SoulReaver - Kommentare

Alle Kommentare von SoulReaver

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    Ganz kuriose Nummer. Schon der Trailer verwies auf die tonalen Irregularitäten, die The Accountant aufweisen wird. Da steht das schicksalhafte Charakter-Drama um einen Jungen mit neurologischer Störung auf der einen Seite und ein vollkommen beklopptes Action-Thriller-Vehikel auf der anderen. Rain Man tritt auf Batman. The Accountant findet, beinahe schon als logische Konsequenz dieser obskuren Hybridisierung, nie (s)einen inneren Ausgleich. Ist wirr erzählt, konfus montiert, astreiner Dummfick eben, der in seinem Wechselspiel aus Genre-Ungeheuerlichkeiten jedoch etwas durchaus Subversives aufweist, obgleich dem Film dann doch die letzte Vehemenz fehlt, wirklich über die anarchische Stränge zu schlagen. Ulkig ist es aber schon, wie The Accountant das Asperger-Syndrom seines Hauptdarstellers als hochfunktionale Superheldenfähigkeit begreift und ihn gegen allerhand finstere Gesellen zu Felde ziehen lässt. Kann man machen.

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    • 8 .5
      SoulReaver: FILMSTARTS.de 09.02.2017, 21:12 Geändert 10.02.2017, 23:16

      [...] Allerdings, und darin liegt das Genie des hochkonzentrierten Films begraben, geht es Kenneth Lonergan nicht um die (im wahrsten Sinne) unaussprechlichen Höllenqualen per se, die Lee tagein tagaus durchstehen muss. Es geht ihm darum, aufzuzeigen, dass man trotz seiner tiefen, innerseelischen Leiden weiterhin am Leben teilnehmen kann, indem man sich, wenn auch nur zaghaft, auf sozialen Kontakt einlässt. Der Umgang mit anderen Menschen, konkret Patrick, ist hier für Lee der Schlüssel, um seinen Selbsthass ein Stück weit einzudämmen und seine Existenz einen Funken erträglicher zu gestalten. Am Ende spendet „Manchester by the Sea“ trotz seiner existentiellen Schwere auch etwas Trost. Dass der Film letztlich aber dermaßen kraftvoll und organisch auf den Zuschauer einwirkt, ist der eindrucksvollen Performance von Casey Affleck zu verdanken. Sein Auftritt ist eine Lehrstunde darin, wie ergreifend nuanciertes Schauspiel in meisterhafter Form aussieht. [...]

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      • 8

        [...] Dogtooth gleicht einem absurden Alptraum. Komik und Tragik offenbaren sich oftmals so engumschlungen, dass es zu wahren Irritationen im Empfindungszentrum des Zuschauer aufruft. Aber genau das ist der Umstand, durch den Dogtooth seine eigenwillige Kraft gebiert: Das stetige Unterhöhlen von Sehgewohnheiten. Als anthropologische respektive soziologische Studie hinterfragt Lanthimos nicht nur ganz gezielt die Entwicklungsmöglichkeiten des Menschen im Klammergriff von genetischer Veranlagung, verquerer Konditionierung und seelischer Grausamkeit. Dogtooth funktioniert auch als verstörend-zeitgemäße Polit-Parabel und thematisiert totalitäre Machtstrukturen im Fokus auf selbst- und fremdbestimmter Entfaltung. Wo entsteht der Freiraum für zwischenmenschliche Kompetenzen? Können wir unser Bewusstsein bereits innerhalb eines Mikrokosmos der Wirklichkeit aufschlüsseln? Wissen wir instinktiv, dass die Realität, die uns geboten wird, nicht zwangsläufig akzeptiert werden muss? Das muss sie nämlich nicht. Das muss sie nie. [...]

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        • 5
          SoulReaver: FILMSTARTS.de 08.02.2017, 10:21 Geändert 09.02.2017, 10:47

          Früher war Paul Schrader einer der ganz großen Schreiberlinge des New-Hollywood-Kinos. Heute ist er das schwarze Schaf an der reich besetzten Branchentafel. Paul Schrader weiß natürlich um seinen Ruf in der Traumfabrik, aber juckt ihn das? Nö, nicht wirklich. Stattdessen läuft er, nachdem er in Dying of the Light künstlerisch gnadenlos in die Schranken gewiesen wurde, mit Dog Eat Dog mal ordentlich Amok. Gruß an die Hater. Dog Eat Dog könnte man, wenn man ihn denn unbedingt einem Genre zuordnen möchte, als neongrelle Gangster-Farce deklarieren, in der drei Ex-Knackis nicht gegen ihre Bewährungsauflagen verstoßen wollen, aber auch keinen Bock darauf haben, den ehrenwerten Weg zu gehen. Den gibt es nämlich nicht mehr. Paul Schrader berichtet von einem verwahrlosten, vom Medienkonsum vollkommen gelähmten Amerika, in dem sich alle Menschen vor Irren mit einer Pumpgun unter dem Kopfkissen beschützen sollten - und er berichtet somit natürlich auch von einem Amerika, in dem sich Irre ohne Probleme eine Pumpgun beschaffen können. Das ist zuweilen tiefschwarz, manchmal giftig, oftmals vollkommen daneben und konsequent verstreut. Aber die Tintenpatrone auf dem Füller ist bis zum Anschlag gefüllt. Grelle Nummer. Wirklich grell. Nicht wirklich gut, aber grell.

