MareikeHB - Kommentare
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Alle Kommentare von MareikeHB
Der grandiose Thriller „Ich beichte“ zählt zu Alfred Hitchcocks eher unbekannteren Werken. Zu unrecht. Ein katholischer Priester (Montgomery Clift) nimmt einem Mörder (O.E. Hasse) die Beichte ab. Schon bald fällt der Verdacht auf den Priester, und ein Polizist (Karl Malden) sitzt ihm im Nacken. Die Handlung, die in Montreal, Kanada, angesiedelt ist, ist durchweg spannend, subtil und mit wohl dosierten Wendungen bis zum gelungenen Ende konzipiert.
Hitchcock erweist sich einmal mehr als überaus einfallsreicher Regisseur und wird von einer hervorragenden Kamera unterstützt, die sich durch kontrastreiche Schwarzweißbilder und interessante Einstellungen auszeichnet. Der Thriller ist bis in die kleinste Nebenrolle hervorragend besetzt, wobei Montgomery Clift in seiner Rolle als Priester in einem Gewissenskonflikt und der gruselig anmutende O.E. Hasse als Mörder herausstechen. Zu bewundern ist mit diesem Film nichts weniger als ein kleines Meisterstück der Unterhaltung in bester Hitchcock-Tradition.
Super Idee, Kidhan! Meine Top Ten der 1970er Jahre sind:
1. American Graffiti (George Lucas, USA)
2. Der diskrete Charme der Bourgeoisie (Louis Bunuel, Frankreich/Spanien)
3. Der Weiße Hai (Steven Spielberg, USA)
4. The Last of Sheila (Herbert Ross, USA)
5. Die Dinge des Lebens (Claude Sautet, Frankreich)
6. Monty Python‘s wunderbare Welt der Schwerkraft (Ian MacNaughton, Großbritannien)
7. Der Pate (Francis Ford Coppola, USA)
8. Der Spiegel (Andrei Tarkowski, Russland)
9. Todesmelodie (Sergio Leone, Italien)
10. Willkommen Mr. Chance (Hal Ashby, Großbritannien)
Derzeit im Prime-Abo: „Blade Runner 2049“ von Denis Villeneuve ist ein visuell berauschendes und inhaltlich gehaltvolles Science-Fiction Drama, das an den Klassiker „Blade Runner“ von Ridley Scott aus dem Jahr 1982 anknüpft. Im Jahre 2049 leben Menschen, von Menschen produzierte Replikanten und KI-Hologramme nebeneinander auf der Erde. Ein Replikant (Ryan Gosling) erhält den Auftrag, Replikanten zu finden, denen es gelungen ist, sich wie Menschen fortzupflanzen. Er begibt sich auf die Suche nach dem Vater (Harrison Ford) und etwaigen Nachkommen. Dabei gerät er in eine Identitätskrise.
Vieles aus dieser phantasievoll gestalteten Zukunftsvision fühlt sich realistisch an, insbesondere die humanoiden Hologramme. Kamera und visuelle Effekte sind grandios und wurden zurecht mit einer „Oscar“-Auszeichnung bedacht. Die Geschichte wird mit Ruhe erzählt. Dabei wird die Spannung gut gehalten, Action-Elemente werden eher sparsam dosiert eingesetzt. Etwas einseitig dürfen nur Frauen blanke Haut zeigen und als Sexsymbol dienen, Männer dagegen nicht.
Ryan Gosling mimt mit stoischem Gesichtsausdruck überzeugend den Replikanten, der sich menschlich fühlt, Harrison Ford hat eine würdige Nebenrolle, aber auch die übrigen Darstellerinnen und Darsteller überzeugen: die kämpferische Robin Wright, die zauberhafte Ana de Armas sowie der machtbesessene Jared Leto. Die minimalistisch melodiös konzipierte Filmmusik von Hans Zimmer und Benjamin Wallfisch findet immer den richtigen Ton.
„Das Haus der Lady Alquist“, im Original „Gaslight“, ist ein Noir-Klassiker und ein hervorragendes Psychodrama, das auf dem Theaterstück „Gas Light“ von Patrick Hamilton basiert. Der Begriff „Gaslighting“ wurde später in der Psychologie aufgriffen, um Personen zu beschreiben, die ihre Opfer hinterhältig beeinflussen, damit diese Selbstbewusstsein und Verstand verlieren. Eine junge, unsichere Frau (Ingrid Bergman), die als Kind eine traumatische Erfahrung hatte, heiratet einen höchst manipulativen Mann (Charles Boyer). Die zunehmend durchtriebeneren Beeinflussungen des Ehemannes werden äußerst subtil über Dialoge und Handlungen dargestellt. Dementsprechend nimmt die Spannung kontinuierlich bis zum herrlich süffisanten Ende zu.
Hervorzuheben ist auch die hervorragende Besetzung: Ingrid Bergman, in der Blüte ihrer Schönheit, wurde zurecht mit einem „Oscar“ als beste Hauptdarstellerin geehrt. Charles Boyer als ihr Widerpart, Joseph Cotton als Sympathieträger sowie die noch sehr junge Angela Lansbury als forsche Hausangestellte glänzen ebenfalls in ihren Rollen. Regisseur George Cukor, einer der Großen des „Goldenen Zeitalters“ Hollywoods, beweist einmal mehr, dass er Schauspieler hervorragend führen kann. Aber auch die detailfreudige Ausstattung der Innenaufnahmen, die ebenfalls mit einem „Oscar“ honoriert wurde, ist gelungen. Historisch interessant ist, dass es im 19. Jahrhundert in London - der Film spielt im viktorianischen Zeitalter - vor der Elektrifizierung Gaslichter auf den Straßen gab und dass auch die Häuser offensichtlich mit Gasleitungen und Gaslichtern ausgestattet waren.
