SoulReaver - Kommentare
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Alle Kommentare von SoulReaver
[...] Diese divergierende, sich gegenseitig bereichernde Charakterdynamik nutzt John Singleton, um dem außenstehenden Publikum einen beobachtenden und aufwühlenden Blick auf das von willkürlicher Gewalt und sozialer Verwahrlosung durchströmte South Central zu ermöglichen. Singleton, der hier selbst aufgewachsen ist, der den Brennpunkt kennt, distanziert sich von abgeschmackten Gangster-Attitüden und vom von Machismo durchtränkten Posertum und entfesselt damit einen bisweilen fiebrigen Sozialrealismus, der nicht zuletzt ein ungemein bitteres Amerika-Portrait offenbart, in dem institutionelle Unterdrückung und gesellschaftspolitische Untätigkeit so extrem sind, wie nirgendwo anders in diesem Land. Wie Furious in einem kraftvollen Monolog anmerkt, gibt es in South Central die meisten Waffenläden. An jeder Ecke wartet einer. Warum? Damit sich das schwarze Volk selbst die Möglichkeit nimmt, sich weiterzuentwickeln. Damit sich das schwarze Volk gegenseitig abschlachtet.
John Singleton, der mit Boyz N the Hood – Jungs im Viertel zum ersten afroamerikanischen Filmemacher geworden ist, der für einen Oscar in der Kategorie Beste Regie vorgeschlagen wurde, verbindet eindrucksvoll und hochgradig stimmungsvoll Sozial- mit Lokalkolorit, sein gesellschaftlicher Querschnitt ist präzise und in jeder seiner 120 Minuten Laufzeit spannungsgeladen. Denn auch wenn Singleton hier eine klare Aussage formuliert und sich gegen die Verrohung und Verlotterung der verarmten Stadtteile in Metropolen ausspricht, so ist Boyz N the Hood – Jungs im Viertel auch eine emotionale Inititationsgeschichte, die uns Kinder vorstellt, die später zu Männern werden, aber das Ghetto für immer in sich tragen. Die Frage ist dabei nur, ob sie diese Erkenntnisse, das Wissen, welches ihnen das Leben in South Central mit auf den Weg gegeben hat, nutzen oder ob sie sich davon vereinnahmen und erdrücken lassen. [...]
[...] Ob Vincent, Frankenweenie, Pee-wees irre Abenteuer, Beetlejuice, Batman, Edward mit den Scherenhänden oder Batmans Rückkehr. Alle diese Filme werden durch jenes Leitmotiv zusammengehalten, welches auch Ed Wood antreiben sollte: Das Außenseitertum. In diesem Falle begleiten wir den 30-jährigen Protagonisten (Johnny Depp, Donnie Brasco) dabei, wie er seinen Traum leben möchte und sich dafür einem übermächtigen Gegner stellt: Dem Hollywoodsystem in einer Zeit, in der Filme gigantisch sein mussten und nicht mehr mythisch sein durften. In der große Namen und Profitorientierung den originären Visionen vorrangig waren. Eine Zeit, in der eine Stummfilm-Legende wie Dracula-Darsteller Bela Lugosi (Martin Landau, Verbrechen und andere Kleinigkeiten) keinerlei Bedeutung mehr besitzt. Er wurde ausgesiebt, erhält keine Angebote mehr und findet nur noch in Morphium und Demerol Rückhalt.
Ed Wood aber hat den allseits totgeglaubten Bela Lugosi und seinen sich bis in die Seele vordringenden Vampir-Blick nicht vergessen, wie könnte er auch; und als wäre es eine Fügung des Schicksals, kreuzen sich irgendwann die Wege der beiden Männer, um dem Biopic ein berührendes Zentrum zwischenmenschlicher Wertschätzung zu schenken. Was sich daraufhin entfesselt, ist nicht nur ein Denkmal für Ed Wood, sondern auch eine detailverliebte, ungemein empathische Ode an das Kino, welches unter der Ägide von Tim Burton eine gleichermaßen eskapistische wie therapeutische Wirkung zugesprochen bekommt. Nur in den Bildern, die auf die Leinwand projiziert werden, kann sich Ed Wood frei und lebendig fühlen und all den Menschen, die ihm etwas bedeuten, eine Chance geben, ein erfülltes Leben im Namen der Kunst zu führen.
Die Realität sah etwas anders aus, Ed Wood war ein furchtbarer Regisseur, dessen Karriere sich von Film zu Film als künstlerischer Überlebenskampf definierte, nicht zuletzt aus dem Grund, weil die von ihm gerne heraufbeschworene Kompromisslosigkeit ein anderes Wort für Inkompetenz gewesen ist. Seine unerschütterliche Fabulierleidenschaft aber besaß in ihrer Unerschrockenheit etwas ganz und gar Einmaliges - und Tim Burton erzählt von dieser aufopferungsvollen Hingabe mit Humor und Umsicht so zärtlich wie nie zuvor oder danach. Es ist zudem auch der große Auftritt des ohnehin begnadeten Martin Landau, der sich mit seiner Bela Lugosi-Performance endgültig unsterblich gemacht hat. Es zeugt von wahrer Klasse, wie es der vor zwei Jahren verstorbene Schauspieler hier vermag, Stolz, Sehnsucht, Fragilität und Angst oftmals im selben Moment freizulegen. Offenherzig und mitreißend, wie der gesamte Film. [...]
[...] Obwohl Harry alles hat, Frau, Kinder, ein Hausmädchen, ein großes Haus mit Pool und einen Managerposten in seinem eigenen Textilunternehmen, fehlt ihm doch die entscheidende Zutat, um ein glückliches Leben führen zu können: Innere Zufriedenheit. Das dicht geschriebene, konsequent auf Harry Stoner fokussierte Drehbuch versteht sich als subtile Charakterstudie, die die seelische Verwüstung seiner Hauptfigur nutzt, um den Blick gleichwohl auf den gesellschaftlichen und damit auch moralischen Wandel innerhalb der Vereinigten Staaten zu richten. Immer wieder verliert sich Harry in Erinnerungen an die Vergangenheit. Eine Zeit, als die Dinge seiner Ansicht nach noch einfacher und ehrlicher gewesen sind. Als es noch um aufrichtige Leistungen und nicht um den Saldo auf dem Konto ging. Inzwischen beurteilen Computer die eigene Kreditwürdigkeit und entscheiden somit über fähig und unfähig.
Harry, dessen Angst vor dem finanziellen Ruin allgegenwärtig ist, geht sogar so weit, dass er einen professionellen Brandstifter engagiert, der seine inzwischen wenig profitable Firma in Flammen aufgehen lassen soll, um sich mit dem Geld der Versicherung über Wasser zu halten. Überleben durch Zerstörung. Ob der Plan aufgeht, lässt Save the Tiger im Ungewissen, stattdessen sehen wir einen Mann, dessen Augen stetig tränengefüllt sind, noch aber hat er nicht gänzlich aufgegeben. Die Tränen rinnen noch nicht die Wangen herab, der Tiger leistet einen letzten Widerstand, bevor ihm die Zukunft endgültig genommen wird. Der hierfür Oscar-gekrönte Jack Lemmon brilliert in der Rolle eines ausgelaugten Mannes, dem jeder Atemzug merklich zusetzt. Der leidet, aber nicht resignieren kann, weil er weiß, dass mit ihm auch die Moral sterben wird. [...]
