MareikeHB - Kommentare

Alle Kommentare von MareikeHB

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    Das beeindruckende gesellschaftskritische Drama „A Man of Integrity“ von Mohammad Rasoulof beschreibt eine Welt im heutigen Iran, in der man entweder zu den Unterdrückten oder zu den Unterdrückern zählt und praktisch in einem rechtsfreien Raum lebt. Ein sturer und rebellischer Fischzüchter versucht sich gegen einen „Unterdrücker“ aufzulehnen, indem er sich mit einem mächtigen, rücksichtslosen Nachbarn anlegt.

    Manchmal erinnert der Film von der Narrative an einen klassischen Western, in dem ein aufrechter Mensch sich gegen z.B. einen übermächtigen Rinderbaron wehrt, der sein Umfeld tyrannisiert und seinen Nachbarn das Land abspenstig machen möchte. Hier ist aber meist nicht die rohe Gewalt das Mittel, um Ziele zu erreichen. Vielmehr geht es um das bewusste Fließenlassen von Geldströmen an den richtigen staatlichen oder einflussreichen Stellen. Der Filmemacher prangert dieses in der iranischen Gesellschaft offensichtlich weit verbreitete System der Korruption an, zeigt aber auch, wie schwer es ist, sich einem Unrechtsregime zu entziehen.

    In dem handwerklich gelungenen und spannend inszenierten Drama bekommt man einen guten Einblick, wie dieses unfreie Land Iran funktioniert und wie schwierig das Leben für die Menschen sein kann. Die Hauptfiguren sind hervorragend besetzt und wirken sympathisch. Auch der weiblichen Hauptdarstellerin, der Ehefrau des Fischzüchters, kommt als intelligente Schulleiterin einer Mädchenschule eine tragende Rolle zu. Ein wenig Religionskritik wird auch geübt, wenn es darum geht, dass eine Frau mit dem „falschen“ Glauben nicht beerdigt werden darf. Leider verläuft die Entwicklung zum gelungenen Ende des Films ein bisschen zu überhastet. Eine intime Zärtlichkeit zwischen dem Ehepaar wird nur sehr diskret angedeutet - mit einer kurzen Handbewegung zur Kopfbedeckung der Frau und sodann mit dem Bild eines Kochtopfes mit überschäumender Milch. Wenn man bedenkt, wie schwierig es ist, einen derartig kritischen Film im Iran zu produzieren, kann man dem Filmemacher nur höchsten Respekt zollen. Diese Künstler riskieren mit derartigen Projekten Freiheit und schlimmstenfalls ihr Leben.

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      Das Filmkunstwerk „Über die Unendlichkeit“ von Roy Andersson verspricht mehr als es hält. Letztlich ist dieser Episodenfilm nur ein blasser Abklatsch von Anderssons früheren Werken. Ihm gelingt es weder inhaltlich Neues zu erzählen, noch sich stilistisch weiterzuentwickeln. Wie man es von ihm kennt, gibt es lange, statische Einstellungen, mit Pastelltönen farblich durchkomponierte Studioszenen und mehr oder weniger (Un-)Spektakuläres aus dem Sumpf des menschlichen Daseins. Kam seinen früheren Werken noch der Reiz des Neuen zugute, verbleibt hier nur noch unendliche Langeweile. Immerhin ist die Laufzeit mit 78 Minuten erträglich.

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        MareikeHB 02.04.2024, 19:51 Geändert 02.04.2024, 20:39

        Das Historiendrama „Oppenheimer“ von Christopher Nolan vermittelt eindrucksvoll die Hintergründe der Entwicklung der ersten Atombombe in den USA und porträtiert den daran maßgeblich beteiligten Physiker J. Robert Oppenheimer auf recht eindimensionale Art. Interessant sind vor allem die historischen Hintergründe, die dazu führten, dass die USA den Wettlauf um die besonders tödliche Bombe gewannen. Die Nazis vertrieben durch ihren Antisemitismus führende Physiker und spielten damit vor allem den USA in die Karten, die für führende jüdische Wissenschaftler offen waren. Nach dem zweiten Weltkrieg, während des „Kalten Krieges“ mit der Sowjetunion, wurden in der sog. McCarthy-Ära viele renommierte Wissenschaftler, wie auch Oppenheimer, die während des zweiten Weltkrieges mit den „Linken“ sympathisierten, als „Kommunisten“ verfolgt. In dem Film wird zwischen diesen verschiedensten zeitlichen Ebenen immer wieder gewechselt. Die Befragungen aus der McCarthy-Zeit werden passenderweise in Schwarzweiß gehalten. Immerhin handelt es sich aus heutiger Sicht um ein dunkles Kapitel in der Geschichte der USA.

        Der ständige Wechsel in den zeitlichen Ebenen erfordert eine hohe Aufmerksamkeit. Zudem wird offensichtlich auch ein gewisses historisches Hintergrundwissen vorausgesetzt. Leider ist das Porträt des Wissenschaftlers Oppenheimer weniger geglückt. Hier wird offensichtlich vieles verklärt. Insgesamt erfährt man nicht viel über den Menschen Oppenheimer. Natürlich wurde er immer wieder von Gewissensbissen bei der Entwicklung der Bombe geplagt und erscheint weitestgehend als umgänglicher Mensch. So sieht Heldenverehrung made in Hollywood aus. Natürlich darf auch eine wichtige Ansprache vor wehender US-amerikanischer Flagge nicht fehlen. Von den japanischen Opfern des ersten Einsatzes der Atombombe wird nicht viel gesprochen, auch nicht von den Folgen für die an den Beteiligten des ersten Atombombentests in der Wüste Neumexikos. Man hat das Gefühl, dass die Gefahren des Zündens einer Atombombe in dem Film etwas heruntergespielt werden.

