MareikeHB - Kommentare

Alle Kommentare von MareikeHB

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    Bis zum 15.10.2023 in der Arte Mediathek: „Der Geist des Bienenstocks“ von Victor Erice ist einer der renommiertesten Filme Spaniens. Es ist ein ruhig erzähltes, rätselhaftes Drama voller Poesie und Suggestionen. Thematisiert wird das dörfliche Familienleben einer Familie in der spanischen Provinz in den 1940er Jahren, als sich die Franco-Diktatur bereits etabliert hat. Der Vater ist ein verschlossener Intellektueller, möglicherweise vom spanischen Bürgerkrieg traumatisiert, der sich überwiegend seiner Bienenzucht widmet und über die Bienen schreibt, seine Ehefrau ist ihm entfremdet und hegt eine heimliche Briefkorrespondenz. Die jüngere Tochter Ana, die zugleich die Protagonistin ist, ist ein kleines Mädchen, das noch in einer magischen Welt lebt. Sie hat eine ältere Schwester, die ihre Leichtgläubigkeit immer wieder ausnutzt.

    Der Film lebt von der Suggestivkraft der Bilder und von dem Nichtgesagten. Sowenig wie die kleine Protagonistin versteht, was um sie herum geschieht, sowenig gelingt es auch dem Publikum, dem Film eine konventionelle Narrative zu entlocken. Wir sehen die Welt aus der Sicht eines Kindes, sie bleibt in vielem vage, bruchstückhaft. Die Familie lebt in einem dörflichen Mikrokosmos, vergleichbar mit einem Bienenstock. Dementsprechend haben viele Fenster des Hauses eine Wabenstruktur, durch die ein gelbliches Licht schimmert. Nur wenn man das Haus verlässt, kann man mit der Realität in Berührung kommen, die in den 1940er Jahren in Spanien oftmals grausam war.

    In einem Film im Film sieht man zu Beginn des Films Ausschnitte des Horrorklassikers „Frankenstein“ aus dem Jahre 1931. Die von Dr. Frankenstein erschaffene Kreatur beflügelt die Ängste der kleinen Ana, als sie in einer beeindruckenden Szene zusammen mit anderen Dorfbewohnern den Film sieht. Die Angst des Mädchens steht möglicherweise bildlich für die Angst vieler Menschen in der Franco-Diktatur. Das Schweigen im Film und das Verhalten der Eltern suggerieren die Schockstarre, die zahlreiche Bürger Spaniens zur Zeit der Diktatur empfunden haben.

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      MareikeHB 14.05.2023, 20:47 Geändert 15.05.2023, 07:16

      Das größte Manko des edeltrashigen, kurzweiligen Monumentalfilms „Dschingis Khan“ ist wohl aus heutiger Sicht, dass in der beeindruckenden Besetzung nicht eine Person ist, die auch nur annähernd mongolisch aussieht. Andererseits nimmt dies dem Film die Ernsthaftigkeit und unterstreicht, dass Unterhaltung erwünscht ist und kein möglichst detailgetreues Abbild der Vergangenheit angestrebt wird. Es ist wie beim Theater oder Mummenschanz: Eine klare Distanz zur (vergangenen) Realität wird gewahrt.

      Dafür wird die halbwahre Geschichte des großen mittelalterlichen Eroberers Dschingis Khan, der die mongolischen Stämme vereinigte und Wegbereiter für ein riesiges Reich in Asien und Osteuropa wurde, mit viel Leidenschaft, temporeich erzählt und von Regisseur Henry Levin routiniert in Szene gesetzt. Die Landschaftsaufnahmen und Massenszenen sind beeindruckend, die Bauten sind recht gut gelungen, die Kostüme wirken hochwertig und die Filmmusik von Dusan Radic ist passend bombastisch.

      Die Besetzung ist, was die Nationalitäten betrifft, erstaunlich divers. Wenn das Aussehen schon nicht passt, so sind die Akteure doch mit viel Spielfreude dabei: Omar Sharif als Dschingis Khan, Stephen Boyd als sein ständiger Rivale Jamuga. Françoise Dorléac, hübsch und blond, verkörpert die weise und selbstbestimmte Ehefrau des Eroberers.
      Eli Wallach als Shah von Persien hat einen Kurzauftritt.

      Die beiden Engländer Robert Morley, als verweichlichter Kaiser von China, und James Mason, als gewitzter, chinesischer Berater, geben ihren Figuren einen parodistischen Anstrich. Bei den beiden wurden die Gesichter optisch asiatisch angepasst. Heute sind derartige stereotype Verkörperungen natürlich völlig undenkbar. Da ihre schlauen, extravaganten Texte im Gegensatz zu den anderen Dialogen viel Freude bereiten, sind die beiden Figuren trotz des „Chinese-Facing“ das Salz in der Suppe dieses Films. Wer auf der Suche nach deftiger Unterhaltung ist, wird hier fündig.