[...] Joachim Langs Erzählkonstrukt umfasst dabei eine Rahmen- und Binnenhandlung, die die Umstände der Produktion und die Gedankenwelt Brechts, wie er das Werk gerne gesehen hätte, umfasst. Ein Film im Film, der das Imaginierte mit dem Tatsächlichen abgleicht, aber weder auf der einen, noch auf der anderen Seite wirklich mitreißen möchte. Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm ist ein anspruchsvolles Experiment geworden, hochklassig besetzt, bisweilen eindrucksvoll fotografiert und immer in Bewegung. Der Film leidet aber in seiner fast 135-minütigen Laufzeit fast kontinuierlich unter dem tonnenschweren Gewicht, welches all die Ideen und Verweise, all die kultivierten Anforderungen an sich selbst und die unzähligen Themen, die auf diversen Ebenen behandelt werden möchte, auf seinen Schultern abgelegt haben. Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm ist schwungvoll, aber ermüdend, Ideen, Impulse und Inspirationen mäandern unkoordiniert durch den Raum.
Dadurch erhält der essayistisch angelegte Film in seinem intellektuellen Gedankensturm etwas Überhebliches und Anmaßendes; er wirkt kunstgewerblich und statisch, obwohl die Aspekte, die Joachim Lang im Primär- und Subtext forciert, durchaus spannend und sinnstiftend sind. Vor allem geht es in Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm doch um den Preis, den man bezahlen muss, um etwas Einmaliges erschaffen zu können – es geht um die Kosten der Kunst, den Krampf des Schöpfens, die Kampfbereitschaft, seiner Vision die Treue zu schwören, auch im Angesicht des Scheiterns. Lang aber artikuliert sich gefällig in seinem Hochmut, will alles ansprechen, vermag aber nur wenig zu vertiefen. Auch das mag spektakulär und bisweilen durchaus reflektiert sein, bleibt in Gänze aber genauso mechanisch und bemüht wie Lars Eidinger (Abgeschnitten), dem das Drehbuch ausschließlich verbürgte Brecht-Zitate in den Mund gelegt hat. [...]
[...] Peter Yates und sein Drehbuchautor Paul Monash haben sich offenkundig am französischen Kino eines Jean-Pierre Melville (Der Teufel mit der weißen Weste) inspirieren lassen, was gerade in der Verlorenheit und dem insgeheimen Lebensüberdruss seiner Hauptfigur deutlich wird. In Die Freunde von Eddie Coyle gibt es zudem auch einige minutiös arrangierte Überfallsequnzen, die nicht zuletzt in ihrer Rififi-esken Inszenierungsweise an Filme wie Vier im roten Kreis oder Der Chef erinnern. Yates beweist sich dabei in Sachen Spannung nicht nur als kompetenter, von präziser Genauigkeit beseelter Handwerker, er übersetzt das verbrecherische Tun auch in eine gesellschaftliche Dimension und spricht von sozialer Ungerechtigkeit, von Unterdrückung und von hierarchischen Strukturen, die sowohl im öffentlichen als auch im halbseidenen System Gang und Gäbe sind.
Und im Zentrum steht der wohl größte Systemverlierer: Eddie Coyle. Einer, der die wenigsten letzten Jahre seiner Existenz in Ruhe verbringen möchte. Der sich auf einen Deal mit dem Bundesagenten Foley (Richard Jordan, Innenleben) einlässt und dadurch in Kontakt mit der größten Gefahr kommt, die diese Welt in sich trägt: Hoffnung. Robert Mitchum entfesselt dabei eine marktdurchdringende Melancholie und gibt einen Menschen, der um sein Leben fürchtet, obwohl ihm dieses noch nie gute Karte zugeteilt hat. Was sollte sich daran im hohen Alter noch ändern? Peter Yates inszeniert diese Abwärtsspirale als Konglomerat aus Charakter-Drama und Bostoner Crime-Saga; entschleunigt und von einer großer Bitterkeit zeitweise wie paralysiert. Die Zeiten, in denen es um die Ehre ging, sind lange vorbei. Schmerzhaft ist nur, dass es nun auch nicht mehr um die Familie gehen kann. [...]
[...] Nachdem es Eddie Ryan (Robert Duvall in einer seiner ersten Hauptrollen) im Zuge einer Razzia nicht verhindern konnte, einen Kriminellen puerto-ricanischer Herkunft davor zu bewahren, während seiner Befragung vom Dach einer Diskothek zu stürzen, wird dem bärbeißigen Polizisten in Folge eines Disziplinarverfahrens die Marke entzogen: Suspendierung aufgrund vehementer Rassismusvorwürfen. Ryan gehört zwar nicht zu den Cops, die Verbrecher nach eigenem Ermessen in den Tod schicken. Wie ein Panther in der Nacht lässt jedoch auch von Beginn an keinen Zweifel daran aufkommen, dass er definitiv ein Mann für das grobe Handwerk ist, bei dem die geballte Faust sowie das verächtliche Vokabular fest zu den gängigen Verhör-Methoden gehören. Und wenn man ihn beurlaubt, dann ermittelt er eben auf eigenes Risiko, mag er damit auch seinen Job endgültig aufs Spiel setzen.
Selbstredend wirkt Wie ein Panther in der Nacht weitestgehend konfektioniert, wenn er die Charakter- und Handlungselemente des Einzelgängers bedient, der seinen Partner rächen möchte und dadurch ein umfangreiches Netz organisierter Kriminalität aufdeckt (und zerschlägt). Howard W. Kochs schroffe Inszenierung gibt dem klischeehaft anmutenden Cop-Thriller aber einen authentischen Gestus, der Eddie Ryan als frustriertes Produkt einer im Kern vergifteten Gesellschaft versteht. Wie eine Dampfwalze pflügt er sich durch die in Dunkelheit und Regen versinkende Großstadt, für Späße ist er nicht aufgelegt, seine Gefühle kann er nicht in Worte fassen, da ist nur noch die Wut, die ihn antreibt; die ihn immer mehr verbitterter und immer rücksichtsloser vorgehen lässt. Wenn es eine Zeit gegeben hat, in der diese Figuren blendend funktioniert haben, dann waren es ist die rauborstigen 1970er Jahre. [...]
[...] Dieser Akt sexualisierter Gewalt ist der Katalysator für eine stetig unter Spannung stehende Geschichte, die sich explizit mit der Frage beschäftigt, wie Normalität nach einer solchen Erfahrung wieder in den Alltag einkehren kann; wie ein geregeltes, kontrolliertes Weitermachen wieder in den Bereich des Möglichen gerückt wird. Nach jener Eröffnung, die den Zuschauer wie ein Schlag in die Magengrube erwischt, folgt in Zeitsprung, der zwei Jahre umfasst. Malte und Liv sind wieder als Lehrkräfte tätig, sie haben profesionelle Hilfe im Zuge einer Psychotherapie in Anspruch genommen und der Vorfall auf Mallorca scheint der Vergangenheit anzugehören – bis Malte dem Täter (Leonard Kunz, A Cure for Wellness) in einem Imbiss zufällig über den Weg läuft. In Wahrheit ist nichts verarbeitet, die Ängste, die Scham, der Zorn, all das kulminiert schlagartig in einem ungesteuerten Aktionismus.
