SoulReaver - Kommentare

Alle Kommentare von SoulReaver

  • 5

    [...] Es sind die prachtvollen Landschaftsaufnahmen eines Amerikas im Wandel, an denen sich Der Weg nach Westen kaum sattsehen kann. Kameramann William H. Clothier, der maßgeblich dazu beigetragen hat, den amerikanischen Western zu prägen und so aussehen zu lassen, wie er in seiner Blütezeit nun mal aussah, weidet sich an den Wiesen und Tälern, den Wüsten und Hängen, die William J. Tadlock und sein Treck durchkreuzen müssen, um Oregan zu erreichen. Der titelgebende Weg nach Westen wird in den Händen von McLaglen zu einer Art Edelbildbogen, der den ewigen Weiten der Natur huldigt; der um ihre Schönheit und ihre Gefahr weiß, die menschlichen Schicksale aber dennoch etwas zu kurz kommen lässt. Tatsächlich aber fällt der Umstand eines wenig ausgereiften Drehbuches erst einmal nicht sonderlich ins Gewicht.

    Mögen die Figuren auch immer archetypisch und durchschaubar bleiben, so hat man es hier immer noch mit charismatischen Schauspielgranaten wie Kirk Douglas und Robert Mitchum (Ein Köder für die Bestie) zu tun, die selbst schwächeren Rollen ihren markanten Stempel aufdrücken können. Nur deswegen ist es Der Weg nach Westen auf lange Sicht auch vergönnt, im halbwegs sicheren Genre-Mittelmaß Platz zu nehmen, abseits seiner majestätischen Fotografien und den hervorragenden Darstellern nämlich erzählt McLaglen eine romantisch-verklärte Mär über die Erschließung des Westens und gibt sich weniger einer geschichtsträchtigen Rekonstruktion damaliger Zustände hin, sondern glaubt an den tollkühnen und strapazenreichen Abenteuergeist, den diese Epoche Tag für Tag aufs Neue heraufbeschworen haben muss. Das mag vorerst besänftigend aktionsgeladen sein, versandet irgendwann jedoch in der klischeebehafteten Langatmigkeit. [...]

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    • 8

      [...] Darren Aronofsky (Black Swan) erzählt die Geschichte dieses Mannes, der ganz unten angekommen ist. Und damit erzählt er auch die Geschichte von Mickey Rourke, der in den 1980er Jahren mit einigen der größten Regisseuren ihrer Zunft zusammenarbeiten durfte, der schauspielerische Glanzleistungen erbrachte (unvergessen schweißtreibend: Angel Heart) und als Sexsymbol seiner Generation gehandelt wurde, um daraufhin Schritt für Schritt all das zu zerstören, was ihn einst ausgemacht hat. Es erscheint fast so, als wäre The Wrestler ein Film, der ein ganzes Leben benötigt, um funktionieren zu können; um die emotionalen Tragweite freizulegen, die diese Ballade um Versagen, Verblassen und Vergehen in sich trägt. Kaum vorstellbar, wie Nicolas Cage und Sylvester Stallone, die zuvor im Gespräch für die Rolle des Randy waren, diese tiefschürfenden Dimensionen einer menschlichen Existenz hätten aufarbeiten sollen.

      The Wrestler versucht sich daran, einen goldenen Mittelweg zu finden, der das Dokumentieren mit dem Erzählen symbiotisch eint, was für einen Regisseur wie Darren Aronofsky, der sich zuvor durch affektierte Manierismen ausgezeichnet hat, vor eine neue Herausforderung gestellt hat – und er meistert diese mit Bravour. Zweifelsohne stellt The Wrestler seine bisher erwachsenste Arbeit dar, weil Aronofsky sich unentwegt an seinen Protagonisten bindet; weil er sich ohne Umwege auf die Gefühlswelt dieses einlässt und das Seelenleben eben nicht durch filmtechnische Spielereien verklausuliert. Das leidgeprüfte, verbeulte Gesicht von Mickey Rourke und sein zur Narbenlandschaft verkommener Körper sind ausreichend, um die Authentizität dieser aufwühlenden wie verstörenden Charakter-Studie zu belegen. Hier hat man es mit einem Menschen zu tun, der die Kerze tatsächlich immer an beiden Enden angezündet hat.

      Sein einziger Bezugspunkt ist die Stripperin Pam (Marisa Tomei, Spider-Man: Homecoming), die, ähnlich wie Randy, in ihrem Gewerbe nicht mehr aufgeht, weil sie von der Zeit überholt wurde. Wenn sich diese beiden gescheiterten Existenzen annähern, dann offenbart The Wrestler nicht nur die Würde, mit der er seine Charaktere angeht, sondern entfesselt auch den tragischen Strudel der Vergänglichkeit, aus dem sich vor allem Randy nicht mehr retten kann. Mag der Film ihm kleine Siege zugestehen, mag der Film ihm auch nicht gänzlich seinen Humor nehmen, für Randy geht es nicht mehr um die Teilnahme am Leben selbst, sondern nur noch um das Überleben. Gesundheitlich ramponiert, finanziell abgebrannt, äußerlich entstellt und emotional verwaist, doch im Ring steht der auf den Brettern, die für ihn die Welt bedeuten. Weil er nichts anderes kann, weil er nichts anderes will. [...]

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      • 6

        [...] Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist aber nicht der von Culkin mit verschmitztem Lächeln, bohrendem Blick und schwelendem Hintersinn verkörperte Antagonist, sondern Mark (Elijah Wood, Der Herr der Ringe: Die Gefährten), der nach dem Tod seiner Mutter für einige Wochen bei seiner Tante und seinem Onkel leben soll – und im verschneiten Idyll eben auch Bekanntschaft mit seinem Cousin Henry macht, der sich ihm erst mit brüderlicher Offenheit präsentiert, um nach und nach sein wahres, sein zweites Gesicht zu präsentieren. Während Wood als reinrassige Sympathiefigur agiert und seine unschuldigen Kulleraugen mit Unverständnis und Angst füllt, gibt Culkin eine durchaus fröstelnde Vorstellung als manipulativer Psychopath ab, der seine Familie schon vor Jahren im Geheimen zerstört hat und nun die faulen Früchte seines destruktiven Wesens mit Genuss erntet.

        Wo die anderen Menschen sich mit ihren tiefen Verlust- und Schuldgefühlen arrangieren müssen, sät Culkin fernab jeder moralischen Instanz noch mehr Schmerz und Trauer. Subtil agiert der formal solide, teilweise aber in Richtung TV-Optik ausschlagende Das zweite Gesicht dabei zu keiner Zeit: Die durchtriebenen Extreme, denen sich der vordergründig charmante Henry bedient, um sein Umfeld zu terrorisieren, sind teilweise bar jeder Verhältnismäßigkeit und durchweg reißerisch, funktionieren im Genre-Kosmos aber immer noch in Anbetracht der grenzenlosen Boshaftigkeit, mit der der Teenager seinen Alltag bestreitet. Er ist das Böse; der Dämon der Trauer und der Horror des Abschieds. In gewisser Weise könnte man Henry somit auch als Materialisation für Marks Kampf gegen das Leid verstehen, den das Ableben seiner Mutter in ihm hinterlassen hat. [...]