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        MareikeHB 08.05.2023, 17:56 Geändert 08.05.2023, 17:58

        Bis zum 31.10.2023 in der Arte-Mediathek (O.m.U.)! „Adua und ihre Gefährtinnen“ von Antonio Pietrangeli ist eine kurzweilige und hintergründige Tragikomödie mit einer gehörigen Portion Sozialkritik, die an die neorealistische Tradition anknüpft. Nachdem die italienische Regierung Ende der 1950er Jahre die Prostitution verboten hat, beschließen die Prostituierte Adua (Simone Signoret) und drei weitere Kolleginnen ein neues Leben zu beginnen und ein Restaurant in der Nähe von Rom auf dem Lande zu eröffnen. Dabei haben sie zahlreiche Herausforderungen zu meistern, wie das Renovieren eines völlig baufälligen Hauses und neue Beziehungen zu Männern (u.a. Marcello Mastroianni).

        Mit viel Empathie und Feingefühl blickt Pietrangeli auf die charakterlich sehr unterschiedlichen Protagonistinnen. Er zeigt, wie problematisch die Situation der Prostituierten Ende der 1950er in Italien war. Für sie war es oft durch diverse Abhängigkeiten sehr schwer, sich von ihrer Vergangenheit zu lösen. Kritisiert werden dabei die in der Gesellschaft zutiefst verwurzelten patriarchalischen Strukturen. Zugleich wird ein humoristischer Blick auf das männliche und weibliche Geschlecht geworfen. Vorurteile werden gekonnt aufs Korn genommen.

        Tragik und Komik sind perfekt ausbalanciert. Zudem gibt es anrührende Szenen, die frei von Kitsch sind. Simone Signoret und Marcello Mastroianni werden einmal mehr durch ihr differenziertes Spiel ihrem hervorragenden Ruf gerecht, aber auch die übrige Besetzung lässt keine Wünsche offen. Die Schwarzweißbilder sind top.

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        • 8

          „Human Journey“ ist eine faszinierende Natur- und Geschichtsdokumentation über die Ausbreitung des Homo Sapiens auf der Erde, produziert von der BBC.
          In fünf Episoden mit einer Länge von ca. 50 Min. wird die Reise des modernen Menschen nachvollzogen. Die Episoden thematisieren die Wanderbewegungen auf den fünf Kontinenten und tragen die Titel:

          1. Afrika
          2. Australien
          3. Asien
          4. Europa
          5. Amerika

          Der Theorie nach begann die Reise des Homo Sapiens in Afrika. Genanalysen scheinen zu bestätigen, dass weltweit Menschen Spuren des Erbguts dieser Pioniere in sich tragen. Unterschiede in der Hautfarbe und Physiognomie haben sich erst zu einem späteren Zeitpunkt entwickelt. Unsere Vorfahren waren immensen Herausforderungen, wie zum Beispiel der Eiszeit, ausgesetzt. Die Dokumentation beeindruckt durch ihr fundiertes naturwissenschaftliches Wissen und den ansehnlichen Bildern aus allen fünf Kontinenten.

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          • 8
            MareikeHB 01.05.2023, 15:11 Geändert 01.05.2023, 20:03

            Im Jahre 2000 gab das U.S. Militär zu, dass es den Han-Fluss in Südkorea mit Formaldehyd verseucht hat. Regisseur Joon-ho Bong entwickelt aus diesem Sachverhalt mit „The Host“ einen fesselnden und einfallsreichen Monsterfilm. Ein reptilienähnliches Flusswesen tyrannisiert die Menschen in Seoul.

            Genmutierte, aus einer Umweltverschmutzung entwachsene Monsterwesen hat es in der Filmgeschichte immer wieder gegeben. Joon-ho Bong veredelt sein Werk mit einer äußerst stilvollen, mitunter rasanten Optik und herrlich skurrilen Charakteren. Neben seiner Kritik an Umweltverschmutzungen und der Arroganz der U.S.-Amerikaner spart er auch nicht an Sozialkritik. Es geht um einen unfähigen, willkürlich handelnden Staat, die panische Angst vor ansteckenden Krankheiten, die hier regelrecht einer Hysterie gleichkommt, aber auch um die Tatsache, dass das Individuum in der südkoreanischen Gesellschaft trotz zahlreicher demokratischer Reformen im 20. Jahrhundert nicht wirklich zählt.

            Fans des typisch südkoreanischen, oftmals etwas brutal angehauchten Humors kommen ebenfalls auf ihre Kosten. Immer wieder werden kreative, meist visuelle Gags eingestreut - einige haben mit Bier und Bierdosen zutun. Hervorzuheben ist zudem die exzellente, abwechslungsreiche Filmmusik von Byeong Woo Lee. In Südkorea hat dieses Horrordrama mit komödiantischen Elementen in den Kinos sämtliche Kassenrekorde gesprengt.

