Tobi_G93 - Kommentare

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    Tobi_G93 10.05.2021, 21:25 Geändert 10.05.2021, 21:46

    Nach seinem ultrabrutalem Independent-Shocker "The Driller Killer" begab sich Abel Ferrara zwei Jahre später abermals auf einen intensiven, verstörenden Streifzug duch die düsteren Straßen New Yorks.
    "Ms. 45" (1981) befindet sich irgendwo zwischen Rape and Revenge-artigem Exploitationthriller und feinsinnigem Psychogramm auf den Spuren von Polanskis "Repulsion", zeigt dabei beinah durchgängig die subjektive Perspektive der stummen und titelgebenden Modeschneiderin Thana.
    Auf dem Rückweg von ihrer Arbeit gerät sie in ein folgenschweres Unheil. Sie wird überfallen und vergewaltigt. Zu Hause angekommen, folgt direkt der nächste gewalttätige Übergriff. Doch sie kann diesmal den Täter überwältigen und sogar töten. Ein blutiger Rachefeldzug auf die Männerwelt New Yorks nimmt seinen Lauf...

    Abel Ferrara scheint New York (und hier auch die Männerwelt per se) zu hassen. Wie auch in vielen seiner weiteren Werke zeichnet der Regisseur ein abscheuliches Bild seiner Geburtsstadt. Ein durch und durch abstoßender, feindseliger Schlund, durchdrungen von Schmutz, Gewalt und Missständen en masse.
    In diesem Vorhof der Hölle gelten Frauen ausschließlich als Sexualobjekt, so suggeriert es Ferrara hier mittels eines weiblichen Psychogramms, das erzählerisch zwar relativ holprig, dafür audiovisuell eindrucksvoll und stilistisch mehr als versiert vorgetragen wird.
    In düster-stimmungsvollen Aufnahmen exquisit fotographiert, mit drückender Soundkulisse, bestehend aus einem beunruhigendem Jazz-Score und unbequemen Soundscapes, passend unterlegt.
    Mündend in einem irrsinnigen, gar alptraumhaften Finale, wo Ferrara, abermals mit religiösen Verweisen mehrdeutig hantierend, ein brutales Blutbad anrichtet, was dann doch wieder an den deutlich radikaleren Vorgänger erinnert.
    Insgesamt jedoch keinesfalls so ungestüm und rabiat wie "The Driller Killer", dafür sensibler, feinfühliger und aufwühlender. Und dadurch ebenso verstörend.
    Stark

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      Tobi_G93 07.05.2021, 12:53 Geändert 07.05.2021, 20:39
      über Creepy

      Der Titel ist Programm.
      In seinem grandiosen Psychothriller "Cure" (1997) offenbarte Kiyoshi Kurosawa auf eindrucksvolle Weise sein ganzes Talent, schleichend-beunruhigende Thrillerszenarien in Szene zu setzen, sowohl auf formaler als auch erzählerischer Ebene.
      Das zweite Werk, das ich von ihm nun angesehen habe, ist relativ ähnlich gelagert.
      Auch in seinem Slow-Burn Thriller "Creepy" (2016) erweist sich Kurosawa als Meister des subtilen Grauens, eine Geschichte, die anfangs unscheinbar daherkommt, jedoch fortlaufend eine immer unbehaglichere Wirkung entfaltet und schlussendlich in purem Horror mündet.

      Im Mittelpunkt steht der ehemalige Polizei-Ermittler Takakura (Hidetoshi Nishijima), der nach einem folgenschweren Zwischenfall seinen Dienst quittierte und daraufhin einen Posten als Universitätsdozent für Kriminalpsychologie annahm.
      Nach einiger Zeit wird er jedoch von einem früheren Kollegen gebeten, einen ungelösten alten Fall nochmals zu untersuchen.
      Parallel dazu bezieht er zusammen mit seiner Frau eine neue Wohnung. Doch das Adaptieren an die neue Umgebung fällt den beiden nicht unbedingt leicht, insbesondere wegen eines seltsam und unbeholfen wirkenden neuen Nachbarns...

      Über allem steht von Beginn an die schleichend-schwelende Stimmung des Unheimlichen, die Kurosawa in seinen nüchtern-präzisen Aufnahmen konstant transportiert. Im anfänglichem Crime-Plot noch vorwiegend schwer zu ergründen und definieren. Ungreifbar und eher suggestiv.
      Wenn sich dann die Puzzleteile sehr langsam und unaufgeregt nach und nach zusammensetzen und im finalen Drittel in überaus fiesen Psychothriller-Regionen und Horror Set-Pieces münden lassen, bewegt sich der Regisseur in fast schon bizarr anmutenden Terrorgefilden. Trotz scheinbarer Enthüllungen behält der Film dennoch eine irrationale, schwer zu greifende Aura und hält die verstörende Wirkung dadurch sehr geschickt aufrecht.
      Hierauf bezogen durchaus vergleichbar mit seiner frühen Arbeit "Cure". Oder mit dem holländischen Thriller "Borgman", zu dem besonders thematisch einige Parallelen bestehen.
      Starker Thriller von Kurosawa.

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        Tobi_G93 05.05.2021, 16:07 Geändert 06.05.2021, 14:07

        Ultrabrutaler, formal anschaulich in Szene gesetzte Hongkong-Slasher, der darüberhinaus auf etwas platte Weise versucht, sozio-politische und wirtschaftliche Missstände anzuprangern.
        Regisseur Ho-Cheung Pang gibt sich dabei sogar erstaunlich viel Mühe, mehr als nur eine plumpe Guts-and-Gore Sause zu liefern.
        Die wohnungssuchende Hauptfigur Frau Cheng wird bezüglich ihrer Lebensumstände vergleichsweise engagiert und ausführlich beleuchtet, wenn die unchronologische Erzählstruktur in Form von Flashbacks ihre ereignissreiche Vergangenheit in verschiedenen Stationen ergründet.
        Wenn auch zumeist klischeebeladen und eindimensional.
        Bezogen auf die Darstellung der Gewalt kennt Pang nun wahrlich kein Pardon, denn die Brutalität wird hier konsequent blutig und explizit serviert. Da reicht "Dream Home" durchaus an einige Vertreter der "New French Extremity" heran, wobei deren kompromisslose Grimmigkeit hier eindeutig fehlt, denn Pang lockert das Geschehen hier und da mit einer Prise gehässigem Witz und schwarzem Humor angenehm auf.
        Eine in sich logische, vollkommen mitreißende Geschichte bekommt man in "Dream Home" sicherlich nicht vollumfänglich geboten. Auch die sozialkritischen Töne wirken auf den ersten Blick mehr erzwungen, aufgesetzt und undifferenziert behandelt.
        Als übertrieben brutaler, schwarzhumorig angehauchter Exploitation-Slasher funktioniert Pangs Arbeit dagegen einwandfrei.
        Kleiner blutiger Horrorsnack ohne Anspruch.

