sich wachsender Beliebtheit und wurde als Klassiker wiederentdeckt. Es brauchte wohl eine Generation, bis man über die treffsicheren Spitzen in alle Richtungen wirklich herzhaft lachen konnte. Insbesondere die damaligen nationalen Eigenheiten und die unterschiedlichen Ideologien werden äußerst pointiert aufs Korn genommen.

    „Eins, zwei, drei“ lohnt sich allein schon wegen der zahlreichen deutschsprachigen Einlagen durch Schauspieler wie Horst Buchholz und Lieselotte Pulver im Originalton zu schauen. Ich kenne hier jemanden, die sich absolut bevorzugt immer den Originalton gönnt, sei es eine noch so fremde Sprache: Unsere geschätzte EudoraFletcher68! Ihr Filmgeschmack ist so vielfältig wie das Medium Film selbst. Mit unglaublichem Fleiß und viel Herzblut schreibt sie Kommentare, führt auch gerne einmal kontroverse Diskussionen, interessiert sich unter anderem für Kakerlaken, Schnee und Eis oder zieht Werkschauen besonders konsequent durch. Ich denke da nur an die weit über hundert gesichteten Filme von Samuel L. Jackson oder die äußerst zahlreichen philippinischen Produktionen. Von beeindruckenden 3.454 bis jetzt gesichteten Filmen hat Eudora nur 21 mal 10 Punkte vergeben. Bei „Eins, zwei, drei“ waren es nicht nur 10 Punkte, sondern auch ein Herz!

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    • 7
      MareikeHB 27.03.2022, 18:57 Geändert 27.03.2022, 19:59

      Bis zum 16.04.2022 in der Arte Mediathek!
      „Honecker und der Pastor“, Kommunismus und Kirche, wie passt das wohl zusammen? Man kann sich kaum vorstellen, dass Erich Honecker und seine Frau Margot nach seinem Sturz als Staatsratsvorsitzender der DDR keine Bleibe mehr hatten und ironischerweise in einem Pfarrhaus Asyl fanden. Das sehenswerte Historiendrama von Jan-Joseph Liefers beruht jedoch auf wahren Tatsachen. Bevor die beiden Honeckers (vor allem optisch sehr überzeugend: Edgar Selge und Barbara Schnitzler) ins Exil nach Chile entschwanden, strandeten sie bei einer Pfarrersfamilie in der Gemeinde Lobetal in der Nähe von Berlin. Interessanterweise war Lobetal zugleich eine bekannte Einrichtung für beeinträchtigte Menschen und solchen, die abseits der Gesellschaft standen. Für den Pfarrer (Jan-Uwe Bauer) und seine Ehefrau (Steffi Kühnert) war es letztlich eine reine Christenpflicht, die Honeckers aufzunehmen. Auf viel Verständnis stieß diese Aktion bei ihren Mitmenschen nicht. Schließlich waren die Honeckers nach dem Mauerfall für viele die Staatsfeinde Nr. 1. Dementsprechend gibt es auch bedrohliche Situationen für die standhafte Pfarrersfamilie.

      Interessant ist, wie hier zwei völlig unterschiedliche Weltbilder aufeinanderprallen. Man muss sich arrangieren. Dies wird mit viel Fingerspitzengefühl dargestellt. Die Honeckers treten definitiv nicht als Sympathieträger in Erscheinung, aber auch nicht völlig unmenschlich. Sie bewahren eine gewisse Höflichkeit und zeigen sich erstaunlich liebevoll mit der Tochter und dem Enkelsohn, die sich auf dem Weg nach Chile bei ihnen noch verabschieden.

      Kamera und Beleuchtung machen für eine Fernsehproduktion einen hochwertigen Eindruck - auch wenn ich mich an der beliebten Orange/Türkis-Beleuchtung schon ein wenig sattgesehen habe. Die darstellerischen Leistungen sind ebenfalls überdurchschnittlich, selbst wenn die „deutsche Krankheit“ des aufgesetzten Schauspiels zumindest in Ansätzen nicht weg zu diskutieren ist. Aber wen wundert das bei Jan-Joseph Liefers, wenn man ihn als Schauspieler kennt! Trotzdem überzeugt seine Regieleistung insgesamt. Der mit komischen wie tragischen Elementen fein ausbalancierte und kurzweilige Film bietet insgesamt durchaus anspruchsvolle Unterhaltung. Fraglich ist, wie nah das alles wirklich an der Realität war.

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      • 6

        „Der schönste Augenblick“ von Luciano Emmer ist ein eher mittelprächtiges Melodram mit interessanten historischen Bezügen. Geschildert wird die verbotene und heimliche Liebe zwischen einem jungen Gynäkologen, der an einem Krankenhaus in Rom arbeitet, und einer auf seiner Station beschäftigten Schwester.
        Heute wundert man sich vielleicht über die ein oder andere Beziehungsproblematik in diesem Film. Voreheliche Verhältnisse waren in dem Italien der 1950er allerdings noch gesellschaftlich verpönt und eher ein Tabuthema. Um so mutiger war es sicherlich damals, sich dieser Thematik zu stellen. Schließlich widmete man sich in Europa filmisch zunehmend im Zuge des Neorealismus auch den gesellschaftlich unangenehmen und brisanteren Gebieten, wohl auch in Abgrenzung zu dem durch den Hays Code reglementierten Hollywood-Kino. Der Film sollte offensichtlich fortschrittlich sein. Emanzipatorische Aspekte und auch aufklärerische, insbesondere was die Geburtsvorbereitung betrifft, sind zu erkennen. Diese und das hervorragende Schauspiel der Leinwandikone Marcello Mastroianni und der wunderschönen Giovanna Ralli heben den Film etwas über den Durchschnitt. Ansonsten sei der Streifen vor allem historisch interessierten Gynäkologen sowie Geburtshelfern empfohlen.

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        • 8 .5

          Wer würde nicht einmal gerne eine Fernsehfernbedienung aktivieren, um unliebsame Mitmenschen abzuschalten und verschwinden zu lassen? Natürlich kämen wir niemals auf eine solche verrückte Idee. Der sonderbare Mr. Chance (Peter Sellers) tickt da anders und probiert es zumindest einmal. „Willkommen Mr. Chance“ von Hal Ashby ist die vielschichtige, tragikomische und satirische Geschichte dieses liebenswerten Sonderlings, der sein Elternhaus nie verlassen hat und die Welt weitestgehend nur durch den Bildschirm diverser Fernseher kennt. Mit dem Tod seines Vaters muss er sein Zuhause verlassen und wird plötzlich mit der wirklichen Welt konfrontiert. Sehr schnell zeigt sich, dass er geistig etwas limitiert ist, sein Herz aber auf dem rechten Fleck trägt und dass er ein leidenschaftlicher Gärtner ist. Durch einen Zufall landet er bei einer äußerst wohlhabenden und politisch sehr einflussreichen Familie...