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            • 6
              MareikeHB 01.05.2023, 12:04 Geändert 01.05.2023, 15:14

              „Bravados“ von Henry King ist ein solide, aber recht bieder inszenierter, klassischer Western. Der Handlungsverlauf der Rache-Story ist zunächst ziemlich vorhersehbar. Gegen Ende gibt es einen gelungenen Wendepunkt. Eher ungewöhnlich für die 1950er Jahre ist, dass sexuelle Gewalt im „Wilden Westen“ thematisiert wird und der rächende Held zum Schluss sein Handeln reflektieren darf. Protagonist Gregory Peck trägt leider mit seinem hölzernen Schauspiel dazu bei, dass „Bravados“ insgesamt zu brav in Erscheinung tritt.

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              • 6 .5

                Ingmar Bergman bürgt als einer der bedeutendsten Regisseure des 20. Jahrhunderts immer für Qualität, aber das düstere Melodram „Schiff nach Indialand“ zählt eher zu seinen schwächeren Werken. Die hochdramatische Eifersuchts- und Vater/Sohn-Geschichte ist recht spannend, aber letztlich zu schwülstig geraten.

                Thematisiert werden die verheerenden Auswirkungen psychischer Gewalt. Zum einen, wie sie sich beim Opfer körperlich auswirkt - der Sohn hat einen „Buckel“. Zum anderen, wie sie sich beim Täter - dem Vater - ebenfalls körperlich zeigt: Sein Hass und seine Eifersucht machen ihn zunehmend blind. Die Inszenierung ist gelungen. Dabei kommt die beklemmende Atmosphäre gut zum Ausdruck. Auch das Schauspiel ist stimmig. Aber es fehlt der besondere Stempel, der Bergmans Filme oft zur großen Filmkunst erhebt.

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                • 8
                  MareikeHB 18.04.2023, 19:02 Geändert 19.04.2023, 13:03
                  über Babylon

                  Als Hollywood-Babylon in Reinform - so präsentiert sich bisweilen „Babylon - Rausch der Extase“ von Damien Chazelle in Anlehnung an die erfolgreiche deutsche Serie „Babylon Berlin“. Dementsprechend ist das opulente, kurzweilige Drama ebenfalls zunächst in den 1920er Jahren angesiedelt. Ähnlich wie die Serie spinnt sich die Geschichte in den nächsten Jahrzehnten fort.

                  Das Leben im Hollywood der 1920er Jahre ist wild und hat tatsächlich babylonische Züge: Ausschweifende Parties mit Menschen ohne Schamgefühlen, Betäubungsmittel, soweit das Auge reicht. Im Mittelpunkt des Geschehens steht ein junger Mann (Diego Calva), der als „Mädchen für alles“ bei einem bekannten Stummfilmstar und Produzenten (Brad Pitt) angestellt ist und von der großen Karriere in Hollywood träumt. Er verliebt sich in eine junge, impulsive Frau (Margot Robbie), die sich schnell zum erfolgreichen Stummfilm-Star mausert.

                  Großartige Kostüme und ein eindrucksvolles Szenenbild verwöhnen die Augen. Wie im Vorbeigehen werden auf amüsante Art Lektionen der Filmgeschichte erteilt. Insbesondere erfährt man einiges Wissenswertes über die damaligen Produktionsbedingungen und auch die ersten Gehversuche des Tonfilms. Diese Themen sind natürlich nicht ganz neu. Die überschäumende Liebe zum Kino teilt sich dieser Film mit „Cinema Paradiso“. Inhaltlich wird elegant Bezug auf „Singing in the Rain“ genommen. Die liebevoll gezeichneten Charaktere werden durch eine exzellente Besetzung gestützt. Vor allem Hauptdarsteller Diego Calva ist eine echte Entdeckung. Hoffentlich werden ihm noch zahlreiche Hauptrollen vergönnt sein. Für die mitreißende Filmmusik ist Justin Hurwitz verantwortlich. Der Musikstil erinnert bisweilen etwas an die Filmmusik von „La La Land“, die er ebenfalls komponiert hat.

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                  • 8
                    MareikeHB 16.04.2023, 12:46 Geändert 16.04.2023, 12:52

                    „Kindling“ von Connor O’Hara ist ein packendes, feinfühliges und lebensbejahendes Coming-of Age-Drama. Zugleich ist es ein eindrucksvoller Lehrfilm über die Zeit des Abschieds von einem geliebten Menschen sowie über Trauerbewältigung.

                    Ein dem Tode geweihter, aber körperlich noch fitter junger Mann (George Somner), versammelt im Sommer seine besten Jugendfreunde (u.a. Conrad Khan, Rory J. Saper) im Landhaus seiner Eltern, um durch ein besonderes Feuerritual Abschied von ihnen zu nehmen. Die Sache wird kompliziert, als er eine sympathische, junge Frau (Mia McKenna-Bruce) kennenlernt.

