Mattscheibenvorfall - Kommentare

Alle Kommentare von Mattscheibenvorfall

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    Mattscheibenvorfall 03.06.2018, 21:50 Geändert 03.06.2018, 21:52

    Nach What Happened to Monday bekam ich nun mit Suburbicon zum zweiten Mal in relativ kurzer Zeit einen Film zu sehen, der deutlich hinter seinen Möglichkeiten zurück bleibt und sein Potential nicht wirklich voll zu entfalten vermag. Das Drehbuch stammt von den Coen-Brüdern, die Regie hingegen von George Clooney, und beides spürt der aufmerksame Betrachter deutlich. Suburbicon etabliert zwei separate Handlungsstränge, welche nie wirklich zueinander finden. Schlimmer noch: der Teil des Rassismus-Dramas ist nie mehr als ein bloßes Plot-Vehikel, hat keine Tiefe, entwickelt keine Relevanz und der Film macht buchstäblich nichts damit. NICHTS! Außer dem Krimi-Plot an einem bestimmten Punkt ein Hintertürchen zu öffnen.

    Letztlich sagt mir Suburbicon kaum mehr als: guck mal, hinter den gepflegten wie spießigen Fassaden der Vorstadt, hinter den akkuraten Vorgärten und weißen Gartenzäunen, da lauert auch das Grauen in Form menschlicher Abgründe. Danke, aber das ist mir keineswegs neu und wurde in anderen Filmen schon deutlich besser umgesetzt. Coen-Brüder light ist das, was mich sogar ein wenig ärgert, sehe ich doch das Potential dahinter, aber irgendwie fehlt es an Stringenz und vor allem an Bissigkeit, um wirklich eine Aussage zu treffen. Darstellerisch ist das zwar solide, aber gerade Matt Damon und Julianne Moore sind schon sehr gefangen in der Eindimensionalität ihrer Figuren. Einzig Oscar Isaac ragt hier heraus: zwar ist seine screen time sehr begrenzt, aber seine wenigen Szenen sind das beste am ganzen Film. Mit Abstand.

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      Mattscheibenvorfall 21.05.2018, 19:36 Geändert 21.05.2018, 21:48

      "Do not look back. That was my mistake. You can not live in the past. You have got to put it away and move forward. Life is a gift. Do not waste it like I did."

      Zwar ist Late Phases durch und durch Genre-Film, aber der spanische Regisseur Adrián García Bogliano verliert seine Hauptfigur des Ambrose McKinley niemals aus dem Fokus und erzählt vielmehr sein persönliches Drama vor dem Hintergrund eines sein Unwesen treibenden Werwolfes. Schon in seinem Film Here Comes the Devil (2012) verstand Bogliano es hervorragend, Elemente aus Drama und Horror gekonnt miteinander zu verschmelzen. So steht das Geheimnis rund um die Kreatur und deren Herkunft eher an zweiter Stelle und wird auch nicht allzu lange aufrechterhalten, wenn die ausgesprochen sorgfältige wie feinfühlige Entwicklung der Hauptfigur tonal deutlich dominiert.

      Trotz eines gewissen Humors nimmt Bogliano das Thema seines Filmes angenehm ernst. Ungeachtet der Kraft, mit der die Geschichte von Ambrose McKinley erzählt wird, drängt der Werwolf spätestens in der zweiten Filmhälfte in das Geschehen. Zu diesem Zeitpunkt interessiert zumindest den Zuschauer das Schicksal des Ambrose McKinley wesentlich stärker als die Suche und Jagd nach der pelzigen Bestie. Bogliano erzählt mit Late Phases, was ihm wichtig ist zu erzählen, ohne dabei Rücksicht auf etwaige wie auch immer geartete Bedürfnisse des Publikums zu nehmen. So ist auch der Werwolf selbst ambivalent genug geschrieben, um nicht bloß zum reinen Vehikel für den Plot zu verkommen, sondern auch einen erzählerischen Mehrwert bietet. Letztlich begegnen sich hier zwei Männer am Ende ihres Lebensweges. Ein solches Selbstbewusstsein ist sehr erfrischend und würde ich mir gerade im Bereich des Genrekinos gern öfter wünschen.

      Und dann ist da noch Nick Damici! Der Mann steht nicht oft vor der Kamera, hinterlässt aber nahezu immer bleibende Eindrücke. Vor allem die Vampirfilme Stake Land (2010) und The Stakelander (2016) sind mir da mehr als gut in Erinnerung geblieben, werden sie doch in ihrer eher spartanischen Inszenierung nahezu vollkommen von Damici getragen. Und wie er nun in Late Phases den blinden Kriegsveteranen spielt, mürrisch, grimmig, zynisch, etwas grob und wenig umgänglich, aber geradlinig und mit dem Herz auf der Zunge, das ist erneut sehr beeindruckend. Es braucht kaum mehr als wenige Minuten, dass Damici buchstäblich zu Ambrose McKinley wird, beinahe so, als sei er selbst blind. Seine wundervoll einnehmende Performance macht die Kreatur schnell vergessen, so dass man den Werwolf bald nicht mehr vermisst, obwohl sein erster Auftritt recht früh im Film erfolgt. Da ist man dann auch nur zu gern Zeuge seiner Vorbereitungen für den nächsten Vollmond, welche einen nicht unbeträchtlichen Teil der Laufzeit ausmachen.

      Das Creature Design ist zwar überwiegend handgemacht und besteht aus praktischen Effekten, Masken und Kunstblut, sieht aber leider auch meist nicht besonders gut aus und wirkt zuweilen gar lächerlich und haarsträubend. Aber auch das kann mir kaum den Spaß und die Freude an Late Phases nehmen, denn dafür hat der Film einfach zu viel zu bieten: die dichte, treibende Atmosphäre, das gelungene erzählerische Tempo, die feine Figurenzeichnung, das starke Schauspiel und der wunderbare Score des Polen Wojciech Golczewski, auf den ich noch gar nicht eingegangen bin – das alles ist mehr als nur gut geraten und für einen Genre-Film mit entsprechendem Budget höchstes Niveau. Zurückhaltend erzählt ist das alles, im kleinen Rahmen gehalten, immer ganz nah an Ambrose McKinley dran und Charakter getrieben. Ein starker Film, der eindrucksvoll unter Beweis stellt, dass auch kleine Genre-Filme große Geschichten erzählen können.

      Mein Dank für diese feine Empfehlung an FrancisYorkMorgan

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        Mattscheibenvorfall 19.05.2018, 21:32 Geändert 20.05.2018, 01:14
        über Cargo

        Der Schrecken in Cargo spielt sich ausschließlich im kleinen Rahmen ab, im Stillen, im Persönlichen. Das große Endzeit-Szenario, das findet an anderer Stelle statt, aber nicht hier, im endlosen australischen Outback unter sengender Sonne, inmitten staubtrockener Hitze und verrottenden Körpern. Lediglich 48 Stunden bleiben Andy noch, um seine kleine Tochter Rosie in Sicherheit zu bringen. 48 Stunden, mehr nicht, um einen letzten Rest Menschlichkeit angesichts seines Schicksals zu bewahren, immer in der verzweifelten Hoffnung, seiner Tochter würde es dann vielleicht besser ergehen als ihm.

        Ben Howling und Yolanda Ramke setzen den Zuschauer mir ihrem Erstlingswerk Cargo von Beginn an vor vollendete Tatsachen und werfen ihn mitten ins Geschehen, wenn bereits die erste Einstellung Andy und seine Frau Kay zusammen mit Töchterchen Rosie auf einem Hausboot irgendwo mitten im tiefsten Outback zeigt. Die eigentliche Katastrophe passiert vermutlich gerade eben oder ist gerade eben passiert, aber das wissen wir nicht. Wir wissen nichts, was Andy und Kay nicht auch wissen, sehen nichts, was sie nicht auch sehen. Was genau passiert ist, was mit dem Rest der Welt ist oder nur der nächsten Stadt – wir wissen es nicht. Auch der Ursprung dieser Katastrophe wird zu keinem Zeitpunkt auch nur angeschnitten, geschweige denn geklärt. Alles, was wir kriegen, sind winzig kleine Hinweise, Schlagwörtern gleich immer mal eingeworfen: eine Infektion, übertragen durch Bisse, an Zombies erinnernde Kreaturen, ein Erste Hilfe-Selbstmord-Kit, eine Uhr mit 48 Stunden Laufzeit.