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        • 7

          Wenn James Mangold (Logan – The Wolverine) auf den Polizeiapparat von Garrison, einem fiktiven Vorort von New York City, blickt, dann sieht er einen von Vetternwirtschaft unterwanderten Männerzirkus. Vordergründig pflegt man die nachbarschaftliche Fürsorge untereinander, um seinen Nächsten in einem unbeobachteten Moment blindlings das Messer in den Rücken zu schlagen. Genau dafür ist die verschlafene Städtchen jedoch nützlich: Fernab der Metropole ist man hier noch unter sich; Polizisten genießen die Freiheit, ihr eigenes Verständnis von Recht und Ordnung zu etablieren, was zu einem Wespennest geführt hat, welches nur aufgewühlt wird, wenn die Wahrheit dann doch mal unerwartet anklopft. Sylvester Stallone, der hier als schwerfälliger, gutmütiger, an seinen großen Träumen gescheiterter Sheriff in Erscheinung tritt und selbst hochdekorierte Schauspieler wie Harvey Keitel, Robert De Niro und Ray Liotta übertrumpft, kann nur noch mit Abscheu auf seine Stadt blicken, nachdem ein vermeintlicher Selbstmord eine Kausalitätskette der Intrigen, Korruption und Machtkämpfe in Beschleunigung setzte. Als Hommage an den 1970er Jahre Cop-Thriller, als Regisseure wie Sidney Lumet dieses Genre noch veredelten, ist es Mangold eher an den Charakteren als dem kurzweiligen Thrill gelegen. Cop Land lässt sich auf die traurigen Augen Stallones ein; er begleitet diesen Menschen, der eher seinen Körper wuchten muss und nicht von seinem Körper gewuchtet wird, wie er sich endlich darüber im Klaren wird, nicht länger die Augen verschließen zu können. Mag diese Rückbesinnung auf die Tugenden des klassischen Erzählkinos bisweilen auch reaktionär ausfallen, handwerklich hochwertig inszeniert und erstklassig gespielt ist der Film zweifelsohne.

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          • 7

            [...] Mag die (Eskalations-)Dramaturgie des Filmes auch in einem stufenweise vorbereiteten Spannungsmoment kulminieren, den Larry Clark ungemein effektiv umzusetzen weiß und damit die überbordende Anspannung der Jugendlichen geradewegs auf die Zuschauer überträgt, bleibt auch Bully – Diese Kids schockten New York vorrang eine ungeschönte Bestandsaufnahme des moralischen Verfalls. Wo sich gesellschaftliche Perspektivlosigkeit und soziale Entfremdung begegnen, entsteht Frustration und Eifersucht, es gedeihen Minderwertigkeitskomplexe, die Wut auf sich und die Welt wird geschürt: Groß werden, um klein zu denken – das kann Menschen zu Mördern machen. Und diese Erkenntnis gleicht unter der Ägide von Larry Clark einer ungeschliffenen Frontalerfahrung, die mit der rohen Kraft eines Bulldozers unaufhaltsam über das Publikum hinwegrollt. Fehlt Larry Clark auch oftmals der Feinschliff, sein fast schon dokumentarisches Gespür für die Lebensrealität der heranwachsenden Generationsopfer ist nach wie vor von bedrückender Klarheit. [...]

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            • 7

              [...] Diana hat sich, nachdem ihre Karriere als Fotomodel nicht gerade erfolgreich aufging, in der Diamantenschmuggelei versucht, was sie nun in äußerste Lebensgefahr bringt. Nur Ed kann ihr in seiner unbedarften Schlafwandler-Mentalität noch helfen. Er agiert nämlich nicht, er reagiert nur. Von diesem Punkt an übernimmt die Unergründlichkeit des Schicksals das Kommando von Kopfüber in die Nacht: Die Regie von John Landis (Blues Brothers) erscheint fast so, als würde sie die Ereignisse und Situationen, in die Ed und Diana von nun an geschickt werden, wie die Bingo-Kugeln aus einer frisch durcheinander gewürfelten Mischtrommel greifen und zusammensetzen – hier eine Horde schießwütiger Perser, dort ein Ausflug nach Hollywood und wenn wir schon einmal in Los Angeles sind, dann darf auch ein Besuch am Meer nicht fehlen.

              Diese ungestüme Rhythmik, mit der John Landis seine Hommage und Parodie auf den klassischen Film noir erzählt, besitzt etwas ganz und gar Wildromantisches, geht es in Kopfüber in die Nacht doch abseits seines unermüdlichen Bewegungsdranges vor allem um die Erlösung eines Menschen, der nicht mehr weiß, was er mit seinem Leben anstellen soll. Und diese kunterbunte, von Zitaten, Cameos und Fabulierlust gezeichnete Odysee durch die Stadt der Engel ist der turbulente Rettungsanker für Ed, um endlich wieder in der Realität anzukommen. Um wieder einen Sinn zu erkennen. Aus den Stromschnellen des Zufalls, die Ed und Diana mitreißen, entsteht ein hinreißend holpriges Nachtwelt-Panoptikum der absurden Begegnungen, in dem es nicht nur Landis' fantasievolle Inszenierung ist, die Kopfüber in die Nacht zur kurzweilen 80s-Attraktion machen.

              Es ist auch Michelle Pfeiffer, die ihre rote Lederjacke mit einer Stilsicherheit trägt, wie es vor ihr nur James Dean gelang. Durch den beherzten Auftritt der Oscar-nominierten Darstellerin funktioniert auch Jeff Goldblums Trancezustand. Die Reibung zwischen diesen beiden Charakteren, die sich so fern sind und deshalb so nah kommen, ergibt letztlich genau diese intensive Berührung mit dem Leben, um die es in Kopfüber in die Nacht auch geht: Bevor wir uns damit abfinden, als Untote durch die bürgerlichen Käfige unserer Existenz zu tigern, sollten wir es uns erlauben, abzuhauen. Eine Flucht muss nicht immer mit Feigheit und Ängsten zu tun haben, im Falle von Kopfüber in die Nacht gleicht die Flucht einem turbulenten, ungeschliffenen, aber grundsympathischen Bekenntnis nach vorne. Nämlich dem Bekenntnis an die eigene Lebendigkeit. [...]

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              • 7 .5

                [...] Warum also weitere Bomben legen? Warum noch mehr Unschuldige ins Verderben reißen? Warum ein bis ins Mark zerrüttetes Land noch weiter zerschlagen? Der Boxer ist das pazifistische Plädoyer gegen einen schon immer sinnlosen Krieg. So sinnlos, dass ihre Beteiligten nicht einmal mehr bemerken, dass sich ihre terroristischen Bemühungen immerzu gegen sie selbst richten. Danny kommt also zurück in diesen explosiven Schmelztiegel, den er einmal Heimat nannte. Die Fronten sind weiterhin verhärtet, Menschen hungern sich im Namen der IRA nach wie vor zu Tode, die Unruhen zwischen Protestanten und Katholiken fordern immer noch jeden Tag neue Blutbäder. Und Danny? Der rauft sich mit seinem alten Trainer Ike (Ken Stott, Kleine Morden unter Freunden) zusammen und bringt den alten Boxring wieder auf Vordermann. Ein stummer Protest auf sportlicher Ebene entsteht.

