SoulReaver - Kommentare

Alle Kommentare von SoulReaver

  • 6 .5

    [...] Denn wenn Austin Powers etwas ist, dann wohl eine herrlich hemmungslose Zurschaustellung männlicher Komplexe, was sowohl auf den dauergeilen Austin Powers zutrifft, wie auch seinen Erzfeind, Dr. Evil (ebenfalls Mike Myers), der nach dreißig Jahren Kälteschlaf immer noch darauf versessen ist, der alleinige Big Boy im Verbrechergeschäft zu sein. Wo es dem Film zu Anfang noch in beachtlicher Detailliebe gelingt, den Groove der Swinging Sixties aufleben zu lassen, um damit simultan zu unterstreichen, dass es sich bei Austin Powers nicht nur um eine salopp aus der Hüfte geschossene James-Bond-Persiflage handelt, sondern auch eine mit aufwändigem, durchdachten Dekor auftretende Hommage, entfaltet sich das Abenteuer um die Jagd auf Dr. Evil erst im damals gegenwärtigen Jahre 1997. Und zweifelsohne: Wenn dieser liebenswerte Nonsense etwas besitzt, dann den Funk im Blut.

    Natürlich aber gehört die Bühne hier ganz und gar dem unsagbar spielfreudigen Mike Myers, der sowohl als Austin Powers wie auch dessen Nemesis Dr. Evil zwei denkwürdige Performances hinlegt und dabei einen fast schon entwaffnenden Mut zur Hässlichkeit an den Tag legt. Jay Roach spannt das kunterbunte Duell zweier aus der Zeit gefallenen Exzentriker dabei in einen liebevollen Bilderbogen, der sich nicht nur durch das kontinuierliche Konterkarieren wie Demontieren von klassischen Erzählkonventionen des James-Bond-Universums als unheimlich amüsant erweist, sondern auch aufgrund seiner inszenatorischen, mit unzähligen Zitaten gespickten Hingabe gleichwohl die Lust und Laune weckt, sich erneut in die Welt von James Bond zu begeben – in diesem Fall dürfen sich natürlich vorrangig Sean Connery und Roger Moore angesprochen fühlen. An Leidenschaft jedenfalls mangelt es Austin Powers zu keiner Zeit. [...]

    11
    • 8

      [...] Der grelle, in seiner Montagetechnik subversive und bisweilen ins Experimentelle ausufernde The Beach macht sich fortan eine zynische Freude daraus, Fernweh darüber zu generieren, ganz gezielt allgemeingültige Postkartenmotive aufzubereiten und Richard tatsächlich einen Platz in diesem Garten Eden zuzusprechen, an dem er sich abseits einer Gesellschaft, die von Krebsgeschwüren befallen ist, verwirklichen kann. Angeblich. Danny Boyle blickt dem Zuschauer dabei immer wieder ganz tief und umso provokativer in die Augen: Genau das ist es, was du auch willst, oder? Ungebundenheit. Naturbelassene Unendlichkeit. Inneren Frieden. Womöglich bist du ja doch das Reiseziel, zu dem du dich begeben hast. Vor allem, wenn nur du und eine Handvoll anderer Menschen dieses Reiseziel kennen, nicht wahr? Falsch. Und weil Richard wirklich der Annahme anheim gefallen ist, in einem Paralleluniversum angekommen zu sein, muss er dafür die Konsequenzen tragen.

      Nach und nach rechnet The Beach in herrlich ungestümer Galligkeit mit all diesen kollektiven Sehnsuchtsvorstellungen unserer westlichen Welt ab und stellt sie ungeschont als verquere Hirngespinste aus: Es gibt nur einen Bruchteil von Menschen, die es wirklich vollbringen, Freiheit zu erlangen, weil sie den Mut aufbringen, vollständig loszulassen. Der Rest hingegen ist so domestiziert durch das gesellschaftliche Rollensystem, dass dieser bereits an dem geringsten Anflug an Unabhängigkeit zerbricht. Richard ist dafür das perfekte Beispiel: Wenn dieser schließlich in einer Anwandlung von Dschungelfieber zu Rambo mutiert, mit der Kalischnikow und Stirnband durch das Gebüsch hechtet, um dann beim Anblick von Blut einem Heulkrampf zu erliegen, dann zeigt sich: Du bist das Opfer eines durchstrukturierten, von medialem Konsum verstrahlten Systems. Die Realität erträgst du nicht.

      Deswegen wird Richard (und all diejenigen, für die er Platzhalter ist) niemals eins mit dem Reiseziel, welches er angesteuert hat – und er wird niemals eins mit der Natur, die er zu gerne zu seiner Spielwiese gemacht hätte, die sich aber nicht, anders als seine Videospiele, erobern lässt, sondern dich verschlingt, wenn du nicht damit rechnest. Richard jedoch ist kein Colonel Kurtz, er kann dem Selbstverlust nicht ins Augen blicken, sondern bleibt nur ein Träumer, der etwas erleben wollte, an das er sich später erinnern kann. Dann, wenn er in seinen eigenen vier Wänden sitzt, mit Frau, Kind, Hund, zurück auf dem Schlachtfeld der Langeweile, dem er eigentlich entfliehen wollte. Letztlich aber ist er selbst der Urheber und Inbegriff jener gähnenden Langeweile und hat damit den Kampf gegen sich selbst verloren. Du bist nicht dein Reiseziel, sondern nur die All-Inclusive-Ferienanlage, die du buchst, du Versager. [...]

      13
      • 2 .5

        [...] Regisseur Steven C. Miller (First Kill), der zuletzt mit Arsenal einen ganz und gar unerträglichen DTV-Reißer abgeliefert hat, in dem sich Nicolas Cage und John Cusack um ein weiteres Mal damit beschäftigten durften, ihren ohnehin schon ramponierten Ruf weitergehend zu schänden, schickt Xiaoming als Shu Ren in eine futuristische Kathedrale von Verwahrungsanstalt. Diesen Aspekt muss man Escape Plan 2: Hades wirklich lassen: Wenn es um die architektonische Konstruktion des Gefängnisses geht, scheint man sich im Klaren darüber gewesen zu sein, dass man sich ganz und gar auf B-Movie-Level bewegt, was jede Hemmung dahingehend ablegt, einen Funken Logik in Sachen Baustil und physikalischen Gesetzmäßigkeiten zu invenstieren. Leider aber ist Miller ein von Grund auf unbegabter Filmemacher, als dass er in der Verfassung wäre, dem Hades, so heißt der Knast, eine dynamische Räumlichkeit abzuverlangen.

        Dabei hätte Escape Plan 2: Hades durchaus das Zeug gehabt, als schöner, tumber DTV-Heuler zu funktionieren, wenn man sich stringent darauf fokussiert hätte, die Helden dabei zu verfolgen, wie sie sich aus dem vollständig automatisierten Sci-Fi-Kerker herausschlagen. Der Inszenierung jedoch fehlt die Dringlichkeit; die Begabung, dem Szenario Tempo abzugewinnen, was sich vor allem daran manifestiert, dass sich Escape Plan 2: Hades viel zu gerne blamablen Dialogsequenzen hingibt, anstatt Taten sprechen zu lassen. Zu den drögen Kampfsequenzen, die sich hier zuvorderst auf Gladiatorenkämpfe berufen, in denen sich Häftlinge für zwei Stunden Entspannungskur die Kiefer ausrenken lassen, gesellt sich eine sagenhaft hässliche Digitalästhetik, die den Film fortwährend in grünen und blauen Bildern denkt – was mindestens genauso innovativ ist, wie der Rest dieser auf allen Ebenen gescheiterten Videothekengurke. Na, zum Glück ist der dritte Teil bereits abgedreht. [...]