          Sehr gekonnt verteilt Ashby einige satirische Spitzen: Da wäre die mögliche Verdummung durch übermäßigen Fernsehkonsum, die Ignoranz gegenüber Missständen und Armut, die Sehnsucht der Menschen nach einem Heilsbringer, der unreflektierte Glaube an politische Kompetenz, solange das Umfeld stimmt, die allgemeine Verdummung der Massen etc. Der Erzählstil ist dabei immer eher ruhig und kammerspielartig. Durchgehend superb sind neben den Figurenzeichnungen die darstellerischen Leistungen von dem unglaublich stoischen Peter Sellers, der verführerischen Shirley MacLaine, dem verschmitzten Melvyn Douglas und dem schwächelnden Machthaber Jack Warden.

          Sehr schön anzuhören war die Funk and Soul-Version von Richards Strauss „Also sprach Zarathustra“ als Mr. Chance sein Zuhause erstmalig verlässt. Dies ist möglicherweise als eine Referenz an die bekannte Szene von Stanley Kubricks „2001 - A Space Odyssey“ zu verstehen, als der Knochen von Menschenaffen als Werkzeug entdeckt und zu der Musik von Richard Strauss in die Luft geschleudert wird. In Kubricks Film macht sich die Menschheit die Erde durch die Entwicklung der Intelligenz zum Untertan und in diesem Werk vollzieht das Individuum Mr. Chance den Sprung vom unsichtbaren Underdog zum Medienstar, aber eben ohne die nötige Intelligenz. Sowohl der Name „Mr. Chance“ wie auch die wunderbare Schlussszene suggerieren seine (vermeintlichen) Eigenschaften als Heilsbringer.

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          • 6

            „Baron Blood“ von Mario Bava ist ein entspannter (eben auch nicht allzu spannender) Horrorfilm alter Schule. Ein lange verstorbener, sadistischer und deshalb auch verfluchter „Blutbaron“ wird von einem jungen Nachfahren leichtsinnigerweise wieder zum Leben erweckt. Dieser unangenehme Geist verlangt sodann einen gewissen Blutzoll und ist leider auch nicht so leicht wieder loszuwerden.

            Die österreichische Schlosskulisse passt natürlich zu einen klassischen Gruselfilm wie das Blut zu Dracula. Zudem liefert Bava mit der kunstvollen Farbdramaturgie seiner Bilder immer eine passende Atmosphäre. Trotzdem kann er mit seinen schaurig schönen Aufnahmen nicht über das äußerst mittelmäßige Drehbuch hinwegtäuschen.

            Den Darstellern wird auch nicht allzu viel abverlangt. Elke Sommer, mit ihrem Minirock und ihrem Rotkäppchen nett anzuschauen, darf gelegentlich etwas kreischen und halb in Ohnmacht fallen. Massimo Girotto kann und muss sich hier auch nur auf sein gutes Aussehen verlassen, während Joseph Cotton schon etwas, wenn nicht gar etwas zu viel, Schauspielkunst zeigt. Damit zieht er seinen Charakter fast schon ins Lächerliche.
            Untermalt wird alles von einer teilweise erstaunlich fröhlich aufspielenden, belanglosen Schubidu-Musik, eines Komponisten, bei dem man sich nicht die Mühe machen muss, den Namen zu recherchieren. Die ausgeprägte Easy-Listening-Musik und der überaus stylische Kleidungsstil der Darsteller fangen den Zeitgeist der frühen 1970er Jahre jedenfalls gut ein.

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            • 8
              MareikeHB 16.03.2022, 18:18 Geändert 16.03.2022, 18:21

              „Stadt in Angst“ von John Sturges ist ein spannender, ruhig erzählter Neo-Western mit einer zeitlos aktuellen Thematik. Es ist ein äußerst beherztes Plädoyer für Mut und Toleranz vor dem Hintergrund der Nachwehen des zweiten Weltkrieges.

              Ein älterer, einarmiger Herr (großartig: Spencer Tracy) taucht im Jahre 1945 plötzlich in einem Provinznest im Nirgendwo Arizonas auf und sucht einen Japaner, der dort leben soll. Die Dorfbewohner, angeführt von dem einflussreichen Farmer Mr. Smith (Robert Ryan) und seinen zwei raubeinigen Handlangern (Ernest Borgnine, Lee Marvin), begegnen ihm äußerst feindselig. Offensichtlich gibt es ein dunkles Geheimnis.

              Mit einem subtilen Spannungsaufbau und viel psychologischem Feingefühl wird der ausweglos erscheinende Kampf des Protagonisten gegen das Böse geschildert. Dabei stellt sich immer wieder die Frage, ob es mutige und hilfsbereite Dorfbewohner gibt, die ihm beistehen. Letztlich lebt es sich in diesem abgeschiedenen Ort ähnlich wie in einer Diktatur. Den meisten Menschen fällt es sehr schwer sich gegen die dominierende Macht zu stellen. Dieses abgelegene Dorf in der Wüste Arizonas ist wie eine Insel, die von den Werten her nicht wirklich zu den Vereinigten Staaten dazugehört. Es bedarf eines unbeirrbaren, aufrechten Menschen, Recht und Ordnung wieder herzustellen.

              In vielen Filmen aus der Mitte des 20. Jahrhunderts ist die Vermittlung von moralisch hoch geschätzten Werten ein Hauptanliegen der damaligen Filmemacher. Für die aufgezeigten Leitbilder in diesem Werk treten tatsächlich noch heute immer wieder mutige Menschen auf der Welt ein, nehmen den Kampf gegen das Böse auf und verteidigen sich mit Molotow-Cocktails gegen eine übermächtige Waffengewalt.

