Audreyfan - Kommentare

Alle Kommentare von Audreyfan

  • 8

    Es scheint ein normaler Morgen zu sein. Das Motorrad springt nicht an, die Mutter tadelt ihre Sohn, Freundinnen unterhalten sich über Jungen, Freunde unterhalten sich über Mädchen, die Straßenbahn hält an. Die Menschen steigen ein, alles ist in Ordnung. Doch dann fragt ein afrikanischer Mann eine alte Dame, ob der Sitzplatz neben ihr frei ist. Sie mustert ihn verächtlich und schweigt. Er setzt sich einfach neben sie. Daraufhin fängt die alte Dame mürrisch und durch und durch rassistisch über Ausländer zu lästern. Die Fahrgäste hören es, aber schweigen. Der junge Mann schaut angestrengt aus dem Fenster. Die Frau gibt sämtliche Stammtischparolen zum Besten, die man sich vorstellen kann, redet immer weiter für sich und kann nicht mehr aufhören. Ist es etwas noch nie gehörtes, was sie sagt? Nein, diese Sätze könnten auch Leute heutzutage sagen und dafür müssen sie noch nicht mal alt sein.

    „Wer von unseren Steuern profitiert, könnte sich wenigstens anständig benehmen! Als ob man sich nicht an unsere Sitten anpassen könnte.“
    „Man weiß ja schon bald nicht mehr in welchem Land man lebt.“

    Und so weiter und so fort. Die Fahrgäste bleiben weiterhin stumm. Der Fahrkartenkontrolleur steigt ein. Die Frau holt weiter redend ihre Fahrkarte raus und der Biker bereitet sich innerlich auf die Geldstrafe vor, die ihm jetzt gleich blüht. Der afrikanische Mann hat zu viel von der Frau und den Vorwürfen und sieht seine Gelegenheit gekommen. Er isst ihre Fahrkarte auf und zeigt dem Kontrolleur grinsend seine Fahrkarte. Die Frau schaut ertappt auf und stammelt.
    „Der Neger hat ihn eben aufgefressen!“
    Doch der Kontrolleur hält das für eine billige Ausrede und schmeißt sie raus. Der wahre Schwarzfahrer wird verschont und der „schwarze“ Fahrer hat in ironischster Weise dem alltäglichen Rassismus den Stinkefinger gezeigt.
    „Schwarzfahrer“ ist ein politischer Sketch und es bleibt jedem selber überlassen, die Interpretation auszuweiten mit Fragen wie: Warum ist es gerade eine alte Frau? Hat sie Recht? Hat sie Unrecht? Darf der das? Ist dieser Film nicht irgendwie auch diskriminierend, weil er die andern Menschen als mürrische, schweigende Masse darstellt?
    Ich betrachte „Schwarzfahrer“ wie gesagt als politischen Sketch mit einer fabelhaften, ironischen Pointe, der sehr zeitgemäß und zudem auch schön gefilmt ist.

    http://planetofpictures.blogspot.com/2013/09/schwarzfahrer-d-1992-pepe-danquart.html

    14
    • Ich glaube das erste Mal, wo ich dieses Prädikat sah, war bei "Sex and the City 2" das fand ich komisch, hab mir aber nie was dabei gedacht, vor allem weil mir dieses Siegel außerhalb der Kinoseite nie begegnete. Jetzt weiß ich endlich mal richtig, was dahinter steckt^^

      • 8

        "Do you want anything from the shop?"
        "Cornetto."

