Solveig - Kommentare
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Alle Kommentare von Solveig
Der ganz große Tag im Leben der jungen Juliette, die Arm in Arm als Braut mit ihrem Bräutigam, Jean, an ihrer Seite durch die Straßen des kleinen Dorfes schreitet, hin zur L'Atalante, denn ihr Liebster ist der Kapitän dieses kleinen Frachters. Noch nie zuvor hat sie dieses kleine Fleckchen verlassen, doch nun ist es soweit: mit ihrer Liebe an der Seite geht es hinaus in die weite Welt - so weit wie das Wasser tief ist, auf dem der Kahn hinschippert?
Für mich schon die erste kleine Besonderheit dieses zauberhaften kleinen Films, wie die Kamera Juliette auf dem Frachter einfängt, um sie herum das glitzernde und weite Wasser. ... hach... meine Güte, ich werde hier nun schon wieder zur zerfließenden Butter, wenn Vigo von der jungen Verliebtheit erzählt und dies in der Zärtlichkeit Juliettes und Jeans zueinander zum Ausdruck bringt. Die Liebe im Zueinander und Voneinander fort ist ohnehin DAS Thema in ATALANTE, vollgespickt mit dem ganzen Gefühlsspektrum, das die Vorstellung von Liebe umgarnt und in Blick auf Juliette und Jean in ihrer jungen Verliebtheit und Verspieltheit des Films mich an Balzacs bekanntes und wohl auch schönstes Zitat denken lässt:
"Das Wesen wahrer Liebe läßt sich immer wieder mit der Kindheit vergleichen: Beide haben die Unüberlegtheit, die Unvorsichtigkeit, die Ausgelassenheit, das Lachen und das Weinen gemeinsam."
Ungemeine Zärtlichkeit, wenn Jean Juliette liebevoll umarmt und ihr etwas ins Ohr flüstert.
Der Beigeschmack des Kindseins, wenn Juliette ihrem Jean davon erzählt, man sehe im Wasser den/die Liebste/n. Hunger aufs Leben, auf das Entdeckenwollen -
... aber auf der anderen Seite die Verantwortung, die Pflicht, das Vertrösten etwas Ersehntem. Die Suche nach Nähe und Zuneigung und andererseits aber auch die Impulsivität der Eifersucht: Liebe die Zärtliche und Liebe die Einfordernde, obwohl Juliette sich doch auch nach der verlockenden Ferne sehnt, das Dorfmädchen möchte nach Paris und der Besuch eines Tanzlokals in einem Vorort wird schließlich Jean zur Erkenntnis zwingen, wieviel ihm Juliette wert war ... und nun? Ein anderer umgarnt sie schmeichelnd, ... Juliette ist fort ...?! Nun ist sie unbezahlbar.
Aber wenn das Wesen wahrer Liebe sich mit der Kindheit vergleichen lässt, mit der sie die Unüberlegtheit, die Unvorsichtigkeit, die Ausgelassenheit, das Lachen und das Weinen gemeinsam hat, dann wird auch eine kleine Geschichte über das Finden der Liebe im Wasser für einen kurzen Moment zur Wirklichkeit und vielleicht, ja vielleicht ...
Ein herzallerliebster, bezaubernder, poetischer kleiner Film, an dem man einfach alles liebhaben muss; nicht nur Juliette und Jean, auch den raubeinigen und nicht minder liebenswürdigen Père Jules, die miauenden Mitreisenden und den Schiffsjungen - und natürlich das in wunderbarer Leichtigkeit, Unbeschwertheit und Poesie von Vigo inszenierte Gefühl, wovon es in ATALANTE eine ganze Menge gibt, zum Schmunzeln, Lächeln, den Liebenden alles Glück der Welt für ihre junge Ehe wünschend.
Ein ganz zauberhafter Film!
Moviepilots Osterwichtelaktion 2014
*** Diesen Kommentar legte der Osterhase FrEAk0 ins Osternest ***
Schnelle in den Straßen,
Hektik in den Gassen
Verfolgungsjagden in Hongkong.
Polizist Nr. 223 ist im Einsatz, hier und da ein Verbrechen
STEHEN GEBLIEBEN!
Schnelligkeit ist hier gefragt!
Schau nicht nach rechts!
Schau nicht nach links!
Die Leute in den Straßen,
die Leute in den Gassen,
wer sind sie schon?
Verschwommene Geischter im Vorbeilauf,
mehr nicht.
Schnelligkeit ist hier gefragt -
STEHEN GEBLIEBEN!
GEFASST!
Ein Erfolg, das muss May freudig erzählt werden!
Schnell zum nächsten Imbiss, ans Telefon -
aber halt, STOPP!
May hat ihn verlassen...
Aber vielleicht weiß die Dosenananas, ob Liebe eigentlich ... ein Verfallsdatum hat???
Schnelle in den Straßen,
Hektik in den Gassen
Verfolgungsjagden in Hongkong.
Tag für Tag - und wenn man den Beruf abends an den Nagel hängt?
Ah...
.
https://www.youtube.com/watch?v=T-FWc1dFVIs
♫♫ It's not everyday we're gonna be the same way
There must be a change somehow
There are bad times and good times too
So have a little faith in what you do
Cause you don't seem to realize
The things you've got to face in life
Today you're up, tomorrow you're down
So thank god that you're still around town
Though we've got to work like slaves
Just to eat a piece of bread
But as we go along each day we'll find
Happiness to sooth the mind cause
It's not everyday we're gonna be the same way
There must be a change somehow
There are bad times and good times too
So have a little faith in what you do ♫♫
.
Eine Unterwerfung unter den Alltag? Tag für Tag?
Dinge ändern sich, haben ein Verfallsdatum.
Menschen begegnen sich, flüchtig, für einen Moment,
vielleicht auch etwas länger ...
was bleibt?
Jemand wünscht dir einen herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.
Ein kleiner, schmuddeliger Imbiss,
eine zierliche, junge, freche Frau,
die weder auf den Mund gefallen ist,
noch ein Problem damit hat, das zu sagen, was sie denkt.
Sie arbeitet hier und träumt...
.
https://www.youtube.com/watch?v=9wt3h3kiZek
♫♫ All the leaves are brown - All the leaves are brown
And the sky is grey - And the sky is grey
I've been for a walk - I've been for a walk
On a winter's day - On a winter's day
I'd be safe and warm - I'd be safe and warm
If I was in L.A. - If I was in L.A.
California dreamin' - California dreamin'
On such a winter's day ♫♫
.
Ob man dafür wirklich nach Kalifornien muss?
Da ist ja noch Polizist Nr. 663, frisch verlassen.
Den Schlüssel hat sie bereits -
den Schlüssel wofür?
Zu seiner Wohnung?
Warum dort nicht ab und an heimlich hineinschleichen,
seine verlassene Wohnung trösten,
wo er selbst dies vergeblich versucht?
Und vielleicht ist der Schlüssel ja auch...
.
https://www.youtube.com/watch?v=3hHznB-_Gbs&list=PLA47E14135981BD56
♫♫ Person in dreams,
one minute of tight embrace
a ten minute kiss
Stranger,
How do you walk into my heart
create this thrill
I seemed to love you passionately once
with you never ever this close like now
thinking starts to exaggerate
Why suddenly invade me
come into my extremely bored dream nest
sparking a wave of shaken feelings
Person in dreams
how I wish you to be real
In my heart i'm disinhibited
Tangles in dreams
This minute i'm waiting
your ten thousand minutes kisses
I seemed to have passionately loved you before
Never before being so close to you
thinking starts to exaggerate
Why suddenly invade me
come into my extremely bored dream nest
sparking a wave of shaken feelings
Searching in dreams
one minute of tight embrace
In my heart i can't wait
Person in dreams,
this minute i'm waiting
come create thrills in my heart
Thrills in heart ♫♫
.
Polizist Nr. 663 hat aber auch ein ganz schön dickes Brett vor dem Kopf, dass er auf die liebreizende Faye erst so spät aufmerksam wird.
Eine Verabredung?
In Kalifornien?
Muss es wirklich so weit weg sein;
Schnelle in den Straßen,
Hektik in den Gassen
Verfolgungsjagden in Hongkong...?
Schnelligkeit ist hier gefragt!
Schau nicht nach rechts!
Schau nicht nach links!
Die Leute in den Straßen,
die Leute in den Gassen,
wer sind sie schon?
Verschwommene Geischter im Vorbeilauf,
mehr nicht.
Schnelligkeit ist hier gefragt - ?