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              • MareikeHB 15.03.2022, 19:48 Geändert 15.03.2022, 20:02

                Eine schöne Idee für eine Liste, Sithlord! Da Du ja anscheinend nach Geheimtipps für Soundtracks suchst, biete ich Dir:

                - Etwas erhaben Symphonisches von dem Maestro William Alwyn: „Odd Man Out Suite“ (Ausgestoßen 1947):

                https://www.youtube.com/watch?v=EwXCsS85OXY

                - Ein (etwas unbekannteres) Meisterstück von dem großartigen Danny Elfman: „Beetlejuice: Main Theme“ (Beetlejuice):

                https://m.youtube.com/watch?v=oZktSPrGSck

                - Das jazzige „The Great Race - Overture“ (Das große Rennen rund um die Welt) von dem wunderbaren Henry Mancini:

                https://m.youtube.com/watch?v=kLhgBAC1LXc

                Das impressionistische „Phantom Thread - House of Woodcock“ (Der seidene Faden 2017) von dem vielseitigen und gerade schwer angesagten Jonny Greenwood:

                https://m.youtube.com/watch?v=bT_XjcdgT6g

                - Das extrem düstere „Journey to the Center of the Earth - Suite“ (Reise zum Mittelpunkt der Erde 1959) von dem fantastischen Bernard Herrmann:

                https://m.youtube.com/watch?v=t74TokI8qy4

                Ein großartiger Soundtrack ist das I-Tüpfelchen für jeden Film! Schön, dass Du das so zu schätzen weißt. Dann werde ich wohl einmal bei Gelegenheit meine Soundtrack- Playlisten füttern :-)

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                • 7 .5

                  „Der Leopard“ von Luchino Visconti ist ein wunderschön bebilderter, aber überlanger Historienfilm. Vor dem Hintergrund der Unruhen, die der Gründung des ersten modernen italienischen Nationalstaates am 17.03.1861 vorausgingen, wird eine sizilianische Adelsfamilie porträtiert. Das Familienoberhaupt, der Fürst von Salina (Burt Lancaster), sieht sich mit diversen politischen Strömungen konfrontiert und versucht seinen Platz in diesem Veränderungsprozess der italienischen Gesellschaft zu finden.

                  Die verschiedensten politischen Ansichten werden durch einzelne Typen hervorragend repräsentiert. Die Fürstin steht für die alte Zeit, das Konservative. In ihrer Welt herrscht der Adel und die Kirche. Der Neffe (Alain Delon) ist ein Opportunist, der sich auf die Seite der jeweiligen Gewinner schlägt. Dessen Schwiegervater steht wiederum für das aufstrebende, machtbewusste, aber auch korrupte Bürgertum. Der Fürst dagegen, genannt der „Leopard“, steht irgendwo dazwischen. Er arrangiert sich notgedrungen mit den neuen Strömungen, sieht vieles kritisch, trauert aber auch der alten Welt nach.

                  Der Machtverlust des Adels wird in wunderbare Bilder gekleidet. Von der makellosen Oppulenz seines Palastes aus begibt sich der Fürst mit seiner Familie auf Reisen, setzt dabei im wahrsten Sinne des Wortes Staub an. Die örtliche Umgebung der Familie wird durch einen zunehmenden Verfall gekennzeichnet. Höhepunkt ist sodann ein überaus prächtiger Ball, von dem wohlhabenden Schwiegervater arrangiert, der dem „Geldadel“ zuzurechnen ist. Viele wahre Adelige können sich etwas derartiges nicht mehr leisten. Dabei wird der Adel hofiert, allerdings auch mit einem Verfall der Werte konfrontiert. Die alte Welt trifft auf die neue Welt.

                  Leider ist der Film etwas zäh und handlungsarm geraten. Die Charaktere packen einen nicht wirklich emotional. Auch stört ein gelegentlich übertriebenes Schauspiel. Dennoch wird die komplexe politische Situation Italiens und auch die Identität der Sizilianer in den Dialogen immer wieder treffend umschrieben. Die gemäldeartigen Einstellungen sind von einer starken visuellen Kraft und zeigen ein zwiegespaltenes Italien zwischen höchster ästhetischer Pracht und durch Armut gekennzeichneten Verfall.

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                  • Habe bemerkt, dass alle gemeinsam sehr hoch bewerteten Filme schon hunderte von Kommentare haben. Da Du ja offensichtlich filmischen Herausforderungen sehr gut gewachsen bist, wünsche ich mir einen Kommentar zu meinem Lieblingsfilm von Stanley Kubrick, dem perfiden und sicherlich sehr komplexen Meisterwerk „Lolita“ (zu dem ich auch noch irgendwann einmal einen ausführlicheren Kommentar schreiben muss).

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                    • Tolle Idee! Ich wünsche mir einen Kommentar zu dem Whodunnit „Sheila“. Den hast Du ja eh schon vorgemerkt 😀. Fand den echt cool, und den kennen noch nicht so viele.

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                      • 7 .5
                        MareikeHB 10.03.2022, 19:02 Geändert 10.03.2022, 19:05

                        In der ARD-Mediathek!
                        „Das Begräbnis“ von Jan Georg Schütte ist eine hervorragend konstruierte Miniserie (sechs Folgen von ca. 40 Min.) mit gutem Unterhaltungswert. Rund um die Beerdigung des Familienoberhaupts der Familie Meurer in einem Dorf in Mecklenburg-Vorpommern kommt die große Familie zusammen. Dabei tritt der ein oder andere Skandal ans Tageslicht, und es entbrennt ein Kampf ums Erbe.

                        Charly Hübner, Devid Striesow, Anja Kling und viele andere bekannte Gesichter zieren die Besetzungsliste. Bis auf gelegentliche theaterhafte Übertreibungen, dürfen sie ihr schauspielerisches Talent voll und ganz zum Ausdruck bringen. Interessant ist, dass wohl viel improvisiert wurde. Die Figurenzeichnungen pendeln zwischen klischeehaft und herrlich schräg. Die Serie schlägt überwiegend komödiantische, gelegentlich aber auch ernstere Töne an. Sehr witzig ist der Schwabe „Ich bin der Nette“ (hehehe). Ansonsten stechen Charly Hübner und Anja Kling heraus.

                        Dies ist zumindest einmal ein Begräbnis, das so schnell nicht vergessen wird!

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                        • 6 .5
                          MareikeHB 09.03.2022, 17:53 Geändert 29.03.2022, 15:38

                          „Die große Leidenschaft“ von David Lean ist ein gelungenes Beispiel für ein klassisches Filmmelodram. Tatsächlich stehen in dieser inhaltlich unspektakulären Dreiecksliebesgeschichte die emotionalen und seelischen Konflikte der Beteiligten im Vordergrund - wesentliche Merkmale eines Melodrams. Im Zentrum steht eine junge, hübsche Frau (Ann Todd), die zwischen ihrer Jugendliebe (Trevor Howard) und ihrem bereits reiferen, gut situierten Ehemann (Claude Rains) hin und hergerissen ist.

