MareikeHB - Kommentare

Alle Kommentare von MareikeHB

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    „Die Hexen von Salem“ von Raymond Rouleau ist eine freie Adaption des Theaterstücks „Hexenjagd“ von Arthur Miller und ein in mehrfacher Hinsicht fesselndes Historiendrama, das zugleich gewisse propagandistische Zwecke verfolgte.
    Der Film entstand aus einer ungewöhnlichen Allianz zwischen Filmproduzenten und Beteiligten, die dem sozialistischem Flügel Frankreichs zuzurechnen waren und der größten und bedeutendsten Produktionsgesellschaft der DDR - der DEFA. Diese war mit 20 % an den Entstehungskosten beteiligt. Das Drehbuch wurde von keinem Geringeren als dem berühmten Philosophen Jean-Paul Sartre verfasst!

    Angeknüpft wird an den historisch belegten Ausbruch eines Hexenwahns im Jahre 1692 in Salem, Massachusetts. Nachdem Mädchen bei ekstatischen Tänzen erwischt wurden, gaukeln diese dem streng puritanischen Priester vor, von Dämonen besessen zu sein. Sie beschuldigen daraufhin zahlreiche Bürger und Bürgerinnen der Hexerei. Zahlreiche Denunziationen nehmen ihren Lauf. Eine der Hauptbeteiligten der Minderjährigen (Mylene Demongeot) handelt aus Eifersucht und bringt auch die Protagonisten, ein bäuerliches Ehepaar (Simone Signoret und Yves Montand) in Bedrängnis. In zwielichtigen Prozessen werden viele der Beschuldigten schließlich angeklagt.

    Das Historiendrama ist mit all seinem religiösen Wahn und mit den willkürlichen Verurteilungen letztlich als eine Parabel auf die westliche Kommunistenhatz, insbesondere auf die McCarthy-Ära in den USA zu verstehen. Gleichzeitig ist es aber auch ein mitreißendes, vielschichtiges Drama über persönliche Integrität und kollektive Schuld. Die ausdrucksstarke Kamera, die authentische Kulisse und die herausragende Besetzung unterstützen den hohen künstlerischen Anspruch. Im Kontrast zu dem puritanischen Hollywood-Kino der 1950er Jahre erweist sich dieses Werk zudem als ziemlich freizügig, was nackte Haut und weibliche Verführungskünste betrifft. Die wieder einmal grandios tragische Simone Signoret gewann zwei Preise für ihr überragendes Schauspiel. Untermalt wird das düstere Geschehen von einer komplexen Filmmusik Hanns Eislers.

    Gesehen habe ich die restaurierte Langversion auf Blu-ray, in der die von der DEFA herausgeschnittenen Szenen, die in der französischen Version enthalten waren, wieder mit Untertiteln eingefügt wurden.

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      In der Arte-Mediathek bis zum 11.04.2023! „Den seinen gibt` s der Herr“ von Jean-Pierre Mocky ist eine charmante Gaunerkomödie mit deutlicher Sozialkritik. In einer wohlhabenden Familie, in der seit vier Generationen niemand einer geregelten Arbeit nachgeht, wird das Geld langsam knapp. Also muss eine neue Einkommensquelle her. Mit perfiden Methoden plündert sodann der erwachsene Sohn der Familie (Bourvil) zunehmend professionell Opferstöcke in Kirchen, die bei den Heiligenfiguren aufgestellt sind. Er ist fest davon überzeugt, dass er sich zumindest 50 % des Inhalts mit Zustimmung Gottes aneignen darf. Schon bald gibt es ein Katz- und Mausspiel mit der Gendarmerie…

      Die klassische Sozialkritik ist evident: Die Wohlhabenden werden sehr überzeichnet als egoistisch und selbstgerecht dargestellt. Sie schrecken nicht davor zurück, sich auf Kosten der Ärmsten der Armen, für die hier die milden Gaben der Kirche bestimmt sind, zu bereichern. Der unerschütterlichen Selbstsicherheit und Rücksichtslosigkeit der Oberklasse kann kaum jemand etwas entgegensetzen. Beim Zuschauer verbleiben gemischte Gefühle für die Protagonisten angesichts ihrer Skrupellosigkeit, aber auch ihres unbestechlichen Stils und gewitzten Charmes. Diese unterhaltsam inszenierte Komödie in Schwarzweiß ist ein vergessener Klassiker, der trotz seiner Thematik immer noch frisch wirkt.