Malte nämlich ist der Überzeugung, Rache nehmen zu müssen. Er muss den Jungen betrafen. Wie diese Vergeltung aussiehen soll, ist auch ihm nicht klar, stattdessen ringt er mit Überforderung und Schuldgefühlen und verliert sich selbst an den inneren Zwang, handeln zu müssen. Sven Taddicken gelingt es dabei, sein schwieriges Thema nicht an reißerische Gesten zu verschwenden, er hingegen baut auf Intimität und Authentizität. Es ist den beiden Hauptdarstellern dabei in jeder Minute anzumerken, wie aufopferungsvoll sie füreinander einstehen, wie weit sie füreinander gehen würden, wie „schön“ ihre Liebe wirklich ist. Durch diese ungemein organischen Performances gewinnt Das schönste Paar an zwischenmenschlicher Dreidimensionalität und erzählt glaubwürdig und sensibel, wie der Verarbeitungsprozess tiefsitzender Traumata zur innerseelischen Zerreißprobe werden kann. Manchmal allerdings muss man die Kontrolle verlieren, um sich selbst befreien zu können. [...]
[...] Aber Speed Kills ist beileibe kein The Wolf of Wall Street, Casino oder GoodFellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia. Stattdessen liefert Texas Chainsaw 3D-Macher John Luessenhop vielmehr den kleinen, buckligen Bruder des im Vorjahr legendär verrissenen Gotti ab, in dem ebenfalls John Travolta (Pulp Fiction) die Hauptrolle übernommen hat. Dass Luessenhop sich schlussendlich dazu entschieden hat, nicht seinen echten Namen für das Projekt herzugeben, sondern unter dem Pseudonym Jodi Scurfield zu arbeiten, zeigt ja schon sehr deutlich auf, wie viel Vertrauen oder Wertschätzung der Künstler diesem Film entgegenbringt: Weder noch. Zu Recht, möchte man sagen, denn diese phlegmatische Verknüpfung ausgelutschter Konventionen aus dem biographischen Crime-Sektor beschert nicht einmal mehr unterwältigtes Schulterzucken, sondern drangsaliert das Nervenkostüm des Zuschauer in ihrem gesamten anti-schöpferischen Unvermögen.
Man könnte sich nun natürlich einreden, dass die Vita des arbeitslosen Bauunternehmers, der zum Multimillionär aufstieg und sich in den Fängen des organisierten Verbrechens verzettelte, durchaus erzählenswert wäre, hätte man derlei Geschichten nicht schon unzählige Male über sich ergehen lassen. Speed Kills indes besitzt auch nicht den Impetus, eine eigene Vision in Sachen Stilistik oder Narration zu kreieren, um sich damit wenigstens vom Genre-Bodensatz abgrenzen zu können. Vielmehr gibt sich das in jeder Hinsicht sagenhaft schmuck- und ideenlos heruntergekurbelte Familien- wie Gangster-Dramödchen ganz und gar den konfektionierten Elementen hin, die dem Sujet seit Jahren wie eingeschrieben erscheinen – und denen man sich dementsprechend überdrüssig präsentiert. Nicht einmal John Travolta kann diesen schnöden Schund retten, denn auch der agiert so stocksteif wie nie zuvor. [...]
[...] Bis dahin sieht man einem ständig besoffenen und verschwitzten Matthew McConaughey dabei zu, wie er Rum säuft, seine Affäre Constance (Diane Lane, Untreu) befriedigt, Köder einkauft und seiner manischen Besessenheit nachgeht, ein Biest von Thunfisch aus dem türkisfarbenen Wasser der karibischen Paradies-Kulisse zu ziehen. Mit dem Auftritt von Karen und Frank spitzt sich die Situation dann zusehends zu, Im Netz der Versuchung möchte sich als düsterer Thriller begreifen; als geheimnisumwittertes Mystery-Kino – und natürlich als schwerwiegendes, bedeutungsschwangeres Charakter-Drama über kaputte Menschen, die nach und nach von ihrer Vergangenheit heimgesucht werden und der Wahrheit über ihre Existenz ins Auge blicken müssen. Der Film wirkt dabei aber permanent wie die beschränkte Edeltrash-Version obligatorischer Neo-Noir-Vehikel, denen er auf einer Meta-Ebene begegnen möchte, ohne sich für diese übergeordnete Ebene zu interessieren.
Wenn Im Netz der Versuchung etwas ist, dann hirnrissig, konfus und lächerlich. Steven Knight erhebt den alles umgreifenden Nonsense, der hier aus jeder Szene, jedem Wort, jeder Geste quillt, nicht zum schöpferischen Prinzip seiner Vision, um einen selbstreflektorischen Kommentar auf das Noir-Genre und sein inhärentes Regelwerk zu formulieren. Stattdessen sind die Charaktere dümmliche Karikaturen, die hier weitestgehend ziellos durch ein bemüht-doppelbödiges Szenario stolpern, dem Knight aus keinem Blickwinkel die nötigen Narrativ-Ambitionen entgegengebracht hat, um die Motive um häusliche Gewalt, Verlustängste und Erlösung adäquat zu grundieren. Dafür suhlt sich der Film in pathetischer Ernsthaftigkeit, in überdramatisierter Theatralik, fehgeleiteten Philsophie-Diskursen und in einem unfassbar sexistischen Frauenbild. Alles oder nichts scheint die Devise von Knight gewesen zu sein. Das Ergebnis ist auf jeden Fall ein sonderbarer Rohrkrepierer, seine unfreiwillige Komik aber kann man ihm nicht immer absprechen. [...]
[...] Die Geschichte selbst stammt ebenfalls von Jean-Claude Van Damme, der zusammen mit Les Weldon das Drehbuch verfasst hat und mit The Order laut eigener Aussage auf Tuchfühlung mit dem Kinos eines Jean-Paul Belmondo (Cartouche, der Bandit) gehen wollte. Dementsprechend kokett präsentieren sich die Muscles from Brussels auch in der Hauptrolle, denn als Meisterdieb Rudy Cafmeyer ist Van Damme nicht nur athletisch unterwegs, sondern gockelt sich auch ironisch in Lederjacke und Ferrari durch die erste halbe Stunde des Filmes, bis er sich auf den Weg nach Jerusalem machen muss, um seinen Vater (Vernon Dobtcheff,Der Name der Rose) aus den Fängen einer fundamentalistischen Sekte zu befreien. Was danach folgt, ist vor allem wirr und nicht selten ohne dramaturgische Linie, aber immer mit einem Augenzwinkern versehen.
In Israel offenbart sich nach und nach, dass die Welt kurz davor steht, in einen neuen Glaubenskrieg hinabzustürzen, plant ein radikal-religiöser Geheimbund (angeführt von Brian Thompson, Star Trek: Treffen der Generation) doch eine Bombe unter der Klagemauer detonieren zu lassen. Sheldon Lettich inszeniert diesen hanebüchenen und durch diverse Genres springenden Unfug dabei nur selten dynamisch und passt sich, bis auf eine Verfolgungsjagd am Flughafen, die ordentlich Materialschaden mit sich bringt, ganz den im besten Fall soliden Gepflogenheiten des DTV-Marktes an. Vielmehr baut der Film konsequent auf die vitale Präsenz seines Hauptdarstellers, der hier natürlich alle seine Signature Moves aus der Hüfte schütteln darf und nie um einen dummen Spruch verlegen ist, dem Geschehen in Gänze dadurch aber nur selten ein wirklich energievolles Tempo zugestehen kann. [...]
