SoulReaver - Kommentare
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Alle Kommentare von SoulReaver
[...] Es ist eine Welt, in der Sex, Drogen, Alkohol und auch Gewalt alltäglich und allgegenwärtig sind. Nikki Sixx (Douglas Booth, Noah), Mick Mars (Iwan Rheon, Game of Thrones), Tommy Lee (Machine Gun Kelly, Nerve) und Vince Neil (Daniel Webber, The Punisher) haben sich gesucht und gefunden und verfolgen das Ziel, möglichst schnell berühmt zu werden – was ihnen, das muss man den Jungs lassen, auch zu Recht gelungen ist, denn an Talent hat es dem Quartett weder in Sachen Musik noch hinsichtlich der schamlosen Selbstdarstellung gemangelt. Als Kampfansage an die 1980er Jahre, die Nikki Sixx immer als das falsche Jahrzehnt, um darin aufzuwachsen, bezeichnete, lebte Mötley Crüe die Devise: Alles, nur kein Minimalismus. Laut, schrill, vulgär und hemmungslos sind nicht nur die Auftritte, sondern vor allem die berüchtigten Party-Exzesse hinter den Show-Kulissen.
Und The Dirt – Sie wollten Sex, Drugs & Rock'n'Roll begnügt sich die Hälfte seiner Laufzeit damit, der Band bei ihren entfesselten Eskapaden zu folgen und inszeniert das Ganze wie einen knallig-feuchten Pennäler-Traum: Drogen im Überfluss, zerstörte Hotelzimmer, Groupies, die Schlange stehen und Alkohol in Hülle und Fülle. Dabei offenbart der Film nicht nur einen vollkommen unverhohlenen Sexismus, sondern scheint sich fast schon glorifizierend daran zu ergötzen, wie sich Mötley Crüe selbst als rücksichtslose Saubande abfeiert. In der zweiten Hälfte muss dann standesgemäß der Absturz folgen, persönliche Niederlagen werden angesprochen, das Gruppengefüge bricht zusehends auseinander, private Schicksalsschläge verdunkeln den so ungezügelte Lifestyle. Obwohl diese Abwärtsspirale natürlich richtig und wichtig ist, um die Fallhöhe des Erfolgs zu verdeutlichen, bleibt der Film durchweg formelhaft und simpel gestrickt.
Ob als Exzess-Komödie oder Charakter-Drama: The Dirt – Sie wollten Sex, Drugs & Rock'n'Roll ringt weder seinem Genre neue Erkenntnisse ab respektive begegnet diesem mit innovativen Gedanken, noch gelingt es Jeff Tremaine deutlich zu machen, warum Mötley Crüe zu einem solchen Phänomen aufsteigen konnte. Was unterscheidet die Band von anderen Randale-Formationen? Und genau dort macht sich nicht nur deutlich, wie schablonenhaft der Film arrangiert ist, sondern auch, dass er bei weitem nicht so entfesselt und losgelöst ist, wie er sich selbst nur zu gerne sieht. Einzig der – im Endeffekt vollkommen überflüssige - Auftritt des Insekten schniefenden und Urin schlürfenden Ozzy Osbourne schießt konsequent über das Ziel hinaus. Ansonsten ist The Dirt – Sie wollten Sex, Drugs & Rock'n'Roll sicherlich solide gespielt und durchaus unterhaltsam inszeniert, aber dramaturgisch und erzählerisch astreine Biopic-Konfektionsware. [...]
[...] Auf dem titelgebenden Planet der Affen angekommen, vergehen ebenfalls nur wenige Minuten, bis sich Davidson einer flüchtigen Masse von Menschen anschließt, die von berittenen Affen gejagt und im Anschluss versklavt werden sollen. Der weitere Verlauf der Geschichte ist nun altbekannt, Tim Burton – oder besser gesagt: Das Studio - aber dreht an den erzählerischen Stellschrauben so entschieden-unsinnig, dass sich Planet der Affen einzig und allein über seine extreme Auffassung von Gut und Böse artikuliert. Keiner von den hier anwesenden Charakteren, zu welcher Spezies auch immer sie gehören mögen, weist Ambivalenzen, Mehrdimensionalität, Zwiespältigkeiten auf: Wissenschaftlerin Ari (Helena Bonham Carter, Fight Club) setzt sich für ein friedliches Miteinander zwischen Menschen und Primaten ein, während Thade (Tim Roth, Pulp Fiction) den faschistoiden General mit Psycho-Blick gibt. Das sind die markantesten Affen-Figuren.
Davidson selbst agiert freilich in der Rolle des weißen Erlösers, den die Sterne gesandt haben, um die vorherrschenden Autoritätsmuster auf dem Planet der Affen zu zerschlagen und der Bevölkerung die Möglichkeit gleichberechtigter Gemeinschaftlichkeit beizubringen. Natürlich mit Pistolen, Explosionen und geballten Fäusten. In diesem Fall sind es nämlich die Waffen, die den Menschen dem Affen überlegen machen – und passenderweise darf ausgerechnet Charlton Heston als greiser Senator dem von Hass dominierten General Thade feierlich ein Schießeisen überreichen. Schwer zu glauben, dass ein so pazifistischer und humanistischer Regisseur wie Tim Burton wirklich mit voller Überzeugung hinter einer solchen Botschaft steht. Ohnehin ist es nahezu unmöglich festzustellen, dass Planet der Affen wirklich von dem Künstler gemacht worden ist, der uns zuvor Batmans Rückkehr, Ed Wood und Sleepy Hollow geschenkt hat.
Mag die Tim Burton-Handschrift auch von den Mühlen des hochbudgetierten Mainstream gnadenlos zermahlen und ausradiert worden sein, so besitzt auch diese inhaltliche Bankrotterklärung hinsichtlich spannender Gedankenseine seine eindeutigen Stärken. Der fünffach Oscar-prämierte Maskenbildner Rick Bakers leistet wahrlich brillante Arbeit, Danny Elfmans Score wabert wunderbar wuchtig über die Fotografien des actionorientierten Leinwand-Abenteuers und mögen ihre Charaktere auch noch so eindimensional gezeichnet sein, Tim Roth und Helena Bonham Carter tun alles dafür, diesen Kontur zu verschaffen. Was man von Mark Wahlberg in der heldenhaften Hauptrolle nicht behaupten kann. Das ehemalige Unterwäschemodel beweist auch hier von Anfang bis Ende, dass er ein gleichermaßen untalentierter wie uncharismatischer Darsteller ist. Da erscheint die Existenz von Planet der Affen fast schon notwendig, ist dieser doch genau der Film, den Wahlberg verdient hat. [...]
[...] Springt man in der Karriere des aus den Newcastle stammenden Filmschaffenden nämlich einmal 17 Jahre zurück in die Vergangenheit, stößt man nicht auf einen grellen, ordentlich budgetierten Comic-Blockbuster, sondern einen Low-Budget-Actioner, mit dem Neil Marshall quasi eine erste Duftmarke setzen konnte und sich für den Regieposten beim inzwischen zum Kult avancierten Gruben-Terror The Descent – Abgrund des Grauens empfehlen sollte. Mit überschaubarem Finanzplan, aber dem Anspruch, das bestmögliche aus den geldlichen Beschränkungen herauszuholen, entführt Dog Soldiers den Zuschauer geradewegs in die schottischen Highlands, wo eine Gruppe britischer Soldaten an einer Kampfübung teilnimmt. Simulation für den Extremfall. Natürlich wird aus dem Trainingseinsatz auch postwendend bitterer Ernst, schon die Exposition hat deutlich gemacht, dass dieser Flecken Wildnis von Kreaturen heimgesucht wird, die mit Vorliebe blutige Jagd auf Menschenfleisch machen.
Man merkt Dog Soldiers durchweg an, dass es sich hierbei um ein Erstlingswerk handelt. Mag sich Neil Marshall auch nicht stümperhaft artikulieren, seine Inszenierung aber ist eine sprunghafte, ungelenke, der es nicht gelingt, ein grundlegendes Gefühl der Bedrohung zu evozieren, sondern vielmehr in starken Einzelmomenten überzeugt. Grau-verschleierte Nachtsequenzen und das Setting fernab der Zivilisation spielen Marshall in die Karten, um das begrenzte Budget ein Stück weit zu kaschieren, letztlich aber ist dieser Überlebenskampf gegen eine Horde Werwölfe ein astreines, kolportagehaftes und irgendwo austauschbares B-Movie. Zuweilen staksig oszillierend zwischen Soldaten-, Horror- und Belagerungskino funktioniert Dog Soldiers immer dann, wenn er gezielt mit silhouettenhaften Andeutungen arbeitet und sich nicht aufgrund der Produktionslimitierungen zu diesen gezwungen sieht. Schon in diesen Momenten unterstreicht Marshall sein besonderes Gespür für die Ruhe vor dem Sturm. [...]