        Vom Handwerk her ist der Film solide, aber keinesfalls künstlerisch erhaben. Dafür ist Nolans Inszenierungsstil dann doch recht brav geraten, ohne wirkliche Innovationen und Raffinesse. Die Schauspielerinnen und Schauspieler wurden dagegen hervorragend gewählt. Der markante Cillian Murphy füllt die Rolle Oppenheimers gut aus, auch wenn ihm ruhig mehr hätte abverlangt werden können. Für einen “Oscar“ reichte es jedenfalls. Zudem reichen sich viele Prominente in Kurzauftritten die Klinke. Dabei sind der sichtlich gealterte Robert Downey Jr. als Oppenheimers Gegenspieler und Matt Damon (hier mit ungewohntem Schnauzbart) als leitender Offizier hervorzuheben und erst auf dem zweiten Blick zu erkennen. Leider sind die Figurenzeichnungen aller Beteiligten und ein zuweilen penetranter Steicher-Soundtrack von Ludwig Göransson weitere Schwachpunkte dieses ansonsten durchaus sehenswerten Filmes.

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          MareikeHB 27.03.2024, 22:59 Geändert 27.03.2024, 23:00

          Deutsche Regisseurinnen, die in Hollywood einen Film drehen, findet man eher selten. Der Schauspielerin und Regisseurin Maria Schrader wurde die Ehre mit dem spannenden Gerechtigkeitsdrama „She Said“ zuteil. Vielleicht bedurfte es einer von Hollywood außenstehenden Frau, um den Missbrauchsskandal rund um Harvey Weinstein filmisch aufzuarbeiten. Im Zentrum dieser auf wahren Begebenheiten beruhenden Geschichte stehen die beiden hartnäckigen und unermüdlichen Journalistinnen der New York Times, Megan Twohey (Carey Mulligan) und Jodi Kantor (Zoe Kazan). Sachlich und unaufgeregt werden die gerichtlich nachgewiesenen Untaten des Harvey Weinstein und seines Umfeldes nach und nach ans Licht gebracht.

          Maria Schrader setzt das Geschehen souverän und mit viel Fingerspitzengefühl in Szene. Die Protagonisten wirken authentisch und die Besetzung ist gelungen. Ein wichtiges Stück Zeitgeschichte mit universeller Botschaft, erstaunlich nüchtern dargeboten.

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            MareikeHB 25.03.2024, 04:35 Geändert 25.03.2024, 05:04

            „Anatomie eines Falls“ von Justine Triet ist ein fesselndes Justiz- und Ehedrama. Ein blinder Junge findet den Leichnam seines Vaters, der offensichtlich vom Balkon stürzte. War es Selbstmord oder hat seine Mutter (Sandra Hüller), eine erfolgreiche, undurchsichtige Schriftstellerin, nachgeholfen?

            In einem Strafprozess versucht man, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Letztlich nehmen die Zuschauer die Position der Vorsitzenden Richterin ein. Nach und nach erfährt man immer mehr über die Beziehung des Ehepaars. Die Spannung ergibt sich daraus, dass man ständig zwischen einer Schuld- und einer Unschuldsvermutung hin und her schwankt. Das Schauspiel, insbesondere das von Sandra Hüller, ist in dieser kammerspielartigen Produktion grandios. Zurecht gewann Sandra Hüller diverse Preise für ihre tadellose Darbietung. Es ist aber auch der Lieblingssong des Opfers, „Pimp“ von der Bacao Rhythm and Steel Band, der sich regelrecht in den Schädel einbrennt. Erstmalig wird er kurz vor dem Todesfall des Opfers gespielt und später im Verlaufe des Films immer wieder aufgegriffen.

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              Was ist das Gegenteil von gut? - Gut gemeint. Dies könnte auch das Motto der Dramödie „The Holdovers“ von Alexander Payne sein. Es handelt sich hier um einen typischen Hollywood-Feelgood-Film, der sicherlich in Zukunft seinen Platz im Weihnachtsfilm-Fersehprogramm finden wird. Leider krankt der Film an erzählerischen Schwächen. Ein schwieriger, fast erwachsener Internatsschüler, sein unbarmherziger Lehrer und eine trauernde Köchin verbringen notgedrungen die Weihnachtsferien in einem elitären Internat zusammen. Leider ist die im Jahre 1970 zur Zeit des Vietnamkrieges angesiedelte Geschichte dermaßen konstruiert, sodass die Glaubwürdigkeit immer einmal wieder leidet.

              Zunächst verbleiben mehrere, wenn überhaupt, schablonenhaft charakterisierte Schüler im Internat, die jedoch plötzlich alle, bis auf einen, zeitgleich doch noch abgeholt werden. Ein weiteres Problem ist, dass man dem Schauspieler Doninic Sessa den schwierigen Schüler, der angeblich schon von zwei Schulen geflogen ist, nicht abnimmt. Er wirkt viel zu zahm und leider auch zu alt für die Rolle. Die beiden weiteren Hauptdarsteller, der kauzige Paul Giamatti als Lehrer und die ausdrucksstarke Da‘Vine Joy Randolph als Köchin sind gut besetzt. Allerdings bleibt letztere charakterlich sehr eindimensional.

              Erwartungsgemäß haben alle „Päckchen zu tragen“, die mit der Zeit durch Überwindung der Einsamkeit - oh Wunder - an Last verlieren. Am interessantesten ist die seelische Bürde des Schülers. Wenn es um die Trauer der Köchin geht, kommt eine sozialkritische Komponente ins Spiel. Sozial benachteiligte junge Männer wurden offensichtlich viel eher in den Vietnamkrieg eingezogen und verheizt. Hier wird einer Mutter glücklicherweise etwas Raum gegeben, ihre Trauer zu verarbeiten. Die gemeinsamen Erlebnisse der Hauptfiguren sind unterschiedlich interessant und überzeugend. Das Ende mit einer überdramatisierten Wendung wirkt eher an den Haaren herbeigezogen. Es verbleibt ein handwerklich solide umgesetzter, inhaltlich durchwachsener, netter Film.

