Mattscheibenvorfall - Kommentare

Alle Kommentare von Mattscheibenvorfall

  • 6 .5

    Die Braut des Prinzen von Regisseur Rob Reiner hätte mir theoretisch seit meiner Kindheit bekannt sein müssen/sollen/können, fällt er doch in vielerlei Hinsicht in meine filmische Sozialisation. Aber es sollte nie dazu kommen und als ich nun eher zufällig auf den Film stieß und Menschen, deren Meinungen ich schätze, sich mehr als nur positiv äußerten, dachte ich mir: Zeit, das mal nachzuholen. Also wurde der Film gekauft, wanderte eines Tages bei einem Filmabend in den Player und wurde nach zehn Minuten wieder ausgemacht. Nicht der richtige Zeitpunkt, falscher Abend, falsche Stimmung.

    Dann folgte der zweite Versuch, allein, daheim, früher Nachmittag an einem Sonntag. Und was soll ich sagen? So ganz warm geworden bin ich mit Die Braut des Prinzen nicht, auch wenn viele seiner Zutaten mir auf dem Papier durchaus zusagen. Zunächst muss ich erwähnen, dass ich es sehr mag, wenn sich ein Film auch inhaltlich mit dem eigentlichen Kern eines jeden Filmes auseinander setzt: dem Erzählen einer Geschichte. Big Fish von Tim Burton oder The Fall von Tarsem Singh machen das zum Beispiel ganz wunderbar und auch Rob Reiner wählt hier einen ganz ähnlichen Ansatz für seine Verfilmung des Romanes von William Goldman. Die Braut des Prinzen funktioniert im Prinzip als parodistische Hommage an Märchen, gespickt mit Elementen alter Mantel-und-Degen-Filme und allerhand fantastischen Einlagen unterschiedlichster Couleur. Grundsätzlich eine verlockende Mischung, doch irgendwie fand ich nicht so wirklich einen Zugang in diese sehr eigene Welt voller maskierter Piraten, fechtender Räuber, finsteren Prinzen und hinterhältigen Intrigen.

    Phasenweise wurde ich angesichts nicht zu leugnender Wellen aus Kitsch, Pathos und doch zu albernem Humor immer wieder aus dem Film geworfen, auch wenn mir vieles gefiel. Allein die von Mandy Patinkin verkörperte Figur des meisterhaften und auf Rache sinnenden Fechters Inigo Montoya macht einfach Freude und seine eigenartige Freundschaft zu dem freundlichen wie höflichen Schläger Fezzik, den der Wrestler André the Giant geradezu sanftmütig spielt, machen schon Spaß. Auch Cary Elwes – der sechs Jahre später als Robin Hood in Mel Brooks famoser Komödie Man in Tights erneut seine Fechtkünste beweisen durfte – als Hauptfigur Westley macht eine gute Figur zwischen Slapstick und Anmut. Aber ebenso viele Figuren funktionieren nur bedingt bis gar nicht, viele Witze sind dann doch zu albern und oftmals ist Die Braut des Prinzen geradezu unerträglich kitschig.

    Letztlich aber liegt mein Problem mit dem Film vermutlich an anderer Stelle, denn der Film ist eben kein Relikt meiner Kindheit, ich habe ihn eben nicht in jungen Jahren gesehen und schätzen gelernt. Würde ich heute im Alter von 37 zum ersten Mal die Goonies sehen…. möglicherweise könnte ich nicht allzu viel damit anfangen. Und da würden mir sicherlich noch andere Beispiele einfallen, bei denen der Kontext in Bezug auf mein Alter eine wichtige Rolle spielt. Vielleicht sogar Star Wars oder Indiana Jones. Vielleicht Stand By Me. Alles Filme, welche ich auf ihre Art liebe und in meiner Kindheit habe lieben lernen. Die Braut des Prinzen hat also durchaus seine Momente, aber unterm Strich stört mich dann aber doch zuviel, um in die Lobgesänge so vieler Altersgenossen einzuschwenken. Kurzweilig und zuweilen unterhaltsam allemal, familienfreundlich zweifellos, aber zumindest mir fehlt die persönliche, wohlmöglich romantisch verklärte Verbindung aus meiner Kindheit und ich habe den Film einfach viel zu spät gesehen, um ihn so richtig mögen zu können. Irgendwie schade, denn ich hätte ihn gern in mein Herz geschlossen.

    4
    • 8

      Es gibt eine Szene in Hell or High Water, die sehr schön zeigt, welche Themen der Film von Regisseur David Mackenzie unter seiner Oberfläche aus Neo-Western und Heist-Movie noch verhandelt. Dort, wo das scheinbar endlose Land grenzenlos wirkt, brennt ein gewaltiges Steppenfeuer und die letzten Cowboys dieser Region treiben ihre Viehherde vor dem Feuer her. "21st century, I'm racing a fire to the river with a herd of cattle. And I wonder why my kids won't do this shit for a living" wird einer dieser Cowboys sagen und er trifft damit den Nagel auf den Kopf. Die gute alte Zeit ist vorbei und die amerikanische Arbeiterklasse ist zum Auslaufmodell verkommen. Und auch wenn Hollywood nur zu gern diese Working Class rein zweckdienlich immer genau dort als Platzhalter verwendet wo es gerade nötig ist und sie als stereotypes Milieu benutzt werden kann, erliegt David Mackenzie dieser allzu simplen wie durchschaubaren Denkweise nicht.

      Stattdessen wirft er einen eher empathischen Blick sowohl auf die Howard-Brüder als auch auf ihre Verfolger und positioniert sie spiegelbildartig zueinander. Auch Marshall Hamilton ist genauso ein Relikt dieser guten alten Zeit wie die beiden Brüder Toby und Tanner. Die Methoden dieses Archetypen des texanischen Gesetzeshüters sind in der modernen Gesellschaft schon längst ebenso aus der Mode gekommen wie sein rassistischer Humor. Er wirkt deplatziert und aus der Zeit gefallen, ein wandelnder Anachronismus, den der rasante Wandel der Welt schon längst überholt und hinter sich gelassen hat. Und so erzählt Hell or High Water neben seiner eigentlichen Geschichte auch vom Niedergang eines einst sehr produktiven Landstriches und vom Konflikt zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Die Abgehängten schlagen zurück. Insofern weist der Film durchaus auch Parallelen zu Werken wie Killing Them Softly, The Place Beyond the Pines, Killer Joe und ähnlichen White Trash-Crime/Dramen auf, verschleiert sie nur ein wenig durch den Staub und Dreck unter der brennenden Sonne in Texas.

      Das Drehbuch von Taylor Sheridan, der als Autor bereits für Sicario von Denis Villeneuve verantwortlich war, erzählt seinen Plot sehr langsam vor sich hin köchelnd, steigert seine Spannung aber stetig und treibt seine Handlungsstränge und Figuren auf ein dramatisches Finale zu. Bald schon wird deutlich, dass nicht für jeden diese Geschichte gut wird ausgehen können und dennoch machen alle Beteiligten weiter, weil sie gar nicht mehr anders können und weil sie nichts anderes kennen. Atmosphärisch ist das alles ungemein dicht inszeniert, drückend wie die staubige Hitze von Texas, und Kameramann Giles Nuttgens fasst das alles in wunderbare Bilder dieser scheinbar endlosen Weite der texanischen Landschaft. Und die darstellerischen Leistungen von Chris Pine als eher introvertierte Toby (der mich hier sehr überrascht hat mit seiner Performance), Ben Foster als immer nah am Tobsuchtsanfall vorbei schrammender und unberechenbarer Tanner und vor allem Jeff Bridges als US-Marshall Marcus Hamilton sind allesamt fantastisch.

      Auch der tolle Score aus der Feder von Nick Cave und Warren Ellis ist ganz hervorragend und unterstreicht gekonnt die brütende Atmosphäre ohne sich zu sehr in den Vordergrund zu drängen. Bei Hell or High Water ist das Gesamtpaket in sich stimmig und beschert uns einen toll erzählten, geradlinig, aber dennoch wunderschön inszenierten Film voller authentischer Figuren, angetrieben durch nachvollziehbare Motivationen und versehen mit sinnvollen Handlungen. David Mackenzie gelingt es tatsächlich, diesen vordergründig eher kleinen Thriller zwischen Neo-Western und Heist-Movie mit einer zärtlichen Melancholie aufzuladen und unterschwellig noch viel komplexere Themen anzusprechen und so größer werden zu lassen, als man es anfänglich vermuten würde.

      13
      • 7

        Einst galt Regisseur Guy Ritchie mit Filmen wie Lock, Stock and Two Smoking Barrels oder Snatch als eine Art britischer Quentin Tarantino, doch dann wurde es bald stiller um ihn und erst seine Neuinterpretation von Sherlock Holmes als modernes Actionspektakel verhaftet in seiner Zeit mit Robert Downey, jr. und Jude Law in den Hauptrollen verhalf ihm zu neuem Ruhm. Und nachdem er also bereits für seine zwei Sherlock Holmes-Verfilmungen schamlos, aber erfolgreich in der Vergangenheit geplündert hat, verfolgt er diesen Ansatz für The Man from U.N.C.L.E. erneut, wenn er die alte Agentenserie der 60er Jahre zeitgemäß adaptiert und auf Hochglanz poliert auf die große Leinwand bringt.

        Schnell wird klar, dass die eigentliche Handlung rund um das Verbrechersyndikat von Victoria Vinciguerra keine allzu große Rolle spielt und der Hauptaugenmerk weniger auf dem Plot und deutlich stärker auf den schillernden Figuren und deren Beziehungen zueinander liegt. Zudem nimmt The Man from U.N.C.L.E. nichts wirklich zu ernst, denn der beschwingte Humor steht zu jeder Sekunde im Vordergrund. Dieser ist dann meist auch ausgesprochen pointiert gesetzt, verzichtet weitestgehend auf vordergründigen Slapstick und speist sich lieber aus den ständigen Reibungen zwischen Solo und Kuryakin. Guy Ritchie spendiert seinem Film ein angenehm zurückhaltend inszeniertes 60er Jahre Setting, verpasst diesem aber zugleich auch einen leicht modernen Anstrich. Die Bilder bestechen durch eine ungemein stilvolle Eleganz, der Erzählfluss bleibt entspannt, aber schwungvoll, und zieht wenn nötig das Tempo an ohne dabei jemals in Hektik zu verfallen. Trotzdem ist The Man from U.N.C.L.E. durch und durch völlig unverkennbar ein Guy Ritchie-Film, doch der Brite hält sich bis auf wenige Ausnahmen mit seinen sonst eher auffälligen technischen Spielereien angenehm zurück und erschafft einen zwar in den frühen 60ern angesiedelten Agentenfilm der etwas anderen Art, rückt all das aber dezent in Richtung Moderne. Eine Kombination, die ausgesprochen gut funktioniert. Auch Henry Cavill als Napoleon Solo und Armie Hammer als Illya Kuryakin können überzeugen und geben wirklich gute Hauptfiguren ab, was ich im Vorfeld so niemals erwartet hätte. Das sind zwar keine herausragenden darstellerischen Leistungen, es passt aber zu jeder Sekunde wie die Faust aufs Auge.