„Lilien auf dem Felde“ ist eine ungewöhnliche, äußerst liebenswerte Komödie über gelebte Integration und Gemeinsinn in den USA. Hier werden mittellose ostdeutsche Nonnen, die in der Einöde Arizonas leben und kaum Englisch sprechen können, durch den dunkelhäutigen Wanderarbeiter und Handwerker Homer Smith (Sidney Poitier) an den „American Way of Life“ herangeführt. Dabei treffen völlig unterschiedliche Lebenswelten aufeinander, die karg lebenden, streng religiösen Nonnen und der lebensfrohe, selbstbewusste Homer Smith. Das gemeinsame Ziel ist der Bau einer Kapelle in der Wildnis.
Das Besondere an diesem Film ist, dass er oft zweisprachig ist. Später hört man sogar noch Spanisch von Einwanderern aus Mittel- oder Südamerika. Die Sprachenvielfalt ist sowohl in der sehr empfehlenswerten Originalversion, als auch in der gelungenen deutschen Synchronisation zu hören. Schließlich geht es auch darum, wie die deutschen Nonnen Amerikanisch lernen. So ergeben sich zahlreiche witzige Dialoge und Situationen. Insbesondere das nicht immer leichte Verhältnis zwischen der diktatorischen Schwester Oberin „Mama Maria“ und und dem lässigen Smith (genannt Schmitt) ist von Dynamik geprägt. In einem Streit nennt er sie „Diktator“, im englischen Original sogar „Hitler“.
Die Besetzung ist großartig. Insbesondere Sidney Poitier strahlt viel Charme aus und erspielte sich zurecht einen „Oscar“. Er war übrigens der erste Dunkelhäutige, der einen „Oscar“ als bester Hauptdarsteller erhielt. Die grandiose Filmmusik von Jerry Goldsmith verarbeitet immer wieder den Spiritual „Amen“. Der Song „Amen“, hervorragend von Poitier dargeboten, spielt ebenfalls eine wichtige Rolle als Brückenbauer der beiden unterschiedlichen Kulturen.
Danke an Framolf und angucker für die wunderbare Empfehlung!
„The Good Liar - Das alte Böse“ von Bill Condon beginnt als vorhersehbarer, leicht komödiantischer Betrügerfilm und entwickelt sich mit einem Wendepunkt und einem zunehmend abstruseren Geschehen zum Ärgernis. Man hat das Gefühl, dass es bei der Entwicklung der Geschichte vor allem auf Knalleffekte ankam und nicht etwa auf logische Entwicklungen. Die Besetzung mit Hellen Mirren, Ian McKellen und Russell Tovey kann leider auch nicht viel reißen. Mirren spielt nur mit halber Kraft und McKellen nervt als schleimiger Witwenbetörer. Eine Verliebtheit nimmt man ihm an keiner Stelle ab.
Massive SPOILER:
Zunächst war schon von Anfang an klar, dass die „gutgläubige“ Witwe den unsympathischen Trickbetrüger hochnehmen würde. Natürlich tut sie das nicht nur, weil er sie sehr offensichtlich um ihr Geld erleichtern will. Nein, sie hatte noch eine Rechnung aus früheren Zeiten offen und plante jedes Detail, um sich sich zu rächen. Allein dies ist nicht besonders originell oder gar glaubhaft. Hinzu kommt, dass sich die Briten einmal mehr eines bösen Deutschen bedienen. Der Betrüger hat durch eine fragwürdige Aktion nach dem Krieg die Identität eines verstorbenen Engländers angenommen. Aha. Dann hat dieser noch als 15-Jähriger die weibliche Hauptfigur, die ebenfalls deutsche Wurzeln hat, im Jahre 1943 in Berlin bei der Englischnachhilfe vergewaltigt. Geht’s noch schlimmer? Er hat sodann noch den Vater des Vergewaltigungsopfers, einen erfolgreichen Geschäftsmann, bei den Nazis denunziert, sodass dieser getötet wurde. Dies wiederum (ja, es geht noch schlimmer) trieb die Mutter in den Selbstmord. Bei einem so durch und durch bösen Menschen, so böse können natürlich aus britischer Sicht nur Deutsche sein, ist im Finale auch der Tritt in die Eier obligatorisch.
„Die Geliebte des französischen Leutnants“ von Karel Reisz ist ein gediegenes und auch ungewöhnliches Liebesdrama, das auf der gleichnamigen Romanvorlage von John Fowles beruht. Das Drehbuch wurde von keinem geringeren als dem Literatur-Nobelpreisträger Harold Pinter geschrieben.
Es gibt zwei Handlungsebenen, die geschickt miteinander verwoben sind. Im Grunde genommen geht es um einen Film im Film. Im Vordergrund steht eine Liebesgeschichte zwischen einem Naturwissenschaftler (Jeremy Irons), der mit einer jungen Frau aus wohlhabenden Hause verlobt ist, sich aber dann in eine mysteriöse Außenseiterin und „Geliebte des französischen Leutnants“ (Meryl Streep) verliebt. Diese Handlungsebene ist im prüden viktorianischen Zeitalter in Großbritannien (19. Jahrhundert) angesiedelt. Zudem geht es auch um die Schauspieler in der Jetztzeit des Films, die die vorgenannten Hauptfiguren in einem Film spielen und eine außereheliche Affäre miteinander haben.
In den beiden Handlungssträngen passiert nicht viel Außergewöhnliches. Es gibt knisternde, stilvolle erotische Momente, ansonsten fehlt es etwas an wirklich spannenden Elementen. Aber der Kontrast der Liebesgeschichten wird gekonnt und punktgenau gegenübergestellt. Indem die Schauspieler gelegentlich auch über den Film und die in der Vergangenheit angesiedelte Geschichte sprechen, wird immer wieder eine ironische Distanz aufgebaut, die vor allem am Schluss zur Geltung kommt.
