angucker - Kommentare

Alle Kommentare von angucker

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    angucker 16.06.2020, 05:44 Geändert 16.06.2020, 07:40

    Plötzlich gutes Drehbuch: Wahrscheinlich nur im O-Ton zu genießen hat mich diese thematisch völlig einfallslose Teeniekomödie sofort gefesselt, denn die handwerkliche Qualität vor allem des Drehbuchs ist überragend. In rasantem Tempo springt die Handlung nach einer traumhaft schönen Exposition mit Aufnahmen von texanischer Provinz und einem glitzernden Feuerwehrauto direkt in eine Highschool Feier und die Wortgefechte der drei Hauptdarstellerinnen, die im Original sehr klar und witzig nur durch ihre Sprache charakterisiert werden. Die offenen Konflikte in der von Andie McDowell bemutterten Patchwork Familie werden ohne ein Wort der Einführung direkt vorgestellt, die Weichen sind gestellt und ab geht es nach Paris und in die 1000 mal variierte Role Changing Komödie. Was Film und Drehbuch danach gelingt, ist beachtlich. Immer charakterisiert nur durch kurze und originelle Dialoge werden die Figuren am Laufen gehalten, der als Prinz für die Nerd Schwester hinzu kommende australische Surfer bekommt seine Rolle vor allem durch seine lakonische Sprache und diesen weichen australischen Akzent perfekt zugewiesen. Die englische Tante mit dem Haute Couture Kleid und dem Atombusen, der französische Portier, der Kommissar - hier werden die sozialen, amourösen und kulturellen Konflikte nicht nur durch die trotz vieler Schleichwerbung grandiosen Props und Locations charakterisiert, sondern immer auch durch die geschickte Verwendung von Dialekten und rollentypischer Sprache. Und über allem schwebt die wegen ihres Kindchenschema-Gesichts ideal gecastete Selena Gomez, die mit Cowboystiefeln unter ihrer Designerrobe zum Ball geht und als ihr britisches Upper Class Alter Ego als Superbitch mit nervigem British Accent ebenso überzeugt wie als texanischer, pferdeaffiner Teen. Tolle Kamera, sehenswerte Locations, interessante Nebendarsteller - ich wollte den Film nur wegen der kurzen 10 Minuten mit Andie McDowell sehen und habe mich dann von den vielen handwerklichen Stärken komplett überzeugen lassen. Aber bitte nur im Originalton. Die Synchro ist bescheiden und dann funktioniert der Film nicht.

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      angucker 15.06.2020, 15:53 Geändert 16.06.2020, 08:39

      Die Andie McDowell Reise-Show: Völlig durchgeknallter Mix aus Baseball-Film, Road Movie, National Geographic Reisedoku, Modenschau, Werbefilm für Andie McDowell und Thriller. Die immer bezaubernde, manchmal auch sehr bodenständig in Wollsocken mit Sneakers und Baumwollrock daher kommende Andie McDowell (Schwarm meiner Jugend und eher nicht die nuancierte Schauspielerin) reist durch die Welt, sammelt Geld ein und flirtet mit Viggo Mortensen und Liam Neeson. Doch anstatt romantischer Dreiecksgeschichte ist es nur ein völlig durchgeknallter Mix...
      Sehenswerte Kameraeinstellungen und Außenaufnahmen, das Drehbuch und die deutsche Synchronisation könnten aus einem drittklassigen Pornofilm kommen. Witzig die Szenen aus Berlin einschließlich DDR-Atmo und einem engagierten Nebendarsteller als Ost-Gangster. Die Bewertung umfasst 1 Extra-Fan-Stern für Andie und 1 weiteren Stern, weil ich gut aussehenden Trash im Film einfach nur schön finde. Die ideale Hintergrundberieselung für einen lauen Sommerabend.

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        Sehenswerte Aufnahmen eines Wolfsrudels und der brandenburgischen Landschaft in der Lausitz, wo der Braunkohletagebau eine Mondlandschaft hinterlassen hat. Der Rest ist leider übelste Fernsehkrimi Sülze mit schwachen, lustlosen Darstellern und einer hanebüchenen Story. Und wenn ein angeblicher Lausitzer dann von einem steif norddeutsch sprechenden Fabian Hinrichs gemimt wird, dann ist wirklich Schluss mit lustig.