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          • 9
            SoulReaver: FILMSTARTS.de 07.02.2017, 18:57 Geändert 07.02.2017, 18:59

            [...] Das gegenseitige Ab- und Herantasten verschiedener Kulturen sowie den dazugehörigen Philosophien bildet von nun an die Kernkompetenz der Erzählung und weist einige der poetischsten Augenblicke auf, die das Kino seit jeher heraufbeschwören konnte. Nicht nur scheinen die Landschaftspanoramen von einer romantischen Magie beseelt zu sein, die jeden Zuschauer angesichts dieser gemäldegleichen Naturaufnahmen ins Schwelgen geraten lässt. Kevin Costner widmet sich den Indianern, in diesem Fall der Stamm der Lakota, mit entwaffnender Offenherzigkeit. Es liegt ihm nicht daran, Abbitte für all die Karikaturen zu leisten, die der Western dem Indianer in der Vergangenheit immer schon aufgezwungen hat. Der mit dem Wolf tanzt behandelt die Suche nach sich selbst, die Suche nach einem Platz im Leben, zeigt sich fasziniert von der Eintracht des Volkes und findet gleichwohl innerhalb der Zeichnung der Ureinwohner maßgebliche Ambivalenzen, die diese feingeistige Schönheit von Mammutwerk so lebendig machen. [...]

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            • 5

              [...] Von nun an bestimmen Verwirrung, Hilflosigkeit und Beklemmung die Tonalität des Films. Renee sieht sich einem Experiment ausgesetzt, in dem sie sich fortwährend mit ihren tiefsten Ängsten, Zwängen und Phobien auseinandersetzen muss. Und Rupture – Überwinde deine Ängste gelingt es durchaus, Spannung im Zuge der Undurchsichtigkeit des Szenarios zu generieren, nicht zuletzt durch die prägnante Farbdramaturgie, die dem italienischen Kino der 1970er Jahre entlehnt zu sein scheint und Renees Peiniger zusätzlich in ein zwielichtiges Licht verschiebt. Shainbergs Inszenierung aber weist auch auf, wie lange sich diese dramaturgische Form von ausgeprägter Geheimniskrämerei auf den Beinen halten kann: Nur so lange, bis eine Antwort in Sichtweite ist. Bahnt sich die Auflösung an, ebbt die Anspannung im Narrativmotor unverkennbar ab, eben weil er zu forciert darauf scheint, Erklärungen zu liefern. [...]

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              • 10
                über Titanic

                [...] Neben der Beleuchtung der Kluft zwischen Arm und Reich, die im Chaos des paralysierenden Untergangsszenarios regelrecht perverse Ausmaße annehmen wird, offenbart sich Titanic auch als weitsichtige Initiations- und Emanzipationsgeschichte: Rose wird sich aus den ihr auferlegten bürgerlichen Fesseln befreien und die Erwartungen, die seit jeher an sie gestellt wurden, unterlaufen, um einen erlösenden ersten Schritt in Richtung Selbstbestimmung zu bewirken. Wenn sich das opulente Desaster von Minute zu Minute in seiner beklemmenden Ausweglosigkeit kontinuierlich potenziert, offenbart James Cameron ein weiteres Mal seine genuine Meisterschaft als Filmschaffender: Es sind keinesfalls die Momente des aufgescheuchten Gewirrs, des ohrenbetäubenden Lärms, der bedrängenden Panik, die sich in die Köpfe der Zuschauer brennen werden. Es ist die Stille, die als Konsequenz der Katastrophe vollends auslaugt. Die Körper, die steif gefroren im Eiswasser des Nordatlantik treiben. [...] Titanic stellt ohne Zweifel eine schillernde Ausnahmeerscheinung innerhalb der hochbudgetierten Kulturlandschaft dar. Ein derartig leidenschaftliches, mitreißendes, stimulierendes und in jedem Punkt berührendes Erlebnis gibt es wahrlich nur einmal. James Cameron rekurriert dabei auf die Urreize des Kinos, definiert Titanic somit natürlich auch nicht unwesentlich über seine Gegebenheit als (Jahrmarkt-)Attraktion, ist aber so modern, dass er sich nicht auf den imposanten Schauwerten ausruht, sondern jeder Gefühlsregung ihren entsprechenden Resonanzraum erlaubt: Die Liebe und der Schmerz, beide dürfen sie in übermächtiger Ausformung entflammen und eine ganz eigene Ikonographie etablieren. [...]