        15
        • 7

          SO FINSTER DIE NACHT ist ein herausragender Film. Nicht nur als Eintrag in das ohnehin außerordentlich spannende Kino Skandinaviens, sondern auch als Errungenschaft des Weltkinos. Das amerikanische Remake LET ME IN kann da nur zum Scheitern verurteilt sein, natürlich. Regisseur Matt Reeves, der mit PLANET DER AFFEN: SURVIVAL zuletzt einen der packendsten Blockbuster der letzten Jahre in Szene gegossen hat, aber beweist einen ungemein respektvollen Umgang mit dem famosen Original und gibt sich ganz und gar dem kontemplativen Erzählen sowie der behutsam und stilistisch ausgefeilten Inszenierung seines Vorbildes hin. Auch LET ME IN überzeugt als von großer Sensibilität geprägtes Außenseiter- und Coming of Age-Drama und kreuzt die Verlorenheit des Erwachsenwerdens mit der düster-grausamen Romantik des Horrorfilms. Die eisige Kälte des Winters wird in dieser sanftmütig Einsamkeitsstudie durch die feinfühligen Beschreibung jugendlicher Zärtlichkeit durchbrochen, die den Schrecken, der sich in Umkleidekabinen und den eigenen vier Wänden abspielen kann, für kurze Zeit vergessen macht. Die das vergossene und noch zu vergießende Blut für kurze Zeit erträglich macht. Würde es SO FINSTER DIE NACHT nicht geben, der die auserzählte und trivilalisierte Vampirismus-Mythologie nachhltig neu dachte, LET ME IN wäre berechtigterweise Stammgast in Bestenlisten. So aber steht der Film nicht für sich – und ist dennoch unbedingt sehenswert.

          15
          • 3

            [...] York Shackleton und sein Drehbuch-Protegé John Rebus geben sich durchweg damit zufrieden, jedwedes Klischee des Polizeikinos aneinanderzureihen, was 211 – Cops Under Fire folgerichtig zu einem extrem kraftlosen, uninspirierten und in seinen altbackenen Motiven hinreichend verkümmerten Genre-Vertreter macht. Dunkle Machenschaften zwischen besitzgierigen Geschäftsmännern und einem gnadenlosen Sölderkommando bringen hier ein Action-Thriller-Szenario ins Rollen, in dem Nicolas Cage als Bulle Mike Chandler kurz vor dem Ruhestand steht und sein Partner wie Schwiegersohn Steve McCoy (Dwayne Cameron, McLaren) natürlich das Scharnier zur entfremdeten Beziehung zu seiner Tochter Lisa (Sophie Skelton, Day of the Dead: Bloodline) darstellt. Im Verlauf der Handlung geht es somit also nicht nur um den friedlichen Erhalt des Gemeinwohls, sondern auch darum, persönliche Schicksale aufzuhellen. Selbstredend ohne wirkungsvollen Inszenierungsimpuls.

            Wenn sich zu den beiden Polizisten dann auch noch das Mobbingopfer Kenny (Michael Rainey Jr., Der Butler) gesellt, der den Initiatior seiner Schikane mit einem gepflegten Kinnhaken auf die Bretter geschickt hat und eine Dienstfahrt als erzieherische Disziplinarmaßnahme aufgebrummt bekommt, schält sich in 211 – Cops Under Fire der mangelhafte Umgang mit Emotionen und deren Fallhöhe besonders deutlich heraus. Erschütternd neben dem inhaltlichen Ödland ist auch, wie schmucklos Shackleton seinen Film gestaltet hat: Ausgeblichene, erkaltete Bilder sprechen hier nicht die Sprache naturalistischer Nüchternheit, sondern verweisen geradewegs auf den Produktionsstandard: Der in Bulgarien heruntergekuebelte 211 – Cops Under Fire ist ungelenke, dilettantische Stangenware aus der unteren DTV-Ramschkiste. Sicherlich nicht der Anspruch von Nicolas Cage – gemessen an seinen atemberaubenden Qualitäten sowhol als Gaga- wie auch seriöser Performer -, aber allzu oft seine Realität. [...]

            9
            • 7 .5

              [...] In Celebrity – Schön, reich, berühmt ist das ausgelassene, sorgenfreie und vor Glücksgefühlen trunkene Leben auf der Sonnenseite jedoch auch nur ein Versprechen, welches die Menschen außerhalb dieser Welt erkennen möchte. Die Stars selbst sind immer die Spiegelbilder unserer Gesellschaft, sie erschaffen sich nicht eigenständig, sie werden von uns erschaffen. Lee merkt das ganz deutlich, wenn er als nebensächlicher Teil dieser High Society-Dimension die Früchte der globalen Bewunderung für diese Künstler kostet: Enttäuschung, Verzweiflung, Tobsucht und Selbstzerstörung. Ein Sammelbecken der hysterischen Neurotiker. Hier prallt eine existentielle Krise auf die nächste, amouröse und erotische Anwandlungen entpuppen sich als Verirrungen, Verwirrungen und Missverständnisse. Und Woody Allen entlarvt das wie gewohnt mit satirischer Taktung, um im Wust aus Schein und Sein gleichwohl den Blick auf seine Charaktere und ihre Desorientierung zu schärfen. [...]

              10
              • 6 .5

                [...] Vom Heist-Movie nimmt Schmalspurganoven dementsprechend zügig Abstand und versteht sich vielmehr als Sozialsatire, die vor allem durch das ständige Gezänk zwischen Woody Allen und der wunderbaren Tracey Ullman an humoristischer Dynamik gewinnt. Verwunderlich und gleichermaßen irritierend allerdings scheint der Umstand, wie sehr sich Woody Allen hier zusehends mit Binsenweisheiten und Plattitüden zufriedengibt. Frenchy nämlich möchte ihre gesellschaftliche Position in Sachen Hochkultur nun auch mit ihrem Vermögen gleichsetzen, interessiert sich für Kunst, die Haute Cuisine und studiert Wörterbücher, während sich Ray in dem Palast, den sie nun ihr Heim nennen, nach wie vor gerne mit einem Glas Pepsi in Unterhosen auf der Couch aufhält und Fernsehen schaut. Wäre da nicht dieses Kribbeln, das ihn dazu anlässt, noch einmal zum Langfinger zu werden – nur endlich mit einem Ergebnis!

                So viel sei an dieser Stelle: Ray wird es tatsächlich schaffen, einen Tresor um ein Diamantcollier zu erleichern, der schicksalhafte Haken an der ganzen Sache aber lässt natürlich nicht lange auf sich warten. Und eigentlich ist auch Schmalspurganoven wieder eine angenehm unaufgeregte, durchweg erheiternde Regiearbeit von Woody Allen, der sich seinen Charakteren nach wie vor mit Vorliebe in ihren Schwächen und Fehlern annimmt, ohne sich über sie zu erheben. Dass der Film dieses so beschlagenen Künstlers schlussendlich aber glücklich mit der drögen Aussage in den Abspann schreitet, dass Geld allein niemanden glücklich macht – und Geld noch lange keinen Charakter formt, ist schon ein wenig schwachbrüstig, althergebracht und enttäuschend. Nichtsdestotrotz, in Sachen Wort- und Situationskomik ist Woody Allen niemand konkurrenzlos. Schmalspurganoven funktioniert, weil seine Akteure lebendig sind. [...]