Stark bebildert mit malerischen Aufnahmen, eine detaillierte, liebevolle Ausstattung, das hervorragende Schauspiel aller Beteiligten, die angenehme Filmmusik von Carl Davis, machen diesen eher ruhigen und leisen Film zu einem sinnlichen Vergnügen. Der Film erhielt u.a. 5 „Oscar“-Nominierungen und zahlreiche andere internationale Preise und Nominierungen.
Derzeit im Prime-Abo! „Amerikanische Fiktion“ von Cord Jefferson ist ein überzeugendes Familiendrama und eine überaus einfallsreiche Satire über politische (Über-) Korrektheit und Rassismus, basierend auf dem Buch „Ausradiert“ von Percival Everett. Der afro-amerikanische Autor Thelonious Ellison (Jeffrey Wright), genannt „Monk“ (nach dem legendären Jazz-Musiker Thelonious Monk) wird mit einer Schaffenskrise und familiären Problemen konfrontiert.
Zwei Handlungsstränge dominieren: Zum einen einer, der ernstere und auch zuweilen berührende Töne anschlägt, wenn es um die Bewältigung familiärer Probleme geht. Zum anderen werden die Nöte afroamerikanischer Autoren in der Literaturszene der USA sehr pointiert und mit satirischen Spitzen beleuchtet. Das gelungene Ende hält zudem noch eine Überraschung bereit, die sich sehr gut ins Geschehen einfügt. Dementsprechend konnte der Regisseur Jefferson für die Kategorie „Bestes adaptiertes Drehbuch“ zurecht einen „Oscar“ einheimsen. Passend zum Spitznamen des Protagonisten bietet die „Oscar“-nominierte Filmmusik von Laura Karpman eine feine, unaufdringliche Jazz-Musik. Auch in den Sparten „Bester Film“, „Bester Hauptdarsteller“ (Jeffrey Wright), „Beste Nebenrolle“ (Sterling K. Brown, als Bruder der Hauptfigur) gab es verdient Nominierungen für den „Oscar“.
Derzeit bei Prime im Gratis-Stream unter dem Titel „Der Verräter“. Der Originaltitel des überaus originellen Historienfilms von Paolo und Vittorio Taviani „Allonsanfan“ spielt auf die ersten beiden Wörter der französischen Nationalhymne „Allons enfants…“ an und auf die (teilweise auch halbherzigen) revolutionären Bewegungen in Europa im 19. Jahrhundert. Ein adeliger Revolutionär (Marcello Mastroianni) wird in Italien Mitte des 19. Jahrhunderts aus dem Gefängnis entlassen. Der Revolution müde, möchte er sich auf dem Landsitz seiner Familie zur Ruhe setzen. Doch so leicht lässt sich die Vergangenheit nicht abstreifen…
Dieses spannende und auch etwas satirisch angelegte Historiendrama ist äußerst originell inszeniert und immer einmal wieder mit skurrilen Momenten durchsetzt, die für Überraschungen sorgen. Auch kameratechnisch bleibt nichts zu wünschen übrig. So wird z.B. die Hausherrin auf dem Landsitz bei Tisch wie ein Gemälde gefilmt, mit starrer Miene und einem verdunkelten Hintergrund. Es gibt viele kleine denkwürdige Szenen dieser Art. Letztlich geht es darum, dass ein Revolutionär aus der Oberschicht ein zu „satter“ Revolutionär ist und daher als Anführer untauglich ist. Frei nach dem Motto: Stell dir vor es ist Revolution und keiner geht hin. Aber die Folgen sind noch gravierender, wie der deutsche Titel vermuten lässt. Das Ende ist erwartungsgemäß bitter und überaus gut gelungen, wie auch die musikalische Untermalung des Meisterkomponisten Ennio Morricone.
Das beeindruckende gesellschaftskritische Drama „A Man of Integrity“ von Mohammad Rasoulof beschreibt eine Welt im heutigen Iran, in der man entweder zu den Unterdrückten oder zu den Unterdrückern zählt und praktisch in einem rechtsfreien Raum lebt. Ein sturer und rebellischer Fischzüchter versucht sich gegen einen „Unterdrücker“ aufzulehnen, indem er sich mit einem mächtigen, rücksichtslosen Nachbarn anlegt.
Manchmal erinnert der Film von der Narrative an einen klassischen Western, in dem ein aufrechter Mensch sich gegen z.B. einen übermächtigen Rinderbaron wehrt, der sein Umfeld tyrannisiert und seinen Nachbarn das Land abspenstig machen möchte. Hier ist aber meist nicht die rohe Gewalt das Mittel, um Ziele zu erreichen. Vielmehr geht es um das bewusste Fließenlassen von Geldströmen an den richtigen staatlichen oder einflussreichen Stellen. Der Filmemacher prangert dieses in der iranischen Gesellschaft offensichtlich weit verbreitete System der Korruption an, zeigt aber auch, wie schwer es ist, sich einem Unrechtsregime zu entziehen.
In dem handwerklich gelungenen und spannend inszenierten Drama bekommt man einen guten Einblick, wie dieses unfreie Land Iran funktioniert und wie schwierig das Leben für die Menschen sein kann. Die Hauptfiguren sind hervorragend besetzt und wirken sympathisch. Auch der weiblichen Hauptdarstellerin, der Ehefrau des Fischzüchters, kommt als intelligente Schulleiterin einer Mädchenschule eine tragende Rolle zu. Ein wenig Religionskritik wird auch geübt, wenn es darum geht, dass eine Frau mit dem „falschen“ Glauben nicht beerdigt werden darf. Leider verläuft die Entwicklung zum gelungenen Ende des Films ein bisschen zu überhastet. Eine intime Zärtlichkeit zwischen dem Ehepaar wird nur sehr diskret angedeutet - mit einer kurzen Handbewegung zur Kopfbedeckung der Frau und sodann mit dem Bild eines Kochtopfes mit überschäumender Milch. Wenn man bedenkt, wie schwierig es ist, einen derartig kritischen Film im Iran zu produzieren, kann man dem Filmemacher nur höchsten Respekt zollen. Diese Künstler riskieren mit derartigen Projekten Freiheit und schlimmstenfalls ihr Leben.