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                • 7 .5

                  [...] Es erscheint beinahe absurd, wenn sich so mancher Rezipienten erdreistet, Die Brücke am Kwai vorzuwerfen, er würde den blinden Gehorsam innerhalb militärischer Formationen unreflektiert glorifizieren. Geraden dieses (beschränkte) Beschwören eines pedantischen Armeegeistes offenbart die tiefe Tragik, in der sich Colonel Saito, Colonel Nicholson und Commander Shears verlieren werden. Die Brücke selbst nämlich war ein Symbol des Glaubens, ein Epitom des Widerstandes und half den Menschen, den Glauben an die eigene Nachhaltigkeit des Seins nicht zu verlieren. Gerade aber dieser Versuch, einen Sinn in der Sinnlosigkeit zu forcieren, entpuppt sich als rigoroses Scheitern an den eigenen Idealen. Krieg ist Wahnsinn, nicht mehr. Mit dieser Erkenntnis entlässt der imposante Die Brücke am Kwai den Zuschauer, während sich Scharen von aufgescheuchten Flughunden aufmachen, den Himmel zu verdunkeln. Krieg ist Wahnsinn. [...]

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                  • 6
                    SoulReaver: FILMSTARTS.de 02.02.2017, 14:40 Geändert 02.02.2017, 14:41

                    [...] An erzählerische Kontinuität also ist nicht zu denken, inszenatorisch aber belegt der gebürtige Römer erneut seine rigorose Kunstfertigkeit. Allein die bis ins kleinste Detail durchkomponierte Sequenz, in der im Wechselspiel aus Überblenden und Zooms eine Fotografie vor den Augen des blonden Sohnemanns Bob (Giovanni Frezza) erwacht, um eine Kamerafahrt später im Sepia-Ton der Vergangenheit zu erstarren, ist ganz großes Kino. Das Haus an der Friedhofsmauer scheint ohnehin von einem elaborierten Stilwillen beseelt, der den inhaltlichen Mumpitz zuweilen edler erscheinen lässt, als er letztlich ist. Lucio Fulcis handwerkliche Könnerschaft indes steht außer Frage: Die alptraumhafte, konsequent und unübersichtlich zwischen verschiedenen Wahrnehmungsebenen oszillierende Bildsprache offenbart zerdehnte Momente des tödlichen Unheils. Mag Das Haus an der Friedhofsmauer auch nicht ängstigen, in seinem wohligen Schmoddergrusel ist er nach wie vor hochinteressant. [...]

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                    • 6 .5
                      SoulReaver: FILMSTARTS.de 30.01.2017, 12:43 Geändert 30.01.2017, 12:45

                      [...] Das aufgewärmte Kalter-Krieg-Szenario scheint natürlich weitestgehend altbacken, die Spannungen zwischen Amerika und Russland wurden auf der Leinwand schließlich schon zu genüge bemüht. Crimson Tide - In tiefster Gefahr überzeugt jedoch vielmehr durch den im Inneren des U-Boots stattfindenden Kampf der Wertevorstellungen. In diesem feurig-klaustrophobischen Charakter-Duell trifft ein Hardliner auf einen Taktiker: Impulsivität und Antizipation wiegeln ein antagonistisches Geflecht auf, welches selbst Hans Zimmers pathosgetränktes Aufplustern auf der Tonspur für sinnig erklärt. Tony Scott erzählt Crimson Tide - In tiefster Gefahr also auf jeder Ebene über die eskalative Bereitschaft, den Ausnahmezustand einzuleiten - und in der mitreißenden Summe ergibt das sicherlich nicht nur Handgreiflichkeiten im maskulinen Hahnenkampf, sondern im schlimmsten Fall einen nuklearen Holocaust. Sowas nennt man dann wohl dramaturgische Fallhöhe. [...]

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                      • 4 .5

                        [...] Das religiös-verbrämte Bedrohungsszenario, welches Die Eroberung des Weltalls im letzten Drittel formuliert, ist immerhin eines, welches sich ganz allein auf den Menschen bezieht - es ist intrinsisch. Allerdings rettet auch dieser dramaturgische Schlenker nichts daran, dass Byron Haskin hier einen vor allem reizlosen Film in Szene gegossen hat. Inhaltlich bleibt die Erkundungsreise des kosmischen Raums den Gesetzmäßigkeiten jener naiven Zukunftsvisionen treu, die in den 1950er und 1960er Jahren Hochkonjunktur feierten: Ein maskuliner Ballungsraum bildet das Zentrum, das Erschließen neuer Rohstoffe im All ist das Ziel. Dabei werden kurzzeitig tatsächlich Themen wie emotionale Verwahrlosung (die in der sogenannten 'Raummüdigkeit' kulminiert) angesprochen, zugunsten einer weitestgehend bleichen Odyssee zum Mars jedoch schnell wieder fallengelassen. Dass die Figuren Reißbrettprodukte bleiben, schadet der Wirkung dieses dialoglastigen Relikts natürlich durchweg. [...]