[...] Dass der Missbrauch der Tiere eben nicht nur ein physischer, sondern noch mehr ein psychischer ist, veranschaulicht Dumbo damit überaus gekonnt und schöpft daraus ein emotionales Gewicht, welches die ganz und gar klassische Aufsteigergeschichte eines Außenseiters, der aus dem Schatten seiner Andersartigkeit tritt, indem er diese zu seinem Vorteil nutzt, stetig erdet, greifbar macht und dadurch berührend. Nachdem Pinocchio und Fantasia nicht die finanziellen Erfolge einfahren konnten, die sich Disney nach Schneewittchen und die sieben Zwerge von ihnen versprochen hat, versteht sich Dumbo als eine Art konzentrierte Rückbesinnung auf erzählerische und gestalterische Tugenden. Mehr als eine Lauflänge von etwas mehr als 60 Minuten wird deswegen auch nicht benötigt, um die urwüchsigen Gefühle, die hier behandelt werden, nachvollziehbar und erfahrbar zu machen.
So gefasst, produktionsökonomisch und damit folgerichtig – im Gegensatz zu den Vorgängern – einfach sich Dumbo auch über den Großteil artikulieren mag: In der legendären Pink Elephants-Sequenz werden alle zeichnerischen Register gezogen. Nachdem das Elefanten-Baby in den Genuss von Alkohol gekommen ist, steigert es sich über einige Minuten in einen sagenhaften Rauschzustand hinein, den der Film so wunderbar zelebriert, dass es einem wahrlich die Sprache verschlägt. Rosafarbene, quer- und längsgestreifte Phantasiegestalten mit Rüsseln und Buckeln fegen, tanzen, fetzen im Zuge eines phänomenalen, psychedelisch anmutenden Bilderogens über die Leinwand. Halluzinatorische Eskalation. Hier macht sich die experimentielle Prägung eines Fantasia bemerkbar und wirkt umso effektiver, weil Dumbo die Wahrnehmung des Zuschauers nicht forciert überwältigen möchte, aber durchaus in der Lage dazu ist, wenn es darauf ankommt. Kino für das Herz und die Sinne. [...]
[...] Und das ist durchaus sympathisch, weil Michael Herbig hier niemals dem Anspruch erliegt, geschichtsträchtiges Relevanzkino in Szene zu setzen, sondern sich ganz und gar dem Vorhaben unterwirft (und das ist an dieser Stelle wirklich wortwörtlich zu nehmen), einen reinrassigen Thriller zu inszenieren. Das ist ihm mit Ballon auch gelungen, nur, dass es eben kein wirklich guter Thriller geworden ist. Herbigs Ägide wirkt oftmals so, als wäre er der Annahme anheim gefallen, seinem Publikum im Detail erklären zu müssen, was sich hinter dem Begriff Thriller eigentlich verbirgt. Dementsprechend groß müssen die Gesten sein, dementsprechend inbrünstig darf das Pathos überlaufen, dementsprechend altbekannt erscheint die Mechanik, mit der Herbig den Nervenkitzel angeht. Dass die Stasi den beiden Familien in Wahrheit nie wirklich auf den Fersen gewesen ist, kann man hier noch als künstlerische Freiheit abtun.
Ohnehin geht es Ballon, wie bereits erwähnt, niemals darum, ein nuanciertes Verständnis für das politische Klima innerhalb der DDR zu schaffen. Die Familien wollen fliehen, weil es ihr Drang nach Freiheit vorgibt. Dass die Republikfluch auch gewaltig nach hinten losgehen kann, hat Herbig bereits in der klischierten Eröffnung bewiesen. Mehr benötigt der Film nicht, um seine Prämisse zu grundieren und die Bedrängung, der die Strelzyks und Wetzels ausgeliefert sind, in der Theorie greifbar zu machen. Wobei, mit Friedrich Mücke (Friendship!), David Kross (Knallhart), Karoline Schuch (Schutzengel), Alicia von Rittberg (Herz aus Stahl), Thomas Kretschmann (Der Pianist) und Christian Näthe (Schule) besitzt Ballon einen überdurchschnittlich guten Cast, der sich auch über die zweistündige Laufzeit hinweg dafür ins Zeug legt, die Beklemmung der Ballonflucht von beiden Seiten adäquat zu porträtieren.
Es ist zudem auch beachtlich, wie stimmungsvoll das DDR-Kolorit rekonstruiert wurde, in dem sich Ballon abspielt. Fernab der grauen Tristesse allzu bekannter Vertreter dieses Milieus setzt Herbig zuweilen auf poppige Farben und schafft dadurch einige wirklich ausdrucksstarke Bilder, die man im deutschen Mainstream-Kino oftmals schmerzlich vermisst. Dass sich der Regisseur mit seiner stilistischen Kurskorrektur, vom Comedy-Garant zum seriösen Suspense, immer noch darauf erpicht, in erster Linie Eventkino für die breite Masse zu erschaffen, raubt Ballon natürlich mit Ansage viel von seiner (möglichen) zwischenmenschlichen Komplexität. Stattdessen gibt es Schlagworte, Allgemeinplätze, Theatralik und überspannte Dramatik. Herbig beschreibt das als dramaturgische Zugeständnisse an heutige Sehgewohnheiten. Man könnte es aber auch biederes Kalkül nennen, denn das handwerkliche Knowhow besitzt der gebürtige Münchner, um mehr abzuliefern als produktionstechnisch hochwertigen Dienst nach Vorschrift. [...]
[...] Alsbald nämlich lernt Harris die überaus attraktive Riley (Lili Simmons, Bone Tomahawk) kennen, die sich von dem Superstecher natürlich auch auf direktem Wege ins Bett verführen lässt, anders als Harris' vorherige One-Night-Stands aber tatsächlich mehr sucht als nur die schnelle Nummer ohne Verpflichtungen. Regisseur David Chirchirillo (616 – Paranormal Incident) nutzt diese Ausgangslage nicht nur, um einen durchaus flott erzählten Genre-Heuler auf die Beine zu stellen, natürlich dient Bad Match in der Theorie auch dazu, das Digitale zu nutzen, um soziale Ängste zu potenzieren und bis in paranoide Gefilde aufzubauschen: Die Gesetze des Swipen greifen eben nicht selten auch in die Realität ein und stellen diese gehörig auf den Kopf. Mehr als 80-minütigen Kurzweil aber führt der Psycho-Thriller trotz spannender Themenanschnitte dennoch nicht im Schilde.
Zu keiner Zeit – vor allem in dieser fiesen Schlusspointe nicht – um ironische Einschübe verlegen, arbeitet David Chirchirillo als solider Handwerker ganz und gar auf die bevorstehende Eskalation zwischen Harris und Riley hin und steigert das Maß an Bedrohung, dem sich Harris aussetzt sieht, stufenweise. Die Abgeklärtheit des durchaus spielfreudig auftretenden Hauptdarstellers bröckelt zusehends und Bad Match beweist zu Recht viel (Schaden-)Freude daran, den Tinder-Maniac als Sklaven seiner Genitalien bloßzustellen. Chirchirillos Ägide fehlt jedoch die satirische Schärfe, auch wenn es sich der Film gegen Ende nicht nehmen lässt, die möglichen Abgründe, die sich aus der rücksichtslosen Verwendung von digitalen Sexbörsen ergeben können, anzusprechen. Bad Match bleibt letztlich ein salopper Genre-Streich, mit Augenzwinkern, mit kontrolliertem Psycho-Terror, aber ohne die Entschlossenheit, die eigene Komfortzone ernsthaft verlassen zu wollen. [...]
[...] Auch wenn sich True Detective dann doch immer noch etwas zu ausgiebig in die Verfahrensweise der Ermittlungsarbeit festbeißt, Hinweise, Indizien, Befragungen aneinanderreiht und durchleuchtet, ist die dritte Staffel vielmehr das tragische Psychogramm eines Mannes, der mehr und mehr verblasst. Schon in den 1970er und 1980er Jahre schwelt unter der kernigen Oberfläche Hays' eine tiefe, archaische Finsternis, die sich zuvorderst in der Frustration kanalisiert, weder in seinem Beruf, noch als Privatperson zu funktionieren. Sein Eheleben mit der Grundschullehrerin Amelia (Carmen Ejogo, It Comes at Night) ist dominiert von den gespenstischen Obsessionen, die Hays von der Arbeit mit nach Hause bringt. Dass Amelia diesenallumgreifende Desillusion nutzt und in künstlerische Energie umwandelt, wenn sie ein Buch über den Purcell-Fall verfasst, welches zum Bestseller aufsteigt, zeigt, dass Pizzolatto an seinem Frauenbild gearbeitet hat.