                Es funktioniert, soweit es unter diesen Umständen überhaupt funktionieren kann, ein halbwegs annehmbares Alltagsgefühl zu erschaffen. Bis Danny seine alte Liebe Magie (Emily Watson, Breaking the Waves) wiedertrifft, die er mit zarten 16 Jahren zurückgelassen hat. Sie war es, die Dannys graue Tristesse des Bürgerkrieges ein Stück weit aufzuhellen wusste. Nun ist sie verheiratet, mit seinem ehemals besten Freund, der inzwischen ebenfalls im Knast sitzt. Und Frauen, deren Männer für die Organisation in den Bau gewandert sind, genießen hier einen heiligen Stand. Vor allem Magie, deren Vater Joe (Brian Cox, Blutmond - Roter Drache) eine Führungsposition innerhalb der IRA mit sich bringt. Ein Erwachen alter Leidenschaften steht also auch unweigerlich in Verbindung mit einer von rigoroser Gewalt dominierten Vergangenheit, die Danny ganze 14 Jahre Lebenszeit geraubt hat.

                Daraus entspinnt sich unter der konzentrierten Ägide seitens Jim Sheridan eine sanftmütige, leise Liebesgeschichte, die den historischen Kontext in offenkundig exaktem Sozial- und Lokalkolorit widerspiegelt, ein Jahr, bevor die Konflikte in der Realität ihr offizielles Ende finden sollten. Die sich bisweilen ins Dokumentarische entfaltende Erzählung rundum Identität, Gewissen und Verbundenheit verhandelt über eine Lauflänge von gut 110 Minuten die fehlgeleitete Auffassung blinder Prinzipientreue und macht sich nicht nur als aufmerksame Beschreibung einer von Leid und Elend geplagten Nation verdient. Der selbstredend formidabel gespielte Der Boxer beweist gerade als umsichtige, sensible, zutiefst authentische Charakter-Studie zweier Menschen, die füreinander geschaffen sind und sich dennoch nicht öffentlich zueinander bekannten dürfen, eine aufrichtige Empfindsamkeit für die gebeutelten Gefühlswelten seiner Akteure und reißt dabei nicht nur vor dem Hintergrund seiner geschichtlichen Beschaffenheit ungemein mit. [...]

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                • 6

                  [...] Vage, äußerst vage, basiert die Geschichte auf dem Roman Menschenjagd von Stephen King, den er 1982 noch unter seinem Pseudonym Richard Bachmann veröffentlicht hat. Die gesellschaftskritische Gesinnung der Vorlage wird in den Händen von Paul Michael Glaser (Starsky und Hutch) zur Genre-affinen Trash-Parade, in der sich die steirische Eiche in der Hauptrolle als voll im Saft stehende One-Liner-Maschine beweisen darf. Nicht einmal auf sein legendäres I'll be back kann Schwarzenegger in diesem Fall verzichten – und natürlich wird er dieser Drohung im Verlauf der Handlung noch nachkommen. Interessant aber ist, dass das kritische Potenzial, welches der Materie inne wohnt, in den Mühlen der tumben Action-Sause nicht gänzlich zermahlen wird. Nein, durch den überzeichneten, ins Comichafte ausschlagenden Gestus der Inszenierung gewinnt Running Man sogar oftmals an Fahrt, wenn er auf die Ruinen der Zivilisation blickt.

                  Das Land, welches sonst unbegrenzte Möglichkeiten propagierte, ist in Ketten gelegt worden. Ein riesiges Gefängnis, in dem für jeden der finale Schlagstockhieb wartet, der sich den vorherrschenden Gegebenheiten nicht unterordnen möchte – bis auf Arnie natürlich. Der pumpt seinen Bizeps auf Oberschenkelgröße und geht im quietschgelben Bodysuit gegen die Verheerungen der Medienmanipulation vor. Selbstredend findet unter diesen Blickpunkten auch eine Spiegelung der Gegenwart statt, wenn Sensationsgier und Massenhysterie anhand eines widerwärtigen Fernsehprogramms verdeutlicht werden, in denen Menschen ihre Schuld an die Gesellschaft bezahlen müssen, indem sie sich von Bluthunden auf Motorrädern durch eine Manege des Wahnsinns treiben lassen. Und das verströmt in jeder Minute den abgestandenen Mief dumpfbackiger 80s-Kolportage, gibt sich in seiner hohlen Art und Weise aber oftmals effektiver, als es dem Regisseur wohl bewusst gewesen ist. [...]

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                  • 3
                    SoulReaver: FILMSTARTS.de 15.12.2018, 15:35 Geändert 15.12.2018, 18:04
                    über Gotti

                    [...] Nachdem Gotti – A Real American Godfather jedoch nicht nur am Box Office rigoros scheiterte, sondern auch ein einvernehmlich negatives Kritikerecho erhielt (0% bei Rotten Tomatoes – Chapeau!), sollte sich der Mythos rundum den sogenannten Telfon-Don schnell selbst wieder begraben. Zu Recht, erweist sich Kevin Connollys Werk doch als ein ideenloses Konglomerat aus drögen Gangsterfilm-Klischees, dem keine Plattitüde zu schade und kein Allgemeinplatz zu lästig ist. Anstatt ein psychologisch ausgereiftes Profil des Mannes anzulegen, der sich ohne jede Unterstützung in der Gosse seine Sporen verdiente und Schritt für Schritt zu einem der (in vielerlei Hinsicht) gewaltigsten Mobster überhaupt heranwuchs, ergötzt sich Connolly ganz und gar pubertär an sinistren Gestalten in Hinterzimmern, die Zigarre rauchen, ihren piekfeinen Luxuszwirn spazieren tragen und ihre aufgeblasenen Egos zur Schau stellen. Und manchmal, klick klack, landet auch mal eine Kugel im Kopf.

                    Das absolut Kuriose an Gotti – A Real American Godfather ist mitanzusehen, wie unglaublich ernst alle Beteiligten dieses Unternehmen doch genommen haben – und das bei einem Drehbuch, in dem jeder Satz in der Vergangenheit schon einmal gekostet, hochgewürgt, wiedergekäut und ausgespuckt wurde. Vor allem John Travolta kann einem fast schon leid tun, wenn er sich als Reißbrett-Patriarch durch dieses holzschnittartige Szenario gockelt, die Behörden verhöhnt, der Justiz eine lange Nase dreht und letztlich doch nur wie ein gescheiterter Ex-Star wirkt, der in einer x-beliebigen Fernsehproduktion (so wirkt der bildsprachlich durchgehend lieblos gestaltete Film) noch einmal die Restbestände seiner ehemaligen Herrlichkeit anzuzapfen versucht. Da wird die glorifizierte Macho-Attitüde des Gambino-Paten, der sich selbst am liebsten im Mittelpunkt gesehen hat, schnell zum Hilfeschrei eines Schauspielers, dessen glorreichen Tage wohl oder übel gezählt sind. [...]

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                    • 6

                      [...] Fatal wird die Parallelmontage, in der Robert Redford seinen Film quasi in Echtzeit entfaltet, aber erst mit dem dritten Handlungsstrang: Zwei ehemalige Studenten von Malley, Ernest (Michael Pena, Narcos: Mexico) und Arian (Derek Luke, Captain America: The First Avenger), sind der (ver-)lockenden Rhetorik ihrer Regierung auf den Leim gegangen und haben sich für den Kriegsdienst eingeschrieben. Sie wollen ihrem Land Unterstützung leisten und das Vertrauen in dieses wiederherstellen. In Afghanistan landen sie nach einem Zwischenfall schwerverletzt auf einem unwirtlichen Bergareal und müssen darauf warten, von den Taliban entdeckt zu werden. So sieht sie also aus, die hochgradig geheime Strategie, die sich Irving, ein Politiker, der von der Präsidentschaft träumt, ausgeheckt hat. Eine Mission, die noch nicht einmal begonnen hat und bereits zum Scheitern verurteilt ist.

