Tobi_G93 - Kommentare

Alle Kommentare von Tobi_G93

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    Tobi_G93 24.09.2020, 13:27 Geändert 24.09.2020, 19:56

    "Ein Mix aus Leon der Profi und 96 Hours"
    So heißt es auf dem Klappentext der Blu Ray von Lee Jeong-beoms inszenatorisch hervorragenden Actionthriller "The Man From Nowhere".
    Der zweite Spielfilm des koreanischen Regisseurs weist dabei in der Tat kleinere Parallelen zu den genannten Filmen auf, dreht dennoch mit dem zwar nicht sehr komplexen, aber recht stimmigen Mix aus Gangster- und Rachegeschichte sein ganz eigenes Ding und schlägt zumindest 96 Hours qualitativ um Längen.
    Der kühl wirkende und von der Vergangenheit gezeichnete Antiheld Bin Won, der im Filmverlauf durch die Entführung des Nachbarskindes in eine anfangs unübersichtliche Gangstergeschichte um Drogen- und Organhandel gerät, wird von Cha Tae-sik stark verkörpert.
    Zu Beginn eher mit stoischer, kalter Miene wandelt er sich im Verlauf zum verzweifelten Kampfberserker, der immer noch stark unter seiner traumatischen Vergangenheit zu leiden hat.
    Die für den Filmverlauf entscheidende Beziehung zwischen Bin Won und der jungen Nachbarstochter, deren drogenabhängige Mutter keine Zeit für ihre Tochter findet, wird zu Beginn sehr ruhig, detailliert und unaufgeregt dargestellt. Anfangs eher genervt und etwas kaltherzig erscheinend, entwickelt sich zwischen Protagonist Bin Won und dem kleinen Mädchen eine Art Freundschaft.
    Handwerklich befindet sich der Film dabei auf fast schon koreatypischen unverschämt hohem Niveau. Mit starker, oftmals dynamischer Kameraführung und der durchdachten Cinematographie liefert der Film durchgehend tolle Aufnahmen.
    Indem der Film oftmals das Tempo variiert, wo ruhigere, charakerbezogene Momente auf dynamische Actionpassagen folgen, gelingt es dem Regisseur die komplette Lauflänge von zwei Stunden die Spannung aufrecht zu erhalten.
    Gerade die intensiven, knallharten Actionsequenzen, die grundsätzlich hervorragend in Szene gesetzt sind (teilweise evtl. etwas zu schnell geschnitten), stellen ein Highlight des Films dar.
    Nachdem die Gewalt hierbei lange Zeit im Off geblieben ist, wird im irre intensivem Showdown der Gewaltgrad ordentlich nach oben geschraubt, wo mit gebrochenen Knochen, spritzenden Blutfontänen und aufgeschlitzten Körpern ein gnadenloses Blutbad serviert wird.
    Das letztenendes versöhnliche Finale setzt dann einen womöglich zu inkonsequenten Schlusspunkt, der mir persönlich aber ganz ordentlich gefallen hat.
    Insgesamt sicher nicht in der Topriege der koreanischen Thriller, aber dennoch fast allen vergleichbaren Filmen aus Hollywood klar überlegen.
    Gute Nummer

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      Tobi_G93 23.09.2020, 16:57 Geändert 24.09.2020, 14:03

      Recht zähe Nummer!!
      Regisseur Lorcan Finnegan inszeniert mit seinem zweiten Langfilm "Vivarium" (2019) einen rätselhaften, dystopisch angehauchten Science-Fiction Mysterythriller, der atmosphärisch durchaus überzeugen kann, aber insgesamt eher unrund wirkt und trotz recht kurzer Laufzeit ziemlich langatmig umgesetzt wurde.

      Ein von Imogen Poots und Jesse Eisenberg dargestelltes, junges Pärchen, das sich auf Wohnungssuche befindet, gerät mit Hilfe eines seltsam wirkenden Immobilienmaklers zu einer Wohnungsbesichtigung. Das Haus befindet sich in einer surreal wirkenden, geradezu labyrinthartigen Reihenhaussiedlung, welche aus unzähligen identischen Häusern besteht.
      Überzeugend gestaltet sich dabei die Inszenierung des Films und die daraus resultierende Atmosphäre. Mit Hilfe einiger toller Aufnahmen des mysteriösen Häuserlabyrinths gelingt es dem Regisseur schnell, eine einnehmende, entrückte Atmosphäre zu erzeugen und dem Film dadurch einen mysteriösen Vibe zu verleihen.
      Mit dem unerklärlichen Verschwinden des Maklers und dem Erscheinen eines ziemlich merkwürdigen Kindes fügt der Regisseur früh weitere surreale Elemente hinzu, wodurch der Film immer undurchsichtiger wirkt.
      In der Folge wird in mehreren Zeitsprüngen die Entwicklung des Paares und die Erziehung des seltsamen Kindes in dem neuen Haus dargestellt, wobei insbesondere die psychische Verfassung des Paares in den Vordergrund rückt.
      Dieser fast den ganzen Film ausmachende Prozess der Erziehung eines nicht menschlich erscheinenden Kindes wird dabei leider viel zu highlightarm, träge und monoton inszeniert, wodurch das Sehverhalten trotz nur ca. 95 Minuten Laufzeit eher langatmig wirkt.
      Mit den finalen letzten 15 Minuten gelingt es dem Regisseur dann schlussendlich doch noch ein kleines Highlight zu setzen.
      Nach einem tragischem Ereignis zieht das Tempo kurz vor Ende gewaltig an und entfacht einhergehend mit einem stilistischen Bruch einen rauschhaften Alptraum, der den Film seltsam deprimierend und mit einigem Raum an Interpretationen beendet.
      Eine Satire auf eine Familie mit Adoptivkind im Sci-Fi-Gewand?
      Oder eine Groteske um den scheinbaren Determinismus im Leben?
      Ingesamt trotz starkem Finale gerade wegen der Langatmigkeit eher mittelmäßig.

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      • 8
        Tobi_G93 21.09.2020, 14:31 Geändert 20.10.2020, 13:48

        Puh, mein erster Film von Shion Sono und gleich solch eine Bestie!!
        Mit dem verdammt abgründigem, surrealem Psychodrama "Strange Circus" (2005) gelang dem exzentrischen Regisseur ein abgefuckter sowie verstörender Höllenritt, den man vorerst nicht mehr so schnell vergessen wird.
        Der Film thematisiert insbesondere Kindesmissbrauch und die verheerenden, damit einhergehenden Folgen der Opfer und verpackt die Handlung dabei in eindringliche, alptraumhafte Bilder, was in Verbindung mit dem im postiven Sinne grauenvollen Score eine absolut beklemmende Atmosphäre erzeugt.
        Gleich mit den verwirrenden Start, wo erst nach und nach die Grundzüge der Handlung erkennbar werden, wird der surreale Stil der Films erkennbar.
        Vergangenheit und Gegenwart, Traum und Realität lassen sich oftmals schwer unterscheiden, wodurch der Film desöfteren an die abgründigen Alptaumtrips eines David Lynch erinnert.
        Durch einige sexuell explizite Momente und wenige extrem harte Gewaltmomente in Verbindung mit den alptraumhaften Bildern und der unangenehmen Thematik erzeugt Sono eine nur schwer erträgliche Stimmung, wodurch permanentes Unwohlsein garantiert ist.
        Ca. zur Filmhälfte setzt dann ein erster großer erzählerischer Bruch ein, der den in der Folge immer größer werdenden Mindfuck-Faktor schon ankündigt.
        Gegen Ende scheint Sono seinen labyrinthartigen Plot dann fast schon erklärbärmäßig Stück für Stück aufdröseln zu wollen, ehe in den letzten fünf Minuten ein weiterer Haken geschlagen wird und den Zuschauer absolut verwirrt in den Abspann blicken lässt.
        Tolle Darsteller, wahnsinnige Ton - und Bildkompositionen, eine weirde mindfuckartige Geschichte sowie die abgründige, unangenehme Thematik.
        Ein zutiefst verstörendes Ereignis.

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          Tobi_G93 19.09.2020, 12:40 Geändert 19.09.2020, 13:16

          Grausame Morde, rätselhafte Krankheitssymptome, wütender Exorzismus, Zombies, Kampf von Gut gegen Böse??
          Holy Fuck was ein Trip.
          Nachdem der koreanische Regisseur Na Hong-Jin mit The Chaser und The Yellow Sea schon zwei Highlights des koreanischen Thrillers hervorgebracht hat, gelang ihm mit dem bizarren wie verstörendem Genremix "The Wailing" (2017) seine bisher stärkste Arbeit.
          Sein fast schon überladener und dabei dennoch sehr rund erscheinender Film, der unterschiedliche Thematiken wie Religion, Schamanismus oder Rassismus behandelt, durchstreift dabei vom Kriminalfilm mit Mysteryelementen bis zum okkultem, halluzinierendem Horror mehrere Genres und entfacht dabei das puren Grauen.

