RoosterCogburn - Kommentare
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Alle Kommentare von RoosterCogburn
Genau wie der letzte Film von Sönke Wortmann, so ist “Contra” (2020) die Neuverfilmung eines französischen Films (“Le Brio” von 2017, in Deutschland vermarktet als “Die brillante Mademoiselle Neïla”) und erneut mit Christoph Maria Herbst in einer der Hauptrollen.
Culture Clash ist nur der lose Aufhänger. In erster Linie bedient man sich der Basics der Diskussionskultur, inklusive Alltagsrassimen und Vorurteilen, im Rahmen der Vorbereitung für die Studentin auf den Debattierwettbewerb. Die Kunst des Debattierens lernt der Zuschauer während der Laufzeit hier nicht. Aber das erwartet ja auch niemand. Stattdessen werden in den Wortwechseln rhetorische Strategien angeführt, sowie publikumswirksame Dialektik präsentiert. Und Debatten in einen Mainstreamfilm zu verpacken ist Sönke Wortmann nicht unbekannt. Siehe dazu “Frau Müller muss weg” oder “Der Campus”.
Während die Dreharbeiten vor der Pandemie beendet wurden, konnte der Film erst im Jahr 2021 veröffentlicht werden. Die Gründe kennen wir alle. Viele von uns mussten über Monate selbst zu Hause bleiben.
Ehrlich gesagt, bin ich mit ein paar Entscheidungen in der Handlung nicht warm geworden. Zum Beispiel ist es bei Wortmann keine junge Frau, die gerade erwachsen wird. Hier gibt man ihr stattdessen viel mehr Hintergrund und zeigt, dass sie ein Migrantenkind ist und aus schlechten finanziellen Verhältnissen kommt. Nur um zu begründen, weshalb sie im Alter von 30 Jahren eine Anfängerstudentin ist. Beide Hauptfiguren in “Contra” machen eine Entwicklung durch, die ich beiden nicht zu 100% abkaufe. Besonders Herbst, für den ich eine Schwäche habe, beweist hier, dass er nicht alles spielen kann. In “Contra” gibt Herbst das, was man von ihm erwartet: den emotional wie empathisch verknöcherten Zyniker. In “Le Brio” wird die Rolle vom großartigen Daniel Auteuil ausgefüllt, dem C.M. Herbst nicht das Wasser reichen kann. - Außerdem werden wiedererkennbare Kamerasequenzen und Schnitte wirklich 1:1 aus der Vorlage übernommen. Da hätte ich mir mehr inszenatorische Eigenständigkeit gewünscht.
Auf der Pro-Seite darf “Contra” verzeichnen, auch wenn der Film ein paar Klischees sein Eigen nennen darf, die Hauptfiguren sind keine Stereotype. Es wird verdauliche Sozialkritik geübt, die zum Amüsement taugt, deren Konflikte aber höchstens angedeutet werden und spätestens nach der unvermeidlichen Annäherung seiner Hauptcharaktere schon wieder vergessen sind. Sönke Wortmann gibt sich handwerklich keine Blöße. So vergeht die Laufzeit wie im Flug.
06 - ★★★★★★✩✩✩✩
“Der Vorname” (2018) ist das Remake des französischen Films “Le Prénom” (2012), das auf dem gleichnamigen Theaterstück basiert. Für die deutsche Neuverfilmung hat Sönke Wortmann die Regie übernommen. Bevor ich mir Wortmanns Version angesehen habe, kannte ich bereits das französische Original. Zuerst hatte ich mich auf die Hinterbeine gestellt und empfand das französische Original als besser. Letztendlich ist das reine Geschmackssache und heute stufe ich die Filme als gleichwertig ein. Inhaltlich unterscheiden sich die Filme nur in Details. Selbst der titelgebende Vorname und der Grund für die Diskussion am Abend, ist in beiden Filmen derselbe. Das französische Original ist allerdings eine Viertelstunde länger und ich weiß gar nicht mehr, weshalb. Die Geschichte wird in beiden Fällen als Kammerspiel präsentiert. Auch wenn das deutsche Remake ein paar Mal versucht, damit zu brechen. Die größte Stärke liegt in den Dialogen, dem pointierten Timing und der wirklich ausgezeichneten Besetzung. In der deutschen Version ist die Gewichtung der Rollen auch ein bisschen anders. Es lädt ein: der Literaturprofessor und seine Frau, die auch Hausfrau ist und halbtags als Lehrerin arbeitet. Als Gäste kommen ihr Bruder, ein gutverdienender Lebemann und dessen Lebensgefährtin. Außerdem kommt ihr bester Freund seit Kindertagen, ein Musiker. Während im franz. Original der Fokus im ersten Drittel stärker auf den Bruder gelegt wurde (gespielt von Superstar Patrick Bruel), um auf diese Rolle im letzten Drittel wieder einzugehen. In der deutschen Fassung wird zuerst die biedere Spießigkeit des Literaturprofessors und der Lehrerin in Augenschein genommen. Am Ende bekommt der Herr Bruder trotzdem sein Fett weg. Zu oft erging es mir so, gewisse Szenen wiederzuerkennen, weil ich meinte, das habe ich so oder ähnlich in meinem näheren Umfeld schon einmal gesehen. Das Klischee spiegelt die Wirklichkeit wider.
Der größte Unterschied liegt wohl darin, dass gewisse Dinge typisch für die Franzosen sind und andere klischeehaft deutsch - natürlich auf die gute Art. Eigentlich wollte ich nur darauf hinaus, beide Versionen sind toll. Egal wofür ihr euch entscheidet. Meiner Ansicht nach liegt das an der Vorlage, die ich inzwischen auch schon auf der Bühne gesehen habe. Geschliffene Dialoge, eine temporeiche Handlung, witzige Mißverständnisse und gut aufgelegte Darsteller, die das Potenzial ihrer Rollen ausschöpfen. Dies gilt im Besonderen für Justus von Dohnányi, Caroline Peters und Christoph Maria Herbst. Dass der ein oder andere Einfall der Regie überflüssig erscheint, kann ich verschmerzen. Aber ganz unterm Strich gehört das verfilmte Theaterstück zu den gelungensten deutschen Komödien der letzten Jahre.
08 - ★★★★★★★★✩✩
Werner Herzog versteht es in “Nosferatu – Phantom der Nacht” seine visuelle Sprache und eigene Leitmotive einzubringen. Parallel dazu greift er auf die Traditionen des deutschen expressionistischen Kinos zurück. In seiner Bildsprache und Handlung zitiert er Murnau und bisweilen drehte er den Stummfilm sogar in identischen Einstellungen nach. Trotzdem hat er ein paar Dinge verändert und schafft Platz für seinen persönlichen visuellen Ausdruck. Herzogs Fassung folgt in etlichen Szenen Bild für Bild und Einstellung für Einstellung dem Vorbild. Dies wird besonders deutlich in den Szenen, die in Draculas (aka Nosferatu) Schloss angesiedelt sind. Mit dem Auftauchen des Grafen in Wismar ändert Herzog die Tonalität seines Films. Der Verbreitung des “schwarzen Tods“ (Pest) durch die Ratten wird mehr Raum eingeräumt.
Herzog widerstrebte allen modernen Mühen des Kinos zu Tempo und zwingender Dramatik und erzählt in ruhigen Einstellungen, denen vor allem im ersten Drittel ein Stativ gut getan hätte. Er nahm Bezug auf damals aktuelle Dracula-Umsetzungen (siehe dazu die 70er Interpretationen von Hans W. Geißendörfer und Paul Morrissey). Auch die unterschwellige Erotik aus dem Stoker Roman fängt Herzog ein. Kinski machte den nach Jahrhunderten nachvollziehbar vereinsamten Grafen zu einem wollüstigen Monster, das das Blutsaugen an Isabelle Adjani in einen merkwürdigen Kontext rückte. Die Maske von Kinski orientiert sich äußerlich an Max Schrecks ikonischen Graf Orlok. Aber er trägt den Namen Dracula, präsentiert sich weltlicher und die leicht erhöhte Stimme des kleinen Kinski trägt nicht zu einer creepy Darstellung bei, die ich von einer schauerlichen Ikone erwarte. Ehrlich gesagt, empfand ich einige Sequenzen mit Kinski wirklich als unfreiwillig komisch.
Zarte Einspielungen von Wagner oder die genial komponierte Musik von Popol Vuh tragen durchgängig ihren Teil zur Atmosphäre des Filmes bei. Die einen Zuschauer schwelgen bei so etwas dahin und andere fühlen sich leicht genervt. Als Filmscore löst es bei mir auch keine Begeisterung aus. Die schönen Landschafts- und Gebirgsaufnahmen erinnern mich an die Romantik oder Belle Époque. Nicht unbedingt an das ferne Transsylvanien. Auch habe ich mir Wismar zur Zeit an Preußen anders vorgestellt. Aber das ist wohl der Produktionszeit geschuldet. Außerdem ist Werner Herzog Vertreter des Neuen Deutschen Films. Bei Herzog gut erkennbar an dieser eigentümlichen Poesie, die seine Spielfilme durchzieht. Schwermütig, melancholisch und manchmal affektiert empfinde ich seine Schauspielführung. Nicht nuanciert, eher roh und unvermittelt, werden dem Zuschauer die Visionen des Filmemachers präsentiert. Baaah.
@Nospheratu99 Es tut mir leid, aber bei mir hat die Umsetzung von Herzog nicht funktioniert. Wenn es um filmische Interpretationen von Bram Stokers Schauerroman geht, kenne ich einige Adaptionen, denen ich mehr abgewinnen kann. Handwerklich ist die Produktion zu gut umgesetzt, um sie als “ärgerlich” zu bezeichnen. Man kann hier viel entdecken, aber weiterempfehlen würde ich den Film nicht.