Wirklich bedrückend wird diese erneut exzellent fotografierte und herausragend von allen Beteiligen, aber vor allem Mahershala Ali gespielte Staffel dann in dem Zeitabschnitt der Gegenwart. Hier treffen wir auf einen 70-jährigen Wayne Hays, demenzkrank, verwitwet, aber immer noch getrieben davon, Licht in die Dunkelheit zu bringen, die die Purcell-Kinder in sein Leben gebracht haben. True Detective führt den Zuschauer in ein nebulöses Gestrüpp (zwischen-)menschlicher Verlorenheit und versteht nicht die polizeilichen Untersuchungen als Marsch durch die verschlungenen Gänge eines Labyrinths, sondern in die mehr und mehr verwüstete Psyche eines Mannes, dessen Lebensinhalt das Kombinieren, Antizipieren, Reflektieren gewesen ist und nun der Qual der in Trümmer gelegten Erinnerungen, dem Leid des mehr und mehr verblassenden Denkens ausgesetzt ist. Eine gequälte, getriebene Seele, die nicht weiß, wohin sie geht und woher sie kommt.
Mag das kriminalistische Narrativ hier zwar immer noch stimmungsvoll formuliert sein, die Sogwirkung der dritten Staffel speist sich aus dem aufopferungsvollen Umgang mit den Charakteren respektive dem Hauptakteur. Die Suche nach dem Täter ist letzten Endes eine Jagd nach dem wahren Ich. Ein Wettlauf gegen die Zeit; jene Zeit, die alle Gedanken in Fetzen reißt und das Gedächtnis wie einen Dachstuhl lichterloh ausbrennt. Auch wenn die dritte Staffel von True Detective nicht an den mythologischen Horror der ersten Staffel anknüpft und keineswegs das renitente Wesen der zweiten Staffel mitbringt, so besitzt sie doch sicherlich den ausgefeiltesten Protagonisten der Serie, der nicht nur als Gradmesser für amerikanische Befindlichkeiten herangezogen werden kann, sondern auch die großen Themen der Vorgängerstaffeln mit emotionalen Facettenreichtum abdeckt: Inmitten von Moralvorstellung, Machtgefügen, Verlustängsten und dem Schmerz der Vernunft ist Hays ein Mensch, der sich grundsätzlich erst Gefühlen aus den hintersten Winkeln der Seele stellen muss, bevor er handelt. [...]
[...] McQuarrie eifert der schroff-druckvolle Visualität von Filmen wie The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz oder Getaway hinterher, um die Hauptakteure simultan dazu in ausladenden Dialogsequenzen über kosmische Zusammenhänge, existentielle Grundbedürfnisse und philosophische Perspektiven schwadronieren zu lassen. Wo in Peckinpahs stilprägenden Fotografien aber eine tiefe Traurigkeit dräute und in Tarantinos Worten eine beachtliche Menschenkenntnis mitschwang, wirkt The Way of the Gun in beiden Aspekten wie reines Ausstellungskino, welches sich nur zu gerne als kreative Machtdemonstration verstehen würde, in Wahrheit aber niemals über den schöpferischen Feingeist verfügt, um sein Genre wirklich durch die Berührung mit übergeordneten Themen zu transzendieren. Nein, The Way of the Gun besitzt bei all der vorgegebenen Härte und der verwinkelten Geschichte immerzu etwas Prätentiöses und Anmaßendes. Am eigenen Größenwahn zu scheitern ist jedoch nicht gänzlich uninteressant.
Christopher McQuarrie hat sich hier schlicht und ergreifend übernommen und damit an seinen eigenen Ansprüchen verhoben; man kann den Fim förmlich von Minute zu Minute deutlicher dabei beobachten, wie er in seine Einzelteile zerfällt, wenn die jeweiligen Handlungstableau einfach nicht mehr ineinandergreifen wollen. Dabei evozieren nicht nur Ryan Phillippe (Shooter) und Benicio del Toro (Sicario) als Killer-Duo bereits äußerlich eine ansprechende Gegensätzlichkeit. Gerade die Performance von James Caan (Der Pate) als alternder Vollstrecker Joe Sarno gibt The Way of the Gun angenehme, fast schon intime Zwischentöne, wenn er sich in einer der besten Szenen des Films von seinem suizidalen Partner Abner Mercer (Geoffrey Lewis, Heaven's Gate) verabschiedet. Ein rigoroser Reinfall mag The Way of the Gun nicht sein, aber er ist ein Paradeexemplar für den Ikarius-Effekt im Kino. [...]
[...] In Fritz Langs M – Eine Stadt sucht einen Mörder waren es die Endzüge der Weimarer Republik, die Deutschland in eine Zeit entließ, die den wahren Schrecken zwar unterschwellig schon fühlen konnte, sich im Extrem der nationalsozialistischen Machtergreifung jedoch niemals hätte ausmalen können. Der Film besaß im Hinblick seiner gesellschaftspolitischen Prägung fast schon prophetische Bewandtnis. David Schalko knüpft dort an, sicherlich nicht auf dem Niveau der atmosphärischen Beklemmung des Vorgängers, aber auch seine M-Vision ist eine von hochpolitischer Tagesakualität, spielt sich seine Serie der Kindermorde doch nicht nur vor der Flüchtlingskrise ab, sondern verwebt sich mit der rechtskonservativen Agenda des Innenministers (Dominik Maringer, Ode an die Freude), der die aufkeimende Paranoia im Herzen der Bevölkerung zu seinen Gunsten instrumentalisieren will. Angst ist der Treibstoff, der den Rechtsruck befeuert („Kinderschutz statt Ausländerschmutz“).
Die Dinge geraten in diesem Wien von heute nicht nur ins Wanken, sie sind drauf und dran, die Grundpfeiler der demokratischen Ordnung zu zersetzen. M – Eine Stadt sucht einen Mörder befasst sich in sechs Episoden ausgiebig damit, wie Verbrechen und Polizeiapparat Hand in Hand gehen; wie der Paranoia zum teuflischen Unterstützer politischer Verdammnis wird – und wie sich Panik in selbstgerechte Gewalt umwandeln kann. Ein Sturm zieht auf, und wie die letzte Folge sehr deutlich macht, haben wir alle dafür den nötigen Wind dafür gesät. Man muss sich allerdings ein Stück weit darauf einstellen, dass M – Eine Stadt sucht einen Mörder nicht nach herkömmlichen Unterhaltungsstrategien funktioniert. Nicht nur, weil das Thema von Natur aus ein komplexes ist, sondern weil Schalko auf einen Stilwillen baut, der das politisierten Kriminalnarrativ in ein bisweilen prätentiöses Theater der Eitelkeiten erhebt.
Die Charaktere, prominent besetzt mit Namen wie Lars Eidinger (Personal Shopper), Moritz Bleibtreu (Abgeschnitten), Udo Kier (Suspiria) oder Sophie Rois (Duell – Enemy at the Gates), funktionieren nicht als greifbare Charaktere, sondern sind Karikaturen im Brennglas der Gegenwart. Ihre Dialoge sind blechern, ihre Handlung fast schon überhöht theatralisch, ihre Lebenswelt oftmals artifiziell. Nicht selten wirkt es so, als würde man M – Eine Stadt sucht einen Mörder wie ein Kunstobjekt durch eine Fensterscheibe betrachten, was der Serie eine eigenwillige, fast schon satirische Dimension einräumt, die den Mut besizt, auf tonale Unebenmäßigkeiten zu bestehen. Denn trotz des surrealen und extravaganten Wesens, mit dem Schalko sich hier artikuliert, bleibt die Serie ein düsterer Kommentar; ein Zeitdokument und Geistertanz, in dem letztlich ausgehandelt wird, wie viel Freiheit wir bereit sind einzubüßen, um uns sicher zu fühlen. [...]