        Mit The Man from U.N.C.L.E. gelingt Guy Ritchie vielleicht nicht der ganz große Wurf, ein durchgängig sympathischer, unterhaltsamer und angenehm zurückhaltend inszenierter Agentenfilm aber in jedem Fall. Gerade wenn ich an solche anstrengenden Schnittgewitter wie zuletzt Resident Evil: The Final Chapter denke, da wirkt The Man from U.N.C.L.E. wie Urlaub für die Augen. 2015 vielleicht ein wenig zu Unrecht etwas untergegangen, sollte man dem Film doch ruhig mal eine Chance geben. Wie gesagt: kein Meisterwerk, dafür aber lockere und kurzweilige Unterhaltung der entspannten und stilvollen Art.

        4
        • 8

          Shane Black, die geistige Triebfeder des Buddy-Humors. Sicher, schon 1982 verfilmte Walter Hill mit 48 Hrs. ein Skript von Roger Spottiswoode, schickte Eddie Murphy und Nick Nolte auf eine witzige wie actionreiche Hatz durch San Francisco und erschuf so etwas wie den Prototypen des Buddy-Movie. Aber Shane Black schrieb die Drehbücher zu allen vier Filmen der unsterblichen Lethal Weapon-Reihe, dem grandiosen Last Boy Scout, zu Last Action Hero und Tödliche Weihnachten, und drehte den tollen Kiss Kiss Bang Bang. Sogar Iron Man 3 mochte ich auch eben für diese Art von Humor.

          Und nun liefert er mit The Nice Guys seine dritte Regiearbeit ab, bleibt seiner bisherigen Rezeptur treu und verlässt sich nach wie vor auf seine gewohnten Trademarks. Zum Glück, kann man da nur sagen, zum Glück. Wie schon in Kiss Kiss Bang Bang ist die Mischung aus zum Teil brutaler Action, schwarzem Humor und gelegentlichem Slapstick nahezu perfekt ausbalanciert und baut vielmehr auf unfreiwillige und spontane Komik als auf aufgesetzte Gags und Oneliner aus dem Lehrbuch. Die Chemie zwischen den beiden Protagonisten funktioniert ganz hervorragend und in diesem Aspekt muss sich The Nice Guys kein bisschen hinter so tollen Duos wie Gibson/Glover (Lethal Weapon), Downey, jr./Kilmer (Kiss Kiss Bang Bang), Willis/Wayans (Last Boy Scout), Stallone/Russell (Tango & Cash), De Niro/Grodin (Midnight Run) oder Nolte/Murphy (48 hrs.) verstecken.

          Russell Crowe als herrlich schmieriger Berufsschläger mit Herz erinnert an eine leicht verlotterte, in die Jahre gekommene Version seiner Figur aus L.A. Confidential, und harmoniert ganz wunderbar mit Ryan Gosling als im Grunde ständig betrunkener, abgezockter, aber eher unfähiger Privatschnüffler. In Hautfarbe, Geschlecht oder sozialem Status unterscheiden sich die beiden nicht, das für Buddy-Movies so typische Gefälle zwischen den beiden Protagonisten entsteht in The Nice Guys eher durch Kompetenz und Arbeitsethos. Die Vorgehensweise von Holland March grenzt oft beinahe schon an Betrug, er kassiert Honorare gern doppelt von ahnungslosen Rentnern und überlegt ständig, wie sich noch mehr Geld aus seinen Klienten herausholen lässt, immer auf der Suche nach dem nächsten Drink. Da muss auch schon mal seine kleine Tochter Holly das Auto fahren, weil Holland nicht mehr dazu in der Lage ist.

          Dagegen wirkt Jackson Healy nur oberflächlich brutal, hat sein Herz aber am rechten Fleck und versucht trotz seiner Profession als Knochenbrecher Gutes zu tun und aus diesem Zusammenspiel entwickeln sich herrliche Dialoge, pointierter Witz und absurder Slapstick. Die Story selbst ist noir-typisch verschachtelt erzählt und verknüpft extrem viele Fäden, von denen einige auch einfach ins Leere laufen und vollkommen bedeutungslos sind für den weiteren Verlauf. Überhaupt ist die eigentliche Story eher weniger von Bedeutung und in diesem übersteigerten Gestus gibt sich The Nice Guys auch als leicht parodistische Verbeugung vor dem klassischen Film Noir, dessen Inhalte auch oft weniger im Vordergrund stehen.

          So taumeln Holland March und Jackson Healy auch mehr oder weniger ahnungslos durch die Ereignisse, haben meist keinen Schimmer was läuft, reagieren nur statt zu agieren und oftmals ist es allein der Zufall, der ihnen hilft, denn nennenswerte Ermittlungsergebnisse erzielen die beiden eher selten. Auch optisch ist der Film ein Vergnügen mit einem herrlich bunten und abgedrehten Setdesign, welches ein authentisches 70er Jahre-Feeling aufkommen lässt. Funky und dreckig zugleich, auf der einen Seite abgedrehte Parties, exzentrisch und grell, auf der anderen Seite das L.A. der späten 70er, im Film ein schmutziger, verkommener Moloch, dessen Strassen von Korruption, Gewalt und Pornografie geprägt sind. Die Action ist kompetent und druckvoll genug inszeniert und wirkt mit all ihren Schießereien, Autostunts, Explosionen und old school-Schlägereien erfrischend bodenständig und geerdet in ihrem rohen Charme. Lediglich die eine oder andere digital bearbeitete Szene sticht ein klein wenig unangenehm hervor, aber das fällt auf die gesamte Laufzeit von rund zwei Stunden kaum ins Gewicht.

          Mit The Nice Guys bleibt Shane Black seiner über die Jahre hinweg immer mehr verfeinerten Rezeptur für Buddy-Movies treu und kennt man seine Drehbücher oder seinen Film Kiss Kiss Bang Bang, dann weiß man, was man kriegt mit seinem neuesten Streich. Abermals ist die Balance aus Action, Gewalt, schwarzem Humor, Slapstick und pointierten Wortgefechten annähernd perfekt und die beiden Protagonisten harmonieren ganz hervorragend miteinander. The Nice Guys ist wunderbares, leicht schmieriges und irre unterhaltsames Genre-Kino und bildet den idealen Gegenpart zu Kiss Kiss Bang Bang für ein abendfüllendes Double Feature.

          4
          • 8

            Inside Out besitzt so ziemlich alles, was ein gelungener Animations-Blockbuster braucht: Wärme, Witz und Charme, geradezu überbordenden Ideenreichtum, originelle Figuren, eine fantastische Optik und ein überraschend kluges Drehbuch. Aus der eigentlich recht simpel gehaltenen und dennoch genialen Ausgangslage der Story entspinnt sich eine irrwitzige, abenteuerliche und ungemein faszinierende Odyssee durch den menschlichen Verstand. So, wie Inside Out das Innenleben und die Emotionen der kleinen Riley als Thema hat, so bedient er sich auch geschickt der ganzen Palette an Gefühlsregungen, ist nicht immer nur witzig und temporeich, sondern eben auch traurig und melancholisch erzählt, ebenso komisch wie dramatisch, aber vor allem immer sehr warmherzig und ganz nah am Leben und unseren eigenen Gefühlswelten. Zudem funktioniert Inside Out auf zwei verschiedenen Ebenen: zum einen werden auch hier die kindlichen Bedürfnisse bedient, der Film ist kurzweilig, spaßig, bunt und toll anzuschauen, aber für Erwachsene hält dieser visuelle Abenteuerspielplatz noch ganz andere Dinge bereit, ist enorm klug erzählt, weiß auch den Intellekt anzusprechen und regt zum Nachdenken an.

            Letztlich ist dann auch die vielleicht wichtigste Erkenntnis am Ende von Inside Out nämlich die, dass es vollkommen okay ist, nicht immer nur fröhlich zu sein, denn keine unserer Emotionen kann nur für sich allein stehen. Und es ist auch völlig in Ordnung, unsere Emotionen zu zulassen und ihnen Raum zu geben, statt sie zu unterdrücken. Louis CK sagte einmal sinngemäß, dass die Menschen viel zu oft versuchen, ihre Emotionen durch Ablenkung zu unterdrücken, was schade ist, sind sie doch das ehrlichste, was wir zu bieten haben. Wir haben ohnehin keine Kontrolle über unsere Gefühlswelt, aber wir können entscheiden, wie wir mit ihr umgehen wollen. Inside Out ist humorvoll und tiefgründig, lehrreich und auf seine Art weise, warmherzig und charmant, clever geschrieben und entfesselt ein wahres Panoptikum der inhaltlichen und visuellen Ideen. Ein kluger Film mit gehaltvoller Botschaft, dessen Anschauen sich unbedingt lohnt und der bei weitem nicht nur für Kinder geeignet ist.

            5
            • 7 .5

              Lethal Warrior ist schon etwas mehr als der durchschnittliche Asia-Klopper und hat einen spannenden und von seinen Charakteren und deren Motiven getriebenen Handlungsbogen, der letztlich kunstvoll wie elegant seine verschiedenen Erzählstränge zusammenführt und in einem emotionalen Finale auflöst. Auch wenn der Einstieg in die Handlung zunächst etwas konfus und unübersichtlich ausfällt, weil Details über die handelnden Figuren erst nach und nach preisgegeben werden, entfaltet sich doch schnell eine stringente, stetig anziehende Dramaturgie, welche sehr zielgerichtet einem großen Konflikt entgegen strebt. Der erzählerische Rhythmus ist hervorragend und Lethal Warrior beginnt ausladend wie bedächtig, zieht seine Kreise aber mit fortschreitender Handlung immer enger und verdichtet gekonnt Spannung und Action immer weiter, bis sich alles im letzten Akt entlädt.