Weil ich keinen echten Zugang gefunden habe und der Unterhaltungswert für mich auf der Strecke blieb, gibt es
04 - ★★★★✩✩✩✩✩✩
Franco Amore (Pierfrancesco Favino) hat in seinen 35 Dienstjahren kein einziges Mal auf einen Menschen geschossen. Doch in der Nacht vor seiner Pensionierung wird die Welt des Polizisten auf den Kopf gestellt.
Regisseur und Autor Andrea Di Stefanos zeigt Mailand gefährlich nah an der Grenze zwischen Recht und Verbrechen. Mit den Elementen des Cop-Dramas und des Thrillers badet “Die letzte Nacht in Mailand” wohltuend in den Grauabstufungen des Noir-Kinos. Der Filmemacher präsentiert dem Zuschauer Schusswechsel, Menschen, die sterben, korrupte Cops, eine allumfassende Atmosphäre von Misstrauen, Angst und Verrat, sowie den zynischen Helden in einer Produktion, die für die Leinwand gemacht ist. Die Systemkritik des Korruptionskrimis empfinde ich als sehr interessant. Jedoch wird dieser Ansatz nicht ausgenutzt. Zu sehr lässt man sich auf die Figuren vergangener Tage ein. Auf die chauvinistische Charakterzeichnung des gestrigen italienischen Kinos. Außerdem denke ich, dass der Film als Zielgruppe die ältere männliche Generation hat. Das merkt man schon an der Besetzung und dass Frauen hier generell keinen wichtigen Part übernehmen durften. - Die Uraufführung des Neo-Noir erfolgte bei der Berlinale 2023.
07 - ★★★★★★★✩✩✩
“Der Käfig” (La Cage) taucht mit dem Zuschauer in ein Universum ein, das selten für eine Serie erkundet wird. Im Mittelpunkt steht ein junger Amateuer-Kämpfer (Melvin Boomer), der sich in fünf Folgen als MMA-Fighter beweisen will. Eine unerwartete Möglichkeit katapultiert ihn ins Rampenlicht. Zu diesem Zeitpunkt erinnert der Inhalt unweigerlich an eine MMA-Rocky-Version im Instagram-Zeitalter. Auch als sich unser Held mit einem furchterregenden Gegner konfrontiert sieht, wird der Genre-Liebhaber an die berühmten Erzählmuster dieser Filmgattung erinnert. Doch die Macher bekommen die Kurve und können aus ihren Möglichkeiten eine erzählenswerte Variation entstehen lassen.
Aufgrund dessen, wie der Erzählbogen geschnitten wurde, erreicht die Handlung nie die Tiefe, die ich mir wünsche. Für meinen Geschmack sind auch einige Charaktere teilweise zu skizzenhaft geraten. Allerdings wirkt die Welt des MMA roh, glaubwürdig und intensiv, was der Show zugutekommt. Die kurze Serie profitiert in dieser Hinsicht auch vom Mitwirken der MMA-Sportler Ciryl Gane, Jon Jones und Georges Saint-Pierre. Für eine auf Netflix veröffentlichte Show wird die Kampfchoreographie für den Zuschauer eindringlich inszeniert.
06 - ★★★★★★✩✩✩✩
Ich muss zugeben, M. Night Shyamalan gehört wirklich nicht zu meinen favorisierten Filmemachern. Zu oft wiederholen sich seine Stoffe, seine Plot-Twists sind inzwischen extrem ranzig und im Laufe seiner Karriere ist er mir zu stark auf die esoterische Schiene abgedriftet. Mit “Signs” und “The Last Airbender” hat das angefangen und zieht sich bis heute durch seine Filmografie. Zuletzt war “Knock at the Cabin” so ein Vertreter.
Aber er hat auch Drehbücher geschrieben, die vom genannten Weg abweichen. Siehe zum Beispiel “Unbreakable”, “Devil” oder “Split”. Auch sein neuer Streich “Trap” zählt dazu. Die titelgebende Falle wird Rileys Vater (Josh Hartnett) gestellt, der mit seiner Tochter auf einem Konzert von Lady Raven ist. Vor Ort bemerkt er die hohe Polizeipräsenz und schnappt auf, dass das FBI die Veranstaltung nutzt, um den lang gesuchten “Butcher” zu schnappen. Schnell wird für den Zuschauer klar, dass er der Gesuchte ist. Wirklich gemein oder raffiniert sind das Drehbuch und die Inszenierung nicht. Für meinen Geschmack hätte einiges ruhig böser sein dürfen. Der Film ist nicht unspannend und besitzt einen gewissen Reiz durch Einsatz von schwarzem Humor, aber man sollte dem Endergebnis nicht zu viel Erwartungen entgegenbringen. Einen sinnvollen Inhalt erwarte ich von Autor, Regisseur und Produzent M. Night Shyamalan sowieso nicht.
Er produzierte kürzlich “The Watchers” und gab damit seiner jüngsten Tochter Ishana Shyamalan eine Bühne als Regisseurin. Hier gibt er seiner ältesten Tochter Saleka Shyamalan einen Bühnenauftritt im wahrsten Sinne des Wortes. Sie stellt im Film eine Sängerin dar, um ihre eigene Karriere als Sängerin zu pushen. Und seien wir ehrlich, dass ihr Auftritt an andere gegenwärtige Künstlerinnen angelehnt ist, kommt nicht von ungefähr. Denn Saleka Shyamalan als Lady Raven besitzt weder eine eigene Präsenz, noch eine Stimme mit Wiedererkennungswert. Genau das wirkt sich auch auf ihre darstellerischen Qualitäten aus. Im Übrigen hat sich der Regisseur und Autor auch eine Rolle geschrieben und tritt als Onkel von Lady Raven auf.
Vor allem in der ersten Hälfte macht der Film Spaß. Wir erinnern uns an Filme wie “Sudden Death", in dem ein Vater und sein Nachwuchs ein Großereignis besucht und dieses von Kriminellen bedroht wird. Das Prinzip wird auch hier benutzt und auf den Kopf gestellt, weil der Vater die Bedrohung darstellt. Man fiebert sogar eine Weile mit ihm mit und fragt sich, ob er aus der Sache heil herauskommt. Dumm nur, das Shyamalan offenbar die Ideen ausgehen und er einen Kurswechsel einschlägt. In der zweiten Hälfte steigt die Unglaubwürdigkeit innerhalb der Fiktion immens an. Parallel dazu fehlt es dem Drehbuch an nennenswerten Einfällen, um die Dramaturgie voranzutreiben.
Des Marshals Fazit: Kein Überflieger, es ist noch Luft nach oben. Doch die Idee um den Butcher lässt sich weiterspinnen. Außerdem ist es M. Night Shyamalan bester Kinofilm als Regisseur seit “Split” (2016) und Josh Hartnett, der zuletzt mit “Operation Fortune” (R: Guy Ritchie) und “Oppenheimer” (R: C. Nolan) von sich reden machte, darf hier seine Spielfreude zeigen.
05 - ★★★★★✩✩✩✩✩
Ja, er ist immer noch da. “Mad Mel” ist weiterhin im Filmbiz tätig. Rückblickend betrachtet knüpfte Mel Gibson an seine erfolgreichsten Zeiten nie mehr an. Er hat mit seiner fünften Regiearbeit 2017 nochmal eine Oscar-Nominierung sowie Golden Globe-Nominierung erhalten und einige unkten damals von einem Comeback. Doch dafür hat er seinen Ruf nachhaltig zu sehr zerstört. Trotzdem war er in den letzten 15 Jahren regelmäßig in diversen Rollen vor der Kamera zu sehen. Vieles davon kann man sich jedoch schenken.
Nun hat Donald Trumps frisch ernannter “Special Ambassador” eine neue Regiearbeit vorgelegt und damit macht er Hollywood “stronger than ever before”.¹ Kurz gesagt: “Flight Risk” ist ein ungeschickt inszenierter, komaauslösender Haufen Müll. Plot: Ein US Marshall (Michelle Dockery) soll einen Zeugen (Topher Grace) von Alaska nach Seattle bringen. Dieser wird in einem Propellerflugzeug überführt. Die Flugzeit von etwa 75 Minuten findet ungefähr gleich zur Laufzeit statt. Während dieser Zeit sieht der Zuschauer die beiden Beteiligten und den Piloten (Mark Wahlberg). Wenn die ersten 20 Minuten rum sind und die Grundidee aus dem Sack ist, kommt nix unterhaltsames mehr außer der Landung am Ende des Filmes. Der komplette Rest ist selbst für 1 ½ Stunden zu wenig. Ein quälend langsames Erzähltempo, schlechte Darbietungen und der Eindruck, dass die Darsteller nie das Studio verlassen haben. Wieso hat dieser Film eine Kinoauswertung? Ich hatte ja an “Carry-On” (2024) ein paar Dinge auszusetzen. Aber wenn ich das Handwerkliche mit dem Netflix-Content vergleiche, ist “Carry-On” weit besser gelungen, trotz seiner Fehler. Hier ist die Frisur von Mark Wahlberg noch das kreativste.
Mit solchen Filmen will man also viel bewegen? Oder wie Trump twitterte
“They’ll Bring ‘Lost Business’ Back”. Das Marketing bezog sich schüchtern auf “the director of Braveheart and Apocalypto”. Klug, aber in den Staaten hat es nicht viel genützt. Das Einspielergebnis im Inland beträgt unter 12 Millionen USD. Die weltweiten Einnahmen decken derzeit nicht einmal das Budget (ohne Marketing- und Vertriebskosten).