Ein Sklave des Alltags und der Hast,
aber abends, wenn man allein ist, allein mit sich selbst,
wie wäre es, wenn da jemand wäre...?
Eine kleine Veränderung ...
Mit Verfallsdatum?
Ja, vielleicht, aber wer sich auf eine Veränderung nicht einlassen kann, wird er es wohl nie erfahren.
Schnelligkeit, Hektik, Hast - Veränderung - ... Neubeginn ... Ankunft...
aus Kalifornien, hier bei dir. Neuanfang?
.
Lieber FrEAk0, falls Du einmal einen Ausflug in das schnelllebige Treiben Hongkongs unternehmen möchtest und einen flüchtigen Blick auf das Leben von Polizist Nr. 223 und 663 werfen magst, wie sie nach einem ruhigen Pol für nur einen kurzen Moment suchen, dann empfehle ich Dir diesen sowohl an Farben wie auch an Gedanken sehr bunt geratenen Film wärmstens. Bring nur bitte für jenen Trip die Bereitschaft mit, Dich von der teilweise schwindeligen Kameraführung mitreißen lassen zu können, Dich auf Melancholie, aber irgendwo auch eine ordentliche Portion gute Laune einzustellen, keine Abneigung gegen den Song 'California Dreamin'' und ... magst Du eigentlich Ananas...?
Schön!
Dafür liebe ich diese Rubrik hiert am meisten, sonst würde ich solche Texte doch glatt übersehen. Ungelogen für mich der schönste ausgezeichnete Kommentar der letzten Wochen; so einfühlsam geschrieben wie es der Film selbst ist.
Mal vorweg: das Thema finde ich wichtig, die Doku selbst leider nicht mehr als mäßig und eigentlich nur den Teil sehenswert, in dem es darum geht, dass Tiere als Mittel zur Unterhaltung missbraucht werden.
Aneinandergereihte Bilder der Grausamkeit finde ich nicht wirklich so aufklärend wie sie es sein wollen. Der Film möchte, wenn ich ihn richtig aufgefasst habe, den Zusammenhang von Natur, Tier und Mensch darstellen; der Mensch solle sich nicht über das Tier stellen, sondern es als gleichberechtigtes Mitwesen wahrnehmen, das genauso leidensfähig und schmerzempfindlich ist. Das ist auch völlig richtig. Aber insgesamt ist EARTHLINGS doch arg einseitig geraten. Wenn man den Film schon so aufzäumt, hätte ich mir gewünscht, dass auch der Mensch als ein 'Earthling' wenigstens etwas reflektiert wird. Jagd auf Tiere ist nichts widernatürliches, passiert im Tierreich selbst, fressen und gefressen werden. Dass der heutige Mensch zu weit geht, stimmt zwar, aber warum bietet die Doku keine Argumente an, was Alternativen wären? Das würde sie viel aufklärerischer machen als die bloße Aneinanderreihung von Grausamkeiten, die zwar emotionalisieren und man sich nach diesem Film zwar schlecht fühlt, aber ich bezweifel, dass nach ein paar Monaten noch wirklich jemand ernsthaft über eine dauerhafte Änderung der Lebensgewohnheiten nachdenkt (auch wenn er zum Zeitpunkt der Dokusicht schockiert war), wenn keine wirklich tiefgründigere Auseinandersetzung mit diesem Thema stattgefunden hat.
(Gerade beim Abschnitt über medizinische Tierversuche hätte ich mir, weil ich das tatsächlich sehr interessant als Thema finde, mehr Aufklärung in der Hinsicht gewünscht.)
Was mich aber an EARTHLINGS sehr gestört hat, war die überspitzte Verallgemeinerung der erzählenden Stimme und einige Vergleiche, die ich unangebracht fand und hier ja auch in anderen Kommentaren aufgegriffen wurde: Holocaust? Eins der größten Menschheitsverbrechen zu bemühen und damit deren Opfer zu übergehen, empfand ich als wirklich unnötige Emotionskeule, der Anfang davon, dass diese Doku sehr leichtfertig mit Allgemeinplätzen um sich wirft, ohne deren Bedeutung dahinter zu kennen, sondern sie für ihre "Argumente" zu instrumentalisieren um zu manipulieren. Hinter 'Holocaust' steckt soviel Bedeutungsgehalt, sodass man mit diesem Begriff kompetenter umgehen sollte. Ebenso bekommt Dargestelltes nicht unbedingt mehr Gehalt, weil man Zitate von Intellektuellen aus dem jeweiligen Kontext ihrer Zeit oder der entnommenen Schrift herausreißt und sie über "willkürliche" Bilder legt. Hätte ich ein Referat oder einen Vortrag o.ä. so aufgezäumt wie diese Doku, hätte ich wegen Undifferenziertheit einen auf die Finger bekommen.
Im Endeffekt: Schade, ich finde das Thema viel zu wichtig, um es so halbherzig darzustellen wie in EARTHLINGS und muss gestehen, in meiner Kindheit (Tier)Serien gesehen zu haben, die mich weit besser über die Verantwortung des Menschen gegenüber der Natur und ihrer Lebewesen aufgeklärt haben.
Welchen Wert hat der Mensch?
Ins Alter gekommen, vom Land entwertet?
Ein zu Hause, was ist das schon?
Eine karge Mietswohnung, das muss gut genug sein.
Bett und Schrank, mehr braucht man nicht;
oder vielleicht noch ein paar Ameisen als Untermieter.
Heruntergekommen, wenig Habseligkeiten, gerade das Nötigste.
Was ist aber Wert und was ist Würde?
Die Freundlichkeit und ein bisschen Güte;
darf ich vorstellen? Umberto D.
Eine Vermieterin, deren Gunst bezahlbar sein muss,
nur ein Hausmädchen, Maria, jung an Jahren mag
als Mensch das Alleinsein bisschen zu unterbinden.
Doch auch sie hat nicht wirklich einen festen Platz im Leben;
schwanger von einem Soldaten, von welchem, das weiß sie nicht.
Es könnte dieser oder jener sein, in dieser rauen Nachkriegszeit.
Der alte Mann und das junge Mädchen, sie am Anfang, er am Ende,
eine kleine Brücke, gebaut aus Freundlichkeit und ein wenig Güte.
Der alte Mensch, verbraucht? Vergeudung? Verwerfung? Vereinsamung?
Wenn da nicht noch ein kleines Wesen auf vier Pfoten wäre;
Flik, Umbertos ständiger Begleiter, egal wohin, egal wie weit.
Doch Herrchen wird auf Reisen gehen.
Raus aus dem Elend, hier ist nicht sein Platz.
Was mit dir, du treue Seele? Gut soll es dir ergehen,
doch wo ist es anders gut als an der Seite deines Herrn?
Mit ihm sollst du gehen - wirst du?
.
Von selbst hätte ich mir diesen Film, der übrigens trotz des eben Geschriebenen umwerfend schön fotografiert ist, wohl noch eine ganze Weile nicht angesehen, würde er hier nicht gerade ein wenig die Runde machen.
Meine Güte, was hätte ich da verpasst!
Schon lange hat mich ein Film nicht mehr so berührt wie UMBERTO D., schon lange hatte ich am Ende nicht mehr so einen Kloß im Hals, der mir Wasser in die Augen trieb.
Großartig, wunderschön, tieftraurig, so zurückhaltend inszeniert, dass meine Überwältigung am Ende umso größer war.
Was ist der Mensch noch wert?
Ein Ende, das ebenso leise Antwort wie auch Zweifel ist.
Politisch-ideologische Propagandafilme sind immer so eine, vorallem moralisch, zwiespältige Sache. Darf man das (gut) bewerten? Ich persönlich habe beim TRIUMPH DES WILLENS keine Probleme, Stellung zu beziehen, wobei ich ausdrücklich darauf hinweisen will, dass ich mit dieser Wertung (und eine 7 ist bei mir immer noch ein neutraler, kein persönlicher Wert) weder Riefenstahl als Person noch die dem Film zugrundeliegende Ideologie bewertet habe. Aus filmästhetischer Sicht zieht TRIUMPH DES WILLENS alle Register, die Deutschland vor dem Ausbruch des zweiten Weltkriegs zu einem der führenden Filmnationen machten (Stichwort: Expressionismus und Innovationen filmmedialer Ausdrucksmöglichkeiten), und nutzt diese, um die Götzen des Dritten Reichs und ihre Bewegung zu glorifizieren. Wenn man zeitgeschichtlich interessiert ist, komme ich leider nicht drum herum, diesen Film 'sehenswert' zu finden (vorallem auch wenn man seine Rezeptionsgeschichte und Einflüsse bedenkt) und als Liebhaber des deutschen Expressionismus komme ich leider ebenso wenig drum herum, diesen Film formal und bildsprachlich ästhetisch zu finden.