        Das mag der eine oder andere jetzt vielleicht als Kritikpunkt sehen, mir aber gefällt das immer sehr, wenn es einem Film gelingt, die große Katastrophe in den Hintergrund zu verbannen und sich stattdessen seinen Figuren auf kleinem Raum anzunehmen. Denn für die Geschichte, welche Cargo erzählen will, dafür sind die Hintergründe vollkommen egal. Ähnlich wie die beiden ebenfalls australischen Endzeitfilme The Road und The Rover erzählt Cargo lieber von Liebe, Schmerz und Verlust, statt große Schauwerte abzufeiern. Dafür interessiert sich der Film nicht, wohl aber für eine oftmals etwas unterrepräsentierte Minderheit, wenn Howling und Ramke auch immer wieder die Aborigines in den Fokus rücken. Spannend ist in diesem Kontext die Figur des Vic, ein grober Rassist, der die Ureinwohner Australiens ebenso sehr verachtet wie die Kreaturen, welcher als Sinnbild für die Jahrhunderte andauernde Unterdrückung und Ausbeutung der Aborigines durch die europäischen Einwanderer gesehen werden kann.

        Nun jedoch, wo sich die Vorzeichen geändert haben, da ist es Vic, da ist es seine Kultur, die von der Auslöschung bedroht ist und ihrem Untergang entgegen geht, während sich die australischen Ureinwohner der Hoffnung auf einen Neuanfang hingeben können, im Einklang mit ihrer Kultur, ihrer Religion, ihrem Mystizismus und vor allem auch mit der Natur. Cargo erfindet das Rad nicht neu und läuft inszenatorisch vielleicht nicht immer ganz rund, kann aber ebenso mit einigen richtig guten Ideen glänzen und findet einen emotionalen Ton, der mir ausgesprochen zusagt. Ein kleiner Film mit schöner Prämisse und dem richtigen Blickwinkel auf seine Welt, der sich mehr seinen Figuren verschreibt als der rahmengebenden Katastrophe und der angenehm unaufgeregt ist in seiner Erzählstruktur, ruhig, zurückhaltend und auf seine Art sehr intim.

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          Mattscheibenvorfall 17.05.2018, 23:37 Geändert 17.05.2018, 23:42

          Nach blutrünstigen Nazi-Zombies und dem Hexen jagenden Geschwisterpaar Hänsel und Gretel präsentiert uns nun Norwegens heißester Genre-Import Tommy Wirkola mit What Happened to Monday? eine zumindest auf dem Papier sehr interessante Dystopie. Eine rigide Ein-Kind-Politik ist da der Dreh und Angelpunkt in einem Europa nicht allzu ferner Zukunft und der verzweifelte Versuch, den Bevölkerungsdruck zu mindern, und kombiniert mit dem Schicksal der Settman-Siebenlinge birgt das viel Potential.

          Das fragmentierte Ich. Individualität des Einzelnen versus Anpassung an gesellschaftliche Konventionen. Das Auflehnen gegen diese mehr oder weniger selbst auferlegte, innere Diktatur als fragiler Schutz vor der umfassenden äußeren Diktatur. Jede der sieben Schwestern will nicht immer nur Teil einer Fassade, ein Puzzlestück im Konglomerat der Karen Settman sein, sondern sich auch ausleben dürfen, ihre eigenen Erfahrungen machen und ihren eigenen Weg finden, weiß aber zugleich, dass darauf keine Hoffnung besteht.

          Leider reißt der Film diesen durchaus spannenden Konflikt lediglich oberflächlich an, statt sich tiefer gehend mit dessen Implikationen zu befassen, und stellt relativ zügig lieber diverse altbekannte Genre-Mechanismen in den erzählerischen Vordergrund. Die interessante Prämisse dieser Dystopie dahinter dient Wirkola bloß als Vehikel, um kaum mehr als einen handelsüblichen Actionthriller zu inszenieren. Technisch ist das alles dann nicht nur einwandfrei umgesetzt, sondern gewinnt dazu einen ganz besonderen Reiz nicht nur durch den visuellen Aspekt, wenn Noomi Rapace das auf der darstellerischen Ebene wirklich richtig gut macht und es schafft, jeder der sieben Settman-Schwestern punktuell und durchaus nuanciert in ihrem Spiel eigene Seiten zu zugestehen. Naturgemäß fallen diese Charakterisierungen eher flach aus, dennoch ist das beeindruckend zu sehen. Allerdings muss ich auch zugeben, dass ich mich schnell mehr damit beschäftigt habe, wie Szene XY inszeniert worden sein könnte, als dass mich die eigentliche Story hätte fesseln können.

          Insofern ist die Prämisse von What Happened to Monday? sehr interessant und voller erzählerischem Potential, welches der Film letztlich leider kaum zu nutzen weiß, wenn er stattdessen lieber schnell in altbekannte Plotmuster abgleitet und sich Genre-Strukturen hingibt. Ein wenig schade ist das schon, weil immer mal wieder aufblitzt, was für ein großartiger Film sich hier zwischen handelsüblichen Actionsequenzen versteckt. Und so bleibt am Ende für mich nur noch eine Frage: What happened to Glenn Close?

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          • 6 .5
            Mattscheibenvorfall 13.05.2018, 18:25 Geändert 13.05.2018, 23:43

            Schon diese lange Eröffnungssequenz konnte mich gleich packen. Dieses alte, rostige, schmutzige Schiff, der mächtige Bug, das seltsame Eigenleben allerlei Gerätschaften auf der Brücke, der unheimliche Maschinenraum, dazu dieser treibende, zerrende Score von Ivor Slaney. Überhaupt das gesamte Sounddesign ist im Film ziemlich toll. Mit der Exposition hält sich Regisseur Alvin Rakoff nicht lange auf und das die Handlung einleitende Katastrophenszenario erinnert mit Abstrichen an den drei Jahre älteren The Poseidon Adventure, ohne dessen Wirkung zu erzielen, spielt sich in Death Ship alles doch in einem deutlich kleineren Rahmen ab.

            Und ist das Kreuzfahrtschiff erst einmal untergegangen, dann taucht auch schon schnell das alte rostige Nazi-Schiff wieder am Horizont auf. Auch das Innenleben kann sich sehen lassen. Offensichtlich war das Budget seiner Zeit reichlich begrenzt, aber Rakoff und sein Team verstehen es recht geschickt, dieses dennoch effektiv zu nutzen. All die leeren, scheinbar endlos langen, niemals endenden Gänge und Flure, eng und dreckig, rostig und alt, die sich wie stählerne Gedärme durch das Schiff ziehen: das ist simpel gehalten und kostengünstig in Szene gesetzt, aber eben auch effektiv. Rakoff versteht es gut, das Schiff auf schlichte Art unheimlich einzufangen und in das richtige Licht zu rücken.

            Im Prinzip verlegt Death Ship das Motiv des Haunted House nur auf das offene Meer und behält dessen Strukturen und Mechanismen einfach bei. Insofern passiert auf der erzählerischen Ebene herzlich wenig Neues oder gar Modernes, aber was der Film erzählt, das macht er auf seine Art und Weise gut und spannend. So gibt es etwa zur Filmhälfte eine ziemlich tolle Montage-Sequenz, in der eine Dusche und literweise Kunstblut eine Rolle spielen. Die Atmosphäre ist dicht, zuweilen unheimlich, und Kameramann René Verzier gelingt es immer wieder, das alte Geisterschiff gelungen in einprägsamen Bildern einzufangen. Auch der Cast kann sich sehen lassen und ist mit Richard Crenna, George Kennedy und Nick Mancuso für seine Verhältnisse anständig besetzt. Letztlich holt Death Ship das Maximum aus seinem schmalen Budget heraus. Es ist kein großer Film, sicher auch kein unentdeckter Klassiker, kein vergessenes Glanzstück oder gar eine Perle, die unbedingt gesehen werden muss, aber es ist ein schöner, kleiner, altmodischer Gruselfilm. Und besser als das alberne Quasi-Remake Ghost Ship von 2002 ist er allemal.

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              Mattscheibenvorfall 13.05.2018, 15:37 Geändert 13.05.2018, 23:48

              "The only Golden Circle I want vexing me is the one my glass leaves behind on the table."

              Kingsman: The Secret Service kam 2015 für mich aus dem Nichts, schlug voll bei mir ein, wusste mich mit seiner launigen Inszenierung zu unterhalten und hat mir viel Spaß gemacht. Auf rotzfreche und gleichzeitig dennoch ungemein charmante Art und Weise vermischt Kingsman die Gewalt und die Anarchie aus Kick-Ass mit dem Witz und der Eleganz der alten James Bond-Filme und verpasst dem ganzen einen gehörigen Schuss The Avengers (Mit Schirm, Charme und Melone…. nicht der Marvel-Zirkus). Regisseur Matthew Vaughn gelingt hier eine nahezu perfekte Mischung aus Parodie und Hommage an eine Zeit, als Agentenfilme noch lustig und haarsträubend weit hergeholt sein durften und nicht todernst und bedeutungsschwanger sein mussten. Sein Film ist hemmungslos überdreht, aber nie respektlos seinen Vorlagen gegenüber, er ist voller absurder und bizarrer Einfälle, aber gleichzeitig auch herrlich selbstironisch und kommt mit einem fetten Augenzwinkern daher.