                      Würde Von Löwen und Lämmern seine Gedankengänge und Thesen nicht derart überdeutlich formulieren und konsequent auf klare Verhältnisse setzen, man käme nicht umhin, diesen nichtsdestotrotz gelungenen Film als eine der klaren Referenzen im heutigen Antikriegskino zu nennen. Vor allem, weil es ihm daran gelegen, die Gefahr und Relevanz des bloßen Wortes zu unterstreichen. Robert Redford und Matthew Michael Carnahan aber verwechseln ihren Anspruch aufzurütteln streckenweise mit dem belehrenden Gestus eines Dozenten und besprechen Amerikas Angst vor einer neuen Achse des Bösen, ohne beide Seite auf ihre Motivationen abzuklopfen. Dennoch gelingt es Redford durchaus, ein Gefühl für das Land zu destillieren, durch das sich seit dem 11. September eine lähmende Angst zieht, die Fehler und Verheerungen der Außenpolitik erneut vor der eigenen Haustür zu spüren zu bekommen. [...]

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                      • 5

                        [...] Dass der aus Newcastle stammende Brite in der Lage dazu ist, die schmerzerfüllten Abgründe seiner Charaktere fesselnd, berührend und gleichermaßen abstoßend aufzuarbeiten, hat er im Erfolgsformat Sons of Anarchy in über sieben Staffeln mehrfach bewiesen. Als Papillon allerdings scheint ihm die adäquate Schauspielführung zu fehlen, der Bezug zur Motivation seiner Figur, das Bewusstsein über den Umfang der Qualen, die dieser Mensch bereit ist einzustecken. Woher der ungebrochene Freiheitswille seine Person nun eigentlich rührt, können weder Hunnam, noch das Skript belegen. Eine schludrige, kaum mehr als 30 Sekunden in Anspruch nehmende Halluzination in der Dunkelzelle soll Begründung genug sein: Er hat Heimweh. Nun ja, ganz so einfach mag es nicht sein, aber Papillon behält es sich vor, einfach zu denken, einfach zu inszenieren und sich damit auch kleiner zu machen, als es das renommierte Quellmaterial von Charriere (und Schaffner) vorgibt.

                        So bleibt es über 135 Minuten dabei, dass Noer das aufnimmt, was ihm ein anderer Filmemacher bereits vorgegeben hat. Mit dem Unterschied, dass Schaffner sein Werk drei bis vier Klassen besser, fiebriger, dringlicher, körperlich durchdringender vollstreckte. Und dennoch: Auch Noer gelingt es aufzuzeigen, welch überzeitlicher Geist der Materie inne wohnt. Als rau-brutales Männerabenteuer nämlich gibt es auch unter seiner Regie durchaus einnehmende Phasen, die den Zuschauer im stetigen Wechsel aus Freundschaft und Martyrium zu packen verstehen. Mag Charlie Hunnam auch bisweilen in den Seilen hängen, die Harmonie zum gebrechlich auftretenden Rami Malek (Bohemian Rhapysody) stimmt und gibt dem Überlebenskampf in der todbringenden Strafkolonie St. Laurent, die über 80.000 Häftlinge verschlissen hat, tatsächlich einen Anflug von dramatischer Fallhöhe. Scheitert Papillon also auch an seinem Potenzial, das Abenteuer an sich ist in dieser Verfilmung doch immer noch gegenwärtig. [...]

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                        • 7 .5

                          Eine unbehagliche Stille hat sich von der ersten Sekunde wie ein tiefgrauer Schleier über den Film gezogen. Es brodelt unter der Oberfläche des Alltäglichen, unsichtbar, aber jederzeit präsent. Doch bevor diese Fassade der (Schein-)Normalität in sich zerfällt, sammelt PLAYGROUND Eindrücke aus dem Leben der Kinder, die den letzten Schultag in einer Katastrophe enden lassen werden. Ein behinderter Vater, den es zu pflegen gilt. Lippen, die geschminkt werden wollen. Fleisch, das vom Metzger abgeholt werden muss. Vielleicht sind es Lösungsansätze für das entsetzlichen Schlussakkord, auf welchen der Film (gefühlt unbewusst) hinarbeitet. Regisseur Bartosz M. Kowalski aber möchte die unvorstellbare Grausamkeit dieses gesellschaftlichen Horrorszenarios nicht durchleuchten, rationalisieren, nachvollziehbar machen. Weil sie nicht nachvollziehbar ist. Die unbehagliche Stille, die sich in jedes Bild eingebrannt hat, steigert sich zusehends, veräußert sich in diversen Formen der Gewalt und eskaliert schließlich in einer der verstörendsten Sequenzen dieses Jahres. Inspiriert vom bestialischen Mord am zweijährigen James Bulgar, der 1993 von zwei Zehnjährigen entführt, gefoltert und schließlich getötet wurde, funktioniert PLAYGROUND als bedrückende Gewalt-Studie, die sich gezielt jedem metaphorischen Mehrwert verschließt. Die Gewalt existiert, weil sie schlichtweg möglich ist. Reine Willkür. Mehr braucht es nicht, um einen Blick in Abgründe zu erhalten, die nie verständlich gemacht werden können. Offenkundig hat der polnische Filmemacher Kowalski viel von Gus van Sants ELEPHANT gelernt, der es ebenfalls verstand, die Motive der Gewalt nicht explizit auszuhandeln und damit zu versprachlichen, sondern sie als Bestandteil eines großen, sozialen Gefüges aufzuzeigen. Ohne Antwort, nur mit der Gewissheit ihrer Gegenwart.

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                          • 7

                            [...] Obgleich sich Last Flag Flying in jeder Minute über den Ernst seiner Thematik im Klaren ist, gelingt es Richard Linklater und Darryl Ponicsan, der gleichwohl die Vorlage geschrieben hat, die sich als (inoffizielles) Sequel auf den 1971 erschienenen Das letzte Kommando mit Jack Nicholson offenbart, den Film mit einer feinen Tragikkomik auszustaffieren, für die gerade Steve Carell und Bryan Cranston prädestiniert sind. Immer wieder finden die beiden Schauspieler im Netz aus Trauer und Enttäuschung Momente, die einen sanften Humor freilegen, der sich nur dann ergeben kann, wenn der zwischenmenschliche Gefühlsknoten stramm genug gezogen ist. Wenn er sicher und reißfest arrangiert wurde. Gerade Sal, der als wenig sittlicher Säufer vorgestellt wird und seinen Kopf gerne in den „alten Zeiten“ verliert, entfesselt mit seinem Talent, unangebrachte Äußerungen zu tätigen, nicht nur Witz, sondern auch seelische Verletzungen.

                            Last Flag Flying lebt ohnehin durchgängig von seiner ausbalancierten Charakterdynamik und gibt all seinen Akteuren die Chance, sich zu verstellen (ausgenommen von Larry, der in seinem Schmerz keinen Sinn für Versteckspiele erkennt), bis die Maskerade irgendwann ihr Ende finden wird. Richard, der früher den Ruf eines Draufgängers mit sich brachte, hat indes zu Gott gefunden. Die stetigen Anstrengungen, den lebensweltlichen Anforderungen eines Predigers gerecht zu werden, brechen auch aus ihm immer wieder hervor, was dem autoritären Spiel seitens Laurence Fishburne einen angenehmen, bisweilen herrlich uneitlen Charme einverleibt. Richard Linklater erzählt hier letztlich auch keine Geschichte über Kameradschaft, sondern über Freundschaft. Um diesen Aspekt zu erkennen, ist es jedoch von Belang, die bereits erwähnten Ambivalenzen der Erzählung anzunehmen, steigern diese sich doch zusehends.