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          One Trick Pony: Es lag nicht an den Darstellern, allein schon Rosalie Thomass ist ne Bank und die anderen nicht weniger. Aber wer zur Hölle macht aus so einer schlichten Story einen Spielfilm? Eine Idee und dann über eine Stunde Film? Keine Ahnung, besser wird es dann nicht.

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          • Sie verschwindet so in ihrer Rolle als schafsgesichtige Westblondine in "Unterleuten" es ist ein Genuss. Trägt mit Inbrunst merkwürdige Wickelkleider, humpelt an den richtigen Stellen und bringt ihre Rolle perfekt rüber. Warum sehe ich so eine gute Darstellerin zu selten? Ich gucke nicht 📺

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            • angucker 14.06.2020, 06:35 Geändert 17.06.2020, 10:46

              Und wieder schlägt "The Body“ Stein zu als neurolinguistisch optimierte Ponyhof Karrieristin in Matti Geschonneks "Unterleuten" - schmallippig und mit dem schiefen Grinsen im Gesicht. Sagenhafte Performance. Und diese Beine. Ein so detailverliebter Regisseur lässt es sich nicht nehmen, die Serienfigur mit ihren Kopfhörern und Selbstoptimierungssprüchen im Ohr lange in Shorts auf der Leiter stehen zu lassen. Das mit den Beinen hat er auch gecheckt 😘

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                Sensibler Blick auf Menschen und Schicksale der brandenburgischen Provinz: Nach einer hoch gelobten Romanvorlage von Juli Zeh entstand hier eine Kurzserie der Extraklasse. Insgesamt 4,5 Stunden lang breitet Regisseur Matti Geschonnek mit seinem sehr diversen Cast aus erfahrenen Darstellern eine scheinbar einfache Geschichte vom Windpark in der brandenburgischen Provinz aus, erzählt dabei in genau komponierten Einstellungen von den persönlichen und wirtschaftlichen Problemen der Alten und Jungen, der Wessis und Ossis, lässt den Darstellerinnen und Darstellern die nötige Zeit. Da darf Charly Hübner auch mal drei Minuten wie ein wütender Bär Autoreifen verbrennen, da wird das große Können der Schauspieler von schnell wechselnden Kameraeinstellungen geschickt transportiert und auch die Locations, die authentischen Klamotten - dies ist in meinen Augen die mit Abstand beste und gelungenste
                Fernsehproduktion der letzten Jahre. Bis auf die sülzige Musik gibt es nichts zu meckern und hervorzuheben ist nur, dass die Spannung bis zum Ende erhalten bleibt, es richtig fette Twists gibt und man gut aufpassen sollte, damit die kleinen Details auch Spaß machen können. Dagmar Manzel, Ulrich Noethen - es wäre müßig, hier einzelne DarstellerInnen hervorzuheben. Die können alle und geben reichlich. Einziger Spoiler: Die Tochter des alten Bauern und der Bürgermeister sind die einzigen echten Helden hier. Und das ist gut so.

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                • Hellblaue Kulleraugen und viel Plan als Schauspieler. Der Bürgermeister aus Unterleuten.

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                    angucker 11.06.2020, 20:25 Geändert 12.06.2020, 06:07
                    über Toy Boy

                    Ashton Kutcher hat einen platten Popo und kann nicht schauspielern. Grauenhafte Story. 1 Punkt für Anne Heche, die sehr gut und glaubwürdig die alternde Anwältin spielt, 1 für die coolen Ausstattungen und Vögeleien und 1 für den obercoolen Killerfrosch in der letzten Einstellung, der hat mehr Ausdruck und Style als.... Und er hat eine weiße Maus. Mahlzeit!