                    Dieser in jeder Hinsicht erstklassig produzierte, anrührende Film wirkt authentisch, zeichnet sich durch seine Komplexität aus und schlägt immer die richtigen Töne an, tragische wie komische. Kitschfallen werden gekonnt umschifft. Man sollte allerdings Taschentücher griffbereit haben. Gewidmet wird das Werk allen, die liebe Menschen verloren haben.

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                    • 7 .5
                      MareikeHB 11.04.2023, 19:02 Geändert 15.04.2023, 15:39

                      „Brexit: The Uncivil War“ von Toby Haynes ist ein erhellendes Comedy-Drama, das die Vorgeschichte des Brexit aufzeigt. Schauspieler schlüpfen hier in die Rollen der Strategen, die 2015 und 2016 Kampagnen für und gegen den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union schufen. Der Fokus liegt überwiegend beim „Leave“-Team, das den Brexit befürwortete. Dominic Cummings (Benedict Cumberbatch) war der gewiefte und wohl bedeutendste Manipulator im Hintergrund, der dafür mitverantwortlich war, dass rund 17 Millionen versus 16 Millionen Briten für den Brexit stimmten. „Take control back again!“ war sein wirkmächtiger Slogan.

                      Fakten durchmischt mit erdachter Dramaturgie und eine gehörige Portion Zynismus bestreiten den Inhalt dieser trotz aller Tragik amüsanten Dramödie. Cumberbatch, hier mit einer ungewohnten Halbglatze in einer eher unsympathischen Rolle, Rory Kinnear als sein unglücklicher Gegenspieler Craig Oliver, Richard Goulding als Boris Johnson und der übrige Cast agieren gekonnt in bester britischer Schauspieltradition. Die Dialoge sind in diesem Kammerspiel oft bissig. Es verbleibt ein anschaulicher und auch erschreckender Lehrfilm, wie Politik heutzutage funktioniert.

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                      • 7 .5
                        MareikeHB 07.04.2023, 18:49 Geändert 08.04.2023, 10:00

                        „Paul - Ein Alien auf der Flucht“ von Greg Mottola ist eine lustige Science-Fiction-Komödie mit zahlreichen Anspielungen auf Genre-Klassiker. Zwei britische Nerds, Comic- und Alien-Fans, reisen mit einem Wohnmobil durch die USA, um berühmte „Alien-Schauplätze“, wie die Area 51, zu besichtigen. Wie es der Zufall will, begegnen sie tatsächlich einem Außerirdischen namens Paul. Diesem möchten sie helfen, damit er zu seinem Volk zurückzukehren kann. Das ist allerdings nicht einfach, da sie sich unter anderem mit Alienjägern, gewaltbereiten Hinterwäldlern und extremen Christen auseinandersetzen müssen.

                        Viele Gags zünden, manche sind allerdings recht derb und polarisieren möglicherweise. Immerhin wird in verschiedene Richtungen ausgeteilt. Das Drehbuch ist einfallsreich und hält die ein oder andere Überraschung bereit. Gelungene Anspielungen gibt es zum Beispiel auf „Die unheimliche Begegnung der dritten Art“, „E.T.“ und „Men in Black“. Der außerirdische Paul („Ich esse keine toten Vögel“ = Lachflash) ist prima animiert, aber auch die menschliche Besetzung weiß zu überzeugen. Das britische Komikerduo Simon Pegg und Nick Frost ist einfach eine sichere Bank und die Nebenrollen sind gut mit Kirsten Wiig, Jason Bateman und Sigouney Weaver besetzt.

                        Diesen Text widme ich meinem enthusiastischen Kollegen TschunaSan. Dieser Film zählt zu seinen Lieblingsfilmen. Danke für den Tipp!

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                          MareikeHB 02.04.2023, 22:14 Geändert 03.04.2023, 11:15

                          Na, ob sich Queen Anne bei der Kostümfarce „The Favourite“ von Yorgos Lanthimos wohl im Grabe umdreht? Zum einen werden ihr zwei historisch nicht verbürgte Liebschaften mit Frauen angedichtet. Und diese beiden Frauen (Rachel Weisz, Emma Stone) stechen sich regelmäßig durch Intrigen aus, beide um die alleinige Liebe der Königin (Olivia Colman) buhlend. Außerdem wird die durch diverse körperliche und seelische Leiden gebrechliche, geschwächte Königin im Gegensatz zu ihren gerissenen, machtbewussten Liebhaberinnen nicht gerade als ein attraktiver Mensch dargestellt. Fresssucht ist nur eines der Laster dieser tragikomischen Gestalt. Aber auch sonst geht es am Hofe oftmals dekadent und vor allem sprachlich äußerst vulgär zu.