          Das erste Drittel ca. beginnt vorerst wie ein rätselhafter Kriminalthriller, in dem die stümperhaften Polizisten rund um den Familienvater Jong-goo (Do-won Kwak) versuchen, die myteriöse Mordserie aufzuklären, wobei die unterschiedlichen Täter scheinbar durchweg wahnsinnig geworden sind und seltsame Krankheitssymptome aufweisen.
          Indem der Regisseur die ermittelnde Hauptfigur und seine Kollegen recht tollpatschig und ängstlich erscheinen lässt, werden insbesondere zu Beginn oftmals humoristische Elemente in die Handlung eingewoben, welche tatsächlich recht gut funktionieren.
          Dennoch gelingt es Na Hong-Jin ebenso seinen Film vom Start weg eine durchgängig bedrohliche Atmosphäre zu erschaffen, indem er schon im ersten Drittel einige derbe sowie verstörende Momente inszeniert.
          Indem Jong-goo im Filmverlauf immer mehr persönlich in den Fall involviert wird und damit Elemente eines Familiendramas in die Handlung eingefädelt werden, ändert sich der Tonfall des Films nochmals deutlich und der Regisseur entfacht mehr und mehr einen nihilistischen Horrortrip.
          Mit beeindruckenden Montagen (doppelter Exorzismus, Finale), der drückenden Soundkulisse und kurzen Gewaltspitzen erschafft der Film dabei eine irre Stimmung irgendwo zwischen Faszination und purem Unbehagen.
          Das diabolische Finale, das in seiner pessimistischen Grimmigkeit dann schon überrascht, lässt den Zuseher schlussendlich zermürbt, geplättet aber auch berauscht zurück.
          Sicherlich der stärkste Horrorfilm der letzten Jahre.

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            Tobi_G93 17.09.2020, 14:55 Geändert 22.11.2020, 14:42

            1995 verfilmte Regisseur Taylor Hackford mit dem abgründigem Thrillerdrama "Dolores Claiborne" Stephen Kings gleichnamige Geschichte und lieferte damit sogleich eine der stärksten Verfilmungen des Schrifstellers ab.
            Haushälterin Dolores Claiborne (Cathy Bates) wird beschuldigt, ihre reiche, aber sehr altersschwache Arbeitgeberin Vera Donovan, für die sie schon jahrelang gearbeitet und gesorgt hatte, ermordet zu haben. Nachdem der ortsansässige Detective die Ermittlungen aufgenommen hat, erfährt Dolores´ erwachsene Tochter Selena St. George (Jennifer Jason Leigh) von den Ereignissen. Misstrauisch und überzeugt von der Schuld ihrer Mutter, kehrt sie zu ihrem Heimatort, einer kleiner Insel an der amerikanischen Nordostküste in Maine, zurück. Dort angekommen, kommt nach und nach eine düstere Vergangenheit ans Licht.

            Hackford verwendet für seinem Film eine clevere Erzählstruktur. Der in der Gegenwart verordnete Erzählstrang, in dem Mutter und Tochter nach langer Zeit aufeinander treffen und erstmal der Frage nach dem vermeinlichem Mord nachgegangen wird, ist als psychologisches Kammerspiel angelegt, wo in fesselnden, hitzigen Dialogen das ambivalente sowie angespannte Verhältnis der zwei Frauen ergründet wird.
            Dabei kommt unter anderem die düstere Vergangenheit der ehemals dreiköpfigen Familie zur Sprache, die der Regisseur mit einigen genialen Übergängen als zweiten Erzählstrang in Form von Flashbacks etabliert, welche zeitlich im Teenageralter von Selena verordnet sind.
            Inszenatorisch erzeugt Hackford dabei mit der tollen, hervorzuhebenden Bildsprache eine durchgehend fesselnde Atmosphäre.
            Die gegenwärtigen Ereignisse werden zumeist in tristen, gräulichen Aufnahmen dargestellt, womit die unterkühlte Mutter-Tochter Beziehung passend bebildert wird.
            Weitere beeindruckende Aufnahmen, wie das Haus vor dem abendlichen, blutrotem Himmel verwendet der Regisseur, um die unterschwellig brodelnde, leicht bedrohliche Stimmung hin und wieder kurz anzukündigen.
            Die Flashbacks dagegen werden meist in sehr hellen, farbenfrohen Bilderh gehalten, was dei den ziemlich bedrückenden vergangenen Ereignissen fast schon zynisch wirkt.
            Ebenso hervorzuheben ist das sehr überzeugende Schauspiel der beiden Hauptdarstellern, wodurch der Schmerz und der innere Zwiespalt ihrer Figuren durchgehend nachfühlbar erscheint.
            Einziger Wehrmutstropfen stellt für mich der in manchen Momenten (insbesondere beim Tod des Vaters) vorherrschende Hang zur Theatralik dar, der sowohl durch das Schauspiel als auch durch Hackfords Inszenierung zum Ausdruck kommt und den ich in den wenigen Momenten schon als ziemlich störend sowie unpassend empfand.
            Trotzdem locker eine der stärksten King Verfilmungen.

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              Tobi_G93 12.09.2020, 14:12 Geändert 13.09.2020, 13:17

              "The Descent" (2005) ist ein inszenatorisch hervorragender und ungemein klaustrophobischer Horrorthriller, der für mich ein klares Highlight im Horrorgenre seit der Jahrtausendwende darstellt.
              Regisseur Neil Marshall inszeniert die Geschichte in der ersten Filmhälfte als beklemmendes Höhlenabenteuer, welches einen immer problematischeren Verlauf nimmt, ehe in der zweiten Filmhälfte der endgültige Schwenk ins Horrorgenre mitsamt einigen blutigen Gewaltmomenten vollzogen wird.

              Sarah (Shauna Macdonald) stürzt sich mit ihren Freundinnen gerne in abenteuerliche Sportarten. Durch einen Autounfall, bei dem ihr Mann und Kind ums Leben kommen, gerät ihr Leben ziemlich aus den Fugen. Ein Jahr später leidet sie immer noch unter den Folgen des Unfalls, versucht sich aber mit einer Klettertour zusammen mit ihren Freundinnen abzulenken.
              Noch vor der geplanten Höhlentour gelingt es Marshall dabei gekonnt, mit tristen, farbentsättigten Aufnahmen die angeknackste, depressive Psycho Sarahs zu visualisieren.
              Die für den Filmverlauf wichtige Figurendynamik wird ebenso vom Start weg geschickt etabliert, sodass recht schnell ein Gefühl für die Hauptfiguren entsteht.
              Das beginnende Höhlenabenteuer inszeniert der Regisseur als beklemmende Extremsituation, in der die Frauen zu jeder Sekunde durch mögliche Steinschläge oder Stürze in Schluchten großer Gefahr ausgesetzt sind.
              Durch wenige Vorfälle in der Höhle, die meist in schweren Verletzungen münden, kommt es dabei schnell zu Unstimmigkeiten und Streitereien unter den Freundinnen, was in Kombination mit der beklemmenden Grundsituation schon alleine ein mehr als mulmiges Gefühl beim Zuseher erzeugt.
              Ca. ab der Filmhälfte erzeugt der Regisseur beginnend mit einem sehr effektiv eingesetzten Jumpscare ein grausiges Horrorkabinett, das sich mit den knüppelharten, blutigen Gewaltspitzen, dem klaustrophobischen Setting und überraschenden Entwicklungen bzgl. der Figurendynamik immer mehr zuspitzt.
              Mit dem fiesen, bösartigem Ende, welches durchaus Interpretationsspielraum (Gab es die Kreaturen wirklich?) bietet, verteilt der Regisseur nochmals einen Schlag in die Magengrube und findet damit einen passenden Schlusspunkt.
              Starkes Ding

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                Tobi_G93 11.09.2020, 18:08 Geändert 11.09.2020, 18:28

                "Ich will aufwachen!!"

                Ehe der spanisch-chilenische Regisseur Alejandro Amenabar 2001 mit seinem Gruselfilm The Others international für Aufsehen sorgte, landete er vier Jahre zuvor mit dem meisterhaften, aber etwas unbekannteren Thriller "Open Your Eyes" einen absoluten Volltreffer.
                Der durchgängig faszinierende Mix aus düsterem Liebesdrama, surrealem Psychothriller mit Hitchcock Anleihen (vor allem Vertigo) und Science Fiction Elementen erweist sich dabei als komplexes Spiel mit verschiedenen Realitätsebenen, die im Filmverlauf immer mehr verwischen.