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        MareikeHB 17.03.2023, 11:49 Geändert 17.03.2023, 11:54

        Am morgigen Samstag, den 18.03.2023 um 20:15 Uhr auf MDR gibt es den wunderbaren Fantasy-Klassiker „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ (1959). Es ist die (wohl mit Abstand) beste Verfilmung des gleichnamigen Romans von Jules Verne. Bei Moviepilot fehlt leider der Hinweis auf diese TV-Ausstrahlung.

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          MareikeHB 16.03.2023, 18:17 Geändert 16.03.2023, 18:24

          Die Serie „Die Discounter“ ist eine größtenteils witzige Mockumentary über Mitarbeitende in einem Supermarkt in Hamburg-Altona. Die Folgen dauern ca. 20 Minuten, bislang gibt es jeweils zehn Episoden, die sich auf zwei Staffeln verteilen. Die letzten Folgen der Staffel sind jeweils amüsante Making-Ofs. Inhaltlich geht es meistens um das Miteinander der Belegschaft, seltener um Kunden. Dabei verirren sich in einzelnen Folgen auch schon einmal Prominente in den Supermarkt „Feinkost Kolinski“, nämlich der Musiker Peter Fox und der Fußballer Mats Hummels.

          Im direkten Vergleich mit dem Mockumentary Highlight „Stromberg“ sind die Dialoge nicht so geschliffen und die Gags noch übertriebener. Viele Gags zünden jedoch durch ihren unverkrampften Humor und sorgen für gute, entspannte Unterhaltung. Allerdings geht es oftmals auch durchaus derb zu. Zum Ende der zweiten Staffel werden die sexuellen Techtelmechtel und die Verstrickungen vielleicht etwas zu viel des Guten.
          Schauspielerisch bietet die Serie beste Feinkost und ein herrlich authentisches Spiel der perfekt besetzten, schrägen und natürlich sehr diversen Typen. Da freut man sich durchaus schon auf die dritte Staffel.

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            MareikeHB 12.03.2023, 16:10 Geändert 12.03.2023, 22:08

            Bis zum 13.08.2023 in der Arte-Mediathek:
            „Regen in den Bergen“ von King Hu ist ein schön bebildertes, mit Ruhe erzähltes Historiendrama, das in China zur Zeit der Ming Dynastie (1368-1644) angesiedelt ist. Ein buddhistischer Abt lädt Edelmänner ein, um seinen Nachfolger als Vorsteher eines buddhistischen Klosters zu bestimmen. Es entspinnt sich ein Intrigenspiel um den Posten. Außerdem haben es einige Gäste auf eine wertvolle Schriftrolle abgesehen.

            Zunächst geschieht nicht allzu viel. Die diebischen Protagonisten schleichen vor allem leichtfüßig durch das Kloster, um an die Schriftrolle zu gelangen. Interessant ist, dass einer Frau neben den männlichen Protagonisten eine starke Rolle als Meisterdiebin zugedacht wurde, während andere Frauen naturgemäß in diesem klösterlichen Umfeld eher unbedeutende Randfiguren bleiben. Die Protagonistin kann vor allem auch in den Martial Arts-Szenen gut mithalten, die allerdings insgesamt recht sparsam eingesetzt werden. Dafür sind diese gerade zum Ende des Films sehr fantasievoll und ästhetisch inszeniert. Die Kämpfer und Kämpferinnen schweben förmlich in bunten, wehenden Gewändern von den Bäumen herab. Zudem gibt es immer wieder etwas buddhistische Philosophie frei Haus.

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              MareikeHB 05.03.2023, 11:22 Geändert 05.03.2023, 11:26

              „Dead for a Dollar“ von Walter Hill ist ein enttäuschender, spannungsarmer Western traditioneller Machart, halbherzig dem heutigen Zeitgeist angepasst. Namen wie Christoph Waltz und Willem Dafoe in den Hauptrollen lassen zunächst aufhorchen. Leider ist das Schauspiel gerade von Waltz sehr mittelmäßig. Zudem darf er sich nur durch eine belanglose, völlig auserzählte Geschichte bewegen.
              Die Frauenrolle (Rachel Brosnahan) ist zwar zeitgemäß stark, aber lieblos und unsympathisch gezeichnet. Die dunkelhäutigen Hauptfiguren (Warren Burk und Brandon Scott) sind dem Zeitgeist entsprechend stark und freundlich, letztlich aber zu eindimensional.