                          Lanthimos präsentiert eine formvollendete, derbe Satire aufs englische Königshaus, die sicherlich nicht jedermanns Geschmack trifft. Glanz und Gloria sucht man hier vergebens. Dafür zünden viele Gags. Das Szenenbild ist exzellent, genauso wie das Schauspiel der drei Protagonistinnen. Olivia Colman erhielt durch ihr gekonnt drastisches Spiel zurecht, gerade auch mit ihrem Mut zur Hässlichkeit, den „Oscar“ als beste Hauptdarstellerin. Für die Herren (z.B. Nicholas Hoult) verbleiben lediglich kleinere Nebenrollen. Dieser Kostümfilm gefällt durch einen erfrischend anderen Blick auf das britische Königshaus und vermeidet gängige Genreklischees. Zu ernst oder gar für bare Münze sollte man ihn jedoch nicht nehmen.

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                            „Ich sehe den Mann deiner Träume“ von Woody Allen ist eine amüsante Beziehungskomödie, die unbeschwerte Unterhaltung bietet. Eine dysfunktionale Familie, die aus getrennt lebenden Eltern im Rentenalter (Anthony Hopkins, Gemma Jones) und einer Tochter (Naomi Watts) mit Ehemann (Josh Brolin) mittleren Alters besteht, droht auseinander zu brechen, da sich alle Beteiligten für andere Lebenspartner interessieren.

                            Mit leichtem Biss und gewohnt hervorragenden Dialogen nimmt Allen den Jugendwahn der älteren Generation, esoterische Leichtgläubigkeit und die oftmals schwierige Verfolgung von Lebensträumen aufs Korn. Dabei erreicht Allen künstlerisch nicht den anspruchsvollen Level seiner früheren Meisterwerke, da es hier im Vergleich deutlich an Einfallsreichtum mangelt. Dennoch bietet er gehobenes Handwerk, vor allem was die Führung der Schauspieler und Schauspielerinnen betrifft. Die namhafte, hochkarätige Besetzung, auch in Nebenrollen (z.B. Antonio Banderas, Freida Pinto), darf glänzen, wenn sie auch nicht übermäßig gefordert wird.

                            Sind einige Werke Woody Allens auch etwas anstrengend, - das mag vor allem daran liegen, dass er als selbstverliebter Darsteller durchaus polarisiert - so plätschert hier ohne ihn alles angenehm vor sich hin und verdichtet sich schließlich zu einer unterhaltsamen Seifenoper. Woody Allen ist als Regisseur und Filmemacher jedenfalls unbestreitbar ein großer Könner.

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                              „Unterwegs nach Cold Mountain“ von Anthony Minghella ist ein fesselndes, aber auch düsteres Liebesdrama, das gegen Ende des Amerikanischen Bürgerkrieges spielt. Ein junges, frisch verliebtes Paar (Jude Law und Nicole Kidman) wird getrennt, als der Protagonist in den Bürgerkrieg für die Südstaaten eingezogen wird. Gegen Ende des Krieges desertiert er, um zu seiner geliebten Freundin zurückzukehren. Der Weg zurück ist aber in jeder Hinsicht voller Gefahren und sehr beschwerlich.

                              Die Schrecken des Krieges werden gleich zu Beginn in einer Schlacht zwischen den Nord- und den Südstaaten eindrucksvoll gezeigt. Aber auch weitere schlimme Kriegsfolgen bleiben nicht unberücksichtigt: Die Exekution von Deserteuren, Hunger, große Plantagen, auf denen nur noch wenige Frauen verblieben sind, da die Männer im Krieg kämpfen oder gefallen sind und die Sklaven bereits in die Freiheit entlassen wurden. Hochgebildete Frauen, wie die Protagonistin, müssen nunmehr landwirtschaftliche Aufgaben übernehmen. Angesichts der sich nähernden feindlichen Soldaten und der Lebensmittelknappheit müssen auch die Frauen um das blanke Überleben kämpfen.

                              Mit wunderschönen Bildern, aber auch stellenweise etwas schwülstig kommt dieses spannende Westerndrama daher. Die Figuren bleiben leider weitestgehend blass und unnahbar. Darstellerisch sticht Renee Zellweger als einfach gestrickte, burschikose Helferin der Protagonistin deutlich heraus. Sie hat sich ihren „Oscar“ als beste Nebendarstellerin redlich verdient. Der Film erhielt sechs weitere „Oscar“-Nominierungen.

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                                „Die Hexen von Salem“ von Raymond Rouleau ist eine freie Adaption des Theaterstücks „Hexenjagd“ von Arthur Miller und ein in mehrfacher Hinsicht fesselndes Historiendrama, das zugleich gewisse propagandistische Zwecke verfolgte.
                                Der Film entstand aus einer ungewöhnlichen Allianz zwischen Filmproduzenten und Beteiligten, die dem sozialistischem Flügel Frankreichs zuzurechnen waren und der größten und bedeutendsten Produktionsgesellschaft der DDR - der DEFA. Diese war mit 20 % an den Entstehungskosten beteiligt. Das Drehbuch wurde von keinem Geringeren als dem berühmten Philosophen Jean-Paul Sartre verfasst!