              Gut, das Finale übertreibt ein wenig und nutzt vielleicht etwas zu viele Spezialeffekte, bleibt aber auch dank der kunstvollen Inszenierung nicht weniger spannend. Die zunächst noch ruhige Einführung der Figuren sowie deren Entwicklung steht gleichberechtigt neben druckvollen Kampfszenen und spektakulären Shootouts. Ein großes Highlight ist sicherlich eine furios inszenierte Gefängnisrevolte, aber Glanzpunkte gibt es einige zu bestaunen, ist die Action in Lethal Warrior doch meist von großer Kinetik, deren Wirkung nur noch verstärkt wird, indem sie mit einer nicht zu verachtenden Emotionalität einher geht. Zudem hat der Film einige kleine, aber hoch interessante wie ausgesprochen gelungene Ideen zu bieten, wenn zum Beispiel ein Smartphone – sonst oft ein schnell bemühtes Hilfsmittel für faule Drehbuchautoren – äußerst kreativ zum Einsatz kommt und auch die Sprachbarriere zwischen dem Thai Chatchai und dem Chinesen Chan-Chi Kit weiß Pou-Soi Cheang sinnvoll zu nutzen. Und ein ganz besonderer Reiz geht auch von der Figurenkonstellation selbst aus, wenn die Charaktere sehr viel weniger von ihren Beziehungen untereinander wissen als der Zuschauer. Sicher ist so mancher Moment theatralisch, einige sind sogar kitschig und emotional sehr überhöht, aber das ist von jeher auch immer Bestandteil eben jenes Hong Kong-Actionkinos der späten 80er und frühen 90er Jahre gewesen, in dessen Tradition sich Lethal Warrior überwiegend sieht. Ein Kritikpunkt, den ich dem Film durchaus verzeihen kann, aber ebenso verstehen kann, wenn das einigen dann doch zu sentimental ist.

              Lethal Warrior ist zweifellos eine Empfehlung wert, denn Pou-Soi Cheang inszeniert seinen Film stilsicher, druckvoll und mit einer sehr guten Balance aus Action und Figurenentwicklung aus. Dazu sind mit Tony Jaa, Zhang Jin und Wu Jing einige der talentiertesten Kampfsportler der jüngeren Generation in teils erstaunlichen Set-ups zu bestaunen. Wer dem asiatischen Actionfilm grundsätzlich nicht abgeneigt ist und mit dem manchmal schwülstigen Pathos des Hong Kong-Actionkinos leben kann, der wird an Lethal Warrior seine Freude haben. Ich hatte sie jedenfalls.

              3
              • 7

                Der französische Regisseur Jean-François Richet ist mir bisher nur durch sein eher mäßiges und vor allem unnötiges Remake von John Carpenters Assault on Precinct 13 und durch die beiden Filme L’instinct de mort und L’ennemi public n°1 mit Vincent Cassel als französische Gangster-Ikone Jacques Mesrine aufgefallen. An manchen Stellen war zu lesen, Blood Father würde im Schaffen von Mel Gibson einen ähnlichen Stellenwert einnehmen wie Taken in dem von Liam Neeson, ihm also als gealterten Actionhelden einen zweiten Karrierefrühling bescheren. Damit lässt man allerdings Get the Gringo außer Acht, der bereits 2012 ganz ähnlich angelegt war. Aber gut, sei´s drum.

                Richet hat mit Blood Father einen ziemlich guten, stimmungsvollen Genrefilm abgeliefert, der anfangs sehr gut und bedächtig seine beiden Hauptfiguren einführt und sich ausreichend Zeit nimmt, um seine offensichtliche B-Movie-Handlung sorgfältig vorzubereiten. Stilistisch vermengt Richet einige Elemente aus Western, Roadmovie und Drama, abgeschmeckt mit einer Prise Sons of Anarchy, zu einem zwar überraschungsarmen, aber dafür enorm kurzweiligen und straff wie schnörkellos inszenierten Thriller, dessen Schwerpunkt keineswegs auf seiner Action liegt. Wer hier ein temporeiches Spektakel erwartet, welches Actionszene an Actionszene reiht, der ist mit Blood Father falsch beraten. Sicher kracht und knallt oft genug in den angenehm kurzen 88 Minuten Laufzeit, aber der Film bietet auch immer wieder ruhige Momente zum Durchatmen und kann durch einen hervorragenden Rhythmus glänzen ohne jemals künstlich aufgeblasen zu werden. Auch auf überflüssigen Schnickschnack in der Inszenierung wird hier weitestgehend verzichtet, die Action ist überwiegend herrlich altmodisch handgemacht und auf CGI wird glücklicherweise verzichtet. Die Actionszenen sind allesamt kurz und knapp gehalten und bodenständig umgesetzt, wodurch sie eine deutliche Intensität entwickeln können, die Blood Father sehr gut zu Gesicht steht und sich angenehm vom üblichen Action-Einerlei abzuheben weiß.

                John Link ist der Inbegriff eines Antihelden – trockener Alkoholiker und Ex-Sträfling mit bewegter Vergangenheit in einer Bikergang auf der Suche nach Absolution für früherer Verfehlungen. Eine Rolle, die Mel Gibson wie auf den Leib geschneidert ist und die er glaubhaft und so sehr voller Inbrunst verkörpert, dass sein geerdetes Schauspiel verhindert, dass Blood Father in die typischen Klischeefallen tappt. So ist Mel Gibson dann wohl auch die größte Stärke des Filmes, aber zugleich auch ein Schwachpunkt, denn er gefällt sich selbst vielleicht ein wenig zu sehr in seiner Rolle des auf den rechten Pfad zurückgekehrten Saulus voller biblischem Zorn.

                Ansonsten gibt es an Blood Father nicht viel zu mäkeln. Der Film ist angenehm knackig kurz, entfaltet einen guten Rhythmus zwischen Drama getriebenen und Action getriebenen Szenen und hat eine starke Hauptfigur. Die Action selbst ist bodenständig, altmodisch und gekonnt inszeniert. Kurzum: ein guter und stimmungsvoller Actionthriller, der seinem Genre zwar nichts neues hinzufügen kann, aber zu jeder Zeit zu unterhalten weiß. Nur eines hat mich ein wenig irritiert: warum musste sich Richet in einer Szene in einem Kino selbst referenzieren, indem sein Assault on Precinct 13 dort auf der Leinwand zu sehen ist? Kein richtiger Kritikpunkt, merkwürdig fand ich es dennoch. Aber gut, sei´s drum.

                4
                • 7

                  "Forget whatever you’ve seen in the movies: they don’t turn into bats, crosses don’t work. Garlic? You wanna try garlic? You could stand there with garlic around your neck and one of these buggers will bend you fucking over and take a walk up your strada-chocolata WHILE he’s suckin‘ the blood outta your neck, all right?"

                  Ein Stück weit ist mir Vampires auch ein kleines, persönliches Anliegen. 1998 sogar im Kino gesehen (werde ich nie vergessen: ein spätabendliches Doublefeature zusammen mit dem ersten Blade), hatte ich zu dem Zeitpunkt nicht wirklich eine Ahnung, was da für ein räudiges, versifftes und blutiges Spektakel auf mich zukommen würde. Und ich hatte einen Heidenspaß an dem Film, wirklich, ich war hellauf begeistert und habe das schwer gefeiert. Und den habe ich bis heute, den Spaß, ich sehe Vampires immer wieder gern, und ich finde, der Film kommt oft viel schlechter weg als er eigentlich ist, weshalb ich mich berufen fühle, hier mal ein paar Worte über ihn zu verlieren…

                  Der Film von John Carpenter, seines Zeichens Altmeister und Pionier des Horrorgenre, basiert sehr lose auf dem Roman Vampire$ von John Steakley und ist stilistisch ganz den Mechanismen des Western unterworfen, angereichert mit massig Horrorelementen und verfeinert mit einer Prise Roadmovie, ein wilder und bisweilen kruder Mix, der sich zwar komisch anhören mag, letztlich aber doch erstaunlich gut funktioniert. Gerade die Mischung aus Western und Horror ist nun beileibe keine neue Idee, dennoch bleibt sie hier in ihrer staubtrockenen und ausgesprochen zynischen Ausführung reizvoll. Carpenter entspinnt ein großartiges und unverschämt unterhaltsames Mosaik aus unzähligen kleinen Versatzstücken, Anspielungen, Zitaten und Genreverweisen, alles war irgendwann schon einmal da und kommt dem geneigten Zuschauer bekannt vor, aber dennoch ist das Gesamtergebnis vollkommen eigenständig.

                  Handwerklich betrachtet ist Vampires sicher nicht Carpenters bester Film, phasenweise nicht mal ein besonders guter, gerade der Mittelteil hat seine Längen und zieht sich ein wenig, da wäre mehr Kompaktheit doch besser gewesen, das Drehbuch leidet unter dramaturgischen Schwächen und einer etwas zu dick aufgetragenen Machoattitüde und die Handlung ist manchmal geradezu haarsträubend unlogisch, aber der Film macht einfach wahnsinnig viel Spaß. James Woods als Jack Crow ist einfach großartig, wie er in Jeans und Lederjacke durch die staubige Einöde stapft, überall seinen ätzenden Zynismus versprüht und Arschtritte verteilt. So gnadenlos überzeichnet sein Charakter auch ist, so charismatisch wirkt er, ausgestattet mit seinen ganz eigenen moralischen Wertvorstellungen, vielleicht etwas archaisch, ein bisschen aus der Zeit gefallen, aber ganz eindeutig ein geradezu archetypischer Antiheld, entsprungen aus unzähligen Western. Crow und seine Mitstreiter sind keine strahlenden Helden mit weißer Weste auf dem Pfad des Guten, sie sind gebrochene Männer, Getriebene, unbarmherzig und skrupellos bei der Suche nach immer weiteren Vampirnestern, die es auszuheben gilt. Ihre Welt ist aus den Fugen geraten, sie wissen um die Existenz dieser dunklen Kreaturen und haben Dinge gesehen, die normale Menschen nicht glauben würden. Das macht sie zu Ausgestoßenen, unfähig, ein gewöhnliches Leben zu führen, sie sind isoliert von der normalen Welt, kein Teil mehr von ihr und das werden sie auch nie wieder sein.