                Der gutaussehende, aber auch arrogante Cesar (Eduardo Noriega) ist ein Frauenheld. Seine eifersüchtige Affäre Nuria behandelt er herablassend und beinah respektlos.
                Als er auf seiner Gebutstagsfeier auf die bildschöne Sofia (Penelope Cruz) trifft, verliebt er sich Hals über Kopf. Nachdem er widerwillig am nächsten Morgen in das Auto von seiner alten Geliebten Nuria gestiegen ist, kommt es zu einem folgenschweren Unglück...

                Schon die erste Szene des Films, in welcher Cesar morgens aufwacht und anschließend per Auto durch das menschenleere, morgendliche Madrid fährt, kündigt die komplexe Verwischung der Realitätsebenen, von Erinnerung, Traum und Alptraum früh an, indem die Szene als Erinnerung an einen Traum aufgelöst wird, den er seinem Psychiater zu einem chronologisch späteren Zeitpunkt berichtet.
                Ansonsten konzentriert sich der Film in der ersten Hälfte hauptsächlich auf die düstere Dreiecksbeziehung von Cesar, Sofia und Nuria.
                Durch den tragischen Unfall, den seine Affäre Nuria aus Eifersucht verursacht hat, wird Cesar im Gesicht verletzt, was ihn durch die Narbenbildung optisch geradezu entstellt.
                In Zuge dessen stellt der Regisseur insbesondere die psychische Verfassung Cesars nach dem Unfall in den Vordergrund, der dadurch seine selbstbewusste und leicht
                arrogante Art im Grunde vollständig verliert und voller Selbstzweifel und Unsicherheit agiert, was schnell zu depressiven Tendenzen bei Cesar führt ("Jeden morgen wenn ich in den Spiegel schaue möchte ich am liebsten sterben").
                Indem fortlaufend immer mehr die Frage gestellt wird, ob Sofia, die sich auf der Feier ebenso zu Cesar hingezogen gefühlt hat, immer noch Interesse an Cesar nach dessen Verletzungen hat, thematisiert der Regisseur insbesondere die häufig diskutierte Oberflächlichkeit in der menschlichen Gesellschaft. Die Antwort darauf von Amenabar, die im Filmverlauf immer klarere Züge bekommt, hat mich dann doch etwas ernüchtert zurückgelassen.

                Durch die gerade in der zweiten Filmhälfte immer stärker werdende Vermischung der Realitätsebenen, der Etablierung von Horrorelementen (besonders zwei Jumpscares wurden sehr effektiv inszeniert) und dem tollen melancholischen Score erzeugt der Film immer mehr eine alptraumhafte, beklemmende Atmosphäre, wodurch ein bisweilen rauschhafter Sog entsteht.
                Die gegen Ende des Film etablierten Science Fiction Elemente sind grundsätzlich überzeugend inszeniert, stellen für mich aber den schwächsten sowie uninteressantesten Aspekt des Films dar, wobei die Geschichte auch hier immer noch den ein oder anderen vor allem auf emotionaler Ebene mitreißenden Kniff vollzieht.
                Insgesamt ein toll inszenierter, stark gespielter und emotionaler Mindfuck-Film.
                Kleines Meisterwerk

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                  Tobi_G93 06.09.2020, 12:34 Geändert 07.09.2020, 19:14

                  Im spanischen Film "Painless" (2012), einem Mysterythriller mit Fantasy- und Horrorelementen, wird wie schon bei einem Guillermo del Toro (Pans Labyrinth, Devil`s Backbone) die düstere spanische Vergangenheit (Franco Regime) als Kulisse verwendet und mit Genrefilmelementen verbunden.
                  Regisseur Juan Carlos Medina splittet seinen Film in zwei unterschiedliche Erzählstränge, die er im Filmverlauf parallel vorantreibt.
                  In den 1930er Jahren Spaniens ereignet sich eine wahrlich erschütternde Geschichte.
                  Einige Kinder empfinden aus unerfindlichen Gründen keinen Schmerz und werden, weil sie für sich selbst und anderen Menschen eine Gefahr darstellen, in ein Sanatorium gesperrt. Szenenwechsel.
                  In der Gegenwart bekommt der Arzt David nach einem Autounfall zufällig die schmerzhafte Diagnose Krebs. Da eine Stammzellentherapie die einzige Möglichkeit zur Heilung darstellt, muss er sich auf die Suche nach seinen leiblichen Eltern machen und stößt dabei nach und nach auf eine düstere Vergangenheit.
                  Medina befeuert dabei vom Start weg die verstörenden Elemente des Films, indem schon in der ersten Szene ein junges Mädchen durch Kontakt mit einem der betroffenen Kinder direkt in Flammen aufgeht.
                  Insbesondere durch dem in der Vergangenheit verordneten Erzählstrang erzeugt der Regisseur eine knüppeldicke, aber atmosphärisch dichte Stimmung, wo er mit der Geschichte rund um die verlorenen Kinder in Verbindung mit der grausamen politischen Lage des damaligen Spaniens ein wahres Martyrium offen legt.
                  Die Mischung aus tragischen Ereignissen und wenigen expliziten, meist im Off stattfindenden Gewaltmomenten entfachen dabei ein durchgehend unangenehmes Gefühl in der Magengegend.
                  Die gegenwärtige Suche von David nach seinen leiblichen Eltern ist dagegen leicht höhepunktarm und recht unspektakulär inszeniert, was aber einen guten Kontrast zum anderen Erzählstrang darstellt.
                  Problematisch war für mich die eher schnell vorhersehbare Pointe zum Schluss, die für den erfahreneren Filmschauer keine Überraschung darststellen sollte.
                  Zum Ende gelingt es Medina dennoch mit einem leicht rätselhaften und dabei tieftragischem Finale einen gelungenen Schlusspunkt zu setzen.
                  Weiterer überzeugender Genrevertreter aus Spanien.

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                    Tobi_G93 04.09.2020, 17:04 Geändert 18.05.2021, 12:36

                    "Swimming Pool" (2003) von Francois Ozon ist ein recht eigenwilliger und nur schwierig in eine Schublade zu steckender Slow-Burner, der wohl am treffendsten als Mix aus leicht entrückt erscheinendem Mysterythriller und sexuell aufgeladenem Psychodrama
                    zu beschreiben ist.
                    Die einsam und frustriert wirkende Schriftstellerin Sarah Norton (Charlotte Rampling) wird von ihrem Verleger John in dessen Ferienhaus in Frankreich eingeladen, damit sie dort ihren neuen Roman in aller Ruhe ohne Ablenkung fertig stellen kann.
                    Nachdem sie für kurze Zeit nach ihrer Ankunft die Ruhe auf dem einsamen Landsitz genießen kann, bekommt sie in Form von Johns sexuell freizügiger Tochter Julie (Ludivine Sagnier) Gesellschaft im Haus. Da sich Julie ohne große Rücksichtnahme samt sexueller Eskapaden im Haus breit macht, kommt es schnell zu Unstimmigkeiten zwischen den beiden sehr unterschiedlichen Frauen.
                    Ozon nimmt sich insgesamt sehr viel Zeit (teilweise sogar etwas zu viel) für seine Protagonistin. Ihre tägliche Routine (Ess- und Trinkverhalten, erste Schreibversuche, Abstecher in den nächsten Ort, ...) wird anfangs sehr detailliert und ausführlich dargestellt, wodurch die Verbindung zur Hauptfigur im Filmverlauf durchgehend vorhanden ist und die Taten meist nachvollziehbar bleiben.
                    Mit der Ankunft von Julie wird zunehmend der voyeuristische Blick Sarahs auf Juli thematisiert, wobei Sarah nach anfänglichen Schwierigkeiten immer mehr Sympathien für die junge Frau entwickelt und dabei sogar Julie als Vorlage für die Figur in ihrem Roman verwendet.
                    Mit Hilfe der cleveren Kameraführung und einer rätselhaften Symbolik
                    (der titelgebende Swimming Pool) fügt der Regisseur im weiteren Filmverlauf auf recht subtile Weise immer mehr mysteriöse Elemente hinzu, was gerade im letzten Drittel eine leicht surreal wirkende Stimmung erzeugt und den Film bis zum Ende wenig vorhersehbar erscheinen lässt.
                    Gerade mit der finalen Pointe gelingt Ozon schlussendlich ein interessanter Kniff, welcher fast wie ein filmischer Diskurs über Realität und Fiktion erscheint und dabei den Entstehungsprozess einer Autorin zeigt, die eine fiktive Geschichte für ihr Buch kreiren muss und dabei immer mehr zwischen der Fiktion und der Realität lebt.
                    Mindfucking.