02 - ★★✩✩✩✩✩✩✩✩
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¹ https://variety.com/2025/film/news/trump-sylvester-stallone-mel-gibson-jon-voight-ambassadors-hollywood-1236276088/
Luc Besson arbeitet erneut zusammen mit Caleb Landry Jones und besetzt ihn in der Titelrolle. Die Neuinterpretation konzentriert sich auf die Jahrhunderte überdauernde Liebe. “It’s a totally romantic approach. It’s a love story about a man who waits for 400 years for the reincarnation of his wife.” sagt Besson über seine Adaption. Mit Zoë Bleu Sidel als Elisabeta und Christoph Waltz als vampirjagender Priester. Ein Release für "Dracula: A Love Tale" steht noch nicht fest. Da aber die Hauptdreharbeiten letztes Jahr waren, kursieren Gerüchte über Mitte 2025.
https://deadline.com/2024/07/luc-besson-dracula-love-tale-interview-set-caleb-landry-jones-valerian-first-image-1236008533/
USA, Alabama, vor beinahe hundert Jahren. Jean Finch (Mary Badham), genannt Scout, verbringt mit ihrem vier Jahre älteren Bruder Jem (Philip Alford) und einem Nachbarsjungen den Tag mit Spielen. Aus der Kinderperspektive blickt man auf ihren verwitweten Vater Atticus Finch (Gregory Peck), der Anwalt ist. Bei Gesprächen am Abend erteilt er seinen beiden Kindern immer wieder anschaulich und kindgemäß Lektionen in Humanismus und Zivilcourage.
Nur zwei Jahre nach Erscheinen von Harper Lees Roman, der 1961 mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnet wurde, folgte die Verfilmung (Regie: Robert Mulligan, Produzent: Alan J. Pakula). “To Kill a Mockingbird”, wie der Roman im Original heißt, also “Eine Spottdrossel töten”. Ebenso wie die Vorlage verbindet die Adaption Abenteuergeschichte (als Coming-of-Age) und Justizfilm. Ungeachtet mancher formaler Schwächen und ihrer Nähe zu nostalgischen Klischees, ist es ein menschlich bewegender und gelungener Film mit hoher ethischer Haltung, der überzeugend gegen Rassismus und für Toleranz eintritt. Ein Grundsatzthema, das in unserer Gegenwart aktueller denn je erscheint. In der Geschichte übernimmt ein weißer Anwalt die Verteidigung eines Afroamerikaners. Viel Zeit lässt sich Robert Mulligan bei seiner Regie für die Exposition. Mit dem langsamen Erzählrhythmus und den bestechenden Schwarzweißbildern von Kameramann Russell Harlan evoziert er intensiv die lethargische Stimmung eines heißen 30er Jahre Sommers.
Wie Atticus Finch seinen Kindern gegenüber immer verständnisvoll ist, ihnen zuhört und auf sie eingeht, so scheint er sich auch im Beruf immer für die Menschen einzusetzen. Aus Kinderperspektive erlebt das Publikum die Anfeindungen, die Atticus vom Vater der Anklägerin erfährt, oder wie er den Inhaftierten gegen einen Lynchmob verteidigt. Über eine Stunde lässt sich Mulligan bis zum Prozess Zeit. Schlüssig deckt Finch die Haltlosigkeit der Anklage auf, doch die Entscheidung über Schuld und Unschuld fällen die ausschließlich weißen Geschworenen. Atticus kämpft vor Gericht für seinen Klienten Tom Robinson, obwohl er sich seiner geringen Chancen bewusst ist. Der tief verankerte Rassismus der Menschen wird alle Logik und Unschuld überwiegen. Dennoch versucht er, Tom Robinson vor Gericht zu verteidigen.
Aus heutiger Sicht kann man den Film "To Kill a Mockingbird" mit seiner Fokussierung auf Finch und seinen Kindern freilich kritisieren. Für manche erscheint Finch als "White Savior" (weißer Retter), der sich für den machtlosen Afroamerikaner einsetzt, während der Angeklagte selbst und dessen Familie im Film kaum Profil gewinnen. Doch dieser Vorwurf ist anachronistisch. Denn während der Produktionszeit in den 1960er Jahren, als sich die Bürgerrechtsbewegung auf ihren Höhepunkt zubewegte, war dieser Film mutig und in seinem Plädoyer gegen Rassismus und für Toleranz und Humanismus ein klares Statement. Mit einem weißen Sympathieträger ergreift der Film Partei gegen Rassismus und für die Bürgerrechtsbewegung. Da "To Kill a Mockingbird" in den 1930er-Jahren spielt, zeigt die Story Rassismus und Referenzen zur Great Depression auf. Typisch für die 1930er-Jahre sind zum Beispiel die Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen. Frauen hatten damals im Prozess kein Stimmrecht. Durch die Perspektive eines Kindes gelingt es, sich komplexen Themen wie Rassismus mit kindlicher Naivität zu nähern und zum Nachdenken anzuregen. Die Fragen von Finchs Tochter beziehen sich auf humanistische, menschliche und soziale Zusammenhänge. Sie bestechen durch ihre Einfachheit und Unschuld. Scout fragt ihren Vater, ob alle Anwälte Schwarze Klienten haben, weil es für sie so klingt, als wäre es etwas Schlechtes. Atticus erklärt, dass es nichts Schlechtes sei und in der Laufbahn eines jeden Anwalts ein Fall käme, der ihn persönlich betreffe.
Die Geschichte wirkt auch Jahrzehnte später nicht aus der Zeit gefallen. Schwarze Menschen leiden nach wie vor in den USA unter unverhältnismäßiger Polizeigewalt und werden sechsmal häufiger inhaftiert als Weiße. Spätestens seit dem Tod von George Floyd hat der Protest gegen den Alltagsrassismus in den USA und für mehr Gerechtigkeit ein neues Level erreicht. Die Verbindung zwischen dem fiktiven weißem Bürgerrechtsanwalt aus dem Roman und der realen politischen Bewegung im Bundesstaat Alabama ist geblieben: Der Name Atticus Finch stand auch 2014 bei den ersten Protesten von "Black Lives Matter" auf den Schildern vieler Demonstranten, nachdem der unbewaffnete Michael Brown in Ferguson, Missouri, von einem Polizisten erschossen worden war. US-Präsident Trump hat die Ungleichbehandlung in den USA politisch noch verstärkt, als er die "Black Lives Matter" mehrfach verurteilte.
Eine bewegende Verfilmung von Harper Lees Roman und ein mutiges Zeugnis amerikanischer Filmgeschichte, das leider kaum an Aktualität verloren hat.
09 - ★★★★★★★★★✩
Persönliche Randnotiz:
Eine Spottdrossel (nicht Nachtigall) ist ein kleiner, harmloser Vogel, der niemandem Leid zufügt. Er symbolisiert Unschuld. Der Tod eines unbedarften Wesens hat keinen Nutzen oder Vorteil, sondern ist unnötige Grausamkeit und Sünde. Ein Synonym zum Handlungsplot. Der Nachname der Protagonisten lautet Finch (deutsch: "Fink"). Auch Finken wirken ganz ähnlich wie Spottdrosseln, unschuldig und schaden niemanden mit Vorsatz.
OFF TOPIC:
Folgendes passt super in unsere Gegenwart, da die Gesellschaft über das Internet und die sozialen Medien sowohl kommuniziert als auch ihre Meinung bildet.
Sophia trägt ein T-Shirt auf dem "Remigration" steht. Ihr persönlicher Weihnachtswunsch ist Ausländer aus Deutschland zu deportieren. Sophia ist KI-generiert und sorgt gezielt um die Manipulation der öffentlichen Meinung.
https://www.tagesschau.de/faktenfinder/kontext/rechte-ki-influencer-100.html
Nachdem Venom, Morbius und Madame Web von Sony adaptiert worden sind, sollte jedem, der das ertragen hat, klar sein, wie erbärmlich “Sony’s Spider-Man Universe” geworden ist. In der filmischen Fortsetzung hat Sony quasi aus dem Antihelden Venom einen schwulen Buddy von Eddie Brock gemacht. Jetzt geht in Teil 3 der kitschig-dumme Scheiß weiter. Die Handlung schafft es, noch unsinniger und wirrer zu sein als die beiden vorherigen Venom-Leinwand-Abenteuer. Natürlich ist Hardy spielfreudig wie immer, aber die Dynamik zwischen den Charakteren Venom/Brock ist statisch und wirkt zunehmend abgestanden. Emotional kann mich das komplette SSU bislang nicht berühren und das witzigste ist der unfreiwillige Humor. Schade, dass keiner dieser Filme das Bedürfnis nach Eigenständigkeit hat. Während das MCU und das beendete DCU vorgemacht haben, wie es geht, glänzen die Filme des SSU durch Beliebigkeit. Kein bisheriger Film setzt sich wirklich mit seiner Titelfigur auseinander.
Man kann noch sehr viel mehr bemängeln, aber … puh.
03 - ★★★✩✩✩✩✩✩✩
Im Mittelpunkt steht die Investigativjournalistin Veronica Guerin, ihre Recherchen über die irische Unterwelt und das Schicksal, dass sie ereilte. Bereits “Allein gegen das Verbrechen” (When the Sky Falls, 2000) wurde durch ihr Schaffen inspiriert. Cate Blanchett in der Titelrolle liefert einen souveränen Auftritt, der ihre Darstellungskraft bezeugt. Leider macht das Drehbuch und Regisseur Joel Schumacher die faszinierende Geschichte der couragierten Journalistin zu einer formelhaften Angelegenheit. Mich kann diese Adaption nur bedingt fesseln. Da nützt dann auch der Enthusiasmus von Ciarán Hinds wenig oder dass Colin Farrell einen kleinen Auftritt hat. Zu pathetisch und vereinfacht ist das Ergebnis. Etwas, was ich dem Regisseur und dem Produzenten zuschreibe, die sich mit diesem Stoff schlicht übernommen haben.
Auf der anderen Seite hat Schumachers Inszenierungsstil einen Vorteil: eine komplexe Thematik wird für den unbedarften Mainstream-Zuschauer entsperrt und als Jerry-Bruckheimer-Mythos in Hollywood-Manier aufbereitet. Wen es wirklich interessiert, der kann sich über die dreißig Jahre alte Begebenheit informieren.