                  Vampires ist im Grunde kein wirklich guter Film und auch bei weitem nicht Carpenters bester, aber in jedem Fall ist er besser, als er oft gemacht wird und diese krude Mischung aus Western, Roadmovie und Vampirhorror ist einfach irre unterhaltsam und macht wahnsinnig viel Spaß. Zweifelsohne kein Carpenter, der Maßstäbe setzt und ganze Genre definiert wie einst Halloween oder The Thing, und ausgestattet mit zahlreichen handwerklichen und dramaturgischen Mängeln, aber in jedem Fall ein derber, geradliniger und staubiger Film mit einer knochentrockenen Atmosphäre, den ich immer wieder gerne sehe.

                  4
                  • 9

                    Ein gewaltiger Schlag in die Magengrube ist Incendies, der zweite Film von Denis Villeneuve. Schon die allererste Szene ist schlicht und ergreifend atemberaubend, ebenso klar und präzise wie bedrückend und erschütternd in ihrer Bildsprache und lässt zu den Klängen von Radioheads You and Those Army? bereits von der ersten Sekunde an ein sehr unangenehmes Gefühl entstehen. Der perfekte Einstieg in diese Geschichte und ein überaus gelungener Blick auf die folgenden 120 Minuten. Diese Bildsprache zieht sich dann auch durch den ganzen Film und immer wieder gelingt es Villeneuve, die erschreckensten Momente wunderschön zu inszenieren, was ihre Wirkung nur noch weiter verschärft.

                    So erzählt er eine schmerzhafte und aufwühlende Geschichte, die den Zuschauer in die Zeit des Bürgerkrieges im Libanon mitnimmt und sich über verschiedene Orten und Zeiten hinweg nur langsam Stück für Stück offenbart. Das Erzähltempo ist sehr unaufgeregt und macht in Kombination mit der wunderschönen Bildsprache die Enthüllungen im Laufe des Films nur noch schrecklicher. Ganz ohne die explizite Darstellung der grausamen Details gelingt es Villeneuve gerade durch den Verzicht auf die in solchen Genres doch häufig bemühten Taschenspielertricks, eine Atmosphäre zu erschaffen, die den Zuschauer sogartig in die Ereignisse hinzieht und nicht mehr loslassen wird, so intensiv und aufwühlend wie sie ist.

                    Incendies ist breit angelegt und erzählt von Schuld, Sühne, Glauben und Vergebung, der Film ist episch, aber dennoch ausgesprochen intim, weil sich universelle Konflikte im ganz kleinen, persönlichen Rahmen abspielen. Ist Schuld erblich? Erlischt diese mit dem Tod der schuldigen Person? Solch essentielle Fragen wirft Incendies in seinem Verlauf immer wieder auf und erforscht diese über mehrere Generationen und Zeiträume hinweg, ohne immer Antworten finden zu können. Das liegt auch gar nicht im Fokus des Films, Villeneuve erzählt seine Geschichte geradezu nüchtern und wertfrei, den Rest muss der Zuschauer für sich selbst übernehmen. Er zeigt uns Leiden und Leben in einem Krieg, der nicht ständig von Explosionen und Gewehrfeuer begleitet wird, ein Krieg, der vielmehr im Stillen stattfindet, in den betroffenen Menschen, in uns. Soziale und moralische Traumata sind es, die sich hier zeigen, Verschiebungen ethischen Denkens und geschundene Seelen. Wunden, die vielleicht niemals werden heilen können. Hoffnung, Träume, Wahnsinn und alles auf einmal.

                    Als würde das alles nicht schon reichen, setzt Villeneuve dem ganzen zum Schluss die Krone auf, in dem er eine finale Wendung präsentiert (die hier selbstverständlich nicht verraten werden kann), die so böse und schmerzhaft daherkommt, dass es einem den Atem raubt und betäubt zurück lässt. Diese Wendung ist es dann auch, die Incendies ganz nah an die klassische, griechische Tragödie heranrückt, so nah, wie es kaum ein anderer Film zu schaffen vermag.

                    8
                    • 6

                      Kickboxer: Vengeance von Regisseur John Stockwell ist im Grunde ein 1:1 Remake von Kickboxer (Karate Tiger 3, 1989), damals noch entstanden unter der Regie von Mark Disalle und David Worth und mit Jean Claude Van Damme als Protagonist. Sogar die Namen der Figuren wurden weitestgehend einfach übernommen, nur der damals noch lediglich querschnittsgelähmte Eric wird im Remake für immer auf die Matte geschickt. Der Film kann nicht ganz billig gewesen sein, denn die exotischen Settings in Thailand können sich durchaus sehen lassen, ganz abseits des sonst eher vorherrschenden Osteuropa- und Lagerhausflairs so vieler Direct-to-Video-Produktionen heutiger Tage.

                      Ich muss allerdings zugeben, dass mir der anfängliche Zugang zum Film eher schwer fiel, denn gerade der Einstieg wirkt irgendwie etwas lieblos und unspektakulär. Gepaart mit der nüchternen Schlichtheit eines modernen DTV-Actioners wirkte das doch etwas irritierend auf mich, aber das ändert sich spätestens mit dem Auftauchen von Jean Claude Van Damme als Master Durand, der mit seinem Sonnenbrillen/Hut/offenes Hemd-Look den nicht gerade dezenten Charme eines abgehalfterten Jazz- oder Bluesmusikers verströmt und überraschender Weise nicht nur körperlich sehr gut aufgelegt ist, sondern auch schauspielerisch. Voller Enthusiasmus wirft sich JCVD so sehr in die platten Klischees seiner Figur, dass es eine wahre Freude ist, ihn so aufspielen zu sehen. Wunderbar!

                      Schön auch, dass die Macher von Kickboxer: Vengeance gar nicht erst versuchen, mehr aus der simplen Kampf-Orgie zu machen als das Original hergeben könnte. Nein, man besinnt sich lieber auf das, was der Film zu bieten hatte, nämlich ein schmales und wackeliges Story-Gerüst und knochentrockene Kampfszenen. Und das fast ausschließlich erfahrene Kampfsport-Profis an dem Film beteiligt waren, die ihr Handwerk verstehen, sieht man an den zum Teil spektakulär in Szene gesetzten Fights. Besonders der Hauptdarsteller Alain Moussi, seines Zeichens langjähriger Kampfsportler und Stuntman, zaubert da so manchen Kick aus der Hüfte, dass man an der Schwerkraft zweifeln möchte. Die Action ist vielleicht nicht so virtuos inszeniert wie in Filmen von Isaac Florentine, aber dennoch sehr dynamisch und vor allem immer übersichtlich.

                      Dass Moussi leider abseits seiner Fighting-Skills eher mäßig talentiert ist und noch weniger Charisma an dem Tag legt als einst JCVD, ist bedauerlich, wird aber auch durch den einen oder anderen charmanten Witz und kleine Anspielungen auf das Original überspielt. Ansonsten bietet Kickboxer: Vengeance alles, was den klassischen Kampfsport-Film der 80er Jahre ausmachte: vor allem die obligatorische und auf keinen Fall fehlen dürfende Trainings-Montage-Sequenz inklusive motivierendem Soundtrack weiß hier zu unterhalten. Sogar die herrlich bekloppte Tanzszene darf hier nicht fehlen und wird schön mit dem Original parallel geschnitten. Auch der Ur-Tong Po in Gestalt von Michel Qissi darf kurz auftauchen und für eine kleine humorige Anspielung herhalten. Als Schwachpunkt jedoch empfand ich den finalen Kampf und die Konfrontation mit Tong Po, ist er doch zu langatmig geraten und eher schwach inszeniert. Trotz des Zitierens der berühmten Glasscherben-Szene ist der letzte Fight einfach nicht spektakulär genug, um als abschließender Höhepunkt glänzen zu können, aber das relativiert sich ein wenig, denn Kickboxer: Vengeance hat davor schon einige hervorragende Kampfszenen zu bieten.

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                        "It's not our bloody war. It's an English war. It's got nothing to do with us."

                        Mit Gallipoli kann ich nun einen weiteren Film des australischen Regisseurs Peter Weir von meiner Liste streichen und erneut hat mich Weir nicht enttäuscht. Es sollte sein letzter rein australischer Film sein, denn danach wurde Hollywood auf ihn aufmerksam und auch für den noch jungen Mel Gibson sollte dieser Film der Sprung in die Traumfabrik bedeuten – Mad Max ließ bereits aufhorchen, doch Gallipoli bewies, dass er mehr konnte. Weir erzählt die abenteuerliche Geschichte der Freundschaft zweier junger Männer vor dem Hintergrund eines wohl eher in Vergessenheit geratenen Stückes australischer Geschichte: die Schlacht um Gallipoli im Ersten Weltkrieg, in welcher australische und britische Truppen gemeinsam gegen die mit Deutschland verbündeten Türken.

                        Dennoch sehe ich Gallipoli in erster Linie nicht oder nur sehr bedingt als klassischen Kriegsfilm, steht doch lange die Freundschaft sowie die abenteuerliche wie oftmals beschwerliche Reise von Archie und Jack von Queensland aus quer durch die Wüste nach Perth, von dort nach Ägypten und letztlich zur türkischen Halbinsel im Mittelpunkt und das Kriegsgeschehen rückt tatsächlich erst sehr spät in den Mittelpunkt. Historisch mag das alles vielleicht nicht korrekt sein, dennoch überzeugt Weir mit der von ihm gewohnten leicht schrägen Art der Inszenierung und findet einige wirklich sehr schöne Bilder und Motive, wo man sie kaum vermuten würde. Am Ende bleibt kaum mehr als eine Medaille und eine Taschenuhr im türkischen Staub und zwei junge Leben, denen eine perspektivenreiche Zukunft in einem Krieg genommen wurde, welcher nicht einmal ihr Krieg war. Meine Reise durch das Schaffen von Peter Weir jedenfalls wird definitiv weiter gehen und ich bin gespannt, was ich da noch alles entdecken kann.

