Mattscheibenvorfall - Kommentare

Alle Kommentare von Mattscheibenvorfall

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    über Darkman

    Darkman wirkt wie die Verfilmung eines Comics, aber es ist keine, denn die zugehörigen Hefte kamen erst nach dem Film. Es ist schon Ironie pur, das Regisseur Sam Raimi erst zwölf Jahre später mit dem Auftakt zu seiner Spiderman-Trilogie eine richtige Comicverfilmung in seinem Lebenslauf verzeichnen konnte, aber bereits Darkman verschmilzt gekonnt die Gesetzmäßigkeiten dieses Genre mit dem manchmal etwas eigenwilligen Stil des Regisseurs.

    Rückblickend erweist sich der damals noch eher unbekannte Liam Neeson als Glücksgriff für die Hauptfigur, denn es gelingt ihm ganz wunderbar die innere Zerrissenheit von Peyton Westlake darzustellen. Diesen Abgrund, den Wahnsinn, der ihm inne wohnt, irgendwo zwischen Phantom der Oper und Der Unsichtbare. Überhaupt bedient sich Sam Raimi sehr stark bei den klassischen Horrorfilmen der 30er, 40er und 50er Jahre, neben den bereits erwähnten lassen sich auch Elemente von Frankenstein, Das Kabinett des Prof. Bondi oder Der geheimnisvolle Dr. X ebenso wie modernere Motive aus Der Elefantenmensch von David Lynch oder Tim Burtons Batman finden. Generell ist Raimis Inszenierung manchmal dem gotischen Stil von Burton durchaus ähnlich, beide sind nicht selten überbordend ideenreich, manchmal übertrieben, düster und ironisch, manchmal sogar grotesk melodramatisch. Doch Raimi übertreibt es nicht damit oder macht es gar zum Leitmotiv, sondern lässt diese Seite an ihm lieber wohl dosiert anklingen.

    Sicherlich trägt auch der Soundtrack von Danny Elfman seinen Teil dazu bei, doch ist Raimi stilistisch eigenständig genug, um seinen eigenen, ganz unverkennbaren Stil zu entwickeln. Einige sehr gelungene Bildmontagen, Einstellungen und Kamerafahrten sind geradezu typisch für seine Arbeiten. Wer will, der kann sogar in einer relativ zum Schluss des Films angesiedelten Szene, in der Darkman an einem Stahlseil am Hubschrauber hängend durch Häuserschluchten schwingt, erste Hinweise auf Spiderman entdecken, rückblickend betrachtet hat es zumindest einen Hauch davon, und war vielleicht seine Eintrittskarte in das Universum des freundlichen Netzschwingers. Und obwohl Darkman auf keinem existierenden Comic beruht, fängt der Film den Geist der gezeichneten Bilder ganz hervorragend ein, die bildliche Kraft und den Rhythmus, etwas, das vielen heutigen Comicverfilmungen in meinen Augen abgeht. Darkman hat dieses Medium so gut verstanden und verinnerlicht wie kaum ein anderer und ist eine Art vergessener Wegbereiter für ein ganzes Filmgenre, welches heute so ist etabliert wie es damals verpönt wurde, und Raimi war seiner Zeit zweifellos voraus.

    Am Ende ist Darkman durch und durch gelungenes Genrekino, ironischerweise eine eher frühe Comicverfilmung ohne das zugehörige Ausgangsmaterial, die heute noch das Genre in mancher Hinsicht mit definiert. Sam Raimi etabliert einen Antihelden, einen Mann ohne Gesicht, oder vielmehr einen Mann mit vielen Gesichtern, getrieben von Rache, ausgestattet ohne Schmerzempfinden und zerrissen von seinen inneren Dämonen. Da ist das tragische, dem düsteren und verzweifelten Grundton des Films gerecht werdende Ende letztlich nur konsequent.

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    • 7

      Ähnlich wie Chad Stahelski (John Wick) und David Leitch (Atomic Blonde) war Regisseur Sam Hargrave ebenfalls ursprünglich Stunt-Koordinator und wechselte erst später hinter die Kamera. Sein Debütfilm Extraction beruht auf der Comicvorlage Ciudad aus der Feder von Joe Russo und Anthony Russo sowie dem Zeichner Ande Parks, verlegt das Setting aber von der namensgebenden Stadt in Paraguay in die Hauptstadt von Bangladesch und bietet so ein zumindest einigermaßen unverbrauchtes Setting. Als geradliniger und schnörkelloser Actionreißer funktioniert Extraction wirklich gut, doch leider dehnt das Drehbuch von Joe Russo die Story mit unnötigen Abstechern und Abzweigungen immer weiter bis auf annähernd zwei Stunden Laufzeit aus, wo weniger vielleicht besser gewesen wäre. Etwas weniger Leerlauf im Mittelteil hätten dem Film eventuell ganz gut getan. Überhaupt findet Extraction immer dann zu seinen großen Stärken, wenn es an allen Ecken und Enden ordentlich kracht.

      Die Action selbst kann sich nämlich wirklich mehr als sehen lassen und Hargrave versteht sein Handwerk zweifellos: Kämpfe sind stark auf Wirkung ausgelegt, kommen wuchtig und druckvoll daher und sind meist ungeschönt in Szene gesetzt. Auch die teils ausufernden Shootouts bieten reichlich Highlights. Selbst die im modernen Actionfilm inzwischen scheinbar unverzichtbare minutenlange Plansequenz im Mittelteil darf nicht fehlen und stellt sicherlich einen der Höhepunkte. Die Kamera von Newton Thomas Sigel (Drive, Bohemian Rhapsody) ist immer ganz nah dran am Geschehen, läuft aber zugleich nie Gefahr den Fokus zu verlieren und vermag den Kampfszenen Tempo und Dringlichkeit zu verleihen ohne das der Überblick verloren geht. Dazu ist das Sounddesign ziemlich knackig geraten und unterstützt die ohnehin schon drückende, treibende Action nur noch mehr.

      In Extraction schwingt ein leiser Nachklang von John Wick, The Raid und Man on Fire mit. All das ist zweifellos nicht neu, aber zumindest über weite Strecken solide bis stark umgesetzt und durchaus packend inszeniert. Am Ende findet sich sogar eine kleine, aber hübsche filmische Klammer, wenn wir die Hauptfigur so verlassen, wie wir sie mehr oder weniger auch kennengelernt haben. Nur die allerletzte Szene, die hätte ich nicht mehr gebraucht.

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      • 8
        Mattscheibenvorfall 20.04.2020, 19:56 Geändert 20.04.2020, 20:01

        Blutige Seide. Film als Traum, Kino der Blicke. Bereits der faszinierend ausgestaltete Vorspann von Mario Bavas früher Giallo-Blaupause Sei donna per l´assassino kündet von einem seiner Grundthemen, wenn er den Gegensatz zwischen Schönheit und Leblosigkeit ganz bewusst ausstellt. Sein Film ist allerdings kein Murder Mystery, kein Whodunit, keine Hetzjagd nach einem Serienkiller, denn Bava interessiert sich für die inhaltlich narrative Ebene herzlich wenig bis gar nicht. Auch einen klassischen Spannungsbogen gibt es nicht, dafür aber eine permanent unterschwellige Anspannung. Sein Fokus liegt ganz klar auf der formal gestalterischen Ebene und durch die beinahe schon traumartige Inszenierung spielt Logik angesichts der Motive eine untergeordnete Rolle.

        Sei donna per l´assassino ist ein gewaltiges Zeugnis vom Willen seines Regisseurs zu unbändiger Stilistik und ganz bewusst ausgestellter Künstlichkeit sowie von dessen ausgeprägtem Gespür für visuelle Tableaus. Nichts ist dem Zufall überlassen, jedes noch so klein anmutende Detail ganz bewusst platziert und die Bilder von Kameramann Ubaldo Terzano und Bava selbst sind streng komponiert in ihrem Aufbau und doch immerzu im Fluss. Durch diese ausgesprochen stilsichere und nicht selten sexuell aufgeladene Kombination aus Licht und Farben, aus den virtuosen Bildkompositionen, den starken Perspektiven, den prachtvoll ausgestatteten Sets und dem wundervoll sinnlichen Score aus der Feder von Carlo Rustichelli entsteht ein geradezu rauschhaftes Erlebnis.