              Kingsman: The Golden Circle kann nun leider nichts mehr von all dem einlösen und ist in allen Belangen deutlich schwächer als sein Vorgänger. Es mangelt an Frische, an Vitalität, an Unberechenbarkeit, an Wucht. Matthew Vaughn hat den erzählerischen Schwung verloren, sein Film ist zu lang geraten, in seiner Inszenierung zu sehr over the top und das Timing stimmt auch oft nicht. Ein klassischer Fall von bigger is better, aber es funktioniert nicht, verliert schnell seinen Reiz und sieht auf der Effekt-Ebene oft wirklich nicht besonders gut aus. Der zweite Film bietet zwar etwa 20 Minuten mehr Laufzeit als noch sein Vorgänger, kann diese aber deutlich weniger gut ausfüllen, leidet vor allem im Mittelteil an Leerlauf und verliert sich etwas zu sehr in schrägen Geschmacklosigkeiten.

              Wo die Kingsman selbst noch als charmante, leicht parodistische Hommage an den klassischen britischen Agentenfilm durchgehen, da verkommt ihr amerikanisches Pendant, die Statesman, bloß noch zu einer Aneinanderreihung plumper Klischees, welche Schauspieler wie Pedro Pascal, Channing Tatum oder Jeff Bridges unterfordern und sinnlos verpulvern. Auch die von Julianne Moore gespielte Antagonistin Poppy Adams ist zwar reichlich exzentrisch, es fehlt ihr jedoch der durchgeknallte Charme eines Richmond Valentine aus dem Vorgänger. Dafür können immerhin Taron Egerton, Colin Firth und vor allem der von mir sehr geschätzte Mark Strong durchaus wieder überzeugen.

              Kingsman: The Golden Circle ist letztlich kaum mehr als eine leidlich unterhaltsame und weitestgehend verzichtbare Fortsetzung, welche ihrem gelungenen Vorgänger nichts von Relevanz hinzuzufügen vermag und in nahezu allen Aspekten im direkten Vergleich deutlich unterliegt. Schade, denn das filmische Potential ist in den Comics ja durchaus vorhanden.

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              • 6 .5

                The Hallow ist der erste Langfilm des irischen Regisseurs Corin Hardy und ist für ein Regiedebüt erstaunlich souverän und selbstbewusst in seiner Inszenierung ausgefallen, versehen mit einem guten Gespür für Tempo und Timing und Hardy hat sehr konkrete Vorstellungen von dem, was er ausdrücken will.

                Zwar ist die Handlung nahezu frei von Überraschungen und im Kontext des Genres relativ formelhaft, dafür aber weiß das frische Setting zu gefallen und die Atmosphäre ist angenehm dicht und düster. Lange spielt Hardy geschickt mit der Erwartungshaltung des Zuschauers und setzt für rund eine Stunde sehr routiniert auf das nur allzu bekannte Wechselspiel aus Spannung und Anspannung, nur um dann für das letzte Drittel die Spannungsschraube immer weiter anzuziehen, wenn sich ab einer wichtigen Schlüsselszene nicht nur das Tempo deutlich erhöht, sondern The Hallow auch die Wandlung vom stimmungsvollen Gruseler zum Creature-Horror vollzieht. Dass dieser Bruch nicht abrupt und spürbar irritierend erfolgt, verdankt der Film seinem Drehbuch, welches schon zuvor immer wieder gezielt Indizien setzt für die Dinge, die da wohl möglich noch folgen könnten.

                Zunächst scheint The Hallow den Konflikt zwischen der fortschrittlichen Zivilisation und den mythischen Überlieferungen von einst nachzuzeichnen, ein klassischer wie inzwischen arg überstrapazierter Plot, doch Hardy ist sich durchaus bewusst, das ein solch biederer Ansatz heutzutage eben nicht mehr ausreicht, und lenkt seinen Film im letzten Drittel geschickt in die Body Horror-Schiene, wenn es ihm gelingt, den sich immer weiter zuspitzenden Konflikt umzudrehen. Das Design der Kreaturen ist überwiegend hübsch altmodisch umgesetzt, weitestgehend handgemacht, kommt überwiegend ohne digitale Effekte aus und auch die Hintergründe dieser Wesen hinterlassen durchaus einen unangenehmen Beigeschmack. Passable darstellerische Leistungen und ein ganz wunderbar eingefangenes Naturpanorama erhöhen dann noch die Schauwerte von The Hallow, können jedoch über die erzählerischen Schwächen nicht hinwegtäuschen.

                Corin Hardy geht mit seinem Regiedebüt durchaus eigene Wege und hat gute Ideen, kann sich aber letztlich nicht von den genreüblichen wie formelhaften Erzählstrukturen lösen. Die Handlung ist weitestgehend vorhersehbar und die Figuren schablonenhaft eindimensional, aber das interessante und noch einigermaßen unverbrauchte Setting und eine dichte Atmosphäre garniert mit tollen Monstereffekten machen The Hallow dennoch sehenswert. Den nicht zu leugnenden Hauch Gesellschaftskritik hätte Hardy sich in einer solch diffusen Ausformulierung letztlich zwar sparen können, doch sein Gespür für Tempo, Timing und Atmosphäre lässt sich nicht abstreiten.

                7
                • 7

                  Der Cast, den der thailändische Regisseur Ekachai Uekrongtham hier für Skin Trade versammelt, ist für ein solches B-Movie mehr als nur ansehnlich. Hier treffen Dolph Lundgren, Tony Jaa, Ron Pearlman, Peter Weller und Michael Jai White aufeinander, ja, sogar mit Cary-Hiroyuki Tagawa gibt es ein, wenn auch nur sehr kurzes, Wiedersehen. Zudem hat Lundgren das Drehbuch geschrieben und den Film dazu noch produziert, man könnte also sagen, dass ihm Skin Trade persönlich wichtig war.

                  Der Film nimmt seine grundlegende Thematik durchaus ernst, das spürt man deutlich, und Lundgren will nach eigener Aussage sieben Jahre an dem Stoff gearbeitet haben. Letztlich aber kratzt Skin Trade allenfalls an der Oberfläche des Themas Menschenhandel und nutzt es lediglich, um eine Ausgangslage für die Rachestory zu schaffen, die sich dann entspinnt. Aber das ist nicht weiter schlimm, denn am Ende ist Skin Trade schließlich nicht mehr als ein reinrassiger Actionfilm im Geiste der 80er Jahre. Dennoch beschleicht einen zwischendurch immer mal wieder leise das Gefühl, der Film wäre gerne mehr als das, aber dafür verfolgt er sein Thema einfach nicht konsequent genug, was, wie gesagt, absolut in Ordnung ist, denn als Actioner funktioniert er durchaus gut.

                  Und die Action kann sich absolut sehen lassen und ist straff und zielgerichtet inszeniert. Die Kampfszenen und Verfolgungsjagden sind knackig und durchaus effektiv umgesetzt und mit der nötigen Härte gewürzt. Sicherlich meilenweit entfernt vom Genreprimus The Raid (wahlweise auch Teil 2), aber diesen Vergleich darf man gar nicht erst ziehen, diese Messlatte ist eine ganz andere Welt. Schön zu sehen, dass jeder Protagonist, sei es nun Lundgren, Jaa oder White, seinen Fight spendiert bekommt, und die geraten auch nicht unbedingt zu kurz, sind gut choreografiert und wissen zu unterhalten. White hätte etwas mehr Screentime verdient gehabt, aber bei drei solchen Hochkarätern in der Besetzung ist es etwas schwierig, da eine geeignete Balance zu installieren. Insbesondere der Kampf zwischen Lundgren und Jaa sticht da hervor, der ist sicherlich eines der Highlights in Skin Trade.