Das Filmkunstwerk „Über die Unendlichkeit“ von Roy Andersson verspricht mehr als es hält. Letztlich ist dieser Episodenfilm nur ein blasser Abklatsch von Anderssons früheren Werken. Ihm gelingt es weder inhaltlich Neues zu erzählen, noch sich stilistisch weiterzuentwickeln. Wie man es von ihm kennt, gibt es lange, statische Einstellungen, mit Pastelltönen farblich durchkomponierte Studioszenen und mehr oder weniger (Un-)Spektakuläres aus dem Sumpf des menschlichen Daseins. Kam seinen früheren Werken noch der Reiz des Neuen zugute, verbleibt hier nur noch unendliche Langeweile. Immerhin ist die Laufzeit mit 78 Minuten erträglich.
Das Historiendrama „Oppenheimer“ von Christopher Nolan vermittelt eindrucksvoll die Hintergründe der Entwicklung der ersten Atombombe in den USA und porträtiert den daran maßgeblich beteiligten Physiker J. Robert Oppenheimer auf recht eindimensionale Art. Interessant sind vor allem die historischen Hintergründe, die dazu führten, dass die USA den Wettlauf um die besonders tödliche Bombe gewannen. Die Nazis vertrieben durch ihren Antisemitismus führende Physiker und spielten damit vor allem den USA in die Karten, die für führende jüdische Wissenschaftler offen waren. Nach dem zweiten Weltkrieg, während des „Kalten Krieges“ mit der Sowjetunion, wurden in der sog. McCarthy-Ära viele renommierte Wissenschaftler, wie auch Oppenheimer, die während des zweiten Weltkrieges mit den „Linken“ sympathisierten, als „Kommunisten“ verfolgt. In dem Film wird zwischen diesen verschiedensten zeitlichen Ebenen immer wieder gewechselt. Die Befragungen aus der McCarthy-Zeit werden passenderweise in Schwarzweiß gehalten. Immerhin handelt es sich aus heutiger Sicht um ein dunkles Kapitel in der Geschichte der USA.
Der ständige Wechsel in den zeitlichen Ebenen erfordert eine hohe Aufmerksamkeit. Zudem wird offensichtlich auch ein gewisses historisches Hintergrundwissen vorausgesetzt. Leider ist das Porträt des Wissenschaftlers Oppenheimer weniger geglückt. Hier wird offensichtlich vieles verklärt. Insgesamt erfährt man nicht viel über den Menschen Oppenheimer. Natürlich wurde er immer wieder von Gewissensbissen bei der Entwicklung der Bombe geplagt und erscheint weitestgehend als umgänglicher Mensch. So sieht Heldenverehrung made in Hollywood aus. Natürlich darf auch eine wichtige Ansprache vor wehender US-amerikanischer Flagge nicht fehlen. Von den japanischen Opfern des ersten Einsatzes der Atombombe wird nicht viel gesprochen, auch nicht von den Folgen für die an den Beteiligten des ersten Atombombentests in der Wüste Neumexikos. Man hat das Gefühl, dass die Gefahren des Zündens einer Atombombe in dem Film etwas heruntergespielt werden.
Vom Handwerk her ist der Film solide, aber keinesfalls künstlerisch erhaben. Dafür ist Nolans Inszenierungsstil dann doch recht brav geraten, ohne wirkliche Innovationen und Raffinesse. Die Schauspielerinnen und Schauspieler wurden dagegen hervorragend gewählt. Der markante Cillian Murphy füllt die Rolle Oppenheimers gut aus, auch wenn ihm ruhig mehr hätte abverlangt werden können. Für einen “Oscar“ reichte es jedenfalls. Zudem reichen sich viele Prominente in Kurzauftritten die Klinke. Dabei sind der sichtlich gealterte Robert Downey Jr. als Oppenheimers Gegenspieler und Matt Damon (hier mit ungewohntem Schnauzbart) als leitender Offizier hervorzuheben und erst auf dem zweiten Blick zu erkennen. Leider sind die Figurenzeichnungen aller Beteiligten und ein zuweilen penetranter Steicher-Soundtrack von Ludwig Göransson weitere Schwachpunkte dieses ansonsten durchaus sehenswerten Filmes.
Deutsche Regisseurinnen, die in Hollywood einen Film drehen, findet man eher selten. Der Schauspielerin und Regisseurin Maria Schrader wurde die Ehre mit dem spannenden Gerechtigkeitsdrama „She Said“ zuteil. Vielleicht bedurfte es einer von Hollywood außenstehenden Frau, um den Missbrauchsskandal rund um Harvey Weinstein filmisch aufzuarbeiten. Im Zentrum dieser auf wahren Begebenheiten beruhenden Geschichte stehen die beiden hartnäckigen und unermüdlichen Journalistinnen der New York Times, Megan Twohey (Carey Mulligan) und Jodi Kantor (Zoe Kazan). Sachlich und unaufgeregt werden die gerichtlich nachgewiesenen Untaten des Harvey Weinstein und seines Umfeldes nach und nach ans Licht gebracht.
Maria Schrader setzt das Geschehen souverän und mit viel Fingerspitzengefühl in Szene. Die Protagonisten wirken authentisch und die Besetzung ist gelungen. Ein wichtiges Stück Zeitgeschichte mit universeller Botschaft, erstaunlich nüchtern dargeboten.