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                          SoulReaver: FILMSTARTS.de 27.01.2017, 16:52 Geändert 27.01.2017, 16:54

                          [...] Wer glauben möchte, im ultrabrutalen „Hacksaw Ridge – Die Entscheidung“ verbirgt sich womöglich ein Anti-Kriegsfilm; eine Abhandlung über den Verfall von Moralität und der Pervertierung amerikanischer Erziehungsideale, der hat die Rechnung ohne den manischen Fundamentalismus des Steuermanns gemacht. Obgleich Desmond Doss, der offenkundig Gibsons kühnste Materialisation einer reingewaschenen Heldenvorstellung entspricht, kein Leben nimmt, spricht er das Massenmorden seiner Kameraden fraglos heilig. Das Töten nämlich ist ein Instrument, um den Glauben zu befreien. Das Töten ist elementar, um den Weg zu Gott zu finden – den Weg, den Desmond schon lange gefunden hat und ihm, aus Gibsons Perspektive, eine astreine Erlöser-Ikonographie samt Himmelfahrt-Motiv gestattet. Dass „Hacksaw Ridge – Die Entscheidung darüber hinaus unfassbar kurzweilig erscheint, bestätigt sicherlich Mel Gibsons außerordentliches Talent als Geschichtenerzähler. Genau das aber macht den verqueren Film umso gefährlicher. [...]

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                          • 4

                            [...] Das Backwood-Genre ist nicht zuletzt Projektionsfläche, um kulturelle wie politische Dimensionen innerhalb der Vereinigten Staaten abzubilden und greifbar zu machen. In diesem Fall sind es oft die der gesellschaftlichen Mitte Verstoßenen, die sich für die Landeseinnahme der Großstädter rächen. Zwei Filme haben Muttertag – Ein Alptraum aus Blut und Gewalt dabei ganz besonders geprägt: Beim Sterben ist jeder der Erste (den der Film sogar einmal ganz direkt zitiert) und Blutgericht in Texas, dem er den Gegenentwurf einer All-American-Family entnimmt und noch ein Stück weiter pervertiert: Hier stehen die Gefahren des Matriarchat im Zentrum, natürlich auch mit einem satirischen Augenzwinkern versehen, um die eingeschrieben Klischees des Sujets offenzulegen und die damit einhergehenden Narrativstrukturen aufzubrechen. Zusehends allerdings verläuft sich Muttertag – Ein Alptraum aus Blut und Gewalt in der grenzdebilen Reproduktion genreinhärenter Trademarks. [...]

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                              SoulReaver: FILMSTARTS.de 26.01.2017, 12:28 Geändert 26.01.2017, 12:29

                              [...] „La La Land“ ist traumtänzerisches, nostalgisch-verklärtes Kino; ein sich dem Publikum inständig anbiederndes Hollywood-Märchen, welches sich vor allem selbst sehr gut darin gefällt, dem guten, alten Hollywood mit Vehemenz den kugelrunden Bauch zu pinseln. Damien Chazelle formuliert hier einen von Referenzen gespickten Traum, der sich niemals in Richtung Zukunft orientieren darf; der sich nicht einmal im Hier und Jetzt verwirklichen lässt, sondern permanent das Vergangene hofiert – und das passt freilich wunderbar in das beschränkte, retrospektive Bild, um der Hollywood’schen Selbstbeweihräucherung in die Karten zu spielen. Dabei finden sich inhaltlich durchaus ansprechende Aspekte, von Entscheidungen, die man treffen muss, von Kompromissen, die man eingehen muss, die „La La Land“ zu mehr hätten machen können, als nur zu der berechnenden (und berechneten) Vergangenheitsinszenierung. Am Ende bleibt eine brave, geltungssüchtige Unternehmung, zeitweise ganz niedlich, aber doch furchtbar steril und rückwärtsgewandt. [...]

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                                [...] Befreit von jedweden formelhaften BioPic-Zwängen und abseits des krampfhaften Hausierens mit lexikalischem Wissen findet Born to Be Blue seine Kompetenz in der Beschreibung eines Menschen, der vom Sonnenaufgang träumen durfte, aber dem Sonnenuntergang verfallen war. In den Tiefen des Drogensumpf wartet die traurige Wahrheit hinter der prominenten Fassade: Chet Baker wünschte sich nichts mehr als zu spielen, seine Abhängigkeit von synthetischen Betäubungsmitteln aber zerschlug ihn mehr und mehr. Eigentlich wollte er doch nur den Schmerz stillen, um sich Glanz und Gloria hinzugeben, letztlich jedoch war er selber der Urheber seines Schmerzes und Schuld daran, nicht nur aufgrund seines Könnens berühmt-berüchtigt zu werden, sondern wegen seiner eigenverschuldeten Auftritte als zerfurchtes Wrack. Born to Be Blue intoniert ein Lied des Scheiterns; ein Scheitern an sich und der Welt. [...]