[...] Von seiner atmosphärischen Dichte nämlich hat Knallhart auch nach über zehn Jahren kaum etwas eingebüßt. Detlev Buck, den man in erster Linie mit kauziger Komödien in Verbindung bringen möchte, beweist hier seine enorme Beobachtungsgabe in Sache Sozialklima. Nachdem Michael (David Kross, Der Vorleser) und seine Mutter Miriam (Jenny Elvers, Männerpension) das wohlhabende Zehlendorf verlassen haben und regelrecht in Neukölln aufschlagen, beschreibt Knallhart einen Culture-Clash, der deshalb so bedrückend (und faszinierend) erscheint, weil hier nicht nur die Größe der Hauptstadt aufgezeigt wird, sondern auch, weil die Eigendynamik einzelner Stadtgebiete auf den Punkt gebracht wird. Als sich Michael in seiner neuen Klasse vorstellt, wissen seine Mitschüler nicht einmal, wo Zehlendorf liegen soll. Sie wissen aber, was die Markenklamotten, die Michael trägt, bedeuten.
Sicherlich kann sich Knallhart über seine knapp 95-minütige Laufzeit nicht in Gänze davon befreien, Klischees aufzubereiten, denn Jugend- und Clankriminalität sind kein ethnisches Problem, sondern vielmehr ein urbanes. Detlev Buck, der in diesem Fall mal nicht am Drehbuch mitgearbeitet hat, gelingt es erstaunlicherweise dennoch, subtile Töne anzuschlagen, wenn er sich durch die Straßen von Neukölln bewegt, in denen das ganze Jahr Winter zu herrschen scheint. Allein die Figur des türkischen Schlägers Erol (Oktay Özdemir, Schwarze Schafe) erfährt immer wieder interessante Brüche und dadurch ansprechende Kontur, wenn sich Knallhart erlaubt, in wenigen Szenen hinter die pöbelnde Oberfläche dieses Menschen zu blicken. Niemand ist hier aus der reinen Lust an der Zerstörung gewalttätig, jeder bringt hier seine eigene Geschichte mit. Oftmals eine, die Berlin seinen Einwohnern vorschreibt.
Denn in dieser rauen Welt, die für die dem gutbürgerlichen Zehlendorf Verwiesenen einer sozialen Endstation gleichkommt, ist es nicht von Belang, wer du bist. Es kommt nur noch darauf an, woher du kommst. Knallhart dokumentiert unter diesem Gesichtspunkt sehr eindringlich, wie Menschen von ihrem gesellschaftlichen Umfeld geformt werden; wie sie sich von den Gesetzen ihrer Umgebung prägen und verdrehen lassen. Nachdem Michael einmal zu oft abgezockt wurde, schlägt er zu und hat sich damit als Drogenkurier für die Araber interessant gemacht: Ehrliches Gesicht, harte Rechte. Fernab der Multikulti-Oase, die Berlin sicherlich auch darstellt, zeigt Knallhart in ausgeblichenen Farben durchaus realitätsgetreu eine in sich selbst verlorene Schattengesellschaft, wo die Perspektivlosigkeit und die Frustration darüber zu Gewalt, zu Kriminalität, zu Haftstrafen oder direkt zum Tod führen. Bitter, aber nicht von der Hand zu weisen. [...]
[...] Wir können also festhalten: Während Finzi und Peschel einzig und allein dafür da sind, zu gebrechlich-lächerlichen Witzfiguren degradiert zu werden, bleibt Schweigers Thomas der ewige Womanizer, der nur Probleme mit der Tochter seiner neuen Freundin (Stefanie Stappenbeck, Hotte im Paradies) bekommt, natürlich gespielt von Lilli Schweiger (Hot Dog). Diese nämlich zwängt sich dem Trio auf und reist kurzerhand einfach mit zum bevorstehenden Klassentreffen, damit sie den neuen Macker ihrer Mutter genauestens unter die Lupe nehmen kann. Selbstsucht trifft in Klassentreffen 1.0 auf nostalgische Selbstbemitleidung, die Schweiger aus seiner priviligierten Perspektive hochgradig konservativ und einfältig betrachtet. Dabei soll es hier in Wahrheit, wie immer, wenn Til das Ruder übernimmt, um die wirklich wichtigen Dinge gehen: Um Familie, Freundschaft, Liebe und Krampfadern in und um die Rosette.
Man braucht sich nicht mehr darüber auslassen, wie desaströs zerschnitten auch Klassentreffen 1.0 über die Mattscheibe stolpert, nachdem die Vorgängerwerke von Schweiger bereits bewiesen haben, dass sie weder handwerkliches Gespür für Dialog-, noch für Action-Sequenzen besitzen. In diesem Fall fußt das ungemeine Unbehagen, welches der Film in quasi jeder einzelnen Minute auslöst, auf seinem rückständigen Menschen- und Weltbild. Erste Anlaufstelle, um die richtig guten Gags zu ernten, ist für Schweiger Homosexualität: Da grinst der Uruloge schmierig in die Kamera, wenn Samuel Finzi sich einer Rektal-Untersuchung hingeben muss und der einklemmte Hodensack in der Sauna-Bank artet in einen Schein-Dreier aus, bei dem die Hausmeisterin (Cindy aus Marzahn) noch einmal darauf hinweist, dass die drei Männer ihre schwulen Aktivitäten doch bitte woanders ausleben lassen müssen.
Ohnehin ist Schweigers komödiantische Hingabe zur genitalen Körperlichkeit eine unfassbar infantile: Wenn nicht gerade Finzis bereits erwähnter Hodensack vor der Kamera herumbaumelt, dann wird sich köstlich über dessen ständig thematisierten Hämorriden amüsiert, das Rasieren von Schambehaarung zeremoniell gefeiert und nun ja, darüber debattiert, ob man einem Mann eher einen Zungenkuss oder einen Blowjob verpassen würde - um noch einmal auf die nicht einmal mehr latent vorhandene Homophobie zurückzukommen. Wenn sich Til Schweiger dann noch ganz generös erdreistet, seiner Stieftochter in spe tumbe Kalendersprüche als profunde Lebensweisheiten zu verkaufen, dann kennt die selbstbesoffene Verlogenheit von Klassentreffen 1.0 keine Grenzen mehr. In Wahrheit nämlich geht es hier nur darum, biedere Männlichkeitsvorstellung aufleben zu lassen, wo echte Kerle belehren und Frauen funktionieren. Klappt das nicht, zeigt man einfach seinen blanken Arsch. Hat schon immer geholfen. [...]
[...] Diese gedämpfte, von dichten Nebelschwaden umflorte Atmosphäre ergibt sich dabei nicht nur aus der archaischen Landschaftkulisse, auf deren Ausweglosigkeit die Charaktere immer wieder zurückgeworfen werden. Der Blick auf die schottische See wird in den kompetenten Händen von Kameramann Jorgen Johansson ein hermetisch-bedrückender, die Männer sind den Klippen, den Wellen, den Möwen, deren leblose Kadaver irgendwann das Grün der Insel säumen, und damit auch schlussendlich sich selbst ausgeliefert. An diesem Punkt aber beginnt auch das erzählerische Dilemma von Keepers – Die Leuchtturmwärter. Denn nachdem es Kristoffer Nyholm gelungen ist, eine intensive Grundstimmung für das Eiland-Kammerspiel zu erschaffen, folgt die Unternehmung, das Geschehen psychologisch zu grundieren. Und dadurch verfällt die Seherfahrung in ein merkliches Ungleichgewicht, deren technische Qualität vom durchkonstruierten Inhalt regelrecht torpediert wird.
Nach gut 50 Minuten nämlich bemüht man sich in Keepers – Die Leuchtturmwärter vergebens, die Charaktere in einen klaffenden Schuld und Sühne-Konflikt einzubinden, der aus mehreren Gründen nicht an emotionaler Fallhöhe gewinnen kann. Ausschlaggebend ist allerdings vor allem, dass dem Drehbuch von Celyn Jones und Joe Bone, zwei Debütanten ihrer Zunft, eine ausgewogene Charakter-Zeichnung respektive -Entwicklung vornehmlich abgeht. Die Stärke von Keepers – Die Leuchtturmwärter liegt fraglos in seiner formalen Klasse, die Bestrebungen, in das zerrüttete Seelenleben des Figuren-Trios zu brücken, wirkt ungelenk und bisweilen unglaubwürdig. Schlecht ist der Film deshalb nicht, vor allem liefert er auch den Beweis dahingehend, dass Gerard Butler sich die Berufsbezeichnung Schauspieler durchaus verdient hat. Der nämlich bringt hier die nuancierteste Leistung (seiner Karriere) und kämpft durchaus ansehnlich gegen das in seiner Ernsthaftigkeit verkrampfte Drehbuch an. [...]