                10
                • 6

                  [...] Oftmals wird Scoop – Der Knüller Ausgangspunkt für die Altersmilde herangezogen, die Woody Allens Spätwerk (angeblich) durchzogen hat, was ein durchaus nachvollziehbarer Vorwurf ist: Allen nämlich geht es nicht mehr um doppelte Böden, um Hintergründigkeiten, er spart jedwede Boshaftigkeit aus und gibt sich unbekümmert, losgelöst, man könnte fast sagen anspruchslos. Damit allerdings würde man der noch immer wunderbar in den Moment hineinsprudelnden Dialogkunst der intellektuellen New York-Ikone jedoch Unrecht tun. Mag Scoop – Der Knüller bisweilen auch etwas zu gemächlich vor sich hin bummeln, besitzt der Film dennoch eine wunderbare ironische Note, die gerade gegen Ende in ein Konterkarieren von klassischen Kriminalgeschichten ausartet: Denn wo der Held sonst in letzter Sekunde zur Rettung eilt, da hat Woody Allen erst einmal rigorose Probleme mit dem englischen Linksverkehr. Eine charmante Blödelei. [...]

                  13
                  • 8

                    [...] Manchmal braucht es einen Regisseur wie den Chilenen Alejandro Jodorowsky (Santa Sangre), der die Kühnheit, den Impetus und die entsprechende Dosis bewusstseinserweiternden Psychopharmaka in der Blutbahn aufbringt, das Kino in seinen nomierten Gesetzmäßigkeiten zu zerstören, um es neu zu erschaffen. Nachdem er mit seinem Acid-Western El Topo im Jahre 1970 bereits das Mitternachtskino definierte und heutige Filmemacher wie Nicolas Winding Refn (Only God Forgives), Gaspar Noé (Irreversibel) und Panos Cosmatos (Mandy) nachhaltig prägte, ging Jodorowsky mit Montana Sacra – Der heilige Berg noch einen Schritt weiter: Das Lichtspielhaus, sein Mythos, seine Mechanismen, seine illusorischen Trugbilder sitzen gewissermaßen auf der Anklagebank, wenn der inzwischen fast 90-jährige Filmemacher die Grenzen des Abbildbaren im einem meta-reflektorischen Diskurs über Schein und Sein, Körper und Geist auslotet.

                    In der Tradition des filmischen Surrealismus, dem beispielsweise ein Name wie Luis Bunuel (Der Würgeengel) vorausgeht, entfesselt Alejandro Jodorowsky eine schöpferische Sprengkraft singulärer Natur und begleitet, nein, überfrachtet seine Aufnahmen mit Symbolik, Metaphern und Allegorien, dass Montana Sacra – Der heilige Berg oftmals wie ein interdimensionaler Rundumschlag wirkt, der in die Offensive mit Kultur, Religion, Gesellschaft, Massenmedien und Moral geht. Wo Frösche und Eidechsen historische Schlachten nachstellen, wo aus Einschusslöchern Spatzen und Früchte emporsteigen, wo Christus als Dutzendware zu verkaufen ist und wo, ganz wortwörtlich, aus Scheiße Gold gemacht wird. Montana Sacra – Der heilige Berg ist das Werk eines Künstlers, der den Kontrollverlust liebt; der es liebt, das Abwegige, Hässliche, Beunruhigende soweit zu stimulieren, bis es zu einer eigenen Kunstform wird. Bis Blut eine neue Farbe gewinnt.

                    Alejandro Jodorowsky, ein Mann, der sein ganz eigenes Mysterium geworden ist; der seine ganz eigene Mythologie erlangt hat, gelingt es in diesem Bildsturm des Entarteten und Poetischen aber tatsächlich nicht nur formalistische Experimentalgeschichte zu schreiben, in der ätherischen Überstättigung sensorischer Reize beschreibt Jodorowsky mehr und mehr die sich anbahnende kulturelle Apokalypse. Die Odyssee auf die Lotusinsel, dort, wo der heilige Berg bis in den Himmel gewachsen ist, wartet auf den geheimisvollen Alchemisten (Jodorowsky selbst) und seine acht weiteren Gefährten eine Konfrontation mit der Wirklichkeit. Abseits der grenzgenialen Ausstattungsmanie, seiner Exzentrik und Exotik, seinem Sturzflug in die Schluchten psychotroper Raserei, ist Montana Sacra – Der heilige Berg letztlich auch ein Film, der an das Aufwachen appelliert. Das Hinsehen, das Attackieren, das Entlarven. Ein albernes, geschmackloses, urgewaltiges und wunderschönes Märchen. [...]

                    23
                    • 8 .5

                      [...] Tatsächlich aber gibt es nur wenige Filme im gleichermaßen herausragenden wie umfangreichen Schaffen Allens, die gleichermaßen verspielt wie messerschaft mit ihren Charakteren ins Gericht gehen. Harry ist hier sowohl der nie erwachsen gewordene Unglückrabe wie er auch der in seinen Neurosen, Phobien, Trieben gefangene Genuis ist, der genau dann funktioniert, wenn er seine Wirklichkeit künstlerisch verwerten kann. Wenn Harry gegen Ende des Filmes erkennt, dass das Leben der Menschen immer aus der Verzerrung besteht, welche sie erwählen, dann scheint auch Woody Allen seine wahres Ich durchleuchtet zu haben. Ein hinreißend verkorkstes Ich, das dann funktionsfähig ist, wenn es zur eigenen Realität wird und nicht der Gefahr anheimfällt, der eigenen Inszenierung auf den Leim zu gehen. In dieser Erkenntnis kulminiert Allens seit Dekaden angesammelte Lebensweisheit.

                      Als Mensch, der sein Privatleben immer auch durch die Mühlen des öffentlichen Lebens respektive der bildenden Kunst gedreht hat, sind die Grenzen zwischen Fiktion und Wahrheit im Dasein von Woody Allen auch für ihn bereits derart untrennbar verschwommen, dass sich das New Yorker-Urgestein mit Harry außer sich endgültig der Frage stellt, wer er ist, wohin er will, wie er an diesen Punkt in seiner Existenz gelangen konnte. Und das gelingt ihm hier (mal wieder) mit einer ungeheuren rhetorischen Fabulierlust, mit einer humoristischen Treffsicherheit sowie der introspektiven Präzision, seinen Charakteren bis zu den Wurzeln ihrer seelischen Verheerungen zu folgen, dass man ihm ob all der Bissig- und Ruppigkeit, der Sensibilität und Genauigkeit, der entwaffenden Offenheit gegenüber den eigenen Fehlern und Ängsten nur stehende Ovationen spendieren möchte. [...]

                      9
                      • 6 .5

                        [...] Als reines, auf handwerkliche Komponenten setzendes Ausstattungskino ist Outlaw King dann auch ein wahres Erlebnis: Der Film begrüßt seine Zuschauer, nachdem einige Texttafeln über den Bildschirm gewandert sind, mit einer fast zehnminütigen Plansequenz, die diese wie neugierige Beobachter durch die historischen Kulissen wandern lässt. Ohnehin ist der The Hurt Locker-Kameramann Barry Ackroyd hier der eigentliche Star, seine elaborierten Kamerafahrten, beobachtend, behände, immerzu dyanmisch und das Geschehen strukturierend, geben dem Film seinen Takt, seinen Rhythmus – und machen ihn vor allem zur mitreißenden Augenweide, was sowohl die erhabenen Landschaftspanoramen der schottische Highlands wie auch die bisweilen ungemein brutalen, offenkundig von HBOs Game of Thrones beeinflussten Schlachtensequenzen betrifft, in dem die Gesichter der grimmigen Kriegervisagen im unübersichtlichen Getümmel abwechselnd mit Schichten aus Blut und Schlamm bedeckt werden.