                            Wenn es am Ende schließlich zur Beerdigung kommt, die den zweistündigen Film überhaupt erst in Gang gesetzt hat, dann scheint es oberflächlich danach auszusehen, dass Last Flag Flying militärischen Ritualen doch eine gewisse Faszination und Unabdingbarkeit beimisst. In Wahrheit aber ist genau dieser Punkt ungemein entscheidend, um Linklaters Hingabe zu seinen Charakteren zu begreifen: Denn, auch wenn ihre Herzen aufgehört haben zu schlagen, so wird ihren Wünschen immer noch Gehör geschenkt. Last Flag Flying gibt sich schlussendlich nicht etwa patriotischen Auswüchsen hin, er nimmt sich dem letzten Willen eines 21-Jährigen an, dem meuchlings in den Hinterkopf geschossen wurde. Und das wissen alle Beteiligten, die als Marines gedient und anschließend in aller Regelmäßigkeit von Amerika verraten wurden. Ihre Güte aber haben sie deswegen noch lange nicht eingebüßt. [...]

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                              Wenn nicht im sommerlichen Norditalien, wo sonst soll sich der Zauber der zufälligen Begegnung zweier Menschen entfalten? Luca Guadagnino glaubt an diesen Zauber. Man könnte sogar sagen: Guadagnino glaubt ausschließlich an diesen. Während Elio (Thimothée Chalamet) nur darauf wartet, dass sich die Ferien ihrem Ende neigen, damit er dem Sommer wieder aufs Neue entgegenfiebern kann, betritt Oliver (Armie Hammer) die Bildfläche. Das gute Essen, der Wein, die Zigaretten, die Bücher, die Musik, die Frauen. Alles wird zweitrangig, denn mit Oliver kann Elio zum ersten Mal erleben, anstatt bereuen zu müssen. Auf das Warten folgt das Erwarten, auf die Hingabe die Verweigerung, auf das Umkreisen das Einkreisen, auf das Verlangen die Verzweiflung. Call Me by Your Name räumt sich nach und nach von allem frei, was der Leidenschaft zwischen den wunderbaren Hauptakteuren in die Quere kommen könnte. Das hier ist kein Problemkino, sondern ein hypnotischer Sog der Sinnlichkeit. Es gibt nur noch die Dinge selbst, keine übergeordneten Verstrebungen, nur das Geheimnis der Liebe. Selbst die Sprache wird unwirksam gemacht, erschließt die Leidenschaft letztlich doch ihre ganz eigenen Kommunikationskanäle. Wie Elios Vater (Michael Stuhlbarg) in dem wohl besten Monolog des Jahres erklärt, findet die Natur immer wieder clevere Wege, um unsere Schwachstellen aufzuspüren. So wie dieser begierige Strudel, der die Annäherung der beiden Männer konsequent im Hier und Jetzt verortet. Ihre Zuneigung funktioniert nur an diesem Ort, nur in diesem Augenblick, nur auf diesem Wege – und irgendwann nur noch als Erinnerung. Endlich wieder ein Kino ohne Kompromisse, sondern nur mit Erkenntnissen.

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                                SoulReaver: FILMSTARTS.de 09.12.2018, 22:17 Geändert 10.12.2018, 01:56
                                über Nell

                                [...] Aus anthropologischer, linguistischer wie auch psychologischer Sicht erweist sich Nell natürlich als äußerst interessantes Anschauungsobjekt, weil sie die Frage aufwirft, inwiefern ein Mensch sich entfalten kann, wenn er nur auf sich allein gestellt ist. Michael Apted aber verfolgt keinen wissenschaftlichen Ansatz, wenn er den von Jodie Foster eindrücklich gespielten Charakter beobachtet, sondern gibt sich ganz und gar der klischierten Romantik hin, die die Unschuld von Nell in jeder Szene ausstrahlt. Und genau an diesem Punkt vergeudet der Film Unmengen seines kritischen Potenzials, denn anhand von Dr. Lovell, der Nell ebenfalls soweit verklärt, dass er für sie ein beinahe rücksichtsloses Verständnis in jedweder Hinsicht aufbringt, hätte Apted packende Brüche sowohl in der Wahrnehmung des Kindes der Wildnis als auch ihrem unabdinglichen Unterstützer finden können.

                                Nell aber ist harmonieheischende Naturmystik, die nicht in die Untiefen des menschlichen Wesens eintaucht und sich auch strikt dagegen wehrt, egoistische Motive im Auftritt von Dr. Lovell zu finden (und noch weniger Nell eine geistige Krankheit zu attestieren). Würde sich Jodie Foster nicht derart ins schauspielerische Zeug legen und den Begriff der Körpersprache bisweilen auf ein neues Level hieven, müsste man sich von Nell dann doch ein wenig verärgert abwenden. Foster, die für ihre Performances selbstredend für einen Oscar nominiert wurde, aber gelingt es mit Bravour, das feingliedrige Portrait eines Menschen anzulegen, der die Welt nicht intellektuell erfährt, sondern sinnlich begreift. Es gibt keinen Verstand, sondern nur Emotionen. Und sicherlich gibt diese einzigartige Möglichkeit, auf Mutter Erde zu wandeln, auch einige weise Impulse von sich. Das Drumherum allerdings ist zu eindimensional und verzuckert. [...]

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                                  SoulReaver: FILMSTARTS.de 07.12.2018, 16:36 Geändert 07.12.2018, 16:38

                                  [...] Mag sich auch Jon Favreau in seiner The Jungle Book-Vision immer wieder darum bemüht haben, finstere Auswüchse in sein ansonsten sehr farbenfrohes und quicklebendiges Szenario einzuweben, ist Andy Serkins in Mogli: Legende des Dschungels ganz und gar den dunklen Seiten verfallen. Das zeichnet sich bereits an den Umständen der ungemein ausgefeilten (Tier-)Ästhetik ab, die hier natürlich den modernsten Möglichkeiten von computergenerierten Animationen sowie dem Motion Capturing, Serkis' Königsdisziplin, unterlegen sind. Mögen die mimischen Ausdrucksformen auch immer noch bis zu einem gewissen Punkt anthropomorphisiert sein, den Niedlichkeitsfaktor der Disney-DNA aber redeuziert Serkis auf ein Minimum, was nicht nur Balu zu einem von Narben zerfurchten Geschöpf des Dschungels macht, dessen auf einer Seite markant herabhängende Schnauze von einer kräftezehrenden Vergangenheit spricht.