        Lichtsetzung, Farbgebung, Bildgestaltung, Kamera, alles aus einem Guss, alles visuell brillant, und durch das gekonnte Spiel mit Licht und Schatten überträgt Bava letztlich sogar die Schwarz/Weiß-Ästhetik in den Farbfilm. Und selbst wenn er gelegentlich für kurze Momente in den Gothic Horror abdriftet, so findet er immer wieder zu seiner eigentlichen Stilistik zurück. Wie Bava den vergleichsweise schlichten Plot als Vehikel nutzt um seine inszenatorischen Stärken auszuspielen, das ist schon beeindruckend. Hat sein Vorgängerfilm La ragazza che sapeva troppo (1962) das Genre des Giallo quasi begründet, so ist es zweifellos Sei donna per l´assassino, der es nicht nur auf ein völlig neues Level hob, sondern zugleich ein meisterhaftes Muster für kommende Filmemacher abgab und darüber hinaus sogar als eine Art Proto-Slasher angesehen werden kann.

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          Ich gebe zu, dass ich im Vorfeld schon eine eher geringe Erwartungshaltung gegenüber American Assassin hatte, aber wie sehr der Film dann letztlich seine Zuschauer für dumm verkauft, dass erlebe ich in solcher Form besonders im wirklichkeitsfernen Genre der Actionfilme dann doch eher selten. Ich bin grundsätzlich offen für ziemlich viel Quatsch, aber nichts, wirklich absolut rein gar nichts kaufe ich auch nur irgendeiner Figur zu irgendeinem Moment dieser rund 110 Minuten ab. Vor allem die Entwicklung des Mitch Rapp vom trauernden Verlobten hin zum nur 18 Monate später auf eigene Faust Terror-Zellen infiltrierenden Bad Ass ist dermaßen arg haarsträubend konstruiert, da kann ich beim besten Willen und mit zwei zugedrückten Augen nicht mehr mitgehen. Vermutlich hat er bereits auf der Beerdigung seiner Verlobten das Messerwerfen angefangen zu trainieren.

          Wie ein trotziges Kind, dem sein Lieblingsspielzeug weggenommen wurde, stapft Dylan O´Brien beleidigt mit den Füßen stampfend durch diverse eher unspektakuläre Settings in Europa wie ein drittklassiger Pseudo-Jack Ryan, ignoriert beinahe jede Regel oder Anweisung von oben und agiert über alle Maßen egoistisch und zu keinem Punkt nachvollziehbar, nur um immer wieder in Anfälle maßloser Arroganz zu kippen und nahezu jeden Auftrag damit unweigerlich zu sabotieren. Auch die vom Film implizierte physische Präsenz und seine selbst antrainierten Fähigkeiten nehme ich Dylan O´Brien einfach nicht ab.

          Grundsätzlich ist die Action in American Assassin zwar solide inszeniert, sticht aber kaum aus ähnlich angelegten Genre-Vertretern heraus, setzt sie zwar recht viel auf Faustkämpfe und weniger auf Shootouts, bleibt in ihrer Choreografie jedoch meist eher unspektakulär. Dazu trifft der Film von Michael Cuesta sogar für einen Actionfilm erstaunlich dumme Entscheidungen, dennoch war American Assassin bei mir bis zum Schlussakt auf einem 4,5 vielleicht 5/10-Kurs, doch dann hat sich der Film doch noch seine 3/10 bei mir verdient. Das Finale verkommt nur noch zu einem schlechten Witz, dessen Pointe nicht zündet, wenn ich mich plötzlich in Battleship wähne.

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            Die Idee von Roger Corman, das Drehbuch zu Pit and the Pendulum in die Hände des Schriftstellers Richard Matheson zu geben, sollte sich als Geniestreich entpuppen. Denn dem Autor von Romanen wie I Am Legend oder The Shrinking Man gelingt mit seinem Skript wahrlich meisterhaftes: Obwohl er sich an der zugrunde liegenden Kurzgeschichte nur vage orientiert und diese maximal lose adaptiert, so trifft er doch den Kern des Schaffens von Edgar Allen Poe wie kaum ein anderer. Corman ist ein Meister der Vorbereitung, der seine Produktionen en Detail im Vorfeld durchplant, und vermag auch ohne großes Budget Pit and the Pendulum ausgesprochen effektiv zu gestalten, wenn er spürbar mehr auf eindringliche Stimmung setzt als auf plumpe Schockmomente. Es gelingt ihm, die europäische Gothic Horror-Ästhetik in das amerikanische Kino zu übertragen und verleiht dem ganzen so eine seltsam entrückte, zuweilen regelrecht psychedelische Atmosphäre. Bereits der farbenfroh mäandernde Vorspann kündet ebenso davon, wie es die visuell verzerrten und subjektiv gefärbten Rückblenden im Film selbst immer wieder unterstreichen.

            Liebe, Verrat, Wahnsinn. Subtil und doch suggestiv in Bildsprache und Inszenierung leiten Corman und Matheson den Betrachter geschickt durch ein narratives Labyrinth voller Wendungen und Trugschlüssen. Sorgfältig aufgebaut, im letzten Akt eskalierend und mit einer hübsch fiesen letzten Szene garniert. Man mag ahnen, dass etwas nicht stimmt, doch man kann es nicht genau benennen. Sicherlich vermag das alles in Anbetracht des Alters von Pit and the Pendelum heutzutage kaum zu überraschen, sauber ausgeführt ist das dennoch. Das gilt dann auch für die Topografie des Schlosses von Don Medina, welche sich dem Zuschauer gemeinsam mit der Figur des Barnard Stück für Stück erschließt, sich nach und nach öffnet, größer und immer verwinkelter wird wie die eigentliche Geschichte dieser uralten Mauern selbst auch. Dazu dann noch das ausgesprochen theaterhafte, exaltierte Spiel von Vincent Price, der seine Texte vielmehr zu rezitieren als mit Leben zu füllen scheint, und ein entrücktes Spiel mit der Übertreibung darbietet.

            Roger Corman kann hier seine Stärken gut ausspielen und versteht es obendrein, Leute wie beispielsweise Matheson mit ins Boot zu holen, die ihr Fach besser verstehen als er, und erschafft so eine Poe-Verfilmung, die ihm auf der narrativen Ebene kaum gerecht werden kann, und sich doch mehr nach Poe anfühlt als viele andere.

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              "Don't fear the weapon, fear the man."

              Rapid Fire von Regisseur Dwight H. Little (Marked for Death, Murder at 1600) entstammt dieser seltsamen Phase Anfang bis Mitte der 90er, als das 80er Actionkino zwar noch nicht gänzlich tot war, sich aber spürbar verkleinerte und den langsamen Rückzug in die Videotheken antrat. Auch markiert der Film die erste der leider sehr wenigen Hauptrollen von Brandon Lee, dessen Figur im ein Jahr zuvor von Mark L. Lester (Commando, 1985) inszenierten Showdown in Little Tokyo noch eher eine Nebenrolle war. Inhaltlich bedient sich das Drehbuch aus der Feder von Alan McElroy ausnahmslos an bereits bekannten Versatzstücken des Cop- und Gangsterfilms und bläht seine Figuren allesamt zu überlebensgroßen, wandelnden Klischees auf, denen klar definierte Funktionen zukommen.

              So ist die Handlung selbst auf eine angenehme Art und Weise einfach gehalten und ist einzig und allein darauf hin ausgerichtet, möglichst viele Gelegenheiten für Actionszenen zu generieren. Und die können sich wirklich sehen lassen und bieten Raum für jede Menge Fights und Shootouts. Dabei beeindrucken besonders die kraftvollen und von enormer Physis geprägten Kampfszenen, welche Brandon Lee selbst auch choreografiert hat. Dazu kommt ein ausgeprägtes Gespür für Wucht und Dynamik, welches man heutzutage vielleicht noch von Isaac Florentine gewohnt ist. Nur zu gern hätte ich irgendwann einmal Lee in einem seiner Filme gesehen.