                          Auch wenn das Geschehen inhaltlich eher dahinplätschert und man vergeblich auf größere Höhepunkte wartet, ist die suggestive Bildsprache hervorragend. Die Kamera übernimmt immer wieder den Blickwinkel eines Beteiligten, sodass man an seinem Innenleben unmittelbar teilhaben darf. Zudem lässt uns die Protagonistin durch ihre Stimme aus dem Off an ihren inneren Monologen partizipieren - ein Stilmittel, das man heute eher selten findet.

                          In der heutigen Zeit kann man sich schwer vorstellen, was es bedeutet, in den 1940er Jahren dem Ehemann untreu zu werden. Die Folge wäre die völlige juristische Entrechtung und gesellschaftliche Ächtung der Frau. Vor diesem Hintergrund wird das seelische Dilemma der Protagonistin deutlich und offenbart auch den moralischen Zeigefinger, hier ist es „Du sollst nicht Ehebrechen“, der in den Filmen aus der damaligen Zeit immer präsent war. Wer Sünden begeht, muss leiden und kommt nicht so leicht davon. Damals wurden den Menschen noch Werte auf dem Silbertablett, schön eingekleidet in unterhaltsame Geschichten, serviert.

                          Ann Todd spielt ihre Rolle hervorragend - sie gehörte damals zu den führenden britischen Darstellerinnen. Interessant ist, das sie so gut wie kein sichtbares Make-up trägt. Ihre Augen sind nicht einmal dezent geschminkt. Claude Rains ist grandios als der düpierte Ehemann und zeigt mit seinem nuancierten Spiel, dass er zu den ganz großen Charaktermimen seiner Zeit gehörte. Trevor Howard bleibt dagegen relativ farblos. Da hätte man sich einen leidenschaftlicheren Darsteller/Liebhaber gewünscht. Aber im wirklichen Leben fällt die Liebe ja auch wer weiß wo hin.
                          Die musikalische Untermalung ist zuweilen etwas aufdringlich und zählt leider nicht zu den großen Würfen. Filmhistorisch gesehen ist der Film auf jeden Fall interessant.

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                            MareikeHB 08.03.2022, 18:31 Geändert 08.03.2022, 19:55

                            Für meinen ältesten aktiven Film-Buddy (natürlich nicht vom Alter her, sondern von der Dauer der Freundschaft her gesehen), dem absoluten Klassikerfreund - Tada - Vertigo60 alias Tom: Wie Du siehst, ich habe es mir ziemlich leicht gemacht und mir einmal einen extra großen Klassiker, nämlich Hitchcocks „Der unsichtbare Dritte“, von Deinen Lieblingsfilmen herausgepickt.
                            Diese wegweisende Thrillerkomödie bildet mit Meisterregisseur Alfred Hitchcock sowie den Stars Cary Grant und James Mason aus alten Zeiten sozusagen eine Essenz unserer gemeinsamen filmischen Interessen. Mit dem genialen Hitchcock, da sind ja einige seiner Filme unter unseren Lieblingsfilmen, und dem allseits beliebten Grant, den wir hier in einer absoluten Paraderolle sehen, stehen wir als Fans nicht alleine da. Aber um die Brillanz eines Mason zu erkennen, muss man definitiv ein Herz für Klassiker haben und tiefer in die Filmgeschichte eintauchen.

                            Die beiden gebürtigen Engländer Grant und Mason sind gleichermaßen schauspielerisch überbegabt und bestechen durch ihr äußerst elegantes Auftreten. Bei Grant weiß man allerdings immer, was man bekommt, da er sich standhaft weigerte, bösartige oder tragische Charaktere zu verkörpern. Mason entpuppt sich dagegen als das dunkle Spiegelbild Grants. Seine Rollenauswahl gleicht dem Griff in eine Wundertüte. Selten ist er der strahlende Held, seine Rollen sind oft tragischer Natur oder er ist der Widersacher, wie in diesem Film. Als eiskalt charmanter Gegenspieler Grants ist er hier perfekt besetzt, allerdings hätte man ihm etwas mehr Bildschirmzeit gewünscht.

                            Den Herren wird noch die wunderschöne Eva Marie Saint zur Seite gestellt, die in ihrer Undurchsichtigkeit allerdings keine Heilige ist, wie ihr Name nahelegen könnte. Neben einer Top-Besetzung bis in die kleinsten Nebenrollen, bietet Hitchcock mit seiner stilvoll inszenierten Agentengeschichte angenehme Spannung, für seine Verhältnisse ungewöhnlich viel Komik und köstliche Dialoge mit treffsicheren Pointen. Das Ende erscheint vielleicht ein wenig unvermittelt, ist aber voller Symbolik, da die Zensur damals nicht mehr erlaubte.

                            Hitchcock hat mit seiner einzigartig unterhaltsamen Mischung seinerzeit etwas völlig Neues geschaffen. Viele Szenen wurden im Laufe der Filmgeschichte immer wieder kopiert. Insbesondere auch die James Bond Filme wurden von diesem Werk stark beeinflusst.

                            Hier ist der Link zu Vertigos wunderbar humorvollen Kommentar zu eben diesem Film:

                            https://www.moviepilot.de/movies/der-unsichtbare-dritte/kritik/2049833

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                              MareikeHB 03.03.2022, 19:14 Geändert 04.03.2022, 15:23

                              Mit dem zutiefst beeindruckenden „Fabian oder Der Gang für die Hunde“ hat Erfolgsregisseur Dominik Graf wohl sein cineastisches Meisterstück abgeliefert. Inhaltlich angelehnt an Erich Kästners autobiografisch geprägten Roman „Fabian. Die Geschichte eines Moralisten“ wird die Berliner Gesellschaft Anfang der 1930er Jahre porträtiert, kurz vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten.
                              Der junge Werbezeichner Jakob Fabian (Tom Schilling) wird in Berlin unter anderem mit der Liebe der selbstbewussten Cornelia (Saskia Rosendahl), die nach höherem strebt, konfrontiert, seinem vergnügungssüchtigen Freund Stephan (Albrecht Schuch), Arbeitslosigkeit und allgemeinem Sittenverfall.