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                MareikeHB 14.03.2024, 23:13 Geändert 14.03.2024, 23:31

                Minutenlang eine dunkle Leinwand, dazu eine verstörende, nervenzerrende Filmmusik. So beginnt das ungewöhnliche Historiendrama „The Zone of Interest“ von Jonathan Glazer, das sich lose an den Roman „Interessengebiet“ von Martin Amis sowie dem Leben des SS-Obersturmbannführers Rudolf Höß und seiner Familie orientiert. Rudolf Höß leitete das Konzentrationslager Auschwitz von 1940 bis 1943 und war maßgeblich für die Massentötung der Juden verantwortlich. Zumindest in diesem Film lebt er mit seiner Familie in einem herrlichen Anwesen mit zahlreichen Bediensteten direkt neben dem KZ.

                Mit morbiden kühlen, statischen Bildern und klinisch sauber wirkendem Setting wird vordergründig eine familiäre Idylle gezeigt. Der Tod schwingt schon durch die Bildgestaltung immer mit. Die vermeintliche Idylle steht zudem im krassen Widerspruch zu den Geräuschen, die man aus dem benachbarten KZ vernimmt. Auch hält das Grauen aus dem Vernichtungslager auf subtile Art immer wieder Einzug in das Familienleben. Dabei gibt es immer Andeutungen und keine expliziten Szenen. Alles wirkt überaus pointiert und angesichts der allgegenwärtigen Unmenschlichkeit fast surreal. Das Böse wird von Rudolf Höß (Christian Friedel), seiner Frau Hedwig (Sandra Hüller) und dem deutschen Umfeld gelebt, banalisiert und ignoriert. Ganz spurlos geht es aber an der Familie nicht vorbei. Der Fokus bleibt immer auf der Familie, Randfiguren, wie z.B. die polnischen Hausangestellten, haben kein Gewicht. Es wird kein Zweifel daran gelassen, dass vor allem Rudolf Höß das ultimative Böse verkörpert, auch wenn er ein liebevoller Vater ist. Die Deutschen sind hier leider alle klassische „Ugly Germans“.

                Sympathieträger sucht man auch sonst vergebens. Nur ein älteres Mädchen bzw. eine junge Frau zeigt mit einer besonderen nächtlichen Aktion Empathie. Es bleibt leider etwas unklar, ob es sich hierbei um die älteste Tochter der Familie Höß oder um eine außenstehende Person handelt. Wikipedia spricht aktuell von einer polnischen Nachbarin. Aus der Besetzungsliste geht eine derartige Rolle nicht hervor. Die Identifikation wird leider erschwert, da für das fragliche, fast traumartig wirkende, emphatische Handeln Negativfilmmaterial verwendet wurde, um wohl zu zeigen, dass dieses Verhalten im krassen Widerspruch zu dem ansonsten Gezeigten steht. Derartige interpretationsbedürftige filmkünstlerische Kniffe, die die Zuschauer mitdenken lassen, gibt es erfreulicherweise immer einmal wieder. Künstlerisch ist der Film atemberaubend umgesetzt. Insbesondere der sehr kreativ eingesetzte, „Oscar“-prämierte Ton und der faszinierende Horror-Soundtrack stechen hervor. Bemerkenswert ist auch, dass diese britisch-polnische Produktion überwiegend muttersprachliche Schauspieler aufweist. Belohnt wurde dies mit einem „Oscar“ als bester fremdsprachiger Film.

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                  MareikeHB 08.03.2024, 17:43 Geändert 08.03.2024, 17:50

                  Noch bis zum 02.04.2024 in der Arte-Mediathek: Der zeitlos relevante Historienfilm „Des Teufels General“ von Helmut Käutner nach dem gleichnamigen, bekannten Bühnenstück von Carl Zuckmayer setzt sich bissig und differenziert mit der Zeit des Nationalsozialismus unter Hitler auseinander. Die Nationalsozialisten möchten den hochdekorierten, scharfzüngigen General der Luftwaffe Harras (Curt Jürgens) für sich gewinnen. Wird der General dem Druck standhalten?

                  Käutner zählt definitiv zu den großen deutschen Filmschaffenden des 20. Jahrhunderts. Dementsprechend sieht man hier in jeder Beziehung gutes Filmhandwerk mit gediegenen Schwarzweißbilder. Die Besetzung lässt keine Wünsche offen. Vor allem Curt Jürgens ist die Rolle des charismatischen Generals mit Ecken und Kanten regelrecht auf den Leib geschrieben. Die Dialoge haben es in sich und stellen mit den Redewendungen der damaligen Zeit aus heutiger Sicht durchaus eine Herausforderung dar.

                  Nur wenige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs setzt sich der Film mit der Frage auseinander, wie man sich dem Unrechtsregime entziehen konnte. Dabei haben die Aussagen des Films/Theaterstücks universelle Gültigkeit und können auf jede Diktatur der heutigen Zeit übertragen werden. Das heute eher befremdlich wirkende und für die Handlung völlig irrelevante Liebesgeplänkel des Generals mit einer hübschen, jungen Frau (Marianne Koch), die seine Tochter sein könnte, ist wohl offensichtlich dem Zeitgeist der 1950er Jahre geschuldet.

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                    Die Wörter „unglaubliche“ und „verrückten“ im Titel lassen schon erahnen, das der Film „Die unglaubliche Entführung der verrückten Mrs. Stone“ von dem legendären Trio Zucker / Abrahams/ Zucker stammt, die für einige der besten Komödien der 1970er und 1980er Jahre verantwortlich sind. Während es in den meisten Filmen der drei um eine möglichst hohe Gagdichte pro Minute geht und die Geschichte eher zu vernachlässigen ist, zeichnet sich dieses Werk durch eine clever konstruierte, schwarzhumorige Narrative aus. Es geht um diverse rücksichtslose Menschen (englischer Titel: Ruthless People), die anderen Schaden zufügen möchten. Der egomanische Sam Stone (Danny DeVito) möchte seine temperamentvolle Frau Barbara (Bette Midler) umbringen. Bevor er zum Zuge kommt, erfährt er, dass seine Frau entführt wurde…

                    Viele hervorragende Gags, Wortwitz und gelungene Wendungen begeistern, wie auch die extrem spielfreudige Besetzung. In Nebenrollen sind unter anderem Helen Slater und Judge Reinhold als liebenswerte, naive Entführer und Bill Pullman als gieriger Idiot zu sehen. Bette Midler und Danny DeVito beweisen, dass sie echte Vollblut-Komödianten sind, bei denen kein Auge trocken bleibt. Das kurzweilige, turbulente Vergnügen wird mit typischer 1980er-Jahre-Popmusik durchsetzt, unter anderem mit „Modern Woman“ von Billy Joel. Um moderne Frauen geht es hier auch, so entwickeln sich die beiden Protagonistinnen von Mauerblümchen zu selbstbewussten Frauen.