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                          über Horns

                          Horns beinhaltet nur noch recht wenig von Alexandre Aja's Wurzeln im französischen Terrorkino und beschreitet neue, andere, kreativere Wege. Ein sehr eigenwilliger Film mit einer surrealistischen Atmosphäre und einem wilden Mix der verschiedensten Erzählstile, die der Franzose jedoch stets fest im Griff hat und nicht ausufern lässt. Obwohl der Plot vielleicht ein wenig zu durchschaubar ist, manche Szenen etwas zu kitschig wirken und es das Finale mit seiner Symbolik etwas übertreibt, so weiß dieses Füllhorn voller kruden und kreativen Ideen und Einfällen wirklich zu überraschen. Horns ist eine Reise ganz tief in menschliche Abgründe. Lügen. Immer wieder Lügen. Alle tun es. Immerzu. Letztlich offenbart sich unter dieser düsteren Oberfläche eine zutiefst tragische Geschichte. Sicherlich Aja's bisher unkonventionellster Film, aber auch sein reifster.

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                            Men of War gehört inzwischen zu meinen Lieblingen aus dem Schaffen des hünenhaften Schweden. Spät entdeckt, aber schnell lieben gelernt. Sicher, die Story ist kaum mehr als eine weitere Pocahontas-Variation und auch die Öko-Botschaft fällt eher wenig subtil aus, aber dennoch ragt der Film für mich irgendwie aus dem sonst so oft höchstens mittelmäßigen Genre-Einheitsbrei seiner Zeit heraus. Men of War nimmt sich erstaunlich viel Zeit für seine Geschichte und erst im letzten Akt geht es zur Sache - dann aber so richtig. Das Setting rund um die Insel ist ziemlich hübsch anzusehen, wurde doch überwiegend in Thailand gedreht und nicht auf irgendeinem Studiogelände. Und so stereotyp die Charaktere der Söldner angelegt sind, so wenig klischeehaft erscheinen die Inselbewohner. Auch der Humor geht meist über die klassisch markigen Oneliner hinaus. Das alles mutet manchmal vielleicht etwas naiv an, aber gerade diese Eigenwilligkeit schätze ich mittlerweile so sehr an Men of War, denn das ließ sich in dem Genre zu jener Zeit eher selten finden. Ich mag ihn einfach genauso, wie er ist.

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                              Netflix holt immer mehr zum großen Schlag aus und will dem Kino zusehends Konkurrenz machen. Erst Bright, nun The Cloverfield Paradox, in Kürze dann Annihilation von Regisseur Alex Garland (Ex Machina, 2014): die neue Strategie des Streaming-Dienstes scheint es zu sein, direkt mit den Vertrieben interessanter Filme zu verhandeln, um diese dann exklusiv auswerten zu können, wo ein Kinostart nicht zu lohnen scheint. The Cloverfield Paradox - ursprünglich noch mit einem Kinostart versehen unter dem Titel The God Particle und unabhängig vom Cloverfield-Universum - bildet nun nach Cloverfield und 10 Cloverfield Lane den dritten Beitrag zur inzwischen Anthologie-artigen Filmreihe. War der erste Film noch Found-Footage-Monster-Horror, da war der zweite der Reihe ein oftmals sehr intimer Psycho-Thriller. So entsteht hier nach und nach ein filmisches Universum, welches vollkommen offen gehalten ist und erzählerisch wie inszenatorisch beinahe alles mögliche ausreizen kann. Das finde ich sehr spannend, denn ich habe lieber ein offen gehaltenes Universum, in dem beinahe alles denkbar ist und das sich quasi ständig neu erfinden kann, als eines, welches mit seinen aufgezwungenen Einschränkungen Kreativität unterbindet. Dafür nehme ich dann gern in Kauf, dass diverse Projekte scheitern oder nicht immer den großen Wurf hervorbringen.

                              So ist The Cloverfield Paradox dann letztlich immerhin solides Genre-Kino geworden, welches zwar nicht mit Innovationen um sich wirft, aber durchaus zu unterhalten vermag und auf der technischen Ebene einwandfrei inszeniert ist. Erzählerisch bietet der Film sicherlich nichts neues, kann aber durchaus mit seiner Atmosphäre punkten, vermischt ein wenig Body-Horror mit Angst und Verzweiflung und hat durchaus auch ein oder zwei interessante Bizarro-Momente zu bieten. Unterm Strich sicherlich der bisher schwächste Beitrag zum Cloverfield-Universum, aber dennoch sehenswert, so fern man dem Genre an sich etwas abgewinnen kann. Darüber hinaus beantwortet der Film einige Fragen und wirft neue auf, befeuert Diskussionen und eröffnet völlig neue Möglichkeiten. Zwar fällt wie bereits beim Vorgänger die schlussendliche Verknüpfung zu Cloverfield etwas ungelenk aus und man merkt deutlich, dass an diesen Stellen das Drehbuch nachträglich angepasst wurde, dennoch ist dieses Franchise in meinen Augen eines der aktuell spannendsten und bietet annähernd unbegrenzte Möglichkeiten auf der inszenatorischen und erzählerischen Ebene. Ähnlich wie bei Bright bleibt nach all den schlechten Kritiken die ganz große Katastrophe aus und der mir bisher unbekannte Regisseur Julius Onah liefert mit The Cloverfield Paradox technisch einwandfreie, solide Genre-Kost ohne nennenswerte Innovationen, welche ihr Universum jedoch durch einige interessante Facetten zu erweitern weiß.

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                                Mattscheibenvorfall 07.02.2018, 01:58 Geändert 07.02.2018, 02:20

                                Die Hammer Studios – diese ganz wunderbare wie legendäre britische Filmschmiede, die von den 30ern bis in die 80er Jahre hinein Film um Film produzierte, ihren Schwerpunkt auf klassische Gruselfilme legte und sowohl Peter Cushing als auch Christopher Lee hervorbrachte – waren 1974, als Captain Kronos – Vampire Hunter erschien, eigentlich schon auf dem absteigendem Ast, und dennoch gelangen ihnen noch ein großer Wurf, nicht kommerziell, das sicher nicht, denn ihr Niedergang konnte nicht aufgehalten werden, künstlerisch aber sicherlich. Ein Film, der zumindest für mich zu ihren besten und stärksten Werken gehört, vielleicht zusammen mit Der Fluch von Siniestro (The Curse of the Werewolf, 1961) und Dracula (The Horror of Dracula, 1958).

                                Horst Janson ist Captain Kronos! Genau, jener Horst Janson, der nur wenige Jahre später die Sesamstraße unsicher machen sollte. Und auch die zauberhafte Caroline Munro ist mit an Bord, die später noch den hinreißend trashigen Italo-Streifen Starcrash zu veredeln wusste und Bond-Girl an der Seite von Roger Moore sein sollte. Captain Cronos ist unter der Regie von Brian Clemens und der Produktion von Albert Fennell dann auch zu einem für damalige Verhältnisse eher unorthodoxen Film geworden, voller abseitiger Ideen, wunderschöner Bilder und märchenhafter Züge, entliehen aus alter Folklore und Überlieferungen. Ein wilder und doch erstaunlich homogener Stilmix aus Elementen des Mantel und Degen-Films, des Italo-Western, comichaftem Pulp und dem japanischen Samurai-Kino, der zu Gunsten von schrulligen Dialogen, exzentrische Figuren und dem klassischen Hammer-Feeling auf nackte Brüste und übermäßiges Blutvergießen verzichtet.

                                Bewaffnet mit einem Katana reitet Captain Kronos schweigsam, immer einen Zigarrenstummel im Mundwinkel, auf seinem Pferd durch die hügelige Landschaft Englands, dicht gefolgt von seinem buckligen Freund Grost, auf der Suche nach Vampiren, deren Dasein es zu beenden gilt. Sein eigenes Schicksal ist es, welches ihn immerzu antreibt. Tatsächlich sind gewisse dramaturgische Bezüge zu Blade nicht zu leugnen, erschien doch nur ein Jahr vor Captain Kronos der erste Comic von Marvel über den Daywalker. Captain Kronos liefert den perfekten fantastischen Stoff für eine eigenständige Filmreihe, vielleicht auch eine Fernsehserie, und Hammer hatte wohl auch derartige Pläne, aber der kommerzielle Misserfolg, auch einer schlechten Marketing-Kampagne gschuldet, erstickte sämtliche Ambitionen in diese Richtung gleich im Keim. Schade ist das, denn Captain Kronos und Grost hätten sicherlich noch viele tolle Abenteuer erleben können und wir mit ihnen.

                                Captain Kronos – Vampire Hunter hätte der Auftakt zu einer ganzen Reihe sein können, floppte aber in den europäischen und amerikanischen Kinos schwer. Das Potential dazu haben die Figuren zweifellos, aber letztlich fehlte es an Mut unter den Verantwortlichen in den Hammer Studios, das Projekt konsequent voran zutreiben. So bleibt nur dieser eine Film, der dafür aber umso mehr zu bieten hat und im sterbenden Output nochmals ein letztes Aufbäumen abgibt. Schade ist das dennoch, gibt Horst Janson doch einen ganz hervorragenden Titelhelden irgendwo zwischen Clint Eastwood in den Leone-Filmen und Toshiro Mifune unter der Regie von Akira Kurosawa. Was aber auch ein bischen naheliegend ist.

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                                  Mattscheibenvorfall 05.02.2018, 23:51 Geändert 06.02.2018, 00:49

                                  Puh. Also die ersten rund zehn Minuten hauen gleich mal in allerfeinster Action-Manier voll rein und brechen reichlich Knochen was das Zeug hält. Geöffnete Arterien inklusive. Das Tempo in der eröffnenden Actionsequenz ist irre hoch und so manchen feinen technischen Kniff hat dieser Quasi-One-Take zu bieten. Die Kamera ist geradezu entfesselt, scheint sich mehr oder weniger frei und losgelöst beinahe tänzerisch durch den Raum zu bewegen und ist doch immer ganz nah am Geschehen. Das erzeugt eine enorme Dynamik nicht nur innerhalb dieser Auftaktsequenz, kann allerdings ebenso für Konfusion sorgen. Die teils atemlosen Actionsquenzen sind letztlich auch die wesentliche Stärke von The Villainess, doch unter dieser schlagkräftigen Oberfläche offenbart sich nach und nach ein melodramatisches Herz.