                        Und Game of Thrones ist ohnehin ein gutes Stichwort, bemüht auch Outlaw King – natürlich zuvorderst aufgrund seiner geschichtlichen Vorlage – die gleichen Themen, die auch das serielle Erfolgsformat beackert: Es geht um Herrschaft und Unterwerfung, machtstrategische Ränke, Verrat, Intrigen und um die Verpflichtung sich und dem Volk gegenüber, den knechtenden Status quo nicht weiter zu akzeptieren. Irgendwann ist sich auch Robert the Bruce sicher, dass es Zeit wird, jedwede Ritterlichkeit abzulegen und wie Wölfe gegen die Engländer zu Felde zu ziehen. Wirklich kraftvoll mag der dennoch tadellos inszeniert und vor allem exzellent fotografierte Outlaw King dabei nur selten sein, dafür präsentiert er sich im Umgang mit der epischen Topoi zu bodenständig, allerdings ist er dafür etwas ganz anderes: Erhaben. In sich geschlossen, fernab jeder Penetranz in der Ausformulierung seiner Wertevorstellung und bisweilen fast schon sympathisch zurückgenommen. [...]

                        13
                        • 10

                          [...] Die junge und aufreizende Frau (Tara Reid, American Pie) des stadtbekannten Millionärs Jeffrey Lebowski (David Huddleston, Frantic), ein im Rollstuhl sitzender Wohltäter, nämlich wurde von Unbekannten entführt, und da es sich bei den Kidnappern vermutlich um die gleichen Typen handelt, die auch schon dem Dude zuvor einen unerfreulichen Besuch in seiner Wohnung abgestattet haben, soll dieser nun eine Lösegeldübergaben abwickeln, um die Entführer zu identifizieren. Und an diesem Punkt begrüßt The Big Lebowski seine Zuschauer zum Film noir, den die Gebrüder Coen hier natürlich keinesfalls reproduzieren, sondern ihm auf die bestmögliche Art und Weise Tribut zollen: Sie dekonstruieren ihn, indem sie das obligatorische Repertoire an Themen und Motiven dieser filmischen Strömung aufgreifen und im Laufe der Handlung respektive im Wust der Missverständnisse konsequent ad absurdum führen.

                          Zusammen mit seinen Bowlingpartnern, dem Vietnamveteran Walter Sobchak (John Goodman, Argo), der in dem Entführungsfall natürlich auch eine Verbindung zu Vietnam sieht und das Regelwerk der Bowlingbahn im Notfall auch mal mit der durchgeladenen Handfeuerwaffe unterstreicht, und dem begriffsstuzigen Donny (Steve Buscemi, Boardwalk Empire), gibt sich der Dude alle (Nicht-)Mühe, nicht auf Abwege zu kommen und seine persönlichen Lebensphilosophie zu verraten: Wie mit der Kugel auf der Bahn ist es eben so, dass man manchmal alle Pins abräumt und manchmal auch mal die Kugel in die Gasse schlägt. Und es tut gut, zu sehen, dass es Filmemacher wie die Coens gibt, die es vollkommen berechtigt als notwendig erachten, Geschichten über Menschen zu erzählen, die nichts geleistet haben und es deswegen wert sind, dass man über sie spricht.

                          Das brillante, bis ins kleine Detail liebevoll ausgefeilte Drehbuch stachelt den exzellenten Cast dabei zu Höchstleistungen an: Ob Jeff Bridges und John Goodman jemals besser waren? Schwer zu sagen, The Big Lebowski jedoch ist der Film, mit dem sie Ewigkeit überdauern werden. Nicht nur, weil sie vollends mit ihren Charakteren verschmelzen, sondern weil der Film, die Coens, diese Charaktere ernst nehmen, egal, wie töricht und ungehalten sie sich auch benehmen dürfen. The Big Lebowski ist ein Werk, das sich dem Moment hingibt, in diesen hineinlebt, ausufert, aber dennoch niemals plätschert, sondern ganz gezielt von A nach B schlendert. Es ist die Zurückweisung von Initiative, von Ehrgeiz, von Bemühungen, etwas zu vollbringen, was die Menschen in Erwartung stellen. The Big Lebowski ist ein Treueschwur an das Kino und eine Liebeserklärung an ein Leben, das dazu da ist, gelebt zu werden. Herzerwärmend. [...]

                          24
                          • 4

                            [...] Für Chris Columbus, der Nine Months auch produziert hat, natürlich nicht. Ein Kind muss her, denn in Rebecca sammeln sich zusehends Anwandlungen einer Sehnsucht nach Mütterlichkeit, während sich Samuel, seines Zeichen Psychotherapeut für Kinder, nichts Schlimmeres vorstellen könnte, als ein Leben, welches durch ein Kind von Grund auf neu sortiert wird. Man könnte aus Nine Months natürlich mühelos eine zwischenmenschliche Bestandsaufnahme gestalten, die sich mit der Angst, jedwede Beständigkeit zu verlieren, auseinandersetzt. Für Chris Columbus sind diese Ansätze aber letztlich nur der Treibstoff, um dröge Witze auf Kosten seines überforderten Hauptdarstellers zu machen, der im Angesichts des Abschieds von seiner Jugend mehr und mehr dem Nervenzusammenbruch näherkommt. Immer wieder träumt er davon, wie ihn die Gottesanbeterin an seiner Seite nach dem Sex verspeist.

                            Was eigentlich eine nette Metapher sein könnte, ist in Nine Months nur der Anlass für fahriges Entertainment. Dass der Film eben nicht wirklich funktioniert, liegt daran, dass Chris Columbus hier eine Geschichte erzählt, die sich ohne jeden Funken von Eigendynamik ins Ziel schleppen muss. Jede Streitigkeit existiert hier, um auf die sich schnell anbahnende Versöhnung hinzuarbeiten. Die Frustration, die Schlaflosigkeit, die Überforderung, all das sind Aspekte, die Chris Columbus kaum ernst nimmt, weil sie in seiner konservativen Wertevorstellung eines Heile-Welt-Idylls nur Punkte auf einer Strichliste sind, die Samuel benötigt, um zur Besinnung zu kommen. Hier wird niemand an seinen Bedenken zerbrechen, denn das reaktionäre Familienbewusstsein von Chris Columbus kennt nur eine Richtung: Die festen, tradierten, in Kitsch gewendeten Rollenzuschreibungen. Eine Beziehung ohne Kind gilt hier noch als gescheitert. Bravo. [...]

                            10
                            • 9

                              [...] Nein, Die Unzertrennlichen ist von Anfang an keine in einladenden, hoffnungsvollen Farben getauchte Seherfahrung, dafür ist die Architektur des nahezu in sich erstarrten Toronto zu klinisch, die Interieurs zu aspetisch, zu kalt, zu virulent in ihrer Leblosigkeit. Aber es ist ganz eindeutig eine Erfolgsgeschichte. Beverly und Elliot, die sich so ähnlich sehen, dass sie für ihre Umwelt längst zu einer Person verschmolzen sind, teilen sich die Wohnung, den beruflichen Erfolg, die Frauen. Elliot weiß, wie er sich artikulieren muss, genießt die Präsenz in der Öffentlichkeit, während Beverly mit den Frauen schläft, die Elliot erobert und im nächsten Schritt wiederum die wissenschaftlichen Siegeszüge ebnet, die Elliot ernten wird. Nachdem sich Beverly und Elliot abwechselnd mit einem Filmstar treffen, dieser aber auf das Spielchen aufmerksam wird, verdunkelt sich die Stimmung. Der Tod, der sich in jedem Bild eingenistet hat, kämpft sich durch das Innere der Zwillinge, die nicht siamesisch sind, sich aber siamesisch verhalten, an das in künstlichem Weiß gehaltene Tageslicht.