„Anatomie eines Falls“ von Justine Triet ist ein fesselndes Justiz- und Ehedrama. Ein blinder Junge findet den Leichnam seines Vaters, der offensichtlich vom Balkon stürzte. War es Selbstmord oder hat seine Mutter (Sandra Hüller), eine erfolgreiche, undurchsichtige Schriftstellerin, nachgeholfen?
In einem Strafprozess versucht man, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Letztlich nehmen die Zuschauer die Position der Vorsitzenden Richterin ein. Nach und nach erfährt man immer mehr über die Beziehung des Ehepaars. Die Spannung ergibt sich daraus, dass man ständig zwischen einer Schuld- und einer Unschuldsvermutung hin und her schwankt. Das Schauspiel, insbesondere das von Sandra Hüller, ist in dieser kammerspielartigen Produktion grandios. Zurecht gewann Sandra Hüller diverse Preise für ihre tadellose Darbietung. Es ist aber auch der Lieblingssong des Opfers, „Pimp“ von der Bacao Rhythm and Steel Band, der sich regelrecht in den Schädel einbrennt. Erstmalig wird er kurz vor dem Todesfall des Opfers gespielt und später im Verlaufe des Films immer wieder aufgegriffen.
Was ist das Gegenteil von gut? - Gut gemeint. Dies könnte auch das Motto der Dramödie „The Holdovers“ von Alexander Payne sein. Es handelt sich hier um einen typischen Hollywood-Feelgood-Film, der sicherlich in Zukunft seinen Platz im Weihnachtsfilm-Fersehprogramm finden wird. Leider krankt der Film an erzählerischen Schwächen. Ein schwieriger, fast erwachsener Internatsschüler, sein unbarmherziger Lehrer und eine trauernde Köchin verbringen notgedrungen die Weihnachtsferien in einem elitären Internat zusammen. Leider ist die im Jahre 1970 zur Zeit des Vietnamkrieges angesiedelte Geschichte dermaßen konstruiert, sodass die Glaubwürdigkeit immer einmal wieder leidet.
Zunächst verbleiben mehrere, wenn überhaupt, schablonenhaft charakterisierte Schüler im Internat, die jedoch plötzlich alle, bis auf einen, zeitgleich doch noch abgeholt werden. Ein weiteres Problem ist, dass man dem Schauspieler Doninic Sessa den schwierigen Schüler, der angeblich schon von zwei Schulen geflogen ist, nicht abnimmt. Er wirkt viel zu zahm und leider auch zu alt für die Rolle. Die beiden weiteren Hauptdarsteller, der kauzige Paul Giamatti als Lehrer und die ausdrucksstarke Da‘Vine Joy Randolph als Köchin sind gut besetzt. Allerdings bleibt letztere charakterlich sehr eindimensional.
Erwartungsgemäß haben alle „Päckchen zu tragen“, die mit der Zeit durch Überwindung der Einsamkeit - oh Wunder - an Last verlieren. Am interessantesten ist die seelische Bürde des Schülers. Wenn es um die Trauer der Köchin geht, kommt eine sozialkritische Komponente ins Spiel. Sozial benachteiligte junge Männer wurden offensichtlich viel eher in den Vietnamkrieg eingezogen und verheizt. Hier wird einer Mutter glücklicherweise etwas Raum gegeben, ihre Trauer zu verarbeiten. Die gemeinsamen Erlebnisse der Hauptfiguren sind unterschiedlich interessant und überzeugend. Das Ende mit einer überdramatisierten Wendung wirkt eher an den Haaren herbeigezogen. Es verbleibt ein handwerklich solide umgesetzter, inhaltlich durchwachsener, netter Film.
Minutenlang eine dunkle Leinwand, dazu eine verstörende, nervenzerrende Filmmusik. So beginnt das ungewöhnliche Historiendrama „The Zone of Interest“ von Jonathan Glazer, das sich lose an den Roman „Interessengebiet“ von Martin Amis sowie dem Leben des SS-Obersturmbannführers Rudolf Höß und seiner Familie orientiert. Rudolf Höß leitete das Konzentrationslager Auschwitz von 1940 bis 1943 und war maßgeblich für die Massentötung der Juden verantwortlich. Zumindest in diesem Film lebt er mit seiner Familie in einem herrlichen Anwesen mit zahlreichen Bediensteten direkt neben dem KZ.
Mit morbiden kühlen, statischen Bildern und klinisch sauber wirkendem Setting wird vordergründig eine familiäre Idylle gezeigt. Der Tod schwingt schon durch die Bildgestaltung immer mit. Die vermeintliche Idylle steht zudem im krassen Widerspruch zu den Geräuschen, die man aus dem benachbarten KZ vernimmt. Auch hält das Grauen aus dem Vernichtungslager auf subtile Art immer wieder Einzug in das Familienleben. Dabei gibt es immer Andeutungen und keine expliziten Szenen. Alles wirkt überaus pointiert und angesichts der allgegenwärtigen Unmenschlichkeit fast surreal. Das Böse wird von Rudolf Höß (Christian Friedel), seiner Frau Hedwig (Sandra Hüller) und dem deutschen Umfeld gelebt, banalisiert und ignoriert. Ganz spurlos geht es aber an der Familie nicht vorbei. Der Fokus bleibt immer auf der Familie, Randfiguren, wie z.B. die polnischen Hausangestellten, haben kein Gewicht. Es wird kein Zweifel daran gelassen, dass vor allem Rudolf Höß das ultimative Böse verkörpert, auch wenn er ein liebevoller Vater ist. Die Deutschen sind hier leider alle klassische „Ugly Germans“.