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                      MareikeHB 04.03.2024, 13:05 Geändert 04.03.2024, 13:06
                      über Holiday

                      Die geistreiche, gesellschaftskritische Scewball-Komödie „Holiday“, Alternativtitel: „Die Schwester der Braut“, von George Cukor ist äußerst liebenswert und hat erstaunlich wenig Staub angesetzt. Ein selbstbewusster, junger Mann aus eher einfachen Verhältnissen (Cary Grant) plant, ohne es zu wissen, in eine gesellschaftlich sehr angesehene und wohlhabende Familie einzuheiraten. Das Ende ist absolut vorhersehbar, aber der Weg dorthin ist voller Esprit.

                      Die Besetzung ist grandios: Hervorzuheben ist die überbegabte Katharine Hepburn als unangepasste Schwester der Braut, die zusammen mit Cary Grant sogar mit artistischen Einlagen überzeugt. Aber auch Lew Ayres als frustrierter, ständig angeschickerter Bruder der Braut sowie Edward Everett Horton und Jean Dixon als das mit der Hauptfigur befreundete, scharfzüngige Ehepaar glänzen in jeder Hinsicht. Die stilvolle Komödie ist wie ein Bühnenstück inszeniert, profitiert aber von einer prächtigen häuslichen Kulisse und einer gelungenen Kameraführung.

                      Starre gesellschaftliche Konventionen und uramerikanischer Kapitalismus kollidieren hier auf amüsante Art mit den unbändigen Freiheitsgefühlen und dem Individualitätsanspruch der Hauptfiguren. Der schwerreiche Vater der Braut in spe (Henry Kolker) kommentiert dies sinngemäß wie folgt: „Nicht viel Geld verdienen zu wollen ist irgendwie unamerikanisch.“ Definitiv ein Gute-Laune-Film!

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                        MareikeHB 29.02.2024, 18:52 Geändert 29.02.2024, 18:53

                        Bis zum 16.04.2024 in der Arte-Mediathek (OmU)! „Jacquot de Nantes“ von Agnes Varda ist ein kunstvoll gestalteter biografischer Film über die Kindheit und Jugendjahre des französischen Regisseurs Jacques Demy, angesiedelt in der Zeit der späten 1930er bis Anfang der 1950er Jahre. Der Film basiert auf den zeitgeschichtlich wertvollen Erinnerungen Demys. Er war von 1962 bis zu seinem Tode im Jahr 1990 mit der Regisseurin Agnes Varda verheiratet.

                        Konflikte mit seinem Vater, der eine Autowerkstatt besaß, und wenig Verständnis für die Interessen seines Sohnes zeigte, Entbehrungen in den Kriegsjahren, aber auch Kinofilme, diverse Chansons aus der Zeit und erste Drehversuche von Filmen prägten die Kindheit. Der Zweite Weltkrieg und auch die Besatzung seiner Heimat durch die Deutschen gingen anscheinend weitestgehend spurlos an der Familie Demys vorbei. So kommt insgesamt relativ wenig Spannung auf. Dafür gibt es jede Menge stimmungsvolle Bilder zu bewundern. Gekennzeichnet durch einen animierten Fingerzeig werden immer auch Ausschnitte von Demys Filmen eingespielt und zwar so, dass man erkennen kann, welche Kindheitserinnerungen ihn zu den gezeigten Szenen inspiriert haben. Zudem werden auch kunstvolle Aufnahmen aus der Jetztzeit des Films mit mehr oder weniger geistreichen Kommentaren von Varda und Demy eingespielt. Dadurch wird der in Schwarzweiß gehaltene Film immer wieder mit den Farbbildern der Filmausschnitten und den Aufnahmen aus der Jetztzeit durchmischt. Schöne Liebeserklärung der Regisseurin an ihren Mann, der kurz vor der Veröffentlichung des Films an AIDS verstarb.

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                          MareikeHB 26.02.2024, 20:10 Geändert 26.02.2024, 22:52

                          „Menschengesichter“ von Agnes Varda ist ein verkopftes, sehr kurz gehaltenes Kunstdrama über eine alleinerziehende Französin, die mit ihrem ca. neunjährigen Sohn in Los Angeles eine Unterkunft sucht. Positiv ist, dass Varda bewusst den Glanz Hollywoods vermeidet und „wirkliche“ Menschen aus einem sozial schwachen Milieu abbildet. Allerdings ist sie nicht ganz konsequent, da die französischen Hauptfiguren, Mutter (Delphine Seyrig) und Sohn (Mathieu Demy), nicht unattraktiv sind, vielleicht sogar etwas zu gut aussehen, im Vergleich zu den Menschen in ihrem Umfeld. Der goldige und auf jeden Fall schauspielerisch talentierte Mathieu Demy ist der Sohn der Regisseurin und des ebenfalls bekannten Regisseurs Jacques Demy.

                          Immerhin ist das Milieu in Los Angeles schön dreckig und kaputt. Sehr gelungen und fast schon surreal ist die Szene, in der die Protagonistin ein völlig verdrecktes Sperrmüll-Sofa reinigt, um es als Einrichtungsgegenstand zu nutzen. Schön ist nur der Blick auf den Pazifischen Ozean, wenn die Hauptfigur bei der Arbeit ist.