                                  Allein dieser Anblick des einstigen Gute-Laune-Bärs verweist auf das wenig kindertaugliche Format, mit dem sich Mogli: Legende des Dschungels artikuliert. Die Animationen hingegen sind, wie zu erwarten, sensationell. In fotorealistischer, ungemein detaillierter Erhabenheit werden die Tiere hier lebendig und lassen gleichwohl immer ein Stück der Schauspieler erkennen, die diesen ihre Stimme geliehen haben: Vor allem Christian Bale und Benedict Cumberbatch (Patrick Melrose), der hier als Tiger Shir Khan in Erscheinung tritt, dürfen sich an dieser Stelle angesprochen fühlen. Was der Geschichte abseits ihrer majestätischen Bilder indes fehlt, ist der inhaltliche Mehrwert. War Das Dschungelbuch immer schon ein umsichtiger parabolischer Diskurs über Heimat, Identität und Andersartigkeit, wird Mogli: Legende Dschungels ob seiner bierernsten Omnipräsenz vor allem ein Kampf um das Überleben, ausgehend von den Strapazen, sich ein- und unterzuordnen.

                                  Obgleich sich Andy Serkis auch nicht gänzlich an den Statuten des klassischen Erzählkinos verhebt, fehlt seiner sich in bisweilen bedrückender Dringlichkeit wähenden Inszenierung die Dreidimensionalität. Die Ruhe wie Besonnenheit, Charaktere zu entwickeln und ihnen nicht nur Wörter wie Angst, Andersartigkeit und Einsamkeit in den Mund (oder das Maul) zu legen, sondern diese Begriffe auch auf lange Sicht auf ihre Bedeutung und Sinnhaftigkeit zu erforschen. Nichtsdestotrotz funktioniert Mogli: Legende des Dschungels vor allem atmosphärisch, wenn man ihn denn aus der Perspektive des Survival-Kinos deutet: Denn auch wenn unser titelgebender Held, der weder Mensch noch Wolf ist und dennoch beiden Welten angehört, für den Dschungel zur Stimme des Friedens wird, muss für diesen erst reichlich Blut vergossen, jede Menge Leid ertragen und einige zermürbende Prüfungen überstanden werden. [...]

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                                    SoulReaver: FILMSTARTS.de 06.12.2018, 18:31 Geändert 06.12.2018, 18:54

                                    [...] Vor allem ist es nach wie vor beachtenswert, wie schnörkellos Roger Allers (Dehbuch zu Die Schöne und das Biest) und Rob Minkoff (Stuart Little) die Handlung einer dramaturgischen Straffheit unterzogen haben, die sich in keinem Moment erlaubt, den Fokus auf das Geschehen zu verlieren: Simba ist der Kristallisationspunkt, sein jugendliches Aufbegehren bringt Der König der Löwen ins Rollen und quittiert den unüberlegten Ungehorsam seiner kindlichen Verspieltheit gleich mit den Konsequenzen, die die Härte des Lebens in ihrer ganzen Wucht ausmachen: Dem Tod und der Schuld. Und beiden Aspekten wird genügend Raum zugesprochen, um sich in ihrer lähmenden Fasson zu entfalten. Darin liegt nicht zuletzt die überzeitliche Klasse dieses Filmes, denn mögen es euphorisch-musikalischen Glücksgefühle oder herbe Rückschläge sein – Der König der Löwen nimmt sich diesen Empfindungen an, anstatt sie gegeneinander auszuspielen.

                                    Sicherlich, obgleich der Film in seiner Vorstellung von Heldenmut, Herrschaftsanspruch und Geburtsrecht durchaus rückständig erscheinen mag, bleibt er doch eine ungemein intensive und von einem majestätischen Gestaltungswillen beseelte Parabel auf das Leben, die Zugehörigkeit und die Suche nach der eigenen Bestimmung. Der König der Löwen gibt seinem Hauptdarsteller die Chance, zu scheitern, um sich im Zuge dessen darauf zu besinnen, was ihm wirklich wichtig ist; wohin er wirklich gehört. Und daraus ergibt sich eine in eindrucksvollem Eskapismus, hinreißender Komik und Shakespeare'scher Tragik gehaltene Lektion über die Gesetzmäßigkeiten unserer Existenz: Auch wenn der ewige Kreis, der unser Dasein umzirkelt, keine Aussetzer erlaubt, so ist es doch letzten Endes uns überlassen, wie wir den Anfang zum Ende und das Ende zum Anfang machen. [...]

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                                      über Zoe

                                      [...] Mit Ewan McGregor (Lachsfischen im Jemen) und Lea Seydoux (Blau ist eine warme Farbe) kann sich Doremus auf ein hochkarätiges Gespann verlassen, welches es in den besten Momenten des Filmes sogar schafft, aus dem leider sehr bruchstückhaft und weitgehend seichten Drehbuch von Richard Greenberg einen Anflug von emotionaler Intensität herauszukitzeln. Die interessanten Ansätze allerdings bleiben ungenutzt und die Idee von einer Zukunft, die mathematisch perfekt evaluierte Beziehungen gewährleistet, versandet in einer vorwiegend austauschbar gehaltenen Lovestory, die die Höhen und Tiefen einer amourösen Verbindung entlanghangelt, sich dabei – ob seines Sci-Fi-Kontext – philosophisch geriert, in Wahrheit aber nur in der allseits ausgestellten Gefühlsduseligkeit sowohl am Thema selbst wie auch am Zuschauer langsam vorbei plätschert. Lieber einen Abend in Ex Machina und Her investieren. [...]

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                                        Verwehrt man sich der Genialität von The Man Who Wasn't There, dann verwehrt man sich auch den Tiefendimensionen, die das Kino imstande ist, auszuloten und erfahrbach zu machen. Dass dieses Meisterwerk ein Schattendasein im von Meisterwerken nahezu überfluteten Schaffen der Gebrüder Coen fristet, scheint fast schon einer ironischen Logik zu folgen, denn wie der Film selbst ist auch sein Hauptdarsteller, der unauffällige Mr. Crane, eigentlich gar nicht anwesend. Ein langsam verblassender Nebendarsteller seiner eigenen Geschichte. Ed heißt er mit Vornamen und verdient sich sein täglich Brot als Friseur. Er barbeitet die Köpfe und redet nicht viel. Er schneidet die Haare. Die unerschütterliche Gemütsruhe, mit der Billy Bob Thornton diesen Charakter verinnerlicht, ist monumental. Nein, sie ist epochal, und hätte es Humphrey Bogart niemals gegeben, Thornton hätte ihn in The Man Who Wasn't There erfunden und mit einem beiläufigen Zug an der Zigarette übertrumpft. Was gemeinhin als Hommage an den Film noir gehandelt wird – und das ist sicherlich auch richtig -, versteht sich immer mehr als zutiefst suggestive Meditation über die Ästhetik des klassischen 40er Jahre Kinos, die hier gleichwohl mit der philosophischen Abhandlung über den ewigen Lauf der Dinge verwoben wird. Alles auf den Schultern von Ed Crane, der weder Held noch Anti-Held ist, sondern einfach da, stoisch und wortkarg, obwohl er eigentlich nicht da ist. Und dennoch meldet sich das Schicksal, diese miese Vergewaltigersau, das immer und immer wieder mit seinen Schandtaten davon kommt, bei ihm und nimmt ihn rückhaltlos von hinten ran. Immer härter, immer fataler. Und Crane? Der zieht an seiner Zigarette und denkt nach. Über die Haare und wie sie die menschliche Existenz begründen. Über die Realitivtät von Subjekt- und Objektivität. Oder über den einsamen Ort, den wir unser zuhause nennen. Aber schwätzen? Schwätzen gefällt ihm nicht. Den Coens auch nicht, die sagen, was gesagt werden kann und darf – weil sie es können, in diesem Fall vielleicht besser denn je. The Man Who Wasn't There ist die formvollendete Poesie darüber, das Pech zu erfahren, umflorrt von der leisen Hoffnung, irgendwann einen Platz zu finden, an dem man endlich die Worte findet, um das zu sagen, was man sonst nur denken konnte.