              Hier ist der Titel zur Abwechslung mal wirklich auch Programm: Rapid Fire ist schnörkellos und temporeich in seiner Inszenierung, gibt sich geradlinig und zielstrebig, verzichtet auf unnötigen Leerlauf, und bleibt immerzu in Bewegung.

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              • 6

                Nachdem Ende der 80er Jahre die Produktion von James Camerons The Abyss offiziell angekündigt wurde, entstanden im Zuge dessen zwei weitere Produktionen in ähnlichem Tiefsee-Setting, die zudem deutlich kostengünstiger in der Produktion waren und deren Macher daher durchaus darauf hoffen durften noch vor The Abyss in die Kinos zu kommen, was letztlich auch gelang. Zum einen handelt es sich dabei um Deep Star Six von Sean S. Cunningham, am bekanntesten vielleicht als Regisseur von Friday the 13th, und zum anderen um Leviathan von George P. Cosmatos (dem Vater von Panos Cosmatos), der unter anderem auch Rambo II und Die City Cobra mit Sylvester Stallone sowie den Western Tombstone mit Kurt Russell und Val Kilmer vorzuweisen hat.

                Doch während Deep Star Six relativ schnell seinen Weg ins Fernsehen fand, dort recht häufig gezeigt wurde und auch heute noch immer mal wieder zu sehen ist, verschwand Leviathan nach kurzer Zeit in der Versenkung. Cosmatos liefert hier einen durchaus unterhaltsamen Genre-Mix aus diversen bekannten Versatzstücken ab, der konventionelle Erzählstrukturen zwar nicht verlässt oder ihnen gar etwas neues hinzufügt, dafür aber durchaus ansehnlich in der Produktion daherkommt. Das Setting ist sehr begrenzt, eine Flucht ist den Protagonisten nicht ohne weiteres möglich und ist das Monster erst einmal auf der Bildfläche erschienen, jagt es seine Beute durch die engen Gänge der Unterwasserstation. Dazu mischt Cosmatos die Body Horror-ähnlichen Effekte, den Gedanken der Assimilation und einen Hauch des Terrors aus John Carpenter´s The Thing und fertig ist Tiefsee-Ekel-Suppe.

                Hervorzuheben ist noch die Aufnahmetechnik für die Unterwasser-Szenen namens Dry-for-Wet, die so auch bei Deep Star Six zum Einsatz kam, und die durch eine bestimmte Beleuchtung, spezielle Farbfilter und Schwebeteilchen in der Luft den Unterwasser-Effekt kostengünstig simuliert. Besetzt ist der Film in erster Linie mit Peter Weller und Richard Crenna in den tragenden Rollen, doch darüber hinaus sind auch noch Daniel Stern, Ernie Hudson, Hector Elizondo und Meg Foster im Cast vertreten. Für die visuellen Effekte zeichnet sich niemand anderes verantwortlich als die F/X-Legende Stan Winston und die Musik stammt aus der Feder von Jerry Goldsmith. Beide liefern zwar keine spektakulären Höchstleistungen ab, erbringen aber mehr als solide Arbeit und heben Leviathan so ein wenig aus dem sumpfigen Mittelmaß zahlreicher ähnlich gelagerter Filme hervor.

                Innovationen darf man von Leviathan also nicht erwarten, aber George P. Cosmatos liefert ansehnliche Genre-Kost ab und inszeniert einen handwerklich soliden, durchaus atmosphärischen wie spannenden, gut getricksten, alles in allem angenehm kurzweiligen und altmodischen Monsterfilm mit dem einen oder anderen ekligen Effekt. Nicht mehr und nicht weniger, aber manchmal braucht es das ja auch gar nicht.

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                • 8 .5

                  Nach erneuter Sichtung nochmal ne halbe Note rauf...

                  "Remember, guns don´t kill people, WE kill people."

                  Kalt erwischt, kann ich da nur sagen. Wie konnte dieser tolle Film nur jahrelang an mir vorüber gehen? Was der vornehmlich als Produzent tätige Wallace Wolodarsky hier mit seinem Regiedebüt Coldblooded erschaffen hat, das braucht sich nicht zu verstecken. Weder 1995, noch heute. Eine bitter-böse, sarkastische und zuweilen sehr zynische Thriller-Farce ist das, deren Humor die stärkste Waffe ist. Trocken und ungemein lakonisch geht es hier zur Sache und obwohl ein zarter Nachklang von Tarantino durch den Film hallt, ist Coldblooded mehr on point und nicht so geschwätzig wie manche seiner Filme. Die Dialoge sind unglaublich pointiert, treffsicher und präzise geschrieben, sind teils wirklich böse und doch voller Leichtigkeit. Überhaupt ist der ganze Film angenehm unaufgeregt in Szene gesetzt und mit einem locker entspannten Tempo versehen.

                  Und dann ist da noch Jason Priestley in der Hauptrolle des Cosmo Reif. Ich habe es kaum glauben wollen, aber Priestley ist hier gnadenlos gut als angehender Profikiller mit Inselbegabung, ein bisschen wie Forest Gump mit Waffen und ohne moralischen Kompass. Es ist ungemein faszinierend, dem Teenie-Star der 90er dabei zu zuschauen, wie sein scheuer Cosmo erst das Töten lernt, dann sein Talent dafür entdeckt und schließlich beginnt, Selbstbewusstsein zu entwickeln. Auch ist es nicht das Töten selbst, das ihm Freude bereitet, sondern viel mehr die Erkenntnis, endlich mal in etwas gut zu sein. Fast schon tragisch. Auch der Rest vom Cast rund um Peter Riegert, Kimberly Williams-Paisley, Robert Loggia und Janeane Garofalo machen ihre Sache mehr als nur gut und der hier auch als Produzent tätige Michael J. Fox bekommt eine der besten Szenen im Film spendiert. Coldblooded ist ein gnadenlos unterschätztes Juwel und vollkommen zu Unrecht derart unbekannt.

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                    Mattscheibenvorfall 01.04.2020, 18:40 Geändert 01.04.2020, 18:41

                    Extermination is not just a business. It´s a way of life. Man kann es kaum anders in Worte fassen: Crimewave ist wie ein filmischer Unfall, von dem man den Blick nicht abwenden kann. Nach The Evil Dead (1981) ist das die erst zweite Regiearbeit von Sam Raimi, für die er zusammen mit den Coen-Brüdern auch das Drehbuch verfasst hat. Zwar lassen sich in dieser denkbar kruden Mischung aus Horror, Noir-Parodie und The Three Stooges-Slapstick bereits die jeweiligen Handschriften dieses Dreiergespanns erkennen, doch dieser fehlgeleitete Versuch, die Dynamik und die Ästhetik von Cartoons in eine Thriller-Groteske zu übertragen, scheitert in vielerlei Hinsicht. Dieses wirre Kuriosum mutet wie eine überlange Looney Tunes oder Tex Avery-Episode an, ausgedehnt auf etwas mehr als 80 Minuten, entwickelt allerdings zu keinem Moment einen brauchbaren Rhythmus.

                    Crimewave ist viel zu schnell getaktet, erfährt keinerlei Tempowechsel und leidet unter seinem misslungenem Timing. Statt einem gelungenem Spiel aus Anspannung und Entspannung kennt der Film mehr oder weniger nur Vollgas, feuert ungeachtet derer Qualität Gag um Gag aus allen Rohren und verkommt so zu einer ermüdenden Nummernrevue. Quantität steht hier über Qualität und so werden auch vereinzelt großartige Einfälle und Ideen gleich wieder für den nächsten Witz beiseite geschoben ohne sich nennenswert entfalten zu können. Auf dem Papier kommen hier bereits alle Stärken von Raimi und den Coen-Brüdern zusammen und doch will Crimewave einfach nicht funktionieren. Spannend ist diese kuriose Fußnote im Schaffen dreier genialer Filmemacher und Geschichtenerzähler allerdings insofern, als dass diese einen faszinierenden Lernprozess aus ihrem Scheitern heraus erfahren und zweifellos die richtigen Schlüsse gezogen haben. Sowohl Evil Dead II (1987) als auch Raising Arizona (1987) waren spürbar besser und der Rest ist ohnehin Geschichte.