[...] Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit erliegt nicht dem drögen Anspruch, als lexikalische Abarbeitung der wichtigsten Stationen im Leben des Vorreiters der modernen Malerei auf Oscar-Jagd zu gehen; der Film ist kein verfilmter Wikipedia-Artikel. Stattdessen inszeniert Julian Schnabel, selber ein arrivierter Maler, hier eine impressionistische, ungemein eigendynamische Aneinanderreihung von Augenblicken, Gefühlen, Sinneseindrücken und steigt hinab in den zerrütteten Geist eines Mannes, der das Sonnenlicht verehrte, in seinem Inneren aber stetig mit Dunkelheit zu kämpfen hatte. Die behände, schwebende (Hand-)Kamera Benoit Delhomme (Lawless – Die Gesetzlosen) sucht sich dabei ihre ganz eigenen Perspektiven, um auf Van Gogh zu sehen, ihn zu erkunden, abzutasten, anzutreiben – oder seine Sichtweise zu verinnerlichen. Der untere Bildbereich verfällt dabei oftmals in Unschärfen, dieser Van Gogh möchte nur den Himmel, die Wolken, die Sonne kennen.
Im besten Sinne erweist sich Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit als ein inkohärentes, sprunghaftes Erlebnis; er sträubt sich niemals gegen Leerstellen oder Aussparungen und findet dadurch einen ganz eigenen Zugang, um dem Künstler-Porträt im Zentrum über die naturalistischen Bildwelten und den dissonanten Klangteppich auf der Tonspur Kontur und Gravität zu verleihen. Das ständige Oszillieren zwischen Euphorie, Manie, tiefer Traurigkeit und brodelndem Schmerz wird nicht zuletzt durch das gezielt-brüchige und äußerst einnehmende audiovisuelle Erzählen greifbar gemacht. Letzten Endes aber gehört dieser Film dem erneut beeindruckenden Willem Dafoe, der hier fast dreißig Jahre älter ist als der echte Van Gogh. Sein von tiefen Furchen durchzogenes Gesicht aber bündelt adäquat all das Leid, die Anstrengungen und Entbehrungen, die dieser Mensch über sich ergehen lassen musste, um den Pfad der Ewigkeit für sich zu ebnen. [...]
[...] Eben jener Reporter bekommt Wind von der abscheulichen Bluttat und nimmt die Ermittlungen auf, die ihn geradewegs in das Hinterland von Colorado führen, wo mormonische Hassprediger gegen das Christentum wettern und Racheengel heraufbeschwören. Man merkt Das Gesetz ist der Tod schnell an, dass Thompson hier nicht darum bemüht ist, ein klassisches Charles Bronson-Vehikel aus dem Boden zu stampfen, auch weil die ewige Action-Ikone sich Ende der 1980er Jahre selbst dagegen ausgesprochen hat, weiter die tumbe Genre-Schublade um grimmige Hau-Draufs im Vergeltungsrausch bedienen zu wollen. Stattdessen bekommt man es mit einem nicht wirklich behäbigen, aber entschleunigten Kriminalfilm zu tun, der von familiären Zwistigkeiten, religiösen Konflikten und politischen Komplotten sprechen möchte, in Wahrheit aber kaum etwas über diese Themen zu sagen hat.
Das liegt daran, dass Das Gesetz ist der Tod stilistisch zwar andere Bahnen einschlagen möchte, im Kern aber das altbewährte Charles Bronson-Prinzip aufwärmt und vom Einzelkämpfer berichtet, der sich allen Widrigkeiten zum Trotz durchbeißt und den Fall am Ende löst. Thompson inszeniert das uninspiriert, die weichgezeichnete TV-Optik lässt den Film wie eine Seifenopfer aus dem Nachmittagsprogramm erscheinen, während das detektivische Narrativ dem Zuschauer von Beginn an idiotensicher unter die Nase reibt, dass hier im Hintergrund eine weit größere Verschwörung im Gange ist. Bronson selbst gibt sich nicht ganz so tattrig wie in anderen Auftritten aus der Zeitspanne (man denke nur an Death Wish V), als Opa in Lederjacke schnüffelt er sich hier solide von Indiz zu Indiz, vorhersehbar und nahezu spannungsbefreit ist das Ganze dennoch. [...]
[...] Was direkt auffällt und fraglos immer schon zur inszenatorischen Wesenart des Dirty Harry-Regisseurs gezählt hat, ist die erzählerische Schnörkellosigkeit, mit der Flucht von Alacatraz in Erscheinung tritt. In der Eröffnung erreicht Frank Morris (Clint Eastwood, Million Dollar Baby) das Hochsicherheitsgefängnis, wird in seine Zelle verfrachtet und bekommt noch einmal mit Nachdruck deutlich gemacht, dass auf Alcatraz jeder in Einzelhaft sitzt – und damit jeder allein und vollkommen auf sich gestellt ist. Mit Anbeginn des nächsten Morgens nehmen sich Don Siegel und das von Richard Tuggle verfasste Drehbuch den nötigen Raum, um die inneren Gesetzmäßigkeiten der Haftanstalt stimmungsvoll und anschaulich zu beschreiben. Hier werden die Stunden gezählt, man knüpft Kontakte zu Leidensgenossen, sucht sich ein Hobby und wer nicht nach den hiesigen Regeln spielt, landet im beängstigend Zellenblock D.
Sind das Setting sowie die wichtigsten Nebenfiguren etabliert, wird dem Ausbruch entgegengearbeitet. Interessant dabei ist, wie selbstverständlich Siegel den Zuschauer mit verurteilten Schwerverbrechern sympathisieren lässt. Nicht nur, weil der Direktor (Patrick McGoohan, Braveheart) ein sadistisches Schwein ist, sondern weil sich der Freiheitsdrang des Menschen grundsätzlich als unheimlich ansteckend erweist. Neben geläufigen Gefängnis-Mythen findet Flucht von Alcatraz ebenso Zugang zur Einsamkeit der Häftlinge – gerade der Besuch von Verwandten und den Liebsten erweist als überraschend emotionaler Moment, wenn sich die Fingerspitzen gemeinschaftlich gegen kaltes Glas spressen. Überdies aber ist der Film durchgehend darauf erpicht, sich ohne narrative Umschweife als spannendes Genre-Kino verdient zu machen und gibt Clint Eastwood erneut die Chance, in der Hauptrolle als gleichermaßen harter wie scharfsinniger Charakter mit markanter Ausstrahlung zu glänzen. [...]