                              Die Unzertrennlichen ist dabei abseits seiner erschütternden Fragen um Menschlichkeit und Identität auch eine zutiefst tragische Abhandlung über die Qualen, die eine metaphysische Verbindung innerhalb zweier Menschen auslösen kann. Nachdem Beverly durch die Zurückweisung der Schauspielerin immer tiefer in die Tablettensucht stürzt, ist auch Elliot zwangsläufig dem Untergang geweiht. David Cronenberg trägt die zwischenmenschlichen Abhängigkeitsstrukturen der Zwillinge, die sich scheinbar auch Körper, Geist und Seele teilen und damit nie zu einer individuellen Balance in ihrem Leben finden konnte, Schicht für Schicht ab, bis sich all die Vernunft, all die Rationalität in Luft aufgelöst hat und nur noch die bittere Selbstaufgabe bleibt. Wer glaubt, die Hölle könnte nicht einfrieren, der sollte sich Die Unzertrennlichen zu Gemüte führen, in dem Cronenbergs New Flesh endgültig verseucht ist, weil die Seelengebäude bereits von Geburt an vergiftet wurden. [...]

                              21
                              • 3

                                [...] Alles, wirklich alles, an diesem Film ist schmucklos, unbeholfen und lieblos arrangiert. Das große Wiedersehen zwischen Lisbeth und Mikael Blomkvist (Sverrir Guonason, Borg/McEnroe), dem ein emotionales Fundament von bereits vier Werken vorausgeht, verpufft rücksichtslos im affektiven Niemandsland. Die Idee, die beiden Charaktere in gläsernen Aufzügen gegenüberzustellen, wenn sie nach Jahren zum ersten Mal wieder in Kontakt treten, ist dem Leitthema natürlich nur dienlich, entbehrt sich aber jede Vehemenz, jedes Feuer, jede Tiefe. Wie soll dieser (Schein-)Stand-Alone aber funktionieren, wenn er die Beziehung zwischen diesen beiden elementaren Figuren nicht greifbar macht? Verschwörung antwortet darauf fast schon zu erwartungsgemäß: Er verdammt Blomkvist kurzerhand zur belanglosen Nebenfigur, der jedwede Kontur fehlt. Selbiges gilt für das familiäre Trauma, dem sich Lisbeth stellen muss.

                                Nachdem sie die entsprechende Distanz überwunden hat und an einem Abgrund auf die Dämonen ihrer Vergangenheit trifft, hat sich Verschwörung bereits dadurch bis auf die Knochen blamiert, dass eine idiotensichere Wendung als bahnbrechender Twist verkauft werden sollte. Und genau darin liegt das Problem, an dem Fede Alvarez und seine Drehbuchautoren untergehen: Sie gestehen dem Publikum nicht die nötige Intelligenz zu, um eigenständige Schlüsse aus dem Geschehen zu ziehen und verweigern dem Film somit jeden Anspruch auf Reibungspunkte und Leerstellen. Nur deshalb fehlt es den Charakteren an Leben. Nur deshalb wird hier gnadenlos notdürftig Handlungsbaustein auf Handlungsbaustein geschichtet. Nur deshalb möchte der Film mit einer Wendung überraschen, die bereits vor über 20 Jahren antiquiert gewirkt hätte. Hoffen wir, dass sich Fede Alvarez hier nur einen Fehltritt geleistet hat. [...]

                                17
                                • 6

                                  [...] Rassismus ist auch in Denen man nicht vergibt eine Anwandlung von Schmerz und Angst. Vor allem am von Audie Murphy (Die gnadenlosen Vier) kongenial gespielten Cash Zachary lässt sich die Hilflosigkeit eindrucksvoll ablesen, die der rassistischen Überzeugung vorausgeht: Stringent darauf konditioniert, alles und jeden anzufeiden, der indianisches Blut in seinen Adern trägt, wird sein persönlicher Kampf am deutlichsten, wenn er sich schlagartig dazu gezwungen sieht, das in seinen Augen „Böse“ als sein eigenes Fleisch und Blut zu akzeptieren. Murphy, der hier jenseits von Glanz und Gloria agiert, gelingt es bisweilen sogar, die autoritäre Präsenz des begnadeten Burt Lancaster in den Schatten zu stellen – schade, dass es John Huston nicht in Gänze möglich war, seine Version des The Unforgiven-Stoffes umzusetzen, denn allein der Charakter des Crash wäre interessant und packend genug gewesen, um die zweistündige Laufzeit adäquat zu füllen.

                                  Stattdessen macht es sich Denen man nicht vergibt etwas zu einfach. Sicherlich verfügt der Film über eindrucksvolle Szenen, allein inszenatorisch kann sich der Western als eines der großen Breitwanderlebnisse seiner Zeit beschreiben lassen. Die Konflikte, die John Huston anspricht (und ergründen wollte), aber lassen sich zu oft mit Gewalt aus dem Weg räumen: Wenn gegen Ende das Trommeln der Indianer mit einem Stück von Wolfgang Amadeus Mozart auf dem Klavier quittiert wird, scheint hier beinahe eine Form des kulturellen Verständigung über die Wege der Kunst zu erfolgen, nur um danach in ein Schlachtengetümmel auszuarten, in dem mit dem Tode Unzähliger auch die Probleme im sandigen Staub der texanischen Weiten begraben werden. Immer wieder jedoch gibt sie es, die Einkehr, wenn der Ton harscher, die Bilder schmutziger, die Beklommenheit dominanter wird: Was, wenn wir den Kampf für uns entscheiden, aber niemand mehr übrig ist, der uns vergeben könnte? [...]

                                  8
                                  • 8
                                    SoulReaver: FILMSTARTS.de 30.10.2018, 17:54 Geändert 30.10.2018, 18:18

                                    [...] Die Sogwirkung des horizontalen, also episodenübergreifenden Erzählens wird lebendig erhalten, indem sich das Damals und Heute oftmals in ein und dem selben Augenblick entfalten – und der Zuschauer erst im Folgenden die Klarsicht erhält, in welcher Dimension sich die Charaktere momentan befinden. Und genau das ist ein ungemein cleverer, weil hochgradig logischer Aspekt, mit dem Mike Flanagan vorgeht: Das Leid der menschlichen Seele ist oftmals erst dann entschlüssel- und begründbar, wenn die Resultate dieses Leidens an das Tageslicht gelangen. Spuk in Hill House vollbringt es dabei, sich sowohl dem Grusel übernatürlicher Erscheinungen hinzugebungen, den (nominellen) Schockfaktor aber niemals als vordergründige Effekthascherei zu definieren, sondern ihn hintergründig zu durchleuchten. Bewundernswert allein ist der Punkt, wie merklich wenig sich Mike Flanagan darum kümmert, den Zuschauer erschrecken zu wollen - und wie viel Wert er darauf legt, Zusammenhänge zu belegen und erfahrbar zu machen.