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                    • 6 .5

                      Das spanische Kino vermag immer wieder starke Filme hervor zu bringen, die sich weder vor dem restlichen Europa noch vor Hollywood verstecken müssen, und kann sich an einem sehr vitalen Genrekosmos erfreuen. Und auch Contratiempo (Der unsichtbare Gast) vermag sich da einzureihen, wenn der Film von Autor und Regisseur Oriol Paulo auf Pfaden wandelt, die so wohl auch Hitchcock gefallen hätten und ein Krimirätsel rund um einen vermeintlich offensichtlichen Mord zu stricken beginnt. Paulo erschafft hier scheinbar mühelos ein sehr verschachteltes Verwirrspiel aus Rückblenden, einem mehr als nur unzuverlässigem Erzähler und diversen Wendungen und Finten, spielt jedoch zugleich auch mit der Erwartungshaltung und den Sympathien des Zuschauers. Eine objektive Perspektive gibt es beinahe gar nicht und alles andere sind subjektiv gefärbte Sichtweisen entsprechend der jeweils handelnden Personen, gepaart mit den unterschiedlichsten Motivationen.

                      Ein komplexes Puzzle aus Irrungen und Wirrungen, aus Geschichten, aus Versionen von Geschichten und Geschichten über Geschichten sowie zahlreichen Perspektivwechseln. Vielleicht ein wenig zu komplex. Nicht im Sinne des verständlichen Zugangs, aber es beschlich mich mit zunehmender Laufzeit das Gefühl, dass Contratiempo letzten Endes vielleicht einfach zu viel will. Zwar ist die Prämisse stark und baut sofort Spannung und Druck auf, wenn schnell klar wird, dass die Uhr tickt und nur drei Stunden Zeit bleiben, und Paulo versteht es glänzend eine dichte Atmosphäre zu erschaffen, doch leider wirkt vor allem das letzte Drittel des Filmes auf mich viel zu glatt, zu selbstgefällig, ja, geradezu selbstverliebt, wenn offensichtlich wird, wie sehr das Drehbuch geradezu penibel sorgsam und künstlich glatt seine Plotelemente positioniert.

                      Paulo weiß genau, was er da tut, und lässt Contratiempo reichlich Haken und Kapriolen schlagen, Nebelkerzen werfen und falsche Fährten auslegen, nutzt jede nur erdenkliche Gelegenheit, um Verwirrung zu stiften, und doch ist mir das alles letztlich einfach zu perfekt konstruiert und steuert zu sehr auf eine glanzvolle Auflösung hin, welche mich am Ende seltsam unbefriedigt zurücklässt.

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                      • 7 .5

                        Es gibt drei Arten von Leuten: die von oben, die von unten, und die, die fallen.

                        Das allegorische Bild, welches der spanische Regisseur Galder Gaztelu-Urrutia zusammen mit seinen Drehbuchautoren David Desola und Pedro Rivero zeichnet, ist denkbar klar. Oben schwelgen die Reichen in ihrem Luxus, während unten der Pöbel zusehen kann, wo er bleibt. Besonders smart verpackt ist die Botschaft hinter El Hoyo nun nicht, aber die Stärken dieses dystopischen Low Budget-Thrillers liegen ohnehin an anderer Stelle. Besonders die zugrunde liegende Idee vermag zu begeistern, doch obwohl sich El Hoyo angesichts seiner Laufzeit von knapp 90 Minuten kaum mit erklärender Exposition aufhält, hat die Umsetzung dennoch so manche Schwäche zu verzeichnen. Charaktertiefe findet man hier kaum, dafür stattdessen eine drückende, beklemmende Atmosphäre, menschliche Abgründe und eine Art soziales Experiment auf der Vorspultaste.

                        Ein wenig schade ist es, dass Gaztelu-Urrutia und seine Autoren dem geneigten Zuschauer im weiteren Verlauf vielleicht sogar ein wenig zu viel erklären und so am Reiz des Mysteriums Schacht kratzen. Ein etwas offeneres Ende hätte dem insgesamt eher rätselhaften Charakter des Filmes möglicherweise besser gestanden, zumal die ohnehin schon recht offensichtliche Botschaft so nur nochmals herausgestellt wird. Ein Hauch erzählerischer Redundanz, so manches Logikloch, geschenkt, dafür macht El Hoyo einfach zu viel richtig. Die Kamera findet immer wieder zwar unangenehm drastische, doch immerzu passende Bilder, und die Gewaltspitzen verkommen nie zum reinen Selbstzweck, sind nie bloß voyeuristischer Natur. Gaztelu-Urrutia versteht es geschickt, das niedrige Budget zu kaschieren und so wirkt El Hoyo nie billig oder gar trashig, sieht stellenweise sogar richtig toll aus in seinem stark limitierten, minimalistischen Setting. Unterm Strich erneut ein interessanter und sehenswerter Beitrag zum spanischen Genre-Kino, irgendwo zwischen Snowpiercer und Cube. Die Pana Cotta ist die Botschaft. Völlig klar.

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                        • 7

                          Mutterliebe und Moral. I Am Mother ist das Regiedebüt des australischen Filmemachers Grant Sputore und die erste Hauptrolle der dänischen Schauspielerin Clara Rugaard. Von beiden werden wir noch viel hören, da bin ich mir sicher.
                          Kammerspielartig entspinnt sich in diesem Low Budget-Sci-Fi-Thriller eine Art Kampf zweier Mutterfiguren um die Gunst der vermeintlichen Tochter. Wem kann diese mehr vertrauen, wem mehr Glauben schenken? Aus dieser Frage zieht I Am Mother viel seiner Spannung, wenn die Welt der Tochter mit der Ankunft der fremden Frau auf den Kopf gestellt wird. Atmosphärisch dicht ist das inszeniert, zwar ruhig im Tempo, das erst im letzten Drittel merklich anzieht, und doch eindringlich erzählt. Sicherlich bedient sich Sputore, der auch am Drehbuch beteiligt war, diverser bekannter Versatzstücke des Genre, und vieles fühlt sich vertraut an, dennoch vermag I Am Mother durchaus eine gewisse Eigenständigkeit zu entwickeln.

                          All das ist weder ästhetisch noch narrativ Neuland, aber kleine, fein nuancierte Verschiebungen heben den Film deutlich über den Durchschnitt. Das reduzierte Setting sieht fantastisch aus und liefert trotz seiner räumlichen Limitierung immer mal wieder tolle Bilder. Vor allem Mother wirkt Dank der eindrucksvollen Arbeit aus dem Hause Weta erstaunlich überzeugend und die Kombination aus dieser kalten Maschine und der liebevoll sanften Stimme von Rose Byrne bietet einen verstörenden Kontrast. Doch auch die menschlichen Figuren überzeugen auf der ganzen Linie. Hilary Swank ist ohnehin meist eine Bank und verkörpert den Eindringling von außen glaubwürdig, aber besonders Clara Rugaard ragt in diesem minimalistischen Ensemble heraus, verleiht sie ihrer Figur der Tochter doch genau die richtige Balance aus Stärke, Verletzlichkeit, Neugier und Misstrauen.

                          Inhaltlich kratzt I Am Mother zwar nur an der Oberfläche seiner verhandelten Themen und Möglichkeiten, wenn die Konflikte nicht wirklich ernsthaft tief gehen, dennoch vermag das Regiedebüt von Grant Sputore in vielerlei Hinsicht zu überzeugen. Visuell, erzählerisch und gerade auch auf der darstellerischen Ebene als Low Budget-Film im Sci-Fi-Genre mit kleinem Cast und räumlich beschränkt durchaus in der Nähe von Moon oder Ex Machina. Aber nur in der Nähe.