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          Tobi_G93 04.05.2021, 14:03 Geändert 05.05.2021, 18:29

          Eindringliches Seherlebnis.
          Der amerikanische Regisseur Abel Ferrara ist bekannt für seine eigensinnigen, ungewöhnlichen und bisweilen auch anarchisch anmutenden Werke und da macht sein über alle Maßen abgefuckter Debütfilm "The Driller Killer" (1979) mal gar keine Ausnahme.
          Ferrara, der zuvor Hardcore-Pornos gedreht hat, liefert hier einen schmutzigen, derb-blutigen Gewalttrip irgendwo zwischen Scorseses "Taxi Driver" und William Lustigs "Maniac". Alle drei Filme, allesamt Ende der 70er / Anfang 80er entstanden, eint die ungemein feindselige, schmutzig-kalte New York Atmosphäre, die einen auch hier wieder gleichzeitig abstößt und in den Bann zieht.
          "The Driller Killer" hat sicherlich auch so seine Schwächen.
          Seien es die durchaus hin und wieder vorkommenden Längen oder einige konfuse, zusammenhangslos und pointless erscheinende Szenen von Punk Rock Live-Konzerten, die den Film erstmal nur unnötig aufblähen. Auch unfreiwillige Komik blitzt spontan hier und da mal auf, ohne wirklich prägend zu sein.

          Insbesondere durch seinen anarchisch-expirimentell anmutenden Inszenierungsstil schafft Ferrara eine solch treibende, einnehmende Stimmung, wodurch die Kritikpunkte schnell in den Hintergrund rücken.
          Die wahnsinnig dröhnende Soundkulisse, bestehend aus wildem Punk Rock, hypnotisch drückenden Synthie Klängen und klopfend-pochenden industriellen Soundeffekten, ist Stress pur und das im positivsten Sinne.
          Auf dokumentarische Straßenaufnahmen folgen surreal-suggestive Schnittfolgen, durchzogen von den ferraratypischen und dabei ebenso ungreifbaren religiösen Motiven. Auf berührende, menschlich nahegehende Charaktermomente folgen blutigste Gewaltakte, was schließlich in einem irrsinnig brutalem Amoklauf mündet, dem schlussendlich jeder und alles zum Opfer fällt.
          Krasses Teil

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            Tobi_G93 28.04.2021, 14:52 Geändert 28.04.2021, 17:10

            Viel Lärm um Nichts? Von wegen!
            "The Empty Man" (2020) kam in letzter Zeit bei Genrekennern sehr gut weg und das völlig zu Recht.
            Prolog: Eine Gruppe junger Bergsteiger klettert in Bhutan in eine Höhle und stößt darin auf ein mystisch-bedrohliches Skelett, das eine rätselhaft hypnotische Wirkung auf einen der Teenager versprüht. Mit verheerenden Folgen.
            Zeitsprung: Der ehemalige Detective James Lasombra (überzeugend: James Badge Dale) erhält von einer Freundin den Auftrag, das unerklärliche Verschwinden ihrer Tochter Amanda aufzuklären.
            Welche Rolle spielt die Urban Legend des "Empty Man" in dem mysteriösem Fall, dessen Name mit Blut in Amandas Zimmer niedergeschrieben wurde. Immer mehr Rätsel tun sich auf...

            David Priors Langfilmdebüt ist in erster Linie ein Werk der Stimmung, überzeugt vor allem unter diesem Aspekt in beeindruckender Manier.
            Insbesondere in der ersten Filmhälfte zeigt Prior sein ganzes Feingefühl für eine subtile, jedoch ungreifbar beunruhigende Schauerstimmung.
            In wunderbar hypnotischen Bildern eingefangen, mit dröhnend-drückender Soundkulisse wirkungsvoll unterlegt. Hier und da bisweilen sogar unheimlich, ohne groß auf Jumpscares zu setzen (wobei einer der wenigen enorm effektiv inszeniert wurde).
            Leider tritt Prior nach ca. einem Drittel gerade erzählerisch etwas auf der Stelle, hier wären 10-15 Min. Straffung sicherlich sinnvoll gewesen.

            #Vorsichtige Spoilerwarnung#
            Fortlaufend macht der Regisseur in seinem surreal anmutendem (Neo-Noir) Crime-Thriller Fass um Fass auf, wodurch das Ganze insgesamt etwas überladen daherkommt.
            Im letzen Drittel verliert der Plot dann jegliche in der Realität verankerte Bodenhaftung, wenn das Geschehen final in einem irrsinnig-alptraumhaften Mindfuck-Trip mündet, irgendwo zwischen "Angel Heart", "Matrix" und Carpenters "In the Mouth of Madness". Ob das schlussendlich narrativ ein stringentes, kohärentes Ganzes ergibt, sei an dieser Stelle mal dahingestellt.
            Stimmungstechnisch und bezogen auf die Wirkung hat es für meine Begriffe immer noch vergleichsweise gut funktioniert.
            Weirde, unkonventionelle Genreübung, enorm atmosphärisch umgesetzt.
            Reicht locker für eine klare Empfehlung.

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            • 7 .5
              Tobi_G93 26.04.2021, 12:38 Geändert 26.04.2021, 14:30

              Der deutsche Zusatztitel ist hier zweifellos Programm, eine reine Tortur.
              Auch bei wiederholter Sichtung erweist sich Fabrice du Welz´ Spielfilmdebüt als nur schwer bekömmliches Monstrum, das sich mit seiner enorm unbequemen Wirkung längerfristig im Kopf des Zusehers festsetzen dürfte.
              "Calvaire" (2004) ist in seiner Gänze nur schwer zu greifen, das Grundmotiv des Backwood Terrors im Stile von "Texas Chainsaw Massacre" ist hierbei sicherlich konstant greifbar, stellt letzenendes jedoch höchstens die halbe Miete dieser höchst eigenwilligen Seherfahrung dar.
              Schon mit der ersten Szene, wenn Hauptfigur und Sänger Marc Stevens nach einem Live-Konzert in einem Altersheim von zwei alten Frauen mit merkwürdigen sexuellen Avancen konfrontiert wird, macht sich früh eine irritierende, seltsam entrückte Stimmung breit.
              Auf der Autofahrt zu seinem nächsten Auftritt kommt es dann zu einer folgenschweren Autopanne in einer abgelegenen Waldgegend irgendwo in der belgischen Einöde, der Startschuss für eine bedrückende, bisweilen zutiefst verstörende Tour de Force.