                                    Die Gänsehaut, die Spuk in Hill House heraufbeschwört, ergibt sich aus der Nachzeichnung und Verstrebung nachvollziehbarer Motiven der Trauer, Angst, Schuld und Liebe. Die Frage, wie es sein muss, als Kind in einem Haus gelebt zu haben, welches von Geistern heimgesucht wurde, beantwortet Mike Flanagan in Form einer psychopathologischen Studie, in denen die Geister selbst natürlich zu Auswüchsen tiefer Beklemmungen werden. Die Größe, Tiefe und Anmut, die dieses Labyrinth der Verstörung, Verwesung und Verwahrlosung offenbart, durch das uns Spuk in Hill House führt, wird in voller Wirkungsmacht aber erst dann freigegeben, wenn die Serie die Verwandtschaft von Liebe und Angst verdeutlicht: Beides funktioniert dann, wenn ein vollständiger Verzicht auf Logik vorherrscht. Nur dann ist man in der Lage, sich ihnen hinzugeben oder zu bekämpfen. Genau deshalb ist Spuk in Hill House jenseits seiner bleiernen Stille eben nicht nur ein hervorragendes Horrorformat, sondern eine noch bessere Betrachtung menschlicher Fragilität und Widerstandsfähigkeit. [...]

                                    16
                                    • 7
                                      über Alien³

                                      [...]Und genau darin liegt auch die große Stärke von Alien³ begraben: In den Stimmungen, die David Fincher aus der wirkungsmächtigen Audiovisualität destilliert. Es besteht kein Zweifel daran, dass dieser Film an Dunkelheit, an Qualen und an den Dreck glaubt. Der menschliche Abschaum, der all diese Elemente nicht nur kennt, sondern auch in sich aufgenommen hat, wird Ripleys geringstes Problem im Laufe der Handlung darstellen. Mögen die CGI-Effekte inzwischen wirklich überholt daherkommen, ja, die Auftritte des Aliens bisweilen sogar ein Stück weit ins Lächerliche ziehen, reißen die handgemachten Eindrücke des fremdgestaltigen Ungetüms doch umso deutlicher verschmelzen mit dem unwegsamen, düsteren und apokalyptischen Setting zum eindringlichen Klima der Angst. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Menschen hier in der Falle sitzen. Sie sind die Zebras, es ist der Löwe.

                                      Alien³ hat vielmehr das Problem, dass die Figuren, die sich um Ripley versammeln, vor allem in der Funktion des Stichwortgebers versanden. Mögen sie zwar durchaus charismatisch agieren, ihnen fehlt die zwischenmenschliche Strahlkraft, die den Kampf ums Überleben (oder die Vorbereitung auf den Tag des jüngsten Gerichts?) eine weitere Ebene zugesteht. Obwohl es sich nun etwas harsch anhören mag, hat sich David Fincher mit Alien³ für einen Genre-Film verantwortlich gemacht, der packt und zupackt, der in den Abgrund blicken lässt, aus dem nur weitere Dunkelheit und entsetzliche Gewalt emporsteigen. Und das titelgebende Biest? Nun, das darf sich hier sowohl als Zitat, aber gleichwohl auch als Obsessionen auslösendes Drachen-Wesen begreifen, von dem eine Angst ausgeht, die die Menschen seit Anbeginn der Zeit erschaudern lässt: Die Angst vor der Faszination des Bösen. [...]

                                      16
                                      • 5 .5

                                        [...] Wenn sich die absonderlichen Ereignisse allerdings häufen, Ray und Maggie offenkundig bedroht werden und irgendwann auch um ihr Leben fürchten müssen, dann verliert The Watcher – Willkommen im Motor Way Motel sukzessive an besonnener Kraft, weil er sich dem Trugschluss hingibt, hier tatsächlich doch noch auf ein Ergebnis hinauslaufen zu müssen, anstatt zusammen mit seinen Hauptakteuren in den Tag zu leben. Und genau da wirkt das Narrativ reichlich krampfhaft, hat man der Inszenierung zuvor doch durchaus angemerkt, dass sie geraumen Gefallen daran fand, sich treiben zu lassen, die Trauer von Ray und Maggie niemals offensiv in den Primärtext zu rücken, aber gleichwohl Wege aufzuzeigen, wie das Pärchen mit ihrem Verlust umgeht. Nicht nur Verantwortung ist hier ein Ansatz, sondern auch die Sexualität.

                                        Denn nachdem Ray seine voyeuritische Ader entdeckt hat und seine Gäste nicht selten beim erotischen Treiben beobachtet, scheint auch in ihm das Verlangen zu erwachen, sein Leid durch ausgeprägte körperliche Lusterfahrungen verdecken zu wollen. Dass The Watcher – Willkommen im Motor Way Motel diesen Gedanken nicht vertieft, ist angesichts der doch reichlich drögen Entwicklung der Geschichte durchaus ärgerlich. Dennoch überzeugt der Film bis zu einem gewissen Punkt als eine schier aus der Zeit gefallene Bestandsaufnahme, die in der Korrelation von Schrecken und Normalität nicht nur von Stephen King (Friedhof der Kuscheltiere) beeinflusst scheint, sondern auch mit einem Nicolas Cage aufwartet, der hier noch einmal ungemein zurückhaltend in Erscheinung tritt, bis er sich mit der Veröffentlichung von Mandy demnächst auch in Deutschland erneut bis ins Delirium wüten darf. [...]

                                        8
                                        • 10
                                          SoulReaver: FILMSTARTS.de 14.10.2018, 18:41 Geändert 15.10.2018, 01:58
                                          über Psycho

                                          [...]Diese Verkettung von Ereignissen, die Marion und Norman zusammenbringen, trägt selbstverständlich etwas Schicksalhaftes mit sich, allerdings unterstreicht es auch in ungeheurer Brillanz, dass Alfred HitchcockPsycho vordergründig in Situationen denkt und sein Hauptaugenmerk nicht auf die Handlung als Ganzes legt. Das erste Drittel der Geschichte, eben bis zu jenem Moment, in dem Marion unheilvollen Besuch unter der Moteldusche bekommt, stellt ein großes Ablenkungsmanöver dar, welches den Zuschauer zum Mitfiebern einlädt (wird sie es schaffen, mit dem Geld davonzukommen?), gleichwohl aber der Intention folgt, das Publikum aus seiner Komfortzone zu locken, indem über einen auffälligen langen Zeitraum die Spannungsschrauben in eine unerwartete Richtung gedreht werden. Alfred Hitchcock ist es in Psycho daran gelegen, emotionale Reaktionen auszulösen – und das gelingt ihm noch heute vortrefflich.

                                          Sein ausgeklügeltes Spiel aus Sympathie und Antipathie, aus Furcht und Mitleid ist ein ungemein findiges, weil es jeden Akteur gleichermaßen betrifft und in einem Wechselbad der Gefühle abtauchen lässt; eben weil Alfred Hitchcock sich mittels genialer Inszenierungsstrategien und dem Mut zur erzählerischen Bruch- und Leerstelle viel Raum nehmen kann, bis die harten, schockierenden Fakten auf den Tisch gelegt werden. Vorerst ist da nur ein Muttersöhnchen, in dessen Hotel eine Frau brutal ums Leben gekommen ist. Ein Muttersöhnchen, welches unter der strengen Hand seiner Mutter leidet, dieser mütterlichen Härte (!) aber auch vollends ausgeliefert ist und sich abhängig von dieser zeigt. Die Vögel, die er seit Jahren ausstopft, präpariert und ausstellt, sind die stummen Zeugen dieser augenscheinlich ins Pathologische ausschlagenden Beziehung. Hysterie und Vernunft schmelzen dort, wo Menschen im Sumpf verschwinden.