Sympathieträger sucht man auch sonst vergebens. Nur ein älteres Mädchen bzw. eine junge Frau zeigt mit einer besonderen nächtlichen Aktion Empathie. Es bleibt leider etwas unklar, ob es sich hierbei um die älteste Tochter der Familie Höß oder um eine außenstehende Person handelt. Wikipedia spricht aktuell von einer polnischen Nachbarin. Aus der Besetzungsliste geht eine derartige Rolle nicht hervor. Die Identifikation wird leider erschwert, da für das fragliche, fast traumartig wirkende, emphatische Handeln Negativfilmmaterial verwendet wurde, um wohl zu zeigen, dass dieses Verhalten im krassen Widerspruch zu dem ansonsten Gezeigten steht. Derartige interpretationsbedürftige filmkünstlerische Kniffe, die die Zuschauer mitdenken lassen, gibt es erfreulicherweise immer einmal wieder. Künstlerisch ist der Film atemberaubend umgesetzt. Insbesondere der sehr kreativ eingesetzte, „Oscar“-prämierte Ton und der faszinierende Horror-Soundtrack stechen hervor. Bemerkenswert ist auch, dass diese britisch-polnische Produktion überwiegend muttersprachliche Schauspieler aufweist. Belohnt wurde dies mit einem „Oscar“ als bester fremdsprachiger Film.
Noch bis zum 02.04.2024 in der Arte-Mediathek: Der zeitlos relevante Historienfilm „Des Teufels General“ von Helmut Käutner nach dem gleichnamigen, bekannten Bühnenstück von Carl Zuckmayer setzt sich bissig und differenziert mit der Zeit des Nationalsozialismus unter Hitler auseinander. Die Nationalsozialisten möchten den hochdekorierten, scharfzüngigen General der Luftwaffe Harras (Curt Jürgens) für sich gewinnen. Wird der General dem Druck standhalten?
Käutner zählt definitiv zu den großen deutschen Filmschaffenden des 20. Jahrhunderts. Dementsprechend sieht man hier in jeder Beziehung gutes Filmhandwerk mit gediegenen Schwarzweißbilder. Die Besetzung lässt keine Wünsche offen. Vor allem Curt Jürgens ist die Rolle des charismatischen Generals mit Ecken und Kanten regelrecht auf den Leib geschrieben. Die Dialoge haben es in sich und stellen mit den Redewendungen der damaligen Zeit aus heutiger Sicht durchaus eine Herausforderung dar.
Nur wenige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs setzt sich der Film mit der Frage auseinander, wie man sich dem Unrechtsregime entziehen konnte. Dabei haben die Aussagen des Films/Theaterstücks universelle Gültigkeit und können auf jede Diktatur der heutigen Zeit übertragen werden. Das heute eher befremdlich wirkende und für die Handlung völlig irrelevante Liebesgeplänkel des Generals mit einer hübschen, jungen Frau (Marianne Koch), die seine Tochter sein könnte, ist wohl offensichtlich dem Zeitgeist der 1950er Jahre geschuldet.
Die Wörter „unglaubliche“ und „verrückten“ im Titel lassen schon erahnen, das der Film „Die unglaubliche Entführung der verrückten Mrs. Stone“ von dem legendären Trio Zucker / Abrahams/ Zucker stammt, die für einige der besten Komödien der 1970er und 1980er Jahre verantwortlich sind. Während es in den meisten Filmen der drei um eine möglichst hohe Gagdichte pro Minute geht und die Geschichte eher zu vernachlässigen ist, zeichnet sich dieses Werk durch eine clever konstruierte, schwarzhumorige Narrative aus. Es geht um diverse rücksichtslose Menschen (englischer Titel: Ruthless People), die anderen Schaden zufügen möchten. Der egomanische Sam Stone (Danny DeVito) möchte seine temperamentvolle Frau Barbara (Bette Midler) umbringen. Bevor er zum Zuge kommt, erfährt er, dass seine Frau entführt wurde…
Viele hervorragende Gags, Wortwitz und gelungene Wendungen begeistern, wie auch die extrem spielfreudige Besetzung. In Nebenrollen sind unter anderem Helen Slater und Judge Reinhold als liebenswerte, naive Entführer und Bill Pullman als gieriger Idiot zu sehen. Bette Midler und Danny DeVito beweisen, dass sie echte Vollblut-Komödianten sind, bei denen kein Auge trocken bleibt. Das kurzweilige, turbulente Vergnügen wird mit typischer 1980er-Jahre-Popmusik durchsetzt, unter anderem mit „Modern Woman“ von Billy Joel. Um moderne Frauen geht es hier auch, so entwickeln sich die beiden Protagonistinnen von Mauerblümchen zu selbstbewussten Frauen.
Die geistreiche, gesellschaftskritische Scewball-Komödie „Holiday“, Alternativtitel: „Die Schwester der Braut“, von George Cukor ist äußerst liebenswert und hat erstaunlich wenig Staub angesetzt. Ein selbstbewusster, junger Mann aus eher einfachen Verhältnissen (Cary Grant) plant, ohne es zu wissen, in eine gesellschaftlich sehr angesehene und wohlhabende Familie einzuheiraten. Das Ende ist absolut vorhersehbar, aber der Weg dorthin ist voller Esprit.
Die Besetzung ist grandios: Hervorzuheben ist die überbegabte Katharine Hepburn als unangepasste Schwester der Braut, die zusammen mit Cary Grant sogar mit artistischen Einlagen überzeugt. Aber auch Lew Ayres als frustrierter, ständig angeschickerter Bruder der Braut sowie Edward Everett Horton und Jean Dixon als das mit der Hauptfigur befreundete, scharfzüngige Ehepaar glänzen in jeder Hinsicht. Die stilvolle Komödie ist wie ein Bühnenstück inszeniert, profitiert aber von einer prächtigen häuslichen Kulisse und einer gelungenen Kameraführung.