                                  Auch wenn die Geschichte selbst recht deutlich Anleihen an Nikita (Luc Besson, 1990) nimmt, gewinnt sie im Verlauf immer mehr an Emotionalität, wenn sich nach und nach ein immer dichter werdendes Netz aus Liebe, Verrat, Betrug, Intrigen und Täuschungen aus dem Dunkeln heraus schält und die erzählerische Dramaturgie mit mehr und mehr Rückblenden die eigentliche Tragik dieser zunächst doch so simpel erscheinenden Story offenbart. Allerdings macht es der Film einem nicht besonders leicht, wenn seine Rückblenden meist recht unvermittelt über den Zuschauer herein brechen und für Desorientierung und Verwirrung sorgen können. Ein wenig gewöhnungsbedürftig ist das anfangs schon und ich musste den Film dann auch ein zweites Mal schauen, um alles wirklich zu durchschauen. Auf der inhaltlichen Ebene mag das nichts herausragendes sein, mag The Villainess seinem Genre nichts nennenswertes hinzufügen, doch die virtuose Inszenierung von Jung Byung-Gil glänzt dafür umso mehr.

                                  Dramaturgisch ausgewogen ist sein Film dadurch nun nicht unbedingt, seine visuellen Qualitäten und einfallsreichen Ideen sind dafür umso bemerkenswerter. So bleibt letztlich ein inhaltlich eher konventioneller Actionfilm, welcher stilistisch jedoch erstaunlich originelle Punkte zu setzen vermag, einfallsreiche Szenen zu bieten hat und nach und nach immer mehr Emotionalität aufbaut.

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                                    Ich kann mir regelrecht vorstellen, wie Disney nach dem Erfolg des ersten Teils auf James Gunn zugegangen sein muss, frei nach dem Motto: tu, was du willst, tob dich so richtig aus, Geld spielt keine Rolle, aber dreh die Regler volles Rohr auf 12. Und ziemlich genau das tut James Gunn dann auch, justiert aber Kleinigkeiten so sehr nach, dass das alles dann auch ganz hervorragend funktioniert. Eine ziemliche Reizüberflutung ist das phasenweise, aber es wird nie langweilig oder ermüdend. Vor allem auch, weil sich nun ein emotionaler Unterbau quer durch den Film zieht, der auch den Figuren etwas mehr Raum und Tiefe gibt. Herkunft, Abstammung, Freundschaft und Familie sind große Themen, die weite Teile von Vol.2 bestimmen, aber nie aufdringlich verhandelt werden.

                                    Man sucht sich seine Familie nicht aus, doch manchmal findet sie einen selbst, wenn man es am wenigsten erwartet. Es fehlt zwar ein wenig die Frische des Vorgängers, aber die neu dazu gekommene Emotionalität gleicht das wieder aus. Beinahe jede Figur bekommt ihren eigenen, besonderen emotionalen Moment und darf ihre Backstory offenbaren oder ausbauen, auch wenn nicht jede davon aufgrund ihrer Inszenierung immer richtig funktioniert. Vor allem Drax hat einen starken Moment, der durch eine geschickte Spiegelung besonders überzeugen kann. Gerade gegen Ende nehmen Kitsch und Pathos zwar ordentlich zu, aber die ironische Brechung ist nie weit entfernt, so dass der Film nicht droht in Gefühlsduselei zu versinken. Und es ist einfach ein Riesenspaß und wahnsinnig komisch, Vater und Sohn bei nach allen Regeln der Kunst schwülstig inszenierten Ballspielen inklusive Zeitlupe zu zusehen.

                                    James Gunn taktet den Rhythmus seines Filmes enorm hoch und reiht Actionszene an Actionszene. Das Tempo ist wahnsinnig schnell und lediglich im Mittelteil geht der Film vom Gas. Da kommt es dann auch zu kleineren Längen und die Entscheidung, die Guardians in zwei Gruppen aufzuteilen, ist dramaturgisch ein wenig fragwürdig, geht dadurch doch etwas der erzählerische Schwung verloren. Sind sie aber erst wieder vereint, ist das schnell vergessen. Zudem ist die Frequenz, mit der James Gunn mit Unmengen an popkulturellen Referenzen und Anspielungen auf die 80er nur so um sich wirft, nochmals höher als noch im ersten Teil, ohne dass es sich jemals aufgezwungen anfühlen würde. Im Gegenteil, es macht wahnsinnig viel Spaß, all diese kleinen Verweise zu entdecken und zu entschlüsseln, was den Wiederschauwert stark erhöht, denn da steckt noch viel zu viel im Film, als dass man all das beim ersten Mal wahrnehmen könnte.

                                    Auch die Gagdichte ist wieder irre hoch und auch, wenn nicht jeder Witz funktioniert und jede Pointe zündet, manches vielleicht doch zu infantil daherkommt oder unter die Gürtellinie zieht, ist die Trefferquote beachtlich und es darf mehr als einmal laut gelacht werden. Und auch über den Soundtrack müssen wir kurz sprechen, war der des ersten Filmes doch schon allein ein Phänomen nur für sich, der einen riesigen Hype lostrat. In Vol.2 funktioniert das Konzept auch wieder ganz vorzüglich, obwohl es leicht abgewandelt ist und die Songs bei weitem nicht mehr so offensichtlich plakativ eingesetzt, sondern deutlich subtiler eingestreut werden, meist ruhiger gehalten sind und viel atmosphärischer wirken. Ein kleiner Kniff, der stumpfe Wiederholung vermeidet und zudem den emotionalen Anstrich hervorragend ausbauen und sanft unterstreichen kann. Und wenn ich ganz ehrlich sein soll, dann hat mich der Film am Ende, wenn Father and Son von Cat Stevens erklingt, auf einer ganz persönlichen Ebene tief berührt.

                                    Ist Guardians of the Galaxy Vol. 2 nun ein wichtiger Film, der dem Kino vielleicht neue Möglichkeiten eröffnet? Nein. Aber mit seinem beinahe schon größenwahnsinnigen Unterhaltungswert erinnert er uns auch daran, dass wir Entertainment nicht immer mit dem Hirntod bezahlen müssen und dass Spaß im Kino nicht mit dem totalen Mangel an Anspruch erkauft werden muss. James Gunns Fortsetzung ist letztlich ein turbulentes, wildes, grellbuntes Weltraum-Action-Abenteur-Spektakel voller 80er Jahre Referenzen, jeder Menge Witz, Charme und Herz sowie der genau richtigen Menge an Kitsch und Pathos. Leichte Abzüge in der B-Note gibt es für den etwas ausfasernden Mittelteil mit kleineren Längen, aber das stört das Gesamtpaket in seiner Wirkung kaum. Zudem versteckt James Gunn sehr geschickt immer wieder kleine Spitzen gegen Disney in seinem Film, die auch einen gewissen Unterhaltungswert haben. Allein der Satz über Baby Groot „It’s too adorable to kill“ spricht da Bände in Bezug auf Marketing und Merchandise. Und auch die sage und schreibe 5 (!) After-Credit-Scenes sind ein wunderbar leicht ironischer Seitenhieb auf eine zweifellos standardisierte Formelhaftigkeit des MCU.

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                                      Regisseur James Gunn gelingt hier ein Kunststück, das so eher selten zu bewundern ist: ein Blockbuster mit Seele. Ein mitreißender Actionkracher, randvoll mit viel Witz, grandiosen Dialogen, einer Prise Tragik, wundervollen Anspielungen und herrlich skurrilen Figuren. Die Story ist denkbar simpel, aber auch ungemein effektiv, räumt sie doch genügend Raum für die Entfaltung der Figuren ein und hält wunderbar die Balance aus großem Getöse, wohl dosierten Kitsch und charmanter Ironie. Es ist auch James Gunn zu verdanken, dass all diese verschiedenen Elemente letztlich ein sehr stimmiges Gesamtbild abgeben, dem er zudem noch seinen ganz eigenen Stempel aufdrücken kann.

                                      Die titelgebenden Guardians of the Galaxy erweisen sich als zusammengeworfener Haufen von Antihelden, die sich im Laufe des Films erst als Gruppe finden müssen. Besonders Chris Pratt als Peter Quill aka Starlord („Star – who!?“) sticht hier enorm hervor. Wie er den schlagfertigen, charmant – schlitzohrigen und leicht überheblichen Draufgänger Quill spielt, immer einen lockeren Spruch auf den Lippen, das macht einfach nur Spaß. Mit dabei an seiner Seite sind noch Zoe Saldana als Assassinin Gamora (hier mal in grün statt blau), der Wrestler Dave Bautista als Drax the Destroyer, ein Muskelberg auf zwei Beinen mit leichten Verständnisproblemen, wenn Metaphern im Spiel sind, sowie das absolut grandiose Duo Rocket (Raccoon) und Groot, beide vollständig animiert und gesprochen von Bradley Cooper und Vin Diesel. Gerade der genetisch veränderte Waschbär Rocket („Ain’t no thing like me, except me!“) hat mein Herz im Sturm erobert. Und Vin Diesel, der dem humanoiden Baumwesen Groot seine Stimme leiht, hat genau nur einen Satz, der aber, immer wieder gesprochen, zu einem Running Gag im Film wird und mit unterschiedlicher Betonung situationsbezogen immer eine andere Bedeutung hat.

                                      So dünn also die Story ist (fieser Bösewicht will die Galaxie zerstören), so grandios ist sie inszeniert. Schwungvoll, temporeich, aber dabei nie überladen, in den richtigen Momenten zurückhaltend und trotzdem nie langweilig, und vor allem auch stellenweise immer wieder überraschend düster. Obwohl fünf völlig neue Figuren eingeführt werden müssen, ist der Zuschauer nie überfordert oder verliert den Überblick über das Geschehen und es kommt keiner der Charaktere zu kurz. Jeder hat ausreichend screen time um sich entfalten und entwickeln zu können und jeder hat auch eine (zugegeben, nicht immer sonderlich einfallsreiche) Hintergrundgeschichte spendiert bekommen.