                                Angeknüpft wird an den historisch belegten Ausbruch eines Hexenwahns im Jahre 1692 in Salem, Massachusetts. Nachdem Mädchen bei ekstatischen Tänzen erwischt wurden, gaukeln diese dem streng puritanischen Priester vor, von Dämonen besessen zu sein. Sie beschuldigen daraufhin zahlreiche Bürger und Bürgerinnen der Hexerei. Zahlreiche Denunziationen nehmen ihren Lauf. Eine der Hauptbeteiligten der Minderjährigen (Mylene Demongeot) handelt aus Eifersucht und bringt auch die Protagonisten, ein bäuerliches Ehepaar (Simone Signoret und Yves Montand) in Bedrängnis. In zwielichtigen Prozessen werden viele der Beschuldigten schließlich angeklagt.

                                Das Historiendrama ist mit all seinem religiösen Wahn und mit den willkürlichen Verurteilungen letztlich als eine Parabel auf die westliche Kommunistenhatz, insbesondere auf die McCarthy-Ära in den USA zu verstehen. Gleichzeitig ist es aber auch ein mitreißendes, vielschichtiges Drama über persönliche Integrität und kollektive Schuld. Die ausdrucksstarke Kamera, die authentische Kulisse und die herausragende Besetzung unterstützen den hohen künstlerischen Anspruch. Im Kontrast zu dem puritanischen Hollywood-Kino der 1950er Jahre erweist sich dieses Werk zudem als ziemlich freizügig, was nackte Haut und weibliche Verführungskünste betrifft. Die wieder einmal grandios tragische Simone Signoret gewann zwei Preise für ihr überragendes Schauspiel. Untermalt wird das düstere Geschehen von einer komplexen Filmmusik Hanns Eislers.

                                Gesehen habe ich die restaurierte Langversion auf Blu-ray, in der die von der DEFA herausgeschnittenen Szenen, die in der französischen Version enthalten waren, wieder mit Untertiteln eingefügt wurden.

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                                  In der Arte-Mediathek bis zum 11.04.2023! „Den seinen gibt` s der Herr“ von Jean-Pierre Mocky ist eine charmante Gaunerkomödie mit deutlicher Sozialkritik. In einer wohlhabenden Familie, in der seit vier Generationen niemand einer geregelten Arbeit nachgeht, wird das Geld langsam knapp. Also muss eine neue Einkommensquelle her. Mit perfiden Methoden plündert sodann der erwachsene Sohn der Familie (Bourvil) zunehmend professionell Opferstöcke in Kirchen, die bei den Heiligenfiguren aufgestellt sind. Er ist fest davon überzeugt, dass er sich zumindest 50 % des Inhalts mit Zustimmung Gottes aneignen darf. Schon bald gibt es ein Katz- und Mausspiel mit der Gendarmerie…

                                  Die klassische Sozialkritik ist evident: Die Wohlhabenden werden sehr überzeichnet als egoistisch und selbstgerecht dargestellt. Sie schrecken nicht davor zurück, sich auf Kosten der Ärmsten der Armen, für die hier die milden Gaben der Kirche bestimmt sind, zu bereichern. Der unerschütterlichen Selbstsicherheit und Rücksichtslosigkeit der Oberklasse kann kaum jemand etwas entgegensetzen. Beim Zuschauer verbleiben gemischte Gefühle für die Protagonisten angesichts ihrer Skrupellosigkeit, aber auch ihres unbestechlichen Stils und gewitzten Charmes. Diese unterhaltsam inszenierte Komödie in Schwarzweiß ist ein vergessener Klassiker, der trotz seiner Thematik immer noch frisch wirkt.

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                                    MareikeHB 17.03.2023, 11:49 Geändert 17.03.2023, 11:54

                                    Am morgigen Samstag, den 18.03.2023 um 20:15 Uhr auf MDR gibt es den wunderbaren Fantasy-Klassiker „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ (1959). Es ist die (wohl mit Abstand) beste Verfilmung des gleichnamigen Romans von Jules Verne. Bei Moviepilot fehlt leider der Hinweis auf diese TV-Ausstrahlung.

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                                      MareikeHB 16.03.2023, 18:17 Geändert 16.03.2023, 18:24

                                      Die Serie „Die Discounter“ ist eine größtenteils witzige Mockumentary über Mitarbeitende in einem Supermarkt in Hamburg-Altona. Die Folgen dauern ca. 20 Minuten, bislang gibt es jeweils zehn Episoden, die sich auf zwei Staffeln verteilen. Die letzten Folgen der Staffel sind jeweils amüsante Making-Ofs. Inhaltlich geht es meistens um das Miteinander der Belegschaft, seltener um Kunden. Dabei verirren sich in einzelnen Folgen auch schon einmal Prominente in den Supermarkt „Feinkost Kolinski“, nämlich der Musiker Peter Fox und der Fußballer Mats Hummels.