[...] Keine Frage, das Drehbuch von Das Leben ist eine Baustelle mutet sich letztlich dann doch etwas zu viel Inhalt zu. Das merkt man vor allem in den letzten Minuten, wenn es Wolfgang Becker einfach nicht gelingen möchte, den Film zu einem sauberen Abschluss zu bringen. Darüber hinaus aber beherrscht der aus dem Sauerland stammende Regisseur ein feines Gespür für die Alltagsrealität Berlins. Inmitten der Schattengesellschaft aus Perspektiv- und Ziellosen; aus Suchenden, aber selten fündig Werdenden, lässt Becker das romantisierte Stadtbild des deutschen Kinos der Vergangenheit angehören und picht auf authentische Figuren, die endlich einmal halbwegs etwas auf die Reihe bekommen möchten. Aufschieben und weglaufen geht irgendwann nicht mehr, die drückende Ungewissheit über die Zukunft hat sich ohnehin schon zu deutlich in das eigene Bewusstsein eingestanzt.
Das Leben ist eine Baustelle beweist dabei vor allem einen leisen, ins Lakonische ausschlagenden Humor und gibt sich immer wieder einem sich zärtlich über die Szenerie legenden Schleier der Melancholie hin. Kein Wunder, dass selbst die Auslandspresse nach der Uraufführung des Filmes bei der Berlinale voll des Lobes für Beckers Werk war, wird hier doch organisch, empathisch und stimmungsvoll aufgezeigt, wie es sein muss, sich jenseits der Sonnenseiten Berlins durchzuschlagen. Auch wenn man das Morgen, wie der Nachname des Hauptdarstellers, noch im Nebel liegen sollte, bleibt der Kampf, einigermaßen um die Runden zu kommen, immer ein gegenwärtiger. Deswegen gestaltet sich Das Leben ist eine Baustelle auch heute noch als durchaus aktuelles Kino. Die Probleme, die Sorgen, die Empfindungen, die Bedürfnisse, mit denen sich der Film beschäftigt, sind gleichermaßen universell wie zeitlos. [...]
[...] LBJ – John F. Kennedys Erbe merkt man über seine knapp 100-minütige Laufzeit durchgehend an, dass Rob Reiner hier auf ungewohntes Terrain getroffen ist und sich bisweilen redlich damit abmüht, dem geschichtsträchtigen Stoff einen sauber austarierten Erzählrhythmus angedeihen zu lassen, der einen passablen Mittelweg zwischen Lyndon B. Johnson (Woody Harrelson, Three Billboards Outside Ebbing, Missouri) als Privat- und Berufsperson ermöglicht. Anders als Oliver Stone (An jedem verdammten Sonntag), der seit jeher politische Ambitionen in seinen Filmen unterbrachte und historischen Persönlichkeiten nicht nur mit zwischenmenschlicher Genauigkeit, sondern auch mit kritischer Distanz zu begegnen wusste (man denke nur an den meisterhaften Nixon – Der Untergang eines Präsidenten), versteift sich Rob Reiner weitestgehend darauf, den Zugang zu Johnson über das bittere Schicksal zu finden, welches ihm zum 36. Präsidenten von Amerika gemacht hat.
Nach dem Attentat an John F. Kennedy nämlich wurde Lyndon B. Johnson noch am gleichen Tag an Bord der Air Force One vereidigt und hatte somit nicht nur damit zu ringen, das Erbe seines schillernden Vorgängers zu verwalten, sondern auch aus dessen Schatten herauszutreten, um sich nicht von dem Umstand erdrücken zu lassen, dass sein Traum von der Präsidentschaft nur deshalb in Erfüllung gehen konnte, weil ein Mensch sterben musste. Das innerseelische Drama als Nutznießer einer Tragödie und ewiger Nachfolger, der vom Volk und von Mitgliedern seiner eigenen Partei regelrecht zum Scheitern genötigt wurde, entfaltet in den Händen von Rob Reiner keine tiefe Emotionalität, sondern gibt sich in erster Linie schon damit zufrieden, Woody Harrelson mit markantem Südstaatenakzent und sagenhafter und karnevalesker Maske nachdenklich ins Nichts starren zu lassen.
Fast angenehm erscheint LBJ – John F. Kennedys Erbe indes in seinem Anliegen, nur einen thematischen Abriss der Johnson Ära und ihren Hintergründen zu liefern. Hier wird kein hochgradig verbissenes, sich in Überlänge und lexikalischem Wissen wähendes Historienkino abgeliefert, sondern ein Eindruck davon geschaffen, warum Johnson nicht nur einfach unterschätzt und verdammt wurde, sondern auf der anderen Seite zu einem der wichtigsten und entscheidensten Präsidenten der Geschichte heranwachsen konnte: Johnson nämlich war es, der die Gleichstellung von Schwarzen in der Gesellschaft ermöglichte. Dass LBJ – John F. Kennedy letztlich aussieht wie ein routinierter Fernsehfilm (und sich genauso anfühlt), ist fast schon programmatisch zu verstehen: Rob Reiner spuckt keine große Tönen, sondern bleibt im kleinen, im heimeligen Radius verhaften. Das engt das Thema natürlich ein und raubt diesem Kraft, als kleine Richtigstellung ist der Film aber nett, wenn auch leicht zu übersehen. [...]
[...] Auch wenn es nach dem fürchterlichen Trailer nahezu unglaublich erscheint, ist Der verlorene Sohn tatsächlich ein bis zuletzt äußerst subtil gestaltetes Charakter-Drama, welches gezielt und durchaus gekonnt vermeidet, dem Thema sensationsheischend zu begegnen. Edgerton hält den Fokus streng auf der Gefühlswelt seines Hauptdarstellers, der sich zusehends in einem inneren Kampf mit sich selbst befindet, um am Ende die Erkenntnis für sich zu gewinnen, dass nicht seine Sexualität das Problem ist, sondern der erzkonservative Kosmos, in dem er aufgewachsen ist. Anstatt sich zu theatralischen Überspitzungen hinreißen zu lassen, die ein einfach gestricktes, mit klaren Bösewichten ausgestattetes Charakterkonstrukt hervorbringt, formuliert sich Joel Edgerton ambivalent und erkennt auch in den Leitern des Umpolungsprogramm viel Angst vor der eigenen Identität, den eigenen Bedürfnissen, der angeblichen Widernatürlichkeit. Fragile Männlichkeit, überall.
Der verlorene Sohn ist damit vor allem eine Anklage an die unzeitgemäßen Gepflogenheiten des religiösen Fundamentalismus, der evangelikale Christen in ganz Amerika dazu bringt, geflissentlich ihre Kinder seelisch wie physisch misshandeln zu lassen. In leisen, zielgerichteten Tönen äußert der Film sein Unverständnis, seine Wut, seine Enttäuschung, vollbringt es aber trotz seiner inszenatorischen Umsicht und den formidablen Schauspielleistungen nie wirklich, die tiefe emotionale Zerrissenheit seiner Protagonisten körperlich dichter Ausformung erfahrbar zu machen. Tatsächlich ist Der verlorene Sohn ein Werk, das irgendwann selbst an seiner Nüchternheit leidet, weil es sich immer mehr in dem Anspruch verkapselt, sein Sujet niemals zu reißerischen Zwecken ausbeuten zu wollen. Das nimmt Edgertons routinierter Regie die Kraft dahingehend, bis zu urwüchsigen, nachhaltigen Gefühlsbewegungen vorzudringen. Der finale Versöhnungsansatz hängt damit auch ein Stück weit in den Seilen, sehenswert aber ist Der verlorene Sohn zweifelsohne. [...]
[...] Allein die formal logische Entscheidung, Mid90s auf 16-Millimeter-Film sowie im 4:3 Format zu drehen, beschwört schon rein oberflächlich den Geist der 1990er Jahre herauf, was nicht selten den ungemein immersiven Anschein erwecken lässt, dass man sich als Zuschauer originales Camcorder-Material aus jener Ära zu Gemüte führt. Ohnehin liegt der Schlüssel für das Gelingen des Filmes in seiner allgegenwärtigen Authentizität begraben: Obgleich sich Jonah Hill in seiner Inszenierung immer etwas zu deutlich dagegen sträubt, die offenkundigen Konflikte, die unser(en) Protagonist(en) umwittern, ernsthaft zu thematisieren, um Mid90s eben nicht zum Problemkino gerinnen zu lassen, glänzt seine Ägide durch glaubwürdige Charaktere und ein organisches Sozial- wie Lokalkolorit, in dem Beavis & Butt Head, der Wu-Tang Clan und die kultisch verehrten Jordans eben nicht zu willkürlich eingestreuten Ausstellungsstücke der Vergangenheit verkommen.