Was ich jetzt schreibe klingt wahrscheinlich so: http://www.uwe-home.net/portal/_grafik/lehrer_laempel.png ist mir aber irgendwo wichtig. Es bedarf sicher einer gewissen Reife, sich Propagandafilme anzusehen, wenn man sie sich ernsthaft ansehen will (und nur ernsthaft finde ich es persönlich vertretbar) und zum zweiten schaut man sich solche Filme gewiss nicht an, um sich von ihnen unterhalten zu lassen. Ich finde es für mich aber wichtig, sich damit auseinanderzusetzen, wie Medienmissbrauch und Manipulation funktionieren, denn hier wegsehen zu wollen, halte ich für gefährlich. Die NS-Zeit war, und das ist unbestreitbar, eine durch und durch menschenverachtende Zeit. Leider würde man sich aber selbst belügen, wenn man bestreitet, dass es eine Zeit des Verbrechens des Menschen an der Menschheit war, kein anderer trägt hier die Verantwortung als der Mensch selbst, der er sich stellen muss. Menschliche Schwächen machen leider jede Person für Ideologien wie die des Nationalsozialismus anfällig und wenn nur weggeschaut, sich selbst zu wenig gekannt und sich nicht wenigstens ein bisschen selbst reflektiert wird, ist die Gefahr groß, dass sich eine Zeit wie die zwischen 1933 und 1945 schnell wiederholt. Wird es immer sein.
Deswegen finde ich Propagandafilme zwecks Aufklärungsarbeiten ihrer Mechanismen wichtig und zur mündigen Erziehung unentbehrlich und deshalb finde ich es schwierig, wenn man sich vor dem Anfassen dieser Dinge scheut, womöglich aus Angst, das eigene Weltbild nicht genug gefestigt zu haben, um hier nicht doch irgendwo Sympathien zu finden. Sich überhaupt nicht damit auseinandersetzen zu wollen, ist mir aber wiederum zu einfach.
Wobei es auch für mich Propagandafilme gibt, wo jegliche/s Liebe zum und Interesse am Medium Film eine Grenze hat und aufhört, für mich ebenfalls nur eine Hassfilmwertung vertretbar ist. (Stichwort: JUD SÜß)
"Lieber Gott, warum hast Du die Männer dazu bestimmt, die Welt zu regieren und einen Verrückten, ihnen den Weg zu weisen?"
- ZUG DES LEBENS -
♥
Wow, ein einzigartiges, wunderschönes Werk und ein Leckerbissen für Freunde, die nach Filmen mit außergewöhnlichem Ausdruck suchen. DIE FARBE DES GRANATAPFELS, dessen Titel schon sagenhaft exotisch-sinnlich klingt, lässt sich als Erlebnis eigentlich mit einem einzigen Wort besonders treffend umschreiben: kontemplativ. Vorausgesetzt natürlich man mag sich auf das Fremdartige einlassen, denn den Film als Biopic zu bezeichnen ist viel zu gewöhnlich. Es ist als gehe man durch eine armenisch-orthodoxe Kirche und betrachte die wunderbaren Bildtafeln an der Wand, die in diesem Film lebendig werden und vom Leben des armenischen Troubadours Sajat Nova "erzählen" wollen, der gleichzeitig ein Geistlicher war. So ist der Film auch in einen stark religiösen Sinneskontext eingebettet, der ein paar uns vertraute abendländische christliche Motive einstreut, jedoch in dem für uns fremden orientalisch-orthodoxen Kontext aufgeht. Wer sich darauf nicht vorbehaltslos einlassen kann, wird zu diesem Film sicher keinen Zugang finden. Alle anderen erwartet ein wunderbarer sinnlicher Film der Extraklasse, der allerdings keiner rationalen Logik folgt.
Ach, was versuche ich das eigentlich zu beschreiben? Ein anderer, großer Fan des Films hat es eigentlich doch schon ganz genau auf den Punkt gebracht:
"Ich erinnere mich der Filme von Sergei Paradschanow, die ich sehr liebe, immer mit großer Dankbarkeit und Vergnügen. Seine Art zu denken, seine paradoxe poetische Fähigkeit, die Schönheit zu lieben und die Fähigkeit, in seiner Vision absolut frei zu sein." - Andrej Tarkowskij
Besser kann man es nicht ausdrücken. Am besten sowieso nur selbst erleben.
Jean Cocteau ist schon so einer.
"Le Sang d'un poète" war nun mein dritter seiner Filme und was soll ich sagen - Liebe auf den ersten Blick!
Jean Cocoteau ist schon so einer; für mich ein Außergewöhnlicher. Ich konnte bislang nie sagen, dass ich ihn selbst mag. So wie seine Filme (die bisher alle sehr artifiziell und eigensinnig waren) auf mich wirkten, habe ich mir die Person Cocteaus (zugegeben ohne mich bislang näher mit seiner Person beschäftigt zu haben, abgesehen davon, dass er wohl ein in vielerlei Hinscht sehr begabter Mensch und vielseitiger Künstler war) stets als ziemlich eitel, vielleicht sogar narzisstisch (der Spiegel war bislang sogar ein immerwiederkehrendes Motiv in seinen Filmen), exzentrisch mit einem Hang zur Provokation vorgestellt. Nun, das Bild ist er bei mir nicht wirklich losgeworden, aber "Le Sang d'un poète" war für mich eben ein Augenöffner. Ein Blick in den Spiegel, so heißt es, offenbart dem Betrachter seine eigene Seele, wenn dieser seinem eigenen Spiegelbild standhalten kann und sich von ihm zur Rede stellen lässt. Dass hinter dem Spiegel eine eigene Welt ruht, in der Kausalitäten aufgehoben sind, davon wusste ja schon Lewis Carroll ausgiebig zu erzählen. "Le Sang d'un poète": Willkommen bei Cocteau im Wunderland, willkommen auf einem artifiziellen, surrealistischen Trip voller Skurrilität, Widersprüche, gewürzt mit hier ein bisschen Provokation, da ein wenig Sinnenverdreher und ich merke, dass es wohl gar nicht mehr Cocteau ist, der da in den Spiegel blickt, sondern mich ungefragt, ohne dass ich es recht bemerkt habe, an die Hand nahm und mich in die Welt hinter dem Spiegelglas entführt hat.
Merci Monsieur!
Ich halte Sie immer noch für einen Exzentriker, für ein bisschen selbstverliebt und für einen Provokateur, aber durch "Le Sang d'un poète" haben Sie mir bewiesen, dass Sie sich das auch ruhig erlauben dürfen, denn sehen Sie in den Spiegel und Sie sehen den Prototypen Ihrer Berufung, so wie ich ihn mir im Idealfall vorstelle.
Merci für Ihren Ideenreichtum; Merci beaucoup für den Einblick in Ihre Phantasie, denn die ist ja bekanntlich im Gegensatz zum Wissen unbegrenzt.
Ich hatte meine Freude mit Ihnen, Monsieur Cocteau! Mit Ihnen und Ihrer Kunst- und Künstlerreflexion in "Le Sang d'un poète"! In so einer Gedankenwelt bin ich nur zu gern Gast.
Und sonst: wer schon mit "Un chien andalou" seinen Spaß hatte, der sollte auf "Le Sang d'un poète" unbedingt mal einen Blick werfen, da sich Letzterer kein bisschen hinter Ersterem zu verstecken braucht.
»Film as dream, film as music. No art passes our conscience in the way film does, and goes directly to our feelings, deep down into the dark rooms of our souls.«
"I have many problems in my life. But my lips don't know that. - They always smile."
Huch, so viel Inhalt auf so wenig Raum mit so wenig Dialog und so viel meditativer Ruhe zu erzählen, das schafft natürlich nur Kim Ki-duk. Was er uns mit seinem "Hwal" nun genau sagen möchte, bleibt zumindest für den westlichen Zuschauer wohl nicht bis ins Detail ergründbar - für mich selbst auch nicht. Das mag manchen den Zugang zu Ki-duks Werken generell erschweren, dass er sowohl seine Figuren als auch oft seinen Zuschauer gern in der Schwebe zurücklässt und den festen Grund entzieht. Er gehört generell für mich zu jenen Regisseuren, dessen Filme zum Genuss werden, wenn man den Drang, alles auf rationaler Ebene begreifen zu wollen, reduzieren und sich statt dessen in seine Filme einfach fallenlassen, ihrer Meditation nachgeben kann.