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                                          [...] Der Marathon-Mann beweist sich von der ersten Minute an als zutiefst schwelendes Spannungskino: In jedem der eindringlich von Conrad L. Hall komponierten Fotografien scheint sich ein Gefühl der Anspannung, der Bedrohung, der Angst eingegraben zu haben. John Schlesinger und sein Drehbuchautor William Goldman, der hier seinen eigenen Roman für die Leinwand adaptiert hat, spielen über weite Strecken der Laufzeit mit der Undurchdringlichkeit dieser allgegenwärtigen, aber kaum greifbaren Gefahr. Ein bizarrer Autounfall im jüdischen Viertel von New York setzt hier eine verheerende Kausalitätskette in Gang, die vor allem Babe in furchteinflößender Härte erwischen wird: Wenn Szell sein zahnmedizinisches Instrument auspackt und sich mit dem Bohrer die gesunden Zahnnerven in Babes Mund vorknöpft, dann ist genau das der Stoff, aus dem Alpträume gemacht sind.

                                          John Schlesinger beherrscht es in seiner Inszenierung ganz und gar formidabel, das unbehagliche Klima des Filmes wie ein kaltes Fieber über und durch den Körper des Zuschauers wandern lassen. Wenn die Ereignisspirale, in der ein Bankschließfach mit Diamanten eine entscheidende Rolle spielen wird, erst einmal wütet, dann lokalisiert sich Der Marathon-Mann in einem New York der Tristesse, wie es in dieser düster-unterkühlten Illustration nur die 1970er Jahre imstande gewesen sind. Verzweiflung, Erschöpfung, Überforderung werden durch die aufopferungsvolle Performance seitens Dustin Hoffman, der sich für die Rolle einen mehrtägigen Schlafentzug verordnet hat, zuweilen tatsächlich körperlich erfahrbar. Und darauf ist auch die Meisterschaft und das Gelingen dieses fraglosen Klassikers begründet: Es ist die Glaubwürdigkeit seiner Charaktere, die Der Marathon-Mann noch heute als einen beispielhaften Thriller auszeichnet. [...]

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                                            [...] Alles beginnt, wie könnte es auch anders sein, mit dem Wort. Barton Fink aber weiß nicht, wie sich dieses Wort nun eigentlich veräußern soll. Ein Mietshaus in Manhattan. Man hört den Verkehrslärm, vielleicht. Hört man aber auch den Fischverkäufer an der Ecke? Fink benötigt Inspiration; Inspiration, die sich, so wie es das Schicksal nun mal gewollt hat, direkt im Nebenzimmer befindet. Bullig und doch liebeswert steht er irgendwann vor ihm, der Versicherungsangestellte Charlie Meadows (John Goodman, Arachnophobia). Ein Mann des Volkes. Jemand, der das Banale zum Profunden erheben kann, allein durch seine bloße Erscheinung. Die Worte wollen dennoch nicht aus Fink heraussprudeln, sein Bauch ist noch nicht imstande, ihm zu sagen, was wirklich gut und was nur angemessen ist. Also zurück zum Mietshaus. Manhattan. Lower East Side. Hört man den Fischverkäufer? Oder werden seine lauthals in die Welt gerufenen Angebote vom Verkehrslärm geschluckt?

                                            Natürlich haben sich Joel und Ethan Coen mit diesem Meisterwerk aus dem Jahre 1991 auch ein Stück weit selbstständig therapiert. Die Gebrüder sind mit ihrem Film noir Miller's Crossing, der selbstredend ebenfalls nichts anderes als ein Meilenstein der frühen 1990er Jahre darstellt, ebenfalls einer verheerenden Schreibblockade auf den Leim gegangen, um in ihrer schöpferischen Sinnkrise zu verinnerlichen, dass es vermutlich nicht immer um das Schreiben per se geht, sondern genauso um die Aneignung. Um die Er-, aber nicht Ausbeutung von Themen und Motiven. Dementsprechend offenkundig arbeitet Barton Fink sich auch am Studio- und Starsystem Hollywoods ab und lässt dieses auf den Schultern eines schmächtigen, der Realität immer etwas entrückt erscheinenden Autors ab, der im Namen des Filmmoguls Jack Lipnick (Michael Lerner, Wenn der Postmann zweimal klingelt) nichts Originäres erschaffen soll, sondern einem festgeschriebenen Strickmuster folgen.

                                            In bahnbrechender Virtuosität beobachten die kongenialen Autorenfilmer Fink dabei, wie er, verkeilt in Erwartungshaltungen, verkapselt in Visionen, in diesem ranzigen Hotel der ewigen Korridore eine Lösung zu finden versucht, Worte aneinanderzureihen, die etwas Kreatives ergeben, während ihm Charlie mit Schweißrändern bis zur Gürtellinie Beistand leistet. Die Coens zeigen dabei auf, dass der Prozess des Schöpfens nicht etwa einem inneren Frieden entspringt, sondern einem tiefen inneren Schmerz. Einer existienziellen Einsamkeit. Einer unentwegten Selbstzerstörung. Schreiben, das bedeutet die Höhen und Tiefen der Seele auszuloten, um etwas Verschüttetes ohne jede Landkarte zu bergen. Und genau das ist Barton Fink: Ein surrealer Höllenabstieg in den Urschleim der menschlichen Innovationskraft. Eine Kraft, die entfesselt werden möchte, möglicherweise auf Kosten einer Leiche, wahrscheinlicher aber für den Preis des Wahnsinns. Und da sind die Coens ganz bei sich. [...]

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                                              [...] Noch stärker arbeitet sich die zweite Staffel von The Deuce nun an der weiblichen Emanzipation von männlich-vereinnahmte Herrschaftsgebieten entlang und erkennt vor allem in Eileen (Maggie Gyllenhaal, The Dark Knight) einen packenden Charakter, um das Aufbegehren gegen die patriarchale Unterdrückung zu veranschaulichen. Von der Prostituierten hat sie es nämlich geschafft, zur Regisseurin heranzuwachsen: Ihr ambitionierter Porno, eine XXX-Version von Rotkäppchen, ist ein Imagefilme, wenn man so will. Er attackiert dieses von Männern und männlicher Phantasie dominierte Gefilde mit den Mitteln der Arthaus-Kinos; mit assozitativen Schnitten, mit unkonventionellen Kamerafahrten, mit einer Handlung, die einem roten Faden folgt. Fickfilme als Hochkultur. Eileens entschiedenes Aufbegehren und künstlerisches Erwachen ist ein adäquates Exempel für den moralischen Wandel innerhalb der 1970er Jahre: Es hat erst mutige Frauen gebraucht, um das gesellschaftliche Grundgerüst zu hinterfragen und zu modernisieren.