So überdeutlich sich Jonah Hill hier auch nostalgischen Befindlichkeiten geschlagen gibt und aus dem Fundus persönlicher Erinnerungen schöpft, Mid90s verfällt niemals dem Musealen oder Antiquierten, sondern bleibt lebendig, gräbt sich in die Gruppendynamik rundum Stevie, Ray (Na-kel Smith), Fuckshit (Olan Prenatt), Ruben (Gio Galicia) und Fourth Grade (Ryder McLaughlin) ein und huldigt einer Freundschaft, die sich ganz dem ungezähmten Lebensgefühl ihrer Zeit verschrieben hat. Das bringt dann auch mal das ein oder andere blaue Auge mit sich, hin und wieder muss man sich auch dem Klicken einrastender Handschellen stellen, aber vor allem ist es der Geschmack von Freiheit, der unter Gleichgesinnten zelebriert wird, dem Mid90s hier Tribut zollt. Und das macht den Film so sympathisch: Nicht seine Coolness, sondern seine Bereitschaft zur Mitmenschlichkeit. [...]
[...] Die wirtschaftlichen Vorgehensweisen innerhalb der NBA, die Kommerzialisierung des Sportes, die Konflikte zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaften, werden in High Flying Bird einer gesellschaftlichen Spiegelung unterzogen, welche bis auf die Mechanismen der Sklaverei zurückgreift. Wie oft zum Beispiel hört man heutzutage, gerade im Zuge groß angelegter Spielertransfers (man erinnere sich nur an den Brasilianer Neymar, der für eine sagenhafte Ablöse von 222 Millionen Euro vom FC Barcelona zu Paris St. Germain wechselte), dass man hier Zeuge von modernem Menschenhandel wird. Der Mensch als Handelsware, als Verkäufer seiner eigenen Spezies. Die große Ungerechtigkeit, die aus diesen Gegebenheiten keimt – und die auch High Flying Bird anprangert –, ist die unverhältnismäße Machtverteilung zwischen den Spielern, die auf dem Platz an ihre Grenzen gehen sollen und denen, die die Spieler auf den Platz und bis an ihre Grenzen schicken.
Mag die Sklaverei auch seit dem 18. Dezember 1865 offiziell abgeschafft sein, ihren Nachwehen ist bisher noch kein Ende gesetzt. Nachdem einer alternativen League für Afroamerikaner in den 1950er Jahren keine Lizenz erstatten wurde, stattdessen aber der erste schwarze Basketballer Einzug in die NBA erhalten hat, lässt sich ein klares Muster erkennen: Die Schwarzen auf dem Feld, die Weißen in den Loungen der Führungsebenen. Steven Soderberghs High Flying Bird ist, noch mehr als Oliver Stones thematisch verwandter An jedem verdammten Sonntag, mitnichten ein Sportfilm, sondern eine gesellschafts- und systemkritische Analyse, dessen Diskussionsgegenstand von geschichtsträchtiger Bewandtnis ist. Übertragen durch die Strukturen eines Absatzmarktes, in dessen ökonomischen Grundstock der Rassenkonflikt seine Fäden zieht. Ray weiß das, er weiß, dass der Streik nur eine Frage der Zeit ist, deswegen lässt er sich nicht länger von ihm unterjochen, sondern bläst zum Gegenangriff.
In gewisser Weise greift Soderbergh damit auch eines seiner Lieblingsmotive erneut auf: Den Heist-Coup. Im Falle von High Flying Bird versucht Ray aber kein Vermögen oder Luxusartikel zu entwenden, sondern Herrschaftsverhältnisse inmitten eines materialistischen Konkurrenzsystems neu zu definieren. Die Institution der Sklaverei mag noch immer in Kraft sein, aber die Seiten sollen sich endlich verschieben: Wir müssen endlich lernen, das große Ganze zu sehen. Inszeniert ist das als ungemein frisches, unmittelbares Kino, welches vor allem durch seine exakt rhythmisierten Dialogsequenzen besticht. Die rhetorische Dichte von Tarell McCraney und Soderberghs nach Unsane – Ausgeliefert noch ausgereifteren, kunstfertigeren iPhone 7-Fotografien machen den Film zu einer mitreißenden, einer flirrenden Erfahrung, die nicht nur durch ihre Visualität besticht, sondern auch durch ihre profunde Cleverness. Quasi ein Werk, das die Sinne streichelt und den Kopf gleichermaßen herausfordert wie füttert. [...]
[...] Kurz vor der Jahrhundertwende wird dieser Constable in die entlegene Provinzgemeinde Sleepy Hollow entsandt, um dort eine bestialische Mordserie aufzuklären: Bereits vier Menschen wurden dort tot aufgefunden, allesamt enthauptet. Die dunklen Wolken des Aberglaubens verdichten sich über den Köpfen der Bewohnern zusehends, soll es sich bei dem Täter doch um den ruhelosen Geist eines ehemaligen Schlächters handeln, der dem modrigen Grab entstiegen ist, um seinen eigenen Kopf aufzuspüren – jenen, der auch ihm einst abgetrennt wurde. Tim Burton erzählt Sleepy Hollow wie einen mit Feder und Tinte verfassten und mit Wachs und Stempel versiegelten Schauerroman; eine ganz und gar klassische Gruselmär, die Burtons ausgeprägte Leidenschaft für das frühe Horrorkino der 1940er, 1950er und 1960er Jahre verdeutlicht, ganz besonders die legendäre Werke des britischen HAMMER-Studios.
Ichabod Crane, der in Sleepy Hollow natürlich mit gemischten Gefühlen empfangen wird, ist sich in einer Sache jedoch vollkommen sicher: Der Fall wird sich fraglos mit den Mitteln der modernen Wissenschaft auflösen lassen. Wie Johnny Depp diesen auf Vernunft und Gerechtigkeit pochenden Constable verkörpert, erweist sich als wahres Ereignis. Wo Tim Burtons ausgereifte Inszenierung bereits niemals um einen ironischen Bruch verlegen ist, bestimmt vor allem Depps Performance die Tonalität des Filmes und erschafft einen Ichabod Crane, der über allem ein Idealist im Dienste der Aufklärung ist, sich neben seiner Tapferkeit aber auch jede Menge Schwächen eingesteht. Mit Blut beispielsweise hat er es nicht so, auch Spinnen lassen ihn ganz schnell mal auf den nächstbesten Stuhl springen – und wenn er sich Geschichten um den kopflosen Reiter anhören muss, schlottern ihm gnadenlos die Knie.
Die wahre Brillanz von Sleepy Hollow liegt allerdings in seiner pointierten gestalterischen Meisterklasse begraben, die jede Einstellung zu einem Siegeszug ästhetischer Erhabenheit erklärt. In bisweilen traumwandlerischen Landschaftskulissen zelebriert Tim Burton die sagenumwobenen, nebenverhangenen Wälder, die dunklen, vom Quaken der Kröten belebten Gewässer und die schweren Wolkendecken, die den Vollmond umschmiegen und sein blasses Licht auf das angsterfüllte Dorf in den Hudson Highlands werfen, welches seine Besucher erst einmal mit dem hiesigen Friedhof begrüßt. Der Film beschreibt dieses Zeitalter, in dem Gespenster ihr Unwesen getrieben haben und tote Bäume zu Pforten in eine neue Welt wurden, (im wahrsten Sinne) unheimlich organisch, er zieht den Zuschauer von Beginn an in seinen Bann. Sleepy Hollow ist formvollendeter, schwarzromantischer Eskapismus, der das Geheimnisvolle und das Verborgene fernab unserer herkömmlichen Wahrnehmung auf- und hochleben lässt. [...]
[...] Ratliff aber ist kein Regisseur der Güteklasse Jaume Balagueró oder Joel Edgerton, was sich daran abzeichnet, dass er sein Spannungsszenario niemals über die obligatorischen Inszenierungs- und Erzählkonventionen seines Sujets hinauswächsen lässt. Wenn man es mit Welcome Home böse meinen würde, könnte man ihn als Dienst nach Vorschrift bezeichnen – geradewegs für den hiesigen Direct-to-DVD-Markt produziert. Damit würde man aber außer Acht lassen, dass der Film, trotz seiner herkömmlichen Struktur, einen packenden Hang zum Abgründen besitzt, der im durchaus überraschenden Finale seinen reißerischen, aber unerwarteten Höhepunkt findet. Die Geschichte um ein Paar, welches in der Fremde nach ihrer verschütteten Liebe zueinander gräbt, wird nämlich nicht nur einfach von einem Psychopathen mit der Tendenz zur sexuellen Gewalt heimgesucht. Die Hintergründe der Schreckenskulisse sind weitaus tiefgreifender.