"Hwal" ist für mich irgendwie eine Mischung aus "Frühling, Sommer, Herbst, Winter und ... Frühling" und "Samaria", wobei dieser Film für mich deshalb so gut funktioniert, weil Ki-duk die Handlung fernab eines bekannten Orts erzählt, inmitten des Meeres, auf dem ein Fischkutter treibt, wodurch der Film mich zu einem Gedankenexperiment über das Wesen des Erwachsenwerdens, (Über-)Behütung, Begehren und Sexualität, Selbstbestimmung, Unschuld und Verstrickung (in weltliche Dinge) wird.
Erzählt wird die Geschichte eines alten Fischers, der ein fremdes Kind auf seinem Fischkutter aufzog, ein Mädchen, das inzwischen zu einer jungen Frau herangewachsen ist, und das er zu seiner Frau nehmen will, wenn sie ihr 17. Lebensjahr vollendet hat, was nicht mehr in weiter Ferne liegt. Immer wieder lässt der alte Fischer Hobbyangler auf sein Boot, die das junge Mädchen begehrenswert finden. Körperliche Annäherungen weiß der Fischer jedesmal zu unterbinden, indem er Pfeil und Bogen spannt, den er einerseits als Waffe zum Entzweien benutzt, zum anderen aber auch mit diesem sehr schöne Musik erzeugen kann. Als sich unter den "Gästen" eines Tages jedoch ein junger Student befindet, in den sich das Mädchen verliebt, droht der Fischer die junge Frau aus seiner Obhut zu verlieren, die Ki-duk ebenfalls vielschichtig zu zeichnen vermag: das Mädchen ist sowohl eine Lolita wie auch ein umgarntes Kind, das geschmückt wird, wie auch eine Gefangene durch den Besitzanspruch des Fischers, der stets unterschwellig fühlbar zu sein scheint, auch wenn sich dieses Gefühl dem konkreten Zugriff entzieht. Der Fischer ist der Mann mit dem Bogen, der Bogen, der sowohl Zartheit als auch musische Schönheit, Schutz, Eifersucht und Gewalt symbolisiert, sowie der Pfeil in diesem Film außerdem zum Phallussymbol wird; umgarnend, jagend, besitzend.
"Hwal" ist für mich ein Film, der durch seinen Minimalismus und die Reduktion an Schauplatz und handelnden Akteuren, seine schlichte Bildpoesie, welche mit Symbolik ausgeschmückt wird, seine meditative Musik und schließlich seine Ruhe eine eigene Magie entfaltet und für mich am besten verständlich ist, wenn man den Film als eine Art Coming of Age-Psychodrama versteht. Ein Mädchen wird zu einer begehrenswerten jungen Frau, die jenem, der sie aufzog, zu Dank verpflichtet ist. Mit dem Erwachsenwerden kommt die Begehrlichkeit. Sie ist Nährboden für Neid und Eifersucht, diese wiederum für Entzweiung und das Verderben zwischenmenschlicher Beziehungen. Der Kutter ist der Ort, an dem das Mädchen behütet aufgewachsen ist, er wird aber auch zum Ort des Haders, an dem durch unterschiedliche Ansprüche Spannungen entstehen, die auch Gewalt nicht ausschließen. "Hwal" zog mich hinab in einen Strudel aus Zärtlichkeit, (falschen?) Besitzanspruch, Verstrickung, erotischem Spiel, Lossagung und Überwindung, der mich fasziniert hat. Auf wenig Raum, so viel Inhalt, so großes Kino.
Und sicher ist der Film durch seine Vielzahl an Symbolik und die insbesonders zum Ende hin mystische Überhöhung für viele weitere Deutungen offen.
Ähm... mit Gruß an Moviepiloten Ben Kenobi, ich habe mich jetzt doch einmal getraut und komme mir mit Blick auf meinen rechten Seitenrand und dem Konsens hier sehr herzlos vor, aber ... Ich mochte "Day and Night" und ich mag niedliche Geschichten, fange oft beim Anblick von Babys - ob menschlich oder nicht - vor Entzücken zu quieken an und schmelze bei genug Geschichten solcher Art weg. Aber wenn ich schon eine von sich aus niedliche Geschichte vom Storch, Wolken mit großen Kulleraugen und Knuffgesicht und ja, Babys, vorgesetzt bekomme, die dann noch gefühlt mit 10 cm dickem rosa Zuckerguss überzogen wird, sind Zahnschmerzen vorprogrammiert. Gar nicht mein Geschmack.
13. März 1996
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*
Andrzej Wajda, einer der herausragendsten polnischen Regisseure, unter dem auch Kieślowski eine Zeit lang Schüler war, an jenem Tag:
"Heute erlebte das polnische Kino, die polnische Kultur, wir alle, einen unwiederbringlichen Verlust. Krzysztof Kieślowski ging von uns in dem Moment, in dem wir von ihm die allerschönsten und die allerwichtigsten Filme unseres Kinos erwarteten. Ich denke, er war der Mittelpunkt jener Künstler, die es verstanden, zu allen [Menschen] zu sprechen. Oft fällt die Frage, warum die polnische Kunst so unverstanden sei. Nein. Es ist nur, dass manche polnische Künstler unverstanden sind. Aber es gibt auch solche, die es vollbringen, zu jedem [Menschen] zu sprechen und so ein großartiger Künstler war Krzysztof Kieślowski, der sein Publikum nicht nur in Polen, sondern in der ganzen Welt gefunden hat. Er verstand es, zu ihr in jener Sprache zu sprechen, die sie am besten versteht."
*
Der polnische Regisseur Krzysztof Zanussi:
"Kieślowski war ein Mann von außerordentlicher Aufrichtigkeit, außerordentlichem Mut und außerordentlicher Unabhängigkeit. Ein Mensch, der in Zeiten wie heute besonders fehlen wird."
*
Zbigniew Preisner, der seit dem Film "Ohne Ende" mit Kieślowski zusammenarbeitete und mitverantwortlich für die gewisse empathische "Kieślowski-Magie" und die Atmosphäre des Übersinnlichen war, sowie er ihm nach dem 13. März 1996 sein "Requiem for My Friend" widmete (das u.a. das schöne Stück "Lacrimosa" beinhaltet, welches manche vielleicht aus "The Tree of Life" kennen):
"Er gab mir die Möglichkeit, narrative Musik zu schreiben; [...] in keiner anderen Zusammenarbeit habe ich dieselben Möglichkeiten gefunden. Kieślowski war so ein Mann, der den Tod nicht fürchtete, weil er schön lebte. [...] Für ihn war der Tod soetwas Natürliches wie das morgentliche Aufstehen und das Einschlafen."
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13. März 2014
Alfred Abel wäre heute 135 Jahre alt geworden; für mich einer der herausragendsten deutschen Schauspieler überhaupt, dem man irgendwann immer zwangsläufiig über den Weg läuft, wenn man den deutschen Stummfilm liebt. Die hier auf MP angegebene Flmographie ist nur ein Bruchteil - Abel gehörte zu den renommiertesten und gefragtesten Schauspielern seiner Zeit und wirkte in über 100 Stumm- und 38 Tonfilmen mit.
Für alle, die sich fragen, wer das überhaupt ist: seine bekannteste Rolle ist heute wohl immer noch die des Joh Fredersen aus "Metropolis", Freders Vater, der Hauptfigur.
Abel war ein ganz Wunderbarer. Eine seiner besonders großen und auffälligen Besonderheiten lag darin, seinem Spiel in Gestik und Mimik eine gewisse Zurückhaltung zu geben, mit der er seinen Figuren ein großartiges, sehr elegantes Charisma verlieh, was in der Zeit, in der das Schauspiel des Stummfilms sehr expressiv war, sofort ins Auge fällt. Die zweite herausragende Besonderheit war jene, dass Abel es wie kaum ein anderer verstand, seine Figuren durch bloßes körperliches und mimisches Schauspiel zu psychologisieren, was ihn z.B. auch zu einem bevorzugten Darsteller Murnaus machte und wer ein Musterbeispiel hierfür sehen will, dem empfehle ich sehr "Phantom", eine Verfilmung von Gerhard Hauptmanns Erzählung, in der Abel beweist, wie vielfältig seine Rollenwahl sein konnte: die des charismatischen Gegenspielers so wie des verträumten Melancholikers.