                  Als zweites Highlight unbedingt erwähnenswert ist eine mehr als nur ansehnliche Verfolgungsjagd zwischen Lundgren auf einem Motorrad auf den Straßen und Jaa zu Fuß parcourartig über die Dächer der Stadt. Leider fallen die Shootouts in ihrer Qualität durchgängig ab im Vergleich zu den Kampfszenen und wissen kaum zu begeistern. Auch der Showdown kommt etwas lasch daher, die actionreichen Höhepunkte des Films finden sich eindeutig im Mittelteil. Sehr erfreulich hingegen ist der für einen Film diese Größenordnung erstaunlich geringe CGI-Anteil und überhaupt wirkt Skin Trade eigentlich nie so richtig billig, alles ist ansehnlich in Szene gesetzt und das Budget von rund 9 Mio. Dollar wird äußerst effektiv ausgeschöpft. Da haben ähnliche Filme mit größerem Budget schon deutlich schlechter ausgesehen.

                  Am Ende ist Skin Trade ein handwerklich solider, routiniert umgesetzter und ein wenig formelhafter B-Actioner aus der zweiten Reihe, der für seine Nische überraschend hochwertig und ohne größere Schwächen daherkommt und mit knackiger Action und gelungener Besetzung glänzen kann. Die üblichen Logiklöcher und Filmfehler sind vorhanden, aber kaum erwähnenswert und in diesem Genre ohnehin meist nicht von Bedeutung. Durch seine straffe Inszenierung wird Skin Trade zu keiner Sekunde wirklich langweilig, das Tempo ist hoch, Längen gibt es hier keine und man wird durchgängig unterhalten. Alles in allem nicht herausragend, aber erfrischend solide bei all dem Schrott, der zuletzt gerne Mal in diesem Teil der Filmwelt veröffentlicht wurde und die Videotheken überschwemmt. Und das der Film seiner Thematik nicht gerecht werden kann…. naja, das hätte doch ohnehin niemand ernsthaft erwartet, oder? Am Ende bleibt die Erkenntnis: Onkel Dolph wird´s richten, so oder so.

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                  • Wow. Der Film ist sich selbst nicht einmal für die aller schlechtesten, albernsten und abgedroschensten Witze zu schade. Auf eine sehr, sehr schräge Art und Weise imponiert mir das...

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                    • 5 .5
                      Mattscheibenvorfall 07.05.2018, 18:55 Geändert 07.05.2018, 23:11

                      "Was jagen Sie denn so?" - "Alles, was wegläuft."

                      Huch! Da erwartet man Schlimmstes und was bekommt man? Ein solides B-Filmchen der frühen 80er, welches Genre-Afficionados wie mich durchaus zu unterhalten vermag. Regisseur John "Bud" Cardos (Mörderspinnen, 1977) klaut sich zwar munter durch die Genre-Filmgeschichte und bedient sich bei allerlei mal mehr, mal weniger bekannten Nischenvertretern, schafft es aber auch, genug Atmosphäre aufzubauen, um den geneigten Zuschauer über eine Laufzeit von rund 100 Minuten bei der Stange zu halten.

                      Sicher, die Effekte sind aus budgetären Limitierungen offensichtlich nicht immer die allerbesten, aber sie stehen auch gar nicht so sehr im Vordergrund wie die Stimmung, die sich mit dem Verlauf der Geschichte entwickelt. Die Story bietet zwar nichts sonderlich Neuartiges und ist mit allerlei Klischees behaftet, spult sich aber auch in einem recht annehmbaren Tempo ab und spielt ihr Mittlerer Westen/Hinterland-Setting gut aus, welches in brauchbaren Bildern eingefangen wird. Dazu ist der Film mit Wings Hauser, Bo Hopkins und Lee Montgomery in seiner Gewichtsklasse durchaus ansehnlich besetzt. Wer also gern mal in Genre-Untiefen watet und auch das unperfekte Kino zu schätzen weiß, der kann hier durchaus mal einen Blick riskieren.

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                        Mattscheibenvorfall 07.05.2018, 16:52 Geändert 07.05.2018, 21:59

                        Was anfangs noch schwungvollen Schrittes mit einem direkt an das Publikum gerichteten Kommentar seitens James McAvoy als leichtgängiges Gaunerstück daherkommt, das verzerrt Danny Boyle schon bald zu einem wilden, psychedelischen Trip, in dessen Verlauf die Grenzen zwischen Realität und Illusion schon bald zu verschwimmen beginnen, bis sie sich letztlich vollkommen auflösen. Wenn Trance auf der thematischen Ebene die Beschaffenheit unserer Realität und wie wir diese wahrnehmen hinterfragt und auf den Prüfstein stellt, dann ist der Film gar nicht so weit entfernt von Inception, wie man vielleicht glauben möchte. Während jedoch Christopher Nolan seine in immer tiefer liegende Traumebenen absteigenden Schachzüge sorgsam vorbereitet und sauber ausführt, damit der Zuschauer nie völlig den Überblick verliert und der Orientierungslosigkeit anheim fällt, kümmert sich Danny Boyle nicht im geringsten um die Etablierung einer solchen inneren Logik und lässt uns viel lieber immer tiefer in diesen Strudel aus Wahrheit, Lüge, Suggestion und Einbildung fallen.

                        Viel eher spürt man in jedem Moment die reine Lust am Fabulieren des waghalsigen Plots, der sich nicht eine Sekunde lang groß um eben erwähnte innere Logik schert und ganz eindeutig keinerlei Interesse an der geradezu mathematischen Präzision eines Inception hat. Bereits der Durchbruch der Vierten Wand gleich zu Beginn von Trance ist elementar bedeutsam, spricht doch McAvoy direkt in die Kamera und erzählt dem Zuschauer von berühmten, geraubten Kunstwerken. Eines davon ist ein Rembrandt, in dessen Bildmitte sich der Künstler selbst hinein gemalt hat, und dort sitzt er und sieht seinen Betrachter ebenso an wie uns Simon in diesem Moment. Diese Struktur wird zum Leitmotiv des Filmes und fortan geht es immer auch um die Frage: was sieht man, was nicht und welche Bedeutung misst man dem bei.

                        Trance ist ein vollkommenes Kunstprodukt und eine ganz klare Abkehr vom Alltagsrealismus. Nichts in diesem Film ist dem Zufall überlassen und alles immerzu einer schöpferischen Logik unterworfen, welche sich durch und durch der puren Ästhetik des digitalen Kinos verschrieben hat. Und diese reizt Danny Boyle auch bis an ihre Grenzen aus und erschafft ein geradezu psychedelisches Verwirrspiel um Sein und Schein, Trug und Wahrheit, einen surrealen wie elektrisierenden Heist-Thriller mit reichlich Anleihen an den Film Noir. Trance ist sicherlich nicht Boyles bester Film, aber er weiß sehr wohl um dessen Stärken und Schwächen, versteht diese gekonnt zu nutzen und erschafft so einen modernen, pulsierenden Reigen rund um Realität, Wahrnehmung und verschütteten Erinnerungen, welcher nicht dem Fehler erliegt, alles erklären zu wollen, aber gleichzeitig auch nie so verworren und undurchsichtig wird, dass man ihm nicht mehr folgen könnte.

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                          "Well god damn here’s an action picture like I’ve NEVER seen. This is a must see for ANY action fan and I am not fucking joking. I mean you don’t have to see Payback, you don’t have to see Die Hard with a Vengeance or any of these other movies I talk about but in god and mary’s sweet name of christ jesus, you OWE it to yourself and to the lord to see this chinese picture Hard Boiled."

                          Outlaw Vern

                          Mehr muss dazu dann auch gar nicht mehr gesagt werden...

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                            über Notwehr

                            Vorab muss ich erwähnen, wie sehr ich das stark von Bewegung geprägte Kino von John Woo verehre. Filme wie The Killer, Hard Boiled und vor allem Bullet in the Head gehören zu meinen absoluten Lieblingen und das ganze Genre des Heroic Bloodshed fasziniert mich bis heute ungebrochen. Selbst seine Ausflüge in Hollywood – insbesondere Hart Target und Broken Arrow - mag ich mal mehr und mal weniger.

                            Doch nun, nach der Sichtung von Manhunt, beschleicht mich stark das Gefühl, dass der Meister seinen Biss verloren hat, denn anders kann ich mir diesen allenfalls noch lauwarmen Aufguss einstiger Großtaten nicht erklären. Der Film wirkt in vielerlei Hinsicht aus der Zeit gefallen, ist aber auf der inszenatorischen und visuellen Ebene sehr modern aufgezogen: das beißt sich, denn Manhunt sieht einfach zu sauber aus, ja, geradezu steril, und hin und wieder wirkt das Ganze dann regelrecht billig. Die Story selbst ist auch kaum mehr als eine simple Variation altbekannter Motive: die Verfolgung eines Unschuldigen, der von allen Seiten bedroht wird und niemandem mehr vertrauen kann, aber gleichzeitig auch dazu gezwungen ist, die Flucht nach vorn anzutreten und sich selbst um die Aufklärung zu bemühen.