                              Inhaltlich hat der Film bereits viel zu bieten, aber seine herausragende visuelle Gestaltung macht ihn zu einem Ausnahmewerk. Die Eingangssequenz mit einer gleitenden Kamera, die ohne Schnitt durch einen U-Bahnschacht in Berlin und von der heutigen Zeit in die Vergangenheit „reist“, ist schon sehr gelungen. Aber auch sonst verwendet Dominik Graf immer wieder überraschende visuelle Techniken, die nie zum Selbstzweck werden, vielmehr auf den Inhalt direkt Bezug nehmen. In einem Nachlokal wird das Bild zeitweise wackelig und grobkörnig, passend zu den Rauschmitteln. Als ein erfolgreicher Filmproduzent vorgestellt wird, gibt es auf einmal für ein paar Minuten Zwischentitel, wie bei Stummfilmen. Bei den Aufnahmen der Stadt Berlin werden immer auch Originalaufnahmen aus der Zeit integriert. Wohl aus diesem Grund oder auch weil er eine Überreizung der Zuschauer verhindern wollte, hat sich Graf für ein schmales 4:3 Bildverhältnis entschieden. Schließlich gab es in den 1930er Jahren noch kein Breitbildformat, wie z.B. Cinemascope. Kamera und Beleuchtung sind großartig, die Bilder sind farblich perfekt abgestimmt und suggestiv. Kostüme und Ausstattung sind ebenfalls sehr überzeugend. Zwischendurch überrascht eine äußerst markante Erzählerstimme aus dem Off, die eine gewisse Distanz zum Geschehen schafft.

                              Der Film bedient dabei das gesamte Gefühlsspektrum von schwarzem Humor bis zur bitteren Tragik. Die Darsteller und Darstellerinnen sind exzellent, selbst Nebenrollen werden exquisit besetzt. Auch die abwechslungsreiche Filmmusik mit einigen bekannten klassischen Werken wird, ähnlich wie die Dialoge, immer pointiert eingesetzt. Alles in allem ist es ein äußerst intensives Filmerlebnis mit Ecken und Kanten, auf das man sich einlassen muss. Der künstlerische Anspruch bewegt sich auf höchstem Niveau.

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                                MareikeHB 01.03.2022, 18:54 Geändert 01.03.2022, 18:55

                                Als Schauspieler war Klaus Kinski unglaublich talentiert und hochbegabt, aber als Mensch ein immer wieder vom Wahnsinn getriebener Wüterich, der nicht selten seine Kontrolle verlor. Dies äußerte sich bei ihm in unvermittelten und exzessiven Schimpftiraden, Zerstörungswut, Beleidigungen sowie sogar Handgreiflichkeiten gegenüber seinen Mitmenschen.
                                Der perfektionistische, deutsche Meisterregisseur Werner Herzog hatte ein besonders großes Stehvermögen, was Kinski betrifft, erkannte seine darstellerische Brillanz schon früh und drehte insgesamt fünf Spielfilme mit ihm. Zudem schuf er die sehenswerte Dokumentation „Mein liebster Feind - Klaus Kinski“ in der er seine persönlichen Erfahrungen mit dem Ausnahmedarsteller schildert und alte Drehorte gemeinsamer Filme bereist.

                                In der Dokumentation werden anhand von Filmausschnitten sowohl das herausragende darstellerische Können, als auch durch Erzählungen des Regisseurs Werner Herzog und Interviews mit Schauspielkollegen die exzessiven Ausbrüche Kinskis hervorgehoben. Ein Wutanfall wurde bei den Dreharbeiten zu „Fitzcarraldo“ sogar mit der Kamera aufgezeichnet, sodass sich die Zuschauenden einmal unmittelbar selbst ein Bild von dem brodelnden Vulkan Kinski machen können. Lediglich die Schauspielerin Eva Mattes hat nur Gutes über Kinski zu berichten und verweist auf seine äußerst sensible Natur. Sensibilität und Zugewandtheit waren bei ihm aber wohl eher Ausnahmeerscheinungen.
                                Sein aggressives Verhalten ging so weit, dass an Dreharbeiten beteiligte eingeborene Südamerikaner Herzog ernsthaft anboten, Kinski zu töten, da sie ihn offensichtlich für gefährlich und verrückt hielten.

                                Kritisch sehen könnte man, dass Herzog, bis auf eine Ausnahme, nur mit seinem eigenen Filmmaterial die schauspielerische Brillanz Kinskis belegt und damit kräftig Werbung für seine eigenen Filme macht. Letztlich schlachtet er Kinskis psychische Auffälligkeiten dabei auch sehr für seine persönlichen Zwecke aus und verlässt sich dabei auf den Voyeurismus und Skandalhunger der Zuschauer. Zudem bleiben viele Fragen, was die Persönlichkeit Kinskis betrifft, unbeantwortet, da Kinskis Verhalten weitestgehend nur im Kontext persönlicher Erfahrungen und der Dreharbeiten zu den Herzog Filme beschrieben wird. Interessant wäre sicherlich ein zumindest kurzer Rückblick auf die Kindheit gewesen oder überhaupt ein Erklärungsversuch seines auffälligen Verhaltens.
                                Letztlich erscheint Kinski als äußerst tragischer Charakter, der wahrscheinlich zeitweise besser in einer psychiatrischen Einrichtung aufgehoben gewesen wäre. Regelrecht versöhnlich und poetisch ist die wunderbare Schlusseinstellung der Dokumentation, die einen sehr sanften Kinski mit einem zutraulichen Schmetterling zeigt. Ein körperlich fragiler Schmetterling hält einen geistig fragilen Kinski im Zaum.

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                                  MareikeHB 23.02.2022, 18:19 Geändert 23.02.2022, 19:02

                                  Die Schauspielgrößen Samuel L Jackson und Michael Keaton sind vielleicht schon Grund genug, sich einmal „The Protégé - Made for Revenge“ von Martin Campbell zu widmen. Es sind tatsächlich vor allem die beiden Ausnahmedarsteller sowie die schlagkräftige Maggie Q und interessante Figurenkonstellationen, die diesen blutigen und mitunter auch sehr harten Action-Reißer über den Durchschnitt heben.

                                  Geboten werden optisch gut aufbereitete Spannung, angereichert mit Originalaufnahmen aus dem Vietnam, und natürlich jede Menge Schusswechsel, Messerstechereien und Prügeleien. Die Geschichte ist für einen Actionfilm relativ schlüssig und gehaltvoll, zudem auch modern, da letztlich ein Frau - Maggie Q verkörpert eine vietnamesische Auftragskillerin - im Zentrum steht. Sie darf sich hier dementsprechend richtig austoben.

                                  Wer kurzweilige, leichte Unterhaltung mit überzeugenden Darstellern sucht, könnte einmal einen Blick riskieren.