                                      Im direkten Vergleich mit dem Mockumentary Highlight „Stromberg“ sind die Dialoge nicht so geschliffen und die Gags noch übertriebener. Viele Gags zünden jedoch durch ihren unverkrampften Humor und sorgen für gute, entspannte Unterhaltung. Allerdings geht es oftmals auch durchaus derb zu. Zum Ende der zweiten Staffel werden die sexuellen Techtelmechtel und die Verstrickungen vielleicht etwas zu viel des Guten.
                                      Schauspielerisch bietet die Serie beste Feinkost und ein herrlich authentisches Spiel der perfekt besetzten, schrägen und natürlich sehr diversen Typen. Da freut man sich durchaus schon auf die dritte Staffel.

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                                        MareikeHB 12.03.2023, 16:10 Geändert 12.03.2023, 22:08

                                        Bis zum 13.08.2023 in der Arte-Mediathek:
                                        „Regen in den Bergen“ von King Hu ist ein schön bebildertes, mit Ruhe erzähltes Historiendrama, das in China zur Zeit der Ming Dynastie (1368-1644) angesiedelt ist. Ein buddhistischer Abt lädt Edelmänner ein, um seinen Nachfolger als Vorsteher eines buddhistischen Klosters zu bestimmen. Es entspinnt sich ein Intrigenspiel um den Posten. Außerdem haben es einige Gäste auf eine wertvolle Schriftrolle abgesehen.

                                        Zunächst geschieht nicht allzu viel. Die diebischen Protagonisten schleichen vor allem leichtfüßig durch das Kloster, um an die Schriftrolle zu gelangen. Interessant ist, dass einer Frau neben den männlichen Protagonisten eine starke Rolle als Meisterdiebin zugedacht wurde, während andere Frauen naturgemäß in diesem klösterlichen Umfeld eher unbedeutende Randfiguren bleiben. Die Protagonistin kann vor allem auch in den Martial Arts-Szenen gut mithalten, die allerdings insgesamt recht sparsam eingesetzt werden. Dafür sind diese gerade zum Ende des Films sehr fantasievoll und ästhetisch inszeniert. Die Kämpfer und Kämpferinnen schweben förmlich in bunten, wehenden Gewändern von den Bäumen herab. Zudem gibt es immer wieder etwas buddhistische Philosophie frei Haus.

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                                          MareikeHB 05.03.2023, 11:22 Geändert 05.03.2023, 11:26

                                          „Dead for a Dollar“ von Walter Hill ist ein enttäuschender, spannungsarmer Western traditioneller Machart, halbherzig dem heutigen Zeitgeist angepasst. Namen wie Christoph Waltz und Willem Dafoe in den Hauptrollen lassen zunächst aufhorchen. Leider ist das Schauspiel gerade von Waltz sehr mittelmäßig. Zudem darf er sich nur durch eine belanglose, völlig auserzählte Geschichte bewegen.
                                          Die Frauenrolle (Rachel Brosnahan) ist zwar zeitgemäß stark, aber lieblos und unsympathisch gezeichnet. Die dunkelhäutigen Hauptfiguren (Warren Burk und Brandon Scott) sind dem Zeitgeist entsprechend stark und freundlich, letztlich aber zu eindimensional.

                                          Ärgerlich ist, dass die Mexikaner einmal mehr als idiotische Schießbudenfiguren herhalten müssen, wie man das aus unzähligen alten Western bereits kennt. Nervig und langweilig sind auch die Hochglanz-Bilder, die durchgehend mit einem Orange-Filter unterlegt wurden.

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                                            MareikeHB 23.02.2023, 18:39 Geändert 23.02.2023, 20:04
                                            über Tokio!

                                            Derzeit bei Prime im Abo! Drei großartige Regisseure Michel Gondry, Leos Carax und Joon-Ho Bong trumpfen in „Tokio!“ jeweils mit drei grotesken und sozialkritischen Geschichten auf. Das verbindende Element ist die Hauptstadt Japans.

                                            Gondrys großes Thema ist die Transformation. Das ist bei ihm durchaus wörtlich zu verstehen. Es ist nicht für alle Menschen leicht, ein menschenwürdiges Dasein in einer überfüllten Großstadt zu leben und vor allem eine passende Wohnung zu finden. Die Lösung dieses Problems ist im wahrsten Sinne des Wortes fantastisch und herrlich absurd. Dennoch muss man feststellen, dass der äußerst kreative Gondry schon einfallsreichere Filme geschaffen hat und in seinen früheren Meisterwerken „Vergiss mein nicht!“ sowie „Science of Sleep“ vor allem auch mit besseren Effekten gearbeitet hat.