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                      Creepy Old Guy auf Französisch: Das endlose Gelaber insbesondere des alternden Diplomaten und dessen handgreifliche Annäherung an die teilweise noch minderjährigen Halbschwestern sind nach heutigen Maßstäben völlig inakzeptabel. Und entpuppen sich erst in den letzten 5 Minuten als Gedankenspiel und Gesellschaftsspiel über Beziehungen und das Erwachsenwerden der Erwachsenen. Der Film hat aber 102 weitere Minuten und die werden manchmal sehr lang, zumal fast jeder Satz die Worte ich oder mich enthält. 1 Sonderpunkt für Originalität und 70er Kultfaktor, aber "Pauline Am Strand" ist besser, weil da mehr passiert und die Gesellschaftsspiele vielfältiger sind.

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                        Ich trage keine Unterwäsche: Bist du eine 10? Die kindliche Vorstellung, dass die Attraktivität und der Status einer Liebesbeziehung nicht unter Wert gepaart werden sollte, ist zutiefst amerikanisch und allein daraus bezieht diese Rom-Com ihre Dynamik. Das Ganze wird schnell zur One Woman Show der fotogenen und immer strahlenden Alice Eve, die noch dazu mit der ebenso gutaussehenden Krysten Ritter als beste Freundin gematcht wird. Erst im OmU kommen die Gags so richtig, vor allem wenn es zu der prolligen Familie des übertrieben bescheuerten Jungmannes geht. Ganz nett.

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                          angucker 07.06.2020, 06:57 Geändert 11.06.2020, 11:57

                          Zwei Superhelden, eine Stadt und "My Funny Valentine": Ein merkwürdiger Film, independent Style, mit ständig schwankender Kamera, die allerdings mit natürlichem Licht und wunderbaren Bokehs zauberhafte Aufnahmen von und mit der nächtlichen Stadt New York schafft. Die Stadt ist der dritte Hauptdarsteller hier vom kathedralenhaften Bahnhof, von der kurzen Kamerafahrt durch einen Sweat Shop mit Aufpasser und Handtaschen-Hehlerei im Hinterzimmer bis zum obligatorischen nächtlichen Diner. Ein Filmpaar, dessen Chemie extrem gut ist. Chris Evans scheint wirklich aufzugehen in seiner Rolle als sympathischer junger Mann mit vielen Selbstzweifeln und Alice Eve ist gerade mit ihren immer wieder von der Kamera geschickt eingefangenen 3 1/2 Falten und ihrer unverkennbaren "british upperclass attitude" ein fesselndes und gut schauspielerndes und begehrenswert distanziertes "Love Interest". Auch einen frühen Höhepunkt hat der Film, als beide (Trompete und Gesang!) als Überraschungsgäste auf einer Party "My Funny Valentine" aufführen; der Text des oft gespielten Titels passt perfekt und die dann endlich im O-Ton zu genießenden zauberhafte Stimme von Alice Eve auch. Es wäre schön gewesen, wenn der Film auch OmU angeboten würde. Denn die fantastisch wandlungsfähige Sprechstimme von Eve, die zudem von Hause aus auch einen sehr süßen englischen Oxford-Akzent hat - da versagt jede Synchro. Leider ist das Drehbuch, an dem 4 (!) Autoren geschrieben haben, echter Müll. Die Dialoge zünden nicht, es passiert sehr wenig und der Konflikt als solcher taugt gerade mal für eine Fernsehepisode. Trotzdem sehr sympathisch, wenn ein Superheldendarsteller wie Evans mit eigenem Geld und Regie so einen Film macht. Mit dem Mann kann nicht nur Eve gern mal Kaffee trinken gehen.

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                            Oh la la: Wer Gefallen an dem "isch bin söö französüsch" einer im Ungefähren bleibenden Handlung findet, ist mit diesem Kassenschlager der Jahrtausendwende bestens unterhalten. Viele Freunde hat auch die getragene Filmmusik von Yann Tiersen. Für mich wars Wohlfühlkino ohne Substanz, aber das muss nicht jeder/m so gehen.

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                              angucker 06.06.2020, 06:00 Geändert 06.06.2020, 06:03

                              Kirk Douglas spielt (nicht) Trompete: Dieses sehr konventionelle Bio-Pic unter der Regie von Michael Curtiz lohnt sich nur wegen der virilen Schauspielerei des jungen Kirk Douglas, der fantastischen Musik des Trompeters Harry James (der mit seiner Band die gesamte Musik einspielte - gibt es auch als sehr lohnende CD) und natürlich wegen dem Gesang von Doris Day, die damals noch ganz im Jazz-Modus war und neben Ella Fitzgerald die wohl beste Jazzsängerin der Welt.