05 - ★★★★★✩✩✩✩✩
Zwei junge Missionare der Kirche Jesus Christ of Latter-day Saints kommen zum Haus des Mr. Reed. Ein Mann etwa um die 60, der zurückgezogen lebt. Sister Barnes und Sister Paxton lassen sich herein bitten und erzählen dem freundlichen Herren von ihrem Glauben. Kurzinfo: Die LDS Church ist eine Mormonenkirche. In den Staaten sind die Mormonen, nach den Katholiken und den Protestanten, die drittgrößte christliche Glaubensgemeinschaft. Um sich davon eine ungefähre Vorstellung zu machen: In der Bevölkerung der USA leben anteilig etwa so viele Mormonen wie Juden.
Mit dem Missionieren wird es allerdings nichts, denn sehr schnell zwingt Mr. Reed die beiden Mormoninnen zu einer Diskussion über Spiritualität, Selbstbilder, Aufrichtigkeit – und Glauben. Diese Ausgangssituation könnte auch die Basis für ein herkömmliches Drama bilden, und wenngleich Reeds steile Thesen zum Thema Religion einen provokativ-anregenden Reiz aufweisen, werden sie einen Theologie-Studenten wahrscheinlich nicht überraschen. Doch “Heretic” ist kein philosophisches Drama, sondern Psycho-Horror. Durch geschickt gesetzte Kniffe verschiebt sich das Ganze, bevor die Bedrohung handfest wird. Die vermeintlich harmlosen Fragen des Mr. Reed sind immer ein bisschen neben der Spur. Ausstattung, Lichtsetzung, Kamera und Schnitt verstärken die ungreifbare, unbehaglich wirkende Form von Suspense. Es ist die Art und Weise, wie Hugh Grant als Mr. Reed den Sistern Barnes und Paxton seine „Predigten“ hält, indem er zwischen Drohungen und Mansplaining hin- und herspringt. Das ist auf eine Weise gleichermaßen erschreckend, wie aufschlussreich in Bezug auf sein Verständnis und seine Beherrschung dieser Themen.
Mr. Reed zeigt sich an der LDS-Church sehr interessiert, stellt aber auch zunehmend kritische Fragen. Er stellt eine für den Zuschauer nachvollziehbare Analogie her. Vom Spiel “The Landlord’s Game” zur bekannten Kopie “Monopoly”, das sich stattdessen auf dem Markt durchsetzte, über den berühmten Hollies-Hit "The Air that I Breathe". Er schlägt den großen Bogen - spricht von Thora, Bibel und Koran - und weist darauf hin, dass diese auf deutlich ältere Werke aufbauen. Bald möchten die beiden Missionare gehen, müssen aber feststellen, dass die Haustür an ein Zeitschloss gebunden ist. Der Ausgang ist bis zum nächsten Tag nur nach hinten hinaus möglich. Zur Wahl stehen zwei Türen, die eine mit "Glaube" beschriftet, die andere mit "Unglaube".
Für mich wirkt die Arbeit der beiden Missionare glaubwürdig. Ich habe gelesen, dass der Film “a fairly provocative portrayal of faith in general”.¹ sei und dass die beiden Darstellerinnen der Missionare, Sophie Thatcher und Chloe East, die Figuren mit erarbeitet haben. Grund dafür ist, dass sowohl Thatcher als auch East ehemalige Mormonen sind. Ich finde, die beiden treiben sehr gut die Dynamik ihrer Rollen voran und wirken dabei ebenso kämpferisch wie sensibel. Insgesamt kommt "Heretic" der Beschreibung eines straffen und vielschichtigen Psychothrillers am nächsten. Die Inszenierung offenbart eine dichte Dekonstruktion, die sich an den Religionen ab arbeitet, die aus den Weltreligionen entsprungen sind. Die Handlung um zwei gefangene Missionare wird benutzt, um verschiedene theologische Konzepte aufzuarbeiten. Offenbar sehen das auch ehemalige Mormonen so: “several ex-Mormon viewers noted that the terror of the film’s latter half offered a metaphor for the bewildering deconstruction of belief system.” ¹
07 - ★★★★★★★✩✩✩
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¹https://www.theguardian.com/film/2024/nov/12/heretic-movie-mormons-react
Persönliche Randnotiz:
Als sich die Missionare (oder heißt es Missionarinnen?) für eine Tür entschieden haben und hinab steigen, wird erneut auf den Vergleich mit der Musik eingegangen. Oben spielte man für die beiden noch das Lied “The Air That I Breathe” von den Hollies und unten hören sie “Creep” von Radiohead, was Mr.Reed (Hugh Grant) als Variante beschrieb. Wenn ich mich recht erinnere, wird im Film die Version von den Hollies als das Original bezeichnet. Das Original hat Albert Hammond auf seinem Debütalbum veröffentlicht. Zwei Jahre später haben die Hollies es gecovert und einen Hit gelandet. Wie man diesen Fakt in Bezug auf den Film lesen möchte, kann sich jeder selber aussuchen.
Vorweg muss ich etwas loswerden, weil ich es einige Male in diversen Meinungen zu dem Film gelesen habe: Mit dem “Die Hard”-Sequel hat der Film so rein gar nichts gemein. Okay, beide spielen an Weihnachten und am Flughafen. Das war es mit den Gemeinsamkeiten. Ernsthaft, wer da mehr drin sieht, kennt entweder beide Filme nicht oder kann nicht differenzieren. Allein der strukturelle Plot von “Carry-On” funktioniert ganz anders. “Carry-On” ist keine One-Man-Army Show, sondern eher ein Action Crime Movie. Meinetwegen auch Action-Thriller. Aber bei mir kam der Thrill nicht so recht an.
In der ersten Hälfte erinnert mich die Prämisse von “Carry-On” stark an Filme wie “Cellular” (2004) oder “The Call” (2013). Der Protagonist wird durch ein mobiles Kommunikationsmittel kontaktiert, bedroht und soll etwas gegen seinen Willen machen. Nach der Exposition ist das auch hier der Fall. In “Carry-On” soll ein Angestellter des TSA (Sicherheitsbehörde, das dem U.S. Department of Homeland Security zugehört) dafür sorgen, dass ein Koffer die Sicherheitsverfahren am Flughafen ungehindert passieren kann. Macht er das nicht, werden seine Kollegen getötet. Unter seiner Kollegschaft befindet sich auch seine Freundin. Die wird übrigens von einer mega-unglaubwürdigen Sofia Carson dargestellt (ein Disney-Channel-Emporkömmling).
Irgendwann nimmt das ganz auch ein wenig Fahrt auf. Aber mir ist aufgefallen, dass der Film wenig mit dem gemein hat, was man von Jaume Collet-Serra aus der ersten Hälfte der 2010er Jahren kennt. Wer ein Spannungsniveau oder Action erwartet wie bei “Unknown Identity” oder “Non-Stop”, das bekommt man hier nicht. Ich erwarte bei diesen Voraussetzungen nicht, dass es besonders tiefgründig wird. Aber schon, dass die Action reizvoll inszeniert ist. Man sieht dem Film in einigen Sequenzen ja an, dass er das Budget von 50 Millionen USD nicht überschritten hat. Einfach mal auf die Action-Sequenz im Auto achten, mit Detective Elena Cole (Danielle Deadwyler) und Agent Alcott (Logan Marshall-Green). Die Kamera bleibt dabei im Auto. Ein Stuntfahrer ist gar nicht notwendig, weil kein Stunt zu sehen ist. Von solchen visuellen Tricks wimmelt der Film. Anstatt die Action direkt zu zeigen, geht man dem Offensichtlichen aus dem Weg und trickst das Publikum aus.
Nicht immer clever, nicht immer effektiv, eher altmodisch als modern und unoriginell. Positiv ist die Besetzung von Jason Bateman und Taron Egerton. Bei Sofia Carson habe ich mich in den Großaufnahmen immer gefragt, ob sie eine Nasenkorrektur hinter sich hat und sie sich Hyaluronpräparate hat injizieren lassen. Die sieht doch nicht normal aus. Deren Erscheinungsbild empfand ich wahnsinnig irritierend. Sie hat mich an einen Instagram-Filter erinnert.
Unterm Strich war es angenehm unterhaltsam, aber auch unglaublich überraschungsarm. Wer bei Netflix auf Action aus ist, sollte lieber zu anderen Angeboten greifen.
06 - ★★★★★★✩✩✩✩
Das Drehbuch entstand nach dem gleichnamigen Bestsellerroman von Stand-Up-Comedian Felix Lobrecht (Podcast “Gemischtes Hack”). Erzählt wird die Geschichte von vier heranwachsenden Typen, die im Berliner Stadtteil Gropiusstadt Anfang der 2000er leben. Die Handlung spielt kurz vor der Einführung des früheren Arbeitslosengeldes II, etwa zu der Zeit, als die Jobcenter in der Bundesrepublik eingeführt wurden. Aus Geldnot brechen die Vier in ihre eigene Schule ein und stehlen einige Computer, die sie anschließend verkaufen wollen. In einer Mischung aus Autobiographischem und Fiktion (ebenso wie der Roman) zeigt uns Filmemacher Wnendt eine übersteigerte Milieustudie. Zuweilen ist das ein humorvolles sowie spannendes Coming-of-Age Drama, das zwischen Sozialwohnung und Brennpunkt-Klischees spielt. Inmitten einer Betonlandschaft gestaltet sich das Erwachsenwerden unter besonderen Umständen für die Vier als herausfordernd.