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                                  [...] Man merkt Eine gefährliche Affäre – Revenge zu jeder Zeit an, dass die Probleme hinter den Kulissen äußerst schwer wogen. Der Film gleicht einer anschwellenden Kakophonie; einem Orchester, bestehend aus Dilettanten. Die Töne sind schief, die Instrumente verstimmt – und doch bringt es etwas Faszinierendes mit sich, dieser verzerrten Komposition zu lauschen. In seinem Misslingen, und Eine gefährliche Affäre – Revenge ist nichts anderes als ein Protokoll des Scheiterns, offenbart der in seinen Unzulänglichkeiten verkapselte Rohrkrepierer Momente unbeabsichtigt verschleppter Schönheit. Tony Scotts Handschrift ist dabei fortwährend erkennbar, die für ihn charakteristische schwül-siedende Bildsprache bestimmt das Geschehen. Interessant aber ist, mit welch ungeahnter Vehemenz hier Erwartungshaltungen unterlaufen werden, indem kontinuierlich zum Ausdruck gebracht wird, dass Tony Scott keine Idee davon hat, wie er diese mit erotischen Anklängen behaftete Handlung vorantreiben soll. [...]

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                                    SoulReaver: FILMSTARTS.de 22.01.2017, 13:20 Geändert 22.01.2017, 19:20

                                    [...] Last Man Standing trägt keinen Gramm zu viel auf den Rippen, diese Paraphrase klassischer Westernmotive ist ein knochentrockener Cocktail, der sich für klare Worte, klare Wege und letztlich auch klares Scheitern ausspricht. Harte Gitarrenriffs rhythmisieren das Geschehen dabei akkurat, während John Smith nicht nur im diegetischen Raum als Hauptakteur agiert, sondern auch als Moderator auf den Plan tritt, um den Verlauf der Handlung aus dem Off zu kommentieren. Die Welt, von der Last Man Standing berichtet, ist aus der Zeit gefallen, der aufgewirbelte Staub bildet eine Nebelwand, die den von Zynismus und Brutalität infizierten Landstrich quasi hermetisch von der Außenwelt abriegelt. Wenn die bleihaltigen Feuergefechte regelrecht in den Moment hineinplatzen, dann bersten Schüsse wie Donnerschläge und Walter Hills Verständnis für das hiesige Stilisieren der brotlosen Kunst des Töten offenbart sich so eruptiv wie spektakulär. [...]

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                                      SoulReaver: FILMSTARTS.de 21.01.2017, 17:39 Geändert 21.01.2017, 17:41
                                      über Arrival

                                      [...] Extraterrestrische Lebensformen treffen auf der Erde ein, ihre Monolithen-gleichen Raumschiffe verharren im Nirgendwo, lokalisiert an zwölf verschiedenen Orten auf dem blauen Planeten. In festen, mehrstündigen Rhythmen öffnen sich die nebelumflorten Pforten – die Außerirdischen laden zum Dialog. Von nun an geht es Arrival darum, gemeinsame Kommunikationskanäle zwischen beiden Parteien zu forcieren, das eigene Vokabular (auch im übertragenen Sinne) zu erweitern, einen Zugang zueinander zu finden, um das Erforschen einer anderen Spezies auch zur Erforschung des eigenen Seins zu erheben. Arrival löst die Zeit dabei als daseinskonstitutive Determinante ab, die Sprache selbst ist es, die unser Bewusstsein prägt, unsere Wahrnehmung ausbildet, unser Hirn vernetzt: Die Rückwendung steht synonym zur Vorausdeutung und unterhöhlt simultan dazu die Erwartungshaltung des Zuschauers. [...]

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                                        [...] Ansprechend gestaltet sich, wie Lawrence Kasdan die vorgebliche Trauerarbeit des Freundeskreises behandelt: Der Stützpfeiler ihrer Freundschaft ist von einem Moment auf den anderen weggebrochen. Tränen der Betroffenheit fließen, aber doch verhärtet sich zusehends der Eindruck, dass die involvierten Parteien den Suizid ihres langjährigen Gefährten zuvorderst dazu nutzen, um im Selbstmitleid zu zerfließen. Jeder der Charaktere ist auf seine Weise an seinen Lebenszielen gescheitert, viele aber haben sich inzwischen derart in ihrer inneren Unausgeglichen verlaufen, dass sie kaum noch die Kraft aufbringen können, die festgefahrenen Strukturen ihrer Komplexe aufzubrechen. Kasdan allerdings zeichnet sich nicht für ein bitterschweres Drama verantwortlich, er gesteht den Figuren in dieser gruppentherapeutische Versuchsanordnung schlussendlich eine hoffnungsvolle Einkehr zu, in dem sie die Kommunikation als Brücke der Rückbesinnung akzeptieren: Eine Rückbesinnung darauf, was man hat; was das Leben, trotz allem Scheiterns, lebenswert macht. [...]