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                      Tobi_G93 29.08.2020, 12:43 Geändert 22.11.2020, 14:44

                      "Das Haus an der Friedhofsmauer" (1981) vom italienischen Gore-Altmeister Lucio Fulci ist ein insbesondere atmosphärisch ziemlich überzeugender Horrorklassiker, der gerade bei Fans vom 80er Jahre Horror auf Anklang treffen sollte.
                      Dabei mischt der Film durchaus gekonnt die Haunted House Thematik mit fulci-typischer, übernatürlicher Mystik und einer ordentlichen (wenn auch gar nicht mal so im Fokus stehender) Portion Gewalt, wobei allerdings die Charakterzeichnung der Protagonisten stark zu wünschen übrig lässt und im Grunde fast vollständig fehlt.
                      Das Acting der Schauspieler ist dabei ebenso meist ziemlich hölzern und eher unbeholfen.
                      Wem das stört, völlig falscher Film.
                      Fulci konzentriert sich fast ausschließlich auf seine Inszenierungskünste und schafft es dabei vom Start weg (die ersten fünf Minuten dürften mit der gruseligste Opener sein, der mir im Horrorgenre bekannt ist), eine durchgehend beklemmende Stimmung zu erzeugen.
                      Mit Hilfe der enorm atmosphärischen Sets (vor allem das titelgebende Haus), den beunruhigenden Kamerafahrten, einem sich in Mark und Bein krallendem Sounddesign und wenigen, aber sehr expliziten und blutigen Gewaltmomenten erschafft der Film eine konstant unangenehme Atmosphäre zwischen permanenter Anspannung und verstörenden Terrormomenten. Durch die übernatürlich angehauchte Thematik und Fulcis cleverer Inszenierung bekommt der Film dabei eine leicht surreale Note, was das Ganze irgendwo zwischen Realität, Mystik und Wahnsinn verortet.
                      Gerade mit dem verstörenden, aber auf poetischer Art beinah versöhnlichem Finale setzt Fulci nochmals ein weiteres Highlight und einen starken Schlusspunkt.
                      Trotz klarer Schwächen ein guter und empfehlenswerter Film im Horrorgenre.

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                        über Serpico

                        "Es ist unglaublich. Es ist unfassbar. Ich stehe wie ein Verbrecher da, weil ich es ablehne Geld zu nehmen."

                        Mit dem mehrfach oscarnominierten Film "Serpico" gelang Regielegende Sidney Lumet 1973 ein echter Klassiker des Copdramas sowie gleichzeitig eines der großen Highlights des New Hollywoods. Basierend auf den wahren Begebenheiten und der von Peter Maas verfassten Biographie verfilmte der Regisseur den Kampf des New Yorker Polizisten Frank Serpico (Al Pacino) gegen die Korruption des örtlichen Polizeiapparates.
                        Frank ist ein ehrenhafter Cop, ein Gerechtigkeitsfanatiker, dabei aber dennoch mit kleineren Macken versehen.
                        In dem von Lumet ausgesprochen dreckig sowie düster eingefangenem Moloch New York möchte er als Polizist Karriere machen. Nachdem er seine nicht ganz so ehrenhaften Kollegen kennen lernt und deren zwielichtige Machenschaften erkennt,
                        kann der aufrichtige Polizist nur seinen Prinzipien folgen und dementsrechend ordentlich Staub aufwirbeln..
                        Lumet zeichnet ein wahrlich erschreckendes Bild des damaligen New Yorker Polizeiapparates. Korruption, Schmiergeldaffären, Rassismus und Homophobie stehen bei vielen ansässigen Polizisten an der Tagesordnung, die ihre Machenschaften dabei als das Normalste auf der Welt ansehen.
                        In den 130 Minuten nimmt sich der eher tempoarme Film dabei immer wieder genug Zeit für die genaue Beleuchtung von Franks Charakter.
                        Zuerst hält er sich noch zurück und agiert passiv, indem er zwar die Schmiergelder verweigert und deshalb langsam bei den Kollegen in Verruch gerät, aber noch den Mund hält.
                        Nachdem aber Franks Mut über seine Angst siegt, kommt es zu ersten Versuchen die Korruption seiner Kollegen ans Tageslicht zu bringen, wobei er bei einigen Ansprechpartnern eher auf taube Ohren stößt.
                        Erst als sich ein Sonderausschuss der Ermittlungen annimmt und Frank als wichtigsten Zeugen vorsieht, manövriert er sich immer mehr in Lebensgefahr.
                        Al Pacinos Performance ist dabei wirklich enorm stark und einer der Hauptgründe für die Qualität des Films.
                        Insgesamt ein ziemlich bitteres Abbild der damaligen Zustände des Polizeiapparats in New York und gerade mit dem Wissen um die wahren Ereignisse auch ziemlich erschreckend.
                        Wenigstens gibt der Film zum Schluss einen (wahrscheinlich nicht hundertprozentig umsetzbaren) kleinen Lösungsvorschlag mit auf den Weg.
                        Starker Klassiker

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                          Tobi_G93 22.08.2020, 19:04 Geändert 22.08.2020, 19:04

                          "State of Play" (2009) ist ein recht unterhaltsamer, altmodischer Politthriller, der insbesondere durch seinen starken Cast und überzeugenden Schauspielperformances hervorsticht.
                          Ein kaltblütiger Doppelmord. Ein vermeintlicher Selbstmord, wobei das Opfer die Assistentin des Abgeordneten Stephen Collins (Ben Affleck) ist. Der investigative Journalist Cal McAffrey (Russel Crowe) nimmt die Fährte auf, der zugleich ein alter Weggefährte von Collins ist.
                          Nach und nach kommen mehr Widersprüche ans Tageslicht.
                          In etwas zu langatmigen 120 Minuten erzählt Regisseur Kevin MacDonald eine stimmige, aber gar nicht mal sonderlich komplexe Geschichte eines Journalisten, der sich mehr und mehr in den undurchsichtigen Machenschaften seines alten Freundes, dem Abgeordneten Stephen Collins, verheddert. Zwielichtige Treffen in düsteren Gassen, durchgängig undurchsichtige Gestalten, politische Verschwörungstheorien und beunruhigende Ermittlungsarbeiten lassen Cal immer mehr hinterfragen, was hinter der Fassade des scheinbar unschuldigen Mannes wirklich vor sich geht.
                          Mit annehmbarer Charakterzeichnung, einigen starken Dialogsequenzen, grundsätzlich überzeugendem Schauspiel (Gerade Crowe ist richtig gut) und wenigen, aber durchaus beunruhigenden Spannungsspitzen kann der Film trotz einer etwas zu hohen Laufzeit ein meist kurweiliges Sehverhalten erzeugen.
                          Insgesamt nie auf richtig starkem Niveau, aber dabei in den entscheidenden Aspekten klar überdurchschnittlich.
                          Deshalb als Politthriller definitiv empfehlenswert.

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                            Tobi_G93 21.08.2020, 17:29 Geändert 29.08.2020, 13:10

                            Schwächer als erwartet.
                            "Knight Moves" (1992) von Carl Shenkel ist ein stimmig inszenierter Thriller, der leider durch nicht besonders überzeugendes Schauspiel (insbesondere Christopher Lambert) und einem uninspirierten, teilweise hanebüchenen Plot qualitativ eher mittelmäßig anzusiedeln ist.
                            Schachgenie Peter Sanderson wird verdächtigt seine Geliebte ermordet zu haben, da sie nach einer Liebesnacht mit ihm tot aufgefunden wurde. Allerdings meldet sich kurz darauf ein unbekannter Anrufer bei ihm, der den Mord gesteht und weitere Gewalttaten ankündigt. Der Unbekannte fordert Sanderson scheinbar zu einem bizarrem Schachpiel auf Leben und Tod heraus.
                            Inszenatorisch ist dem Film kaum etwas vorzuwerfen. Durch stimmungsvolle Sets (Schauplatz ist eine Insel an der Nordwestküste der USA nahe Seattle), düstere und nebelverhangene Aufnahmen und dem stimmigem Schnitt gelingt dem Film eine durchaus beunruhigende Atmosphäre, in der die Bedrohung des Mörders als ein über allem stehendes Phantom lange Zeit spürbar ist.
                            Indem der Plot dabei lange Zeit unterschiedliche Möglichkeiten für den Täter offen lässt, enstehen wenig bis gar keine großartigen Längen ,wobei hin und wieder gut gesetzte Spannungsmomente das Tempo gekonnt beschleunigen. Schon früh fallen allerdings hin und wieder kleinere Ungereimtheiten plotbezogen auf, welche die Handlung insgesamt auf eher wackeligen Beinen stehen lassen.
                            Gerade das Finale mit enormen Bullshit-Faktor lässt den ganzen Film zuvor deutlich schwächer aussehen als er im Verlauf eigentlich lange Zeit war.
                            Dass Christopher Lambert seine grundsätzlich ordentlich geschriebene Hauptfigur wenig überzeugend darstellt und die weiteren Darsteller ebenso nicht sonderlich stark performen, liefert einen weiteren qualitativ problematischen Aspekt des Films.
                            Alles in allem aufgrund der atmosphärischen Inszenierung und dem lange Zeit recht spannenden Sehverhalten gerade so noch Durchschnitt.
                            Schade