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                                angucker 06.06.2020, 05:24 Geändert 06.06.2020, 05:33

                                Heimlicher Musikfilm: Wie wohl viele meiner Generation kannte ich diesen Hitchcock-Klassiker nur aus dem Fernsehen - schwarzweiß und weniger als 55 cm Diagonale bis in die späten 80er Jahre hinein. In diesem Format war der Film eher schwach, wenig involvierend, wie ich nur noch undeutlich erinnere. Heute dagegen (Streaming sei Dank) mit angemessenem Ton und in Groß und Farbe ist das eine kleine Perle. Die erste Hälfte noch etwas zäh, "National Geographic" sagt meine bessere Hälfte spontan, gemeint sind die farbenprächtigen Außenaufnahmen in Marokko und das routinierte Spiel von Stewart und Day auf Märkten und in Restaurants. Gemächliches Erzähltempo, James Stewart versucht, seine unendlich langen Beine auf einem niedrigen Sofa unter einen arabischen Tisch zu bekommen. Gekonnt, natürlich, mit den interessanten Nebendarstellern und einem sehr präzisen Schnitt wird ganz geruhsam etwas Spannung aufgebaut. Dann geht die Handlung ab nach London und jetzt beginnt die Magie. Die überragende Filmmusik schiebt sich mit dramatischen Einwürfen in Moll immer mehr in das Bewusstsein der Zuschauer, geschickt leitet eine kurze Salonkomödie (die dekadenten, gelangweilten Londoner Freunde) über in den langen, genüsslich aufgebauten Showdown. Jetzt wechseln die Schauplätze häufiger. die Kamera löst sich von den Darstellern, erfasst Treppenhäuser, Türen, dunkle Opernlogen und dazu dreht die Filmmusik mit kurzen, dramatischen Einwürfen immer mehr auf. Zuletzt ein doppelter Shootout zuerst in der Albert Hall, wo die Zuschauer (ausführlich und mehrfach gebrieft für den Ablauf des bevorstehenden Anschlags) auf dem Logenplatz zusehen, wie der Perkussionist seine Becken bereit legt. Sogar durch die Becken ins Orchester dürfen wir blicken, die Musik wird längst "fulltime" vom Orchester gespielt (ziemlich gekonnt), Blicke auf die hart arbeitenden OrchestermusikerInnen, eine Pistole schiebt sich hinter einem plüschroten Vorhang hinein in die tiefe Schwärze einer Opernloge (geniale Einstellung), Doris Day fängt vor Verzweiflung und Stress an zu weinen (nie zuvor hat mir die als Jazz- und Popsängerin hoch verehrte Doris Day als Darstellerin so gut gefallen wie hier), Schuss! Reicht noch nicht, zweiter Showdown. Kirche, innen, außen, die düsteren englischen Kirchen wurden mit ihren schwarzen Steinen selten so geschickt inszeniert wie hier. Szenenwechsel, Botschaft, Gala-Gesellschaft, alle laufen im Smoking herum. Doris Day soll singen - so der Plan. Das kann sie (Doris Day war - was viele nicht wissen - eine der erfolgreichsten Unterhaltungssängerinnen der 40er bis 50er Jahre und wird wegen ihrer schönen Stimme und technischen Möglichkeiten von mir und vielen Fachleuten in einer Liga mit der berühmten Ella Fitzgerald gehandelt). Also singt Doris Day am Klavier "Que Sera" - was durch diesen Film zu ihrem Signature Song wurde. Mit routinierter Modulation und professionell sanfter Stimme. Aber es wäre nicht Hitchcock, wenn der Song einfach so gespielt würde. Nein. Wieder öffnet die Kamera in fließenden Einstellungen den Raum des Zuschauers auf Korridore, Türen, Stuckdecken - hin zu dem Jungen, der seine Mutter hört. Nie wird der Song wirklich ausgespielt, sondern Kamera und Musik verbinden Mutter und Sohn - der Rest ist Filmgeschichte, einschließlich der notwendig heiteren Ausgangsszene (die dekadenten Londoner Freunde wachen endlich wieder auf).