Über einen Großteil seiner Handlung aber schwört Welcome Home solide Prinzipientreue: Er behandelt im Zuge des sich anbahenden Terrors nicht nur Männlichkeitskomplexe um verletzten Stolz, krankhafte Eifersucht und beißende Schuldzuweisungen, sondern weiß mit Aaron Paul und Emily Ratajkowski auch zwei Schauspieler in seinen Reihen, die nicht nur attraktiv sind, sondern das darstellerische Vermögen mitbringen, das Trümmerfeld, welches sie Beziehung nennen, glaubwürdig zu porträtieren. Der hinterlistige Thrill entwickelt sich dabei schleichend, schwelend und haftet sich durchweg an einen ganz klaren B-Movie-Charakter, der ordentlich nach Genre-Mottenkiste müffeln würde, wäre Welcome Home für seine Verhältnisse nicht so überdurchschnittlich gut gespielt. Sicherlich kein Streifen, der auch nur einen Funken Nachhall besitzt, für den Filmabend zu zweit aber eine kleine, fiese Empfehlung. Nicht mehr, aber sicher auch nicht weniger. [...]
[...] Der Rubel rollt in Windeseile, Lucas' Firma wächst postwendend über die mächtigen Strukturen der italienischen Mafia hinaus und fördert den Drogenmissbrauch in den Vereinigten Staaten zu Schleuderpreisen. Eigentlich ist American Gangster von Ridley Scott (Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt) gar kein Film über den Handel von Heroin, vielmehr verwendet man hier seine Konzentration ganz allgemeingültig auf die Gesetze des Marktes, die der ungemein clevere Lucas (Denzel Washington, Die Akte) von vornherein durchschaut hat. Genauso gut könnte es um Markenklamotten, Alpakateppiche oder Goldschmuck gehen, von dem sich der Pate von Harlem in Windeseile so einiges leisten könnte. Das Drehbuch von Steven Zaillian (Schindlers Liste) aber versteht sich nicht als einseitge Erfolgsgeschichte, sondern beschreibt auch den rigorosen Absturz von Frank Lucas – und benötigt dafür natürlich eine Gegenperspektive, die in Detective Richie Roberts (Russell Crowe, Gladiator) gefunden wird.
Er hat einen Großteil seiner Laufbahn als Polizist nicht nur damit verbracht, Lucas zu verfolgen, sondern es letztlich auch geschafft, ihn zu überführen und damit eine Kette von 150 weiteren Verurteilungen loszutreten. Roberts wurde anschließend Staatsanwalt und darauf Verteidiger. Dass sein erster Klient Frank Lucas gewesen ist, gibt der auf wahren Begebenheiten beruhenden, aber natürlich fiktional aufbereiteten Geschichte eine angenehme Ironie im Schlussakkord. Ohnehin beherrscht es Ridley Scott überaus gekonnt, dieser altbekannten Erzählung von Gangstern und Cops, von Aufstieg und Fall, die nötige inszenatorische Frische angedeihen zu lassen, die ein derart ausformulierter Stoff braucht, um über eine Laufzeit von (im Extended Cut) fast drei Stunden zu funktionieren. Und American Gangster funktioniert, weil er, trotz seiner umfangreichen, zuweilen fast ausladenden Art und Weise, immer stringent von A nach B schreitet.
Der fraglos konventionelle Charakter der Handlung liegt natürlich in der Natur der Thematik begraben, nach Filmen wie Der Pate, Scarface, French Connection – Brennpunkt Brooklyn oder auch GoodFellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia sind die dramaturgischen Angelpunkte mehr als nur bekannt – sie können schlichtweg nicht mehr übertrumpft werden. Umso beachtlicher erscheint es da, dass American Gangster niemals merklich durchhängt und in seiner gesellschaftlichen Analyse einer Zeit, die sich durch die allumgreifende Korruption auf allen Ebenen nach und nach selbst hinrichtete, die nötige Dringlichkeit mitbringt, um die Genre-inhärente Topoi um den amerikanischen Traum im Herzen des halbseidenen Gewerbes und die zermürbende Ermittlungsarbeit rastloser Beamter spannungsreich, aufmerksam und elegant bis ins Ziel zu führen. Hier werden einem nicht nur die Mechanismen des Kapitalismus sinnbringend näher gebracht, man wird auch noch Zeuge eines famos ausgestatteten und herausragend gespielten Peroid Picture. [...]
Blaues Feuer, rotes Eis. Im Auge des Sturms treffen zwei Alpha-Wölfe in ihrer Verlorenheit aufeinander. Sie machen nur das, was sie können. Sie tun nur das, was sie müssen. Einer Lieutenant, der andere Berufsverbrecher, beide augenscheinlich Rivalen im Großstadtdschungel von Los Angeles, in Wahrheit aber trennt sie letztlich nur die jeweilige Seite des Gesetzes. Vincent Hanna und Neil McCauley sind Spieler, privat funktionieren sie nicht, weil sie keinen Bezug zur Beständigkeit besitzen. Stattdessen lassen sie sich vom Orkan mitreißen, der unaufhaltsam durch die urbanen Straßen faucht und werden dabei in ihrer Einsamkeit, ihren Träumen, ihren Ängsten und der Hilflosigkeit, dem eigenen Naturell Einhalt zu gewähren, zu seelischen Ebenbildern. Michael Mann erzählt das nicht als schmissigen Cop-gegen-Gangster-Flic, sondern erhebt HEAT zur schwermütigen Existenzialismus-Saga, die in einem Zeitraum von knapp drei Stunden über den Schmerz und die Faszination sinniert, die sich daraus ergeben, seiner eigenen Haut nicht mehr entfliehen zu können. Mann, einer der größten Ästheten des Kinos, inszeniert das so brachial wie feingliedrig, so physisch wie melancholisch, so tieftraurig wie adrenalingeladen und erklärt HEAT nicht nur zur hochkonzentriert arrangierten Studie über zwei besessene Schicksals- wie Leidensgenossen, die vom Tod träumen, aber zum Jagen gezwungen sind, sondern auch zur audiovisuell stimulierenden, exakt rhythmisierte Sinneserfahrung. Tieftraurig und absolut bahnbrechend. Ein Jahrhundertepos.
[...] Passenderweise deshalb, weil Gilroy seine Geschichte in diesem Fall geradewegs in das Herz der Kunstszene von Los Angeles verlagert, in der sich Galeristen, Kuratoren, Journalisten und die Finanzelite gar nicht so sehr um die Wahrnehmung selbst scheren, sondern in erster Linie um den Handel damit. Diesen Sachverhalt könnte man nun natürlich auch mühelos auf Netflix übertragen, was allerdings in eine etwas zu bissig-bohrende Richtung führen würde. Die Kunst des toten Mannes würde sich auch gerne als Satire beschreiben, verpulvert sein satirisches Potenzial aber von vornherein in den naheliegendsten Plattitüden, die man mit der gockeligen Szene in Verbindung bringen kann: Canapés, Champagner, bisexuelle Kunstkritiker mit Hornbrillen und Kunstschaffende, die sich ehrfürchtig vor einem Haufen Müllsäcken verneigen, weil ihnen der Unterschied zwischen Abfall und Kreation nicht mehr bewusst ist. Wahnsinnig clever.
Nachdem sich Dan Gilroy, der auch das Drehbuch zu Die Kunst des toten Mannes verfasst hat, an dem von Profilneurosen geschwängerten Kosmos aus Vernissagen und ihren grell-bornierten Besuchern wie Betreibern ein Stück weit sattgesehen hat, mischt sich ein übernatürliches Motiv in die Narration des Filmes ein. Dieses versteht sich quasi als Gerechtigkeit-stiftende Stimme aus dem Jenseits und zieht jene zur Rechenschaft, die Ausstellungsstücke nur noch als Wertanlagen und weniger als musische, den eigenen Horizont erweiternde Schöpfung begreifen. In seinen besten Momenten schmiegt sich Dan Gilroy dabei an die Ästhetik des expressiven Giallo-Kinos, wenn Farben und Formen an Eigendynamik gewinnen, zur lebensbedrohlichen Macht verschwimmen und deutlich aufzeigen, dass es keine Kunst geben kann, wenn es nicht auch Tote gibt. Bereichernder wäre es aber, sich direkt The Stendhal Syndrome von Dario Argento zu Gemüte zu führen.