              Zwischen spontanen Zoophilie Vorfällen, einigen äußerst bizarren Momenten (Stichwort: Tanz) und purem Terror erweisen sich die religiös-biblischen Verweise als konstant irritierendes und gleichzeitig kaum zu greifendes Leitmotiv.
              Hauptfigur Marc Stevens wirkt hierbei kaum wie eine "normale" menschliche Existenz, sondern scheint durchweg nur als Projektionsfläche von anderen Personen gesehen zu werden, die ihre Sehnsüchte, Wünsche und auch Traumata auf ihn projezieren.
              Und damit einen hoffnungslosen, zermürbenden Leidensweg für die fast schon an Jesus erinnernde Hauptfigur bereiten.
              Da macht spontan auch der vielsagende Titel deutlich mehr Sinn (Calvaire ---> Kalvarienberg).
              Wenn sich du Welz schließlich gegen Ende immer mehr in surreal-alptraumhafte Gefilde bewegt und seinen Film maximal unklar und interpretationsoffen besschließt, ist es nur das finale Puzzleteil eines unerbittlichen Höllentrips, der mal so gar nicht Zartbesaiteten anzuraten sei.
              Sehr heftiges Teil, Wertung ist irgendwo zwischen unerträglich und abstoßend-faszinierend angesetzt.

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                Tobi_G93 25.04.2021, 16:56 Geändert 26.04.2021, 11:35

                Ziemlich enttäuschend.
                "A Young Man with High Potential" bietet prinzipiell vorerst durchaus einiges an Potential. Mit wenigen Änderungen drehbuchseitig wäre mit dem Stoff locker ein potenziell fieser und am wichtigsten packender Suspense-Thriller möglich gewesen.
                Der deutsche Regisseur Linus de Paoli liefert stattdessen eine sehr merkwürdige Mixtur aus eindimensionaler Charakterstudie, perverser Sadismus-Phantasie und lahmen, zumeist spannungsbefreitem Psycho-Thrill.
                Da retten auch die gutklassigen Schauspiel-Performances und die stilistisch einigermaßen versierte, überaus ansehliche Inszenierung nicht mehr viel.
                Sehr schade

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                  Tobi_G93 21.04.2021, 15:17 Geändert 21.04.2021, 16:32

                  Mehr als ordentlicher Genrefilm aus deutschen Gefilden.
                  Der gebürtige Österreicher Jakob M. Erwa bewegt sich in seinem zweiten Spielfilm auf den Spuren der subtilen Psycho-Horror Klassiker eines Roman Polanski (insbesondere "Der Mieter" und "Repulsion") und entwirft ein beklemmendes, atmosphärisch dichtes Kammerspiel-Szenario, das in seiner unbehaglichen Wirkung durchaus an die Nieren geht.
                  In "HomeSick" steht Cellostudentin Jessica (Esther Maria Pietsch) im Mittelpunkt, die zu Beginn zusammen mit ihrem Freund Lorenz (Matthias Lier) ihre gemeinsame neue Mietswohnung bezieht. Das Glück scheint perfekt, abgesehen von der irritierend aufdringlichen Art ihrer neuer Nachbarin sowie einiger unerklärlicher Vorkommnisse...

                  Regisseur Erwa geht bei der Wahl seiner Stilmittel sehr subtil vor, lässt hier und da kleinere Zweifel an der Wahrnehmung seiner Hauptprotagonistin aufkommen, bleibt lange Zeit jedoch angenehm ambivalent und unklar.
                  Hegt die verschrobene Nachbarin wirklich sinistre und sogar potenziell gefährliche Absichten?
                  Schließlich wirkt die ältere Dame auch auf Jessicas Freund Lorenz in ihrem Verhalten relativ seltsam.
                  Oder schlittert die vom Erfolgsdruck gestresste Cellospielerin geradewegs in eine Psychose.

                  Erwa spielt diese Grundprämisse eine gewisse Zeit sehr wirkungsvoll und mit viel Feingefühl für beunruhigende Schauerstimmung clever aus, bis das Pendel immer eindeutiger in eine Richtung ausschlägt.
                  Was dann in der Folge überaus konsequent, beklemmend und nihilistisch bis zum bitteren Ende durchexerziert wird.
                  Feiner Psycho-Thrill aus Deutschland, kleinere Kritikpunkte (evtl. erzählerisch einen Tick zu gleichförmig und monoton vorgetragen) werden durch die intensive Wirkung locker in den Schatten gestellt.

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                    Tobi_G93 20.04.2021, 12:38 Geändert 21.04.2021, 22:45

                    "Cigarette Burns" (2005) ist John Carpenters Beitrag zur ersten Staffel "Masters of Horror" und zugleich so ziemlich die letzte gelungene Kostprobe seiner inszwischen scheinbar verloren gegangenen Fähigkeiten als stilprägender Regisseur.
                    Auch wenn "Cigarette Burns" inszenatorisch sicherlich nicht an seine großen Klassiker und triumphalen Werke heranreicht, so zeigt er hier dennoch ein letztes Mal sein außerordentliches Geschick für stimmungsvoll und schaurig vorgetragene Horrorszenarien.

                    Ein legendär berüchtigter Film "La Fin Absolute Du Monde“, der scheinbar verschollen ist und bei der Uraufführung zu einer Gewaltorgie führte. Der Regisseur von der Bildfläche verschwunden und möglicherweise sogar tot.
                    Kinobesitzer Kirby Sweetman (Norman Reedus) soll im Auftrag des reichen, jedoch geheimnisvollen Filmenthusiasten Mr. Bellinger (Udo Kier) eine Kopie des Filmes beschaffen, der die Menschen, die den Film sichteten, in den Wahnsinn oder sogar Tod getrieben hat.
                    Richtig, diese unheimliche Grundprämisse erinnert stark an Carpenters letztes Meisterstück "In the Mouth of Madness", in diesem Fall ist jedoch nicht eine Horrorliteratur die Wurzel allen Übels, sondern das Medium Film.

                    Aus dieser beunruhigenden Geschichte holt Carpenter in den knackigen ca. 60 Minuten beinah alles an Wirkung heraus. Zu Beginn leicht wie ein neo-noir artiger Thriller anmutend, nimmt das Ganze fortlaufend immer bedrohlichere, blutigere und beizeiten gar surreal-alptraumhafte Züge an. Mündend in einem irrsinnigen, schon fast philosophischen Finale, in dem das selbstreferenzielle Spiel Carpenters perfide auf die Spitze getrieben wird. Zudem mit einigen überraschend blutigen, derb-fiesen Gewaltsspitzen wirkungsvoll veredelt.
                    Nach "In the Mouth of Madness" der letzte "gute" Carpenter.