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                              Tobi_G93 18.08.2020, 20:01 Geändert 18.08.2020, 20:07
                              über Suburra

                              Stefano Sollimas "Suburra" ist ein hervorragend inszeniertes und vielschichtiges Neo-Noir Thrillerdrama, welches nicht nur als Thriller über die Strukturen der Mafia und der politischen Korruption Roms funktioniert sondern dabei sogar ein nihilistisches, scheinbar realistisches Abbild der italienischen Gesellschaft zeichnet.
                              In wahnsinnig atmosphärischen und stylischen Bildern zeigt der Film ein wahrlich pessimistisches Bild einer Stadt, die von Gewalt, Gier nach Macht, Korruption, sexueller Perversionen und moralischem Verfall vollständig durchzogen ist.
                              In der von mafiösen Strukturen verseuchten Stadt gibt es keine Unschuldigen mehr, jeder hat sich seine Finger auf irgendeine Art und Weise verbrannt. Kirche, Politik, Wirtschaft und Mafia sind dabei gleichermaßen in den komplexen,verrohenden Machtstrukturen involviert und stehen fast auf der selben Ebene.
                              Indem Sollima gerade anfangs fast schon episodenhaft verschiedene Personen aus unterschiedlichen kriminellen Bereichen begleitet, schafft er dadurch zunächst durch die recht hohe Anzahl an involvierten Personen etwas Verwirrung, wobei die Verbindungen und Beziehungen dieser im Filmverlauf auf clevere Art und Weise nach und nach zusammengeführt werden.
                              Auf wirkliche Hauptfiguren oder Sympathieträger verzichtet der Regisseur im Grunde vollständig, alle involvierten Personen spielen das Spiel fast nur für sich selbst und moralische Werte wie Loyalität oder Freundschaft sind längst unter der ganzen Korruption, der Gewalt und den Intrigen begraben worden.
                              So wird auch im Vergleich mit einigen vergleichbaren Filmen (Der Pate beispielsweise) die Mafia weder glorifiziert noch romantisiert. Das oberflächlich gesehen glanzvolle Leben ist hier nur die Oberfläche einer leeren Hülle, die nichts als Destruktivität, Gewalt und Tod zur Folge hat.
                              Durch die vorherrschenden mafiösen Verstrickungen sowohl in der Oberschicht wie der Kirche (Vatikan), der Politik oder der Wirtschaft als auch in Unterschichten wie in der Prostitution oder von Kleinkriminellen und Junkies zeichnet der Film ein bedrückend pessimistisches Bild einer beinah hoffnungslos am Abrund befindlichen italienischen Gesellschaft (da möchte man glatt hoffen, dass hier etwas übertrieben wurde).
                              Inszenatorisch ist der Film dabei auf enorm hohen Niveau angesiedelt.
                              Mit den kühlen, verregneten und neonartigen Aufnahmen und dem hypnotischen, beinah rauschhaften Electro-Soundtrack erzeugt der Film durchgehend eine bedrückende, melancholisch angehauchte Atmosphäre, die mich hin und wieder an Refns Meisterwerk Drive erinnert hat.
                              Insgesamt echt stark.

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                                Tobi_G93 17.08.2020, 17:36 Geändert 17.08.2020, 17:46

                                Der südkoreanische Netflix-Thriller "Forgotten" (2017) kann einerseits durch stilsichere Inszenierung überzeugen, fällt jedoch andererseits durch den komplett überladenen, unausgegorenen Plot fast vollständig in sich zusammen.
                                Der Film kombiniert Versatzstücke des Mysteryfilms mit Elementen des psychologischen Thrillers und des koreatypischen Rachedramas, wobei die unterschiedlichen Elemente recht uninspiriert chronologisch aneinandergereiht werden (nach ca jedem Drittel ein fast schon abrupter Genrewechsel).
                                Atmosphärisch sticht insbesondere des erste Drittel heraus, das mit einer rätselhaften, leicht beklemmenden Stimmung und den mysteriösen Vorkommnissen im Plot qualitativ klar am überzeugendsten daherkommt.
                                Realität und Fiktion sind gerade anfangs nur schwer voneinander zu trennen, was die Handlung erstmal recht schwer durchschaubar erscheinen lässt.
                                Mit einem wenig vorhersehbaren, aber recht hanebüchenen Storytwist kommen die Probleme ins Spiel.
                                Die ganze Handlung steht von nun an aus psychologischer Sicht auf mehr als wackligen, ziemlich unglaubwürdigen Beinen. Dies nicht genug, werden im Filmverfauf weitere absolut kontruiert und übertrieben wirkende Wendungen präsentiert, wodurch ich den Film trotz einiger starker Spannungsmomente nicht mehr richtig ernst nehmen konnte.
                                Schauspielerisch ist das Ganze dabei auf recht ordentlichem Niveau.
                                Trotz aller überkonstruierten Handlungselementen ist das letzendliche Finale dann wieder deutlich ansprechender, das für seine Protagonisten nur im Tod eine Art Erlösung findet, um die Qualen des Lebens abzuschütteln.
                                Schade, hier wäre mit einem weniger herbeikonstuiertem Drehbuch viel mehr möglich gewesen.
                                So nur Durchnitt.

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                                  Tobi_G93 16.08.2020, 19:09 Geändert 17.08.2020, 17:00
                                  über Creep

                                  Der Titel hält was er verspricht.
                                  Patrick Brices Regiebebüt "Creep" ist einer (der wenigen) guten und effektiven Vertreter des Found-Footage Horrorsubgenres, der durch seine gekonnte Inszenierung fast durchgehend eine ziemlich angsteinflößende Atmosphäre erzeugen kann.
                                  Wegen einer Anzeige macht sich Videofilmer Aaron (Patrick Brice) auf den Weg zu einem auf einem Berg gelegenen Grundstück, wobei er keine genaueren Informationen darüber hat. Nach einer recht ungewöhnlichen ersten Begegnung stellt sich ein Mann namens Josef (Mark Duplass) als Verfasser der Anzeige heraus. Er sei todkrank und habe nur noch wenige Wochen zu leben. Da seine Frau aber Schwanger sei, soll Aaron ihn einen Tag lang mit der Kamera begleiten und dadurch ein Videoportrait für seinen Sohn erstellen. Josefs seltsamen, teilweise widersprüchlichen und ebenso beunruhigenden Aussagen sowie sein ganzheitlich undurchschaubares Auftreten schüren bei Aaron nach und nach Angst und Misstrauen bezüglich seines Auftraggebers.
                                  Neben der teilweise wirklich beängstigenden Stimmung des Films ist vor allem die undurchsichtige Figur von Josef die größte Stärke des Films. Bis ganz zum Schluss werden dabei unterschiedliche Möglichkeiten offen gelassen.
                                  Ist er wirklich ein schwerkranker Mann, der durch seine tragischen Umstände einfach nur neben der Spur ist?
                                  Ist er in Wirklichkeit ein Irrer, der sich einen Spaß macht Aaron zu verunsichern und dabei sogar gefährlich und zu Gewalttaten bereit ist?
                                  Oder eine verbitterte, einsame Person, die sozial inkompetent und hilflos ist und deshalb über Anzeigen an menschliche Kontakte zu kommen versucht?
                                  Dass der Film dabei so gut funktioniert liegt auch zu großem Teil an Mark Duplass toller Performance.
                                  Durch sein starkes Schauspiel schafft er es auf subtile Weise, seiner Figur insbesondere im ersten Drittel eine traurige und menschliche Note zu verleihen, indem er immer wieder mit seinem nuanciertem Spiel die scheinbar tragischen Umstände und den Wehmut seiner Figur zum Ausdruck bringt.
                                  Ebenso überzeugend gelingt es ihm anschließend, spätestens ab dem zweiten Drittel durch seine immer rätselhafteren und bedrohlicheren Verhaltensweisen seiner Figur eine ziemliche Creepyness zu verleihen.
                                  Verdammt stark gespielt.
                                  Nach dem ziemlich bösartigem Finale mit einem recht weirden Twist erscheint der ganze Film plötzlich in einem komplett anderen Licht und wirkt fast wie ein zynischer Kommentar des Regisseurs auf das Found-Footage Genre.
                                  "Creep" ist undurchsichtig, unangenehm, beunruhigend und verlagert den Horror absolut perfide in den Kopf des Zusehers.
                                  Creepy as F**k

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                                    Tobi_G93 12.08.2020, 20:03 Geändert 12.08.2020, 20:13

                                    “Where does it come from? All this hatred?”