Immer wenn ich Abel sehe, verstehe ich gut, dass so manche Regisseure, Theater- und Filmschauspieler damals aufmuckten als der Tonfilm seinen stummen Kollegen ablöste; zu banal erschien damals vielen, Inhalte jetzt einfach durch Gesprochenes zu vermitteln, worin viele die künstlerische Herausforderung visueller Gestaltung, der Setdesigns und eben des bewussten Schauspiels vermissten und den Tonfilm als banal ansahen. Alfred Abel ist für mich DAS Musterbeispiel dieser Kunst - und schade, dass er hier auf MP auch nicht mehr als zwei Fans hat.
Obwohl ich um "Antichrist" einen Bogen machen wollte, habe ich mir den Film dann doch am Wochenende in einem kleinen Bekanntenkreis angeschaut - nach "Melancholia" mein zweiter Lars von Trier. ... und ich bin sowohl bei dem einen als auch bei dem anderen Film mit einer Bewertung überfordert. Aber LvT-Fans werden hoffentlich bestätigen können, dass beide Filme nicht unbedingt für den Einstieg geeignet sind; zumindest wollten beide Titel kein bisschen mit mir reden. Ist das Kunst oder kann das weg? Vordergründig kann man beiden Filmen eine gewisse und für sich einnehmende Bildästhetik nicht absprechen, weshalb sie zumindest vordergründig, dank der nicht abzusprechenden formalen und handwerklichen Kompetenz, sicher nicht zu unrecht von einigen als Kunstwerke aufgenommen werden. Nur für mich selbst bekommt ein Kunstwerk erst dann Sinn, wenn es mit mir kommuniziert (ich bin selbst so ein kleiner Anhänger des sog. Konstruktivismus), ein gegenseitiges Geben und Nehmen, und das ist bei mir leider weder bei dem einen noch bei dem anderen Film wirklich der Fall gewesen, was daran liegt, dass mir das dahinterstehende Welt- und Menschenbild zu extrem war. Generell finde ich so eine Kommunikation zwischen einem Kunstschaffenden und seinem Publikum immer etwas schwierig, wenn sich der erste selbst zum Thema des Gegenstandes macht, wie es "Antichrist" nachgesagt wird (Thema: von Triers Depressionen). In Filmen anderer Regisseure, denen ebenfalls die Entstehung vor dem Hintergrund einer persönlichen Schaffenskrise nachgesagt wird, konnte ich mich besser zurechtfinden, da das dortige Mensch- und Weltbild mit meinem eigenen kompatibel war, weswegen ich hieraus etwas für mich selbst mitnehmen konnte und mitgerissen wurde. Bei "Antichrist" blieb leider nicht viel mehr, als die Bewunderung manch sehr schöner, düsterer Aufnahmen, die mich allerdings auch sehr an "Zerkalo" erinnert haben, was ich mal als Huldigung an jenen hinnehme, dem der Film gewidmet ist - für den schonmal geäußerten Plagiatsvorwurf kenne ich Herrn von Trier nicht gut genug, um den Film als solchen abzustempeln. Atmosphäre war vorhanden, was immer notwendig ist, um mich zu fesseln. Ruhig schlafen lassen hat mich "Antichrist" allerdings schon, nicht weil ich besonders hart im nehmen bin, sondern weil mir die Schock- und Ekelszenen zu offensichtlich als solche angelegt waren; ähnlich wie wenn mir jemand gerade ins Gesicht schreit, bleibe ich auch da i.d.R. ruhig. Was mich persönlich allerdings sehr gestört hat, war die eingesetzte Zeitlupe, für die ich kaum Verständnis habe, wirkt sie auf mich - wenn hier tatsächlich jemand seine Ängste und Grauen verarbeiten will - Selbstverliebt, als suhle man sich darin, weswegen ich wiederum Schwierigkeiten habe, die "Antichrist" nachgesagte Intention ernsthaft abzukaufen.
Ich weiß nicht - zwischen 4 und 7 Punkten wäre hier im Moment alles drin. Aber ich glaube, ich sehe mir erstmal noch ein paar andere von Trier-Filme an, um ihn vielleicht ein bisschen besser kennenzulernen und dann hoffentlich irgendwann noch bewerten zu können, ob ich diesen Film hier gelungen finde oder nicht; bin gerade dabei, mir bei ebay "Breaking the Waves" zu ersteigern.
Und anbei an jene, die aufgemuckt haben, dass bei mir manche Filme mit 'kein Interesse' markiert sind: wie man sieht, ist das bei mir wirklich nichts Endgültiges und meistens nur temporär. Also, alles gut. ;-)
"Erbsen auf Halb 6" begegnet mir immer wieder als empfehlenswerter, guter neuer deutscher Film und die Durchschnittswertung spricht ja auch nicht gerade dagegen.
Aber 'tschuldigung - für mich überhaupt nicht nachvollziehbar.
Ja, einige Bilder, Aufnahmen und Kamera sind recht gut gelungen und hübsch anzusehen, weswegen ich zuerst noch an 3 oder 4 Punkte dachte. Aber die Geschichte ist mit Elementen durchzogen, die ich ärgerlich fand und bei mir nicht selten Fremdscham auslösten. Auch die Geschichte brachte mir Probleme des Blindseins nicht wirklich näher. Dass es für ein Menschen, der plötzlich sein Augenlicht verliert, schwer ist, sich mit diesem Schicksalsschlag zu arrangieren und an sich und seinem Lebenssinn zweifelt... echt? Kann man erzählen, ja, aber dann bitte nicht in so einem albernen und unlusitig plumpen Humor, wie wenn sich relativ am Anfang des Films der jüngst bei einem Unfall erblindete Jakob aus dem Fenster stürzt, sein Ziel aber verfehlt und dummerweise auf dem Cefétisch ein paar wenige Stockwerke tiefer landet. Peinlichkeit Nr.1. Sehr witzig zum Schenkelklopfen. Humor ähnlichen Kalibers begegnet einem auch weiterhin. Die Lust, sich mit dem dargestellten Problem irgendwie auseinanderzusetzen, velor ich schnell, dafür war mir der Film zu vorhersehbar, zu sehr mit platter Sentimentalität und genauso "guten" Dialogen bestückt.
Und Jakobs Flucht ins Irgendwo, das sich als Reise nach Russland entwickeln wird, wo er seine todkranke Mutter verabschieden möchte - ja, ja, Russland ist wohl immer noch ein furchtbar rückständiges Land, das jegliche Zivilisation vermissen lässt. Peinlichkeit Nr. 2. Wozu es Peinlichkeit Nr. 3 bedurfte, hat sich mir bis heute nicht erschlossen. In einer Parallelhandlungen, die immer wieder aufgegriffen wird, lernen wir Lilys jüngere Schwester kennen (Lily = die junge Frau, die von Geburt an blind ist und Jakob zu helfen versucht, sich in seiner neuen Situation zurechtzufinden), die zum ersten Mal mit einem Jungen schlafen will, so überzogen, dass es wehtut. Ich weiß nicht, ob das lustig sein und den Film auflockern sollte - ich fand's nervtötend.
Ein Film, der mir überhaupt nicht gefallen hat und wo es mir tatsächlich schwerfällt, nachzuvollziehen, wie man "Erbsen auf Halb 6" als guten deutschen Film bezeichnen kann.
Objektekünstler und Stop-Motion-Magier Jan Švankmajer verfilmt also Lewis Carrolls Kinderbuchklassiker "Alice im Wunderland" - und macht daraus einen wunderbar surrealen Streifen, bei dem ich allerdings erst im Nachhinein gemerkt habe, dass sich "Alice" tatsächlich dieser, von mir sehr geliebten, Strömung bedient. Manchmal bin ich heute nämlich doch immer wieder erstaunt, was so alles als "surreal" etikettiert wird und werde manchmal den Eindruck nicht los, als meine dieser Begriff inzwischen einfach nur all das, was hauptsache wirr, durchgedreht, skurril, nicht entschlüsselbar ist, damit es bloß kein Mensch versteht. Ich für meinen Teil halte da, wenn ich mich als Liebhaber dieser Richtung bezeichne, doch sehr am traditionellen Begriff fest, der für mich so aussieht, dass Surreales etwas jenseits des Rationalen erfahrbar macht, indem er z.B. Traumwelten entwirft, die Abbilder menschlicher Psyche o.ä. sind. Sowas ist mehrdeutig und fast ausschließlich individuell und für jeden ganz persönlich verstehbar.