                            Eine Art The Fugitive mit mehr Action, welche für John Woo´s Verhältnisse allerdings sehr spärlich eingestreut wird und oft erstaunlich ungelenk und hölzern daher kommt. Die druckvolle, wuchtige Kinetik in seiner Inszenierung, das herausragende Merkmal von John Woo, wird hier beinahe nie erreicht. Alles in allem ein – LEIDER – ausgesprochen verzichtbarer Eintrag in einer langen Liste fantastischer Actionkracher.

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                              Auf Blue Ruin bin ich seiner Zeit nur zufällig aufmerksam geworden und ich muss sagen: der Film ist ein absoluter Geheimtipp in seinem Genre, ein bemerkenswerter Film, der einiges anders macht als ähnlich ausgerichtete Vertreter des Rachethrillers. Regisseur Jeremy Saulnier erzählt seine Geschichte sehr ruhig und unaufgeregt und legt Blue Ruin viel mehr als Drama denn als Thriller an. Sein Film kommt völlig ohne die sonst üblichen Klischees und Übertreibungen aus, was der Spannung aber überhaupt keinen Abbruch tut.

                              Eher das Gegenteil ist der Fall, denn Dwight ist ein ganz normaler Typ von der Straße, wie jeder von uns einer sein könnte, er ist kein Ex-Soldat oder Ex-Cop, kein abgebrühter oder harter Kerl, er hat keine Erfahrung mit Waffen oder mit Gewalt, ist niemand der das Kämpfen oder gar Töten mal gelernt hat. Dadurch ist die Distanz des Zuschauers zum Protagonisten viel geringer und ermöglicht mehr Identifikation mit der Hauptfigur. Dwight hat nicht wirklich auch nur einen Hauch von Ahnung, was er da eigentlich genau tut und vor allem wie er es tun sollte, er hat lediglich ein unbedingtes Ziel. Er wirkt planlos und handelt oft unbesonnen und impulsiv, manchmal regelrecht stümperhaft, manchmal instinktiv genau richtig, manchmal hat er einfach nur Glück.

                              Mit dem Umstand, dass Dwight eben kein Profi ist und auch nicht plötzlich zu einem solchen mutiert, wie es in vergleichbaren Filmen ja oft der Fall ist (man denke da nur an den zwar unterhaltsamen, in diesem Punkt aber auch wahnsinnig haarsträubenden Death Sentence mit Kevin Bacon), hält fast schon automatisch auch eine gehörige Portion schwarzer Humor Einzug in den Film, denn unser Held gerät mehr als einmal in geradezu absurd anmutende Situationen in denen gelegentlich sogar ein klein wenig Slapstick aufblitzt. Und während der jeweils sehr kurzen und pointierten Gewaltausbrüche schreckt Saulnier auch vor extrem blutigen Bildern nicht zurück, stellenweise war ich da tatsächlich etwas erstaunt angesichts des Grades der Gewalt, der einem hier gelegentlich kredenzt wird.

                              Erwähnen muss man auf jeden Fall noch die wirklich herausragende Leistung des zumindest mir bisher völlig unbekannten Macon Blair in der Hauptrolle. Wie er Dwight spielt, das ist zweifellos beeindruckend, lässt er doch unter der wortkargen und beinahe sprachlosen Oberfläche des menschenscheuen Außenseiters immer wieder eine enorme Charaktertiefe aufblitzen, manchmal nur mit einem Blick. Angst, Wut, Schmerz, all die Paletten dieser filmgewordenen Tour de Force beherrscht er absolut überzeugend, viele Worte braucht er nicht, um auszudrücken, was in ihm vorgeht. Das alles in Kombination mit der zurückhaltenden, aber formal dennoch herausragenden Inszenierung von Saulnier ergibt eine schnörkellose und auf das absolute Minimum reduzierte Filmperle, die vor allem dadurch herausragt, dass sie eben keine Klischees bedient. Blue Ruin ist ruhiges, wendungsreiches, blutiges wie visuell bestechendes Genre-Kino, welches eher von seiner ungewöhnlichen Inszenierung lebt als von der Action.

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                                Joa... irgendwie alles wie immer. Nach wie vor wird der ursprüngliche Plot marginal variiert und auch die Wackelkamera wird noch immer fleißig genutzt. Der Rhythmus der Schnitte ist vielleicht nicht immer ganz glücklich gesetzt, dafür sind die Settings für die Konfliktszenen gut gewählt (Athen, London, Las Vegas) und werden räumlich sinnvoll genutzt, auch wenn die Verfolgungssequenzen meist doch zu lang geraten sind. Auch gesellschaftlich relevante Themen (Sicherheit vs. persönliche Freiheit) werden oberflächlich angekratzt, aber eben auch nur das. Gut, erwarte ich von solch einem Film auch gar nicht anders. Alicia Vikander und Vincent Cassel können das Ganze noch ein wenig aufwerten. Unterm Strich wurde ich ganz gut unterhalten. War okay.

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                                  The Chaser (Chugyeogja) von Regisseur Hong-jin Na handelt in seiner ersten halben Stunde quasi als Prämisse bereits ab, wofür andere Filme zwei Stunden brauchen. Viele Crime-Thriller dieser Art enden mit dem Geständnis des Killers, nicht aber der südkoreanische Film The Chaser. Wo andere Filmemacher ihre Schlussnote setzen, da legt Na überhaupt erst richtig los und wandelt damit auf ausgesprochen interessanten erzählerischen Pfaden, entfesselt er seine zunehmend finsterer werdenden menschlichen Abgründe erst so richtig, wenn der Täter vermeintlich sicher hinter Schloß und Riegel sitzt.

                                  Dieses Geständnis eben nicht an den Schluss zu setzen, sondern zum Aufhänger und Ausgangspunkt für eine ungleich spannendere Geschichte zu machen, das zeugt von großartigem Handwerk in puncto Drehbuch und Spannungsbogen. Zudem bedarf es durchaus auch etwas an Mut, mit Joong-ho Eom einen Zuhälter zur treibenden Kraft des Filmes zu machen, der dazu zumindest anfangs noch nicht sonderlich sympathisch wirkt. Zwar wandelt sich dessen Verhalten im Laufe des Plots genre-gemäß deutlich hin zum Positiven, bis zum bitteren Schlusspunkt jedoch bleibt der Blick auf diese Figur ausgesprochen ambivalent und Na stilisiert ihn nie zum strahlenden Helden oder läuft Gefahr der Glorifizierung.

                                  Ihm gegenüber steht Young-min Jee als Serienkiller ohne jegliches Unrechtsbewusstsein und vollkommen ohne Empathie. Wie Jung-woo Ha diesen verkörpert, das kann einem echt unter die Haut gehen. Er ist absolut unberechenbar in seinen Aussagen und Reaktionen, ist eben noch der freundliche Nachbar von nebenan und im nächsten Moment ein abscheuliches Monster. Wenn er auf dem Polizeirevier im Verhör detailliert schildert, wie er seine Opfer fachgerecht zerlegt und entsorgt, dann geschieht das mit einer kaum zu fassenden Selbstverständlichkeit, als würden Kochrezepte ausgetauscht werden.

                                  Überhaupt verbringt der Film nicht unähnlich dem ebenfalls aus Südkorea stammenden Thriller Memories of Murder (Salinui chueok, 2003) von Joon-ho Bong relativ viel Zeit auf dem Polizeirevier und prangert unfähige Polizisten, Ermittlungspannen, willkürliche Polizeigewalt und eine festgefahrene Justiz an, wenn das alles in Kombination mit Glück und Zufall Young-min immer wieder zu Gute kommt und hilft, denn der ist alles andere als sonderlich intelligent und macht Fehler zuhauf. Auch Joong-ho hat Glück bei der Suche nach seinen Mädchen, kann aber auch Hartnäckigkeit und Akribie in die Waagschale werfen.

                                  Die atemlose Jagd kulminiert dann in einem meisterhaft inszenierten und regelrecht schweißtreibendem, emotional anstrengendem letzten Drittel, in welchem Na nochmals gewaltig an der Spannungsschraube dreht und schließlich Young-min auf Joong-ho treffen lässt. Alles mündet in einem brachialen und rohen Schlusskampf, weit entfernt von hübsch choreografierten Szenen und ist vielmehr dreckig, unangenehm und schmerzhaft anzusehen. Erlösung gibt es keine, nur Schmerz, Wut und Trauer. Die letzte Einstellung ist sehr bezeichnend, wenn Joong-ho müde, erschöpft, blutüberströmt und am Ende seiner Kräfte auf einem Stuhl am Krankenhausbett der kleinen Eun-ji einfach in sich zusammen sinkt.