                                      Der Look des Films ist einfach großartig, irgendwie nostalgisch und futuristisch zugleich. Einiges erinnerte mich an die Serie Firefly, manches auch an die alten Star Wars-Filme. Der computeranimierte Rocket und sein ebenfalls am Rechner entstandene Kumpel Groot sind die besten Beispiele dafür, das CGI-Effekte eben nicht immer nur stumpfsinnig Bombast erzeugen müssen, sondern noch sehr viel mehr können. So kann und soll CGI funktionieren, nicht nur als Vehikel für platte Action, sondern um faszinierende, zum Teil berauschend schöne und atemberaubende fremde Welten zu erschaffen. Manchmal möchte man aus dem Staunen nicht mehr herauskommen, bei all diesen hinreißenden Bildern, egal, ob es gigantische Raumschiffe sind, fremde Planeten oder die Weite und Größe des Kosmos visuell festgehalten wird. So viel Schönheit sieht man selten in Blockbustern.

                                      Ein weitere großer Pluspunkt ist dann noch der liebevoll zusammengestellte, sehr stimmige und buchstäblich auf den Punkt genau eingesetzte Soundtrack des Films, der Schlüsselszenen noch mal unterstreicht und hervorhebt und wie der Rest des Films einfach nur wahnsinnig viel Spaß macht. Dass der Soundtrack dann auch noch in Form eine Kassette in Erscheinung tritt, Quills Awesome Mix Vol.1, das lässt mein Nerd-Herz dann vollends glühen. So ist Guardians of the Galaxy für mich letztlich ein zwischen Humor, Charme und Action perfekt ausbalancierter Film, ein feelgood-movie, das von der ersten bis zur letzten Minute einfach nur unfassbar viel Spaß macht.

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                                        Ich platze mit meiner Meinung gleich einfach mal so heraus: Edgar Wright ist ein meisterhafter Regisseur, Scott Pilgrim vs. the World ist der Beweis und dieser Text eine Liebeserklärung an sein zweifellos stärkstes Werk. Seine Verfilmung des sechsteiligen Comics von Bryan Lee O´Malley ist ein permanent Popkultur referenzierendes Monster, ein visuell einzigartiges Feuerwerk der Ideen, ein Wanderer zwischen den unterschiedlichsten medialen Kunstformen, dem es mühelos gelingt all seine Einflüsse zu bündeln und ein vollkommen für sich stehendes Gesamtkunstwerk zu erschaffen. Und wie Wright die Geschichte erzählt, wie er die Gedanken – und Gefühlswelt seines Protagonisten direkt und ungefiltert auf die Leinwand überträgt und den Zuschauer daran teilhaben lässt, das zeugt von unglaublich profunder Kenntnis der letzten vierzig Jahre Popkultur – von Pac Man über Mangas bis hin zu zeitgenössischem Indierock – sowie einer schier immensen Lust daran, mit dieser Kenntnis zu spielen und einem unglaublich guten Gespür für Tempo und Timing.

                                        Visuell ist das alles unfassbar eindrucksvoll und geradezu überbordend kreativ umgesetzt, wenn sich die verschiedensten Erzählformen munter vermischen, wenn 80er Jahre Videospiel-Ästhetik auf Comicwelten trifft, wenn sich der Film frech und schamlos Dinge erlaubt, vor denen auf Filmhochschulen stets gewarnt wird, dann bricht Scott Pilgrim vs. the World buchstäblich den filmischen Horizont auf. Was mich aber abseits all dieser audiovisuellen Pracht, all der wundervollen Ideen und Einfällen auf der erzählerischen Ebene und all dieser nerdigen Detailverliebtheit noch am allermeisten fasziniert und begeistert, das ist der so schlichte wie zu gleich schöne Kern der Geschichte. Wenn man nämlich all diesen Popkultur-Wahnsinn, die inszenatorischen Tricks und Kniffe und den visuellen Budenzauber einfach mal außen vor lässt und beiseite wischt, dann offenbart sich tief im Innern von Scott Pilgrim vs. the World ein roter Faden, welcher zu keiner Sekunde aus den Augen gelassen wird.

                                        Denn letztlich erzählt Edgar Wright mit seinem Film nicht mehr und nicht weniger als die vielleicht älteste Geschichte der Menschheit: Junge trifft Mädchen, Junge verliebt sich in Mädchen. So einfach, so universell. Und bei all dem kreativen Feuerwerk, welches er nahezu permanent entfacht, verliert er nie das Gespür für seine Figuren und drosselt gezielt das erzählerische Tempo um der Romanze zwischen Scott und Ramona genügend Freiraum und Luft zum atmen zu geben. Der Cast erledigt dann den Rest und füllt den Film mit Leben und lässt seine Liebesgeschichte erst richtig glaubwürdig erscheinen. Und auch bis in kleinere Nebenrollen ist der Film wahnsinnig gut besetzt und kann mit Namen wie Chris Evans, Anna Kendrick, Brie Larson, Jason Schwartman, Brandon Routh oder Kieran Culkin um sich werfen. Sogar Thomas Jane und Clifton Collins, jr. dürfen kurz für einen ausgesprochen witzigen Cameo-Auftritt vorbeischauen. Aber das Herz von Scott Pilgrim vs. the World sind Michael Cera und die wundervolle Mary Elizabeth Winstead. Und seien wir doch mal ehrlich: wie könnte man sich nicht in Ramona Flowers verlieben?

                                        Natürlich ist sich Edgar Wright vollkommen im klaren darüber, dass er allein aufgrund der Art und Weise, wie er seine Geschichte erzählt, große Teile des Publikums nicht erreichen wird. Dafür ist vieles an Scott Pilgrim vs. the World einfach zu weit weg vom Mainstream, vieles einfach zu sehr auf bestimmte Nischen der Popkultur fixiert. Das schöne aber ist: es ist ihm egal. Wright zelebriert das alles so voller Enthusiasmus, dass man das Gefühl bekommt, er hätte den Film auch nur für sich allein gemacht. Schon die Cornetto-Trilogie (Shaun of the Dead, Hot Fuzz, The World´s End) war sehr gut und zeugte vom scheinbar grenzenlosen Genre-Wissen ihres Regisseurs, aber Scott Pilgrim vs. the World treibt das alles frech wie versiert auf die Spitze und katapultiert den Film damit tief in mein Nerd-Herz.

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                                          über Stung

                                          Da ist es wieder, das hierzulande immer noch leidige Thema Genrefilm. Regisseur Bennie Diez hat nämlich mit seinem Debütfilm Stung genau einen solchen erschaffen. Tierhorror aus Deutschland, ein Creature-Feature aus einer stark von ihrem ureigenem Anspruchsdenken geprägten Filmlandschaft. Gerade auf der technischen Ebene kann sich Stung tatsächlich sehen lassen und muss sich kaum hinter ähnlichen internationalen Produktionen verstecken, aber es ist auch ein wenig erschreckend, wie deutlich der Mangel an Originalität auf der erzählerischen Ebene den Film dominiert. Das bedeutet nun aber nicht, dass Stung ein schlechtes und einfallsloses Werk wäre, denn stellenweise macht er durchaus Spaß und weiß zu überzeugen.

                                          Bennie Diez kennt ganz offensichtlich das Genre Tierhorror und bedient sich gekonnt dessen Mechanismen: Stung ist zwar simpel konstruiert und hält sich nicht mit Nebensächlichkeiten auf, doch sobald das Drehbuch flott das Setting und die Konstellation der Figuren grob umrissen hat, dann kann der Spaß beginnen, wenn die mutierten Wespen in Scharen über ihre Opfer herfallen. Große Überraschungen sucht man vergeblich und auch sonst haftet Stung keine weiter erzählerische Dimension an, wenn sonst viele Vertreter des Genres zumindest noch einen Hauch von Gesellschaftskritik zu zeigen wagen, doch handwerklich und visuell ist der Film mehr als nur solide und kann hier einige seiner Mankos wieder ausgleichen. Die Effekte sind überwiegend handgemacht und hübsch eklig anzuschauen, wenn die Monster auf alle möglichen Arten aus menschlichen Körpern platzen, und nur die rein digitalen Effekte können aus budgetären Gründen kaum überzeugen.

                                          Bennie Diez versteht also die Konzepte, Strukturen und Mechanismen des Genres Tierhorror und in all den Aspekten liefert Stung zweifellos ab, aber für einen deutschen Genrefilm ist er seltsam „undeutsch“ geraten, denn streng genommen passiert nichts anderes als die vollständige Überführung sämtlicher Amerikanismen ganz ähnlicher Filme. Gäbe es nicht eine winzige Szene im Film, dann würde nichts weiter darauf hinweisen, dass Stung ein deutscher Film ist: in Brandenburg wurde zwar gedreht, die Handlung aber in die USA verlegt, bis auf wenige Statisten sind alle Schauspieler Amerikaner und in englischer Sprache gedreht wurde er auch. Im Grunde macht Diez damit nicht viel falsch, denn das Konzept funktioniert ja durchaus, aber man nimmt Stung so auch die Möglichkeit, eigenständiges deutsches Horrorkino zu sein. Das Potential dazu ist auf jeden Fall gegeben, aber vielleicht mangelte es den Machern letztlich doch am Mut zur konkreteren Eigenständigkeit, die Strukturen des Genres in die hiesige Filmkultur zu übertragen. Nichtsdestotrotz macht Stung Spaß und er ist auch kein schlechter Film, er hat nur einen nicht unbeträchtlichen Teil des ihm inne wohnenden Potentials nicht genutzt. Aus welchen Gründen letztlich auch immer.

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                                          • Da ich irgendwann angefangen habe, jeden Neuzugang zu archivieren (hauptsächlich um Doppelkäufe in Zukunft zu vermeiden), weiß ich genau, dass es bei mir aktuell 1321 Filme sind. Und ja, Platz ist in der Tat ein Problem. Und nein, ich kaufe nicht wahllos, mein Geschmack ist lediglich recht weit gefächert :D

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                                            • 7 .5

                                              Mit seinem Regiedebüt Bone Tomahawk verknüpft der Schriftsteller, Drehbuchautor und Musiker S. Craig Zahler den klassischen Western mit handfesten Elementen des Horrorfilms. Diese Kombination ist gar nicht mal so selten, wie man auf den ersten Blick vielleicht vermuten würde, aber die wenigsten dieser Filme funktionieren auch wirklich gut. Zur Hochphase des Italo-Western wurde mit solchen und ähnlichen Versatzstücken gerne mal experimentiert und Filme wie Töte, Django (Se Sei Vivo Spara) von Giulio Questi oder Satan der Rache (E Dio disse a Caino…) von Antonio Margheriti entstammen dieser Zeit. Der australische Film Ravenous mit Guy Pearce und Robert Carlyle in den Hauptrollen hat mit Kannibalismus sogar das gleiche Thema wie Bone Tomahawk, auch wenn hier der Schwerpunkt etwas anders gelagert ist und das Grauen nicht der Wildnis entspringt, sondern der Zivilisation. Im erweiterten Kreis tummeln sich dann noch Filme wie John Carpenters Vampires oder Near Dark von Kathryn Bigelow, die sich als eindeutige Horrorfilme verstehen und lediglich mit Elementen des Western spielen.