Švankmajers "Alice" ist für mich jedenfalls ein wirklich sehr gelungener, angenehm nicht reißerischer, sondern im Gegelnteil auf den ersten Blick ruhiger, surrealer Film, der die bekannte Geschichte von einem sich langweilenden kleinen Mädchen erzählt, dessen Aufmerksamkeit von einem weißen Kaninchen eingenommen wird, das ständig lamentiert, es sei spät dran und habe keine Zeit. Diesem Wesen folgt das Mädchen in ein Wunderland, in dem nicht nur die Raumverhältnisse nicht mehr so ganz stimmen, sondern weitere kausale Regeln aufgehoben zu sein scheinen, sodass der Zufall regiert - wie's kommt, so kommt's.
Švankmajer nutzt die Rahmenhandlung und einzelne carroll'sche Elemente, um ein träumendes Mädchen zu zeigen, das skurrile Abenteuer in ihrem eigenen Kinderzimmer erlebt. Überzeugend fand ich vorallem, dass selbst die verrücktesten Zufälle mit solch einer Ruhe daherkommen, dass sie nach dem ersten 'häh?"-Effekt plötzlich ganz naheliegend und selbstverständlich erscheinen, eigentlich Niedliches plötzlich ein Merkmal aufweist, das das Objekt nicht ganz so geheur macht, mit der Erwartungshaltung des Subjekts gespielt wird, das dann doch anders aufgelöst wird, sich fassbare Gegenstände plötzlich zu anderen verändern oder Absurditäten irgendwie doch geregelt erscheinen. Beispiele hierfür wären, dass in Alice' Tränenmeer plötzlich ein kleines Boot erscheint, in dem eine Maus sitzt, die auf den Kopf des Mädchens klettert, sich aus ihren Haaren ein Feuer macht, auf dem sie sich sein Mahl kocht, das niedliche Kaninchen, das irgendwie nicht so ganz geheure Zähne hat, in seinem Haus eine Wiege schaukelt, in der ein Säugling schreit, Alice mit Geschirr und schließlich mit dem Säugling selbst bewirft, der sich in Alice' Armen als Ferkel herausstellt, oder die "Gerichtsverhandlung" Alice' mit König und Königin dieses wundersamen Landes gescriptet ist.
Das klingt beim Lesen dieser Zeilen wahrscheinlich ziemlich abgefahren, aber ich kann nur nochmals betonen, dass sich die Inszenierung in so einer Ruhe und fern allem Reißerischen bewegt, dass Švankmajers "Alice" manchen wahrscheinlich fast schon wieder trocken vorkommen wird, auf mich aber dadurch eben den schon genannten Eindruck hinterließ, den wir aus unseren eigenen nächtlichen Träumen kennen: Aufhebung der Kausalität zu Gunsten des naheliegenden Zufalls.
'Sehenswert', vielleicht sogar noch mehr, was sich bei der nächsten Sichtung ergeben wird. Und ich glaube, ich werde demnächst mein filmisches Interesse generell mehr in Richtung unserer osteuropäischen Nachbarn verlagern.
Äh, ja, - ich liebe nichts mehr, als einfach so mal in einen Film hineinzustolpern, ohne vorher genau zu wissen, um was es eigentlich geht oder was mich erwartet, um dann ganz einfach so mir nichts dir nichts umgehauen zu werden. Und wenn man über Filme aus Tschechien spricht, dann kommt schnell heraus, dass man ihnen gerade in Sachen Märchenfilme so schnell nichts vormacht, wobei "Valerie" mehr ein Fest für Freunde des surrealistischen Avantgardefilms sein wird, die mehr nach etwas Abseitigem suchen.
Der Beginn der Pubertät ist für sicher jeden Menschen etwas ganz Aufregendes, irgendwo zwischen Kindsein und Erwachsenwerden - und dann kommt noch hinzu, dass der eigene Körper sich zu verändern beginnt, man sich selbst und seine Umwelt dadurch anders wahrnimmt und sich auch in einem etwas anderen Sinne für sie zu interessieren beginnt. Das passiert auch hier mit der 13-jährigen Valerie und wie die anderen Kommentatoren schon einstimmig festgestellt haben: optisch ist der Film wahnsinnig schön, märchenhaft, traumhaft, verspielt, verschnörkelt, stellenweise aber auch leicht morbide und unheimlich. Und anbei ein Surrealismus, der ja inzwischen einige Spielarten entwickelt hat, wie ich ihn am liebsten mag: er nimmt einen vorallem sinnlich gefangen, an die Hand auf einen Streifzug durch ein Wunderland aus der Perspektive einer sexuell Erwachenden 13-jährigen. Was man hier alles zu sehen bekommt, kann und sollte man nicht rational verstehen - am besten, man lässt sich einfach in diesen Film fallen, sich von seiner visuellen Schönheit verführen, dann wird der Film schon ganz von allein auf einer ganz anderen Ebene verstehbar durch Erlebbares, welches sich jedem rationalen Zugriff entzieht. So liebe ich das, so liebe ich Surreales, das immer zu einem eigenen, ganz individuellen Abenteuer wird.
Anbei will ich noch anmerken, dass "Valerie - Eine Woche voller Wunder" für Freudianer zu einem Abenteuerspielplatz werden kann; Libido und Destrudo so nah beieinander, das Anziehende des Verbotenen und des Tabus und das sich selbst (in der eigenen Phantasie) Ausprobierenwollen, ehemalige Grenzen neu austesten, nahestehende Erwachsene plötzlich als Konkurrenten wahrnehmen, alles mehr oder weniger phantastisch codiert.
Und so ein ganz klein wenig habe ich mich stellenweise an "Das Gespenst der Freiheit" erinnert gefühlt, das hier auf "Alice im Wunderland" trifft.
Danke MP, nie wäre ich wohl sonst auf diese kleine Filmperle aufmerksam geworden. Ein Film, ganz auf meinen Geschmack hin zugeschnitten.
"Du sollst nicht begehren deines Nächsten Gut." - Dekalog, 10
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Was haben wir Zuschauer mit dem Gang durch die Dekalogreihe inzwischen alles durchgemacht? An die Hand wurden wir genommen und mit den Bewohnern eines Neubaugebiets am Stadtrand Warschaus bekannt gemacht. Schritt für Schritt sind wir auf sie zugegangen, bis jemand unsere Hand losließ und wir mit den dort porträtierten Menschen plötzlich ganz allein waren, in ihren intimsten Momenten, mit ihren Ängsten, mit ihren Zweifeln, mit ihrer Verzweiflung, in ihrer Einsamkeit, in ihren dunkelsten Stunden, ... aber auch mit ihrer immer wieder mal durchschimmernden Freude und - das darf nicht unerwähnt bleiben - ihren Hoffnungen. Wir begegnen uns, berühren uns, tun uns weh und ... vielleicht verstehen wir uns.
"Dekalog, dziesięć" erinnert mich von seiner Erzählweise ein bisschen an "Dekalog, trzy" (3), gestaltet sich dieser wieder recht geradlinig; von Kieślowski dereinst mit den Worten präsentiert: "Voilà: Ein Film über das ungeheuer egoistische Eintauchen in die eigene Leidenschaft."
Nach längerer Zeit begegnen sich Artur und Jerzy, zwei ungleiche aber doch irgendwo auch so ähnliche Brüder, wieder, da ihr Vater verstorben ist. In seiner Wohnung, die ja schon beinahe einem Sicherheitstrakt gleicht, finden sie eine Briefmarkensammlung, die sich mit der Zeit als enorm wertvoll herausstellt. Der Vater hat sein ganzes Leben in diese Sammlung gesteckt und anscheinend nicht gemerkt, dass er seine eigene Familie dadurch vernachlässigt; das soll sich doch gelohnt haben...? Aber für den Höchstwert ist die Sammlung noch nicht ganz vollständig - die Jagd kann beginnen, denn eine der Briefmarken gibt es in ganz Polen nur ein einziges mal. Wie weit würde man gehen, ab wann wird aus einer Leidenschaft Besessenheit, würde man auch ein Teil von sich selbst weggeben, wird man noch seinen Nächsten kennen? - Selbst anschauen. :)
Das klang eben eigentlich viel zu ernst. Ernst ist es zwar schon, doch "Dekalog, dziesięć" ist zwar weniger komplex als die anderen Teile, wird jedoch durch eine gewisse Leichtfüßigkeit absolut liebenswürdig, insbesondere durch die beiden Hauptfiguren, verkörpert von Jerzy Stuhr und Zbigniew Zamachowski, bei deren Aktionen man sich als Zuschauer schonmal an den Kopf fassen will, nicht aber, ohne wenigstens ein bisschen dabei zu schmunzeln.