Allerdings ist David Wnendt (inszenierte “Kriegerin” und “Feuchtgebiete”) bei seiner Zeichnung des Milieus nicht so genau, wie ein Leser der Vorlage es erwartet. Der Film erlaubt es sich, kaum zu differenzieren. Er beginnt empathisch, um dann dem Zuschauer gegenüber zu unterstellen, dass vor zwanzig Jahren der komplette Stadtteil aus Müll, Alkoholikern und Hoffnungslosigkeit bestand. Während die Verknüpfung mit der Modernen in der Dramaturgie gut funktioniert und die Konfliktspirale innerhalb der Charaktere mehr als anständig ausgearbeitet wurde, wirkt die Darstellung des Handlungsortes auf mich wie eine Einbahnstraße. Ich bezweifle nicht, dass ähnliche Einzelschicksale existieren oder existiert haben. Aber hier wird ein so enger Kosmos als Spiegelbild eines kompletten Stadtteils genommen. Es fällt mir schwer zu glauben, dass die Jugendlichen mit Niemanden außerhalb ihres Kreises Kontakt haben könnten. Kein Pädagoge, kein Sozialarbeiter, keine Gleichaltrigen, die aus einem anderen Stadtteil kommen - keine Möglichkeit dem zu entrinnen?! Wenn das alles so gewesen wäre, wie es die Erinnerung von Felix Lobrecht fiktionalisiert, frag ich mich, wie er dem Plattenbau entkommen ist? So richtig authentisch wirkt das auf mich nicht. Hat eher was von der provokanten Sprache des Autors, wie er bei seinen Stand-Ups zu erleben ist. Vielleicht trägt auch der Slang der Vier dazu bei. Meinem Empfinden nach, entspricht der gesprochene Slang mehr dem heutigen als dem von vor zwanzig Jahren. Auf mich wirkt es wie eine Geschichte, die mir ein Kumpel erzählt hat, und der hat das vor zehn Jahren in einem Buch gelesen. Das Problem für mich ist, ein dramatischer Millieu-Film sollte etwas gegenwärtiges vermitteln und in seiner Struktur glaubhaft sein. Beides empfinde ich hier nicht. Stattdessen gibt man sich einigen Klischees hin und garniert das mit abgedroschenen Figuren.
Das Fazit des Marshals: Mit spürbarer Empathie hat Wnendt versucht, das Milieu in den Blick zu nehmen. Gecastet und gedreht wurde im Kiez, mit Kids aus Gropiusstadt und Neukölln. Allerdings spielen diese, trotz der Spielleitung von Regisseur Wnendt, recht hölzern. Die DNA dieses Filmes entspricht der Familie von “La Haine” (1995), “Kids” (1995) und “Tschick” (2016). Kann aber keinem der Beispiele das Wasser reichen. Ich finde “Sonne und Beton” ganz okay, aber er reißt mich nicht zu Lobeshymnen hin. Schade, dass man hier Möglichkeiten liegen gelassen hat. So ist es nur “Stand by Me” in Berlin-Neukölln ohne Klasse oder Finesse - mit Abstrichen jedoch unterhaltsam.
06 - ★★★★★★✩✩✩✩
"Wir Kinder vom Bahnhof Zoo” sind erwachsen geworden. Wer sich gefragt hat, was aus Natja Brunckhorst geworden ist, der Darstellerin der Christiane F. (1981), die ist inzwischen Schauspielerin und Regisseurin. Nach ihrem guten Erstling “Alles in bester Ordnung” (2022) ist das ihr zweiter Film, bei dem sie für Drehbuch und Regie verantwortlich ist. Übrigens, sie ist in einem Gastauftritt als Grenzbeamtin zu sehen. Der Film “Zwei zu eins” spielt in einer Vergangenheit, in der Graffitis die Wände zierten, wie zum Beispiel “Ihr wolltet KOHL, jetzt habt ihr den SALAT”. Wir befinden uns in Halberstadt, Harz. Letzten November sind die innerdeutschen Grenzen geöffnet worden. Die letzten Schranken innerhalb Deutschlands sind gefallen. Innerdeutsche Personenkontrollen sollen abgeschafft werden. Es ist Ende Juni 1990. Drei Menschen “finden” durch einen Vierten mehrere Millionen Mark. Allerdings sind es Ost-Mark und in drei Tagen verliert das Geld seinen Wert. Denn ab dem 1. Juli ersetzt die D-Mark die Währung der DDR.
Wie bei ihrem Debüt konzentriert sich Natja Brunckhorst auf das Aufeinanderprallen verschiedener Lebensentwürfe (tatsächlich ein Thema, dem ich immer öfter begegne, je älter ich werde). Karoline Herfurth thematisiert das in ihren Filmen als Regisseurin auch sehr gerne. Und genau wie sie, hat Brunckhorst ein Gespür für stimmige Momente und Leichtigkeit. Richtig positiv mitgenommen habe ich das Feingefühl für elegische Szenen, ohne dass die Filmemacherin dabei nostalgisch wird oder sich gar der Ostalgie hingibt. Besonders in der ersten Hälfte ist “Zwei zu eins” eine abenteuerliche Sommerkomödie, die mit einer wunderbaren Besetzung glänzt. Sandra Hüller, Max Riemelt, Ronald Zehrfeld und Peter Kurth halte ich für ausgezeichnete Schauspieler. Diese werden noch von dem Charakterkopf Martin Brambach ergänzt. In viel zu kleinen Nebenrollen darf man sich noch auf Olli Dittrich und Kathrin Wehlisch freuen. Die zweite Hälfte ist eine Geschichte über Ausverkauf, windige Geschäftemacherei und eine amüsante Räuberpistole. Für meinen Geschmack sind nicht alle Charaktere gelungen. Das fiel mir am meisten bei Maren auf (Sandra Hüller). Gut gespielt, sofern man das von einer so gewöhnlichen Figur ohne Tiefe überhaupt sagen kann. Aber wie ich bereits eingangs erwähnte, die Charakterzeichnung lag nicht im Fokus der Drehbuchautorin.
Die Handlung ist von A bis Z fiktiv. Als Inspiration dienten der historische Umbruch während der Wende und der “Schatz von Halberstadt”. Die DDR-Staatsbank lagerte Millionen wertlos gewordener Geldscheine - dreitausend Tonnen Bargeld - in einem nicht mehr benutzten Stollen. Aber anders als im Film vergingen gut zehn Jahre vom Zeitpunkt der Einlagerung bis zu Einbrüchen in den Stollen. Mehr Informationen über die realen 298 LKW-Ladungen Ost-Mark findet Ihr hier:
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/finanzen/ddr-geld-halberstadt-schacht-bargeld-geldscheine-100.html
07 - ★★★★★★★✩✩✩
Persönliche Randnotiz:
Ich muss bemerken, dass mir der Handlungsort nicht unbekannt ist. Einen gewissen Teil meines Lebens habe ich in Hannover verbracht. Der Verlauf der innerdeutschen Grenze war nur etwa 100 km entfernt. Eine nicht unbedeutende Fernstraße war bei Mattierzoll, ein Ort, der etwa 30 km von Halberstadt entfernt liegt. Auf niedersächsischer Seite war es Grenzgebiet, das vom ehemaligen Bundesgrenzschutz bewacht wurde. Am 12. November 1989 war die Grenzöffnung zwischen dem Westen und Mattierzoll. Uns erging es damals so, wie die Charaktere im Film. Wir wollten mal rüber. Nur um zu gucken. Aus Neugierde. Deshalb hatte mich der Film an einer Stelle sehr persönlich berührt.
Antonia, genannt Toni, zieht ihre fünf Kinder alleine groß. Ein Vollzeitjob. Sie singt auch abends in Bars, weil sie Talent hat. Sie hat vor 20 Jahren eine Single aufgenommen, die ein Hit war. Als Zuschauer erfährt man davon in ihren Gesprächen mit wenig motivierten Berufsberaterinnen. Gegenwärtig bereiten sich ihre beiden ältesten Kinder auf die Uni vor. Die attraktive Toni fragt sich allmählich: Was wird sie in Zukunft tun? Bleibt der 43-jährigen Zeit, Ihr Leben noch einmal zu starten?
Ich empfand “Toni mit Familie" (Originaltitel) als ein zeitgenössisches Porträt. Oft wird der Film als Familienkomödie klassifiziert. Wer das erwartet, das ist er nicht. Das Drama besitzt traurige, sowie humorvolle Elemente. Er zeigt mit empathischen, zärtlichen und humorvollen Blick auf das Leben einer Mutter. Es geht in erster Linie um ihr Leben mit ihren Kindern. Und das, was danach kommt. Beziehungsweise die Fragestellung, wie man in dem Alter dafür sorgt, dass es für eine Alleinstehende ein “danach” gibt. Diese Mutter versucht die Balance zu finden zwischen dem vergangenen Ruhm, Mutteralltag und beruflicher Neuorientierung. Ein schweres Pflaster, dem sie sich zu stellen versucht. Tonis Bewerbung an der Universität ist das vordergründige Ziel der Handlung. Aber unterschwellig möchte das Drehbuch schüchtern darauf abzielen, die verlorene Persönlichkeit ihrer Hauptfigur wieder herauszulassen. Das andere, nicht-mutterhafte Ich, soll zum Ausdruck kommen. Die Person, die sie war, bevor sie Ehefrau, Mutter und Hausfrau wurde.
Mit lebensnahen Details schildert der Film die letzten Monate des Zusammenlebens dieser eng miteinander verbundenen Familie. Abends geht Toni mit spürbarem Unbehagen ihrem Nebenerwerb nach. Die Zickigkeit der Kinder wirkt auf mich manchmal ein wenig überzogen. Trotz gelungener Momente konnte mich auch die schwelgende Kameraführung nicht wirklich begeistern. Der Film überzeugt allein durch Hauptdarstellerin Camille Cottin ("House of Gucci", "Call My Agent"), die berührend und glaubwürdig ist.
05 - ★★★★★✩✩✩✩✩
Der Regisseur Guy Ritchie macht ernst. Er legt seinen sweetie-jazzigen DJ-Style bei Seite und erzählt die Geschichte zweier Männer, die sich gegenseitig retten. In einem mitreißenden Action-Drama folgt er Master Sergeant John Kinley (Jake Gyllenhaal) von den US Army Special Forces, ein fairer und strenger Zugführer, und dem einheimischen Dolmetscher Ahmed Abdullah (Dar Salim) während des Afghanistan-Krieges 2018. Der Kriegsfilm soll auf wahren Begebenheiten beruhen. Ritchies Regiestil beruht auf "style over substance” und deutlich mehr Zuckerguss auf den Lebkuchen. Seine Filme “King Arthur: Legend of the Sword” oder “Aladdin” leben von diesem Prinzip.