        Panic on the streets of London...
        Edgar Wrights kultverdächtige Trilogie mit Eis und ganz viel Blut startet mit dem für mich besten Film der drei: Shaun of the Dead.
        Die romantische Komödie mit Zombies spielt in London und handelt um die beiden Kumpels Shaun und Ed, Shauns Freundin Liz, deren Mitbewohnern und seiner Mutter mitsamt Stiefvater. Shaun und Ed schleppen täglich ihre Mitbewohner ins Winchester und langweilen Liz und ihre braven Mitbewohner so zu Tode, dass Liz ihrer Beziehung ein Ultimatum stellt. Entweder Shaun schafft es ihr gemeinsames Leben spannender zu gestalten oder sie macht Schluss. Doch Shaun kriegt es wieder mal nicht hin und die Beziehung zerbricht. Derweil werden die Menschen immer merkwürdiger. Anfangs nickten sie nur hohl zur Musik mit und geisterten im alltäglichen Trott zombiehaft durch die Straßen. Jetzt werden alle krank und greifen andere an. Aber noch sind alle ahnungslos.
        Die Darstellung der zombiehaften Menschen ist eins der Dinge, die "Shaun of the Dead" zu etwas wirklich Besonderem machen. Geschickt wird zitiert und parodiert, allerdings wirkt es selten wie ein Kopie, sondern immer wie etwas Selbständiges, Individuelles, zwei Sachen die man nicht mehr vielen Zombiefilmen zusprechen kann.
        Doch irgendwann kapieren es auch die Faulsten und Dümmsten beziehungsweise Shaun und Ed: Zombies sind in der Stadt. Wobei sie immer dieses Wort vermeiden wollen. Natürlich haben sie direkt einen genialen Plan, der zwar ein paar Mal noch umgeschrieben wird, dann aber ganz klar feststeht.

        "Take Car. Go to Mum's. Kill Phil. Sorry. Grab Liz. Go to the Winchester. Have a nice cold pint and wait for all this to blow over."

        Der Plan gelingt auch mehr oder weniger, aber auf eine Art, die man nicht allzu oft in heutigen Komödien vorfindet. So ziemlich alles ist überzeichnet, absurd und urkomisch, dass ich wirklich nur noch lachen will. Dabei stürzt der Film aber nie ins negativ lächerliche, sondern perfektioniert seinen britischen Humor immer wieder.
        Was mir nicht nur im ersten Teil, sondern auch in den anderen drei Teilen, besonders gefällt, ist die experimentierfreudige Kameraführung, die sich nicht auf ein Genre festlegt und auch bei der zweiten Sichtung die Augen an den Fernseher reisst. Auch die Quote der zitierwürdigen Sprüche ist unglaublich hoch.
        Mit "Shaun of Dead" erschuf Edgar Wright einen der besten, unseriösesten Zombiefilme und einen fulminanten Anfang für seine tolle Trilogie.

        "How are you doing?"
        "Surviving."

        http://planetofpictures.blogspot.com/2013/09/shaun-of-dead-gb-2004-edgar-wright.html

        12
        • 7

          François Truffaut: Retrospektive #16

          "La Chambre Verte" (Das grüne Zimmer)

          "Irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem wir feststellen müssen, dass wir mehr tote als lebende Menschen kennen."

          Ungewöhnlich bedrückend fängt der Film an und wird immer bedrückender. Dabei geht es wie so oft um die Liebe. Nur, dass Julien Davenne (Truffaut in seiner dritten Hauptrolle) nicht die Lebendigen liebt, sondern die Toten. Seit er im Krieg viele seiner Freunde verloren hat und wenig später auch seine geliebte Frau, lebt er in der Vergangenheit. Er liebt all diese Toten, hat in einem Zimmer Bilder von seiner Frau aufgehängt und steht stundenlang vor ihrem Grab. Selbst in seinem Beruf ist er eng mit dem Tod verbunden, denn er schreibt Todesanzeigen. Anfangs wirkt er noch wie ein Mensch, der die Toten unkonventionell würdigt und voller Liebe in sich weiter leben lässt, doch schon bald müssen wir erkennen, dass es nicht nur Liebe ist, sondern viel mehr eine fanatische Leidenschaft. Nachdem sein Zimmer fast abgebrannt ist, will er die Erinnerungen an seine Frau anders konversieren. Er lässt Statuen von ihr erstellen, lässt diese zerschmettern und verbringt eine Nacht auf dem Friedhof, wo er eine verfallene Kapelle entdeckt, die er wenig später anfängt für seine eigenen Zwecke zu restaurieren. Sein Traum ist es für jeden seiner Toten eine Kerze anzuzünden, ein Licht, das niemals ausgeht. 
          Es ist wahrlich ein Feuer der Leidenschaft, des Lebens, der Liebe, wenn er gemeinsam mit Cécilia die Kapelle betritt und sich unzählige Kerzen in ihren Augen und in den Gemälden spiegeln. Fast kann ich nachvollziehen, warum er die Toten so vergöttert, doch seine Obsession wird immer schlimmer und verschlingt das bisschen Lebendigkeit in ihm. Er ist nicht viel mehr als ein noch lebender Toter, er ist jemand, der nur noch lebt, damit er irgendwann stirbt. Er will sterben. Er ist innerlich schon gestorben. In der Welt der Toten hat er alles was er liebt: Seine Frau, seine Freunde, seine Freude. 
          Als Cécilia ihm eröffnet, dass sie ihn liebt, klappt er zusammen und flieht. Er wird eine Kerze, ein Licht unter vielen und gleicht allen anderen. Die Kerzen können nur Leben verbrennen oder verletzen, mehr nicht.
          Leider muss ich zugeben, dass Truffauts Gedanken zum Tod mir nicht so zusagten und ich dem Film nicht mehr abgewinnen konnte, als dem was er zeigt. Er zeigt einen einsamen Mann, der den Tod feiert. Ich hingegen feiere viel lieber das Leben. 
          Aber zumindest eins haben wir gemeinsam: Wir mögen keine Beerdigungen.