                                Geiler kann man eine so einfache Geschichte eigentlich nicht inszenieren. Perfekt, auf den Punkt und einen besseren Einsatz von Filmmusik und einem (!) Song kann ich aus dem Gedächtnis nicht erinnern. Außerdem gibt es mal wieder grandiose Nebendarsteller zu sehen und auch, wenn die erzählte Geschichte wirklich dünn ist, macht dieser Klassiker richtig Spaß. Wenn man Musik mag und genießen kann, sonst eher nicht. Übrigens habe ich gerade MI 5 noch einmal gesehen und muss sagen, dass die wirklich toll inszenierte Opernsequenz mit Tom Cruise eigentlich ein (gut gemachtes) Remake dieses Meisterwerks von Hitchcock ist.

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                                  angucker 05.06.2020, 09:28 Geändert 05.06.2020, 09:28

                                  Das System Henry Ford in der Imbissküche: Es ist ja durchaus verdienstvoll, wenn mit einem mal wieder faszinierend präzise und nachvollziehbar spielenden Michael Keaton in der Hauptrolle das Leben einer amerikanischen Unternehmerlegende verfilmt wird. Die noch dazu den amerikanischen Traum vorgelebt hat, wie sonst wohl nur Henry Ford, Disney oder Hugh Hefner.

                                  Als die Brüder McDonald (interessanter Cast) ihre Imbissküche auf dem Tennisplatz durchspielen oder voller Begeisterung von ihren Innovationen erzählen, hat der Film seine inhaltlichen Höhepunkte. Tolle Kamera, massenkompatible Fahrstuhlmusik im Hintergrund, angemessenes 50er Jahre Ambiente - aber warum zur Hölle muss man das Leben eines Mannes, dem Hunderttausende ihren vorzeitigen Herztod zu verdanken haben und die Welt 1000 Sünden von der Vernichtung des Regenwaldes bis zum Plastikmüllberg so dermaßen seicht in Bonbonfarben als Film bringen? Bei allem Verständnis für die handwerklichen Qualitäten - dies ist bescheuerte Kapitalismuswerbung in Cinemascope wie sie so einfallslos zuletzt im Biopic über Disneys zu sehen war. 2 Extrapunkte Abzug für hirnlose McDonalds-Werbung.

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                                    angucker 02.06.2020, 19:48 Geändert 03.06.2020, 10:15

                                    Ich kenne diesen Konzertmitschnitt nur, weil ich als alter Fan des Gitarristen Ry Cooder an einem langen Winterabend mal alle Youtube Videos in die richtige Reihenfolge gebracht habe. Aus unklaren Gründen ist die Langfassung nicht mehr auf dem Markt und wird wohl auch nicht mehr kommen. Ry Cooder war damals auf dem Zenit seiner Ende der 60er begonnenen Roots Entdeckung und lieferte mit begnadeten Musikern wie Jim Kelter, Jorge Calderon, van Dyke Parks, Flaco Jiminez und seiner Vokalgruppe ein schwitziges, unfassbar groovendes Live Konzert mit R&B, Soul, Blues und TexMex ab, das von dem Kamerateam unter der Regie von Les Blank sehr intim und packend eingefangen wurde. Dagegen verblasst wirklich jeder Konzertmitschnitt der Stones, der Gig ist so heiß wie die Temperaturen an diesem Abend.
                                    Suchbegriff bei YouTube ist "Let's Have A Ball" - ein eifriger Youtuber hat alle Clips mit den einzelnen Titeln des Konzerts auf seinem Kanal eingestellt.