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                                          SoulReaver: FILMSTARTS.de 12.01.2017, 13:14 Geändert 12.01.2017, 13:17

                                          [...] Auch Tage des Donners zelebriert den Rausch der Geschwindigkeit. Der Konkurrenzkampf zwischen Tom Cruise und Michael Rooker (Guardians of the Galaxy) ist reine Staffage, ebenso die Liebelei zwischen Cruise und Nicole Kidman (Unterwegs nach Cold Mountain). Es geht allein um die dynamische Verschmelzung von Eisen und Fleisch, von Aluminium und Blut. Tage des Donners weidet sich in erwartungsgemäß einnehmenden Bild- und Tonkompositionen am ohrenbetäubenden Röhren der Motoren; er kostet den kamikazeartigen Tritt auf das Gaspedal, der den grölenden Boliden beinahe zu einem Überschlag nötigt, voll aus: Tony Scott gibt sich erneut als Sklave der Beschleunigung zu erkennen. Problematisch allerdings ist, dass Tage des Donners nicht funktioniert, wenn sich seine Figuren nicht hinter die Lenkräder klemmen. Ihre Persönlichkeiten entstammen dem Reißbrett, ihre Konflikte sind reine Behauptung, ihre Zukunft vollkommen belanglos, weil sie ohnehin durchweg vorhersehbar erscheint. [...]

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                                            SoulReaver: FILMSTARTS.de 11.01.2017, 19:55 Geändert 11.01.2017, 19:56

                                            [...] Eine Brachialgewalt. Ein Monstrum von Film. Verstörend, abstoßend, lähmend, auslaugend. Irreversibel ist eine Grenzerfahrung sondergleichen, was Regisseur Gaspar Noé (Enter the Void) bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes einiges an Gegenwind widerfahren ließ. Noch heute wird vollmundig davon berichtet, welche Wellen Irreversibel bei seiner hiesigen Premiere im Jahre 2002 zu schlagen wusste: 200 der 2400 Besucher verließen den Saal, viele weitere quälten sich durch die Vorstellung und klagten im Anschluss über körperliche Beschwerden. Warum aber vermochte es Gaspar Noés zweite Regiearbeit nach Menschenfeind, für derartige Furore zu sorgen? Woher rührt die Ablehnung, die Empörung, die Entrüstung, der Hass, den Irreversibel seit jeher bezieht? Die Antwort darauf ist eindeutig: Wer sich Irreversibel zu Gemüte führt, wird zwangsläufig aus einer Wohlfühlzone gerissen, die einem der eigene Filmkonsum über die Jahre hinweg ankonditioniert hat.

                                            Oftmals wird in der allgemeinen Filmrezeption beklagt, dass die kinematographische Kulturlandschaft zu wenige Innovationen aufweist. Der festgefahrene (Genre-)Usus wird zu selten außer Kraft gesetzt; zu rar scheinen die Unternehmungen, traditionelle Erzählmethoden zu transzendieren. Irreversibel ist jedoch eines der Werke, die sich nicht auf ein altmodisches Regelwerk berufen; die narrativen Konventionen gnadenlos und bis aufs Letzte aushebeln. Die rigorose Schockwirkung, die dieses inszenatorische Operieren abseits der Norm mit sich bringt, allerdings scheint für viele Zuschauer von überraschender Überwältigung: Gaspar Noé macht Irreversibel körperlich erfahrbar und zermürbt gleichwohl die Seelen seiner Rezensenten. Dieser Film ist die Hölle, wenn alles Feuer erloschen ist, und bleibt dabei von einer künstlerischen Brillanz gezeichnet, die noch in Jahrhunderten von sich reden machen wird. Wie aber macht sich diese Brillanz erkennbar?

                                            Im Prinzip finden wir uns in Irreversibel auf abgedroschenen Terrain wieder: Ließt man die Synopsis des Films, dann meint man, einen obligatorischen Rachefilm zu Gesicht zu bekommen. Alex (Monica Bellucci, James Bond 007 - Spectre) wird auf dem Heimweg von einem Fremden vergewaltigt. Ihr Freund, Marcus (Vincent Cassel, Das Vater meiner besten Freundin), macht sich wutentbrannt auf die Jagd nach dem Schänder seiner Geliebten. Dass Gaspar Noé Irreversibel aber einer Rückwärtserzählung unterordnet, also mit dem Abspann beginnt und den Anfang ans Ende setzt, garantiert eine Abschaffung des stereotypisierten Ursache-Wirkung- respektive Aktion-Reaktion-Prinzips, welchem sich Rape-&-Revenge-Vehikel nicht erst seit Ein Mann sieht Rot bedienen. Der Vergeltungsschlag, den Gaspar Noé so an den Anfang seiner Handlung setzt, verschließt sich von vornherein jedweder moralischen Legitimation und verweigert sich einem klaren Anspruch auf Rechtfertigung.