                                  Wenn man bedenkt, das The Chaser die erste Regiearbeit von Hong-jin Na war, dann fällt es noch schwerer zu glauben, wie selbstbewusst und smart er seinen Film inszeniert und sich vielmehr auf die Stärken des Drehbuchs, die hervorragend geschriebenen Figuren sowie starke Dialoge verlässt als auf plumpe Action und lautes Spektakel. Darüberhinaus sieht The Chaser auf der visuellen Ebene geradezu unverschämt gut aus und versteht es gekonnt, diese eine lange Nacht in den Vororten von Seoul in einprägsame Bilder zu überführen. Solche Erstlingswerke würde ich nur zu gern öfter sehen.

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                                  • Herrlich! Werde ich fortan befolgen, deine Gebote. Vielleicht nicht wortwörtlich, doch aber in ihrem Kern. Auch wenn ich nun fortan meinen Schimpansen zu Hause lassen muss... er wird es verstehen...

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                                      Ein nominelles und allenfalls sehr loses, höchstens noch dem Namen nach Remake eines der großen Autorenfilme der 1990er Jahre mit Nicolas Cage in der Hauptrolle? Kaum etwas hätte wohl im Filmjahr 2009 mehr mit einem müden Gähnen rechnen dürfen als The Bad Lieutenant: Port of Call – New Orleans. Säße da nicht ein gewisser Werner Herzog auf dem Regiestuhl, der sich dem Film von Abel Ferrara gegenüber absolut nicht verpflichtet sieht und lediglich eine zwar ähnliche Geschichte erzählt, jedoch einen gänzlich anderen Verlauf dafür wählt und sich vor allem tonal deutlich abhebt. Wo der Film von 1992 eine schwer deprimierend düstere Stimmung aufweist, da kommt der von Werner Herzog geradezu surreal und beinahe schon märchenhaft lynchesk daher und hat nur sehr wenig gemein mit Ferraras katholischer Meditation über Schuld und Sühne. Stattdessen folgt Port of Call – New Orleans einer anderen Perspektive und erzählt seine Geschichte vor allem wertfrei und losgelöst von moralischen Konnotationen: so widerwärtig die Taten von Terence McDonagh stellenweise auch sein mögen, Herzog bremst die dem inne wohnende Tragik immer wieder geschickt zu Gunsten eines verschmitztem Augenzwinkern aus.

                                      Ferrara stellte seiner Zeit den Zuschauer schon gleich zu Beginn vor vollendete Tatsachen und präsentiert mit seinem Bad Lieutenant einen Protagonisten, dessen Weg von vornherein vollkommen klar ist. Weder eine sauber ausgearbeitete Erzählstruktur noch griffige Charakterisierungen kann man hier finden und stattdessen konfrontiert der Film seine Zuschauer gleich mit diesem dem Untergang geweihten Cop, welchen Harvey Keitel so eindrücklich wie abstoßend in einem wahren Kraftakt einer Tour de Force spielt. Nackt, schnaufend, fickend, koksend, halluzinierend, wichsend, saufend, heulend, zitternd, fixend, zockend. Am Rande des totalen Zusammenbruchs und darüber hinaus. Aber wie er der geworden ist, der er ist, das interessiert Ferrara nicht weiter, genauso wenig wie die üblichen Methoden, dem Zuschauer einen ambivalenten Charakter sympathisch zu machen. Er heftet sich viel lieber unmittelbar an die Fersen seiner Titelfigur, überlässt ihr die Struktur, bleibt erzählerisch eher episodisch und hält auch in den privatesten, peinlichsten und schmerzhaftesten Momenten noch gnadenlos drauf.

                                      Werner Herzog beschreitet da dann doch andere Wege, ist sein Bad Lieutenant zwar kaum weniger ein ziemliches Arschloch, verleiht er seinem Film innerhalb des Genres jedoch einen gewissen Exoten-Status, lässt er ihn doch immer wieder ins surreal überhöht Märchenhafte abkippen, überführt geschickt wachsende Anspannung ins Groteske und lässt Alligatoren, Leguane und break dancende Seelen erschossener Gangster den eigentlich grimmigen Ton aufbrechen. Port of Call – New Orleans ist letztlich der rundere Film und weniger stachelig und giftig als der von Ferrara, ist vielleicht leichter zu konsumieren und entlässt mich immer etwas versöhnlicher als der von 1992. Beschwingt wäre wohl übertrieben, aber ich habe nach diesen rund zwei Stunden jedenfalls eher weniger das Gefühl duschen zu wollen und fühle mich nicht immer so mies wie nach Ferraras hässlicher Abwärtsspirale, geht diese doch unter die Haut und an die Substanz und reißt einen mit in diesen gierigen Schlund aus Schmutz, Ekel, Wahnsinn und Exzess namens Bad Lieutenant.

                                      Und dann ist da noch ein vollkommen entfesselt und wild agierender Nicolas Cage in absoluter Höchstform. Ich finde ja, es ist oftmals ein leichtes, sich über sein überdrehtes Schauspiel lustig zu machen, doch verkennt man dadurch auch die ganz eigene Qualität, welche dem nämlich inne wohnt. Ich kann das meist nur feiern, wenn Cage vollkommen aufdreht und Filmen wie Raising Arizona, Wild at Heart, Face/Off und nun seinem Bad Lieutenant seinen ganz besonderen Stempel unnachahmlich aufdrückt. Und hier übertrifft er sich selbst, entwickelt eine ungeahnte Eigendynamik in seinem Spiel und liefert eine solch elektrisierende Performance ab, welche so vielleicht tatsächlich nur unter der Regie eines Werner Herzog möglich ist. Nicht erst seit Klaus Kinski wissen wir, dass unter seiner Anleitung schauspielerisches Talent nicht bloß ausgeschöpft wird, sondern vielmehr essentiell destilliert. Vielleicht hat Herzog den wahren Wert eines Nicolas Cage entdeckt und die pure Essenz eines der wohl eigenwilligsten Schauspieler der modernen Kinogeschichte freigelegt und für uns alle sichtbar gemacht.

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                                        Was 2011 mit Planet der Affen: Prevolution (Rise of the Planet of the Apes) begann, das findet nun sechs Jahre später mit Planet der Affen: Survival (War for the Planet of the Apes) seinen würdigen Abschluss und knüpft zugleich ganz zart eine Verbindung zum Originalfilm von 1968. Wer hätte gedacht, dass sich die Prequel-Trilogie mit zum besten entwickelt, was das moderne Blockbusterkino zu bieten hat? Denn letztlich zeigen die Filme, wie Kino mit großem Budget im Zeitalter von Franchise-Filmen, stetiger Reboots, Remakes und Pre- und Sequels eben auch funktionieren kann.

                                        Caesar ist älter geworden, sein Fell ergraut langsam und sein Glaube an eine friedliche Ko-Existenz zwischen Affen und Menschen ist einer stetig wachsenden Kriegsmüdigkeit gewichen. Sein stoisches wie unermüdliches Bestreben nach Frieden muss sich auch wegen persönlicher Verluste nun egoistischen Zielen unterordnen und auch Koba findet noch immer Widerhall in seinen Gedanken. Ein grandioser Dreiakter der Figurenentwicklung ist das, welchen die gesamte Trilogie etabliert und an dem auch Andy Serkis großen Anteil hat. Natürlich stammen die Protagonisten auf Seite der Affen aus dem Computer, doch man muss nur Caesar in die Augen schauen um Leid, Schmerz, Wut und Trauer in ihnen zu erkennen.

                                        Noch mehr als in den Filmen zuvor erzählt Regisseur Matt Reeves Survival als Gleichnis voller biblischer Motive: so ist das, was für die Menschheit die Apokalypse bedeutet für die Affen nicht weniger als ihr Exodus. Sie suchen nicht den Krieg gegen die Menschen, sondern vielmehr eine neue Heimat um in Ruhe und Frieden leben zu können. Caesar verhandelt für sein Volk, der Colonel bestraft mit Zwangsarbeit und Nahrungsentzug und lässt Affen kreuzigen und wird schlussendlich von einer Plage heimgesucht. Aber nicht alle narrativen Konstrukte entspringen biblischer Motive, auch diverse klassische Hollywood-Filme werden als visuelle und erzählerische Referenzpunkte angesteuert: egal, ob Die Brücke am Kwai, Wege zum Ruhm, Gesprengte Ketten, Schindlers Liste oder Apocalypse Now. Auch wenn dieser kleine Verweis durchaus auch etwas weniger plakativ hätte ausfallen können, (ich sag nur: Ape-ocalypse Now), channelt doch Woody Harrelson als McCullough seinen inneren Marlon Brando und wandelt auf den Spuren eines dem Wahnsinn anheim gefallenen Colonel Kurtz.