Hingegen ist “Guy Ritchies The Covenant“ eine Ausnahme von dieser Regel. Besonders bezüglich der Stilistik. Es ist nicht noch ein Ritchie-Unterwelt-Streifen. Der Regisseur hat seine Extravaganz für diesen Film auf Eis gelegt. Er inszeniert die Kampfszenen mit scharfem Timing, existenziellen MG-Gepolter und umrahmt dies kunstvoll, so dass das Publikum mitten ins Geschehen gerissen wird. Er bleibt der beängstigenden Zufälligkeit des Kampfes treu und erlaubt es den Helden automatisch, in Ärsche zu treten. Der verblüffendste Aspekt des Films ist für mich, dass Ritchie es gelingt, die tiefe Menschlichkeit der Protagonisten abzubilden und somit die Geschichte zu beleben. Ich meine, wie viele Leute wollen im Jahr 2023 ein ernsthaftes Drama über den Krieg in Afghanistan sehen?
“The Covenant” spielt 2018, als das, was als »Amerikas 20-jähriges Engagement in Afghanistan« bekannt werden sollte, sich auf die Zielgerade begab. Ritchie hat ein Drama gedreht, das ehrlich Bilanz zieht, was die USA in Afghanistan erreicht haben – und was nicht. Es gibt eine Mythologie, die bis in die Zeit unmittelbar nach dem 11. September zurückreicht und sich bis zur katastrophalen Arroganz der Bush-Regierung erstreckt, die glaubte, sie könne ungestraft damit durchkommen, den Krieg im Irak unter offensichtlich falschen Vorwänden zu beginnen, dass Afghanistan der „gute“ Krieg und der Irak der „schlechte“ Krieg sei. Die USA scheiterte daran, die Menschen in Südvietnam vor dem Kommunismus zu „retten“, eine Mission, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. In Afghanistan hieß die Mission: Retten wir das Land vor der Unterdrückung durch die Taliban. Auch hier wurde klar, dass das Ziel, den Gegner zu besiegen (die Taliban), nicht zu erreichen war. Die USA haben ihren afghanischen Dolmetschern Visa versprochen; das ist für die Figur Ahmed das Ziel: das Recht zu erlangen, in die Vereinigten Staaten einzureisen. Aber das Visumverfahren ist ein bürokratischer Albtraum, und bis dahin schwankt er in seiner Loyalität zwischen den beiden Ländern. Während die US-amerikanischen Streitkräfte zu Fuß von Tür zu Tür gehen und nach Hinweisen suchen, wo die Taliban Sprengsätze herstellen, übersetzt Ahmed nicht nur Wörter - er interpretiert Stimmungen, das, was die Leute zwischen den Zeilen sagen.
An einer Stelle im Film vergleicht eine Figur die Taliban mit einem mehrköpfigen Biest, und so erscheinen sie auch im Film. Sie sind unerbittlich, sie sind unbarmherzig und sie kommen einfach immer wieder. Dies bringt die US-Amerikaner in die Lage, einen Krieg zu führen, der wie Treibsand ist. Das Bewusstsein, dass der Krieg in Afghanistan, genau wie Vietnam, von vornherein ein verlorener Feldzug war, ist etwas, das sich durch „The Covenant“ zieht. Ritchies Inszenierung macht das Geschehen fesselnd und nahbar und nie sentimental; es geht um das Überleben von Moment zu Moment. Guy Ritchie zeigt sich als Regisseur von einer anderen Seite, die mir gefällt. Ohne die typischen Genrefilm-Schummeleien inszenierte er ein starkes Drama, eingetaucht in Verzweiflung. Guy Ritchie erzählt die Geschichte zweier Männer und nutzt die Macht des Mediums Film um diesem Krieg, der nie erfolgreich war, so eine Art Abschluss zu geben.
Erwähnens- und bemerkenswert ist Dar Salim. Der im Irak geborene dänische Schauspieler, der Ahmed spielt, liefert eine wunderbare Leistung ab. Er ist einer jener Schauspieler, die mit einem Blick oder einem halben Lächeln etwas Unbeschreibliches vermitteln können. Etwas, was ich als die Quelle der charismatischen Stärke seiner Figur ausmache.
08 - ★★★★★★★★✩✩
Sehenswertes Genre-Kino wird an und für sich in Deutschland nicht am Fließband produziert. In diesem Langfilm-Debüt ist die Hauptrolle auch noch prominent besetzt worden. 90 Minuten lang beobachtet das Publikum in erster Linie den Co-Piloten (Joseph Gordon-Levitt) bei seinen Reaktionen. Abgesehen von ein paar wenigen Passagieren, die an der geschlossenen Cockpittür vorbeikommen, sind die Fluggäste nicht zu sehen. Zusätzlich steht im Cockpit selbst nur wenig Raum zur Verfügung. Somit haben die vorhandenen Figuren nur begrenzten Platz, um zu agieren.
Die Ausgangssituation, ob die Kabine eines Airbus in die Gewalt von Flugzeugentführern zu bringen ist, tatsächlich so einfach vonstatten geht? Ich denke, das dient hier mehr dramaturgischen Zwecken. Ebenso wird der Großteil der Story aus der Sicht des Co-Piloten wiedergegeben. Das bedeutet auch, dass nicht alles aufgelöst wird. Doch innerhalb der Fiktion funktioniert es für mich. Abgesehen davon, empfinde ich den Rest (aus der Sicht eines Laien) als sehr glaubwürdig. Das Cockpit und die Arbeit darin wirken sehr authentisch. Als sehr vorteilhaft empfinde ich den Verzicht auf Musik. Normalerweise wird sie heutzutage geradezu inflationär eingesetzt um als spannungsverstärkend zu dienen. Doch eben weil sie so übermäßig eingesetzt wird, hat das bei mir manchmal einen gegenteiligen Effekt. Aber das empfindet ja jeder Zuschauer anders.
Manchmal ist weniger mehr. "7500" besticht nicht nur durch wenig Musik. Insgesamt ist der Film sehr minimalistisch angelegt. Reduzierte Dialoge, konzentrierte Aktionen, indirekte Andeutungen, zuweilen beklemmende Bilder und eine klaustrophobische Grundkonstellation. Allerdings sollte man als Zuschauer wissen, sowohl die Hauptfigur als auch der Film selbst lehnen es ab, einen Blick auf das Geschehen vor der Cockpittür zu werfen. Trotzdem empfinde ich diese kleine deutsch-österreichische Produktion als sehenswert.
Transpondercode 7-5-0-0 steht für die Entführung eines Flugzeugs. Bei der Koproduktion handelt es sich um das Spielfilmdebüt des deutschen Filmemachers Patrick Vollrath (Oscar-Nominierung für den besten Kurzfilm 2016). Gedreht wurde in Köln und Wien, digital veröffentlicht wurde der Film von Amazon Mitte 2020.
07 - ★★★★★★★✩✩✩
Shailene Woodley (“Big Little Lies”, “Snowden”) spielt Eleanor Falco, eine junge Streifenpolizistin aus Baltimore, die sowohl zu Hause als auch bei der Arbeit unglücklich zu sein scheint. Es bleibt jedoch keine Zeit, tiefer nach den Ursachen von Officer Falcos Unwohlsein zu forschen, bevor sie – und wir – in die Action eines Polizeithrillers hineingezogen werden. Ein Scharfschütze ist auf freiem Fuß und schießt in der Innenstadt wahllos Opfer ab. Kein leichtes Spiel für den bei solchen Amokläufen obligatorisch zugezogenen FBI-Mann Lammark (Ben Mendelsohn).
Das Film ist trotz eines feigen Scharfschützen-Anschlags mit 29 Toten kein typischer Hochglanzreißer: Ganz im Gegenteil er wirkt mit seinem behutsamen Spannungsaufbau und seiner elegischen Atmosphäre im besten Sinne wie aus der Zeit gefallen. Es dauert eine Weile, bis sich die Bedrohung manifestiert und sukzessive Panik ausbreitet. Der beschriebene Auslöser ist in “To Catch a Killer“ zwar angemessen schockierend – die Inszenierung suhlt sich jedoch nicht in Gewalt, zusätzlich wirkt der ganze Fall erstaunlich komplex und authentisch. Für die Protagonisten ist das größte Hindernis bei der Lösung zur Abwechslung mal nicht der (übliche) Mix aus Intelligenz und Irrationalität, den der Täter an den Tag legt, sondern die Arroganz und der Eigensinn ihrer eigenen Vorgesetzten, die ihnen immer wieder Knüppel zwischen die Beine werfen.
Selbst wenn der Film in seiner Spielzeit noch etwas Straffung vertragen hätte, ist die Killerjagd hier angenehm unprätentiös, kompromisslos und zielgerichtet. Nach einer schockierend nüchternen Einführungssequenz bekommt das Publikum die Zeit, beide Protagonisten ausreichend kennenzulernen. Im Film geht es ganz pragmatisch darum, den Massenmörder zu fangen, bevor er weiter wüten kann. Angenehm ruhig und stimmungsvoll ist der Thriller erzählt, in dem die Straßenschluchten von Baltimore wie ein Labyrinth wirken. Natürlich kann auch “To Catch a Killer“ nicht darauf verzichten, das Polizisten-Klischee des dreifach gebrochenen Charakters einzubinden – hier ist es aber tatsächlich zielführend. Letztendlich erinnert mich alles eher an Polizeikrimis aus den 70ern / 80ern statt an die Hetzereien moderner Genrebeiträge.