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                    • Tobi_G93 18.04.2021, 18:35 Geändert 18.04.2021, 19:40

                      - Bildsprache:
                      1. Lynch
                      2. Chan Wook Park
                      3. Refn

                      - Musikwahl:
                      etliche Regisseure, die auf oberstem Level auf diesem Gebiet hervorstechen

                      - Atmosphäre:
                      1. Lynch
                      2. Cronenberg / Polanski
                      3. Chan Wook Park / Lars von Trier

                      - Narrationsstruktur:
                      1. Lumet / Chan Wook Park
                      2. Alan Parker
                      3. Tarantino / Fincher / Polanski

                      - Metaebene:
                      1. Cronenberg
                      2. Lynch
                      3. Refn

                      -Schnitt/Montage:
                      1. Chan Wook Park / Nicolas Roeg / Alan Parker (insbesondere "Angel Heart" ist hier grandios)
                      2. Lynch
                      3. Polanski / Fincher

                      - Immersion:
                      1. Lynch
                      2. Chan Wook Park / Polanski
                      3. Fincher / Tarantino / Lars von Trier

                      - Symbiose aus Inhalt, Musik und Bild:
                      1. Lynch
                      2. Kubrick
                      3. Noe / Chan Wook Park

                      - Experimentell:
                      1. Noe
                      2. Tsukamoto
                      3. Lynch

                      - Mindfuck:
                      1. Lynch (danach lange nichts)
                      2. Tsukamoto
                      3. Noe / Miike / Roeg

                      - Filmographie:
                      1. Lynch / Chan Wook Park / Polanski
                      2. Cronenberg / Scorsese / Lumet
                      3. Refn / Lars von Trier / Tarantino

                      - Überbewertet:
                      1. Wes Anderson / Spielberg
                      2. Nolan (sein fortgeschrittenes Werk ab "Prestige")
                      3. fast alles im "Superheldengenre"

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                        Tobi_G93 17.04.2021, 18:40 Geändert 17.04.2021, 19:00

                        "I Am Not a Serial Killer" (2016) ist ein überaus stimmungsvoller, jedoch bisweilen auch unausgegorener Genremix, der in erster Linie als Charakterstudie eines heranwachsenden Jugendlichen mit soziopathischen Tendenzen überzeugt.
                        Um das im Mittelpunkt stehende Coming of Age Portrait verknüpft der irische Regisseur Billy O´Brien allerhand Genreversatzstücke miteinander, die insgesamt nicht unbedingt immer ein kohärentes Ganzes ergeben.
                        Da werden abgründige Psychothriller-Elemente, eine Kriminalgeschichte über eine rätselhafte Mordserie mit kruden, übernatürlich angehauchten Horrorelementen holprig und ungelenk miteinander verwoben.
                        Mit viel Gespür für atmosphärisch dichte Inszenierung wird die als Schauplatz fungierende Kleinstadt im düster-grobkörnigem Retrolook sehr schick und kompetent in Szene gesetzt. Tonal durchgängig von einem trist-melancholischen Schleier umgeben.

                        O´Brien vergisst dabei leider bis auf wenigen Ausnahmen, größere Spannungsmomente in seine Geschichte zu integrieren. Kleinere Längen sind dadurch leider hier und da gegeben und bilden schon einen nicht zu leugnenden Kritikpunkt.
                        Wirklich langweilig wird es dennoch nie, zu stilsicher und stimmungsvoll gestaltet sich die formale Arbeit des Regisseurs.
                        Insbesondere durch einige schauderhafte Horrormomente versprüht "I Am Not a Serial Killer" eine durchaus unheimliche Faszination, auch weil O´Brien diesbezüglich sehr vage und irrational-ungreifbar bleibt.
                        Wenn sich dann gegen Ende in bizarre Body-Horror Regionen mit nicht geringem Verstörungsgrad begeben wird, hat endgültig der Irrsinn in der ansonsten harmlos wirkenden Kleinstadt die Überhand gewonnen.
                        Schwierig zu bewerten, die deutlichen Schwächen vor allem auf narrativer Ebene sind nicht zu übersehen. Andererseits handelt es sich um ein zweifellos erfrischendes Werk mit viel Mut zur Eigenständigkeit.
                        Im Großen und Ganzen überwiegt schon der positive Eindruck.

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                          Tobi_G93 16.04.2021, 17:59 Geändert 25.05.2021, 14:11

                          Eine gnadenlose (und leicht monoton vorgetragene) Hetzjagd, die der sonst nur durch Tv-Produktionen aufgefallene Regisseur David van Ancken in seinem blutigem Westernthriller "Seraphim Falls" (2006) präsentiert.
                          Geradlinig und aufs Nötigste reduziert wird das uralte Prinzip von Jäger (Liam Neeson) und Gejagtem (Pierce Brosnan) in den malerischen Naturkulissen des amerikanischen Westens konsequent vorangetrieben, von den winterlichen Berggipfeln der Rocky Mountains bis in die staubtrockenen Wüstenregionen Nevadas.
                          Die Gut/Böse-Rollenverteilung scheint damit von Beginn an klar, wobei jegliche Hintergründe und Motivationen lange Zeit im Dunkeln bleiben.
                          In Form von fragmentarischen Flashes und unheilvollen Visionen wird allerdings früh suggeriert, das das anfängliche Bild der Geschichte keineswegs vollständig zu sein scheint, sondern eine weitere, für die Handlung entscheidende Ebene noch im Verborgenem liegt. Irgendwo hinter der von Wut und Hass gezeichneten Fassade von Liam Neesons Figur.

                          Fortlaufend enthüllt van Ancken schrittweise das vollständige Ausmaß seiner Geschichte, wodurch die anfangs klar erscheinende Rollenverteilung komplett verwischt wird. Das leider viel zu oft in Filmen zu bestaunende "Schwarz-Weiß-Denken" wird dabei glücklicherweise vollkommen unterlaufen, genauso wie der fürs Westerngenre typische Showdown mitsamt brachialen Shootouts verweigert wird.
                          Wenn sich van Ancken gegen Ende fast schon in irreal-fiebertraumartige Regionen begibt und die einzige Form von Katharsis in der Vergebung findet, werden die typischen Western-Tropes zudem auf eine äußerst interessante, wenn auch eigenwillige Weise unterwandert.
                          Cooler und zugleich auch merkwürdiger Western, zumeist intensiv und packend serviert. Inklusive tollem Schauspiel.

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                            Tobi_G93 12.04.2021, 18:02 Geändert 25.04.2021, 20:15
                            über Borgman

                            "Das holländische Funny Games"
                            Dies wird jedenfalls im Klappentext der Blu Ray behauptet und ist besonders was die unbequeme Wirkung angeht nicht total abwegig, dennoch ist das nur die halbe Wahrheit.
                            Regisseur Alex van Warmerdam erschuf mit seinem Thriller "Borgman" für meinen Geschmack eines der beunruhigendsten, irritierendsten Seherlebnisse der letzten Dekade. Ein pechschwarzes, bitterböses Werk, sehr unkonventionell und eigenwillig-interpretativ.
                            Der Landstreicher Borgman (genial: Jan Bijvoet) sucht nach einem rätselhaften Vorfall einen neuen Unterschlupf. Fündig wird er bei einer wohlhabenden Upper-Class Familie, bei der er nach anfänglichen Schwierigkeiten als neuer Gärtner angestellt wird. Die sinistren Absichten des mysteriösen Mannes kommen jedoch bald zum Vorschein..
                            Von Beginn an entfacht van Warmerdam eine höchst merkwürdige, rätselhafte Stimmung, die den Film bis zum bitteren Endpunkt permanent durchzieht.
                            Wieso lebt der unscheinbare Landstreicher anfangs in einer beinah archaisch anmutenden Höhlenwohnung?
                            Und warum wollten ihn drei wild gewordene Männer, darunter ein Priester, gewaltsam attackieren oder sogar töten?