                                              Bone Tomahawk ist über weite Strecken ein ganz klassischer Western und keineswegs der wilde Genremix, den man hinter seiner Story vielleicht erwarten würde. Zahler lässt sich sehr viel Zeit, etabliert und entwickelt in aller Ruhe erst einmal die Protagonisten seiner Geschichte und entfaltet das Setting. Der Hauptaugenmerk der Erzählung liegt ganz eindeutig auf der anstrengenden, entbehrungsreichen und gefährlichen Reise der vier Männer in das Gebiet der Troglodyten, die selbst von Indianern gemieden und gefürchtet werden. Ein geradezu typisches Thema also für klassische Western, die Entführung unschuldiger Kleinstadtbewohner durch vornehmlich indianische Wilde und die daran anknüpfende Reise einer Gruppe von Helden mit deren Rettung als Ziel, aber Zahler weiß gekonnt hier mit Versatzstücken zu spielen und immer wieder diese eigentlich doch recht starre Erzählstruktur aufzubrechen und abwechslungsreich zu gestalten.

                                              So bedient er beispielsweise oft einen etwas eigenwilligen Humor, der sich überwiegend in den Dialogen der Protagonisten niederschlägt, vor allem der von Richard Jenkins herrlich verkörperte Deputy namens Chicory weiß hier immer wieder irritierende Pointen zu setzen mit seiner zerstreuten und fahrigen Art. Auch der Rest der Gruppe setzt sich aus altbekannten Stereotypen des Westerngenre zusammen, der raue, aber gutmütige Sheriff Franklin Hunt, der liebende und zu allem entschlossene Ehemann in Form von Arthur O´Dwyer und letztlich der zynische und abgebrühte Revolverheld John Brooder. Das aber fällt kaum ins Gewicht oder stört, weil diese archetypischen Charaktere zum einen mit Kurt Russell, Patrick Wilson, Matthew Fox und Richard Jenkins gelungen besetzt sind und zum anderen die Interaktion und Dynamik innerhalb dieser Gruppe so manches Highlight setzen kann und mit lakonischem Humor zu unterhalten weiß.

                                              Zudem sorgen zahlreiche unliebsame Begegnungen und Hindernisse auf der beschwerlichen Reise in das abgelegene Gebiet der Troglodyten dafür, dass Bone Tomahawk in dieser Phase trotz seiner langsamen und ausladenden Erzählweise nie langweilig wird. So sind dann auch rund drei Viertel des Filmes bereits verstrichen, bis die Männer erstmals in feindliches Gebiet vordringen und auf die kannibalischen Höhlenbewohner treffen. Dann aber ziehen sowohl das Tempo als auch der Grad der Härte drastisch an und die letzte halbe Stunde liefert Gewalteskapade um Gewalteskapade, so grimmig und brutal, dass es beinahe schon deplatziert wirkt. Plötzlich wirft Bone Tomahawk sämtliche Langsamkeit über Bord und schafft es zu einem rasanten Spektakel aus Blut, Innereien und abgetrennten Gliedmaßen zu mutieren und das mit reichlich expliziter Gewalt versehene Finale wird zu einem brachialen und mitreißenden Kampf ums nackte Überleben, so kompromisslos wie erbarmungslos. Eine etwas rasantere Erzählweise und die eine oder andere Straffung im Mittelteil hätten dem Film vielleicht ganz gut getan, hätte man so doch noch etwas mehr Potential aus dieser Idee pressen können, dennoch wird es nie wirklich langweilig und so gewinnt das brachiale Finale deutlich an Wucht und Wirkung.

                                              Bone Tomahawk ist lange Zeit ein langsam erzählter und durch und durch klassisch inszenierter Western voller archetypischer, aber keineswegs flacher oder eindimensionaler Charaktere, der erst im letzten Viertel kippt und sein eigentliches, blutbesudeltes Gesicht zeigt. Dann erst geht es ans Eingemachte, das aber dafür umso drastischer, das Warten und Ausharren zahlt sich spätestens im Finale auch für den Splatter affinen Filmfreund aus. Bis dahin funktioniert Bone Tomahawk auch als Western sehr gut und weiß sich punktuell durchaus auch abzuheben. Am Ende ensteht eine kleine Genreperle, behäbig wie gleichermaßen räudig und dreckig, irgendwo zwischen dem klassischen Westernkino eines John Ford und dem hinterhältigen Terrorkino eines Wes Craven. Der Schwarze Falke (The Searchers) trifft auf The Hills Have Eyes, wenn man so will. Ich kann es kaum erwarten, Zahlers neuen Film Brawl in Cell Block 99 zu sehen, weil ich den Mann zusammen mit Jeremy Saulnier für einen der größten Hoffnungsträger des amerikanischen Genre-Kinos halte.

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                                              • 10

                                                Witzig UND klug. Eine ausgesprochen seltene Kombination. Ich liebe diesen Film.

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                                                • 6 .5

                                                  „We all create a narrative based on what we think is important.We see what we want to see. But just because you’re not looking at something… doesn’t mean it’s not there.“

                                                  Schon mit der allerersten Einblendung zu Beginn von Imperium etabliert Regisseur Daniel Ragussis das zentrale Motiv seines Filmes, wenn er ein nachträglich Hitler zugeordnetes Zitat einblendet und so die manipulative Macht des gesprochenen Wortes in den Mittelpunkt rückt. Words build bridges into unexplored regions. Das ist ein interessanter Ansatz, der immer wieder im Film auftaucht und auch die Neonazi-Szene als Objekt der Infiltration gibt einiges her. Darüber hinaus ist zwar Imperium handwerklich gelungen, stilistisch aber eher Mittelmaß und arbeitet sich Punkt für Punkt durch die Checkliste für den Undercover-Thriller. Neues kann Ragussis dem Genre nicht hinzufügen und abgesehen von seinem Milieu kann sich sein Film kaum bis gar nicht von anderen Vertretern dieser Disziplin abheben.

                                                  Imperium ist sehr langsam und zurückhaltend inszeniert, verlässt sich überwiegend auf seine Atmosphäre und rückt lieber seine Hauptfigur und deren schwierigen Spagat zwischen zweier grundlegend verschiedener Welten in den Vordergrund, statt auf Action oder Gewalt zu setzen. Besonders hervorzuheben ist in meinen Augen neben der sehr guten darstellerischen Leistung von Daniel Radcliffe, der sich mehr und mehr von seiner Rolle des Harry Potter frei zu spielen scheint, vor allem die sehr differenzierte Betrachtung und Ausleuchtung der Neonazi-Szene. Weder wird hier Schwarz/Weiß-Malerei betrieben noch einfach nur blindlings dämonisiert, sondern vielmehr auf Zwischentöne gesetzt, um ein recht differenziertes Bild zu zeichnen. Nate trifft auf seinem Weg immer tiefer in diese ausgesprochen misstrauische Szene bei weitem nicht nur auf debile wie stumpfe Schlägertypen, die einem gemischtrassigen Paar am liebsten gleich an Ort und Stelle die Zähne ausschlagen würden statt auch nur eine Sekunde lang nachzudenken.

                                                  Natürlich ist die Idee nicht neu, dass die eigentliche Gefahr viel mehr aus der bürgerlichen Mitte kommt, dass der integrierte wie anerkannte Anzugträger als geistiger Brandstifter und charismatischer Rattenfänger gefährlicher ist als der hohle und orientierungslose Springerstiefelträger, aber Imperium macht das gelungen nochmals deutlich. Beim vegetarischen Barbecue wird da inmitten biederster und spießigster Vorstadtkulisse fleißig networking betrieben und Cupcakes mit Hakenkreuzen gibt es auch. Da werden schon die Kinder auf den bevorstehenden Rassenkrieg vorbereitet, aus ethnischer Diversität wird im Handumdrehen der Genozid an der „weißen Rasse“ und zionistische Verschwörungen werden an jeder Ecke vermutet und gehören bekämpft.

                                                  Letztlich ist Imperium ein solider Beitrag zu den bereits unzähligen Undercover-Thrillern dieser Welt, welcher seinem Genre zwar nichts neues hinzufügen kann oder gar herausragt, seine Materie aber sehr wohl verstanden hat. Das Setting selbst ist angenehm unverbraucht und bietet genug Tiefe, um spannend zu bleiben, wird ungewöhnlich differenziert betrachtet und Daniel Radcliffe verkörpert seine Figur des Undercover-Agenten einnehmend und überzeugend. Nennenswerte Höhen und Tiefen gibt es hier ebenso wenig wie Anlässe zu Jubelarien oder Verrisse

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                                                  • 7

                                                    Eastwoods zweite Regiearbeit orientiert sich stilistisch ganz eindeutig viel mehr am Italowestern als am klassisch amerikanischen Western. Der wortkarge "Held", der ätzende Zynismus, die fragwürdige Moral, die schmutzige Gewalt und die oft karge Inszenierung, all das findet sich hier wieder. Ein Fremder ohne Namen reitet in die Stadt Lago ein und der Totengräber bekommt viel Arbeit, aber erst nach und nach offenbaren sich seine wahren Motive. Einen Revolverhelden brauchen sie, also werden auch all die Demütigungen ertragen. Ein bizarres Spiel wird daraus. Ein sich gegeneinader Aufhetzen. Die schlimmste Geißel ist die selbst auferlegte. Eastwood variiert nur seine Figur aus den Leone-Klassikern, legt sie aber auch deutlich böser an. Das Frauenbild allerdings gehört zweifellos hinterfragt. Ein unbequemer Film, weil moralisch doch oft sehr grenzwertig.

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