07 - ★★★★★★★✩✩✩
Marcus H. Rosenmüller hatte seinen Durchbruch mit dem Heimatfilm "Beste Zeit", den er zur Trilogie erweitert hat. Mit Filmen wie "Räuber Kneißl", "Die Perlmutterfarbe" sowie der Serie "Neue Geschichten vom Pumuckl" festigte er seine Stilistik und verdeutlichte seinen Hang zu bayrischen Themen. Der Filmemacher arbeitete sich bislang an seiner Heimat ab. Mit "Trautmann" (2018) wagt er sich außer Landes, hinein ins industriell geprägte Nordengland der Nachkriegszeit.
Was Rosenmüllers Film erzählt, ist zumeist historisch verbürgt. Allerdings blendet der Film aus, dass Bert Trautmann sich als Hitlerjunge zum Militärdienst freiwillig meldete, als Fallschirmjäger tötete und im Kriegsgefangenenlager zur Kategorie "überzeugter Nationalsozialist" zählte. Ebenso, dass Bert Trautmann seine neugeborene Tochter und deren Mutter ohne Abschied zurück ließ. Ganz offensichtlich wollte man die Filmfigur sympathischer erscheinen lassen als die historische Vorlage. Allein die Besetzung mit David Kross zeigt überdeutlich, dass der Titelheld als Identifikationsfigur verkörpert wird. Seine zweifelhaften Charakterzüge werden dabei unter den Teppich gekehrt.
Auch wenn Rosenmüller versucht den verständlichen Hass auf den Kriegsgefangenen anzudeuten, überzeugend ist seine Vision dabei nie. Really, der verhasste "Kraut" wird, von jetzt auf gleich, zur Schwärmerei der Tochter des Trainers? Und wenn es um die Bewältigung soldatischer Schuldtraumata geht, wünsche ich mir mehr Tiefe und Mut zu offenen Widersprüchen. Besonders vor dem Kontext heutiger Integrationsdebatten wird hier reichlich Potenzial verschenkt. Stattdessen konstruiert man hier einen romantischen Feelgoodmovie, in dem die Entnazifizierung zur britischen Aufsteigergeschichte wird.
Davon ab ist die Inszenierung zu einer konventionellen Schmonzette geworden, wie man es von Rosenmüller erwarten darf. Wer eine packende, ergreifende Inszenierung erwartet, könnte von dieser einschläfernden und versöhnlichen Umsetzung enttäuscht werden. Das sehenswerte am Film sind die Fußballszenen. Den Rest empfand ich uninteressant.
04 - ★★★★✩✩✩✩✩✩
"Nur zwei Tage nach der Deutschland-Premiere des polnischen Krimidrama von Viaplay, wurde die Serie bei Magenta TV entfernt. Viaplay ist ein schwedisches Medienunternehmen, das seine Streaming-Produktionen vor allem in Skandinavien, Polen, Großbritannien und USA anbietet [...] Die Synchronisation der Serie war auffällig schlecht und monoton. Der Abspann der Serie erklärt die fehlenden Betonungen in den Stimmen und mangelnde Varianz des Gesprochenen. Denn die deutsche Fassung von "Murderesses" entstand nicht im Synchronstudio, sondern mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz. [...] Auf Anfrage von DWDL.de hat die Deutsche Telekom die Serie am Montagmorgen zum Zweck der Qualitätskontrolle und Klärung wieder offline genommen."
https://m.dwdl.de/a/101325
„Chaos is order yet undeciphered“ [José Saramago, Nobelpreisträger für Literatur und Autor der Romanvorlage]. Dieses Zitat veranschaulicht die Idee, dass (geschäftlicher) Erfolg nicht immer einem linearen Weg folgt oder einer vorgegebenen Formel.
Auch wenn es zu Beginn so gar nicht den Eindruck macht, so ist in Denis Villeneuves Film “Enemy“ (2013) Traum und Realität auf scheinbar unentwirrbare Weise miteinander verwoben. Irgendwann lässt sich schlecht unterscheiden, ob das Bewusste oder das Unterbewusste herrscht. Aufgrund einiger Traumsequenzen erscheint manches Irreal. Der Zuschauer kann sich nicht zu 100% sicher sein, in welchem Bereich uns Villeneuve gerade hinein blicken lässt. Dabei ist die Grundgeschichte sehr viel einfacher, als es uns die Erzählweise weismachen will. Aber einfach, nein, einfach ist dieser Film nicht, eher aufregend, toll gespielt und komplex. An der Oberfläche ergründet “Enemy“ (2013) was passieren könnte, wenn sich herausstellt, dass es uns nicht nur einmal auf der Welt gibt. Und wie unser Leben auf den Kopf gestellt werden würde, wenn wir mit unserem Doppelgänger in Kontakt treten. Adam und Anthony (beide Jake Gyllenhaal), erfahren das am eigenen Leib. Natürlich steckt noch mehr dahinter.
Adam hält als Geschichtsprofessor immer wieder die gleichen Vorlesungen und hat abends mit seiner Freundin Mary (Mélanie Laurent) den immer gleichen Sex. Sein Leben verläuft routiniert und ist regelrecht freudlos. Bis er auf einen Film aufmerksam gemacht wird, mit dem prophetischen Titel „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“. Im Film entdeckt er einen Darsteller, der ihm aufs Haar gleicht. Er macht den Schauspieler Anthony und dessen schwangere Frau Helen (Sarah Gadon) ausfindig. Zunächst dreht sich alles um Adam, der Kontakt zu Anthony aufnehmen möchte und seinen Wunsch, aus seinem langweiligen Leben auszubrechen. Helen zweifelt an der Treue ihres Mannes Anthony, spürt seinen Kontakten nach und trifft auf Adam, der sich allerdings nicht zu erkennen gibt. Nach einigem Hin und Her kommt irgendwann die Fantasie des Schauspielers Anthony auf, mit der Freundin seines Doppelgängers Adam eine Nacht zu verbringen.
Achtung ⚠⚠⚠ SPOILER ⚠⚠⚠
Obwohl Denis Villeneuve “Enemy” (2013) durchdacht und streng durchkomponiert hat, seine Dialoge treffend und verständlich sind, ist eine rationale, kohärente Deutung des Films schwer möglich. Dazu spielt der Filmemacher zu sehr mit dem Bedürfnis des Zuschauers nach vollständiger Auflösung und erfüllt das Verlangen danach nicht. Es geht weniger um das Leben einer bestimmten Figur als um generelle Strukturen im Unterbewusstsein unseres Protagonisten. In diesem Kontext sollte man zu Beginn auch die triste, kalte, eintönige Skyline von Toronto beobachten. Bereits das Filmplakat zeigt die Stadt als ein Spiegelbild der Psyche unseres Protagonisten. Die surrealen Elemente machen deutlich, dass sich „Enemy“ (2013) jenseits der Grenzen des Tatsächlichen bewegt. Adam und Anthony sind zwei Facetten desselben Mannes, der mit sich selbst hadert. Damit liebäugelt der Film mit den Theorien von Freud und Jung (lt. Regisseur Villeneuve, ich kenne mich mit den Schriften der beiden Psychiater nicht aus) und verweist auf unerfüllte Wünsche und unterbewusste Begierden. Denis Villeneuve hat nach einem perfekten Bild gesucht, um etwas über die Sexualität und das Unterbewusste eines Mannes zu erzählen. Laut Regisseur Denis Villeneuve ist “Enemy” (2013) “die Geschichte eines verheirateten Mannes [...] der eine Affäre hat und zu seiner Ehefrau zurückkehrt.” Die Dualität des Protagonisten soll das Bewusstsein und das Unterbewusstsein visualisieren. Demnach geht es “Enemy” (2013) nicht um einen stringenten Plot, sondern um die anschauliche Skizzierung unterbewusster Verhältnisse. Der Inhalt ist eine symbolisch-analogische Deutung dessen, was im Unterbewusstsein unseres Protagonisten vor sich geht.
Zusätzlich zu den diversen Deutungsmöglichkeiten, gibt es in dieser Verfilmung etwas, das in der Romanvorlage nicht existiert. Über den Film verteilt tauchen Spinnen und spinnenverwandte Bilder auf: Eine Vogelspinne begegnet uns gleich zu Beginn in einer Nachtclub-Szene. Eine Frau sitzt auf einem Stuhl und masturbiert, eine andere serviert eine Vogelspinne auf dem Silbertablett, nur um sie mit ihrem Absatz zu zertreten. In einem Albtraum unseres Protagonisten taucht einmal eine Spinne als gigantisches Monster über den Dächern von Toronto auf. Als die hochschwangere Helen sich in der Dusche befindet, sieht man sie vor einer Duschwand, deren Muster dem von Spinnfäden / Spinnennetz ähnelt. Auch ein für die Figuren wichtiger Autounfall endet mit dem Blick auf ein Spinnennetz. Und dann das Ende, das von vielen Zuschauern als “Mindfuck” oder “Überraschung” bezeichnet wurde. Weshalb also ausgerechnet Spinnen? Ein Element, das vom Filmemacher Villeneuve stammt.
Der Protagonist versucht die Routine seiner Existenz und die Angst vor der endgültigen Bindung an seine schwangere Ehefrau, durch sexuelle Extravaganzen zu entgehen. Einfach ausgedrückt, kämpft das oberflächliche Pflichtbewusstsein mit den unterbewussten Gelüsten nach Begierde und Abenteuerlust. Die Spinne soll die Angst des Mannes vor der weiblichen Sexualität verkörpern, der dunklen weiblichen Kraft. Spinnen können auch Entscheider über Leben und Schicksal symbolisieren. Ob der Filmemacher Villeneuve das so gemeint hat, weiß ich nicht. Aber in diesem Kontext gefällt mir der Gedanke.
Das Symbol der Spinne erinnert den Protagonisten ständig an seine sexuelle Untreue.