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                                    MareikeHB 22.02.2022, 22:22 Geändert 23.02.2022, 11:52

                                    Trashmob 22

                                    Es wird Zeit zu schleimen. Das sagt sich zumindest ein zweifelhaftes Teufelswesen. Er möchte Arglose mit einer Schleimkrankheit überziehen und sie somit in den Selbstmord treiben. Aus irgendeinem Grund braucht er nämlich ihre Körper. Da ist so ein netter junger Mann, der gerade ein Zimmer in dem Teufelshaus beziehen möchte, das perfekte, nächste Opfer. Wäre da nur nicht noch die jungfräuliche Freundin. Wer macht nun wem die Hölle heiß?

                                    „Slime City“ von Gregory Lamberson erfüllt die hohe Kunst des Trash-Kinos. Gerade an den äußerst sparsamen Kulissen erkennt man, dass das Geld nicht gerade locker saß. Die Hauptdarsteller, Craig Sabin und Mary Huner, beide mit der Filmografie eines weitestgehend unbeschriebenen Blattes, machen ihre Sache ganz anständig. Da hat man gerade in diesem Segment schon Schlimmeres gesehen. Die Nebendarsteller, nun ja…
                                    Die Maske ist recht gut geglückt und weiß einige Ekelmomente hervorzurufen. Hier darf man Schleimen, was das Zeug hält, Blut darf in Strömen fließen und Innereien dürfen sich verselbständigen. Das Ganze ist so übertrieben, dass es eher komisch ist, als wirklich erschreckend.

                                    Dabei kann man sagen, dass der Film, wie viele Horrorfilme übrigens, sehr moralisch ist. Ein guter Schutz gegen das ultimative Böse ist schon einmal die Jungfräulichkeit, vor allem natürlich vor der Ehe! Außerdem verfällt man im wahrsten Sinne des Wortes dem Teufel, wenn man Versuchungen nicht widerstehen kann. Promiskuität ist genauso wenig zu empfehlen, wie die Einnahme dubioser, unbekannter Substanzen. Bleibt also besser sauber und verfallt um Gottes Willen keinen Schleimern!

                                    Auf recht kurzweilige, schwarzhumorige Art werden hier letztlich bekannte Horrormotive im Billigheimer-Look verkauft. Aber glücklicherweise muss man trotzdem nichts für den Streifen zahlen, da es ihn derzeit umsonst bei Netzkino zu streamen gibt.

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                                      MareikeHB 20.02.2022, 12:56 Geändert 20.02.2022, 12:57

                                      Ist das ein neuer Trend, dass in englischsprachigen Filmproduktionen auf einmal alle (!) Darsteller mit einem Akzent sprechen, nur weil die Produktion im Ausland angesiedelt ist und keine Angelsachsen dabei sind? Wird die Darstellung dadurch authentischer oder einfach nur alberner? Hätte man da nicht deutlich konsequenter sein können und gleich alle Rollen mit Einheimischen besetzen und diese in ihrer Landessprache sprechen lassen können? Müssen amerikanische Schauspieler sich heutzutage alle Akzente der Erde aneignen können, wenn sie einen entsprechend ausländischen Charakter verkörpern? Könnte man einen falschen italienischen Akzent heutzutage nicht als Italian-Facing bezeichnen? Oder sollte es nicht selbstverständlich sein, dass Darsteller theoretisch jede Rolle spielen können, denn das macht ja schließlich die hohe Kunst der Schauspielerei aus? Aber können sie dann nicht trotzdem akzentfrei in ihrer Landessprache sprechen, zumindest dann, wenn sie nicht nur einzelne Vertreter anderer Nationen verkörpern, sodass eine Unterscheidung durch einen Akzent wirklich gerechtfertigt wäre?

                                      All diese Fragen gingen mir bei dem sehenswerten Familiendrama „The House of Gucci“ von Ridley Scott durch den Kopf. Abgesehen von dem überflüssigen italienischen Akzent der nichtitalienischen Darstellerinnen und Darsteller in der Originalversion, ist die Besetzung sicherlich das große Plus des Films. Lady Gaga und Adam Driver können als Hauptdarsteller auf ganzer Linie überzeugen. Jeremy Irons als Familienpatriarch ist gewohnt cool und souverän, hatte leider etwas zu wenig Bildschirmzeit, ähnliches gilt für Selma Hayek. Jared Leto, der viel Mut zur Hässlichkeit beweist und den man hier kaum wieder erkennt, und Al Pacino, wen wundert es, haben ihre Nebenfiguren eher etwas überzeichnet angelegt.

                                      Die tragische Familiengeschichte nach wahren Begebenheiten wird insgesamt recht spannend und glaubhaft erzählt. Im Grunde genommen ist es eine gekonnte Seifenoper, die das wahre Leben schrieb, in der es überwiegend auf die zwischenmenschlichen Beziehungen der Beteiligten ankommt.

                                      Ridley Scotts Regie ist solide, aber unauffällig. Die Ausstattung ist gut, aber insbesondere die Kostüme hätten noch etwas mehr Glamour versprühen können. Der Soundtrack mit vielen Songs aus der Zeit ist durchaus gefällig, aber vielleicht zu wenig italienisch. Letztlich ist dieser Film trotz gewisser Schwächen gehobenes Unterhaltungskino.

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                                        MareikeHB 18.02.2022, 18:21 Geändert 18.02.2022, 18:23

                                        Das Stummfilmmeisterwerk „Steamboat Bill, Jr. - Wasser hat keine Balken“ von Charles Reisner mit dem damaligen Megastar Buster Keaton weiß auch heute noch mit atemberaubenden Stunts und gelungenen Spezialeffekten zu überzeugen. Die Action-Komödie braucht zwar eine Weile, um richtig in Fahrt zu kommen, wird aber bis zum fulminanten Finale immer beeindruckender.

                                        Inhaltlich wird viel geboten: die Rivalität zweier Kapitäne, eine Vater/Sohn-Geschichte, romantische Liebe, eine klassische Heldenerzählung durch die Bewältigung eines unglaublichen Sturms. Gerade auch die gut getimten visuellen Gags sind heute noch spektakulär. All dies macht diesen kurzen Film zu einem zeitlosen Vergnügen für Alt und Jung. Nur was der merkwürdige, wie unnötige, Titelzusatz „Wasser hat keine Balken“ soll, bleibt ein Rätsel.