          7
          • 8 .5

            Es ist ein ganz normaler Tag für den Büroangestellten George. Der Himmel ist grau, die Häuser grauenhaft hoch, die Klamotten schwarzweiß... er steht am Bahnsteig, wartet auf seinen Zug, die Unterlagen in seiner Hand, der Wind weht.
            Der Wind weht eins seiner Papiere direkt in das Gesicht von Meg. Sie trägt roten Lippenstift und hinterlässt ausversehen einen Abdruck auf Georges Blatt. Rot wie die Liebe. Endlich kommt Farbe in sein Leben und gäbe es eine Sonne würde auch sie aufgehen. Doch noch bevor er merken kann, wie viel diese Frau für ihn bedeutet, ist sie auch schon in den Zug eingestiegen. Sie dreht sich nochmal um, die beiden lächeln sich an. Soll das jetzt die Erinnerung sein, die er mit dieser Frau verbindet?
            Nein, denn als er bei der Arbeit traurig aus dem Fenster schaut, sieht er jene Frau in dem Gebäude gegenüber von ihm. Er will auf sich aufmerksam machen und faltet aus den hohen Stapeln Papier Flugzeuge und versucht sie in das Fenster gegenüber reinzuwerfen. Doch es gelingt ihm nicht recht. Verzweifelt vor Wut und Traurigkeit verlässt er das Büro, will ihr hinterherlaufen, aber sie ist schon längst im Dickicht der Stadt verschwunden. Er wirft das letzte Papier – das mit ihrem Kussmund – weg und läuft deprimiert umher.
            Das Schicksal wehrt sich und verwandelt sich in pure Magie. Die Blätter, die alle am selben Ort gelandet sind, nehmen ihn „gefangen“ und das Blatt mit dem Kussmund lotst Meg zurück zum Bahnsteig, an dem die beiden sich dann wiedertreffen.

            „Paperman“ ist einfach pure Magie, bestehend aus Luft und Liebe und ganz viel Herz. Trotz den kurzen sieben Minuten flüchtet sich ein Lächeln auf mein Gesicht, was gefühlt eine Ewigkeit in mir bleibt, mich glücklich macht und Ja sagt.
            Ja zur Liebe und zum Schicksal.
            Ja zu herzergreifenden Kurzfilmen.

            http://planetofpictures.blogspot.com/2013/09/paperman-us-2012-john-kahrs.html

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            • 7

              François Truffaut: Retrospektive #15

              "L'homme qui aimait les femmes" (Der Mann, der die Frauen liebte)

              "Ist es wirklich unmöglich sich zu vergnügen, ohne jemanden zu verletzen?"