                            Nach dem irritierenden Beginn entspinnt sich früh ein subtiles, leicht entrückt wirkendes Home-Invasion Szenario, in dem der fremde Mann das Familiengefüge mit diabolischer Perfidität manipuliert und auf hinterfotzige Weise zerrütet.
                            Die schon lange zuvor bestehende Spannungen werden nach und nach zu metertiefen Gräben, was langsam aber sicher in purem Chaos mündet.
                            In seiner Mischung aus grotesk-schwarzem Humor und unterkühlter Kompromisslosigkeit erinnert "Borgman" hier und da an die bitterbösen Werke eines Yorgos Lanthimos.
                            Aber auch die suggestive Alptraumlogik eines David Lynch wird in Form von surrealen Einschüben vorsichtig aufgegriffen. Dennoch verleiht der Regisseur seinem Film einen ganz und gar eigenständigen, individuellen Charakter, insbesondere wenn das Geschehen gegen Ende mehr und mehr in einem absurd-surrealem Szenario mündet.
                            Inklusive eines hundsgemeinem, konsequentem Endes, das immens viel Raum für Interpretationen lässt.
                            Ein toller Film, boshafte Satire auf das Spießbürgertum sowie alptraumhafter Home-Invasion Thriller in Einem.
                            Chapeau

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                              Tobi_G93 10.04.2021, 11:49 Geändert 18.07.2021, 11:31
                              über Hyena

                              Endlich diese Lücke geschlossen.
                              "Hyena" (2014) gilt wohl unter Kennern als (semigeheime) Genreperle und diesen Eindruck kann ich nur bestätigen.
                              Der britische Regisseur Gerard Johnson liefert mit seiner zweiten Regiearbeit zweifellos ein eindrucksvolles Werk ab, das eine konsequent bedrückende, unbequeme Wirkung versprüht.
                              Irgendwo zwischen der knallharten Authentizität von Refns Pusher-Trilogie, dem hypnotisch-atemlosen Kino der Safdie Brüder und schockierenden Gewalteruptionen im Stile von "Kill List" oder "Eden Lake" siedelt Johnson sein nihilistisches Crime-Drama an, das um übergreifende Themen wie Korruption, Bandenkriege, Drogengeschäfte sowie Menschenhandel eine durchgehend packende Geschichte erzählt.
                              Londons krimineller Untergrund wird als abstoßende, grausame Welt portraitiert, in der sich Polizei und organisierte Kriminalität in ihrem Verhalten kaum unterscheiden.
                              Undifferenzierten Schwarz-Weiß Kategorisierungen entzieht sich "Hyena" deshalb glücklicherweise vollkommen, hellere Töne als dunkelgrau findet man hier keinesfalls, eine Welt praktisch ohne moralische Instanzen.
                              All das fängt Johnson ausgesprochen hypnotisch und moody ein, beinah tranceartig, oftmals mit wummernd-drückender Tonspur unterlegt. Sehr druckvoll und effektiv vorgetragen.
                              Das für meinen Geschmack prinzipiell zu forciert offen gelassene Ende mag durchaus einen kleinen Kritikpunkt darstellen, andererseits passt es schon relativ gut zum pessimistischen, hoffnungslosen Grundton, dass schlussendlich jegliche Art von Katharsis verweigert wird.
                              Feine Nummer

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                                Tobi_G93 09.04.2021, 12:11 Geändert 05.05.2021, 18:24

                                "Du wirst allein geboren, du lebst allein, du stirbst allein. Allein, immmer allein."

                                "Seul contre tous" (1998) oder zu deutsch "Menschenfeind" ist Gaspar Noes Regiedebüt und genauso wie auch seine weiteren Werke überaus schwer verdaulich, beinah unerträglich.
                                Noe erzählt in seinem Erstlingswerk im Grunde keine "richtige" Geschichte, sondern zeigt viel mehr die Charakterstudie eines zutiefst verbittertem, hasserfülltem Misanthropen, dessen Alltag ohne Spannungsbogen oder ausgefeilter Dramaturgie nüchtern begleitet wird. In Form von exzessiv verwendetem Voice-Over erhält das Publikum Einsicht in die abscheuliche Gedankenwelt des gelernten Schlachters (fantastisch: Philippe Nahon), die er unentwegt und mit passiv aggressiven, vorwurfsvollen Unterton preisgibt.
                                Durchzogen von garstigem Zynismus, extrem nihilistischer Weltanschauung, verbittert-depressivem Gemütszustand und purem Menschenhass.

                                Das ist ohne Frage etwas überzogen und drüber, doch mit der nüchternen Art, wie es Noe verkauft, wirkt es dennoch enorm glaubhaft.
                                Wobei einige der grauenvollen Ansichten und Thesen womöglich doch mehr Wahrheit verbergen als es uns allen lieb ist. Genau daraus möchte Noe seine Wirkung entfalten und das gelingt zumeist auch.
                                Gegen Ende wird dann mitsamt Vorankündigung (never seen that before!!) das Tempo dann noch etwas angezogen und ein ausgesprochen mieses, kompromissloses Ende präsentiert.
                                Zwischen garstigen Gewaltakten und emotional aufwühlenden Momenten lässt es sich Noe nicht nehmen, schlussendlich ein letztes Mal die Magengrube des Zusehers anzuvisieren. Und das gelingt mit fieser Intensität.
                                Starker Film, der allerdings nicht den geringsten Ansatz von positiver Unterhaltung bereithält.
                                Just Devastating!!

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                                  Tobi_G93 06.04.2021, 12:51 Geändert 07.04.2021, 13:08

                                  Wenn schon Liebesfilm, dann auf diese Weise.
                                  Mit "Spring - Love is a Monster " (2014) gelang dem Regisseuren-Duo Aaaron Moorhead und Justin Benson ein äußerst erfrischendes, jedoch auch eigenwilliges, unkonventionelles Werk, das kaum in klassische Genreschubladen zu stecken ist.
                                  "Spring" beginnt als melancholische Charakterstudie eines jungen Mannes namens Evan (Lou Taylor Pucci), der sich in Folge des Todes seiner Mutter in einer schweren Lebenskrise befindet. Spontan fasst er den Entschluss, eine Reise nach Europa, genauer gesagt Italien, in Angriff zu nehmen, um Abstand zu gewinnen.
                                  Die Regisseure nehmen sich anfangs viel Zeit, um den Charakter ihrer Hauptfigur in aller Ausführlichkeit unaufgeregt und engagiert zu beleuchten, ohne jemals in Langeweile auszuarten. Motive wie Trauer und Sinnessuche spielen hierbei zweifellos eine entscheidende Rolle, werden dabei allerdings angenehm subtil und beiläufig angerissen.