              Ärgerlich ist, dass die Mexikaner einmal mehr als idiotische Schießbudenfiguren herhalten müssen, wie man das aus unzähligen alten Western bereits kennt. Nervig und langweilig sind auch die Hochglanz-Bilder, die durchgehend mit einem Orange-Filter unterlegt wurden.

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                MareikeHB 23.02.2023, 18:39 Geändert 23.02.2023, 20:04
                über Tokio!

                Derzeit bei Prime im Abo! Drei großartige Regisseure Michel Gondry, Leos Carax und Joon-Ho Bong trumpfen in „Tokio!“ jeweils mit drei grotesken und sozialkritischen Geschichten auf. Das verbindende Element ist die Hauptstadt Japans.

                Gondrys großes Thema ist die Transformation. Das ist bei ihm durchaus wörtlich zu verstehen. Es ist nicht für alle Menschen leicht, ein menschenwürdiges Dasein in einer überfüllten Großstadt zu leben und vor allem eine passende Wohnung zu finden. Die Lösung dieses Problems ist im wahrsten Sinne des Wortes fantastisch und herrlich absurd. Dennoch muss man feststellen, dass der äußerst kreative Gondry schon einfallsreichere Filme geschaffen hat und in seinen früheren Meisterwerken „Vergiss mein nicht!“ sowie „Science of Sleep“ vor allem auch mit besseren Effekten gearbeitet hat.

                Leos Carax („Die Liebenden von Pont-Neuf“) widmet sich dem Thema Anarchie. In den Straßen von Tokio treibt ein „Kanal-Phantom“ sein Unwesen. Die Narrative ist sehr einfallsreich und absurd, weist aber auch kleinere Längen auf. Ein Fremder wird hier im völlig übertriebenen Maße zu einer Bedrohung. Vielleicht wird auf den für eine Industrienation sehr geringen Ausländeranteil in der japanischen Bevölkerung angespielt.

                Joon-Ho Bong („Parasite“) beschäftigt sich mit dem Thema Wiedergeburt. Protagonist ist ein Hikikomori, der seit 10 Jahren völlig zurückgezogen lebt. Angesichts einer tödlichen Gefahr verändert er sich plötzlich und verliebt sich. Das Phänomen des Hikikomori ist in Japan verhältnismäßig weit verbreitet. Ebenso werden Katastrophen und die Wiedergeburt als Bestandteil diverser traditioneller, religiöser Strömungen mit Japan assoziiert. Optisch ist diese Episode am überzeugendsten.

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                • MareikeHB 22.02.2023, 20:30 Geändert 22.02.2023, 20:32

                  Danke für Dein Willkommen, dazlious. Herzliche Grüße und viele schöne Filme! - M

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                  • MareikeHB 22.02.2023, 20:14 Geändert 22.02.2023, 20:15

                    Hallo Cine und Mariega, danke, dass ihr mich durch diese Liste und Mariegas Eintrag im allerletzten Moment daran erinnert habt, mein Gästebuch abzuspeichern. @cine: Du hast da ein sehr gutes Konzept entwickelt, die Einträge zu erhalten. Das Gästebuch ist leider tot. Es lebe Deine Liste!

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                      MareikeHB 18.02.2023, 17:33 Geändert 18.02.2023, 21:00

                      Bis 14.03.2023 in der Arte-Mediathek:
                      „Lieber Thomas“ von Andreas Kleinert ist ein kunstvoll tragikomisches Künstlerporträt des unangepassten, ostdeutschen Schriftstellers Thomas Brasch. In unterhaltsamen Episoden wird das Leben des Schriftstellers geschildert. Thomas Brasch war ein Freigeist, der immer wieder mit dem System der DDR haderte. Aber auch in seinem späteren Leben in der Bundesrepublik bleibt er seiner oftmals provozierenden Künstlerseele treu. Interessant ist der gelegentliche Wechsel zwischen Realität und Traum. Die Traumsequenzen bilden oft auf brillante Art das Gesagte und Rezitierte im übertragenen Sinne ab. Dabei wird auf visueller Ebene handwerklich Perfektes geboten: Die schwarzweißen Bildkonzeptionen sind einfallsreich und optisch sehr ansprechend.