              Sah man in Truffauts vorherigen Werken schon ein wenig die große Faszination für Frauenbeine (wie die Einleitung von "Domicile Conjugal") so wird diese in diesem Film perfektioniert. Wir sehen die schlanken Frauenbeine in hübschen Schuhen nicht nur auf dem Cover, wir sehen sie andauernd, Bertrands Welt scheint nur aus ihnen zu bestehen. Was auch der Fall ist, Bertrand ist ein Frauenheld, ein Schürzenjäger. Oder um es besser zu betiteln: Der Mann, der die Frauen liebte.
              Doch was anmutet wie eine Komödie und oberflächlich gesehen nur ein nettes Geplapper über Frauen und Liebe ist, entpuppt sich als eine tiefgründige Charakterstudie über einen Mann, der außer Liebe keine anderen Ziele im Leben hat. Er jagt einer Frau nach der anderen nach, scheut keine Mühe und Kosten und falls er doch versagt, muss er nur um die Ecke gehen und hat schon ein neues Objekt der Begierde gefunden.
              Dazu muss ich sagen, dass ich zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Sympathien zu Bertrand aufbauen konnte, ich mochte ihn nicht und ich denke das hat dem Genuss des Films einiges geraubt. 
              Nichtsdestotrotz hat Truffaut hier eine sehr ansehnliche Charakterstudie erschaffen, die in manchen Teilen untypisch für ihn ist - mir fehlt hier dann doch sehr das unbeschwerte, liebevolle Herumhüpfen - und trotz humoristischer Elemente mehr Tragödie als Komödie ist. Denn die Leidenschaft von Bertrand ist viel mehr ein Fetisch, ja, man könnte es schon fast als krankhaft bezeichnen, würde es nicht aus der normalsten Sache der Welt entspringen: Liebe.
              Bertrand fängt an seine Erlebnisse mit Frauen aufzuschreiben und will rausfinden, warum er sie so sehr verehrt. Ist es untypisch für Charakterstudien, dass der Charakter sich selbst studiert? Während seines Schreibens kommt immer mehr von seiner Kindheit ans Tageslicht. Seine Mutter war eine Prostituierte, hat ihn vernachlässigt und nie vorgelebt, was richtige Liebe ist. Für Bertrand gibt es nur die körperliche Liebe, er ist zu keiner Beziehung fähig. Und je weiter die Kamera in Bertrands Psyche dringt, desto bitterer schmecken die Bilder von süßer Frauenhaut in edlen Schuhen. Wenn Truffaut sie dann alle am Grab entlang gehen lässt und Geneviève über ihn reflektiert, übersteigt das Bittere das Süße. Bertrands vorheriger Traum setzt dem Film noch ein kleines Sahnehäubchen auf.

              12
              • 10

                Es gibt doch wahrscheinlich kein anderes Thema, das in Schulen und Medien so häufig und ergiebig durchgenommen wird, wie der zweite Weltkrieg. So oft, dass die meisten schon keine Interesse mehr an diesem Thema haben, bevor es überhaupt Thema des eigentlich dafür bestimmten Geschichtsunterricht wird. Sobald das Thema im Unterricht fällt, werden Augen gerollt und es wird noch lauter gegähnt, wenn der Lehrer dann von irgendeinem schlecht gemachten TV-Film schwärmt oder die hunderttausendste Doku zeigt, wie immer unterlegt mit nervtötender Klimpermusik und ernst blickenden "Experten"

                "Kein Bild, keine Beschreibung gibt Ihnen die wahre Dimension wieder, diese ununterbrochene Angst..."

                Anscheinend hat das Filmwissen der Lehrer nur einen Radius von zehn Jahren, sonst hätte ich diese Kurzdoku sicherlich schon zu Gesicht bekommen. So aber stolperte ich selber drüber, allerdings im Zusammenhang mit Alain Resnais und nicht mit dem Thema des Holocausts. Nach diesen Film hätte ich eigentlich keiner mehr einen Film über den Holocaust machen müssen, denn hier wird alles zusammengefasst und alles gezeigt, was man sehen sollte, aber wahrscheinlich gar nicht will...
                Resnais fängt an mit bunten Bildern, die friedlich erscheinen würden, wenn uns die Off-Stimme nicht erzählen würde, dass hier Menschen umgebracht worden sind im zweiten Weltkrieg. Immer mehr werden Originalbilder und Aufnahmen gezeigt, man reist immer mehr in die Vergangenheit, in den Schrecken, vom Stacheldraht bis hin zu dürren Leichen, die wie ein Streichholz überknicken, wenn sie in eine Grube geworfen werden. Viele Bilder krieg ich nicht mehr aus dem Kopf, sie brennen sich dort ein und verursachen in mir ein mehr als mulmiges Gefühl. Ich sehe die Bilder, aber ich kann sie nicht begreifen. Es ist so passiert, sagt man mir, das war mal eine Gegenwart, aber mein Inneres sträubt sich dagegen an, weil es nicht kapieren will, wie so etwas passieren konnte. Und noch weniger will es verstehen, dass soetwas kein Einzelfall war, ist, sein wird.
                "Nuit et brouillard" ist ein sehr wichtiges und sehr mutiges Zeitdokument, das damals gegen das Vergessen ankämpfte, gegen das Nicht-Schuld-sein, und es heute auch immer noch tut.
                Natürlich liefert es keine Antwort auf das Warum, Wieso, Weshalb, jeder sollte wissen, dass es keine Antwort gibt. Es wird einem eine tiefe Schlucht des menschlichen Seins gezeigt, randvoll mit Leichen, toten Leben, toten Träumen. Nicht nur die Toten werden gezeigt, auch die Lebenden kurz vor ihrem Tod, was vielleicht sogar noch grausamer wirkt, weil man sich hilflos und nutzlos fühlt. Weil ich nicht will, dass es sich wiederholt, aber die Politik und die Welt auf erneutes Grauen zusteuert, sich mit Leidenschaft hineinwirft und alles vergisst, was sie je gelernt hat.