                                          Besonders eindrucksvoll ist die ausgiebige, minutiös komponierte und penibel geplante Gegenüberstellung von Mord und Tatortssäuberung. Der inszenatorische Aufwand, den Hitchcock betrieb, um Marion Crane in Stakkatoschnitten sterben zu lassen, investiert er daraufhin in Minuten, um Norman das Blut, die Leiche, die Hinweise entfernen zu lassen. Mag Psycho auch heute in der Ausdeutung seines „Antagonisten“ durchaus plakativ erscheinen, so ist das unfassbar wegweisende und immer noch nervenaufreibende Meisterwerk doch immer noch ein Angstmacher von nachhaltiger Wirkungsmacht. Langsam, aber gewissenhaft kriecht er unter die Haut des Zuschauers, gräbt Schächte in die Eingeweide, flammt sich in die Seele und stellt die unangenehme Frage, wovor wir uns eigentlich am meisten fürchten: Opfer oder Täter zu werden. Und was passiert, wenn wir beides zur gleichen Zeit sind? [...]

                                          27
                                          • 6 .5
                                            über Apostle

                                            [...] Thomas nämlich reist inkognito, er infiltriert die Sekte, da er sich vollkommen im Klaren ist, dass er diesen mysteriösen Ort, irgendwo im Nirgendwo, nie wieder verlassen wird, selbst wenn er die gewünschte Geldsumme überreicht. Apostle beherrscht es dabei recht gut, mit Stimmungen zu arbeiten, die Spannungskurve aufrecht zu erhalten und sich die nötige Zeit zu nehmen, um die Alltagsstrukturen innerhalb des Kults zu untersuchen, an dessen Kopf der (falsche) Prophet Malcolm (Michael Sheen, Frost/Nixon) steht, der von Gottes Wort predigt, aber auch Gottes Zorn walten lässt. Je tiefer sich Thomas in die vorherrschenden Gegebenheit einarbeitet; Regeln bricht, die seltsamen, oftmals von bestialischer Brutalität begleiteten Bräuche dokumentiert, desto ausufernder spannt Gareth Evans den narrativen Rahmen, kommt ihm aber nicht mit stofflicher Dichte hinterher: Apostle ist zwar in die Breite, jedoch nicht in die Tiefe erzählt.

                                            Spätestens nach einer Stunde macht sich ein leises Völlegefühl innerhalb des Zuschauers bemerkbar, hat Gareth Evans in dieser Zeit zwar aufmerksam die Zustände innerhalb des Glaubenszirkels abgebildet, wohin sich seine Geschichte entwickeln soll jedoch bleibt noch seltsam vage. Das liegt letztlich an dem Umstand, dass Evans zu viele Handlungsstränge kombiniert und Apostle zu einem Konglomerat aus Versatzstücken und Schicksalen macht, die alle ihren Raum zur Entfaltung verlangen, zu oft jedoch an den Rand geschoben werden, um dann, schlussendlich, in einem Blutbad zu ertrinken. Dieses leicht Ziellose und merklich Überladene aber weiß Apostle zu flankieren, indem er sich vor allem aus inszenatorischer Perspektive als eine echte Augenweide verdient macht: Die Bildkompositionen, die wahrlich einen Blick für jede Nuance und jede Finesse innerhalb der Einstellung besitzen, sind beachtlich, teilweise sogar von atemberaubender Wirkungsmacht.

                                            Audiovisuell ist Apostle ohnehin ein voller, zutiefst düsterer Erfolg: Die ausgereiften Bildwelten und die bedrängende Klangkulisse mit ihren dissonanten, terrorisierenden Tonebenen, die den Zuschauer immer wieder an die allgegenwärtige Gefahr der Situation gemahnen, entfesseln eine Sogwirkung, die den Zuschauer auffrisst. Darüber hinaus beweist Gareth Evans hier seine ungezähmte Leidenschaft für den Okkult-Horror und baut nahezu jede Insigne, jedes Element, jedes Attribut in seine blutigen Gruselmär ein, welche dieses (Sub-)Genre jemals ausgezeichnet haben. Daraus entsteht dann ein bis zuletzt hochgradig religionskritischer, sukzessive ins Übernatürliche ausschlagender Diskurs über die Verbindung von Gewalt und Gottesfürchtigkeit. In einer Sequenz findet Evans sogar eine ungemein treffende Metapher für dieses von Angst und Leid geschwängerte Verhältnis: Der Glaube, das ist ein flammendes Kreuz im Auge des Menschen. Wäre der Film nur etwas stringenter, er wäre wirklich famos. [...]

                                            16
                                            • 2 .5

                                              [...] Irritierend ist im Nachgang allein der Umstand, dass 22. Juli sowohl mit Anders Breivik (Anders Danielsen Lie, Oslo, 31. August) beginnt und mit ihm abschließt. Dieser Film gehört Anders Breivik. Und wenn man es ganz bitter formulieren möchte, dann ist dieser Film auch Anders Breivik gewidmet. Von seinen Vorbereitungen, seinem Angriff, seiner Weltanschauung. Paul Greengrass spart nichts aus, was seinen Kameramann Pal Ulvik Rokseth simultan dazu verleitet, winzigen Gefühlsregungen im Gesicht des Mörders minutiös nachzuspüren. Ist da vielleicht doch etwas Reue? Etwas Scham? Die Aussicht auf ein baldiges Erwachen des Besserungswillen? Im Gegenschnitt lernen wir den Jugendlichen Viljar (Jonas Strand Gravli) nach und nach kennen, der zusammen mit Anders Breivik die Hauptrolle von 22. Juli übernimmt und sich bei seinem Angriff fünf Kugeln eingefangen hat.

                                              Dadurch wird er zwar für die Handlung relevant, denn somit kann sich Paul Greengrass wieder auf Dialektik von Täter und Opfer stürzen, die Aufmerksamkeit für das Dasein Viljars allerdings lässt frühzeitig merklich nach. Er wird nur dann für den Film gebraucht, wenn Greengrass schnelle, exakt portionierte Emotionen braucht: Weinende Eltern, die am Bett ihres Sohnes knien. Die schmerzhafte Genesung, die hier als Kampf zurück ins Leben beschrieben wird und Parallel zum Gerichtsprozess läuft, in dem Breivik auf der Anklagebank sitzt – und die ganze Welt sieht ihm zu, hört ihm zu. Von den Verletzungen eines Landes, das sich bis heute nicht von dem Anschlag erholt hat, möchte Greengrass nichts wissen. Stattdessen labt er sich regelrecht daran, Breivik in Szene zu setzen. Erst als Todesschützen, dann als überzeugten Kommandanten des Templerordens, so wie er sich selber beschreibt.

                                              Und vermutlich wäre 22. Juli auch ein Werk, welches Anders Breivik zufriedenstellt: Er zeigt das Leid der Anderen, aber noch vielmehr zeigt er die Standhaftigkeit des Attentäters, die Darsteller Anders Danielsen Lie immerzu mit einem süffisanten Grinsen auf den Lippen quittiert. Von Seiten Greengrass' folgt dort keine Bestürzung, keine Einordnung innerhalb eines psychologischen Querschnitts durch eine sich in Schockstarre befindende Nation. Nein, 22. Juli ist reinrassige Manipulation, die fortwährend das Maximum in Sachen (emotionaler) Action sucht: Die sich an Einschusswunden genauso weidet, wie an den Worten Breiviks. Wenn Viljar am Ende noch seinen großen, pathetischen Monolog halten darf und sich die Miene von Breivik dabei versteinert, dann wirkt es beinahe so, als wolle Greengrass aufzeigen: Schaut doch endlich her, der Mann denkt nach. Er reflektiert. Natürlich tut er das nicht, aber egal. Hauptsache die Schauwerte stimmen. [...]