                      Grandios ist die schauspielerische Leistung des Albrecht Schuch, der sich immer mehr zu einem der führenden Darsteller aus deutschen Landen mausert. Er ist hier wirklich mit Herzblut dabei und verbindet Können mit Attraktivität. Ich wage zu prophezeien, dass ihm auch eine erfolgreiche internationale Karriere vergönnt sein könnte. Den ersten Schritt hat er in der Neuverfilmung „Im Westen nichts Neues“, einem internationalen Erfolg, bereits getan. Aber auch der Rest der Besetzung überzeugt, so z.B. Jella Haase als Katharina Thalbach, mit der Thomas Brasch liiert war und 1976 in die Bundesrepublik übersiedelte! Bei dem Deutschen Filmpreis räumte dieses gelungene Filmkunstwerk zurecht neun Preise ab.

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                        Bis zum 06.03.2023 in der 3Sat-Mediathek! „ Herr Bachmann und seine Klasse“ ist eine sehenswerte und ausführliche Dokumentation über einen außergewöhnlichen Lehrer, der auf einer Gesamtschule in einer Kleinstadt eine 6. Klasse unterrichtet. Diese 6. Klasse besteht überwiegend aus Kindern, die entweder selbst oder zumindest deren Eltern nicht in Deutschland aufgewachsen sind. Einige waren sogar erst seit einigen Monaten in Deutschland und konnten kaum Deutsch sprechen. Naturgemäß wird der Unterricht vor allem durch die sprachlichen Defizite, aber auch durch kulturelle Unterschiede zur Herausforderung. Hinzu kommt, dass die meisten Kinder aus eher bildungsfernen Familien stammen.

                        Der engagierte Lehrer schafft es mit sehr viel Einfühlungsvermögen und dem verbindenden Element des gemeinsamen Musizierens die Kinder zu erreichen sowie gut zu fördern. Da in der Dokumentation der Unterricht über einen Zeitraum von einem halben Jahr begleitet wird, kann man bestimmte positive Entwicklungen bei den Kindern gut beobachten. Einige der Kinder schließt man direkt in sein Herz. Insgesamt sind die Gefühle beim Betrachten dieser Dokumentation aber zwiespältig. Man freut sich darüber, was ein guter Lehrer alles bewirken kann, aber andererseits spürt man auch, mit welchen äußerst schwierigen Herausforderungen Lehrerinnen und Lehrer heute konfrontiert werden. Es ist leider eine traurige Tatsache, dass nicht alle einen derartig förderlichen Unterricht wie Herr Bachmann leisten können. So verbleibt ein mulmiges Gefühl. Die Inszenierung der Dokumentation ist eher ruhig bis bieder.

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                          MareikeHB 10.02.2023, 20:29 Geändert 10.02.2023, 20:32

                          Ich sehe einen Film. Ist es ein Vogel in der Luft? Ein Flugzeug? Superman? Eine fliegende Untertasse? Oder gar der „Fliegende Holländer“? Nein, es sind Haie, die durch die Luft fliegen!!! Dieser filmische Trashtornadofilm von Anthony C. Ferrante heißt „Sharknado - Genug gesagt!“. „Genug gesagt“ wollte ich auch gerade sagen, da der Titel bereits für sich spricht. Da darf man sich so richtig auf Trash freuen. Wäre ich allerdings im Besitz der DVD, würde sie auch fliegen und zwar in den passenden Sondermüllbehälter des Recyclinghofs meines Vertrauens.

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                            MareikeHB 10.02.2023, 18:55 Geändert 10.02.2023, 19:52

                            „Die drei Tage des Condor“ von Sydney Pollack ist ein mittelmäßig glaubwürdiger, aber dafür spannender und gekonnt inszenierter Agentenfilm. Ein CIA-Mitarbeiter aus New York wird von unbekannten Killern gejagt und muss untertauchen.

                            Der Zeitgeist der 1970er Jahre mit dem kritischen Blick auf Obrigkeiten wird gut transportiert. Interessant ist aus heutiger Sicht vor allem auch der damalige Stand der Informationstechnologie bei einer Behörde wie der CIA. Ansonsten sticht ein knackig inszenierter Zweikampf heraus. Gelungen ist zudem der Soundtrack mit seinen Jazz- und Soulelementen von Dave Grusin.