                                            Umso härter trifft uns die Eröffnung: Die vor zentrifugaler Kraft berstende Kamera von Benoit Debie dreht sich schwindelerregend um die eigene Achse und dringt in ständigen, unübersichtlichen Bewegungen vom Hinterhof in einen Schwulenclub ein: Das Rectum. Während sich auf der Tonspur dabei ein delirierender Soundtrack entfaltet, bestehend aus lähmenden Sirenen, mechanischem Gehämmer und dem Keuchen, dem Stöhnen, dem Schnaufen der Clubbesucher, tobt Marcus durch die verwinkelten Gänge der Einrichtung. Kurze Zeit später wird ihm, nachdem er glaubt, den Schuldigen gefunden zu haben, der Arm gebrochen, bis Marcus' Gefährte, Pierre (Albert Dupontel, Tage oder Stunden), die bestialische Initiative ergreift: Mit der Unterseite eines Feuerlöschers bewahrt er Marcus vor einem sexuellen Übergriff und prügelt das Gesicht des Angreifers, wortwörtlich, zu Brei. Irgendwann scheinen nur noch matschige Knochenstücke in den Boden gestampft zu werden.

                                            Es ist ein Akt unvorstellbarer Gewalt, den Gaspar Noé in dieser Szene beschreibt. Aber ist diese Szene voyeuristisch veranlagt, wie viele Stimmen verlauten lassen wollen? Nein, sie ist das genaue Gegenteil: In diesem schier endlos wirkenden Augenblick formuliert Noé seine Abneigung gegenüber der Konsumierbarmachung von Leinwandgewalt. Das Warten auf einen erlösenden Schnitt, der uns an die Fiktionalität des Geschehens gemahnt, bleibt aus. Wir sind zum Zusehen verdammt und werden Teil einer unmenschlichen Gewalteruption. Damit, dass diese Brutalität zusätzlich eine unschuldige Person trifft, akzentuiert Noé seine Intention, die Gewalt einer Sinnhaftigkeit unterzuordnen und den Moralkompass des Zuschauers in seine altbekannte Position einrasten zu lassen. Tatsächlich aber hat man es, geht man von der abgebildeten Gewalt aus, noch lange nicht geschafft: Eine 10-minütige Vergewaltigungssequenz führt den Zuschauer nicht nur an seine Grenzen, sondern weit darüber hinaus.

                                            Das infernalische Rot der Unterführung, in der Alex missbraucht wird, brennt sich ebenso ins Gedächtnis, wie ihre Schreie, die in der vorgehaltenen Hand ihres Schänders verklingen. Die Kamera befindet sich dabei auf dem Boden, direkt vor ihrem Gesicht - wir sind also gezwungen, Augenkontakt zu halten. Ist dieser Moment voyeuristisch? Keinesfalls. Gaspar Noé gibt der physischen Gewalt, in welcher Form auch immer, ihren Schrecken zurück und legt sie, wie den gesamten Film, als tonnenschweren Klotz auf den Brustkorb des Zuschauers. Dass Irreversibel nach diesem doppelten K.O.-Schlag zurück in gemäßigte Gefilde kehrt, ändert freilich nichts an der soghaft-betäubenden Wirkung, die dieses Werke zutage fördert: Irreversibel ist die Antithese des Rachefilms und eine Dekonstruktion unserer Sehngewohnheiten. Ein urbane Ängste spiegelender Abstieg in den Orkus unserer Lebenswirklichkeit. Paradox, wird durch seine erzählerischen Mittel auch unsere herkömmlichen Wahrnehmungsmuster gänzlich auf den Kopf gestellt. Wir sind den Bildern schutzlos ausgeliefert.

                                            Die Zeit heilt keine Wunden, weil die Wunden jenseits der Zeit entstanden. [...]

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                                              SoulReaver: FILMSTARTS.de 11.01.2017, 12:10 Geändert 11.01.2017, 12:12

                                              [...] Eine ganz normale Familie beweist sich als ein Film, der von besonderer emotionaler Intelligenz geschrieben und inszeniert ist. Die zerfahrene, nahezu auf Eis gelegte Kommunikation, die Conrad in Bezug auf seine Mutter zusehends zu schaffen macht, ist nur die erste Stufe einer Wendeltreppe unausgesprochener Konflikte. Robert Redford verliert sich indes, bis auf punktuelle Ausnahmen, niemals im melodramatischen Geschwurbel, das diesem emotionalen Scherbenhaufen angedeiht werden lassen könnte. Stattdessen widmet er sich konzentriert dem Befinden der Menschen, die sich längst schon in ihrem eigenen Schmerz verkapselt haben. Schuldgefühle, die Unfähigkeit, einem geliebten Menschen Nähe zu zeigen und Trauerbewältigung bilden das stoffliche Topoi des intimen, ja, gar zurückgenommenen Dramas. Es geht hier letztlich nicht nur um Probleme, sondern auch um deren Lösungen und das Ausdeuten, dass Hilflosigkeit im Angesicht der Trauer absolut der Normalität entspricht. [...]