So viele Abgründe, die man bis hierhin als treuer Zuschauer durchgemacht hat und weder man selbst noch die Figuren wurden je wirklich allein gelassen. Immer war da jemand, der beobachtete und durch das Aufzeigen der Vielschichtigkeit menschlicher Leiden-schaften Fragen stellte, nie wertete, sondern zum Nachdenken anregte. - Und wenn sich am Ende Jerzys und Arturs Köpfe treffen und man im ersten Moment nicht weiß, ob sie eigentlich gerade weinen oder nicht vielmehr eigentlich lachen (oder beides), womöglich über sich selbst, dann fühlt es sich fast so an, als umarme Kieślowski selbst seinen Zuschauer für diesen einen Moment.
Ich kann nur noch einmal sagen: eine ganz wunderbare, zutiefst humane Reihe, die jeder sich einmal anschauen sollte, der die Gelegenheit dazu hat. Es gibt nur wenige Filme und Filmzyklen, in denen man so viel über den Menschen und das Leben lernt, so abgründig, wie behutsam, wie liebend.
"Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib" - Dekalog, 9
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Ein besonders erhellender Kommentar wird dies leider nicht, da ich ihn auch lange vor mir herschob und nur deswegen gerade tippe, weil ich einfach zu jedem Dekalogteil ein paar Zeilen dalassen wollte, auch wenn mir zu "Dekalog, dziewięć" ein wenig der richtige Zugang fehlte. Mit mehr melodramatischen Elementen als in den anderen Dekalogteilen erzählt dieser Film von Roman, einem Chirurgen, der sich von einem befreundeten Arzt untersuchen lässt und Impotenz diagnostiziert bekommt. Dabei hat er eine junge, attraktive Frau und als er ihr in einem intimen Moment miteinander von der Diagnose erzählt, stellt er ihr frei, sich einen Liebhaber nehmen zu dürfen. Anscheinend reduziert Roman das Funktionieren einer Ehe auf das Geschlechtliche, wohingegen seine Frau ihm sagt, dass Liebe etwas im Herzen sei und nicht etwas zwischen den Beinen.
"Dekalog, dziewięć" wird gern auch als "Ein kurzer Film über die Eifersucht" oder - wie von Kieślowski etwas scherzhaft gemeint - auch als "Ein kurzer Film über das Telefon" bezeichnet. Für mich ist es in erster Linie ein Film über selbstempfundene Minderwertigkeit, ausgelöst durch die Diagnose der Impotenz, eines sonst beruflich und privat eigentlich erfolgreichen Menschen, der sich reduziert und daran zu zerbrechen droht. Als Romans Misstrauen durch Telefonanrufe und das Auffinden eines Physikbuchs im Handschuhfach des gemeinsamen Autos wächst, beginnt er, seiner Frau nachzuspionieren und aus einem Versteck heraus zu beobachten, dass sie tatsächlich ein Verhältnis zu einem sehr viel jüngeren Mann hat. Dass seine Frau ihn jedoch tatsächlich liebt und Liebe und Ehe nicht nur auf das Sexuelle reduziert, wird insbesondere in der Szene deutlich, in der sie ihren Mann im Wandschrank versteckt findet, während er glaubte, sie erneut bei ihrem Liebesspiel mit dem anderen zu beobachten, sie ihren Liebhaber an jenem Tag aber nur deswegen zu sich bestellte, um die Affäre zu beenden. Es schmerzt die Frau sichtbar, zu sehen, wie sehr sich ihr Mann selbst erniedrigt, wodurch ihre eigentliche Liebe zu ihm um so deutlicher für den Zuschauer fühlbar wird. Doch einmal gepflanzte und zu keimen begonnene Eifersucht ist leider nicht so leicht zu ersticken. Das Ehepaar entschließt sich zu einer Beziehungspause, doch als Roman mitbekommt, dass der junge Liebhaber seiner Frau nachgereist ist, hat er abermals Zweifel...
Ein Film über sich steigernde selbstempfundene Minderwertigkeit, Eifersucht und Entzweiung bis zum - aus Romans Perspektive - konsequenten Ende - und auch ein Film über Scham. All diese Aspekte gebündelt in der Tatsache, dass das Ehepaar scheinbar nicht mehr direkt miteinander sprechen kann - das Telefon klingelt unablässig, nur, um sich anschließend kaum etwas zu sagen zu haben oder eine unbequeme Wahrheit nicht hören zu wollen, sondern sich lieber selbst eine zurechtzulegen und eine Konsequenz darauß zu ziehen; hat etwas von einer sich selbst erfüllenden Prophezeihung und zumindest diese kann das Selbstwertgefühl bestätigen, wenn auch im negativen Sinne.
Ich muss dennoch sagen, dass durch die melodramatischen Elemente "Dekalog, dziewięć" für mich hinter die fesselnde Intensität der anderen Dekalogteile zurückfällt, aber das ist reine Geschmackssache. Positiv hervorheben kann ich aber, dass es wohl der bildgewaltigste Teil der Reihe ist (für einen Fernsehfilm!) und unterm Strich natürlich immer noch ein grundsolider Film bleibt, der mir persönlich jedoch nicht ganz so viel geben und anregen konnte wie seine Vorgänger.
"Du sollst keine anderen Götter haben neben mir." - Dekalog, 1
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Gott, wo bist du? Gibt es dich? Bist du (noch) hier?
Mit "Dekalog, jeden" werden wir in den zehnteiligen Filmzyklus eingeführt. Es ist Winter, Dezember, das Neubaugebiet am Stadtrand Warschaus scheint ziemlich trist. Ein seltsamer Mann sitzt am Feuer, scheint gedankenversunken in die Flammen zu starren und nur ab und zu einen Blick auf Vorbeigehende zu werfen. Es ist der Mann, der von Artur Barciś gespielt wird, von dem Kieślowski sprach, er sei jene Figur, " die all das ist […]. Schicksal, Vorbestimmung, Gott, Engel, vielleicht Teufel. Jemand der auf all das schaut, was passiert, nichts sagt, nur schaut, überdrüssig, leidend." In keiner weiteren Folge ist er so oft und so lange zu sehen wie in "Dekalog, jeden". Wenn er all dies sein soll, dann ist er aber auch nicht mehr als ein stiller Beobachter; ist auch er ein Unwissender? Oder wenn er all das ist, all jenes verkörpert, woher kommt er eigentlich?
Ist er gesand worden? Von wem? Von Gott? Und warum? Sind Gott und Mensch sich in der Moderne fremd geworden? Sind sie aneinander noch interessiert? Brauchen sie einander? Suchen sie noch einander? Oder vielleicht ist auch Gott das alles - Schicksal? Vorbestimmung? Engel? Teufel?
Seine erste Beobachtung sollen jedenfalls Pawel und sein Vater, ein Sprachwissenschaftler, werden. Pawel ist ein sehr aufgeweckter und neugieriger Junge, der alles in seiner Umgebung beobachtet und Fragen stellt. Er interessiert sich für die Arbeit seines Vaters, für mathematische Berechnungen am Computer. Sein Vater scheint mehr an den materiellen, greifbaren Dingen interessiert zu sein. Über all jenes, was darüber hinausgeht, scheint er nicht oft sprechen zu wollen. Gedankenanstöße hierüber findet Pawel eher bei seiner Tante, der Schwester seines Vaters. Er ist quasi die Brücke zwischen diesen beiden Personen, da seine Neugier sowohl in die eine wie in die andere Richtung geht, wobei sich Vater und Tante in ihren Weltanschauungen gegenseitig achten und respektieren und dem Jungen alle Freiheiten seiner Interessen lassen.
Braucht der moderne Mensch eigentlich noch einen Gott?
Alles scheint heute berechen- und vorhersehbar zu sein, wenn man ein guter Beobachter ist und die richtigen Rückschlüsse ziehen, interpretieren und einordnen kann. Oder hat menschliche Erkenntnis doch noch irgendwo eine Grenze? Gibt es eine Sphäre, die für den menschlichen Verstand unzugänglich bleibt?