                "Es gibt uns, die wir beim Anblick dieser Trümmer aufrichtig glauben, der Rassenwahn sei für immer darunter begraben. Uns, die wir tun, als schöpften wir neue Hoffnung, als glaubten wir wirklich, dass all das nur einer Zeit und einem Land angehört. Uns, die wir vorbei sehen an den Dingen neben uns und nicht hören, dass der Schrei nicht verstummt."

                "Nuit et bruillard" ist ein Film, der sich eigentlich einer Bewertung entziehen sollte, weil es grausam wäre, das als Meisterwerk zu bezeichnen (was meine 10er-Wertung im Normalfall ja aussagt).
                Es ist einfach ein Festhalten in Bildern, die schwieriger zu verfälschen sind als Bücher und Dokumente und es ist wichtig, dass weder der Film noch sein Thema jemals vergessen wird.
                Aber das hat man euch bestimmt schon oft gesagt.

                http://planetofpictures.blogspot.com/2013/09/nuit-et-brouillard-fr-1955-alain-resnais.html

                13
                • 8

                  Mit Musicals kann ich eigentlich gar nicht so viel anfangen, was vor allem daran liegt, dass das Singen für mich aufgesetzt und unrealistisch wirkt. Zudem sind mir die meisten Musicals zu brav.
                  Ganz anders ist da "Les Parapluies de Cherbourg". Zwar weist der Film sämtliche Merkmale eines Musicals auf wie knallbunte Farben, fröhliche Menschen und rosarote Liebesschwüre, kann mich aber trotz allem ziemlich verzaubern. Anfangs war es etwas ungewohnt, dass die Charaktere alles sangen und ich brauchte einige Zeit, bis ich mich dran gewöhnt hatte. Der aufkommenden guten Laune tat das keinen Abbruch. Meine Augen badeten sich wohlig in den Bonbonfarben. Pinke Zimmer, Blaue Himmel und Deneuves goldene Haare. Alles vermittelte eine schöne, heile Welt.
                  Schon bald merkte ich aber, dass die Welt von Cherbourg gar nicht so heil war wie der Eindruck vermittelte. Neben Schulden und Regen tritt auch der damals stattfindende Algerienkrieg in den Vordergrund. Das junge Liebespaar wird auseinander gerissen und die Hoffnung schwindet von Tag zu Tag mehr. Geneviève ist einsam und traurig und muss sich zudem zwischen dem hoffnungslosen Warten und der Hochzeit mit einem anderen Mann entscheiden. Da sie schwanger ist und die finanzielle Notlage von ihr und ihrer Mutter immer schlimmer wird, nimmt sie den Antrag an. Als Guy aus dem Krieg zurückkommt, muss er feststellen, dass seine große Liebe verheiratet und weg ist. Alles stürzt erbarmungslos auf ihn ein, er verliert seinen Job, seine Patentante stirbt und die Liebe ist noch ferner als sie es ohnehin schon im Krieg war. Es hat etwas sehr verzweifeltes an sich, als er schließlich der Pflegerin seiner Patin einen Heiratsantrag macht.
                  "Les parapluies de Cherbourg" dürfte eigentlich gar kein fröhlicher Film sein. Krieg, Finanznot, zerstörte Liebe und verlorene Leben, all das sind wahrlich keine Themen, die unsereins mit knalligen Farben und Gesang in Verbindung bringen würde.
                  Aber gerade die Tatsache, dass alles gesungen wird, macht den Film aus. Sonst wäre er nur ein Drama unter vielen. Dieses paradoxe Gefühl, dass etwas Trauriges durch pure Schönheit dargestellt wird, ist das Besondere. Die Schönheit reicht von Deneuve bis hin zum schneebedeckten Ende.
                  Wenn die verlorenen Liebenden sich nach Jahren wieder treffen, der Vater seine Tochter nicht sehen will und das einst fröhliche Mädchen wie eine versteinerte Dame wirkt, selbst dann wirkt das Ganze noch fröhlich, macht uns glücklich und man könnte fast denken es wäre ein Happy End.