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                          • 5

                            Spenser Confidential ist nach Lone Survivor (2013), Deepwater Horizon (2016), Boston (2016) und Mile 22 (2018) die nun mehr fünfte Zusammenarbeit zwischen Regisseur Peter Berg und Hauptdarsteller Mark Wahlberg. Dabei orientiert sich das adaptierte Drehbuch von Brian Helgeland (L.A. Confidential, Payback, Mystic River) lose an dem Roman Wonderland von Ace Atkins und bietet eine geradezu klassische Mischung aus Action, Buddy-Humor und korrupte Cops. Das Rezept ist gewiss nicht neu und das Ergebnis ein 08/15-Süppchen: nicht unbedingt schmackhaft, zumindest jedoch vorübergehend sättigend. Sonderlich viel hängen bleibt unterm Strich jedoch nicht. Inhaltlich ist das alles altbekannt und von der Stange, aber über weite Strecken zumindest unterhaltsam. Nicht jeder Gag vermag zwar auch wirklich zu zünden, die eine oder andere Punchline sitzt dennoch. Auch die vereinzelten Actionsequenzen sind solide umgesetzt, jedoch arm an Highlights und packenden Szenen. Insgesamt ist Spenser Confidential als eine Art tonale Rückkehr zu Bergs vielleicht noch weniger ernst geprägten Anfangsphase vor allem eines: ziemlich durchschnittlich.

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                              "I go to bed in Havana thinking about you pissing a few moments ago. I looked down at my penis with affection, knowing it has been inside you, twice today, makes me feel beautiful."

                              Spring Breakers (2012) gehört zu meinen absoluten Lieblingsfilmen und ist für mich einer der besten Filme der letzten Dekade. Nun liefert Regisseur Harmony Korine sieben Jahre später mit The Beach Bum seine nächste Arbeit und erneut macht er Florida zum Setting für ausschweifenden Hedonismus. Frei, losgelöst und lange Zeit relativ strukturlos mäandert Moondog taumelnd und doch seltsam beschwingt von Exzess zu Exzess, von Drogen, Alkohol und Sex hin zu nur noch mehr Drogen, Alkohol und Sex. Episodenhaft in der Narrative und unter seiner glitzernden Oberfläche mit wenig Substanz versehen, vermag es Korine zusammen mit seinem Kameramann Benoît Debie (Enter the Void, The Sisters Brothers) dennoch, The Beach Bum nicht unähnlich zu Spring Breakers visuell rauschhaft, grell und stellenweise sogar surreal zu gestalten. Und doch wirkt er vergleichsweise leichter, flüchtiger, verspielter. Szenen, Figuren, Dialoge, die Musik, all das ist immerzu im Fluss, wabert ineinander, und dennoch offenbart sich immer wieder eine schwere, dunkle Seite dieser Art zu leben.

                              Sozialrealismus jedoch sollte man nicht erwarten, haben wir es hier doch mit Harmony Korine zu tun. Moondog ist in seiner Zeichnung mindestens, ambivalent, sicherlich streitbar und ganz besonders kein Sympathieträger. Das macht es schwer, sich zu ihm und anderen Figuren irgendwie in Beziehung zu setzen, zumal man sich nie so recht sicher sein kann, ob Korine das alles nun ernst meint oder doch bloß als riesengroßen Witz. Selbst als sich sein Protagonist als egoistisches, rücksichtsloses Arschloch entpuppt, das andere bestiehlt, beleidigt oder angreift, da behält The Beach Bum seinen beschwingten Tonfall bei. Das kann verwirrend wirken und insgesamt erweckt Korines Film den Eindruck einer Sammlung von Ideen und Motiven, teils herausragend, teils schwächelnd, die sich einfach nicht zu einem großen Ganzen zusammenfügen wollen. Dennoch hatte ich meinen Spaß mit Moondog und seinen Eskapaden und habe mich gern mit ihm treiben lassen. Nur mit dem stoischen Gleichmut eines Big Lebowski hat das alles nun wirklich gar nichts gemein.

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                              • 8

                                "You're just having a bad dream, that's all baby. That's all it was. Bad dreams make you think you're seeing things that you haven't."

                                Der Geruch des Meeres liegt in der Luft, ein schwaches Rauschen ist im Hintergrund zu hören, die Laute einer einsamen Möwe erklingen über uns und ein kleines Spielzeugboot treibt in einem winzigen Swimmingpool. Da ist eine leise Vorahnung, ein Kribbeln auf der Haut, das vage Gefühl, etwas Einschneidendes stünde bevor, und der merkwürdige Geschmack von Salz und Blut im Mund.

                                Horrorfilme glänzen ja eher selten mit raffiniert ausgefeilten Erzählstrukturen, sondern bedienen sich meist lieber altbekannten wie etablierten Mechanismen, welche dem geneigten Zuschauer wohl bekannt sind. Zwar erweckt Triangle von Regisseur und Drehbuchautor Christopher Smith auf den ersten Blick eben genau diesen Anschein und scheint auf stark ausgetrampelten Genrepfaden zu wandeln, doch sein dritter Film nach Creep (2004) und Severance (2006) hat es faustdick hinter den Ohren und interessiert sich herzlich wenig für vermeintliche Konventionen. Was nämlich zunächst nach wenig mehr als nur ideenloser Standardkost aus der Ecke Slasher-Streifen XY aussieht, das entpuppt sich relativ schnell als geschickt wie elegant arrangiertes Spiel mit variierenden Handlungsebenen, wiederkehrenden Motiven und verwinkelten Perspektiven, wenn Smith nach etwa einer halben Stunde Laufzeit plötzlich beginnt, eingefahrene Genrestrukturen aufzubrechen.

                                Dazu besticht der Film immer wieder durch kluge Bildkompositionen, welche geschickt die erzählerischen Motive aufgreifen und ins Visuelle übertragen. Einigen digitalen Effekten sieht man das schmale Budget von etwa 12 Millionen Dollar zwar an, doch Triangle braucht nicht viele davon und glänzt viel lieber mit ganz anderen Stärken. Über Triangle zu schreiben ist letztlich ein ähnlicher Balanceakt wie die Erzählstruktur des Filmes selbst: ein kleiner Fehltritt und das Konstrukt bricht in sich zusammen, ein Wort zu viel, und das Sehvergnügen könnte geschmälert werden. Ein Film, der mit möglichst wenig Vorkenntnis auch am besten funktionieren und seine volle Pracht entfalten kann und mit seinem Schluss zu zahlreichen Überlegungen und Interpretationen einlädt, so dass er auch über das reine Filmvergnügen hinaus einen Mehrwert bieten kann, wenn man sich den darauf einlassen will. Oder, etwas simpler ausgedrückt: Triangle fetzt.

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                                • 8

                                  "Four of them with automatic weapons against some swamp rat. I make it even money."

                                  Die Parallelen zu Deliverance von John Boorman lassen sich kaum leugnen, schickte dieser doch 1972 vier Freunde auf ein Männerwochenende in die amerikanische Wildnis, so ist es bei Walter Hill eine kleine Gruppe von Nationalgardisten in den unwirtlichen Sümpfen Louisianas. Gemein bleibt der Konflikt mit der lokalen Bevölkerung. Eine harmlose Routineübung der Nationalgarde sollte es sein, ein gnadenloser Kampf ums nackte Überleben sollte es unter der gewohnt spröden wie gleichsam effizienten Regie von Walter Hill werden – kein Satz, kein Bild, kein Dialog, keine Szene ist hier zu lang oder zu viel, erzählerisch ist alles immer auf den Punkt genau und es braucht kaum eine Viertelstunde, bis das Setting und die Figuren etabliert sind und die ungleiche Jagd beginnen kann.

                                  Der Vietnam-Krieg war gerade mal ein paar Jahre vorbei, doch sich ernsthaft damit auseinander setzen wollte sich außer Francis Ford Coppola wohl kaum jemand, insofern überrascht es wenig, dass Hill für seine Themen den Weg einer Analogie wählte. Das Ergebnis dessen ist ein starkes, sehr sehenswertes Stück Actionkino, welches auch auf den zweiten Blick deutlich mehr zu bieten hat als man vielleicht meinen möchte. Entgegen dem sonst eher kinetisch geprägten und auf Bewegung ausgelegten Kino des Walter Hill ist Southern Comfort für seine Maßstäbe darüber hinaus noch erstaunlich langsam inszeniert und verhandelt seine eigentlichen Themen dezent unterschwellig zwischen blindem Aktionismus und vermeintlicher Überlegenheit in einem über weite Strecken eher gemäßigten Tempo.