                                    Nach seinem genialen Meisterstück Angel Heart gelang Regielegende Alan Parker (R.I.P.) 1988 mit dem Thrillerdrama "Mississippi Burning" nur ein Jahr später gleich der nächste Volltreffer. Thematisiert wird hierbei der Rassismus in den Südstaaten der 60er Jahre, im Speziellen befasst sich der Film basierend auf wahren Begebenheiten mit dem Mord dreier Bürgerrechtler im Bundesstaat Mississippi (Neshoba County) im Jahr 1964, der von Mitgliedern des Ku Klux Klans verübt wurde.
                                    Zur Aufklärung des Falles werden die beiden FBI-Agents Anderson (Gene Hackman) und Ward (Willem Dafoe) in den Süden geschickt, um das Verschwinden der drei Bürgerrechtler zu untersuchen. Dabei müssen sie jedoch feststellen, dass die ganze Region regelrecht vom Rassismus verseucht ist und selbst die örtliche Polizei davon nicht ausgenommen ist.
                                    Durch ihre Ermittlungen spitzt sich dabei die Lage mehr und mehr zu.
                                    Parker und sein Kamerateam gelingt es wie schon im Vorgänger ihren Film wahnsinnig atmosphärisch zu gestalten. Mit verschwitz-schwülen Aufnahmen, wahnsinnig authentischen Sets und dem mal melancholisch angehauchtem, mal pochend-drückendem Score wird in Kombination mit der bedrückenden Thematik eine unangenehme, zuweilen fiebrige Stimmung erzeugt, die durchgehend unter die Haut geht.
                                    Auch das grausame, sadistische Vorgehen der "Weißen" gegen die dunkelhäutige Bevölkerung (Abbrennen von Scheunen und Kirchen, Ermordungen) erzeugt mehrmals pures Entsetzen.
                                    Das Tempo im Film ist insgesamt eher langsamer, gibt dabei aber den Figuren genug Zeit für Charakterzeichnung und entsprechende nachvollziehbare Entwicklungen im Filmverlauf.
                                    Auf den ersten Blick erscheinen die beiden Hauptfiguren dabei recht stereotypisch angelegt. Der aufbrausende, erfahrene Cop, der immer weniger auf Legalität achtet sondern auch auf unrechte Vorgehensweisen zurückgreift, dabei aber sehr empathisch ist und das Herz am rechten Fleck hat. Auf der anderen Seite der junge, aufrechte Cop, der immer das Gesetzbuch im Blick hat, aber dabei eher gefühlskalt wirkt. Diese unterschiedlichen Einstellungen führen auch hier im Filmverlauf nachvollziehbarerweise zu Konflikten untereinander.
                                    Durch das hervorragende, authentische Schauspiel der beiden Protagonisten, genug Backstory (mehr bei Hackmans Figur) und stark geschriebenen Dialogen wirken die Charaktere dabei dennoch gut enwickelt und lebendig, wodurch man mit beiden Protagonisten gut mitfühlen und connecten kann.
                                    Insgesamt ein bockstarker Film, dessen Thematik aktueller (George Floyd, Vorkommnisse in Fußballstadien in den letzten Jahren, etc) denn je ist.
                                    Einfach furchtbar traurig.

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                                      Tobi_G93 09.08.2020, 18:08 Geändert 11.08.2020, 18:43

                                      "The Children" von Tom Shankland ist ein ziemlich gemeiner Horrorthriller, der mit einer fiesen Prämisse und entsprechend konsequenter, intensiver Umsetzung recht verstörend wirkt. Der 2008 entstandene, britische Film ist dabei für mich einer der besten Beispiele für die Inszenierung von Kindern als Ursache des aufkommenden Horrors im Film.
                                      Ein Landhaus in der Provinz, eine winterlich verschneite Landschaft und zwei Familien, die die winterlichen Feiertage auf dem Lande verbringen wollen. Die Harmonie endet aber schnell, als ein Kind nach dem Anderen über Krankheitsgefühle klagt oder durch unerklärliche Verhaltensweisen auffällt. Es bleibt allerdings nicht nur dabei, sondern es kommt relativ bald zu ersten gewaltsamen Übergriffen der Kinder, welche von nun an immer drastischer und brutaler ausfallen.
                                      Ein Überlebenskampf hat begonnen.
                                      Der Film erzeugt vom Start weg eine durchgehend bedrohliche Atmosphäre, indem schon im Vorspann die nächtliche, verschneite Waldlandschaft auf subtil beklemmende Art eingefangen wird und damit die kommenden, grausamen Ereignisse schon von Anfang an erahnen lässt.
                                      Die schon recht früh auftretenden, rätselhaften Krankheitssymptome der Kinder (Erbrechen, undefinierbare Angstzustände) verstärken dabei die bedrohliche Stimmung noch bevor überhaupt etwas gewalttätiges vorgefallen ist.
                                      Mit dem vorerst zufällig erscheinenden ersten "Unglück", das mit seiner realistischen Gewaltdarstellung und Konsequenz ordentlich verstört, erteilt der Regisseur den Startschuss eines echt fiesen und intensiven Horror-Szenarios, das in seiner grimmigen Intensität absolut verängstigen aber ebenso überzeugen kann.
                                      Die Gefahr ist hier keine Bedrohung von Außen, sondern kommt von Innen, aus dem Kreise der eigenen Familie, von den eigenen Kindern, was den Film stellenweise besonders zuschnürend und schockierend wirken läßt.
                                      Die wenigen, aber sehr realistisch und unangenehm wirkenden Gewaltmomente verstärken dabei noch die verstörende Wirkung des Films, welcher fast durchgehend tagsüber spielt und mit seinen schneebedeckten, sonnigen Winterlandschaften und dem unerklärlichen Verhalten der Kinder eine rätselhafte, beklemmende Stimmung erzeugt.
                                      Das größtenteils richtig gute Schauspiel und das schon fast apokalyptische Finale sind weitere gelungene Aspekte eines wirklich intensiven Films, der (nicht nur) Genrefreunden absolut ans Herz zu legen ist.

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                                        Tobi_G93 08.08.2020, 18:48 Geändert 04.07.2021, 20:31

                                        Ben Afflecks zweite Regiearbeit, der Heist-Film "The Town", ist nach seinem herausragendem Debüt Gone Baby Gone eine weitere absolut gelungene Arbeit des Regisseurs und Schauspielers. Der dramatische Crime-Thriller überzeugt dabei vor allem durch seine raue, authentische Stimmung und den starken Schauspiel- Performances.
                                        Inhaltlich erinnert der Film an Michael Manns Meisterwerk Heat, wobei er niemals dessen Tiefe und Brillianz aufweisen kann. So dreht sich auch hier die Geschichte um eine Gangsterbande, die Raubüberfälle begeht und deshalb in das Visier des FBI gerät.
                                        Schauplatz der Geschichte ist Afflecks Heimatstadt Boston und dessen berüchtigter Teilbezirk Charlestown, welchen der Regisseur mit einer sehr authentischen sowie knallhart-kompromisslosen Stimmung portraitiert.
                                        Die Charakterzeichnung ist dabei ziemlich stimmig und durchaus ambivalent, was vor allem an den beiden Hauptprotagonisten der Gangsterbande zu sehen ist.
                                        Doug MacRay (gut: Ben Affleck), der Anführer der Bande, ist im Grunde kein schlechter Kerl, sondern mehr Produkt seiner Vergangenheit und seines Umfelds. Unter anderen Umständen wäre er wohl ein recht normaler Bürger. Sein langjähriger Freund James (sehr stark: Jeremy Renner) erscheint zuerst skrupelloser und recht kaltblütig, wobei auch er im Laufe des Films immer wieder humane Züge offenbart.
                                        Die insgesamt eher ruhige Inszenierung nimmt sich dabei immer wieder Zeit für Charakerzeichnung und entsprechende Entwicklung, wobei der Film hin und wieder schlagartig mit gut platzierten, explosiven Actionpassagen die Intensität enorm ansteigen lässt.
                                        Im Laufe des Films erweitert Affleck mit der Romanze von Doug und der Geisel des ersten Überfalls Claire (Rebecca Hall) gekonnt die eigentliche Thrillerhandlung mit immer mehr in den Vordergrund rückenden Drama-Elementen, wodurch das Ganze noch an Emotionalität gewinnt.
                                        Mit einem knallharten Showdown erhöht der Regisseur die Spannung und Intensität nochmals deutlich und findet mit dem bittersüßen Ende einen wie ich finde absolut angemessenen Schlusspunkt.
                                        Einer der stärksten Heist-Filme (eigtl nur Heat klar besser).