                                              Das Figurenkarusell, zu dem natürlich auch wieder Vincent und Frankie (beide gespielt von James Franco, The Ballad of Buster Scruggs) gehören, aber dreht sich inmitten von Selbstermächtigung, kriminellen Abwegen und zwischenmenschlichen Begegnungen unermüdlich weiter. Was alle diese Charaktere eint, ist das Anliegen, ihre Lebensrealität zur gesellschaftlichen Mitte zu erheben und nicht die gesellschaftliche Mitte zu ihrer Lebensrealität zu erklären. Das Gefecht gegen Vorurteile, Stigmata und Diskriminierung geht in die nächste Runde und The Deuce bleibt daher auch als formidabel inszeniertes Peroid Pictures in der zweiten Staffel eine in ausgefeiltem Lokal- und Sozialkolorit eingepflegte Geschichte über individuelle Träume und das unvermeidliche Scheitern an diesen Träumen. Dass die dritte und somit letzte Staffel bereits beschlossene Sache ist und dem Zuschauer darin den Zusammenbruch des verruchten Times Square endgültig vor Augen führt, stimmt gleichermaßen vorfreudig wie betrüblich. [...]

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                                                [...] Christopher (Hutton) und Daulton (Penn) fühlen sich in ihrem Patriotismus erschüttert, wenn sie in Kenntnis davon geraten, dass die CIA letztlich nicht mehr für die innere Sicherheit der Vereinigten Staaten verantwortlich ist, sondern sich vielmehr darum bemüht, schwächere Regierungen auszubeuten. In ihrem Idealismus sind sich die beiden langjährigen Freunde sicher, die Informationen an die Öffentlichkeit zu tragen, notfalls eben über die sowjetische Botschaft in Mexiko, die sich direkt mit dem KGB in Verbindung setzen sollte. Über das Bestreben zwei junger Männer, ihrem Land ein Stück von der Unschuld zurückzugeben, die diesem in der Vergangenheit restlos entrissen wurde, veranschaulicht Der Falke und der Schneemann bisweilen in erschreckender Klarheit, wie rigoros sich Enttäuschung, Desillusion und Angst in das kollektive Bewusstsein Amerikas eingestanzt hat. Und da wären wir wieder bei Schlesingers Schattenwelten.

                                                In über 130 Minuten begleitet Der Falke und der Schneemann Christopher und Daulton dabei, wie sie erste Erfolge ernten, um sich alsbald in einem zermürbenden Netz aus Einschüchterung, Machtmissbrauch, Bedrohung und Todesangst wiederzufinden – bis sie ihrem tragischen Ende unausweichlich entgegensteuern. Es ist Timothy Hutton und Sean Penn zu verdanken, dass der Film sich nach wie vor als durchaus spannendes, mit einigen ergreifenden Momenten versehenes Seherlebnis gestaltet, sind es doch ihre authentischen Performances, die den Wert sowie den Zerfall von Brüderlichkeit eindringlich auf den Zuschauer übertragen. In sich ruhend, fernab von moralischer Bevormundung und konsequent auf den Erfahrungshorizont der Protagonisten fokussiert, stellt Der Falke und der Schneemann gezielt die Freiheit des Individuums in einer (oberflächlich) intakten Gesellschaft infrage – und überlässt der Wirklichkeit die bitteren Antworten. [...]

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                                                  [...] Larry Clark, der zusammen mit Spring Breakers-Regisseur Harmony Korine das Drehbuch schrieb und inszenatorische Unterstützung von Edward Lachman erhielt, der sich zuvor als Kameramann für Steven Soderbergh verdient gemacht hat, findet in diesem kalifornischen Kleinstadtkosmos vor allem Desorientierung, Demütigung und Hilflosigkeit. Aggressionen und Depressionen gehen hier stärker denn je Hand in Hand in Clarks Kino, hat er sich doch hier auch zum ersten Mal dafür interessiert, auch die Perspektive der Erwachsenen zu berücksichtigen, anstatt sich nur den pubertären Befindlichkeiten seiner Protagonistin zu widmen. Somit erweitert Ken Park seine stoffliche Dimension nicht nur in die tragische Tiefe, sondern auch in die Breite, wenn er Anhand der Gegenüberstellung von Generationen aufzeigt, dass die so erdrückende Suche nach Liebe keine Altersbeschränkung kennt. Die amerikanische Vorstadtseele jedenfalls ist eine generell in sich verlorene.

                                                  Ken Park aber wird seine jugendlichen Akteure, die hier natürlich immer noch das erzählerische Zentrum bilden, nach Kids und Bully – Diese Kids schockten Amerika nicht noch einmal untergehen lassen. Stattdessen entwächst dem Film zusehends eine einnehmende, zuweilen fast schon sinnliche Zuneigungsgabe, die den unverstellten Blick in die Schluchten der Einsamkeit, der Unterdrückung und des häuslichen Missbrauchs auf einer Idee von Hoffnung federn. Denn wo sich die Eltern den Abgründen von Alkoholmissbrauch, Selbsthass, emotionaler Verlotterung und der manisch-pervertierten Abhängigkeit ihrer Kinder nach und nach unweigerlich selbst zerstören, finden die Jugendlichen in der sexuelle Annäherung zueinander eine besänftigende Verknüpfungsmöglichkeit, um halbwegs mit erhobenem Haupt durch das Leben zu schreiten. All die physische Gewalt, die sie erfahren, scheinen sie in körperliche Liebe umzuwandeln. Und genau dort wird auf einmal alles schwerelos und zuversichtlich. [...]

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                                                    [...] Natürlich wurde ihre Familie von den durchtriebenen Schergen – größtenteils hispanischer Abstammung - eines Drogenbarons umgebracht. Und Riley, die ihrer Tochter immer mit auf den Weg gegeben hat, dass Gewalt kein probates Mittel ist, um Konflikte zu bereinigen, muss am eigenen Leibe erfahren, wie marode das Justizsystem in den Vereinigten Staaten doch wirklich ist. Was da nur hilft, versteht sich von selbst: Ein Amoklauf im Dienste der Gerechtigkeit. Tatsächlich kann sich Peppermint: Angel of Vengeance auf die Genre-erprobte Leistungsfähigkeit von Jennifer Garner verlassen, die in den Nahkämpfen sowie Schusswechseln eine durchaus gute Figur macht und wohlige Erinnerungen an ihre erfolgreiche Serienzeit mit Alias – Die Agentin weckt. Schauspielerisch, also dann, wenn es um die Dinge geht, die von Belang sind, wenn die Hände vom Waffenarsenal gelassen werden, bleibt Peppermint: Angel of Vengeance aufgrund eines hochgradig geisttötenden Drehbuches ohne jedes Temperament.

                                                    Genau dieser Punkt lässt sich indes auf den gesamten Film übertragen: Pierre Morel ist sicherlich kein schlechter Handwerker, auch wenn sein mit Sean Penn besetzter The Gunman zuletzt schon etwas anderes verlauten lassen wollte. Doch auch dieser war zuweilen noch in der Lage, interessante, erinnerungswürdige Bilder zu finden. Peppermint: Age of Vengeance spielt sich indes ganz und gar auf dem Niveau eines Direct-to-DVD-Vehikel ab und lässt schöpferische Sprengkraft im Umgang mit dem plattgewalzten Sujet ebenso vermissen wie das Talent, seiner Hauptdarstellerin im gnadenlosen Selbstjustiz-Einsatz einen Funken dynamischer Körperlichkeit abzugewinnen. Die größte Überraschung an diesem primitiven Rache-Heuler ist daher auch der Umstand, dass er es hierzulande tatsächlich vollbracht hat, eine Kinoauswertung zu erhalten, so schmucklos und verstörend formelhaft wie dieser sich in der gähnenden Leere ewiger Vergeltungsphantasien im Kreise dreht. [...]

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