Starre gesellschaftliche Konventionen und uramerikanischer Kapitalismus kollidieren hier auf amüsante Art mit den unbändigen Freiheitsgefühlen und dem Individualitätsanspruch der Hauptfiguren. Der schwerreiche Vater der Braut in spe (Henry Kolker) kommentiert dies sinngemäß wie folgt: „Nicht viel Geld verdienen zu wollen ist irgendwie unamerikanisch.“ Definitiv ein Gute-Laune-Film!
Bis zum 16.04.2024 in der Arte-Mediathek (OmU)! „Jacquot de Nantes“ von Agnes Varda ist ein kunstvoll gestalteter biografischer Film über die Kindheit und Jugendjahre des französischen Regisseurs Jacques Demy, angesiedelt in der Zeit der späten 1930er bis Anfang der 1950er Jahre. Der Film basiert auf den zeitgeschichtlich wertvollen Erinnerungen Demys. Er war von 1962 bis zu seinem Tode im Jahr 1990 mit der Regisseurin Agnes Varda verheiratet.
Konflikte mit seinem Vater, der eine Autowerkstatt besaß, und wenig Verständnis für die Interessen seines Sohnes zeigte, Entbehrungen in den Kriegsjahren, aber auch Kinofilme, diverse Chansons aus der Zeit und erste Drehversuche von Filmen prägten die Kindheit. Der Zweite Weltkrieg und auch die Besatzung seiner Heimat durch die Deutschen gingen anscheinend weitestgehend spurlos an der Familie Demys vorbei. So kommt insgesamt relativ wenig Spannung auf. Dafür gibt es jede Menge stimmungsvolle Bilder zu bewundern. Gekennzeichnet durch einen animierten Fingerzeig werden immer auch Ausschnitte von Demys Filmen eingespielt und zwar so, dass man erkennen kann, welche Kindheitserinnerungen ihn zu den gezeigten Szenen inspiriert haben. Zudem werden auch kunstvolle Aufnahmen aus der Jetztzeit des Films mit mehr oder weniger geistreichen Kommentaren von Varda und Demy eingespielt. Dadurch wird der in Schwarzweiß gehaltene Film immer wieder mit den Farbbildern der Filmausschnitten und den Aufnahmen aus der Jetztzeit durchmischt. Schöne Liebeserklärung der Regisseurin an ihren Mann, der kurz vor der Veröffentlichung des Films an AIDS verstarb.
„Menschengesichter“ von Agnes Varda ist ein verkopftes, sehr kurz gehaltenes Kunstdrama über eine alleinerziehende Französin, die mit ihrem ca. neunjährigen Sohn in Los Angeles eine Unterkunft sucht. Positiv ist, dass Varda bewusst den Glanz Hollywoods vermeidet und „wirkliche“ Menschen aus einem sozial schwachen Milieu abbildet. Allerdings ist sie nicht ganz konsequent, da die französischen Hauptfiguren, Mutter (Delphine Seyrig) und Sohn (Mathieu Demy), nicht unattraktiv sind, vielleicht sogar etwas zu gut aussehen, im Vergleich zu den Menschen in ihrem Umfeld. Der goldige und auf jeden Fall schauspielerisch talentierte Mathieu Demy ist der Sohn der Regisseurin und des ebenfalls bekannten Regisseurs Jacques Demy.
Immerhin ist das Milieu in Los Angeles schön dreckig und kaputt. Sehr gelungen und fast schon surreal ist die Szene, in der die Protagonistin ein völlig verdrecktes Sperrmüll-Sofa reinigt, um es als Einrichtungsgegenstand zu nutzen. Schön ist nur der Blick auf den Pazifischen Ozean, wenn die Hauptfigur bei der Arbeit ist.
Etwas anstrengend ist die oft präsente Stimme der Protagonistin aus dem Off, die uns an ihrer teilweise fragmentarischen Gedankenwelt teilhaben lässt. Letztlich erscheinen die Gedanken eher banal. Zudem gibt es noch völlig unerotische Nacktaufnahmen von einem Mann (dem Ex?) und auch der Hauptfigur, die teilweise wie Aktbilder präsentiert werden. Offensichtlich soll dies auf sexuelle Sehnsüchte der Hauptfigur und vielleicht auch auf Liebeskummer anspielen. Eine klare Narrative sucht man in dem Film vergebens, einige Szenen sind assoziativ und das Ende kommt sehr abrupt.
Den Film gibt es derzeit in der Arte-Mediathek (OmU) zu sehen.
„Belfast“ von Kenneth Branagh ist ein charmantes Familiendrama und wurde von persönlichen Erlebnissen des Regisseurs inspiriert. Der neunjährige Protagonist wohnt mit seinen Eltern und seinem Bruder Ende der 1960er Jahre in Belfast in einer Straße, in der Protestanten und Katholiken nachbarschaftlich zusammenleben. Bald erreicht der Nordirland-Konflikt die Nachbarschaft. Radikale Protestanten versuchen, die Katholiken mit Gewalt aus der Straße zu vertreiben. Die Eltern der Hauptfigur, die gemäßigte Protestanten sind, bemühen sich, sich aus dem Konflikt herauszuhalten, was allerdings nicht einfach ist. Als der Vater ein Jobangebot aus England erhält, stellt sich die Frage, ob Auswandern eine Option ist.
Der Fokus liegt auf den Begegnungen und sozialen Interaktionen des Jungen in einem schwierigen und gefährlichen Umfeld. Dabei wird das Geschehen strikt aus der Perspektive der Hauptfigur erzählt. Dies führt dazu, das die Erwachsenenwelt manchmal rätselhaft und vage bleibt. Der Nordirlandkonflikt ist zwar immer präsent, bleibt aber zugleich im Hintergrund. Die Hauptfigur findet ihr Glück in Dingen, die den Zeitgeist der 1960er Jahren schön beschreiben. Dazu gehören natürlich auch einige prägende Filmklassiker. Interessant ist, dass die Filmausschnitte der Farbfilme in Farbe gezeigt werden, während der Film ansonsten monochrom ist.