                                        Holocaust und Vietnamkrieg sind ganz offensichtlich thematisch angeschnitten und schwere Brocken, aber obwohl Bildsprache und Metaphern eher weniger subtil ausfallen, verhebt sich Matt Reeves damit keineswegs und lädt den auch so schon düsteren Handlungsbogen nur noch weiter mit Leid und Elend auf. Dazu passt auch ganz hervorragend, dass Survival sehr ruhig erzählt ist und größere Actionsequenzen eher punktuell, dafür aber umso effektiver eingesetzt werden. Über weite Strecken ist der erzählerische Ton noch düsterer als in Revolution, und sogar die Gags des Comic relief-artigen Sidekicks Bad Ape wirken auf mich eher weniger lächerlich und deplatziert, sondern vielmehr wie kleine Entlastungen bei all der Ernsthaftigkeit. Survival sieht sich eher als Drama mit Actionelementen statt als Kriegsactioner, nur kurz vor der Ziellinie wird er einen Hauch zu aufgesetzt melodramatisch, doch das kann ich problemlos verzeihen, sind doch die voran gehenden 130 Minuten einfach zu gelungen.

                                        Survival ist zwar nicht der stärkste Film der Reihe, wohl aber der würdige Abschluss einer grandiosen Trilogie. Besonders angenehm finde ich, dass Caesars Geschichte nicht nur über drei Filme hinweg hervorragend entwickelt, sondern dass sie tatsächlich auch auserzählt wird. Matt Reeves zweiter Film zur Reihe nach Revolution ist der wohl düsterste und bedrückendste Teil, der zudem erstaunlich zurückhaltend erzählt wird. Am Ende wird zwar etwas zu dick aufgetragen und Survival hat auch kleinere Momente des Leerlaufs und hätte durchaus 15 bis 20 Minuten kürzer ausfallen können, ist aber insgesamt ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie man ein Blockbuster-Budget eben auch verwenden kann.

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                                          Mattscheibenvorfall 15.04.2018, 14:39 Geändert 15.04.2018, 15:07

                                          Könnte Spoiler beinhalten!

                                          Flucht aus Absolom, Golden Eye, Die Maske des Zorro, Casino Royale… alle samt Filme des neuseeländischen Regisseurs Martin Campbell, welche ich auf ihre jeweilige Art sehr schätze. Nun also arbeitet er nach Golden Eye erneut mit Pierce Brosnan zusammen und inszeniert mit The Foreigner einen solide wie routiniert umgesetzten Film an der Grenze zwischen Rache –und Politthriller, dessen Plot uns zwar nichts gänzlich neues präsentieren kann und Themen und Motive variiert, welche wir schon oftmals haben sehen können, aber Campbell versteht sein Handwerk gut genug, um ein hübsches, zuweilen durchaus spannendes Katz –und Mausspiel zu entwerfen.

                                          Pierce Brosnan mag ich sehr und sehe ihn immer gerne, von Jackie Chan jedoch halte ich nicht allzu viel, dennoch muss man festhalten, dass er seine Rolle gut spielt und auch die emotionalen Elemente seiner von Verlust und Trauer geprägten Figur zu tragen vermag. Interessant fand ich vor allem die komplexen politischen Aspekte rund um die IRA, die Sinn Féin, die britische Regierung, der SO 15 und dem wahnsinnig fragilen Friedenspakt. Im Gegenzug weiß allerdings auch die wohldosierte Action zu überzeugen und Jackie Chan darf einige Male sein Können unter Beweis stellen und teilweise in Rambo-artiger Manier Gegner um Gegner außer Gefecht zu setzen. Auffällig dabei ist in meinen Augen der Umstand, dass er sie immer nur kampfunfähig macht und keinen von Hennessy´s Männern tötet. Lediglich die bewusst an dem für den Tod seiner Tochter verantwortlichen Anschlag beteiligten IRA-Mitglieder bringt er um, die einzige Frau der Terrorzelle jedoch lässt er auch am Leben. Der SO 15 hingegen zeigt an dieser Stelle deutlich weniger Gnade.

                                          Interessant fand ich auch den Gedanken, dass sowohl Liam Hennessy als auch Quan Ngoc Minh Männer der Gewalt sind, die dieses Leben jedoch hinter sich gelassen haben und nun durch äußere Umstände mit ihrer Vergangenheit konfrontiert werden und von eben jener vergangen geglaubten Gewalt wieder eingeholt werden. Unterm Strich ist The Foreigner ein solide inszenierter, stellenweise durchaus spannender und unterhaltsam geratener Thriller zwischen persönlicher Rache und undurchsichtiger Politik.

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                                          • Mattscheibenvorfall 15.04.2018, 11:37 Geändert 15.04.2018, 11:46

                                            Zunächst mal danke an alle, die sich hier in welcher Form auch immer beteiligt haben. Und vor allem auch danke an den mysteriösen Initiator des ganzen. Der kann sich gern mal melden, wenn er mag, würde mich schon interessieren ;)

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                                              Mattscheibenvorfall 14.04.2018, 15:10 Geändert 14.04.2018, 17:19

                                              Arachnophobia ist, der Name verrät es vielleicht schon, der ideale Film für Menschen, die Probleme mit den kleinen, achtbeinigen Krabblern haben. Aber auch diejenigen, bei denen das nicht der Fall ist, kommen hier voll auf ihre Kosten. Perfekt für Arachnophobiker und solche, die es werden wollen. Gänsehaut garantiert, wenn das große Krabbeln erst einmal losgeht. Regisseur Frank Marshall hat mit Arachnophobia sowas wie einen kleinen Klassiker des Tierhorrors geschaffen, der sich auf erfrischende Weise selbst nicht allzu ernst nimmt.

                                              Zusammen mit Steven Spielberg als ausführender Produzent, der im Hintergrund die Fäden zieht, und mit dem nötigen Fingerspitzengefühl ausgestattet, kredenzt uns Marshall schrecklich schöne Unterhaltung in Bestform, genau die richtige Mischung aus schräger Kleinstadtkomödie und fiesem Tierhorror. Gänzlich ohne die heute so üblichen und meist plumpen Schockeffekte und mit viel Liebe zum Detail inszeniert, spielt diese ausgesprochen unterhaltsame und kurzweilige Schauermär geschickt und effektiv mit unseren tiefsten Urängsten und schlimmsten Befürchtungen. So sind es dann bei weitem nicht nur die Spinnen, denen hier der Kampf angesagt wird, sondern vielmehr auch der Angst selbst, an welcher der Protagonist Dr. Jennings im Film ja auch leidet. Konfrontationstherapie, wenn man so will.

                                              Der Schlüssel zum Erfolg ist dann auch eben jene Liebe zum Detail, seien es nun die Spinnen selbst oder die herrlich schrulligen Charaktere, alles ist enorm liebevoll und präzise ausgearbeitet. Es fängt schon damit an, dass die Spinnen bis auf ganz wenige Ausnahmen im Finale und das Exemplar, das zertreten wird (irrtümlicherweise wird oft angenommen, diese Szene sei echt, ist sie aber keineswegs), allesamt echt sind. Echte Spinnen für den Dreh zu verwenden ist ungemein zuträglich für die ganze Atmosphäre des Films.

                                              Heute kämen die Heerscharen dieser achtbeinigen Armee vermutlich einfach aus dem Rechner, CGI-Spinnen an jeder Ecke, und ich bin mir sicher, dass das nicht einmal ansatzweise so gut funktionieren würde. So ist der Schrecken aber deutlich realer, geradezu greifbar, und ab der Mitte des Films sind sie dann ja auch überall… Spinnen unter Decken, Spinnen in Hosenbeinen, Spinnen in Hausschuhen, Spinnen im Lampenschirm, Spinnen unter der Dusche, Spinnen in der Toilette, Spinnen im Popcorn, Spinnen in Körperöffnungen… man ist einfach nirgendwo mehr sicher vor den kleinen Eindringlingen, egal, ob sie einzeln und in Großaufnahme auftreten oder als kleine Armee, Schrecken verbreiten sie überall.