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                                                [...] Dass in Seifenopern aber zuweilen Sachverhalte thematisiert werden, die durchaus von Belang sind, steht außer Frage. Zur Debatte hingegen stehen die Mittel der Umsetzung. Die Narration, die Dramaturgie, die Inszenierung. Obgleich Zeit der Zärtlichkeit auf dem Papier noch den Anschein eines schmalzigen Tearjerkers erweckt, beweist James L. Brooks hier in Wahrheit seine ungemeine Menschenkenntnis und entfesselt einen innerfamiliären respektive zwischenmenschlichen Kosmos der Gefühle, in dem emotionale Abhängigkeiten, Lebenslügen, Ehekrisen, Einsamkeit, Trauer und der Wunsch nach einem Neuanfang zum Diskurs stehen. Zeit der Zärtlichkeit besticht dabei zwar nicht mit der tiefenanalytischen Präzision eines Ingmar Bergmans (Fanny und Alexander), bewegt aber gleichwohl durch die zwischen Humor und Tragik fein austarierte Offenheit, die die hervorragend besetzten und exzellent verkörperten Charaktere in ihrem Schmerz und ihren Sehnsüchten gänzlich vitalisiert. [...]

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                                                  [...] Ohne Zweifel, Top Gun – Sie fürchten weder Tod noch Teufel ist purer Fetisch. Die Fetischisierung allerdings ist dem audiovisuellen Konzept des Regisseurs eingeschrieben, denn, wir erinnern uns, geht es Tony Scott hier letztlich nur um eine Sache: Die Suche nach dem perfekten Bild. Da sich die halsbrecherischen Flugmanöver dabei als inszenatorische Lehrstücke in Sachen actionorientierter Dynamik herausstellen, findet der Film beim Zuschauer in Form des adrenalingeladenen Geschwindigkeitsrauschs unentwegt Anklang. Darüber hinaus aber stößt Top Gun – Sie fürchten weder Tod noch Teufel mit testosterongeschwängerter Verlässlichkeit ab: Masturbatorisch nämlich labt man sich hier nicht nur der Wendigkeit der Flugobjekte, verzogene Männlichkeitsideale (die die unterdrückte Homosexualität niemals in einen queeren Siegeszug münden lassen dürfen) und verlogene Zugeständnisse an die Verwegenheit des militaristischen Daseins verklären das grelle 80s-Vehikel zum palaktiven Werbefilm. [...]

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                                                    [...] Im Herzen offenbart sich Forrest Gump als Film der Dissonanzen. Er oszilliert beständig zwischen den Tonalitäten und scheint dem Zuschauer die Frage nach der eigenen Identität fortwährend zu offerieren: Als beeindruckende Lebensgeschichte, die von einem historischen Schlüsselmoment zum nächsten springt, präsentiert sich Forrest Gump als fleischgewordener American Dream und weist dabei eine erzkonservative Moralität auf, die ihm jedwede Reputation aberkennen müsste. Robert Zemeckis (Zurück in die Zukunft) aber scheint sich über das satirische Potenzial als Gegenstand der Narration im Klaren zu sein und erlaubt eine weitere Lesart: Ist Forrest Gump nicht auch die zynische Abrechnung mit einem Land, in dem die hohlsten Nüsse den größten Gewinn machen? Amüsiert man sich hier nicht auch über all die uramerikanischen Erziehungsideale, in dem man sie in einem exorbitanten Ausmaß schicksalhafter Begünstigung auflöst.

                                                    Der selbstverständliche Nationalstolz jedenfalls findet seinen Ausdruck innerhalb reiner Glückssache. Forrest Gump, eine affektive und impulsive Persönlichkeit, der jegliches Talent zur (Selbst-)Reflexion verwehrt bleiben soll, füttert sein Konto mit mehreren Millionen US-Dollar, schüttelt drei verschiedenen Präsidenten die Hand und bereichert gleichwohl die Existenzen seines sozialen Umfeldes, weil er sich, natürlich gänzlich unbewusst, auf seine entwaffnende Dummheit verlassen kann. Und genau wegen seines schlichten Gemüts gewinnen Binsenweisheiten an Gewicht, sie werden zu profunden Erfahrungen, ist Forrest doch nicht in der Lage, sie auf ihren banalen Glückskekscharakter abzutasten. Ähnlich Emotionen, die verfließen, versucht man sie erst zu greifen. Das Leben ist wie eine Feder im Wind, mal wird sie durch eine Böe in luftige Höhen hinauf gerissen, um ihm nächsten Moment wieder selig dem Erdboden entgegen zu schweben. [...]

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