[...] Denn wo Alice Rohrwacher hier nicht nur viel über politische, gesellschaftliche und historische Verhältnisse berichtet, die nicht nur auf Italien, sondern die ganze Welt zutreffen, wird Lazzaro zum Zentrum einer Heiligensaga, die ihren interpretativen Nährboden sowohl im Biblischen als auch im Mythologischen sowie Filmhistorischen findet. Er ist das Wunder am Rande des Geschehens, die beiläufige Epiphanie, die unwahrscheinliche Offenbarung, die Glücklich wie Lazzaro zu einem überzeitlichen Gleichnis über ländliche Armut, urbanes Elend und die Suche nach dem Glück erklären. Rohrwachers Deutungsebenen und Bezugspunkten kulminieren dabei in einer Auffassung, die die Vergangenheit als unvergänglichen Zustand unseres Daseins machen. Soziale Ungerechtigkeit hat es schon immer gegeben, sie tritt in mannigfachen Formen auf, versteckt sich hinter vielgestaltigen Masken, bleibt ihrem destruktiven Wesen im Kern jedoch immer treu.
Ist Lazzaro deswegen ein naiver, bemitleidenswerter Idiot, weil er die hiesigen Gegebenheiten immer mit einer verträumten Selbstlosigkeit quittiert? Oder ist Lazzaro womöglich der Schlüssel für Veränderung, weil sich in seiner Dankbarkeit, seiner Selbstlosigkeit, seiner unerschütterlichen Güte all die Verfehlungen spiegeln, die den Menschen seit dem Anbeginn der Zeit verfolgen? Alice Rohrwachers Antwort darauf ist eine bittere, ihr dritter Spielfilm allerdings bleibt dennoch ein wunderschöner, weil er sich dem bedrückenden Sozialrealismus eines Pier Paolo Pasolini (Die 120 Tage von Sodom) nicht verschließt, aber ihn mit der Leichtigkeit von Vittorio De Sica (Fahrraddiebe) und dem spielerischen Gestus eines Giuseppe De Santis (Bitterer Reis) flankiert. Dabei gewinnt der auf körniges 16-Millimeter-Material gebannte Glücklich wie Lazzaro etwas Sagenhaftes; etwas Märchenhaftes und findet die harte Wahrheit in sanftmütiger Unschuld. [...]
[...] Was sich von der ersten Minute an als unheimlich wirkungsmächtiger Aspekt erweist, ist das authentische Lokalkolorit einer in Kriminalität und sozialer Verwahrlosung versinkenden Metropole: Das New York City in Nachtfalken funktioniert nach wie vor als einnehmender Schauwert und überträgt das Klima einer in betongrauer Tristesse gefangenen Großstadt kontinuierlich. In diesem urbanen Maloch verrichten DaSilva und Matthew Fox (Billy Dee Williams, Star Wars: Episode V – Das Imperium schlägt zurück) ihren Polizeidienst, die nächtliche Straßen, von Manhattan bis Brooklyn, sind ihr Revier. Nachdem jedoch bekannt wird, dass sich der internationale Terrorist Wulfgar (Rutger Hauer, Hitcher, Der Highway-Killer) in der Stadt, die niemals schläft, aufhält, müssen sie alles über Bord werfen, was ihnen ehemals auf der Akademie beigebracht wurde. Terror nämlich kann man nur mit Terror bekämpfen.
Sylvester Stallone überzeugt hier indes mit traurigen Augen in seiner ersten Hauptrolle in einem straighten Actioner und legt seine Performance beispielweise noch fernab der von fragwürdiger Coolness durchdrungenden Abrissbirnen-Vorstellung eines Die City-Cobra an. Sein DaSilva ist verletzlich, irgendwo gebrochen und seit seiner Rückkehr aus dem Dschungel Vietnams des Tötens überdrüssig. Im Angesicht eines so rücksichtslos für Chaos und Verderben sorgenden Schurken wie Wulfgar scheint DaSilva allerdings keine andere Wahl zu haben. Natürlich bleibt Nachtfalken auch in Angebetracht dessen strukturell simpel gehalten, die inszenatorische Dichte seitens Bruce Malmuth aber gibt diesem reduzierten Cop vs. Terrorist-Flic die kernige Geradlinigkeit sowie nötige Maß an umgreifend-düsterer Atmosphäre, um nicht nur brachial nach vorne zu poltern, sondern gesellschaftliche Ängste durch die Mechanismen des Genre-Kinos greifbar zu machen.
[...] Das Western-Genre bildet eher den atmosphärischen Rahmen der im Jahre 1987 angesiedelten Handlung, während sich im Kern eine durch und durch klassische Kriminalgeschichte entspinnt, deren Vorbilder unverkennbar die Namen Der Fremde im Zug oder Mord im Orient-Express tragen. Nachdem John Deakin nämlich in Ketten im Inneren der Eisenbahn angekommen ist und diese sich schnaubend durch die verschneite Bergkulisse qualmt, entfaltet sich eine Serie seltsamer Ereignisse: Menschen verschwinden spurlos, die Technik versagt, leblose Körper werden aufgefunden. Eine unglückliche Verkettung von Zufällen? Natürlich nicht, darüber sind sich alle Passagiere im Klaren, irgendjemand fungiert als hinterlistiger Saboteur, jederzeit in der Lage, einen Mord zu begehen. Und obwohl Deakin eigentlich ein Gefangener ist, kann der anwesende Arm des Gesetzes nicht auf seinen detektivischen Spürsinn sowie sein medizinisches Fachwissen verzichten.
Man merkt Nevada-Pass bereits im ersten Drittel an, dass es der Regie nicht gelingen möchte, das Western-Sujet mit dem Kriminal-Plot auf einen harmonischen Nenner zu bringen, was auch dazu führt, dass Kameramann Lucien Ballard (Getaway) das Geschehen für seine Verhältnisse überraschend schmucklos und ideenarm fotografiert. Ohnehin fehlt es Nevada-Pass an schöpferischer Individualität, denn so vielversprechend die hier involvierten Personen auch klingen mögen, künstlerisch beugen sie sich, bis auf den wunderbar schwärmerischen Score von Jerry Goldsmith, dem risikobefreiten Dienst nach Vorschrift. Dass Nevada-Pass dennoch funktioniert, liegt nicht nur an der für sich genommen soliden Inszenierung seitens Tom Griers, sondern auch am angenehm gefassten Auftritt von Charles Bronson, dessen stoische Präsenz in diesem Fall auch subtiler Nährboden charakterlicher Fragilität sein darf. [...]
[...] Die eigentliche Geschichte, die Unicorn Store erzählt, dreht sich jedoch um eine geheimnisvolle Einladungskarte, die Kit auf den Salesman (Samuel L. Jackson, Pulp Fiction) treffen lässt, der sie mit ihrem größten Traum konfrontiert: Ein eigenes Einhorn. Um sich dafür würdig zu erweisen, muss Kit jedoch einige Bedingungen erfüllen – und im eigentlichen Sinne Ordnung in ihr Leben bringen. Unicorn Store, geschrieben von Samantha McIntyre, die sich zuvor vor allem als Story Editor verdient gemacht hat, offenbart in Bries Larsons Umsetzung jedoch eine seltsame Auffassung davon, was Ordnung bedeuten soll. Eigentlich nämlich begreift sich dieser Film als Plädoyer für Magie, Phantasie und das Fabulieren. Dass Kit, die gesellschaftlich offenkundig nicht kompatibel ist, deswegen Struktur in ihr Dasein bringen muss, scheint inhaltlich ein wenig irreführend und paradox.