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                                      angucker 02.06.2020, 03:10 Geändert 02.06.2020, 03:11

                                      Mastroiani wird gestört: Er, der zynische und hedonistische Pharmaunternehmer, trifft sich mit seiner 30 Jahre jüngeren Geliebten, um mit ihr und seinem roten Mercedes 450 SL Cabrio ins Wochenende zu fahren, die angesagte Fischsuppe zu essen und die junge Frau zu vögeln. Dumm gelaufen, denn er trifft auf 3 entschlossene, bewaffnete und prinzipienfeste Bankräuber der italienischen Linken, die ihn und die Geliebte entführen und als Geisel nehmen, um von seiner Familie ein aberwitzig hohes Lösegeld zu erpressen. Daraus entwickelt sich eine trotz der zeitgeistig umfangreichen Dialoge zielstrebig voran schreitende Politsatire. Nicht nur sind die Gangster ihrem Opfer an Entschlossenheit und auch sexueller Attraktivität voraus, sondern während der Verfolgung passieren immer wieder unerwartet Dinge, die in ihrer Absurdität viel über die unterschiedlichen Milieus sagen. Der zufällig auftauchende Zahnarzt des Fabrikanten im selben Alter trägt ein schrill gemustertes Hemd, dessen Knöpfe an der Wampe über dem Goldkettchen aufspringen, der alte General ist ein feiger Deserteur und die junge Entführerin (beeindruckend als Tomboy gespielt) tauscht sich mit ihrer weiblichen Geisel beiläufig über die Rolle der modernen Frau aus. Das hat Witz und Stil, nur gegen Ende geht diesem originellen Road Movie die Luft aus und dem Drehbuch die Ideen.

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                                        angucker 01.06.2020, 20:25 Geändert 02.06.2020, 12:00

                                        Kapitalismus ist so ungezügelt: Wer nach dieser Doku noch an Kapitalismus glaubt, ist zwischendurch eingeschlafen. Detailfreudig, aber doch empathisch geht der Film von Alex Gibney der Frage nach, wie es zu diesem Abgrund an Beschiss und Geldvernichtung kommen konnte, wer daran wie beteiligt war und warum keiner der Akteure ernstlichen Schaden nahm. Bei den Interviews mit einfachen Gehaltsempfängern, die den Zockern in der Vorstandsetage von Enron den Verlust ihrer kompletten Altersversorgung verdanken, kamen mir fast die Tränen - wer danach noch an soziale Marktwirtschaft oder Kapitalismus glaubt, der glaubt wirklich und ist für Fakten nicht mehr erreichbar. Und dass dies passieren konnte in einem Land mit einer vergleichsweise sehr mächtigen und mit erheblichen Mitteln ausgestatteten Finanzaufsicht, ist umso mehr ein Armutszeugnis für eine Gesellschaft der Reichen.

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                                          angucker 01.06.2020, 06:40 Geändert 02.06.2020, 12:00

                                          Retro Thriller: Götz George nuschelt, Heinz Hönig brüllt und Gudrun Landgrebe ist das "Love Interest" - alles wie gehabt in den goldenen 80ern. Aber das leider in Endlosschleife. Von den blutroten Titeln über den vom heute zu Recht vergessenen Idol der 68er Generation Eric Burdon eingesungenen (und sogar wiederholten) Song "Good Times" bis zu den toupierten und dauergewellten Frisuren ist hier alles sehr bemüht, sehr deutsch und sehr schlecht gealtert. Das liegt nicht an der Kamera, die immer wieder geschickt zwischen schwitzigen und sabbernden Innenaufnahmen und weiten Totalen in der kalten Betonwelt der modernen Stadt wechselt. Das liegt auch nicht an der Story, die zwar ein einziges Logikloch ist, aber dafür einen zwar vorhersehbaren, aber doch witzigen Twist bereit hält. Der Retro-Effekt mit seinen für mich negativen Auswirkungen speist sich aus dem leider völlig lahmen und sehr gleichmäßigen Erzähltempo ohne jede Rhythmuswechsel, dem sehr deutschen Bemühen, die Einzelheiten der "großen" Produktion immer wieder angemessen ins Bild zu rücken (wozu muss ich mir minutenlang immer wieder dieselben Einstellungen auf rennende SEK-Polizisten und Autodächer angucken). Aber vor allem ist die Story an den Haaren herbeigezogen, zwischendurch wird in bester Fernsehmanier immer wieder alles für den Zuschauer erklärt aber vor allem hätte Dominik Graf niemals jemals seinen deutschen Schauspielstars so dermaßen freie Hand für Mätzchen und Marotten lassen dürfen. Götz George mit seinem Genuschel und der auch für die Rolle völlig unpassenden Fliegerbrille (die er wohl seit den frühen 80ern nie wieder abgesetzt hat), Hönig mit seiner diffusen Körpersprache und seinem ewigen Gebrüll und Landgrebe - na ja, lassen wir das.