So viele Zufälle, die in "Dekalog, jeden" auftreten, irgendetwas bahnt sich an, irgendetwas wird hier unheimlich, denn diese "Zufälle" (?) häufen sich, gehen fast schon von Szene zu Szene - waren es wirklich Zufälle, wenn man vom Ende her "Dekalog, jeden" noch einmal überdenkt und zurückblickt? Aus Spoilergründen werde ich nicht konkreter, sondern schreibe nur, dass ich das Ende dieser Folge als sehr quälend empfand, denn "Dekalog, jeden" entlässt - wenn ich nicht etwas übersehen habe - den Zuschauer in Ungewissheit ob das wirklich passiert ist, was passiert sein soll, ob das, was passiert sein soll, wirklich endgültig ist, oder ob es nicht doch noch eine kleine Hoffnung gibt, die sich dem Zuschauer zwar nicht offenbart, aber vielleicht gibt es sie . Der Glaube des Menschen in der Ungewissheit, im Verlust und im Schmerz - im Verlust und im Schmerz des persönlichen Gottes? Wo immer er sich auch offenbaren mag, wenn es ihn denn tatsächlich (noch) gibt.
"Ich habe niemals versucht, absichtlich schwere Filme zu machen." - Alain Resnais -
Resnais, der Hypnos in meinem Regieolymp - eigentlich wollte ich ihm gern hier den allerersten Kommentar zu seinem nächsten Geburtstag schreiben und umso trauriger, dass die ersten Kommenatre hier nun ausgerechnet die über seinen Tod sind.
Bis auf eine kleine Ausnahme wurden Resnais' Filme für mich bislang immer zu ganz besonderen Erlebnissen - eine unglaubliche ästhetisch schöne Wirkung, mit der jeder bislang gesehene Streifen meine Aufmerksamkeit sofort hatte, immer mehr für sich beanspruchte und einnahm, mich immer mehr vergessen ließ, dass ich eigentlich nur einen Film sehe, bis dann - zack - ein Abgrund, ein Grauen.
Ich finde auch nicht, dass Resnais Filme absichtlich schwer sind. Im Gegenteil gibt es kaum einen Regisseur, in dessen Werk ich mich einfach so schön Fallen lassen kann wie in seine Filme. Die brauch man nicht zu verstehen, denn wer sich ihn öffnet, für den werden seine Filme ganz von selbst zu einmaligen Erlebnissen und dadurch auf einer ganz anderen Ebene verstehbar.
Ein ganz Großartiger!
Schade, aber irgendwann ist es bei jedem Menschen ja leider nur noch eine Frage der Zeit ...
Lieber Alain Resnais, vielen Dank für Deine langjährige Arbeit!
"Du sollst nicht falsches Zeugnis geben wider deinen Nächsten." - Dekalog, 8
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Wenn das mal immer so einfach wäre. Wenn das Leben tatsächlich so simpel gestrickt wäre, dass der Mensch einfach nur nach den Geboten des Dekalogs leben und handeln und sich an diesen Regeln orientieren könnte.
"Dekalog, osiem" ist für mich in gewisser Weise der Schlüsselteil des gesamten Filmzyklus und für mich der Film, in dem die Intention aller zehn Filme vereint wird, obwohl das Lesen der Inhaltsangabe heute auf den ersten Blick wie ein schon zu oft aufgezogener Gemeinplatz anmutet, welcher sich im Verlauf der hier präsentierten 50 min. als komplexer Diskurs über menschliches Verhalten und Handeln in Abhängigkeit real gegebener Situationen und die Reflexion jener entpuppt - somit wird in "Dekalog, osiem" für mich mit aller Deutlichkeit die gesamte Intention des Dekalogreihe aufgegriffen und präsentiert: das Nachdenken über menschliche Ethik. So verwundert es nicht, dass eine der beiden Hauptfiguren dieses Teils eine ältere Ethikprofessorin ist, die eines Tages eine Gasthörerin bekommt, eine junge Frau aus den USA. Beide Frauen kennen sich, da die Amerikanerin mit Interesse die Arbeiten jener Professorin mitverfolgt, deren Bücher sie übersetzt und nun an einem wissenschaftlichen Austausch interessiert ist. In einer Lehrveranstalltung, wo Fallbeispiele der "ethischen Hölle" präsentiert, über diese nachgedacht, Handlungsmotive hinterfragt und analysiert werden (sozusagen schwierige Grenzsituationen, die eine Entscheidung fordern), fragt die amerikanische Gasthörerin, ermutigt durch die These der Professorin, dass das Leben eines Kindes und dessen Schutz das höchste Gut seien, ob sie ebenfalls ein Fallbeispiel erzählen könnte, in der sie das Handeln der Personen nicht verstehe - es handele sich um eine wahre Geschichte, die sich im Februar 1943 ereignet habe und in der ein 6-jähriges Mädchen im Vordergrund stehe, eine kleine Jüdin. Dieses Kind wurde aus dem Ghetto gerettet und soll nun bei einem jungen katholischen Ehepaar die rettende Taufe erhalten, damit das Kind versteckt und somit gerettet werden könne. Doch das Ehepaar macht einen Rückzieher mit dem Verweise auf das achte Gebot, welches hier gebrochen würde.
Wie auch in den anderen Dekalogteilen ist die Konzentration auf die Schauspieler großartig, ihr Erzählen so interessant und fesselnd, dass man die Dialoglastigkeit genießt, beschwören sie die Situationen vor den Augen aller Anwesenden - und letztendlich auch vor jenen des Zuschauers - so plastisch herauf, dass das eigene Kopfkino vieles sichtbar macht und man tatsächlich zwischendurch kurz erinnert wird, dass hier nur erzählt wird - nämlich dann, wenn ein betrunkener Student plötzlich in den Raum tritt. Die Bilder, die der Zuschauer durch die Erzählung der Amerikanerin sieht, haben für die Ethikprofessorin allerdings noch einmal eine ganz besondere Bedeutung: sie selbst war nämlich der weibliche Teil des besagten Ehepaars und die Amerikanerin das damals 6-jährige Mädchen.
Den kommenden Nachmittag und Abend bis zum Vormittag des nächsten Tages werden beide Frauen gemeinsam verbringen, gemeinsam viel miteinander reden, teilweise versuchen, die möglichen Beweggründe aufzudecken, den Ort des damaligen Geschehens aufsuchen... Auffällig ist allerdings, dass es hier nicht um eine Schuldfrage geht. Letztendlich geht es beiden Frauen um Suche und die Frage nach Verantwortung, was bildlich z.B. sehr schön erzählt wird, wenn Zofia, die Ethikprofessorin, und Elzbieta, die Amerikanerin, jene Wohngegend des anbrechenden Abends im Februar 1943 erneut aufsuchen und Zofia Elzbieta aus den Augen verliert, besorgt und fast schon verzweifelt nach ihr sucht.
Aufmerksamen Zuschauern und Zuhörern offenbart sich "Dekalog, osiem" im Verhältnis zur relativ kurzen Laufzeit als Film mit unglaublich komplexem Inhalt und Diskurs, der über nicht immer sofort als Metaphern und Symbole erkennbare Begriffe und Bilder (lohnt sich also, diesen Teil mehrmals anzuschauen) und die mit vielen Verweisen und kleinen Details gespickten Dialoge erzählt wird. Angesichts der Komplexität der Welt, in der wir leben, deren Situationen und Ansprüche sich stets ändern können und in der der Mensch Orientierung bedarf, um werten und handeln zu können, muss er sich der Herausforderung formulierter Normen stellen und selbst entscheidungsfähig werden. Die erste Frage, die sich vor diesem Hintergrund und in Blick auf das 8. Gebot stellt, ist jene, ob es tatsächlich so einfache Kategorien wie Lüge und Wahrheit gibt, oder ob nicht die jeweilige Situation und das zu schützende höchste Gut diese neu definieren. In "Dekalog, osiem" ist es aber auch das sich Stellen der Vergangenheit durch Erinnerung, eine Frage des Verdrängens und des Gewissens, Frage nach menschlichem Verhalten und das Übernehmen von Verantwortung; das Gute existiere in jedem Menschen, meint Zofia, es ist die Situation, die unser Handeln fordert, der Mensch ist frei, zu wählen - und womöglich soetwas wie Gott hinter sich zu lassen? (Aber woher kommt eigentlich das Gute in uns?)
Es ist eine nachdenkliche und sehr dazu anregende Schwebe, in der dieser Diskurs gehalten wird. Aber dies war schließlich auch Kieślowski Absicht, keine Moral in seinen Filmen zu lehren, sondern seinen Zuschauern Impulse zu geben, die zum Nachdenken anregen sollen.
:D
Ich glaube, wenn es mir in Miyazakis Kopf zu langweilig wird, packe ich meine Koffer gar nicht erst aus, sondern reise weiter in jenen Švankmajers.
Schade, ein paar Minuten mehr und ich würde den Film richtig abfeiern.