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                                          MareikeHB 16.02.2022, 18:07 Geändert 16.02.2022, 18:22

                                          „Das krumme Haus“ von Gilles Paquet-Brenner ist ein gediegener Whodonit traditioneller Machart nach einer durchaus plausiblen Kriminalgeschichte der legendären Agatha Christie.
                                          Hier wird inhaltlich und gestalterisch das Rad zwar nicht neu erfunden, dafür gibt es angenehme Spannung, zahlreiche, schräge Verdächtige, eine gelungene Ausstattung im 50er-Jahre Look und ein wunderschönes, altes Herrenhaus.
                                          Auf Glenn Close kann man sich als Darstellerin immer verlassen, und Max Irons mimt gekonnt unaufgeregt den jungen Schnüffler. Bei Max Irons, der mir schon positiv in „Die Frau in Gold“ aufgefallen ist, warte ich noch auf die wirklich großartigen Filmrollen, damit er in die (großen) Fußstapfen seines Vaters Jeremy treten kann.

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                                            MareikeHB 15.02.2022, 19:07 Geändert 15.02.2022, 19:08

                                            Klassiker-Tipp! Noch bis zum 17.03.2022 in der Arte-Mediathek.
                                            „Verliebt in scharfe Kurven“ - da denkt man wohl nicht in erster Linie an ein Buddy-Movie. Genauer gesagt handelt es sich hier um ein Buddy-Road-Movie. Regisseur Dino Risi kombiniert auf sehr unterhaltsame und kurzweilige Weise viel italienische Lebensart, 60er-Jahre-Flair, feine tragikomische Momente, Gesellschaftskritik und überraschende Wendungen.

                                            Der selbstbewusste Lebemann mittleren Alters (Energiebündel Vittorio Gassman) lernt zufällig einen gehemmten und sehr schüchternen Jurastudenten (Jean-Louis Trintignant) kennen und verbringt mit diesem spontan zwei intensive Tage und durchfeierte Nächte in Rom und Umgebung. Die Charakterzeichnungen, auch die der Nebenfiguren, sind brillant. Es wird ein Italien des Umbruchs gezeigt. Traditionelles Landleben steht im Widerstreit mit dem Wirtschaftswunder - konservative Werte, repräsentiert durch den Studenten, treffen auf das vom Lebemann verkörperte Streben nach Individualismus mit einhergehender Konsumlust und Oberflächlichkeit. Das Ende zeigt, dass in dieser durch den Lebemann verkörperten, verführerischen, neuen Welt nicht für jeden Menschen ein Platz zu finden ist. Regie und Kamera sind immer auf der Höhe, und der Klassiker italienischer Popmusik „Quando, Quando, Quando“ von Tony Renis zieht sich wie ein roter Faden durch den Film.

                                            Ein weiterer Hauptdarsteller ist das leicht ramponierte, wunderschöne Cabrio Lancia Aurelia mit seiner musikalischen Hupe. Der Film gilt als Meisterwerk der commedia all‘italiana, der typisch italienischen Komödie. Tatsächlich ist es eher eine Tragikomödie der leiseren Art, mit einem ungewöhnlichem Ende.

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                                              MareikeHB 13.02.2022, 19:02 Geändert 13.02.2022, 19:07

                                              Mein Sohn hatte sich mit der philosophischen Frage zu befassen, ob Menschenaffen die gleichen Rechte wie Menschen haben sollten. Hierzu merkte er an, dass oftmals leider nicht einmal allen Menschen die gleichen Rechte zukommen. Genau mit letzterer Thematik befasst sich auch die sehenswerte Doku-Miniserie „Rottet die Bestien aus!“ von Raoul Peck.

                                              Der in Haiti geborene, dunkelhäutige Regisseur Peck zeigt äußerst detailliert die Verbrechen der Europäer mit ihrer Kolonisationspolitik seit dem 15. Jahrhundert auf, die aus einem kulturellen Überlegenheitsgefühl resultieren. Dies führte zu einem über Jahrhunderte andauernden Massenmord der indigenen Völker in Amerika, der Aborigines in Australien, die millionenfache Versklavung und Massenmorde der Afrikaner und gipfelte schließlich in dem besonders „effektiven“ millionenfachen Mord der Juden unter den Nationalsozialisten in nur wenigen Jahren.

                                              Peck, der schon in vielen Teilen der Welt gelebt hat, u.a. auch in Afrika, den USA, Frankreich und in Berlin, wo er an der Deutschen Film- und Fernsehakademie studierte, bereist für diese Dokumentation die Welt und stellt mit Schauspielerinnen und Schauspielern, u.a. Josh Hartnett, einige wichtige, historische Szenen nach. Zudem zeigt er Ausschnitte aus bekannten Spielfilmen, historisches Bildmaterial und Zeichentrickfilme, um seine These des bei den Europäern und weißen Amerikanern tief verankerten Gefühl der „Überlegenheit der Weißen“ zu untermauern. Auch lässt er Experten zu Wort kommen und persönliche Erfahrungen mit einfließen.
                                              Schonungslos deckt er Beispiele der Geschichtsverklärung auf, die aus der Siegermentalität der Briten und weißen US-Amerikanern resultieren. Insbesondere mit dem Selbstverständnis der USA geht er hart ins Gericht.

                                              Dabei ist seine Vorgehensweise nicht chronologisch, sondern er springt zeitlich vor und zurück von Ereignis zu Ereignis, um die Parallelen in der Geschichtsschreibung aufzuzeigen. Dabei schafft er auch Bezüge zu wissenschaftlichen Erkenntnissen, z.B. durch Darwin, die als weitere Rechtfertigung für die Ausbeutung der Schwächeren dienten. Vieles wiederholt sich im Laufe der Dokumentation, aber genau dadurch wird auch das ganze Ausmaß der Verbrechen deutlich. Auch spielt er mit den Sehgewohnheiten der Zuschauer, indem er einmal den Spies umdreht und weiße Kinder von Schwarzen versklaven lässt.

                                              Letztlich wird deutlich, dass an dem Reichtum aller Europäer und Amerikaner Blut klebt. Niemand hat sich weltweit mehr auf das „Recht des Stärkeren“ berufen als die Europäer und ihre amerikanischen Nachfahren. Die Folgen der Ausbeutung ganzer Kontinente spüren wir gerade in der heutigen Zeit immer noch deutlich. Peck setzt gekonnt die unterschiedlichsten filmischen Mittel ein, um eine Dokumentation der verbrecherischen Ungerechtigkeit zu schaffen, die auf alle Fälle nachwirkt.