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                                            angucker 30.05.2020, 23:12 Geändert 31.05.2020, 10:24

                                            Bewegendes Drama um die verlorene Tochter, die verlorene Frau, das verlorene Leben und die verlorene Mitte der Gesellschaft. Mit einem konzentriert aufspielenden Ewan McGregor in Hauptrolle und Regie, einer beklemmend in die Rolle eingetauchten Dakota Fanning und einer insgesamt perfektionistischen Inszenierung. Allein schon das Licht der teilweise in tiefes Dunkel oder kühles Winterlicht getauchten Aufnahmen und die souverän erzählten Rückblenden sind beeindruckend.
                                            Tipp: Wer die extrem harten und direkten Verhandlungen der frisch gekürten Schönheitskönigin mit ihrem künftigen Schwiegervater in Spe nicht gut findet oder mag, wird an dem folgenden Film mit seinen straff erzählten 1:47 h wenig Freude haben.
                                            Das ist mal ein Regiedebüt der Oberklasse und ein sehr gutes Drehbuch nach einem 1997 erschienenen Roman von Philip Roth.

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                                              Ganz modern geht es hier schon in der Exposition mitten hinein - Banker, Verschwörung, Attentat, Wasser, Raketenboot. Allein die ersten 15 Minuten heben diesen Bond deutlich über den Durchschnitt der Franchise. Die Dreharbeiten sollen ja spektakulär aufwändig gewesen sein schon wegen Geschwindkeitsbeschränkungen auf der Themse. Danach trödelt es so dahin, hat aber wegen der durchaus realistischen geopolitischen Bezüge und der intensiven Darstellung von Marceau und "Stupsnäschen süß" Richards (geniales Casting, irgendwie ironisch) sowie Carlyle, Dench und Coltrane immer wieder gutes Niveau. Macht Spaß und ist zeitlos, einer der besseren Brosnan-Bonds. Guter Schnitt, Kamera und Ausstattung vom Feinsten, die Ski-Stunts waren für meinen Geschmack wenig originell.

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                                                über Taxi

                                                Berühr mich: Manchmal sind Drehbücher und vermutlich auch deren Romanvorlagen so einfallslos, unoriginell und klischeehaft, dass der Film nur noch Schrott werden kann. Selbst wenn Autorin Karen Duve in den 80er Jahren 13 Jahre Taxi gefahren ist muss sie doch bitte nicht unbedingt ein Buch und Drehbuch daraus machen. Die Liebesnächte der noch dazu völlig trudschigen Hauptdarstellerin sind so uninteressant, das bißchen Atmo so bemüht, das selbst die souveräne Darstellung von Peter Dinklage und die (Kompliment an die Fahrzeugabteilung) vielfältigen modernen Oldtimer diese Gurke von Film nicht mehr retten können. Und das nächste Mal nehmen wir bitte für Szenen in engen Jeans bei dieser Darstellerin ein Bodydouble, bitte bitte.

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                                                • Sohn russisch-jüdischer Einwanderer, Tänzer, Choreograph, Theaterregisseur, kam erst ziemlich spät zum Film. Seine beruflichen Wurzeln konnte er in "Footloose" nutzen, er schuf mit "Magnolien aus Stahl" einen leichtfüßigen, unaufgeregten Klassiker des "Frauenfilms", drehte sonst meist Komödien, wenn er nicht gerade am Broadway mit Musicals beschäftigt war.