                          Etwas anstrengend ist die oft präsente Stimme der Protagonistin aus dem Off, die uns an ihrer teilweise fragmentarischen Gedankenwelt teilhaben lässt. Letztlich erscheinen die Gedanken eher banal. Zudem gibt es noch völlig unerotische Nacktaufnahmen von einem Mann (dem Ex?) und auch der Hauptfigur, die teilweise wie Aktbilder präsentiert werden. Offensichtlich soll dies auf sexuelle Sehnsüchte der Hauptfigur und vielleicht auch auf Liebeskummer anspielen. Eine klare Narrative sucht man in dem Film vergebens, einige Szenen sind assoziativ und das Ende kommt sehr abrupt.
                          Den Film gibt es derzeit in der Arte-Mediathek (OmU) zu sehen.

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                            MareikeHB 24.02.2024, 17:46 Geändert 24.02.2024, 18:03
                            über Belfast

                            „Belfast“ von Kenneth Branagh ist ein charmantes Familiendrama und wurde von persönlichen Erlebnissen des Regisseurs inspiriert. Der neunjährige Protagonist wohnt mit seinen Eltern und seinem Bruder Ende der 1960er Jahre in Belfast in einer Straße, in der Protestanten und Katholiken nachbarschaftlich zusammenleben. Bald erreicht der Nordirland-Konflikt die Nachbarschaft. Radikale Protestanten versuchen, die Katholiken mit Gewalt aus der Straße zu vertreiben. Die Eltern der Hauptfigur, die gemäßigte Protestanten sind, bemühen sich, sich aus dem Konflikt herauszuhalten, was allerdings nicht einfach ist. Als der Vater ein Jobangebot aus England erhält, stellt sich die Frage, ob Auswandern eine Option ist.

                            Der Fokus liegt auf den Begegnungen und sozialen Interaktionen des Jungen in einem schwierigen und gefährlichen Umfeld. Dabei wird das Geschehen strikt aus der Perspektive der Hauptfigur erzählt. Dies führt dazu, das die Erwachsenenwelt manchmal rätselhaft und vage bleibt. Der Nordirlandkonflikt ist zwar immer präsent, bleibt aber zugleich im Hintergrund. Die Hauptfigur findet ihr Glück in Dingen, die den Zeitgeist der 1960er Jahren schön beschreiben. Dazu gehören natürlich auch einige prägende Filmklassiker. Interessant ist, dass die Filmausschnitte der Farbfilme in Farbe gezeigt werden, während der Film ansonsten monochrom ist.

                            Die überaus gelungenen Schwarzweißaufnahmen mit interessanten Kameraeinstellungen sind ein Highlight des Films. Auch das Schauspielensemble mit Caitriona Balfe, Jamie Dornan als Eltern, Judy Dench und Ciaran Hinds als Großeltern ist überzeugend, wobei der liebenswerte junge Hauptdarsteller Jude Hill heraussticht. Negativ ist vielleicht der allzu verklärte Blick auf das Geschehen und die Familie. Auch wenn es kleinere erzählerische Schwächen gibt, ist das stilvoll inszenierte Ende sehr gelungen. Der Soundtrack mit Songs von Van Morrison fügt sich gut in den Film ein.

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                              MareikeHB 19.02.2024, 20:41 Geändert 20.02.2024, 10:23

                              Liebesbeziehungen zwischen älteren Männern und Frauen, die ihre Töchter sein könnten, galten bei vielen Filmen aus dem letzten Jahrhundert als recht normal. Agnes Varda, Meisterregisseurin und Rebellin, kehrte den Spieß auf drastische Weise um und schuf in den 1980er Jahren ein sicherlich nicht unumstrittenes Meisterwerk über die verbotene Liebe einer alleinerziehenden Mutter (Jane Birkin) zu einem Videospiel-liebenden 14-jährigen Klassenkameraden (Mathieu Demy) ihrer Tochter. Zwei einsame Herzen, die offensichtlich nicht füreinander bestimmt sein dürfen, finden hier zueinander, was natürlich nicht folgenlos bleibt.

                              Varda inszeniert das visuell kraftvolle Drama mit viel Feingefühl, leisem Humor und mit einer erstaunlichen Leichtigkeit. Auch wenn man das Verhalten der Protagonistin nicht gutheißen kann, erscheint es doch glaubwürdig. Zum Ende wird das Geschehen allerdings fast surreal, wie im Traum. Bin mir nicht sicher, ob das Geschehen auf der Insel nicht nur die Gedankenwelt der Protagonistin zeigt. Das Ende und das Verhältnis zur Tochter am Schluss würden dies nahelegen. Die (erträumte?) Grenzüberschreitung der Protagonisten wird durch eine Kameraaufnahme aus einem Fenster auf das Meer versinnbildlicht. Der Blick auf das Meer steht für die Urgewalt der Natur und das Gefühl der Freiheit der Hauptfiguren, der Rahmen für die Begrenzung derselben.

                              Interessant sind die diversen Anti-Aids-Kampagnen mit denen die Hauptfiguren konfrontiert werden, die im krassen Gegensatz zu jedem sexuellen Lustgefühl stehen. Vielleicht sind diese als Metaphern für die gesellschaftliche Begrenzungen der Sexualität und als Warnung vor einer weitergehenden Beziehung der Hauptfiguren zu sehen. Der Schluss ist einerseits versöhnlich, andererseits auch bitter realistisch. Neben Jane Birkin und Mathieu Demy überzeugt auch Charlotte Gainsbourg als Teenager-Tochter, die auch im wirklichen Leben die Tochter von Jane Birkin ist. Mathieu Demy ist wiederum der Sohn der Regisseurin!
                              Bis zum 16.04.2024 in der Arte-Mediathek!

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                              • 6 .5

                                Derzeit in der Arte-Mediathek (OmU)! „The Chase“ von Arthur Ripley ist ein unterhaltsamer, aber teilweise auch etwas unglaubwürdiger Noir-Film. Ein aufrechter Kriegsveteran (Robert Cummings) nimmt unwissend eine Stelle als Chauffeur bei einem Gangsterboss (Steve Cochran) an. Als die unglückliche Ehefrau des Gangsters mit dem Chauffeur nach Havanna, Cuba, durchbrennen möchte, spitzt sich das Geschehen zu.