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                              „Der Spiegel“ von Andrei Tarkowski ist ein filmischer Spiegel eines Bewusstseins, inspiriert durch persönliche, autobiografische Erfahrungen des Regisseurs. Assoziativ und sprunghaft reihen sich visualisierte Eindrücke des Protagonisten in kunstvollen Bildern aneinander. Es handelt sich dabei um persönliche Erinnerungen, aber auch um bedeutende historische Ereignisse im Laufe des Lebens, die durch gespielte und dokumentarische Aufnahmen ihren Weg in diesen Film finden. Darüber hinaus ist die Kunst durch rezitierte Gedichte und Literatur, klassische Musik und z.B. das Zeigen von Bildern in einem Buch ebenfalls ein wichtiger Bestandteil dieses abstrakten, filmischen Kunstwerks.

                              Wunderbare Kameraeinstellungen, Filmaufnahmen wie Gemälde, ein stetiger Wechsel zwischen bunten und schwarzweißen Aufnahmen zeichnen dieses Werk aus. Etwas irritierend ist zunächst, dass zwei der Schauspieler jeweils zwei unterschiedliche Rollen verkörpern. Die weibliche Hauptrolle spielt die Mutter und in einer anderen Zeit die Ehefrau der Hauptfigur und der kindliche Hauptdarsteller tritt als Protagonist in jungen Jahren sowie an anderer Stelle als Sohn der Hauptfigur in Erscheinung. In dem Film kommt durch das Zeigen gewisser historischer Aufnahmen, wie die Eroberung Berlins, dem Sowjetregime geschuldeter russischer Nationalstolz zum Ausdruck. In der surrealen Szene beim Arbeitsplatz der Mutter des Protagonisten klingt aber auch leise Kritik am angsteinflößenden und oppressiven sowjetischen System an. Die Doppelrollen der beiden Schauspieler demonstrieren vielleicht die Auflösung der Individualität unter derartigen politischen Verhältnissen oder sie lassen sich tiefenspychologisch (Ehefrau wie Mutter - Vater wie Sohn) deuten.

                              Zu diesem herausfordernden Gesamtkunstwerk passt das Zitat des Regisseurs im besonderen Maße: „Film ist für mich die wahrhaftigste und poetischste aller Künste“. Andrei Tarkowski - zitiert von der DVD Box 6 DVD Collection von Icestorm des Regisseurs. Wie auch die anderen Filme in der Box wurde „Der Spiegel“ hier von der DEFA synchronisiert.

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                                MareikeHB 30.01.2023, 17:49 Geändert 30.01.2023, 17:50

                                Die rasante und wilde Verwechselungskomödie „Die Abenteuer des Rabbi Jakob“ von Gérard Oury zeigt noch heute, wie ungezwungen und unterhaltsam man das Thema „menschliche Vorurteile“ verarbeiten kann. Der rassistische und vorurteilsbehaftete Fabrikant Buntspecht (Louis de Funès) nimmt im Verlauf des Films unfreiwillig und zufällig mehrere Hautfarben und schließlich bewusst die Identität eines jüdischen Rabbis an, um Terroristen und die Polizei, die es auf ihn abgesehen haben, an der Nase herumzuführen. Dabei lässt er kein Fettnäpfchen aus. Wird er über sich hinauswachsen?

                                Die quirlige und überzeichnete Komödie für Jung und Alt überzeugt mit gekonnten satirischen Spitzen und gelungenen Slapstickeinlagen. Grimassenmeister De Funès zählte nicht umsonst zu den größten Komikern des 20. Jahrhunderts. Sein Gefühl für Timing und seine Körperbeherrschung sind einfach überragend. Aber auch die Nebendarsteller verstehen ihr Geschäft.

                                Ungewöhnlich sind die ersten Minuten des Films. Hier darf man sich an einer schönen Mischung aus amerikanischem Englisch und Jiddisch erfreuen. Der Anfang wurde - zumindest in der DVD-Veröffentlichung - anscheinend bewusst weder synchronisiert noch untertitelt.

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                                  MareikeHB 26.01.2023, 22:29 Geändert 26.01.2023, 22:37

                                  Cinema Paradiso“ von Giuseppe Tornatore ist eine wunderschöne, bittersüße Hommage an die paradiesische Hochzeit des Kinos. Gezeigt wird die bewegte Jugend eines erfolgreichen, italienischen Regisseurs, den bereits als kleiner Junge, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, in einem kleinen, italienischen Dorf die Liebe zum Kino packt. Er lässt nicht locker, bis er einen älteren Filmvorführer (Philippe Noiret) bei seiner Arbeit unterstützen darf.