Am Ende zeigt uns der Film “die geistige Spaltung” des Protagonisten (siehe dazu den Umschlag mit dem Schlüssel). Er ringt sich nicht dazu durch, seine eigenen Fehler zu akzeptieren, und ihm fehlen die Mittel, um seinen Heilungsprozess zu durchlaufen. Er verfällt wieder in die Sexsucht und wird mit seinen Dämonen konfrontiert, die seine Existenz überschatten (siehe die Symbolik). Er wird sich vermutlich erneut in einer anderen Persönlichkeit seiner selbst verstecken. Natürlich lässt sich „Enemy“ (2013) am Ende nicht vollends aufschlüsseln. Dramaturgisch kann sich nicht jede Szene in die Vision des Regisseurs fügen. Und erst recht nicht der Realität gerecht werden. Man interessiert sich mehr für die Metapher als für die Auflösung. Aber es macht viel Spaß und ist toll inszeniert.
08 - ★★★★★★★★✩✩
Während John „Chickie“ Donohue (Zac Efron) in der örtlichen Bar auf dem Höhepunkt des Vietnamkriegs, daheim über Antikriegsdemonstrationen lästert und auf seinem engstirnigen Verständnis von Patriotismus beharrt, verurteilt er die verzerrte Negativdarstellung der Medien. Er verbringt die meiste Zeit mit seinen Kumpels in der Bar. Sie sehen dabei zu, wie die eigenen Freunde nach Vietnam gehen und nie wieder nach Hause kommen werden. Aber was wäre, wenn er jedem seiner Kumpels ein Bier an die Front bringen würde? Nur um ihnen zu zeigen, dass ihre Heimat NYC sie noch liebt? Angestachelt von seinen Saufkumpels und dem Barkeeper (Bill Murray) macht er sich auf nach Vietnam.
Peter Farrelly (“Green Book”) hat sich im Laufe seiner Karriere darauf spezialisiert, dem Publikum auf plumpe Art Dinge beizubringen, dass es eigentlich bereits weiß. Farrellys ebenso oberflächlicher wie schlagfertiger Film „The Greatest Beer Run Ever“ besitzt die Frechheit, mehrere seiner Charaktere Reden darüber halten zu lassen, dass Krieg überhaupt nicht mit dem zu vergleichen ist, was wir im Film darüber sehen. Die Aussage darf der Zuschauer in einem Film genießen, der Kampf, Trauma und Tod ungefähr so realistisch und glaubwürdig darstellt wie eine Theateraufführung der Mittelstufe.
Es ist nicht unzutreffend, dass manche Menschen abstrakt keine Empathie begreifen können und Konflikte aus nächster Nähe und/oder persönlich miterleben müssen, um selbst Mitgefühl aufbringen zu können. Trotzdem fühlt sich für mich die langsame Wende unserer Hauptfigur wie eine Binsenweisheit an. Ich mag das noch nicht einmal als Entwicklung betrachten. Vielleicht wirken seine Schlussfolgerungen über das regelrechte Chaos und die unmenschliche Plünderung des Landes, die er von einem Fotojournalisten (Russell Crowe) erhält, nur deshalb so sachlich, weil alle jemals gedrehten Vietnamfilme scheinbar alles besser gemacht haben, thematisch informativer und einfühlsamer waren. Das einzig Authentische ist die abschließende Einsicht, dass die Unterstützung der US-Truppen nicht bedeutet, die geschürten Konflikte der US-Politik zu unterstützen. Eine Einsicht, die für einige nachrichtenscheue Apple TV-Abonnenten von Nutzen sein könnte.
Mein Fazit: Dieses Apple TV+ Release fühlt sich für mich an, wie eine Coming-of-Age-Story über Freundschaft und Loyalität, verpackt in der Hülle einer Anti-Kriegsfilm-Dramödie mit einer Besetzung, die darum ringt zu glänzen. Gerade letzteres ist mir in Hinblick auf Russell Crowe ins Auge gestochen, der hier den Erklärbär geben darf.
05 - ★★★★★✩✩✩✩✩
Von unserer Weltbevölkerung sind aufgrund eines unbekannten Ereignisses nur noch 0,03% über, die den Planeten bevölkern. Die Handlung spielt hunderte Jahre in der Zukunft und unsere Gegenwart wird als “Alte Welt” bezeichnet. Strom, Elektrizität, Verbrennungsmotor, Schießpulver und laufende Bilder sind Errungenschaften der alten Welt, die in dieser fiktionalen Zukunft nicht genutzt werden. Inzwischen hat man sich zu einer Stammesgesellschaft entwickelt, an der Grenze zu einer neu entstehenden Zivilgesellschaft. Die Stämme sind wieder Jäger und Sammler. Das Wissen über die vergangene Zivilisation ist weitgehend verloren und existiert nur noch in alten Sagen und Mythen. Von Menschen geschaffenes - wie Beton oder verrostete Karosserien - wird übernatürlichen Wesen zugeschrieben oder als unwahr deklariert.
Grundsätzlich geht es um die rivalisierenden Gebiete Payan Kingdom und Trivantian Republic, sowie deren Bewohner. Also Menschen, die sich wieder in neu errichteten Städten zusammengefunden haben. Gleichzeitig entsatnd auch erneut die Gier nach Macht. Also Dinge, die in der Natur des Menschen liegen. Damit wirft die Serie im Laufe der zweiten und vor allem in der dritten Staffel die Frage mehrfach auf, ob eine gescheiterte Gesellschaftsform bereit ist, aus eigenen Fehlern zu lernen. In diesem Kontext spielt auch das Wissen der untergegangenen Zivilisation eine Rolle in der Handlung. - Das Worldbuilding der Serie ist fantastisch. Durch die enorme Reduzierung der Weltbevölkerung hat sich die Natur vom Menschen erholt. Die Relikte der “Alten Welt” wirken wie Mahnmale an das Publikum der Serie. Von der Bevölkerung der Serie werden sie wiederum fehlinterpretiert oder missverstanden. Der Grund ist ungenügende Bildung.
Baba Voss ist der Anführer des Alkenny-Stammes, der in der Wildnis der Berge lebt. Seine Lebensgefährtin Maghra bekommt Zwillinge. Und wie sich herausstellen wird, sind es besondere Kinder. In dieser dystopischen Welt haben die überlebenden Menschen und ihre Nachkommen das Augenlicht verloren. Jagen, Handwerken, in der Wildnis reisen, der komplette Alltag, der zum Überleben gehört, auch kämpfen - alles von einer Bevölkerung ohne Sehkraft. Jedoch werden Maghras Kinder wieder mit Sehkraft geboren. In Staffel 1 geht es hauptsächlich darum, dass die rücksichtslose Herrscherin von Payan Kingdom, Queen Sibeth, von diesen Kindern Wind bekommt und sie unbedingt in ihre Gewalt bringen will. Baba Voss, die Schamanin Paris (Alfre Woodard) und Maghra wollen mit den Zwillingen Kofun und Haniwa das Weite suchen und die Konfrontation meiden. Warum Baba zunächst so handelt, erfährt der Zuschauer später. Der größte Gegenspieler auf der Gegenseite ist Tamacti Jun (Christian Camargo), the Witchfinder General. Er ist einer der ambivalentesten Figuren in der Serie, der auch eine mitreißende Entwicklung durchmacht. Hingegen empfinde ich persönlich, sowohl Sibeth als auch Maghra, jede auf ihre Art als falsch. Doch das liegt vielleicht auch an mir.
In Staffel 2 spielt der Hintergrund von Baba Voss eine große Rolle. Seine eigene Vergangenheit als Krieger wird wichtiger und sein Bruder wird in die Handlung involviert, dargestellt von Dave Bautista. In Staffel 2 lernt der Zuschauer auch die Trivantianer näher kennen. Zu deren politischen Rat zählt Joe Flanigan, bekannt aus “Stargate: Atlantis”. In Staffel 3 wird sich mehr als zuvor auf die Vergangenheit von Maghra fokussiert und welche Bedeutung ihre Kinder Kofun und Haniwa in der Serienwelt von “SEE” haben. In dieser letzten Staffel gibt es zwei wichtige Neuzugänge: Michael Raymond-James, der einen Jugendfreund von Baba Voss darstellt und einen kaum wieder zu erkennenden David Hewlett, der einen führenden Offizier der Trivantianer darstellt und so eine Art Wissenschaftler ist. Er hat es geschafft, Schwarzpulver herzustellen - mit Hilfe des Wissens der “Alten Welt” und einigen Sehenden (ja, die Zwillinge bleiben in der Serie nicht die einzigen).
Die regelmäßigen Actionsequenzen sind sehr gut choreografiert. Besonders in Season 2 und 3. In der ersten ist es teilweise noch sparsam und man legt mehr Wert auf die Figureneinführung, sowie die Exposition. Generell ist nicht immer alles nachvollziehbar für den sehenden Zuschauer, jedoch immens unterhaltsam verpackt. Größtenteils schlucke ich das dystopische Fantasy-Abenteuer. Die Figuren sind schön entworfen und gut charakterisiert. Nicht besonders anspruchsvoll, aber mitreißend. Auch wenn manche Figuren nicht ganz 100%-ig gelungen sind. Haniwa soll rebellisch und entschlossen sein. Auf mich wirkt sie gelegentlich besserwisserisch und dadurch nervig. Auch Queen Sibeth ist nicht immer erträglich. Aber das soll wohl so sein. Hingegen bin ich geradezu begeistert von Jason Momoa als Baba Voss und der gelungenen Kameraführung. Writer, Executive producer und Creator der Apple TV+ Serie ist Steven Knight. Bei uns bekannt durch seine Serien “Peaky Blinders”, “Taboo” und zuletzt “SAS: Rogue Heroes”.
Um es kurz und knapp zu sagen, ich habe an sich so wenig Negatives zu sagen, dass ich die Serie denjenigen empfehlen möchte, die Fantasy-Action mit origineller Story mögen.
08 - ★★★★★★★★✩✩