Zusammen mit Virgil (Mamoudou Athie, Der Spitzenkandidat), den sie im Baumarkt kennenlernt, macht sie sich nun daran, einen Stall für das Einhorn zu bauen, Heu zu besorgen und natürlich den Glauben daran nicht aufzugeben, dass ihr innigster Wunsch tatsächlich in Erfüllung gehen kann. Dabei erweist sich Unicorn Store als gleichermaßen unausgegoren wie unschlüssig dahingehend, was hier eigentlich wem erzählt werden soll. Für einen kindgerechten Appell immer zu sich selbst zu stehen, ist Brie Larsons Erstlingswerk zu ernst. Für eine veritable Charakter-Studie erweist sich Unicorn Store im Umkehrschluss aber wieder als zu zaghaft und eindimensional. Die Figuren sind zu schablonenhaft, die Vermittlung der (prinzipiell richtigen) Werte bleibt in Plattitüden und Allgemeinplätzen haften. Brie Larson möchte einen flamboyanten Bilderbogen entfesseln, aber ihr fehlt der künstlerische Impuls, wirklich grenzensprengend zu agieren.
Am Ende sitzt Unicorn Store also zwischen den Stühlen und gewinnt bisweilen nur deswegen an Greifbarkeit, weil sich die Darsteller in erwartungsgemäß guter Verfassung präsentierten. Brie Larson gehört ohnehin zu den besten Schauspielerinnen ihrer Generation, ihre stetig wie ganz selbstverständlich erblühende Natürlichkeit zahlt sich auch in diesem Fall erneut aus und gibt dem wenig subtilen und leider durchaus banalen Außenseiter-Märchen Profil und Erdung. In einigen, viel zu seltenen Momenten zeigt die Oscar-Gewinnerin auch ihr inszenatorische Talent und lässt Unicorn Store in bonbonbuntem Regenbogen-Kolorit aufatmen: Eine Präsentation für Staubsauger-Werbung beispielsweise erstrahlt so grell und exzentrisch, dass man für einen kurzen Augenblick meinen könnte, Michel Gondry (Vergiss mein nicht!) hätte auf dem Regiestuhl Platz genommen. Schade, dass der Film so selten ganz bei sich ist. [...]
[...] Die Mumie: Das Grabmal des Drachenkaisers reiht ein Set Piece an das nächste und vergisst in dem Action-getriebenen Tohuwabohu aus dem Hochleistungsrechner vollkommen jedes Gespür für die menschlichen Schicksale. Egal ob Brendan Fraser, Maria Bello, Jeti Li oder Michelle Yeoh (Sunshine), die hier als 2000 Jahre alte Zauberin Zi Yuan auftritt. Sie alle sind nur namhaftes Zierwerk auf zwei Beinen und primär dafür verantwortlich, den Effekt-Bombast in Bewegung zu halten. Dieser bringt zwar einige gelungene Schauwerte mit sich, wenn sich beispielsweise Armeen von Unoten aus dem Wüstensand erheben, in seiner Vehemenz aber ebenso Schuld daran trägt, dass Die Mumie: Das Grabmal des Drachenkaisers wie ein anonymer, fauler Eintrag in die moderne Blockbuster-Landschaft wirkt. Wenn es für unsere Charaktere wirklich brenzlig wird, dann werden eben schnell drei Yetis gerufen.
Es fehlt Die Mumie: Das Grabmal des Drachenkaisers grundsätzlich nicht an Phantasie, aber ihm fehlt der schöpferische Impuls, um diese Phantasie in ein immersiv-stimmungsvolles Fantasy-Epos einzupflegen. Rob Cohens übereilte Inszenierung zerfällt geradewegs zu einem Flickenteppich der Eindrücke und Ideen: Mythische Orte, sagenumwobene Artefakte und dann irgendwann auch ein dreiköpfiger Drache, der die Stärke des Kaisers unter Beweis stellt, diese aber zu keinem Zeitpunkt wirklich ausschöpfen möchte. Man kann schon verstehen, warum Rachel Weisz (Ungehorsam), die zuvor zweimal in die Rolle der Evelyn geschlüpft ist, nicht mit dem Drehbuch einverstanden war. Denn was nützt all das Tempo, mit dem Die Mumie: Das Grabmal des Drachenkaisers von A nach B hetzt, wenn das Ganze nicht lebendig, sondern mechanisch, zwanghaft und nicht selten planlos daherkommt. [...]
[...] Schon in der Exposition von Die Wikinger unterstreicht eine Stimme aus dem Off sehr akkurat, worauf der Mythos der Nordmänner basiert: Die Gewalt und Brutalität, mit der sie ihre Raubzüge vollstreckten, waren beispiellos in ihrer Grausamkeit. Darüber hinaus zählte für die Wikinger nur die Verehrung Odins, die Eroberung Englands und, sollte Walhalla irgendwann rufen, dann muss man ehrenhaft mit dem erhobenen Schwert in der Hand das Zeitliche segnen. Tapfer und unbeugsam. Richard Fleischer definiert die Welt der Wikinger vor allem als eine von Machtkämpfen und toxischer Männlichkeit durchdrungene. Gerade Einar präsentiert sich von der ersten Minute an als arroganter Selbstdarsteller, der Frauen unterdrückt und sich in ständiger Konkurrenz mit seinen Geschlechtsgenossen sieht. Dass ihm ausgerechnet der Sklave Erik die Stirn bietet, attackiert seine Selbstbefangenheiten natürlich aufs Extremste.
Die Wikinger beweist über seine knapp 120-minütige Laufzeit noch einmal eindrucksvoll, dass der überlebensgroße (und mit seinen inzwischen 102 Jahren nahezu unkaputtbare) Kirk Douglas nicht nur den klassischen Heldenrollen verpflichtet war (wie zum Beispiel in Die Fahrten des Odysseus oder Spartacus), sondern ebenfalls eine Vorliebe für verschlagene, hinterhältige, damit oftmals ambivalente Charaktere besaß. Auch sein Einar ist eine schwierige Figur, offenbart hinter dem ausgestellten Narzismuss aber immer wieder spannende Brüche, die dem aufwändigen, stimmungsvoll fotografierten und von Richard Fleischer kompetent inszenierten Film auch eine packende Charakter-Dynamik zugestehen. Ohnehin veranschaulicht Die Wikinger heutzutage noch einmal in prachtvoller Austattung, wie wirkungsmächtig es sein kann, mit haptischen Kulissen und Bauten zu arbeiten. Die massiven Kriegsschiffe, die sich langsam aus dem dichten Nebel hervorschälen, sind wahrlich eindrucksvoll. [...]
[...] Fluchtpunkt San Francisco nämlich versteht sich als eine Abrechnung mit den illusionären Verheißungen des amerikanischen Traums. Kowalski, der für sein Land bereits in Vietnam war und anschließend unehrenhaft aus dem Polizeidienst entlassen wurde, weil er eine junge Frau vor einem übergriffigen Kollegen beschützt hat, ist einer von den Menschen, denen keine Uniform passen. Die sich institutionellen Regelungen nicht unterwerfen können und deswegen irgendwann für sich entschlossen haben, nur noch die Flucht nach vorne zu ergreifen. Als Rennfahrer hat einen Weg für sich gefunden, Freiheit zu erlangen: Hinter dem Steuer eines bebenden Boliden. Um Auszeichnungen und Anerkennungen ging es ihn dabei nie, es ging ihm allein darum, die Richtung selber bestimmen zu können, in die er sich bewegen möchte – mit aller Kraft entgegen politischer und staatlicher Doktrin.