                                  Southern Comfort untersucht einem Brennglas gleich die soziale Interaktion unter Druck und Gruppendynamiken, ohne dabei jedoch groß zu moralisieren. Nicht unähnlich zu First Blood dringt auch hier der Krieg nun auch in die Heimat ein. Dazu sind die Südstaaten-Sümpfe ein großartiges Setting, wirkt diese Landschaft doch beinahe schon mystisch entrückt, zumindest aber seltsam fremdartig, undurchdringlich und unwirklich genug, um schnell zu verdeutlichen, wer hier der fremde Eindringling ist. Und dem Zuschauer selbst geht es kaum anders in dieser Welt, in der die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Die handvoll Männer der Nationalgarde sind vollkommen im Nachteil, wenn auf eine zugegeben bodenlose Dummheit schnell Eskalation folgt, und sie schon bald völlig durchnässt, unterkühlt, orientierungslos und mit wunder Haut durchs Dickicht irren.

                                  Im Finale dreht Walter Hill dann nochmals ordentlich am Tempo und vor allem auch an der Spannung, wenn eine starke Montagesequenz zögerliche Erleichterung, ausgelassenes Feiern und aufkeimende Bedrohung in einem fiebrigen Schlussakt münden lässt. Abgerundet von einem tollen Score abermals aus der Feder von Ry Cooder und einem starken Cast rund um Keith Carradine, Powers Boothe, Fred Ward, Peter Coyote und Brion James, da ist Southern Comfort so was wie der kleine, schmutzige, gemeine Bruder von Deliverance. Sicherlich nicht der bessere Film, mir aber tatsächlich der liebere von beiden.

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                                  • 7

                                    Squirm ist vielleicht eines der absurdesten Creature Features, aber auch eines der schönsten, denn trotz seiner zweifellos bescheuerten Prämisse orientiert sich der Film von Regisseur Jeff Lieberman (Blue Sunshine, Just Before Dawn) in seiner narrativen Struktur sehr nah am erzählerischen Korsett des Tierhorrors und bedient sich einer zwar langsamen, aber stetig zunehmenden Spirale der Eskalation, welche sich dann im letzten Drittel vollends Bahn bricht. Lieberman lässt sich zwar recht viel Zeit für Stimmung, Figuren und das herrliche Südstaaten-Hinterland-Setting, doch das kommt Squirm nur zu Gute, wenn der Film seine absurde Grundidee angenehm ernst und ohne lästig ironisches Augenzwinkern verkauft. Überhaupt ist Squirm überraschend clever geschrieben, wenn sich zumindest die beiden Hauptfiguren nie absichtlich dumm stellen müssen, bloß um die Story auf Biegen und Brechen voran zu treiben.

                                    Mick und Geri sind erstaunlich nachvollziehbare und glaubwürdige Figuren frei von den sonst so typischen Klischees und nicht selten unterläuft das Drehbuch geschickt die Erwartungshaltung des Zuschauers, wenn vermeintlich etablierte Genre-Mechanismen unterwandert oder gar gleich einfach unterlassen werden. Dazu wartet Squirm mit für seine Zeit gelungenen Effekten aus der Ideenschmiede eines noch jungen Rick Baker (American Werewolf, Videodrome) auf und schneidet die wenigen Ekel-Szenen geschickt immer wieder mit Mikrokosmos-artigen Close Ups der Würmer gegen. So gerät Squirm auf eine unterschwellige Art und Weise unangenehm statt explizit zu sein und kriecht buchstäblich unter die Haut, ohne allzu viel zeigen zu müssen. Lieberman erschafft hier clever aufgebautes wie gleichermaßen herrlich absurdes Außenseiter-Kino, dem man zwar sein Alter durchaus anzusehen vermag, das aber auch immer noch zu unterhalten weiß und mein Genre-Herz wild schlagen lässt.

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                                    • 3

                                      First Blood, Last Blood. Erneut durchbrochen wurde ein Kreis, der eigentlich schon längst geschlossen war, weil John Rambo (2008) genau das würdevolle Ende für seinen traumatisierten und geplagten Protagonisten findet, welches ihm zusteht. Doch scheinbar kann man ihn nicht ruhen lassen und muss ihn aus dem verdienten Ruhestand zurück beordern. Bloß: wofür eigentlich? Selbst, wenn ich die Logiklöcher, die Stereotypen, die Klischees, die Misogynie und die teilweise reaktionäre Denkweise ausblende, dann bleibt ein erschreckend mittelmäßiger bis unterdurchschnittlicher und vor allem langweiliger Rachethriller von der Stange. Last Blood gibt sich generisch wie austauschbar, versucht sich allenfalls halbherzig wie unmotiviert an der Erforschung Rambos malträtierter Psyche und bleibt doch immerzu lediglich Mittel zum Zweck.

                                      Regisseur Adrian Grunberg (Get the Gringo, 2012) vermag kaum mehr als einen x-beliebigen DTV-Actioner auf die Leinwand zu bringen, zäh wie uninspiriert und gleichermaßen lieb -und lustlos inszeniert. Inhaltlich ist das alles furchtbar dünn, voller Klischees und schwarz/weißer Figurenzeichnung, ausgestattet mit Dialogen auf dem Niveau eine Soap Opera. Okay, könnte ich sogar mit leben, wenn Last Blood wenigstens spannend wäre. Pustekuchen. Grunberg bietet mehr oder weniger 75 Minuten reichlich Redundanz, narrativen Leerlauf und teils quälende Langeweile, nur um im Finale gnadenlos zu eskalieren und die Grenze zum Splatter zu überschreiten. Der Weg dahin jedoch gestaltet sich ausgesprochen zäh. Als Abschied ist Last Blood mehr als unbefriedigend, wirkt er doch seinem Anlass gegenüber unangemessen klein in seinem überaus beliebigem Szenario. Ein wenig mehr Originalität und etwas mehr Epik sowie Würde wären da vielleicht ganz schön gewesen. Was bleibt ist ein dünner, fadenscheiniger und vor allem belangloser Rachethriller, einem Rambo nicht würdig.

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                                      • 1. Welche Hörspiele hast du als Kind gehört?
                                        Viel Masters of the Universe und Jan Tenner, vor allem aber immer und immer wieder Das schwarze Loch

                                        2. Was isst du im Kino?
                                        Nichts

                                        3. Alkohol im Kinosessel: Kann das dazu gehören?
                                        Gelegentlich

                                        4. Welches Buch würdest du uneingeschränkt empfehlen?
                                        Der Fänger im Roggen von J.D. Salinger

                                        5. Du hast frei: Lieber mit Freunden auf ne angesagte Party gehen oder zu Hause entspannt was machen?
                                        Meine Party-Phase liegt schon etwas länger hinter mir

                                        6. Im Jahre 2004 war dein/e Lieblings…
                                        … -film: Oldboy von Park Chan-wook
                                        … -schauspieler: keine Ahnung
                                        … -lied: Wake Up von Arcade Fire
                                        … -interpret: Arcade Fire
                                        … -aktivität: Fussball
                                        … -ort: Kino oder Stadion

                                        7. Welche Zukunftspläne hattest du mit 18?
                                        Keine

                                        8. Welcher Film stand am Tag deiner Geburt ganz oben in den Charts? (Hinweis: https://playback.fm/birthday-movie)
                                        Private Benjamin

                                        9. Färbst du deine Haare?
                                        Nein.

                                        10. Für welche (berühmte) Person/en hast du schon immer irgendwie eine Schwäche?
                                        Wüsste jetzt keine

                                        11. Fiktive Literatur oder Sachbücher?
                                        Fiktive Literatur

                                        12. Du stehst auf und musst die Socken von gestern tragen, weil irgendwie alle in der Wäsche sind. Außerdem ist deine Kaffeemaschine seit jetzt gerade kaputt und nun musst du ohne aus dem Haus. Unterwegs fällt dir ein, dass dein Smartphone noch zuhause liegt. Du kommst auf Arbeit an und irgendwie sind alle schlecht drauf… Wie gehst du mit Tagen um, die schon von Anfang an ziemlich beschissen zu werden scheinen?