                                Der spannend inszenierte Thriller erweckt immer einmal Erstaunen: Ein Gaspedal an der Rücksitzbank, sodass der Gangsterboss von hinten die Geschwindigkeit bestimmen kann, ein unglaublich kurzer Bremsweg der Leben rettet und eine äußerst überraschende Wendung in der Mitte des Films. Das Noir-typische Ende, in dem das Schicksal im Gewand eines Richters auftritt, wirkt leider etwas gewollt. Die Besetzung mit dem souveränen Cummings, dem süffisanten Cochran und dem wunderbaren Peter Lorre und der hübschen Michele Morgan ist jedenfalls ein Lichtblick.

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                                • 7 .5
                                  MareikeHB 12.02.2024, 19:09 Geändert 12.02.2024, 20:41
                                  über Pitfall

                                  Noch bis zum 01.04.2024 in der Arte-Mediathek (OmU)! „Pitfall“ von Andre de Thot ist ein spannender, klassischer Noir-Film, mehr Thriller als Drama. Ein biederer, gelangweilter Angestellter einer Versicherungsgesellschaft und Familienvater (Dick Powell) verliebt sich in eine dubiose Femme Fatale (Lizabeth Scott) und ruft damit einen stalkenden Privatdetektiv, der sich ebenfalls in die Dame verguckt hat (Raimond Burr) sowie den Ex der Dame (Byron Barr) auf den Plan. Das Verhängnis nimmt zwar erwartungsgemäß seinen Lauf. Das Ende ist jedoch für einen Noir-Film erstaunlich milde.

                                  Die dichte Inszenierung lässt keine Langeweile aufkommen und die atmosphärischen Scharzweißbilder wissen zu gefallen. Überzeugend ist auch die rundum gelungene Besetzung. Nur eine Prise mehr Zynismus am Ende, immerhin ein typisches Merkmal vieler Noir-Filme, hätte nicht Schaden können. Normalerweise wird gerne jedes Fehlverhalten in Noir-Filmen rigoros bestraft. Dies gilt hier für eine Person allerdings nur bedingt.

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                                  • 6 .5

                                    Derzeit in der Arte-Mediathek unter dem deutschen Titel „Der Menschen Hörigkeit“ zu finden! In dem klassischen Noir-Film von John Cromwell verliebt sich ein zartbesaiteter Medizinstudent (Leslie Howard) in eine rücksichtslose Kellnerin (Bette Davis). Schon bald ist er ihr verfallen, obwohl sie ihn immer wieder übel behandelt.

                                    Dieser recht kurzweilig inszenierte frühe Noir-Film entstand noch vor der Einführung des sogenannten Hays-Code, der die Filmemacher in Hollywood durch strenge Moralregeln stark einschränkte. Allerdings erscheint er nicht freizügiger oder „unmoralischer“ als spätere Noir-Werke. Auffallend ist auch in diesem Noir-Film das prägende Merkmal, dass das Schicksal letztlich auf zynische Weise zur ausgleichenden Gerechtigkeit wird.

                                    Die noch junge Bette Davis erhielt durch ihr gnadenlos gutes Schauspiel zurecht eine „Oscar“-Nominierung. Bei Bette Davis, die für ihre ausdrucksstarken Augen bekannt ist, hat man immer das Gefühl, dass sie für ihre Rollen wirklich lebte und immer wieder mit viel Mut die Herausforderung, „hässliche“ Charaktere zu verkörpern, annahm. Das macht sie unvergleichlich und heute noch zur Ikone.

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                                      über Canaris

                                      „Canaris“ von Alfred Weidenmann ist ein spannend inszeniertes Historiendrama, das den Chef der Spionageabwehr Admiral Wilhelm Canaris (O.E. Hasse) unter Hitler in der Zeit von 1935 bis 1944 portraitiert. Ähnlich wie z.B. Generalfeldmarschall Erwin Rommel hatte Canaris eine führende Rolle unter der nationalsozialistischen Herrschaft, konnte sich aber mit der Ideologie des Nationalsozialismus nicht anfreunden. Darüberhinaus riskierten beide sogar ihr Leben, um das Regime im Zuge des von Stauffenberg-Attentats auf Hitler zu beseitigen. Die Folgen waren bekanntermaßen für alle Beteiligten verheerend.

                                      Die Filmemacher waren offensichtlich bemüht, wie es in der Einleitung heißt, sich an den historischen Fakten zu orientieren. Nur Nebenfiguren seien fiktiv. Ähnlich wie bei Henry Hathaways „Rommel, der Wüstenfuchs“ werden auch immer wieder Originalaufnahmen aus der Zeit eingeblendet und der Ablauf des Zweiten Weltkriegs in groben Zügen geschildert. Inhaltlich ist in „Canaris“ zudem die alltägliche Spionageabwehr und der Machtkampf mit dem Obergruppenführer Heydrich (Martin Held) von Bedeutung.

                                      Im Gegensatz zu dem U.S.-amerikanischen Rommel Film wird Canaris eindeutig als Sympathieträger dargestellt. Ob dies eine Verklärung der Person ist, kann man natürlich heute schlecht beurteilen. Ein bisschen mehr Ambivalenz hätte jedenfalls der Charakterzeichnung gutgetan. Auch werden die Schrecken des Zweiten Weltkrieges und die der Herrschaft der Nationalsozialisten weitestgehend ausgeblendet. Eindrucksvoll gezeigt wird jedoch, wie die „Herrscherblase“ unter Hitler sich zunehmend von der Realität entfernte und den Niedergang nicht wahrhaben wollte. Die Schauspieler agieren großartig.

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                                      • 8 .5

                                        Wenn es um Glanz und Gloria im Showgeschäft geht, kann Geschwisterliebe sich schnell ins Gegenteil verkehren. Der hervorragend inszenierte, psychodramatische Klassiker „Was geschah wirklich mit Baby Jane“ von Robert Aldrich zeigt auf bitterböse Weise, wie die Eifersucht zweier alternder Schwestern zunehmend eskaliert. Die Schwester „Baby“ Jane ist ein ehemaliger Kinderstar (Bette Davis). Als Erwachsene blieb ihr allerdings der Erfolg verwehrt. Die andere Schwester (Joan Crawford) spielte als Kind immer nur die zweite Geige und war dagegen als Erwachsene eine gefeierte Schauspielerin. Unglücklicherweise ist sie nach einem Unfall an einen Rollstuhl gefesselt und von der Pflege des psychisch labilen früheren Kinderstars abhängig.