Und so rast Kowalski blitzartig durch die ewigen Weiten der Wüsten-Landschaften, zieht alsbald die Aufmerksamkeit der Bullerei auf sich und findet in dem blinden Radiomoderator Super Soul (Cleavon Little, Der wilde wilde Westen) einen Unterstützer und Navigator, der ihn als das erkennt, was er wirklich ist: Der womöglich letzte Held, den dieses Land hervorbringen wird. Das nationale Klima versinkt in Verunsicherung und Wut; der Umbruch vom Umbruch scheint keine neue Hoffnung freizulegen, sondern jeden Restfunken Identität und Bewusstsein zu ersticken. Diese automobile Hetzjagd, die Fluchtpunkt San Francisco über die Mattscheibe bersten lässt, ist Philsophie, Protest und Rebellion auf vier Rädern und mit jeder Menge Amphetaminen im Blut. Eine gleichermaßen adrenalingeladene wie melancholische Kriegserklärung, heraufbeschworen aus den ausgebrannten Autowracks, auf denen mit weißen Lettern Love & Peace geschrieben steht. [...]
[...] Regisseur Martin Rosen, der bereits mit Unten am Fluss, der Adaption des gleichnamigen Romans von Richard Adams, bisweilen verstörend manifestieren sollte, dass ein klassischer Zeichentrickfilm nicht grundsätzlich dem kleinen Zuschauer zugetan sein muss, geht mit Die Hunde sind los – ebenfalls basierend auf einer Vorlage von Richard Adams – noch einen Schritt weiter und raubt dem Zuschauer jedwede Hoffnung dahingehend, dass es die beiden Hunde im Zentrum der Geschichte irgendwie, irgendwo und irgendwann schaffen werden, einer positiven Zukunft entgegenzuschreiten. Die Flucht aus der Tierversuchsanstalt mag Snitter und Wuff gelungen sein, danach sehen sie sich allerdings schon der nächsten fast unlösbaren Herausforderung ausgeliefert: Der Wildnis, wo Tiere noch auf sich selbst gestellt sind. Mit Hilfe eines Fuchs (James Bolam, Macbeth) gehen sie den Versuch an, sich durchzubeißen.
Die Hunde sind los formuliert sich nicht nur als bitter-bedrückende Auseinandersetzung mit den Gräuel von Tierversuchen. Der inzwischen 83-jährige Martin Rosen, der auch das Drehbuch verfasst und den Film produziert hat, spricht hier auch sehr explizit von einer deprimierenden Welt, in der die Menschen jede Achtung vor Tieren verloren haben: Wenn sie nicht von Weißkitteln hinter verschlossenen Türen malträtiert werden, dann müssen sie als Unterhaltungsobjekte oder Jagdtrophäen herhalten. Der Weg in die (ernsehnte) Freiheit von Snitter und Wuff ist letzten Ende ein niederschmetternder Überlebenskampf. Erwachsen, düster und fernab eines verniedlichenden Anthropomorphismus. Konsequent der Perspektive der vierbeinigen Protagonisten zugewandt, findet sich der Mensch und das klaffende Ungleichgewicht in dem Macht und Verantwortung-Verhältnis innerhalb der Mensch und Tier-Beziehung auf der Anklagebank. Unangenehm und deshalb wichtig. [...]
[...] Atmosphärisch könnte man The Highwaymen wie eine Mischung aus Mississippi Burning – Die Wurzel des Hasses und Die Unbestechlichen von Brian De Palma (Der Tod kommt zweimal) beschreiben. Regisseur John Lee Hancock nimmt sich ungemein viel Zeit, um seine stilvolle Inszenierung derart zu grundieren, um durch die ausgefeilten Fotografien der amerikanischen Südstaaten ein gesellschaftliches Klima der sozialen Verwahrlosung heraufzubeschwören. Bonnie und Clyde sind in den ländlichen Gebieten der Staaten wie Volkshelden gefeiert worden, weil sie die Menschen dort unterstützt haben, wo die Politik versagt hat. The Highwaymen verklärt das Pärchen nicht, aber er macht durchaus verständlich, wieso auf den Beerdigungen von Bonnie und Clyde insgesamt über 15.000 Menschen anwesend waren. Frank und Maney müssen sich diesem Umstand im Zuge ihrer Verfolgungsjagd ebenfalls mehr und mehr im Klaren sein.
Wer sich einen Faible für das im besten Sinne altmodische Erzählkino der 1970er Jahre bewahrt hat, der wird mit The Highwaymen seine helle Freude haben: Entschleunigt, oftmals in sich gekehrt, durchweg streng auf seine Hauptfiguren fokussiert und nur mit gelegentlichen Action-Sequenzen garniert, lebt Hancocks in elaborierte Bilder gegossene Regie von der Charakterdynamik zwischen Kevin Costner und Woody Harrelson. Zwei Kollegen, vielmehr Freunde, deren Fähigkeit nicht nur gebraucht werden, sondern die sich auch einander brauchen. Ihr Auftrag gleicht einer Konfrontation nationaler Spannungen zur Zeit der Weltwirtschaftskrise. Sie selbst sind noch unverschont geblieben vom Alter, sowohl körperlich, aber auch intellektuell: Beide sind in einer Phase ihres Lebens angekommen, in der sie (endlich) beginnen, nachzudenken. In der sie die Zielstrebigkeit ihrer Arbeit nicht mehr auf Gewalt betten möchte, von oberster Instanz aber dazu gezwungen werden.
In einer Szene beschreibt Frank den Süden als Spielwiese des Teufels. Nicht um ihn zu mythologisieren, sondern um seiner Angst verbal Ausdruck zu verleihen, seine Seele nicht mehr vor dem Fegefeuer retten zu können. So sehr sich The Highwaymen stilistisch zeitweise auch den Gesetzen des Cop- Neo-Western-Genres bedienen mag, am Ende begreift sich der Film als ein trauriger, müssen sich Frank und Maney doch wieder in der Rolle vorfinden, die sie eigentlich für immer hinter sich lassen wollten: Als Helden, die dafür ausgezeichnet werden, Menschenleben beendet zu haben. The Highwaymen ist damit nicht nur Abgesang auf archaische Maskulinität, sondern auch auf den Mythos, dessen Zentrum Bonnie und Clyde wurden. In der womöglich besten Szene tritt William Sadler (Stirb langsam 2) als Vater von Clyde in Erscheinung. Ein nachwirkender Moment außerordentlicher Desillusion. [...]