                                  Die Inszenierung ist äußerst mitreißend, die Haupt- und Nebenfiguren sind liebenswert, vielfach mit einem typisch italienischen Temperament gezeichnet. Philippe Noiret und die beiden jüngeren Darsteller der Hauptfigur beeindrucken. Man schließt sie als Darsteller sofort ins Herz. Die Begeisterung der Dorfbewohner für das Kino, in der Zeit ohne Fernsehen, ist einfach unglaublich. Wenn dies nur annähernd der Realität entspricht, kann man verstehen, warum in Italien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit am meisten Filme weltweit produziert wurden.

                                  Untermalt von der zauberhaften Musik des Maestro Ennio Morricone wird auf amüsante Art mit einer tragikomischen Note auch die ein oder andere Lektion über das Leben erteilt.

                                  Schade, dass dieser u.a. mit einem „Oscar“ als bester fremdsprachiger Film prämierte Film derzeit so schwer verfügbar ist. Gesehen habe ich die ursprüngliche, kürzere Schnittversion auf einer italienischen Blu-ray mit englischen Untertiteln.

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                                    MareikeHB 23.01.2023, 17:40 Geändert 23.01.2023, 18:00

                                    „Der hässliche Amerikaner“ von George Englund ist ein erstaunlich (selbst-)kritischer Blick auf US-amerikanisches Machtstreben in der Zeit des „Kalten Krieges“. Ein fiktiver asiatischer Staat wird von Revolutionären und kommunistischen Mächten bedroht. Es zeigt sich ein typisches Szenario: Die Amerikaner unterstützen auch ein totalitäres, ausbeuterisches System, um den von der Sowjetunion ausgehenden kommunistischen Einfluss möglichst effektiv einzudämmen. Bei dieser Politik geraten die Interessen des Volkes schon einmal unter die Räder. Wird die Autonomie des Volkes zu sehr eingeschränkt, treibt es die Revolutionäre erst recht ins Lager der Kommunisten. Es drohen Bürgerkrieg und Krieg.

                                    Gedreht wurde in Thailand an Originalschauplätzen mit zahlreichen einheimischen Darstellerinnen und Darstellern. Gleich zu Beginn wird jedoch darauf hingewiesen, dass es hier um einen fiktiven Staat geht. Marlon Brando als neuer Botschafter der USA, der sich vielen Herausforderungen stellen muss, gelingt wieder einmal eine überzeugende Darbietung. Das Duell mit seinem ehemaligen Freund aus Kriegszeiten mit Japan (Eiji Okada), der nun als Revolutionär seine diktatorische Regierung und den US-amerikanischen Einfluss bekämpft, gibt dem Film eine gewisse Würze. Politische Mechanismen werden meist glaubhaft dargestellt. Nur der unglaubwürdige Informationsfluss gegen Ende des Films trübt das Bild.

                                    Plädoyer des Film ist letztlich, dass die Amerikaner mehr Fingerspitzengefühl und Empathie für die betroffenen Völker zeigen und diesen die uramerikanischen demokratischen Werte vermitteln sollten. Das Ende ist für amerikanische Verhältnisse allerdings erstaunlich bitter, fast zynisch. Man kann sich vorstellen, dass dieser Film damals sehr polarisiert hat, da er mutig außenpolitische Missstände aufzeigt.

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                                      MareikeHB 17.01.2023, 11:49 Geändert 17.01.2023, 18:15

                                      „The Banshees of Inisherin“ ist wahrscheinlich einer der düstersten Filme, der noch das Attribut „schwarze Komödie“ erhält. Aus jeder Pore trieft hier irischer Schwermut. Die Zeiten im Jahre 1923 waren in Irland hart. Es herrschten der Bürgerkrieg und Armut vor. Hinzu kommt das gähnend langweilige Leben auf der Insel Inisherin - dem Ort des Geschehens.

                                      Die größte erzählerische Stärke des Films ist die Beschreibung des ungewöhnlichen Konfliktes der beiden Protagonisten. Der eine wünscht sich Zuneigung und der andere ist auf Selbstverwirklichung und die Vollendung seines Lebenswerks bedacht. Letztlich handelt es sich um den archetypischen Konflikt zwischen Liebe und Freiheit, der hier sehr überspitzt ausgetragen wird. Zudem wird mit der Übertreibung auf die Absurdität vieler menschlicher Konflikte verwiesen.