                                  Dann trifft Evan auf die bezaubernde Louise (Nadia Hilker), ein klarer Fall von "Love in First Sight".
                                  Dementsprechend erspinnt sich alsbald eine Art Romanze zwischen den beiden, alles scheint perfekt, doch der Schein trügt.
                                  Mit düsteren Klangflächen, irritierenden Aufnahmen aus Vogelperpektive und mitunter rätselhaft anmutender Symbolik machen Benson und Moorhead früh klar, das etwas ganz und gar nicht stimmt. Irgendetwas scheint hinter der pittoresken Oberfläche zu schlummern.
                                  Hat die aufreizende junge Frau etwa eine dunkle Seite zu verbergen?
                                  Was hat es mit den zahlreichen toten Tieren auf sich?
                                  Die in Schüben präsentierten Antworten darauf haben es dann durchaus in sich.
                                  Benson und Moorhead erweitern ihren potenziellen Liebesfilm bzw. ihr Beziehungsdrama fortlaufend mehr und mehr mit bizarren Body-Horror Elementen irgendwo zwischen Cronenberg und H.P. Lovecraft, verlieren dabei aber nie ihre romantische Ader aus den Augen.
                                  Kein klassischer Genrefilm, mehr eine individuelle Mixtur aus Liebesfilm und Horrormärchen.
                                  Bis auf das fade Ende, das schon etwas zu sweet und eher hollywoodlike ausgefallen ist, ein echt toller Film.

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                                    Tobi_G93 05.04.2021, 12:29 Geändert 05.04.2021, 14:27

                                    Der American Dream als Vorhof zur Hölle.
                                    Nachdem der irische Regisseur Ivan Kavanagh schon zuvor in seinem (unterbewertetem) Spielfilmdebüt "The Canal" das Gespür für subtilen Psycho-Horror bewiesen hat, wechselte er für seine nächste Arbeit "Never Grow Old" (2019) ins Westerngenre und kann den gelungenen Einstand locker bestätigen.
                                    Sein räudiger Westernthriller überzeugt mit bedrückender Stimmung, hochklassigen Schauspiel-Performances und einer packend vorgetragenen Geschichte.

                                    Zugegeben, die simple, geradlinig voranschreitende Handlung erfindet das Rad keinesfalls neu, bedient im Grunde größtenteils altbekannte Genretropes.
                                    Dennoch gelingt es Kavanagh insbesondere durch seine handwerklich überdurchschnittliche Arbeit alles aus dem Stoff herauszuholen.
                                    Mit stimmunsgvollen Sets und farbentsättigten, unheilvollen Aufnahmen wird früh eine subtile, vorerst nur unstete Beklemmung erzeugt, die mit der Ankunft dreier Fremder ein greifbares Gesicht bekommt.
                                    Hier sticht besonders die Performance von John Cusack ins Auge, der seine Figur des Dutch Albert mit einer ungemein bedrohlichen, beinah diabolisch anmutenden Präsenz überaus eindrucksvoll darstellt und Erinnerungen an Guy Pearces Reverend aus "Brimstone" weckt. Aber auch Emile Hirsch in der Hauptrolle weiß (wie immer) zu gefallen.

                                    Mit der eskalierenden Gewaltspirale im finalen Drittel verlagert Kavanagh die zuvor nur angedeutete Gewalt mit grimmiger Konsequenz an die Oberfläche, ein blutig-destruktiver Akt, der unausweichlich erscheint.
                                    Hinter Filmen wie "Brimstone" und "Das Finstere Tal" sicherlich einer der besten Western der letzten Jahre.
                                    Stark gespielt, stimmungsvoll eingefangen und packend erzählt.

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                                      Tobi_G93 03.04.2021, 12:34 Geändert 03.04.2021, 12:38

                                      Überraschend solider Crime-Thriller aus Großbrittannien.
                                      "Blood" (2012) beginnt mit einem uninspiriertem und äußerst klischeebeladenem Psychothrillerszenario, in dem ein Ermittlerduo (gleichzeitig Brüderpaar) einen Mordfall in ihrem kleinem, beschaulichem Heimatdorf aufklären muss.
                                      Regisseur Nick Murphy bedient hierbei anfangs jedes noch so abgedroschene Klischee.
                                      Ein überzeichneter, vollkommen unglaubwürdiger Psychopath als scheinbarer Täter, der Polizist mit Alkoholproblemen oder die üblichen Spannungen und Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Ermittlern.

                                      Doch das gehört alles zur Masche des Regisseurs.
                                      Nach ca. 30 Minuten lenkt Murphy seine Geschichte mit einer harten Wendung urplötzlich in eine ganz andere Richtung.
                                      Aus dem spannungsbefreitem WhoDunIt-Plot entwickelt sich ein melancholisches Thrillerdrama mit nicht geringem Suspense-Faktor, wo Themen wie Selbstjustiz und der Umgang mit Schuld als zentrale Motive der Geschichte etabliert werden.
                                      Leider gleiten dem Regisseur mit zunehmender Laufzeit narrativ die Zügel etwas aus der Hand. Wo leise, subtile Töne völlig ausreichen würden, wird gegen Ende ein ums andere mal versucht, mit übertriebenem Pathos die Stimmung und die Gefühlswelt der Protagonisten näher zu bringen.
                                      Ist leider auf diese Weise deutlich too much und verfehlt dadurch leider vollkommen die Wirkung.
                                      Insgesamt werden die guten, interessanten Ansätze leider auf erzählerisch zumeist ungelenke, hölzerne Weise umgesetzt.
                                      Für Liebhaber von Crime-Thrillern allerdings durchaus eine vorsichtige Empfehlung wert.

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                                        Tobi_G93 30.03.2021, 17:47 Geändert 18.05.2021, 20:33

                                        Mal ein Beispiel für eine zumindest leicht überdurchschnittliche Netflix-Eigenproduktion.
                                        Mit "The Devil All The Time" versucht sich Regisseur Antonio Campos zusammen mit Netflix an einer Verfilmung des gleichnamigen Romans von Donald Ray Pollock und liefert dabei handwerklich zweiffellos gutklassige Arbeit ab, wohingegen erzählerisch die ein oder andere deutliche Schwäche offenbart wird.
                                        Nach einer viel zu ausführlichen, überladenen Exposition, die in wilden Zeitsprüngen und episodenhaften Sequenzen fast das gesamte erste Drittel überdauert, schildert Campos eine durchaus aufwühlende Geschichte, die fortlaufend in episodisch anmutender Erzählstruktur die unterschiedlichen Handlungsstränge nach und nach zusammengeführt werden.