[...] Wenn sich Willkommen in Marwen immer wieder zurück in das kleine belgische Dorf begibt, dann lässt Robert Zemeckis fast schon eine unbändige Liebe zur 1970er Jahre Exploitation aufleben. Die hier anwesenden Frauenfigur treten in Strapse, High Heels und mit dicken Wummen auf, sind damit auf der einen Seite sexualisiert, auf der anderen aber auch die emotionale Stütze für Cap'n Hogie beziehungsweise Mark Hogancamp dahingehend, an seinem Leben nicht zu zerbrechen. So sehr sich Willkommen in Marwen auch als Plädoyer auf die widerborstige Kraft der Frauen verstehen möchte, wenn der Film in der Realität ankommt und die Vorbilder der Puppen-Figuren aus Fleisch und Blut auftreten lässt, erweisen sich die Damen als eindimensionale, durch und durch gutherzige Ratschlaggeberinnen. Die Ambivalenz des Stop-Motion-Kosmos wird für ein konservatives Verständnis von unbedingter femininer Anteilnahme geopfert.
Gegen Ende bemüht sich Willkommen in Marwen dann auch immer wieder etwas zu krampfhaft darum, die herzergreifenden Töne anzuschlagen und kann sich ein grobschlächtiges Spiel auf der Gefühlsklaviatur nicht verkneifen. Sieht man aber davon ab, dann zeichnet sich Robert Zemeckis hier (mal wieder) für ein hochinteressantes Filmerlebnis verantwortlich, weil er weder die Puppenwelt, noch die Realität als glattgebügelte Projektionsfläche schnell verwertungsfähiger Emotionen begreift, sondern sich nach neuen Darstellungs- und Abbildungsformen umsieht, um den traumatisierten Geist des ebenfalls mit Ecken und Kanten ausgestatteten Hauptakteurs greifbar zu machen. Steve Carell erweist sich indes als Idealbesetzung für den halb zu Tode geprügelten, emotional gestörten Mark Hogancamp, weil der Oscar-nominierte Schauspieler nicht nur das komödiantische Talent mitbringt, um der entfesselten Kriegsaction im Maßstab 1:6 die nötige Ironie abzuringen, sondern auch die gestandene Qualität, einen Charakter zu entwickeln, der nicht einfach, aber glaubwürdig ist. [...]
[...] Denn im Umgang mit ausgestellter Nudität und visualisierter Sexualität zeigt sich The Libertine dann doch irritierend geizig, letztlich wohl auch aus dem Grund, weil sich Dunmore im Klaren darüber ist, dass der erzählerische Schwerpunkt der historischen Geschichte, die auf ein Theaterstück aus dem Jahre 1994 zurückgeht, nicht per se auf den Ausschweifungen liegt, denen sich Wilmot mit selbstzerstörerischer Entschiedenheit hingegeben hat, sondern auf den Konsequenzen und dem Scheitern daran. Irgendwann nämlich lernt der dauergeile, niemals nüchternde Exzentriker die Schauspielerin Elizabeth Barry (Samantha Morton, Minority Report) kennen, verfällt ihr und lässt dafür seine Frau (gespielt von Rosamund Pike, A Private War) kurzerhand aufs Land verfrachten. Wilmot verspricht Elizabeth, ihr dabei zu helfen, zur eindrucksvollsten Bühnendarstellerin ihrer Zeit zu werden – und er hält sein Versprechen.
Die Liebe von Elizabeth jedoch konnte er nie für sich gewinnen und die ausgiebigen Jahre als tiebgesteuerter, hochmütiger Lustwandler tragen Rechnung, wenn er als syphiliskrankes Häuflein Elend langsam aber sicher verkümmert. The Libertine, der nichts Anmutiges oder Sehnsuchtsvolles im Ambiente des Kostüm- und Ausstattungsfilmes findet, spürt dem Ekel im Dekandenten, der Abscheu dem Verschwenderischen gegenüber nach und hat mit John Wilmot einen idealen Dreh- und Angelpunkt dafür gefunden: Auch er, der intellektuelle Wüstling, liebt das Leben nicht im geringsten so sehr, wie er es vorgibt. Johnny Depp, der 2004 schon in den karnevalesken Untiefen des Fluch der Karibik-Franchise angekommen war, präsentiert sich hier zudem in Hochform, spuckt Feuer und Galle, wenn es sein muss, und lässt hinter der hedonistisch-anmaßenden Fassade immerzu eine tiefe Tragik durchschimmern. [...]
[...] Sind die Charaktere in Stellung gebracht; ihre Sehnsüchte sowie ihre Bereitschaft, aufs Ganze zu gehen, ebenfalls deutlich gemacht, bringt S. Craig Zahler seine Exploitations-Maschinerie gnadenlos ins Rollen und steigt einen nihilistischen Abgrund hinab, in dem – wie schon in Bone Tomahawk und Brawl in Cell Block 99 - altertümliche Männlichkeitsvorstellungen nicht nur verhandelt, sondern dekonstruiert werden. In Dragged Across Concrete sind die einzelnen Handlungsstränge strategisch so clever und komplex ineinander verknüpft, dass dem Zuschauer erst gewahr wird, in welcher Katastrophe er sich zusammen mit den Akteure manövriert hat, wenn es letztlich zu spät ist. Natürlich, das klassische Zahler-Prinzip, in diesem Fall aber diskutiert der Film auf der Meta-Ebene auch noch zusätzlich das Film- und Privatschicksal des Hauptdarstellers Mel Gibson: Ausgestoßen, verdammt, nicht unterzukriegen. Zu welchem Preis?
Immer wieder, wenn sich Ridgeman in die Opferrolle einfühlen möchte, gibt Dragged Across Concrete unmissverständlich zu verstehen, dass Ridgeman genauso Täter ist. Vielleicht keiner von der Sorte, die mit Sturmgewehren Banken stürmen und Unschuldige über den Haufen schießen. Aber eben einer von denen, die die Macht ihrer Uniform überschätzen; die glauben, sich durch ihren Rang Rassismus und Sexismus erlauben zu können – sich in dieser Annahme gewaltig täuschen. Die ungeheure Ambivalenz, mit der S. Craig Zahler die innere und äußere Lebenswelt der Figuren beschreibt, keim letztlich daher, weil ihre Beweggründe aus menschlicher Perspektive nachvollziehbar sind, die Umsetzung dieser aber grundlegend fragwürdig bis verwerflich. Dadurch entsteht eine brodelnde, unheimlich wirkungsmächtige Wechselwirkung der Stimmungs- und Empfindungslage, die Dragged Across Concrete zu einer vielseitigen, geflissentlichen schwierigen Seherfahrung erklären.
Man sitzt hier also nicht nur zwischen den Stühlen und bekommt zusehends Probleme damit, seine Gefühle zu koordinieren, sondern sieht sich in dieser verzwickten Situation auch noch Daumenschrauben ausgesetzt, die Dragged Across Concrete immer enger und enger zieht. Bevor dann endgültig das Trommelfeuer berstet. Als ausladender und auch in rhetorischer Hinsicht unheimlich betörender Vertreter des Hardboiled-Genres nämlich erweist sich Zahlers exakt komponierte Inszenierung als bedrückend immersiver Kraftakt, stetig und konsequent ozillierend zwischen Pulp und Psychoanalyse; zwischen beißender Lakonie und eruptiver Bestialität. Dragged Across Concrete lässt dem Zuschauer keine andere Wahl als die Luft scharf einzuziehen und anzuhalten. Länger und länger. Dass sich Mel Gibson zudem zu seiner Karrierebestleistung aufschwingt, scheint indes indes folgerichtig: Diese Reise in die alles verschlingende und zersetzende Finsternis ist nicht ausschließlich, aber vor allem ihm gewidmet. [...]