                                              Noch bis zum 31.05.2022 in der arte-Mediathek!

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                                                Die Deutschen sind, gerade wenn es um deutsche Filme geht, anscheinend manchmal besonders kritisch. Genau dies bekommt das Historien- und Ehedrama „Nirgendwo in Afrika“ von Caroline Link hier zu spüren. Immerhin wurde dieser Streifen, der auf dem autobiografischen Roman von Stefanie Zweig basiert, mit dem „Oscar“ als bester fremdsprachiger Film prämiert. Und man kann sagen, durchaus zurecht!

                                                Der junge, deutsch-jüdische Rechtsanwalt Redlich wandert 1938 unter den Nationalsozialisten nach Kenia aus, um eine Farm zu verwalten. Seine Ehefrau und seine Tochter folgen ihm widerwillig nach. Gerade seine Ehefrau hadert zunächst mit ihrem neuen Zuhause, da das karge Leben auf der Farm nicht viel mit ihrer Zugehörigkeit zu den besseren gesellschaftlichen Kreisen in ihrer alten Heimat gemein hat. Durch kriegsbedingte, äußerliche Zwänge und das Streben der Ehefrau nach Selbstbestimmtheit wird die Ehe zusätzlich auf eine harte Probe gestellt. Spannungsmomente oder echte Dramatik sind rar gesäht. Dennoch bleibt das Geschehen rund um die Familie Redlich, gerade in der Beschreibung des Alltags, immer interessant und kurzweilig.

                                                Das Leben in Afrika und der unmittelbare Kontakt mit den Einheimischen wird glaubwürdig geschildert. Auch begegnet die Regisseurin den afrikanischen Eingeborenen positiv zugewandt und mit gebührendem Respekt.
                                                Die Protagonisten, grandios verkörpert von Juliane Köhler und Merab Minidze, sind Charaktere mit Ecken und Kanten. Die Besetzung der Nebendarsteller ist ebenfalls sehr gelungen.

                                                Wirklich erstklassig ist zudem die oft sehr einfallsreiche Regie der Caroline Link. Sie vermag immer wieder Momente echter Kinomagie zu zaubern, unterstützt von einer Kamera, die wunderschöne Bilder einfängt. Auch die sehr hörenswerte Filmmusik von Niki Reiser trägt zu diesem äußerst sinnlichen Filmvergnügen bei.

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                                                  MareikeHB 07.02.2022, 19:01 Geändert 07.02.2022, 19:09

                                                  „Taxi Teheran“ von und mit Jafar Panahi ist ein mutiger und, technisch gesehen, sehr außergewöhnlicher Film. Hintergrund ist, dass dem regimekritischen Regisseur Panahi im Iran ein Drehverbot auferlegt wurde. Aber Not macht bekanntermaßen erfinderisch. Panahi besorgte sich ein Taxi und drehte seinen Film mit einer kleinen Kamera, die dieses Taxi niemals verlässt. Diese Kamera wird bewusst immer einmal in eine andere, passende Richtung gedreht, sodass die „Kameraleute“, der sympathische, taxifahrende Regisseur und einige Mitreisende über diese „bewusst geführte“ Kamera immer sichtbar sind und letztlich mit dem Filminhalt verschmelzen. Die Einstellungen sind lang und kommen mit wenigen Schnitten aus.

                                                  In diesem inszenierten Dokumentarfilm fährt Panahi diverse Fahrgäste durch Teheran. Mit leisem Humor äußert er mithilfe der Mitreisenden mehr oder weniger offensichtlich Kritik an den bestehenden Verhältnissen im Iran. Wenn über die Vorgaben an Filme gesprochen wird oder eine Menschenrechtsaktivistin zu Wort kommt, geschieht dies plakativ. Weit subtiler zeichnet er dieses kritische Bild seiner Regierung, wenn er ein blutendes, metaphorische Opfer des Systems, fanatischen Aberglauben (als versteckte Religionskritik?), Schattenwirtschaft, das (nicht offensichtliche) misshandelnde Böse in der Nachbarschaft in allzu menschlicher Gestalt und den Mangel an Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit anhand der Erlebnisse der unterschiedlichen Mitreisenden darstellt.

                                                  Als mir die Hintergründigkeit seiner scheinbar recht unspektakulären, kleinen Geschichten bewusst wurde, habe ich den Film mit meiner Bewertung nochmals hochgestuft. Hier gibt es viel zu entdecken und zu deuten. Auch das absurde Ende ist genial und zeigt bildhaft, dass sein Film gegen bestehende (ebenfalls absurde) Gesetzte verstößt. Dieses Meisterwerk wurde zurecht mit dem „Silbernen Bären“ ausgezeichnet.

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                                                    MareikeHB 06.02.2022, 15:38 Geändert 06.02.2022, 15:54

                                                    Die insgesamt sehenswerte, sehr berührende Tragikomödie „Ein Mann namens Ove“ von Hannes Holm bleibt immer nahe an der gleichnamigen literarischen Vorlage, dem lesenswerten Bestseller von Fredrik Backman.
                                                    Der 59 Jahre alte, mürrische und pedantische Ove verliert nach seinem Jobverlust seinen Lebensmut. In Rückblenden werden weitere Schicksalsschläge in seiner Vergangenheit aufgezeigt. Neue Nachbarn stellen ihn schließlich vor neue Herausforderungen.

                                                    Die Regie ist unauffällig routiniert und die grandiosen Darsteller tragen den Film. Einige Nebenstränge der Geschichte, die Randfiguren betreffen, werden allerdings nur angerissen. Die Hauptfigur mit „dem zu großen Herz“ wird auch leider über die Maßen heroisiert. Zudem verlaufen einige psychologische Entwicklungen zu schnell. Hier wäre ein Weniger an Nebenhandlungen deutlich mehr gewesen. Diese Schwäche, die viele Literaturverfilmungen teilen, und die etwas übertriebene, politisch korrekte Botschaft der Toleranz wird glücklicherweise durch schwarzen Humor, schillernde Typenzeichnungen und die fesselnde Lebensgeschichte Oves mehr als ausgeglichen.

                                                    Dieser „Crowd-Pleaser“ ist letztlich ein typischer Repräsentant des gehobenen Mainstream-Kinos. Da kommt die „Oscar“- Nominierung als bester fremdsprachiger Film nicht von ungefähr. Jedenfalls gibt das Werk auf unterhaltsame Art und Weise interessante Gedankenanstöße zu den Themen Sinn des Daseins, Trauerbewältigung und Mitmenschlichkeit.

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