Die Kunst des toten Mannes sitzt fortwährend zwischen den Stühlen seiner eigenen Ambitionen. Vor allem aus dem Grund, weil Gilroys Regie die herausfordernde Schärfe vollständig abgeht. Die Frage, was den Filmemacher gerade daran gereizt hat, sich mit der Kunstszene von Los Angeles zu beschäftigen, kann er ebenso wenig belegen, wie seine Wut dahingehend, dass die Kunst selbst immer mehr den Mühlen des dekadenten Kapitalismus zum Opfer fällt. Die demaskierende Strahlkraft nimmt sich dementsprechend schnell selbst den Wind aus den Flügeln, geht es Gilroy eben nicht darum, Hintergründe zu erläutern und die ökonomischen Strukturen des Milieus, welches längst einem sich selbst zerfleischenden Basar der Affektiertheiten gleichkommt, herauszuarbeiten. Dan Gilroy belässt es beim allzu Erwartbaren, beim Handzahmen, kann sich dabei aber immerhin auf einen blendend aufgelegten Jake Gyllenhaal (Southpaw) verlassen. [...]
[...] Stattdessen verpflichtet sich Columbus strikt seinen Survival-Regularien, legt immer brav den Sicherheitsgurt an, achtet auf seinen Fitness-Zustand, damit er schnellstmöglich und ausdauernd die Beine in die Hand nehmen kann und – ganz elementar – spart sich jedwede Form Verwegenheit. Auch nachdem ihm Tallahassee (Woody Harrelson, Schloss aus Glas), Wichita (Emma Stone, La La Land) und Little Rock (Abigail Breslin, Little Miss Sunshine) über den Weg laufen, gibt Columbus weder dem Zufall, noch den Hormonen die Freiheit, über die Situation zu entscheiden. So aber funktioniert die Dynamik der Charaktere: Alle Figuren, ob Raubein Tallahassee, das durchtriebene Schwesternduo oder Nervenwrack Columbus, besitzen einen individuellen Lebensentwurf, nur sehen sie sich dazu gezwungen, diesen (weitestgehend) mit dem gesunden Gemeinschaftsgefühl abzugleichen, welches ausschlaggebend ist, um nicht an den neuen Bedingungen des menschlichen Daseins zu zerbrechen.
Ruben Fleischers wunderbar spielerische Inszenierung gibt sich über die nicht einmal 90-minütige Laufzeit genauso ironisch wie blutig; sie schmiegt sich aufmerksam an die Lebenswelt ihrer Protagonisten und lässt ihnen, trotz aller offenkundigen und erfolgreichen Versuche, einen neuen Kultfilm aus dem Boden zu stampfen, den nötigen Raum, verschiedene Facetten ihrer Persönlichkeit zu präsentieren. Gerade Tallahassee steht dafür exemplarisch, der die neue Weltordnung zwar in erster Linie als grenzenlosen Abenteuerspielplatz versteht, darüber hinaus aber gleichwohl mit den Erinnerungen an einfachere Tage zu kämpfen hat – und immer wieder von der Angst eingeholt wird, diese Erinnerungen gänzlich verlieren zu können. Primär aber überzeugt Zombieland durch Ausgelassenheit und Nonchalance, dass darüber hinaus auch die Figuren funktionieren, grundiert nicht nur den Unterhaltungswert, sondern rettet auch das Zombie-Genre vor seiner selbstgenügsamen Tristesse. [...]
[...] Dass Die üblichen Verdächtigen einen derart euphorisierten Gesprächsstoff lieferte, liegt natürlich an seinem Ende, auf welches das mehrfach ausgezeichnete Drehbuch von Christopher McQuarrie (Mission: Impossible – Fallout) in Form einer gut geölten Spannungsmaschinerie zielstrebig hinarbeitet: Ein klassisches Twist-o-Rama, wenn man so möchte, das den Höhepunkt seiner wendungsreichen Dramaturgie jedoch nicht als reißerischen Selbstzweck ausstellt, um aufzuzeigen, wie clever der Film doch ist, sondern damit auf äußerst sinnstiftende und packende Art und Weise die Grundzüge des Kinos erforscht: Die üblichen Verdächtigen beruft die künstlerischen Mechanismen des Mediums bis zuletzt auf der apparaturerzeugte Realität des Sehens. Einer illusionären Wahrnehmung also, der man zur eigenen Sicherheit niemals aus der Hand fressen sollte, oftmals aber schlicht und ergreifend machtlos dagegen ist. Wie in diesem Fall eben.
Dabei beginnt das Ganze wie eine übliche Kriminalgeschichte um eine Gruppe Klein- und Großverbrecher (besetzt mit Kevin Spacey, Gabriel Byrne, Benicio del Toro, Stephen Baldwin und Kevin Pollak), die sich bei einer polizeilichen Gegenüberstellungen kennenlernen und daraufhin beschließen, den ein oder anderen Coup zusammen zu begehen. Bis die Sache augenscheinlich aus dem Ruder läuft und in einem kriminellen Akt kulminiert, der 27 Todesopfer fordert. Was genau passiert sein soll, rollt der halbseitig gelähmte Rogert Kint (Spacey) im Zuge einer Vernehmung auf und führt damit auch als Off-Kommentator durch das Geschehen. An dieser Stelle aber muss schon der Vermerk erlaubt sein, dass die Wahrheit immer im Auge des Betrachters liegt – und nicht selten ist sie sogar in einem solchen Zusammenhang äußerst, nun ja, fragwürdig und zweifelhaft.
Als eines der Paradebeispiele für das unzuverlässige Erzählen in den 1990er Jahren lässt Die üblichen Verdächtigen jedoch keine Skepsis an den Worten von Kint aufkommen, weil der Film von Beginn an affirmativ seine Perspektive bezieht und somit am Zuschauer – ohne ihn vorerst darüber in Kenntnis zu setzen – äußerst stilsicher die Manipulationsstrategien ausprobiert, die das Kino seit jeher ausmachen. Die Suche nach der Wahrheit ist somit auch ein selbstreflektorischer Diskurs über die immersive Kraft einer engangiert gestalteten Täuschung. Mit dem wertvollen Unterschied, dass Bryan Singer und Christopher McQuarrie ihr Publikum nicht bloßstellen und eine lange Nase drehen wollen, sondern dieses zum Nachdenken dahingehend anregen, was wirklich von Belang ist, um sich in einer Geschichte zu verlieren: Was erzählt wird, wie es erzählt wird oder ob überhaupt etwas erzählt wird? [...]
[...] Die vor Zitaten und Verweisen nur so sprühende Inszenierung seitens Barry Sonnenfeld gibt sich in Men in Black nicht nur als liebenswerte Hommage an die klassischen Science-Fiction-Stoffe aus den 1950er und -60er Jahren zu erkennen, stattdessen verinnerlicht der Film auch die ausschlaggebenden Faktoren für ein gelungenes Buddy-Movie und gibt nicht nur Will Smith und Tommy Lee Jones genügend Raum für die Entfaltung eines individuellen, fassbaren Profils, sondern stimmt sowohl die Schwächen als auch Stärken der beiden Charakter adäquat aufeinander ab. Fast schon berührend freimütig erweist sich die daraus resultierende Reaktion von Agent J gegen Ende, wenn Agent K ihm die Bitte entgegenbringt, dass er sich nichts sehnlicher wünscht, als die Erinnerungen der letzten 30 Jahren aus seinem Kopf verbannen zu können.
Über alledem aber thront Sonnenfelds pointiertes Gespür für das komödiantisches Timing: Kein Gag wird unnötig in die Länge gezogen, keine Pointe scheint der Situation abträglich. Vielmehr noch glänzt Men in Black durch eine ungemeine Liebe zum Detail, was sich vor allem während der Besuche in der Hauptzentrale der Agenten in den schwarzen Anzügen manifestiert. Da darf man nicht nur im Hintergrund diverse Aliendesigns beobachten, die unbedarft durch das Gebäude spazieren, auch Superstars wie Sylvester Stallone und Michael Jackson werden als Einblendung auf dem Monitor kurzerhand zu Außerirdischen erklärt. Mögen die Effekte von Industrial Light & Magic inzwischen auch überholt erscheinen, die temporeiche Fabulierlust, der Referenzreichtum und das kreative Parodieren von Verschwörungstheorien rundum geheimdienstliche Organisationen ist nach wie vor ein vergnügliches Spektakel, dessen wahre Klasse in seiner Zeitlosigkeit deutlich wird. [...]