                                        Ich versuche das Beste daraus zu machen

                                        13. Sonne und 30 Grad oder Schnee und klare Luft?
                                        Schnee und klare Luft

                                        14. Was machst du bei Gewitter?
                                        Was ich sonst auch tun würde

                                        15. Wer wäre dein All-Time-Favorit für…
                                        … Bester Schauspieler: Joaquin Phoenix
                                        … Beste Schauspielerin: Charlize Theron
                                        … Bester Regisseur: Coen-Brüder
                                        … Bester Film: Oldboy
                                        … Bester Filmsong: Heroes von David Bowie
                                        … Bester Score: The Social Network
                                        … Beste Serie: The Wire

                                        16. Kommst du besser zurecht mit Menschen, die verschlossen und ruhig sind, recht introvertiert und unauffällig, oder eher mit offenen, vielleicht extrovertierten und im Mittelpunkt stehenden Menschen?
                                        Vermutlich eher noch eine gesunde Mischung aus beidem

                                        17. Was hat dich damals auf Moviepilot verschlagen? Wie bist du hierher gekommen?
                                        Zufall

                                        18. Welche Leute hier hast du schon einmal persönlich getroffen? Wen hier würdest du gern treffen?
                                        Noch niemanden, aber der eine oder andere könnte spannend sein

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                                        • 8 .5

                                          Tonari no Totoro ist ein Film, den ich leider erst viel zu spät für mich entdecken durfte und nur zu gern einmal in meiner Kindheit hätte sehen wollen. Dieses noch recht frühe Werk aus dem Hause Studio Ghibli zeugt bereits von der stark ausgeprägten stilistischen wie inszenatorischen Sicherheit seines Regisseurs Hayao Miyazaki. Der langsam voran getriebene und vergleichsweise ereignisarme Plot entfaltet sich mit Bedacht, erzählt Totoro doch ohnehin spürbar mehr in Bildern als durch ausformulierter Handlung. Und doch gelingt es Miyazaki, seinen unbändigen Gestaltungswillen seinen beiden Protagonistinnen Satsuki und Mei geschickt unterzuordnen, sind es doch gerade diese beiden, aus deren kindlich-naivem Blickwinkel die Welt hier wahrgenommen wird.

                                          Sie sind es, die das Tempo vorgeben, sie sind es, die den Rhythmus bestimmen, und sie sind es, die die Regeln etablieren, denn es ist auch oder vielmehr gerade ihr unverstellter Blick voller Unschuld auf eine Welt, die sie erst noch zu verstehen lernen und entdecken wollen. Beschwingt und leichtfüßig zeugt Totoro von der Magie des Alltäglichen und verneigt sich gleichermaßen ebenso vor der Kraft der Fantasie wie vor der Schönheit der Natur. Voller Demut, Charme, Herz, Seele und jeder Menge liebevoller Details sowie authentischen Beobachtungen schildert Miyazaki gefühlvoll und mit unglaublich viel Fingerspitzengefühl die kindliche Erlebniswelt seiner Figuren. Eine zauberhafte Ode an die Natur, an die Fantasie und vor allem an den unschuldigen Blick von Kindern auf die Welt um sie herum.

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                                          • 7 .5

                                            1987 beinahe zeitgleich mit The Lost Boys von Joel Schumacher erschienen, stand Near Dark immer im Schatten dessen Erfolges und fristete eher ein Nischendasein. Zu Unrecht, wie ich finde, erschafft Kathryn Bigelow hier doch einen ganz wunderbaren Hybriden aus Western, Roadmovie, Vampirhorror und Romanze, der niemals aufgesetzt oder künstlich wirkt. Im Gegenteil, die verschiedenen Genre greifen hier vorzüglich ineinander. Eine ausgesprochen tragische Liebesgeschichte steht hier im Mittelpunkt, wenn sich der junge Cowboy Caleb in die Vampirin Mae verliebt, aber zugleich mit sich hadert, wenn er einerseits sein Leben nicht aufgeben will, andererseits die Unsterblichkeit jedoch große Faszination auf ihn ausübt.

                                            Bigelow versteht es hervorragend, dieser ungewöhnlichen Lovestory ausreichend Raum zu geben um sich entfalten zu können und die starke Chemie zwischen Adrian Pasdar als Caleb und Jenny Wright als Mae erledigt den Rest, um deren Romanze vollkommen glaubwürdig erscheinen zu lassen. Zudem wird auf sonst meist typische Merkmale des Genre verzichtet, denn Kreuze oder Knoblauch sucht man hier vergeblich, ja sogar das Wort Vampir fällt nicht ein einziges Mal im Film, und auch auf die eher plakativen Erscheinungsmerkmale wie besonders blaße Haut oder lange Fangzähne wird weitestgehend verzichtet. Das bereits verleiht Near Dark ausreichend Originalität, doch darüber hinaus ist der Film sehr stilsicher inszeniert und etabliert eine starke eigene Bildsprache. Der Cast um Pasdar und Wright sowie Lance Henriksen, Bill Paxton, Tim Thomerson und Joshua John Miller rundet dieses spannende wie interessante Erlebnis gelungen ab. Im direkten Vergleich finde ich Near Dark übrigens deutlich stärker als The Lost Boys. Mehr noch: letztlich ist Near Dark für mich einer der interessantesten und gelungensten Beiträge zum Genre Vampirfilm überhaupt.

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                                            • 7 .5

                                              Walter Hill: manch einer hat vielleicht schon mitbekommen, dass ich ein großer Fan seiner Filme bin. Johnny Handsome ist sein Ausflug in den Noir, wenn ein sauber geplanter Überfall in einem Verrat, dem Tod eines alten Freundes, einer Haftstrafe und vor allem in einer zweiten Chance endet. Denn John „Handsome“ Sedley ist von Geburt an schwer entstellt, erhält aber nun dank einem neuen Programm zur Rehabilitierung und plastischer Chirurgie ein neues Gesicht, eine neue Haut, ein völlig neues Leben. Frei von Ablehnung, Scham, Spott und Abscheu seiner Mitmenschen. Eine Art Wiedergeburt. Sein vielleicht einziger Freund war Mikey, der aber starb durch seine Komplizen bei dem Überfall, hinterhältig abgeknallt. Eine zärtliche Melancholie und Tragik wohnt dieser Geschichte inne, wenn Johnny Mikey nicht vergessen kann, einen der wenigen, vielleicht sogar den einzigen Menschen, der jemals gut zu ihm war. Er will es wirklich, sein neues Leben, einfach und hart, aber wenigstens frei, er versucht es aufrichtig, doch sein altes lässt ihn einfach nicht los.

                                              Johnny Handsome ist keiner der für Hill eher typischen Actionfilme, ausgelegt auf Bewegung und Kinetik. Der Film ist eher Drama angereichert mit Thriller-Elementen und eben tief in seinem Herzen ein Film Noir. Das schwüle Südstaaten-Setting erzielt bei mir eh immer Pluspunkte und der passende Soundtrack von Ry Cooder auch. Dazu ist Mickey Rourke als Johnny ziemlich toll (das war er in den 80ern eigentlich immer), es gibt den jungen Forest Whitaker und den nicht ganz so jungen Morgan Freeman in kleineren Rollen und Lance Henriksen darf herrlich schmierig das Arschloch raus hängen lassen, während Ellen Barkin eine billige wie durchtriebene Femme Fatale abgibt. Also alles in allem ein lohnenswerter Film, der heute doch irgendwie seltsam ironisch anmutet, wenn man mal den Werdegang von Mickey Rourke so betrachtet…

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                                              • 8 .5
                                                Mattscheibenvorfall 01.02.2020, 18:03 Geändert 01.02.2020, 18:07

                                                "Made a crazy risk. You gamble and it's - about to pay off."