                                        Die ungleichen Schwestern werden perfekt durch die temperamentvolle Davis, die sehr viel Mut zur Hässlichkeit beweist und die eher zurückhaltend agierende Crawford verkörpert. Charakterliche Untiefen und gegenseitige Abhängigkeiten sorgen immer wieder für Spannung und hohen Unterhaltungswert. Das gelungene, äußerst gallige Ende zeigt, wie schneller Ruhm in Hollywood und eine verlorene Kindheit die Psyche beeinflussen können.

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                                        • 8 .5
                                          MareikeHB 01.01.2024, 14:24 Geändert 01.01.2024, 15:47

                                          Liebe Filmfans, ich wünsche euch allen ein glückliches Jahr 2024 und freue mich schon auf Eure neuen Kommentare! Passend für Filmbegeisterte ist auf jeden Fall der Geheimtipp „101 Nacht - Die Träume des M. Cinema“ von Agnès Varda. Achtung für alle, die mehr das „gegenständliche“ Kino bevorzugen, vieles erinnert hier tatsächlich an Träume. Der Film ist sehr surreal und assoziativ.

                                          Der hundertjährige Monsieur Cinema (Michel Piccoli) durchträumt fortwährend die hundertjährige Filmgeschichte. Wir sehen dabei immer einmal winzige Ausschnitte aus Meisterwerken der Filmgeschichte, die dann sehr kreativ mit der traumhaften Handlung verflochten werden. Etwas gegenständlicher ist eine Liebesgeschichte zwischen einer jungen Filmexpertin, die dem Hundertjährigen helfen soll, das Filmwissen zu archivieren, und einem jungen Filmemacher.

                                          In der filmischen Rückschau dominiert zwar das französische Kino, aber auch internationale Filmemacher finden Berücksichtigung. Herrlich sind zahlreiche Gastauftritte prominenter Schauspielerinnen und Schauspieler, die sich auf wunderbare Weise selbst aufs Korn nehmen: Marcello Mastroianni, Catherine Deneuve, Alain Delon, Jeanne Moreau, Hannah Schygulla, Robert de Niro, Jean-Paul Belmondo und einige mehr. Je mehr man die alten Meisterwerke der Filmgeschichte kennt, desto mehr Gefallen wird man wahrscheinlich an diesem komischen Filmkunstwerk finden.

                                          Bis zum 16.04.2024 in der Arte-Mediathek unter dem Namen „Hundert und eine Nacht“ oder unter „Agnes Varda“.

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                                            MareikeHB 29.12.2023, 18:30 Geändert 29.12.2023, 18:33

                                            Noch bis zum 29.04.2023 in der Arte-Mediathek: „Guten Morgen“ von dem japanischen Regiemeister Yasujiro Ozu ist ein uriger Familienfilm mit leisem Humor. Zwei Brüder wünschen sich sehnlichst, dass sich die Familie einen Fernseher anschafft. Zudem gibt es noch einige Missverständnisse unter den Erwachsenen, weil Geld abhanden gekommen ist.

                                            Ozu beschäftigt sich mit einem seiner liebsten Themen, das auch heute noch zeitlos wirkt: Den Gräben zwischen den Generationen aufgrund des raschen technologischen Fortschritts. Die Jugend befürwortet die neueste Technik - hier das Fernsehen, bei der älteren Generation trifft sie eher auf Vorbehalte. „Fernsehen macht dumm“ lautet die Devise bei einigen. Man ersetze heute nur Fernseher mit Smartphone, wenn es um für Kinder attraktive Geräte geht. Das Setting in der beengten Mittelklasse-Siedlung ist gelungen. Der Nachbarschaft bleibt nichts verborgen, was natürlich gewisse Probleme bereitet. Manchmal etwas ungewöhnlich ist der Humor - z.B. wenn für die Jungen das meisterliche Furzen sehr erstrebenswert ist.

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                                            • 7 .5
                                              MareikeHB 23.12.2023, 21:48 Geändert 23.12.2023, 22:00

                                              Frohe Weihnachten und ein glückliches Jahr 2024 an alle und danke für Eure weihnachtlichen Grüße in Euren Kommentaren! Erfreuliche weihnachtliche Gefühle kommen auch bei der erfrischenden RomCom „Liebe braucht keine Ferien“ von Nancy Meyers auf. Zwei alleinstehende Frauen (Cameron Diaz und Kate Winslet) tauschen über Weihnachten ihre Häuser. Werden sie im jeweils neuen Umfeld auf dem englischen Land und im sonnigen Los Angeles eine neue Liebe finden?

                                              Der Titel des Filmes klingt vielleicht eher abschreckend kitschig. Geboten wird aber eine rundherum gelungene romantische Komödie mit Starbesetzung, die durch ihre liebenswerte Komik und gekonnte Inszenierung aus dem Weihnachtsfilmallerlei heraussticht. Die gut aufgelegten weiblichen Stars werden von einem charismatischen, vielleicht manchmal etwas zu sehr grimassierenden, Jude Law und von einem für seine Verhältnisse eher zurückhaltend spielenden Jack Black unterstützt. In einer schönen Nebenrolle als alternder Hollywood Drehbuchautor sorgt zudem Eli Wallach für Höhepunkte. Filmfans kommen auch immer einmal wieder auf ihre Kosten. Ein komisches Highlight ist in diesem Zusammenhang der Cameo-Auftritt Dustin Hoffmans. Manche narrativen Entwicklungen gehen vielleicht etwas zu schnell. Die gute Laune, die dieser Film versprüht, kaschiert aber derartige Schwächen ganz gut.