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                                          Tobi_G93 23.07.2020, 17:14 Geändert 09.08.2020, 17:08

                                          Die spanische Filmlandschaft hat uns (nicht nur) in der letzten 10 - 15 Jahren ziemlich regelmäßig mit starken Genrefilmen (vor allem Thriller und Horror) verwöhnt, die meist durch eine kluge Erzählweise und recht intensiver Wirkung überzeugen konnten.
                                          Zu diesen Vertretern darf auch das Debüt der beiden Regie Neulinge Juanfer Andrés und Esteban Roel gezählt werden.
                                          Mit "Shrew's Nest" präsentieren die Beiden einen sehr interessanten, kammerspielartigen Suspense-Thriller, der im letzten Drittel durch Drama- und Horrorelemente gekonnt ergänzt wird.
                                          Mittelpunkt der in den 1950er Jahren angesiedelten Geschichte ist die an Agoraphobie leidende Montse (Maccarena Gomez), die zusammen mit ihrer Schwester (Nadia de Santiago) in einer Wohnung eines Mehrfamilienhauses wohnt. Als sich jedoch eines Tages der junge Nachbar Carlos (Hugo Silva) im Treppenhaus verletzt, nimmt ihn die psychisch labile Frau in der Wohnung zur Pflege aus. Doch sie entwickelt bald eine Obsession für ihren Patienten, der immer mehr zum Gefangenen mutiert.
                                          Durch die beengten Räumlichkeiten der Wohnung entsteht schnell eine beklemmende, gar klaustrophobische Atmosphäre, was zu einer konstant gehaltenen Anspannung führt.
                                          Maccarena Gomes' Performance ist dabei eindeutig das schauspielerische Highlight des Films. Durch ihr gekonntes Spiel kann sie einerseits durchgehend ein gewisses Mitleidsgefühl beim Zuschauer erzeugen, wobei sie andererseits im letzten Drittel durch ihren immer stärker entfesselten Wahnsinn enorm bedrohlich und furchteinflößend wirkt. Ihre lange Zeit etwas rätselhafte Figur wird dabei im Verlauf des Films nach und nach in Form von kurzen Flashbacks und Tagträumen ergründet, wodurch immer mehr grauenvolle Ereignisse ihrer Vergangenheit aufgedeckt werden.
                                          Nachdem die erste Stunde recht ruhig verläuft, dennoch einige intensive Momente bereithält, ziehen die Regisseure das Tempo im letzten Drittel stetig an. Durch einige garstige Gewaltmomente, die einem teilweise das Blut in den Adern gefrieren lassen, und schmerzhaften Enthüllungen aus Montses Vergangenheit gewinnt der Film immer mehr an Dramatik, wobei erst ganz zum Schluss das letzte Puzzleteil der tragischen Geschichte serviert wird, was mich dann echt sprachlos zurückgelassen hat.
                                          Ein Wehrmutstropfen ist dabei aber schon, dass das Ganze schon ziemlich konstruiert wirkt.
                                          Dennoch hat der Film seine Wirkung keineswegs verfehlt und mich dabei mit einem recht traurigen Gefühl zurückgelassen.
                                          Sollte man als Fan von spanischen Genrevertretern definitiv gesehen haben.

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                                            Tobi_G93 22.07.2020, 15:03 Geändert 23.07.2020, 20:57

                                            Jonathan Glazers (Under The Skin) Regiedebüt "Sexy Beast" ist ein inszenatorisch herausragender, schwarzhumoriger Thriller, der mich insgesamt ziemlich beeindruckt hat.
                                            Der ehemalige Einbruchsexperte Gal (Ray Winstone) lebt mittlerweile mit seiner Frau in einer Luxusvilla an der spanischen Küste. Als die Frau seines besten Freundes, die ebenso zusammen nach Spanien ausgewandert sind, einen Anruf des psychopathischen Gangsters Don Logan (Ben Kingsley) erhält und erklärt bekommt, dass Gal in Kürze Besuch von jenem Don Logan bekommen wird, spitzt sich die Lage schnell zu.
                                            Inszenatorisch ist der Streifen wirklich bockstark. Glazers Herkunft als Musikvideoregisseur sticht dabei durch einige furiose Regieeinfälle recht schnell ins Auge. Mittels abgefahrener Kameraperspektiven, surrealen Spielereien, interessanter Farbfiltereinsätze und einigen verrückten Montagen schafft der Regisseur eine ziemlich irre Stimmung, die fast schon alleine den ganzen Film tragen könnte. Diese ganzen Stilmittel werden allerdings nie als pures Gimmick verwendet sondern unterstützen meist in sinnvoller Art und Weise den Plot, der allerdings doch eher unspektakulär ausfällt, sich aber dennoch nie komplett in die Karten schauen lassen will.
                                            Auch die Schauspieler machen ihre Sache richtig gut.
                                            Ray Winstone gibt hierbei dem Gangster in Ruhestand Gal eine sehr menschliche Attitüde, die Rentnerplauze und sein seltsam träges, fast schon apathisches Auftreten wirken der Rolle absolut angemessen. Die Überforderung mit der Situation ist bei ihm dabei durchgehend greifbar.
                                            Absolutes Highlight ist aber Ben Kingsley als Psychopath Don Logan, der hier total aufdreht und sicherlich eine seiner intensivsten Performances abliefert. Er bekommt es dabei beeindruckend hin, seiner Figur zwischem totalem Arschloch und verbittertem Wrack noch eine klitzekleine menschliche Note zu verleihen.
                                            Dann gerade in den Szenen mit Don Logan liefert der Film dazu einige sehr verrückte Dialoge (oder auch mal Spiegel-Monologe), die aber immer bezogen auf die jeweiligen Charaktere im Kontext des Films noch glaubhaft wirken.
                                            Das Finale war für mich dann leider eine kleine Enttäuschung, hätte hier gerne eher noch einen großen Knall oder einen ordentlichen Schlag in die Fresse gesehen. So endet der Film doch ziemlich unspektakulär und passte nicht so richtig zur Crazyness des restlichen Films.
                                            Whatever, trotzdem echt stark.

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                                              Tobi_G93 21.07.2020, 12:28 Geändert 23.07.2020, 20:57

                                              “Sie sind doch auf ihrer Seite? Ist es schon genug? Wir sind noch unter Spielfilmlänge. Sie wollen doch ein richtiges Ende mit plausibler Entwicklung?”

                                              Michael Hanekes "Funny Games" von 1997 ist ein richtig fieser Home-Invasion Terrorfilm, der den Zuschauer einen ordentlichen Schag in die Magengrube verpasst.
                                              Der Film kritisiert dabei sowohl den Zuschauer selbst als auch den Horror- und Terrorfilm per se, indem immer wieder die Gewaltgeilheit des Zusehers als auch die Gewaltdarstellung in Filmen thematisiert wird.
                                              Eine dreiköpfige Familie macht gerade Urlaub an einem See, ehe zwei seltsam steril (komplett in weiß) gekleidete junge Männer auf dem Grundstück auftauchen. Nachdem die Situation anfangs harmlos erscheint, kommt es in der Folge schnell zur Eskalation.
                                              Schon das Intro des Films, das das fahrende Auto der Familie aus Vogelperspektive zeigt, deutet auf die folgenden, fatalen Enticklungen hin, indem die im Auto der Familie abgespielten klassischen Musikstücke urplötzlich von wildesten Punkrock auf der Filmtonspur überdeckt werden.
                                              Die schnell auftauchenden jungen Männer erscheinen anfangs als übertrieben höflich, dabei aber wahnsinnig aufdringlich, in der Folge nach den ersten Übergriffen dann immer brutaler und dabei auch sehr zynisch. So geben sie sich beispielsweise immer wieder untereinander unterschiedliche Namen (zuerst Peter und Paul, dann Tom und Jerry oder Beavis und Butthead).
                                              Die Schauspielleistungen sind hierbei sehr stark. Auf der einen Seite die beiden Eindringlinge (vor allem Arno Frisch mit phänomenaler Performance), die ihre boshaften Figuren stark darstellen, als auch die Familienmitglieder, die das Leid und den Schmerz ihrer Rollen fast schon zu authentisch offen legen und damit den Zuschauern eine enorm unangenehme Seherfahrung bieten.
                                              Haneke unterstützt diese Wirkung mit sehr statischen, nüchternen Aufnahmen, wo teilweise ein Bild bis zu zehn Minuten ruhig steht und dabei meist die Reaktionen der Familienmitglieder auf schlimme Momente gezeigt wird, wodurch der Klos im Hals nicht geringer wird.
                                              Indem vor allem Arno Frisch immer wieder die vierte Wand durchbricht und dabei Aussagen wie obiges Zitat e.g. an die Zuschauer richtet, jubelt Haneke den Zusehern gewissermaßen eine Komplizenschaft unter. Dabei kritisiert er vor allem die Gewaltgeilheit der Zuschauer aber ebenso die Gewaltdarstellung anderer Genrefilme.
                                              #Spoiler:
                                              Highlight war für mich dabei die Szene, in der das Geschehen von Arno Frisch einfach per Fernbedienung zurückgespult wird, um den Filmverlauf in für ihn positive Richtung zu verändern.
                                              #Spoilerende
                                              Ingesamt wird die Botschaft womöglich etwas zu sehr mit ausgestrecktem Zeigefinger übermittelt und lässt Haneke etwas "oberlehrerhaft" dastehen.
                                              Gewirkt hat es aber trotzdem, aber Hallo.