                                                Die beiden Brüder Josh und Benny Safdie bleiben mit Uncut Gems ihrem bisherigen Stil der Inszenierung treu, wenn ihr neuester Film ähnlich wie sein Vorgänger Good Time (2017) immerzu in Bewegung bleibt und keinen Stillstand bietet, rasant getaktet keine Ruhepause gönnt und eine enorme Dringlichkeit aufzubauen vermag. Erneut entfesseln sie eine geradezu rauschhafte Spirale immerwährender Eskalation und erneut endet alles mit einem Knall. Eine gnadenlose Kette falscher Entscheidungen wird in Gang gesetzt, wenn jede weitere Entscheidung, jede neue Idee von Howard Ratner bloß noch schlechter und risikoreicher ist als die davor. Der notorische Zocker ist regelrecht triebgesteuert und wettet bloß noch um des Wetten willens. Gewinn und Verlust, Sieg und Niederlage, die Wechselwirkung aus beidem, dieser fiebrige Rausch, das ist es, was ihn antreibt. Dabei hält er sich für einen Big Player, ist aber eigentlich eher bemitleidenswert, verkackt er doch immerzu seine Deals, übernimmt sich immer wieder und kann nicht einmal sein Familienleben zusammenhalten.

                                                Auf der inszenatorischen Ebene ist Uncut Gems geradezu meisterhaft geraten und ist das eindrucksvoll virtuose Ergebnis einer perfekten Symbiose aus Schnitt, Kamera, Score, Sounddesign, Regie und Schauspiel. Wie alle Puzzleteile hier nahtlos fließend ineinander greifen, das ist wahrlich formvollendet. Die tänzelnd flirrende Kamera von Darius Khondji (Seven, Too Old to Die Young, The Beach), der fiebrig pulsierende Score abermals aus der Feder des Experimental-Elektrokünstlers Oneohtrix Point Never (Daniel Lopatin), die grandiose schauspielerische Leistung von Adam Sandler (The Meyerowitz Stories, Punch Drunk Love, Anger Management), all das fügt sich perfekt zusammen, nimmt den Zuschauer von Beginn an gefangen und versetzt ihn in hektisch atemlose Anspannung. Das mag manchmal anstrengend sein, stellenweise vielleicht sogar überfordern, aber es kann auch ungemein lohnenswert sein, sich all dem auszusetzen. Bereits Good Time war grandioses Kino und hatte alle Zutaten, welche nun Uncut Gems ähnlich großartig machen. Von den Safdie-Brüdern werden wir noch viel hören.

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                                                  Mattscheibenvorfall 27.01.2020, 19:25 Geändert 27.01.2020, 21:14
                                                  über 1917

                                                  Die technischen Aspekte rund um die Inszenierung des neuesten Filmes von Regisseur Sam Mendes (American Beauty, Road to Perdition, Skyfall) wurden im Vorfeld vielerorts thematisiert. Und tatsächlich ist 1917 auf der formalen Ebene nahezu makellos geraten, wenn Mendes zusammen mit seinem Kameramann Roger Deakins (No Country for Old Men, Sicario, Blade Runner 2049) und dessen Team den Film als einzige große Plansequenz anlegen. Obwohl mehrfach bei Übergängen getrickst wurde, so kann eine solche sowohl logistische wie auch handwerkliche Meisterleistung kaum hoch genug geschätzt werden. Mit geradezu unmerklicher Eleganz gleitet die Kamera geschmeidig durch die Szenerien und doch sitzt jedes noch so kleine Detail in diesem komponierten Fluss der Bilder. Doch gerade diese Perfektion der Choreographie wurde für mich letztlich auch zum größten Problem von 1917, wenn schon bald das WIE zum Leidwesen des WAS in den Fokus rückte. Nicht selten interessierten mich die technischen Details der Inszenierung mehr als das eigentliche Geschehen auf der Leinwand.

                                                  Zumal bei einem solch ehrgeizigen Projekt ohnehin schon die Narrative stark der Inszenierung unterworfen ist und spürbar weniger Spielraum lässt. Dadurch fühlte ich mich als Betrachter immer wieder mitten im Geschehen und doch zugleich aus dem Geschehen gerissen. In puncto Immersion funktionierte Dunkirk seiner Zeit im Kino deutlich besser für mich. Durch seine technische Perfektion wirkte 1917 immer wieder seltsam kühl und distanziert auf mich, so dass ich meine Mühe hatte, mit den Protagonisten aufrichtig mitzufiebern. Letztlich erinnert mich der Film irgendwie an Gravity, den ich ähnlich empfand: technisch herausragend, inhaltlich doch eher flach. Dazu trügt der eigentlich großartige Cast rund um Darsteller wie Benedict Cumberbatch, Colin Firth, Andrew Scott und Mark Strong ein wenig, wenn diese im Grunde nur kurze Gastauftritte absolvieren. Und auch der Score aus der Feder von Thomas Newman (Passengers, WALL-E, Skyfall) konnte mich nur bedingt überzeugen, empfand ich ihn in seiner Epik oftmals unpassend zur eher ruhigen und selten actionreichen Narrative. Ohne jeden Zweifel verdienen Mendes und sein Team den allergrößten Respekt für den technischen wie handwerklichen Aufwand, doch letztlich vermochte mich 1917 inhaltlich nicht so recht zu fesseln oder emotional zu involvieren.

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                                                    Manchmal gibt es Filme, die machen es einem wirklich nicht leicht. Der goldene Handschuh von Fatih Akin ist so einer. Irgendwo zwischen Milieustudie, Heimatfilm, Horror und grotesker Komödie, irgendwo zwischen Suff, Absturz, Kontrollverlust und schmalzigem Schlager, irgendwo hinter all diesem Elend, der Verzweiflung, den überfüllten Aschenbechern und leeren Kornpullen, dem Gestank von kaltem Rauch, Pisse und Kotze, da steckt eine lohnenswerte Grenzerfahrung. Akin zeigt dem geneigten Betrachter eine Welt, welche man so meist nur vom schnellen Vorbeigehen und verschämten Blicken kennt, in den seltensten Fällen wohl aus der eigenen Erfahrungswelt. Der goldene Handschuh ist bewusst nicht als Charakterstudie angelegt, versteht sich nicht als Kommentar und versucht gar nicht erst zu erklären oder gar zu psychologisieren, wenn Akin lediglich distanzlos abbildet.

                                                    Sein Blick auf diese schäbige Welt voller Alkoholiker, exzessivem Suff und gescheiterten Existenzen schickt den Betrachter durch ein Wechselbad der Gefühle. Vermögen die Ausflüge in die titelgebende Kneipe – ein Hort der Einsamen, Verlorenen, Desillusionierten, Vergessenen, eine Insel der Gestrandeten mitten auf dem Hamburger Kiez - mitunter so manchen verschämten Lacher auszulösen, der einem dann doch nur wieder im Halse stecken bleibt, so sind es vor allem die Mordszenen, die den Zuschauer in eine unbeteiligte Beobachterrolle zwingen. Dabei ist Akin nie übermäßig explizit und lässt viel abseits des Szenenbildes passieren, doch gerade die Selbstverständlichkeit, mit welcher Honka die Frauen attackiert und ermordet, ist mitunter schwer zu ertragen. Zwar geizt Der goldenene Handschuh nicht mit garstigen Bildern und vermag auch zu schockieren, die Gewalt selbst hingegen überlässt Akin lieber der Vorstellungskraft der Zuschauer. Und Jonas Dassler verkörpert Fritz Honka enorm einnehmend auf gleichermaßen faszinierende wie abstoßende Art und Weise.

                                                    Der goldene Handschuh ist wirklich nur schwer zu schlucken, wenn Akin nüchtern abbildet und zugleich Grauenhaftes zeigt, ohne allzu ausgetretene Genre-Pfade zu beschreiten. Milieu, Drama, Heimat, schonungslos und voller Details in Szene gesetzt. Extrem forderndes, rohes, authentisches deutsches Kino, nachdem man duschen möchte, und dennoch ein Film, den man unbedingt mal gesehen haben sollte.

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