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                                                über Laura

                                                Der stilprägende Klassiker „Laura“ von Otto Preminger ist der Prototyp eines mysteriösen Noir-Films und unterhaltsamen Whodonits. Eine undurchsichtige, selbstbestimmte und bildhübsche Frau, die Reihenweise Männerherzen bricht (Gene Tierney), steht im Mittelpunkt bei den Mordermittlungen eines jungen Polizeibeamten (Dana Andrews). Schauspiel und Dialoge begeistern, wie auch die exzellenten Schwarzweißbilder. Die ausgefeilte, kammerspielartige Kriminalgeschichte hält einige Überraschungen bereit und verdichtet sich mehr und mehr zu einem bitteren Liebesdrama. In Nebenrollen glänzen ein noch sehr junger Vincent Price und ein herrlich zynischer Clifton Webb.

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                                                • 8 .5

                                                  „Systemsprenger“ von Nora Fingscheidt ist ein packendes, weitestgehend realitätsnahes und zurecht mit vielen Preisen überhäuftes Drama über ein „schwer erziehbares“, stark impulsives Mädchen. Helena Zengel, die das neunjährige Mädchen verkörpert, spielt genial diese sehr herausfordernde Rolle. Aber auch Albrecht Schuch als ihr idealistischer Schulbegleiter und Betreuer überzeugt mit seinem subtilen Schauspiel in jeder Hinsicht.

                                                  Handwerklich ist der Film auf hohem Niveau und inhaltlich durchweg spannend. Die Figurenzeichnungen sind komplex. Es werden glaubwürdige Menschen mit Stärken und Schwächen gezeigt. Die früheren familiären Umstände des Mädchens werden nur subtil angedeutet. Anscheinend ist die soziale Umgebung des Mädchens nicht alleine ausschlaggebend für das sehr auffällige Verhalten. Man muss wohl davon ausgehen, dass bei dem Mädchen leider auch eine genetisch veranlagte krankhafte Störung vorliegt. Glücklicherweise tritt ein derartiges Krankheitsbild bei Menschen eher selten auf.

                                                  Wer aber mit einem „schwierigen“ Kind konfrontiert wird, steht vor enormen Herausforderungen und kann glücklich sein, wenn professionelle Hilfe gewährt wird. Auch aus Erfahrungen in meinem persönlichen Umfeld weiß ich, dass in vielen Fällen Verbesserungen in der Sozialkompetenz möglich sind, wenn richtige Hilfestellungen vorliegen. Mit dem zunehmenden Alter nimmt die Reife auch bei entwicklungsverzögerten oder „schwierigen“ Kindern mit der richtigen Begleitung im günstigsten Fall zu. Sehr gut gefiel mir, dass auch bei einem derartig extremen Fall die Hoffnung auf eine positive Entwicklung vom Umfeld nicht aufgegeben wird.

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                                                    MareikeHB 09.12.2023, 17:53 Geändert 09.12.2023, 20:57
                                                    über Exodus

                                                    „Exodus“ von Otto Preminger nach dem gleichnamigen Romanbestseller von Leon Uris ist ein episches, idealistisch angehauchtes Historiendrama über die Gründung des Staates Israel aus jüdischer Perspektive. Interessant ist aus heutiger Sicht, dass es hier nur sehr am Rande um den Konflikt der Israelis gegen die Palästinenser geht. Feindbilder sollten offensichtlich weitestgehend vermieden werden. Gegner sind in erster Linie die Briten. Großbritannien verwaltete die palästinensischen Gebiete nach dem Zusammenbruch des osmanischen Reiches und wollte eine massenweise Siedlung von Juden in den fraglichen Gebieten verhindern. Nach dem 2. Weltkrieg wurden daher anscheinend tausende heimatlose, europäische Juden, die sich auf heutigem israelischen Gebiet ansiedeln wollten, in von Briten verwaltete Lager auf Zypern interniert. Durch einen Trick und mit Hilfe Zyperns gelingt es, hunderte Juden auf das Schiff „Exodus“ zu schmuggeln - mit dem Ziel des zukünftigen Israels. Eine politische Zerreißprobe nimmt ihren Lauf.

                                                    Die komplexen historische Tatsachen werden bei dieser Romanverfilmung insgesamt eher verkürzt dargestellt. Vielmehr geht es um unterschiedliche Schicksale einzelner heimatloser Juden, die sich auf heutigem israelischen Gebiet ansiedeln möchten. Es kommt klar zum Ausdruck, dass kaum jemand, auch nicht die Engländer, während des 2. Weltkriegs die vor dem NS-Regime fliehenden Juden aufnehmen wollte. Immer wieder wird optisch und verbal gegen jüdische Stereotype angearbeitet - so gibt es bewusst blonde und südländisch aussehende Jüdinnen und Juden.

                                                    Auch unter den jüdischen Siedlern werden Konflikte gezeigt, da einige sich radikalisieren, um die Briten mit Anschlägen zu bekämpfen. Ein umsichtiger Anführer (Paul Newman) ist der Hauptprotagonist. Aber auch ein junger Radikaler (Sal Mineo) hat eine tragende Rolle. In einer der bewegendsten Szenen des Films erzählt er von den Gräueln der Nationalsozialisten in Auschwitz. Eine weitere sehr beeindruckende Szene zeigt die Räumung eines Kibbuzes, das droht angegriffen zu werden. Etwas überflüssig sind die Liebesgeschichten der Hauptfiguren. Zudem wird etwas vereinfachend suggeriert, dass die friedlichen Palästinenser durch ausgewanderte Nazis angestachelt wurden, die israelischen Siedler zu bekämpfen. Die Rede am Schluss des Films ist jedenfalls voller Hoffnung, dass es in der Region einmal ein friedliches Zusammenleben geben wird.

                                                    Es wurde offensichtlich mit viel Aufwand an vielen Originalschauplätzen gedreht. Manchmal leidet das Tempo des Films etwas durch die in die Länge gezogenen Außenaufnahmen. Das Schauspiel aller Beteiligten ist, mit leichten Abstrichen bei den weiblichen Darstellerinnen, gut, wobei Sal Mineo heraussticht. Sehr hörenswert ist der „Oscar“- prämierte Soundtrack von Ernest Gold.

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