                                      Die Beschreibung der Randfiguren ist weniger gut geglückt. Hier dominieren Klischees. Menschen in Machtpositionen, hier vor allem der Dorfpolizist und im geringeren Umfang auch der Dorfpfarrer, missbrauchen ihre Macht. Sie sind höchst unsympathisch und Ihnen ist nicht zu trauen. Zudem werden sie der Lächerlichkeit preisgegeben. Es gibt nur einen durchwegs sympathischen Charakter - die Schwester des einen Protagonisten. Sie zeigt immerhin, wie man das schwierige Leben meistern kann. Letztlich ist es aber auch ein eindimensionaler Charakter.

                                      Atmosphärisch ist der Film sehr stimmig, auch gibt es immer wieder düstere Spannungsmomente. Eine „Bluttat“ mit einem gewissen Ekelfaktor ist wohl in einem Film für Erwachsene heute beinahe unvermeidlich geworden.

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                                        Noch bis zum 13.03.2023 in der Arte-Mediathek: Der Experimentalfilm „Eine verheiratete Frau“ von Jean-Luc Godard ist ein einfalls- und dialogreicher Vertreter der „Nouvelle Vague“ für Arthouse-Fans. Protagonistin ist eine unbekümmerte Frau (Macha Meril), die zwischen ihrem dominanten Ehemann (Philippe Leroy) und ihrem eitlen Liebhaber (Bernard Noel) steht.

                                        In Nahaufnahmen wird viel nackte, vor allem weibliche Haut, kunstvoll in Szene gesetzt, ohne jedoch „Schamgrenzen“ zu überschreiten. Die Dialoge sind tiefsinnig, philosophisch, manchmal aber auch banal. Zudem kann man immer einmal wieder an den Gedankenfragmenten der Protagonistin teilhaben. Die Charakterzeichnungen sind komplex, aber auch zeittypisch. Von einer Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, Partnern auf Augenhöhe, ist man hier weit entfernt. Immerhin werden Ungleichbehandlungen auch einmal ausgesprochen.

                                        Gelegentlich wird durch das Einblenden von Schlagzeilen auf den inneren Zustand der Protagonistin verwiesen. In einer Sequenz wird das Geschehen als Filmnegativ gezeigt, was optisch auf jeden Fall interessant wirkt. Zudem wird in einer Szene der Dialog untertitelt. Aufgelockert wird dieses intellektuelle, surreale Spektakel mit erlesenen Schwarzweißaufnahmen gelegentlich durch einen schön grotesken Humor. Aber eine Handlung im klassischen Sinne existiert hier nicht.

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                                        • 5 .5
                                          MareikeHB 07.01.2023, 23:25 Geändert 11.01.2023, 09:14

                                          Wenn man bei „Uncharted“ sein Gehirn auf Durchzug schaltet, kann man gelegentlich etwas Spaß an diesem Abenteuerfilm haben. Diese Schatzsucher-Geschichte ist wirklich zum Haareraufen, zumal immer wieder die Gesetze der Schwerkraft außer Kraft gesetzt werden. Was soll‘s. Meine Mädels lieben ihn jedenfalls. Gemeint ist Tom Holland - ein sympathischer Typ mit sehr jugendlichem Aussehen. Wird er wohl jemals zum erwachsenen Mann mutieren? Jedenfalls hat er eine unglaubliche Körperbeherrschung, die man in der heutigen Zeit bei Schauspielern fast gar nicht mehr findet und als Mime überzeugt er auch!

                                          Mark Wahlberg agiert dagegen sehr eindimensional. Mimisch scheint er nur Stirnrunzeln zu beherrschen. Antonio Banderas ist als Schauspieler dagegen immer eine sichere Bank, auch wenn ihm hier als Gegenspieler zu wenig Raum gegeben wird. Das weibliche Geschlecht, verkörpert durch Sophia Ali und Tati Gabrielle, darf in den Actionszenen zwar kräftig mitmischen, die Charaktere bleiben aber, ähnlich wie bei den Herren, so tiefsinnig wie ein Blatt Papier. Am Ende wird Appetit auf einen zweiten Teil gemacht. Mein Hunger hält sich aber in Grenzen.