                                              17
                                              • 5

                                                [...]Ein Kompromiss müsste es für den Filmemacher also gewesen sein, die Grundlage der Filmes, nämlich dem Roman der realen Virginia Vallejo, Pablo lieben, Escobar hassen, so gezielt einzudampfen, dass Loving Pablo nur einen Ausschnitt aus dem Leben von Pablo Escobar aufzeigt – und diesen auch noch strikt aus der Perspektive der Journalistin veranschaulicht. Dem ist natürlich nicht so, eben weil Escobar eine Figur von zu extremer Strahlkraft bedeutet, die den Fokus ohne Mühe auf sich lenkt. So begleitet Vallejo das Geschehen zwar mit einem Voice Over, der Film jedoch ist etwas zu sehr darum bemüht, die wichtigsten Stationen im Leben des legendären Drogenhändler- und Schmugglers nachzuzeichnen, was in Sachen Charakter-Vertiefung sowie den wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Verstrebungen innerhalb dieses Handlungszeitraumes schlichtweg zu kurz greift. Zu kurz greifen muss.

                                                Natürlich wirkt Loving Pablo halbgar, wenn er nur darin Beschäftigung findet, durch die ausschlaggebenden Stationen in der Vita von Escobar, vom Aufstieg des Kartells, von seiner (kurzlebigen) Funktion als Kongressabgeordneter, von seinem Aufenthalt im (Luxus-)Gefängnis und von seinem Tode im Jahre 1993, zu hecheln, was Javier Bardem und Penelope Cruz, die auch im echten Leben ein Paar sind, nicht davon abhält, schauspielerisch durchaus zu gefallen, obgleich sie durch ihr äußeres Erscheinungsbild gerne mal in Richtung Karikatur zu verfallen scheinen. Ihre Performances sind es, die dem Versuch der Regie, dem Geschehen auch einen satirischen Ansatz zu vergönnen, Gewicht verleihen und der Romanverlage in der filmischen Interpretation einiges an Süffisanz abverlangt. Das macht den Film im Großen und Ganzen nicht runder, einigen eindrucksvollen Momenten aber kann man sich als Zuschauer hier definitiv nicht verwehren. [...]

                                                10
                                                • 5 .5

                                                  [...] Nun, sollte man bereits Gefallen an Outrage und Outrage Beyond gefunden haben, ist es selbstredend nur ratsam, sich auch den dritten und vermutlich finalen Teil des Yakuza-Zyklus anzuschauen. Allerdings wird man als Zuschauer sehr schnell feststellen, dass sich das Franchise thematisch nicht mehr weiterentwickelt, was sowohl Intention als auch Schwäche der Narration ist: Takeshi Kitano nämlich möchte auf die ewigliche Gleichförmigkeit der Syndikat-Struktur verweisen, um aufzuzeigen, dass man den Kopf des höchstrangigen Bosses zwar abtrennen kann, ihm im Laufe eines Wimpernschlages allerdings bereits ein neuer nachgewachsen ist. Dass Kitanos Inszenierung, die sicherlich wie gewohnt ungemein stilsicher ausfällt, damit jedoch auch Opfer einer erzählerischer Schwerfälligkeit wird, ist fast schon logisch: Wie soll man über immer gleiche Konflikte, immer gleiche Machtgefälle, immer gleiche Abläufe, immer gleiche Formen und die immer gleichen Drehungen um die eigene Achsen berichten, ohne dieser Repetition selbst zu erliegen.

                                                  Daher mag dieser Abgesang auf das sich selbst regulierende, in rückständigem Traditionalismus verhaftete Rangsystem der Yakuza zwar im Kern immer noch zutreffen, in der Umsetzung aber kaum noch von schöpferischer Sprengkraft besiegelt sein. Dennoch muss man zweifelsohne zugeben, dass Kitano es immer noch beherrscht, die toxischen Beziehung innerhalb dieser krampfigen Männerdomäne konsequent bloßzustellen, wenn er erneut akzentuiert, dass in dieser (Parallel-)Welt, in der vor allem über Loyalität und Integrität schwadroniert wird, vor allem zwei Dinge augenscheinlich niemals existent sind: Loyalität und Integrität. Und inmitten dieses Kosmos, der sich ob seiner zähnefletschenden Herrschaftsansprüche in regelmäßigen Intervallen selbst zerfleischt, steht Otomo: Nicht nur überflüssig, sondern auch sich selbst überdrüssig geworden. Einmal muss er die Vollautomatische noch durchladen, um ein Blutbad anzurichten. Warum? Weil sich eben alles um die eigene Achse dreht. [...]

                                                  7
                                                  • 2

                                                    [...] Nein, Charles Bronson ist zuvorderst alt, verdammt alt, und die Filmreihe richtet ihren titelgebenden Todeswunsch nun endgültig an sich selbst. Nahezu unfassbar scheint nach der Sichtung von Death Wish V: The Face of Death der Gedanke, dass man tatsächlich mit einen sechsten Teil plante, wäre die hiesige Regiearbeit von Allan A. Goldstein (2002 – Durchgeknallt im Weltall) nicht so rigoros an den Kassenkassen baden gegangen. Ja, manchmal kennt auch das Schicksal Gnade, wenn auch nicht mit dem Dasein von Paul Kersey. Der meint es inzwischen übrigens wirklich ernst damit, seiner düsteren Vergangenheit abzuschwören und hat sich unter dem Namen Paul Stewart nicht nur eine neue Identität zugelegt, er doziert nun auch Architektur an einer Universität und hat sich mit Olivia (Lesley-Anne Down, Der große Eisenbahnraub) ein Model zur Frau genommen.

                                                    Und gerade, als die Dinge wieder so richtig rund laufen und Paul seiner neuen Flamme einen Heiratsantrag gemach hat, kommt der mafiöse Ex (Michael Parks, From Dusk Till Dawn) um die Ecke und lässt Olivia nicht nur entstellen, sondern kurz darauf auch das Zeitliche segnen. Was bleibt Paul also übrig, als das kalte Schießeisen, seine wahre Identität, wieder aus dem Tresor zu holen und zum fünften Mal auf Verbrecherjagd zu gehen? Allan A. Goldstein, dessen Fernsehvergangenheit auch Death Wish V: The Face of Death nicht verheimlichen kann, sieht der Film doch aus wie eine schmucklose, triste, muffige TV-Produktion, gibt sich ganz und gar den sadistischen Umtrieben seines Selbstjustiz-liebenden Helden hin: Da darf Charles Bronson noch einmal beweisen, wie gewaltgeil sein Paul Kersey doch sein kann, um auf ein Neues alle erdenklichen Sympathien für diese Figur mit Leichtigkeit zu verspielen.

                                                    Wobei das mit der Geneigtheit des Zuschauers für Paul Kersey ja ohnehin eine äußerst komplizierte Sache ist, operiert das Death Wish-Franchise ja seit jeher nach billigsten Aktion-Reaktion-Schemata und legitimiert Gegengewalt ganz profan damit, dass sie nun mal das Ergebnis von Gewalt ist – natürlich alles in einer Welt, in der der Rechtsstaat zwangsläufig versagt. Mit seinem glasigen Vielleicht-noch-ein-guter-Sommer-Blick passt der einst so große, autoritäre und mitreißende Charles Bronson hier inzwischen perfekt in diese ätzende Form von lächerlichen, hässlich inszenierten und ungemein lethargischen Altmänner-Kloppern. Nur Michael Parks, ein echtes Genre-Unikat, hat so richtig Bock auf die Rolle des schmierigen Ultrafieslings und chargiert sich durch diese filmische Scheißhausnummer mit einer derartigen Hingabe, dass Death Wish V – The Face of Death ganz sanfte Anklänge eines karikaturesken Billo-Heulers gewinnt. Ganz leicht, kaum vernehmbar, eigentlich nicht existent. Dafür ist der Rest zu fürchterlich. [...]

                                                    11