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                                                    angucker 27.05.2020, 10:32 Geändert 27.05.2020, 19:06

                                                    Frauen, Film, Finesse: Ein tänzerisch leichter, handwerklich umwerfend gut gemachter Film über die Probleme und Problemchen von Frauen im Süden der USA? Echt mal? Vielen vor allem männlichen MPs zieht es förmlich die Schuhe aus, da wird sinniert über die Frage, ob man zwei Eier haben darf, um diesen Film zu mögen. Andere beklagen sich über Ereignislosigkeit, über "grelle Schauspielerei im Stil der 80er". Ich bin keine Frau und habe diesen Film über die volle Laufzeit genossen.

                                                    Höchstpunkte in jeder Kategorie. Ein grandioser Cast. Die junge Julia Roberts zeigt spätestens bei ihrem Ausbruch nach dem letzten Haarschnitt, was für ein Schwergewicht von Schauspielerin sie ist, wenn sie darf. Tom Skerrit ist ganz der chaotische, liebende Ehemann mit seinen zwei Söhnen, die nicht nur bewusst auf Ähnlichkeit gecastet sind (das fällt vielen Produktionen ja offenbar sehr schwer), sondern sich auch genau so bewegen wie ihr Vater. Sally Field, deren Verzweiflung und Überforderung mühelos die Zuschauer erreicht. Dolly Parton mit der aberwitzigsten Perücke/Frisur der USA und ihrer bodenständigen Attitüde. Mit einem depressiven Ehemann, der sich im richtigen Augenblick aufrafft, um an der Beerdigung teilzunehmen. Daryl Hannah - nach Blade Runner endlich mal wieder richtig besetzt. Für ihre fahrige, etwas zwanghafte, leicht autistische Art braucht es noch nicht einmal die verrückte Brille, sie kann das auch so. Shirley Maclaine spielt die (wer nicht auf Kostüme achtet, merkt es erst spät im Film) stinkreiche Nachbarin ohne Ehemann, Haare auf den Zähnen und verbale Attacken inklusive, die auch mal im 10.000 $ Nerzmantel mit Jeans-Latzhose und einem sabbernden, haarenden Bernhardiner ("wenn er Haare hätte, wär es ein Bernhardiner") in Nachbars Garten eindringt. Da wird geplaudert, aggressiv geklatscht, die Damen schlagen auch mal zu (oder verleiten Dreijährige, das an ihrer Stelle zu tun). Da wird gestorben in einer perfekt inszenierten, kurzen, dichten Krankenhaus-Szene, an die sich dramaturgisch geschickt später eine verbale Aufarbeitung der Gefühle anschließt. Die Kostüme sind atemberaubend, abwechslungsreich, passend zu den Figuren, die Hüte sagen uns immer auch etwas über die Figur. Die Musik ist ebenso unauffällig wie atemberaubend gut: Zydeco, Tex-Mex (ein atmosphärisch passender Titel von Ry Cooder läuft auf der Hochzeit ganz beiläufig im Hintergrund), selbst eine perfekt mehrstimmige Vokalgruppe wird da noch untergebracht. Regisseur Herbert Ross war gelernter Tänzer und Choreograph - alte Schule sozusagen. Da wird die Hochzeitsfeier zu einer ausgelassenen Tanzdarbietung, die so perfekt ausgeführt und in die Handlung integriert ist, dass es dem Zuschauer kaum auffallen will. Wenn ich das mit unendlich vielen anderen vergurkten Tanzeinlagen in Spielfilmen vergleiche - dazwischen liegen Welten. Dazu serviert uns das Drehbuch nicht nur eine beiläufig in die Handlung eingeschlichene Tragödie, sondern auch viele viele witzige, teilweise tiefsinnige One-Liner. Und so skurrile Gags wie "ältere Damen treffen sich in der Umkleide mit nackten Football-Spielern". Die Locations, die Veranden, die riesigen Bäume der Südstaaten sind mit leichter Hand in die Handlung integriert. Die Regie fügt das alles mit einer leichtfüßigen Professionalität zusammen, die ich sonst nur von Robert Altmann erwarten würde. Ein Filmklassiker, den ich vermutlich noch häufiger sehen und mich an den vielen Bedeutungsebenen, den Gags, den perfektionistisch ausgebreiteten Details erfreuen werde.

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