                                              "Wir wollten doch nur vier Eier!"

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                                                Tobi_G93 21.07.2020, 11:19 Geändert 22.07.2020, 19:53

                                                "The Accountant" von Regisseur Gavin O' Connor ist ein doch recht gelungener Actionthriller mit etwas ungelenk eingewobenen Dramaelementen, der zwar insgesamt ziemlich konstruiert erscheint aber die vollen 130 Minuten schon ordentlich unterhalten kann.
                                                Es wirkt ein bisschen so, als wäre die Rolle des Hauptprotagonisten Christian Wollfs maßgeschneidert für Ben Affleck geschrieben worden. Er verkörpert hier den Buchhalter mit Asperger Syndrom doch ziemlich glaubhaft, indem er seiner Figur mit kalter, stoischer Miene eine unnahbare Präsenz verleiht, welche allerdings durch Afllecks gekonntes, subtiles Spiel hin und wieder meist in Interaktionen mit anderen Menschen humoristisch aufgelockert wird.
                                                Insgesamt ist die Figurenzeichnung im Film durchaus herauszuheben: Bis auf eine Ausnahme (Dana von Anna Kendrick gespielt) existiert in der Filmwelt kein "Gut und Böse", nicht schwarz und weiß sondern lediglich Graustufen, was bei solchen Mainstreamproduktionen doch eher selten vorkommt. Etwas problematisch ist für mich dennoch die doch sehr konstruiert wirkende Hauptfigur, ein Asperger Patient mit einem extremen Lebenslauf (Vater drillt ihn als Kind durchgehend zur Kampfmaschine, Knastaufenthalt nach Massaker) ist sowohl ein als Buchhalter getarnter Geldwäscher für die Mafia als auch terminatoresque Kampfmaschine. Puh, da wäre etwas mehr Subtilität und Lebensnähe schon vorteilhaft gewesen.
                                                Inszenatorisch ist der Film dabei aber recht solide.
                                                Mit seinen tristen, gräulichen Bildern und einigen überzeugenden Actionpassagen wird eine konstant angespannte Atmosphäre erzeugt, was in den 130 Minuten zu praktisch keinerlei Längen führt.
                                                Der Plot an sich ist ebenfalls ordentlich, bietet allerding wenige Überaschungen und hätte schon strukturell etwas mehr Komplexität aufweisen können.
                                                Insgesamt aber ziemlich unterhaltsam und gerade als Thriller schon gut.

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                                                  Tobi_G93 18.07.2020, 18:22 Geändert 28.07.2021, 19:49

                                                  "Man kann schlechte Erinnerungen nicht löschen. Aber ich kann die Leute eliminieren, die mir diese Erinnerungen zufügten."

                                                  Zu dieser Erkenntnis kommt Hauptprotagonist Sun-Woo (Byung-hun Lee) in Kim Jee-Woons eindrucksvollem Film "Bittersweet Life", der knüppelharten Actionthriller mit melancholisch angehauchtem Charakterdrama verbindet und damit voll ins Schwarze trifft.
                                                  Handlanger Sun-Woo bekommt vom Gangsterboss Mr. Kang den Auftrag seine Freundin zu beschatten, da er eine Affäre vermutet. Nachdem Sun-Woo diese tatsächlich in Flagranti erwischt, gibt er seinen Boss fatalerweise nicht Bescheid und löst die Situation auf seine eigene Weise, da er Gefühle für die junge Frau entwickelt. Dies erweist sich jedoch als großer Fehler.
                                                  Kim Jee-Woon beginnt seinen Film eher ruhig und lässt sich für die nuancierte Charakterzeichnung seines Protagonisten einige Zeit, damit die fatalen Entwicklungen nach etwa einem Drittel umso mehr an Kraft gewinnen. Mit gekonnter Inszenierung schafft es der Regisseur dabei von Anfang an eine leicht melancholisch-angespannte Atmosphäre zu erzeugen, die folgende Eskalationen bereits früh erahnen lässt.
                                                  Mit einigen herausragend choreographierten, knallharten Actionpassagen gelingt es dem Film zu den richtigen Momenten immer wieder schlagartig das Tempo zu erhöhen. Der Gewaltpegel ist dabei hin und wieder durchaus explizit, allerdings meist nur in kurzen Frames (FSK 18 ist schon angemessen).
                                                  Schauspielerisch überzeugt vor allem Hauptprotagonist Byung-hun Lee, der von anfangs eiskaltem Gangster zu im weiteren Verlauf einsamen, wütendem Racheengel unterschiedliche Facetten phänomenal darstellt.
                                                  Inszenatorisch ragt das Finale mit seinem irre intensivem Shoot-Out nochmals deutlich heraus, ehe Kim Jee-Woon seinen Film mit einer rätselhaften Schlusseinstellung beendet, die durchaus Raum für Interpretationen bietet.
                                                  Wenn die Träume für immer unerfüllt bleiben, hilft nur noch der Kampf mit dem eigenen Ich, um ein Lächeln ins Gesicht zu bekommen. Bitter ohne Sweet.
                                                  Insgesamt sicherlich keine sonderlich komplexe Geschichte, das "Wie" und die daraus folgende Wirkung ist hier aber absolut grandios.
                                                  Tolles Asia Kino

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                                                    Tobi_G93 17.07.2020, 14:39 Geändert 18.07.2020, 18:31

                                                    Im Jahr 2016 schuf der niederländische Regisseur Martin Koolhoven mit dem grimmigen, abgründigen Western "Brimstone" einen echten Schlag in die Magengrube, den man nicht mehr so schnell vergessen wird. Das in vier unchronologisch erzählten Kapiteln gedrehte Westerndrama mit Horrorelementen thematisiert die Unterdrückung von Frauen und religiösem Fanatismus zur Zeit des Wilden Westens in Amerika.
                                                    Die stumme Hebamme Liz (Dakota Fanning) lebt zusammen mit ihrem Mann, ihrer Tochter und ihrem Stiefsohn in einer kleinen Gemeinde auf einem Bauernhof. Ein neuer Priester, der mysteriöse "Reverend" (Guy Pearce), übernimmt die örtliche Glaubensgemeinde, wobei Liz beteuert, den bedrohlichen Mann bestens zu kennen.
                                                    Nach und nach entfaltet sich eine grausame Geschichte.
                                                    Vom Start weg entfacht Koolhoven eine ziemlich unangenehme Atmosphäre, indem er schon im ersten Kapitel mit Fehlgeburten, wenigen aber harten Gewaltspitzen und der unheilvollen Aura des Reverends erste Peitschenhiebe verteilt. Dies ist allerdings nur der Anfang eines grauenvollen Leidensweges, den der Regisseur in den darauf folgenden, in der Vergangenheit verordneten Kapiteln darlegt.
                                                    Auf immer brutalere, unnangenehmere Weise erzählt der Film von der Unterdrückung von Frauen, Inzest und gar Pädophilie unter dem Deckmantel der Religion.
                                                    Guy Pearce legt hierbei eine wahnsinnige Performance hin, indem er den Reverend eine enorm bedrohliche und wahrhaft diabolische Aura verleiht (Spoiler: Womöglich stellt er gar den Teufel selbst dar, gibt mehrere Hinweise im Film in diese Richtung).
                                                    Dakota Fanning kann in ihrer relativ schwierigen Rolle (stumm!!) absolut mithalten und bebildert immer wieder mit ihren Blicken die Qualen Lizs auf eindringliche Art und Weise.
                                                    Problematisch ist für mich allerdings die klar zu hohe Laufzeit, was doch hin und wieder zu kleineren Längen führt. Auch das immer wieder in aller Ausführlichkeit dargestellte Leid wirkt teilweise schon etwas selbstzweckhaft und stumpft mit der Zeit doch ein bisschen ab.
                                                    Insgesamt aber absolut empfehlenswert.

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