                                              Arachnophobia ist ein rundum gelungener und ausgesprochen unterhaltsamer Horrortrip, gepflegter handgemachter Grusel statt aus der Konserve, erfrischend altmodisch und ohne billige Schockeffekte. Atmosphärisch dicht, aber locker inszeniert, lädt der Film auch immer wieder zum Schmunzeln ein und bietet die nahezu perfekte Balance aus Humor, Spannung und toller Effektarbeit. Die herrlich skurrilen Charaktere mit ihren Kleinstadtmarotten und glänzend aufgelegte Schauspieler wie Jeff Daniels, John Goodman und Julian Sands, die sichtlich Spaß bei den Dreharbeiten hatten, runden dieses Kleinod des Gänsehautkinos letztlich hervorragend ab. Wer diesem kurzweiligen Spaß bisher nicht ins Netz gegangen ist…. nur zu, wenn ihr euch traut….

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                                              • Mattscheibenvorfall 14.04.2018, 14:11 Geändert 14.04.2018, 15:45

                                                Al Pacino und Robert De Niro in Heat
                                                Al Pacino in Carlito´s Way
                                                Billy Bob Thornton in The Man Who Wasn´t There
                                                Bill Murray in Lost In Translation
                                                Paul Newman und Robert Redford in Butch Cassidy und Sundance Kid
                                                Robert Mitchum in Die Nacht des Jägers
                                                Orson Welles in Im Zeichen des Bösen
                                                Philip Seymour Hoffman in Before the Devil Knows You´re Dead

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                                                  Coen-Retrospektive #13: Burn After Reading

                                                  "I have a drinking problem? Fuck you! You're a Mormon. Compared to you we ALL have a drinking problem!"

                                                  Wenn die Coen-Brüder ihre Filme Intolerable Cruelty und The Ladykillers brauchten, um danach den alles verschlingenden No Country For Old Men verwirklichen zu können, dann bedurfte es vielleicht im Gegenzug Burn After Reading, um nach dem niederschmetternden Neo-Western den Kopf frei zu kriegen für A Serious Man. Wenn nämlich No Country For Old Men finster wie zutiefst ehrlich und A Serious Man voller Aufbruchstimmung und mit neuem Mut auf dieses seltsam eigenwillige Ding namens Leben blickt, da ist Burn After Reading vor allem eines: unangenehm zynisch.

                                                  Natürlich finden sich hier wieder alle bekannten Elemente aus dem Schaffen der Coens und auch Humor und Slapstick sind wieder zurück, dennoch beschleicht mich nun zum ersten Mal das leise Gefühl, dass die beiden Brüder vielleicht eine Spur zu routiniert ans Werk gehen. Manchmal wirkt Burn After Reading auf mich wie eine Fingerübung ohne Liebe. Jerry Lundegaard, Ed Crane oder auch Llewelyn Moss: immer begegneten die Coens ihren Figuren offen mit Empathie und Verständnis, so dumm, unüberlegt oder verantwortungslos ihre Taten auch waren. Immer waren sie auch so angelegt, dass man als Zuschauer verstehen konnte, was sie zu ihren Taten antrieb.

                                                  In Burn After Reading jedoch tummeln sich auffallend viele ausgesprochen unsympathische Figuren, deren Gedankenwelt sich meist um nichts weiter dreht als sie selbst. Selbstsucht als Alleinstellungsmerkmal unter vielen. Bis auf den unglücklich verliebten Ted Treffon kann ich niemandem aufrichtige Sympathie entgegen bringen, seine Rolle jedoch fällt denkbar begrenzt aus. Dennoch ist er der einzige im Film, der aufrichtig liebt, dem es tatsächlich um etwas geht, der zwischenmenschlichen Kontakt aufnehmen will. Oder es zumindest versucht, aber meist weder Gehör noch Beachtung findet, denn alle anderen haben nur sich selbst im Kopf ohne auch mal über den Tellerrand blicken zu können. Kann man sich darauf einlassen, dann ist Burn After Reading zweifellos ein unterhaltsamer Film und nicht ohne Witz und Tempo, aber er ist letzten Endes zumindest für mich auch eine sehr ätzende und bittere, eher wenig versöhnliche Betrachtung dieses Ameisenhaufens, den wir Leben nennen.

                                                  Zwar sind die schauspielerischen Leistungen auf hohem Niveau, so mancher Darsteller ist hübsch gegen den Strich besetzt und über die Auftritte von J.K. Simmons, David Rasche und Richard Jenkins habe ich mich gefreut, aber leider sind die Figuren selbst einfach viel zu unsympathisch geraten, als dass mich irgendjemandes Schicksal im Film ernsthaft berühren würde. Außer Ted. Bei soviel Zynismus mangelt es mir bei Burn After Reading tatsächlich ein wenig an Herz, dennoch ist das nunmehr dreizehnte Werk der Coen-Brüder bei weitem kein schlechter Film. Alle von ihnen über die Jahre hinweg etablierten Trademarks sind vorhanden, aber all das wirkt hier seltsam selbstzweckhaft. Wenn man die Ausrutscher Intolerable Cruelty und The Ladykillers mal ausklammert, dann ist Burn After Reading für mich ihr bisher schwächster Film.

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                                                    Dreimal habe ich Logan – The Wolverine im Kino gesehen und auch danach sollte mich der Film nicht loslassen, kehrten meine Gedanken doch immer wieder zu ihm zurück. Als er dann seinen Weg in mein Filmregal fand, da sah ich ihn wieder sehr oft in sehr kurzer Zeit. Und er wurde eher noch größer für mich anstatt kleiner zu werden in seiner Faszination. Da schlummert etwas grundlegend Universelles in diesen rund 137 Minuten, dem ich mich einfach nicht entziehen kann. Etwas Erhabenes, das über die gewöhnlichen filmischen Grenzen hinausgeht. Ich kann es nicht genau fassen oder gar Worte dafür finden, aber es ist da. Was ich weiß ist, dass mich Logan nach wie vor berührt. Und zwar auf eine Art und Weise, wie ich es bisher selten erlebt habe. Ich weiß, dieser Film wird für mich bleiben, er wird Bestand haben.

                                                    Nicht oft habe ich ein solches Gefühl, aber hin und wieder kommt das vor. Was neu ist für mich, das ist der Umstand, dass es mit Logan und mir so schnell ging. Meine Faszination war und ist nach wie vor ungebrochen und ich will nicht nur den Film, sondern auch meine Gedanken dazu in die Welt hinaus tragen. Dieses großartige Meisterwerk, welches er nämlich für mich ist. Logan ist so unendlich mehr als einfach nur eine weitere x-beliebige Comicverfilmung voller Superhelden, denn er ist vielmehr ein Film über Menschen. Menschen mit besonderen Fähigkeiten, ja, gebrochen, desillusioniert, traumatisiert und am Ende ihrer Kräfte, ja, aber letzten Endes sind es Menschen. Logan bedient viele Motive, ist zum Teil Roadmovie, zum Teil Western, aber immer vor allem Drama. Ein zwischenmenschliches Drama rund um Vergänglichkeit, Angst und Verlust. Dinge, die wir alle nur zu gut kennen. Es ist ein ehrlicher Film, der den Mut aufbringt, zu den grundlegenden Dingen zu stehen. Das macht ihn irgendwie unbequem, aber eben auch wunderschön.

                                                    Logan hat viele tolle Momente zu bieten, aber meine Lieblingsszene ist wohl das gemeinsame Abendessen auf der Farm der Munsons. Eine ganz wundervolle Szene, in der mit Leichtigkeit zugleich der Verlust von und das Verlangen nach Normalität zusammengebracht werden. Der Wunsch nach der Ruhe und dem Frieden eines normalen Lebens konfrontiert mit dem Wissen darum, dieses niemals haben zu können. Dennoch wird hier ein kurzes Durchatmen ermöglicht. Überhaupt sind es überwiegend die ruhigen Momente, dich mich am ehesten faszinieren an Logan, wohnt ihnen doch meist eine ganz eigene Dramatik inne. Es ist ein Film voller Widersprüche – altmodisch und doch modern zugleich inszeniert, gewalttätig und trotzdem zärtlich, voller Action aber auch immer dramatisch, spannend und dennoch voller Melancholie. Vielleicht ist es das, was mich so ungemein fasziniert und einfach nicht loslassen will, diese Widersprüchlichkeit. Letztlich liegt vielleicht genau dort die Schönheit von Logan, in seiner Zerrissenheit. Eine konkrete Antwort darauf habe ich nicht, aber dieses unbändige Gefühl der Zuneigung zu jeder Sekunde dieses Filmes, das ist da und wird vermutlich auch bleiben. Hugh Jackman bringt es im Making Of ganz wundervoll auf den Punkt: letztlich ist Logan für das Genre der Superheldenfilme das, was Clint Eastwoods The Unforgiven einst für den Western war: der ultimative Abgesang auf den Heldenmythos.

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