Die überaus gelungenen Schwarzweißaufnahmen mit interessanten Kameraeinstellungen sind ein Highlight des Films. Auch das Schauspielensemble mit Caitriona Balfe, Jamie Dornan als Eltern, Judy Dench und Ciaran Hinds als Großeltern ist überzeugend, wobei der liebenswerte junge Hauptdarsteller Jude Hill heraussticht. Negativ ist vielleicht der allzu verklärte Blick auf das Geschehen und die Familie. Auch wenn es kleinere erzählerische Schwächen gibt, ist das stilvoll inszenierte Ende sehr gelungen. Der Soundtrack mit Songs von Van Morrison fügt sich gut in den Film ein.
Liebesbeziehungen zwischen älteren Männern und Frauen, die ihre Töchter sein könnten, galten bei vielen Filmen aus dem letzten Jahrhundert als recht normal. Agnes Varda, Meisterregisseurin und Rebellin, kehrte den Spieß auf drastische Weise um und schuf in den 1980er Jahren ein sicherlich nicht unumstrittenes Meisterwerk über die verbotene Liebe einer alleinerziehenden Mutter (Jane Birkin) zu einem Videospiel-liebenden 14-jährigen Klassenkameraden (Mathieu Demy) ihrer Tochter. Zwei einsame Herzen, die offensichtlich nicht füreinander bestimmt sein dürfen, finden hier zueinander, was natürlich nicht folgenlos bleibt.
Varda inszeniert das visuell kraftvolle Drama mit viel Feingefühl, leisem Humor und mit einer erstaunlichen Leichtigkeit. Auch wenn man das Verhalten der Protagonistin nicht gutheißen kann, erscheint es doch glaubwürdig. Zum Ende wird das Geschehen allerdings fast surreal, wie im Traum. Bin mir nicht sicher, ob das Geschehen auf der Insel nicht nur die Gedankenwelt der Protagonistin zeigt. Das Ende und das Verhältnis zur Tochter am Schluss würden dies nahelegen. Die (erträumte?) Grenzüberschreitung der Protagonisten wird durch eine Kameraaufnahme aus einem Fenster auf das Meer versinnbildlicht. Der Blick auf das Meer steht für die Urgewalt der Natur und das Gefühl der Freiheit der Hauptfiguren, der Rahmen für die Begrenzung derselben.
Interessant sind die diversen Anti-Aids-Kampagnen mit denen die Hauptfiguren konfrontiert werden, die im krassen Gegensatz zu jedem sexuellen Lustgefühl stehen. Vielleicht sind diese als Metaphern für die gesellschaftliche Begrenzungen der Sexualität und als Warnung vor einer weitergehenden Beziehung der Hauptfiguren zu sehen. Der Schluss ist einerseits versöhnlich, andererseits auch bitter realistisch. Neben Jane Birkin und Mathieu Demy überzeugt auch Charlotte Gainsbourg als Teenager-Tochter, die auch im wirklichen Leben die Tochter von Jane Birkin ist. Mathieu Demy ist wiederum der Sohn der Regisseurin!
Bis zum 16.04.2024 in der Arte-Mediathek!
Derzeit in der Arte-Mediathek (OmU)! „The Chase“ von Arthur Ripley ist ein unterhaltsamer, aber teilweise auch etwas unglaubwürdiger Noir-Film. Ein aufrechter Kriegsveteran (Robert Cummings) nimmt unwissend eine Stelle als Chauffeur bei einem Gangsterboss (Steve Cochran) an. Als die unglückliche Ehefrau des Gangsters mit dem Chauffeur nach Havanna, Cuba, durchbrennen möchte, spitzt sich das Geschehen zu.
Der spannend inszenierte Thriller erweckt immer einmal Erstaunen: Ein Gaspedal an der Rücksitzbank, sodass der Gangsterboss von hinten die Geschwindigkeit bestimmen kann, ein unglaublich kurzer Bremsweg der Leben rettet und eine äußerst überraschende Wendung in der Mitte des Films. Das Noir-typische Ende, in dem das Schicksal im Gewand eines Richters auftritt, wirkt leider etwas gewollt. Die Besetzung mit dem souveränen Cummings, dem süffisanten Cochran und dem wunderbaren Peter Lorre und der hübschen Michele Morgan ist jedenfalls ein Lichtblick.
Noch bis zum 01.04.2024 in der Arte-Mediathek (OmU)! „Pitfall“ von Andre de Thot ist ein spannender, klassischer Noir-Film, mehr Thriller als Drama. Ein biederer, gelangweilter Angestellter einer Versicherungsgesellschaft und Familienvater (Dick Powell) verliebt sich in eine dubiose Femme Fatale (Lizabeth Scott) und ruft damit einen stalkenden Privatdetektiv, der sich ebenfalls in die Dame verguckt hat (Raimond Burr) sowie den Ex der Dame (Byron Barr) auf den Plan. Das Verhängnis nimmt zwar erwartungsgemäß seinen Lauf. Das Ende ist jedoch für einen Noir-Film erstaunlich milde.
Die dichte Inszenierung lässt keine Langeweile aufkommen und die atmosphärischen Scharzweißbilder wissen zu gefallen. Überzeugend ist auch die rundum gelungene Besetzung. Nur eine Prise mehr Zynismus am Ende, immerhin ein typisches Merkmal vieler Noir-Filme, hätte nicht Schaden können. Normalerweise wird gerne jedes Fehlverhalten in Noir-Filmen rigoros bestraft. Dies gilt hier für eine Person allerdings nur bedingt.