                                        Tonal bleibt "The Devil All The Time" zwischen Themen wie Bigotterie, religiösem Fanatismus und menschlichen Abgründen beinah die komplette Laufzeit düster und grimmig.
                                        Unschuldig ist hier fraglos keiner der zahlreichen Figuren, somit ist der Titel definitiv Programm. Der ruhige, unaufgeregte Erzählfluss wird gerade gegen Ende immer wieder in Form von adrenalingeladenen Spannungsmomenten und rüde aufheulenden Gewaltspitzen unterbrochen, die jedoch keineswegs zum Selbstzweck verkommen.
                                        Neben der vorwiegend anfangs sehr unfokussiert wirkenden Narration erweist sich besonders die penetrante Verwendung eines Voice-Over Erzählers aus dem Off als größte Schwäche des Films, der hier absolut unnötigerweise eingesetzt wurde und mir durchgehend auf die Nerven ging.

                                        Im großen Ganzen erinnert "The Devil All The Time" stimmungstechnisch und mehrheitlich auch themenbezogen frappierend an den Western "Brimstone", der allerdings deutlich packender daherkommt und nochmals ein gutes Stück mehr Wirkung entfachen konnte.
                                        Dennoch kein schwaches Werk, ein grimmiges, exploitationhaftes Thrillerdrama mit narrativen Schwächen, jedoch überaus kompetent in Szene gesetzt.

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                                          Tobi_G93 29.03.2021, 17:48 Geändert 29.03.2021, 17:51

                                          Atmosphärisch ausgesprochen dicht in Szene gesetzter, bisweilen gar unheimlicher Mysterythriller aus britischen Gefilden.
                                          Prinzipiell passiert eigentlich kaum etwas, an wendungsreicher, spektakulär vorgetragener Narration wird man hier sicherlich nicht fündig.
                                          Regisseur Sean Ellis setzt in "The Broken" alles auf die Karte Stimmung und macht damit sehr viel richtig.
                                          Ellis arbeitet mit suggestiven Schnittfolgen, clever ausgespielten Leerstellen sowie der Präsenz des Unheimlichen und erzeugt dadurch ein irrational-ungreifbares Schauerstück, auch weil bis zum Ende eindeutige, rationale Antworten trotz einiger Hinweise und Andeutungen größtenteils vermieden werden und genug im Unklaren bleibt. Stichwort Rewatch-Pleasure
                                          Schöne Nummer, knackig erzählt und enorm stimmungsvoll eingefangen.

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                                            Tobi_G93 28.03.2021, 19:03 Geändert 28.03.2021, 23:30

                                            Überaus gelungenes (Spät)Werk von Sidney Lumet zu einer in seinem Euvre wohlbekannten Thematik, der Korruption des New Yorker Polizeiapparats.
                                            "Night Falls on Manhattan" (1996) ist alles andere als ein klassischer Genrefilm, erweist sich viel mehr als forderndes, auf politischer Ebene vielschichtiges Justizdrama mit deutlichem Neo-Noir Einschlag, das seine Geschichte ruhig, bedächtig und dennoch größtenteils packend und intensiv vorträgt.
                                            Lumet zeichnet wie auch in einigen seiner weiteren Arbeiten ein äußerst pessimistisches Bild der Stadt New York.
                                            Ein schmutziger, feindseliger Ort, durchdrungen von Gewalt und dem organisierten Verbrechen. Das noch größere Übel stellt allerdings die ortsansässige Polizeiarbeit dar, die größtenteils schon kapituliert hat und in Form von krummen Geschäften, Schmiergeldaffären, der Fälschung von Beweismitteln und potenzieller Selbstjustiz damit einhergend quasi auch die Seiten gewechselt hat.
                                            Lumet schildert in "Night Falls on Manhattan" die Systemzusammenhänge dahinter, zeigt beide Seiten der Medaille.
                                            Andy Garcia brilliert als ehrenvoller Staatsanwalt-Newcomer, dem sich im Laufe des Films das ganze Ausmaß der Korruption im Ney Yorker Polizeiapparat offenbart, das sich wie ein Geschwür innerhalb der Stadt verbreitet hat.
                                            Auf der anderen Seite sein Vater (Ian Holm) und dessen Kollege Joey (James Gandolfini) als zwielichtiges Copduo, die sich ein ums andere Mal im rechtlichen Grau- bis Schwarzbereich bewegen.
                                            Einigen brisanten moralisch-ethischen Fragestellungen begegnet Lumet dabei mit erstaunlich viel Ambivalenz und liefert keine klare Antworten, höchstens unterschiedliche Sichtweisen.
                                            Trotz kleinerer Schwächen (Dramaturgie, die überflüssige Romanze) ein (für die eher geringe Bekanntheit) überraschend hochklassiger Film, schick inszeniert und zumeist packend erzählt.

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                                              Tobi_G93 24.03.2021, 15:30 Geändert 14.10.2021, 12:15
                                              über Zulu

                                              Knallharter, formelhafter Thriller mit erstaunlich prominentem und stark aufspielendem Cast in einem erfrischenden Setting (Cape Town).
                                              "Zulu" (2013) gibt sich zunächst alle Mühe, die eher stereotypisch angelegten Protagonisten engagiert und relativ ausführlich zu beleuchten sowie den sozio-politischen Hintergrund als wichtigen Rahmen für die Handlung zu etablieren.
                                              Regisseur Jerome Solle hetzt sein ungleiches Ermittlergespann, bestehend aus Forest Whitaker und einem (überraschend) bockstarken Orlando Bloom, der als ruppig-abgebrühter Cop fast schon brilliert, durch ein von ethnischen Spannungen, Drogengeschäften und brutalster Gewalt durchzogenes Kapstadt.
                                              In seiner räudig-realistischen Gewaltdarstellung erinnert das auf formaler Ebene bisweilen an die schonungslosen Gewaltstudien eines Jeremy Saulniers (auch die Initialen eint die Regisseure), wobei dessen Werke substanziell mehr zu bieten haben.
                                              Nach einer narrativ vernünftigen ersten Filmhälfte werden vergleichsweise früh die wichtigsten Eckpunkte der Geschichte preisgegeben, die sich leider schlussendlich als ordentlicher Unfug offenbart und mit Pulp noch überaus freundlich beschrieben ist.
                                              Dennoch zieht Solle sein Ding zwischen druckvollen Shootouts, anständig platzierten Spannungsmomenten und explitzit aufzuckender Brutalität gnadenlos grimmig durch.
                                              Sicherlich keine große Nummer, als fieser, dreckiger Exploitationthriller funtioniert "Zulu" jedoch verdammt gut.
                                              7 von 10 durchbohrten Ohrmuscheln

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                                                Tobi_G93 22.03.2021, 12:43 Geändert 21.05.2021, 13:34

                                                Lange Zeit sehr interessantes Thrillerdrama vom irischen Regisseur Neil Jordan zum Thema Selbstjustiz, das sich zumeist intensiv und packend gestaltet, mit durchaus individuellem Anstrich versehen ist, ehe sich gegen Ende jedoch in moralisch sehr fragwürdige Bahnen begeben wird.
                                                Jordan konzentriert sich dabei keineswegs auf oberflächlichen Thrill oder Action im Übermaß, sondern legt den Schwerpunkt auf den Charakter der Hauptprotagonistin, Journalistin Erica Bain, toll verkörpert von Jodie Foster.