                                            Leos Carax („Die Liebenden von Pont-Neuf“) widmet sich dem Thema Anarchie. In den Straßen von Tokio treibt ein „Kanal-Phantom“ sein Unwesen. Die Narrative ist sehr einfallsreich und absurd, weist aber auch kleinere Längen auf. Ein Fremder wird hier im völlig übertriebenen Maße zu einer Bedrohung. Vielleicht wird auf den für eine Industrienation sehr geringen Ausländeranteil in der japanischen Bevölkerung angespielt.

                                            Joon-Ho Bong („Parasite“) beschäftigt sich mit dem Thema Wiedergeburt. Protagonist ist ein Hikikomori, der seit 10 Jahren völlig zurückgezogen lebt. Angesichts einer tödlichen Gefahr verändert er sich plötzlich und verliebt sich. Das Phänomen des Hikikomori ist in Japan verhältnismäßig weit verbreitet. Ebenso werden Katastrophen und die Wiedergeburt als Bestandteil diverser traditioneller, religiöser Strömungen mit Japan assoziiert. Optisch ist diese Episode am überzeugendsten.

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                                            • MareikeHB 22.02.2023, 20:30 Geändert 22.02.2023, 20:32

                                              Danke für Dein Willkommen, dazlious. Herzliche Grüße und viele schöne Filme! - M

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                                              • MareikeHB 22.02.2023, 20:14 Geändert 22.02.2023, 20:15

                                                Hallo Cine und Mariega, danke, dass ihr mich durch diese Liste und Mariegas Eintrag im allerletzten Moment daran erinnert habt, mein Gästebuch abzuspeichern. @cine: Du hast da ein sehr gutes Konzept entwickelt, die Einträge zu erhalten. Das Gästebuch ist leider tot. Es lebe Deine Liste!

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                                                  MareikeHB 18.02.2023, 17:33 Geändert 18.02.2023, 21:00

                                                  Bis 14.03.2023 in der Arte-Mediathek:
                                                  „Lieber Thomas“ von Andreas Kleinert ist ein kunstvoll tragikomisches Künstlerporträt des unangepassten, ostdeutschen Schriftstellers Thomas Brasch. In unterhaltsamen Episoden wird das Leben des Schriftstellers geschildert. Thomas Brasch war ein Freigeist, der immer wieder mit dem System der DDR haderte. Aber auch in seinem späteren Leben in der Bundesrepublik bleibt er seiner oftmals provozierenden Künstlerseele treu. Interessant ist der gelegentliche Wechsel zwischen Realität und Traum. Die Traumsequenzen bilden oft auf brillante Art das Gesagte und Rezitierte im übertragenen Sinne ab. Dabei wird auf visueller Ebene handwerklich Perfektes geboten: Die schwarzweißen Bildkonzeptionen sind einfallsreich und optisch sehr ansprechend.

                                                  Grandios ist die schauspielerische Leistung des Albrecht Schuch, der sich immer mehr zu einem der führenden Darsteller aus deutschen Landen mausert. Er ist hier wirklich mit Herzblut dabei und verbindet Können mit Attraktivität. Ich wage zu prophezeien, dass ihm auch eine erfolgreiche internationale Karriere vergönnt sein könnte. Den ersten Schritt hat er in der Neuverfilmung „Im Westen nichts Neues“, einem internationalen Erfolg, bereits getan. Aber auch der Rest der Besetzung überzeugt, so z.B. Jella Haase als Katharina Thalbach, mit der Thomas Brasch liiert war und 1976 in die Bundesrepublik übersiedelte! Bei dem Deutschen Filmpreis räumte dieses gelungene Filmkunstwerk zurecht neun Preise ab.

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                                                    Der engagierte Lehrer schafft es mit sehr viel Einfühlungsvermögen und dem verbindenden Element des gemeinsamen Musizierens die Kinder zu erreichen sowie gut zu fördern. Da in der Dokumentation der Unterricht über einen Zeitraum von einem halben Jahr begleitet wird, kann man bestimmte positive Entwicklungen bei den Kindern gut beobachten. Einige der Kinder schließt man direkt in sein Herz. Insgesamt sind die Gefühle beim Betrachten dieser Dokumentation aber zwiespältig. Man freut sich darüber, was ein guter Lehrer alles bewirken kann, aber andererseits spürt man auch, mit welchen äußerst schwierigen Herausforderungen Lehrerinnen und Lehrer heute konfrontiert werden. Es ist leider eine traurige Tatsache, dass nicht alle einen derartig förderlichen Unterricht wie Herr Bachmann leisten können. So verbleibt ein mulmiges Gefühl. Die Inszenierung der Dokumentation ist eher ruhig bis bieder.

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