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                                          • 7 .5

                                            Unser Familienweihnachtsfilm war dieses Jahr „Die Glücksritter“ von John Landis - eine Komödie, die man sich alle paar Jahre gut einmal wieder anschauen kann. Zwei rücksichtslose Millionäre wetten, dass ein snobistischer, leitender Bankangestellter (Dan Aykroyd), der einen massiven sozialen Absturz erlebt, zu einem Straftäter werden kann und dass ein straffälliger Obdachloser (Eddie Murphy), materiell gut ausgestattet und mit einem verantwortungsvollen Job, zu einem rechtschaffenen Bürger wird. Sodann inszenieren sie mit einem perfiden Plan den Rollentausch.

                                            Sicherlich etwas an den Haaren herbeigezogen, aber immer unterhaltsam präsentiert sich diese untypische, manchmal etwas derbe Weihnachtsgeschichte mit vielen Ecken und Kanten. Immerhin werden Werte wie Rechtschaffenheit, Großzügigkeit und Toleranz vermittelt. Auf erfrischende Weise werden Rassenklischees angegangen und eine liebe Prostituierte (Jamie Lee Curtis) tritt als „rettender Engel“ in Erscheinung. Auch lässt sich eine gewisse Kapitalismuskritik nicht verhehlen. Alle Darsteller und Darstellerinnen überzeugen, aber Eddie Murphy sticht mit seiner quirligen Lässigkeit heraus. „Ich kann laufen… ein Wunder! Ich kann sehen… ein Wunder!“ - LoL!

                                            Ich wünsche meinen MP-Buddies und allen Filmfans frohe Weihnachten 🎄und ein glückliches Jahr 2023! 🍀

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                                              „Ein charmantes Ekel“ von Lasse Hallström ist eine ungewöhnliche, hintergründige Liebesgeschichte mit tragikomischen Elementen. Eine junge, wohl behütete Italo-Amerikanerin verliebt sich in einen sehr viel älteren, großkotzigen, vulgären, aber äußerst liebevollen Millionär. Ihre Familie ist geschockt.

                                              Die Charaktere sind mit Liebe gezeichnet und das Beziehungsgeflecht wird glaubwürdig sowie subtil dargestellt. Zudem ist der Film psychologisch sehr durchdacht, oftmals drastisch witzig und kitschfrei emotional. Die Darstellerriege ist mit dem Ensemble Holly Hunter, Richard Dreyfuss, Danny Aiello und Gena Rowland einfach optimal.

                                              Auch visuell überzeugt der Streifen auf ganzer Linie. Die hervorragend eingefangenen Bilder sind oft voller Symbolkraft und Andeutungen. So wird z.B. die gezeigte Liebesidylle mit visuellen Hilfsmitteln getrübt: Man sieht in einer verkitschten Meeres-Sonnenuntergangsaufnahme zugleich hässliche Parabolantennen, die zukünftige Probleme andeuten. Der Originaltitel "Once Around" passt im übrigen zu dem Film viel besser, denn es geht letztlich um den Kreislauf des Lebens mit all seinen Höhen und Tiefen. Zugleich werden die Emanzipation einer Frau von übermächtigen Familienbanden thematisiert und auch Probleme, die aus unterschiedlichen Kulturkreisen resultieren.

                                              "Fly me to the Moon", gesungen von Frank Sinatra und einmal auch cool dargeboten von Danny Aiello, ist der passende Song zum Film, der das Freiheitsbedürfnis der Protagonistin bestens beschreibt.

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                                              • MareikeHB 12.12.2022, 16:34 Geändert 12.12.2022, 16:35

                                                Du hast Filme vieler namhafter Regisseure dabei, die ich noch nicht kenne. Da sollte ich fündig werden. „Fieber im Blut“ finde ich z.B. auch großartig.
                                                https://www.moviepilot.de/liste/meine-geheimtipps-mareikehb

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                                                • Kenne bislang nur ganze 3 Deiner Tipps. „Der gebrochene Pfeil“ gefällt mir als klassischer Indianerwestern auch sehr gut.
                                                  https://m.moviepilot.de/liste/meine-geheimtipps-mareikehb

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                                                  • MareikeHB 12.12.2022, 15:54 Geändert 12.12.2022, 15:55

                                                    10 habe ich immerhin schon gesehen. 😀 Viele davon fand ich auch gut.
                                                    https://m.moviepilot.de/liste/meine-geheimtipps-mareikehb

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