                                                Der Wandel vom traumatisierten Verbrechensopfer (ihr Partner wurde bei einem Überfall von Gangstern getötet) zur hasserfüllten Killerin wird in aller Eindringlichkeit geschildert. Ein irrationaler, für sie unerklärlicher Akt, dem sie sich dennoch in aller Konsequenz ausliefert.
                                                In einem von Gewalt und Verbrechen durchdrungenem New York, das von Jordan auf ähnlich dreckige und abstoßende Weise wie in Scorseses "Taxi Driver" portraitiert wird, begibt sich die traumatisierte Frau auf einen blutigen Rachefeldzug durch die kriminelle New Yorker Unterwelt, richtet dabei allerlei potenzielle Verbrecher gnadenlos hin.

                                                Neil Jordan inszeniert den Stoff absolut souverän, findet immer wieder ungewöhnliche Einstellungen sowie Gespür für eindringliche Bilder und packende Momente. Die wenigen, aber intensiven Gewaltausbrüche lassen durch den ansonsten ruhig vorgetragenen Erzählfluss durchaus aufschrecken.
                                                Gegen Ende lässt Jordan leider völlig die Konsequenz vermissen und begibt sich in moralisch absolut fragwürdige Regionen, indem er das klassiche "Auge um Auge, Zahn um Zahn"-Prinzip als notwendigen, erlösenden Akt präsentiert, der keinerlei einschneidende Konsequenzen für die Protagonistin bereithält.
                                                Ein zumeist packend und anschaulich vorgetragener Thriller, der mit äußerst fadem Beigeschmack endet.
                                                Schade, da wurde noch einiges an Potential verschwendet.

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                                                  Tobi_G93 20.03.2021, 13:14 Geändert 21.03.2021, 14:16

                                                  "Guilty as Sin" (1993) gehört zweifellos zu den schwächeren Werken von Regie-Legende Sidney Lumet, keine Frage.
                                                  Dennoch weißt Lumets Psychothriller einige Qualitäten auf, die ihn meiner Ansicht nach klar vom Durchschnitt abheben lassen.
                                                  Wie auch in einigen, vorangegangenen Werken des Regisseurs werden durchaus moralische wie ethische Fragen des Justizsystems kurz mal angerissen, hier jedoch allerhöchstens oberflächlich und ohne Tiefgang. Die Grundprämisse des Gerichtsprozesses dient mehr als Rahmen für das psychologische Katz- und Mausspiel zwischen Rebecca De Mornay als Anwältin und Don Johnson als vermeintlichem Mörder, der die Anwältin für seinen Prozess um Hilfe bittet.
                                                  Schauspielerisch ist das Niveau vollkommen zufriedenstellend bis sogar richtig gut.
                                                  Insbesondere Don Johnson als unberechenbarer Mordverdächtiger David Greenhill weiß zu überzeugen, dessen Figur zwischen arrogant-selbstverliebtem Womanizer und durchtrieben-kaltblütigem Psychopathen mit bedrohlicher, unbehaglicher Aura wie ein düsterer Schleier über der Geschichte liegt.
                                                  Lumet fängt dabei die Geschichte mit gewohnt stilsicherer Inszenierung elegant und stimmungsvoll ein.
                                                  Den große Haken von "Guilty as Sin" stellt leider Larry Cohens Drehbuch dar, welches teilweise dermaßen unglaubwürdig und übermäßig pulpig ausgefallen ist. Bisweilen kann man da nur den Kopf schütteln, gerade wie (falsch) manche juristischen Prozesse dargestellt werden.
                                                  Im Grunde exquisit vorgetragener Unfug, der jedoch vor allem als Psychothriller gute Unterhaltung bereithält. Lumetfans und Freunde von pulpiger Thrillerkost können durchaus mal reinschauen.

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                                                    Tobi_G93 20.03.2021, 12:31 Geändert 20.03.2021, 13:21

                                                    Ordentlich umgesetztes True-Crime Thrillerdrama, das den wahren Kriminallfall um die 1982 verschwundene Kathie McCormack und ihren Ehemann und Hauptverdächtigen Robert Alan Durst, der trotz vermeintlichem Geständnis bis heute nicht überführt werden konnte, nachzeichnet.
                                                    Regisseur Andrew Jarecki orientiert sich grundsätzlich relativ stark an den wahren Begebenheiten und Fakten, wodurch "All Good Things" hier und da dramaturgisch leicht holprig daherkommt und übermäßiger Thrill sicherlich nicht zu erwarten ist.
                                                    Jarecki konzentriert sich deutlich mehr auf die Charakterstudie des potenziellen Mörders Robert Durst, der von Ryan Gosling auch absolut hochklassig verkörpert wird.

                                                    Durst wird als durchaus ambivalenter Charakter beleuchtet, der einerseits durch ein frühkindliches Trauma als Opfer seiner Vergangenheit gezeigt wird, andererseits offenbart er im Laufe seiner Ehe immer psychopathischere, gewalttätigere Züge, die ihn vom Opfer zum Täter werden lassen.
                                                    In den frühen Zügen der Beziehung mit Kathie erscheint er anfangs wie ein in sich gekehrter, schweigsamer, aber dennoch liebevoller Mensch, dessen Leben sich in beruflichen wie in privaten Bereichen in die richtigen Bahnen bewegt.
                                                    Durch fehlgeleitete Entwicklungen bröckelt die Fassade dann mehr und mehr.
                                                    Merkwürdige Selbstgespräche oder Wutausbrüche zeugen alsbald von innerlicher Zerissenheit und kündigen das kommende Unheil an.

                                                    Nach einer harten Wendung im letzten Drittel mutet "All Good Things" plötzlich fast wie ein anderer Film an.
                                                    Die beklemmende Stimmung von zuvor weicht vollkommen. Die durchaus tiefgehende, wenn auch bisweilen klischeebehaftete Charakterstudie fällt beinah komplett in sich zusammen, da Durst urplötzlich zu einem berechnenden, eiskalten Killer mutiert, was einfach kaum zu dem bisher portraitierten Charakter passt.
                                                    Ein nicht zu verleugnender Wermutstropfen.
                                                    Nichtdestotrotz ein insgesamt überdurschnittliches Werk und besonders für Liebhaber von True-Crime Verfilmungen eine Empfehlung wert.

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