                  http://planetofpictures.blogspot.com/2013/09/les-parapluies-de-cherbourg-fr-de-1964.html

                  9
                  • Fast jeden Morgen schau ich hier rein und sehe einen wunderbaren Namen in der Verbindung mit schrecklichen Wörtern wie Prequel, Seriensequel, Fortsetzung, Reboot, Remake... Morgen wird es Apocalypse Now, übermorgen Frühstück bei Tiffany und in einem Monat 2001 sein, gruselig, bitte liebe Filmindustrie, hört doch einfach auf damit.

                    3
                    • 9

                      François Truffaut: Retrospektive #14

                      "Les Deux anglaises et le Continent" (Zwei Mädchen aus Wales und die Liebe zum Kontinent)

                      "Das Glück erkennt man immer erst sehr viel später."

                      Dieser Film macht all das besser, was "Jules et Jim" in meinen Augen nicht gut genug gemacht hat. Er reiht sich ein in meine persönliche Aufzählung der authentischen Liebesgeschichten und das, obwohl ich es mir zeitweise schwer tat mit den altmodischen Moralansichten von Liebe, Heirat und Selbstbefriedigung. 
                      Truffaut verfilmte hier wieder einen Roman von Henrie-Pierre Roché und es ist wieder eine Dreiecksbeziehung. Doch es gibt zwei Punkte, die "Jules et Jim" und "Les Deux anglaises et le Continent" total voneinander unterscheiden. Zum ersten steht diesmal ein Mann zwischen zwei Frauen. Zum zweiten feiert der Film nicht das Leben, er ist noch nicht mal von einer bittersüßen Tragik durchdrungen. Es ist einfach nur Schmerz. Schmerzhafte Liebe. Sie kann ein Leben zerstören wie ein langsam wirkender Giftpfeil. An sich ist sie positiv, aber irgendwie wäre das Leben doch besser ohne sie gewesen. Unsichtbar kettet sie die Protagonisten fest und zerrt sie zurück, wenn sie zu weit weg gehen. 
                      Die Geschichte handelt um das Liebesdreieck von Claude, Ann und Muriel. Ann und Muriel sind Engländerinnen und Schwestern. Sie sind die Töchter einer Jugendfreundin von Claudes Mutter, der in Frankreich lebt. Eines unschuldigen Tages kommt Ann nach Frankreich. Claude und Ann kannten sich davor noch nicht, lernen sich aber kennen, weil Claude ihr Paris zeigt. Ann redet oft sehr idealisiert von ihrer Schwester Muriel. Als Claude die Einladung annimmt, Urlaub bei ihnen zu machen, hat er schon unfreiwillig vorgefertigtes Bild. Aufgrund Augenproblemen will Muriel aber nicht aus ihrem Zimmer kommen und so entsteht in Claudes Vorstellungen ein noch idealisierteres und geheimnisvolleres Bild. 
                      Bemerkenswert ist bei diesem Film vor allem die ausgearbeiteten Charaktere, die ziemlich frei von Klischees und Konventionen sind. Vor allem aber sind die Veränderungen authentisch, die sie während den zwanzig Jahren Zeitspanne vollziehen. 
                      Claude ist genauso unsicher wie radikal in Sachen Liebe. Er ist ein Romantiker, er liebt die Frauen und er liebt die körperliche Liebe. Es braucht nicht viel damit er seine Begehrung ändert. Man könnte ihn auch als leicht beeinflussbar bezeichnen. Aber er ist kein Schwächling, denn er weiß mit Sicherheit immer, was er will und verfolgt dies auch, nur kann sich das eben schnell ändern. Ein Gentleman mit einer Prise Rebellion, gewissermaßen ein Traummann der damaligen Zeit (vielleicht auch der heutigen Zeit, wer weiß das schon). Er will kein Herzensbrecher sein, er ist sich nur nicht der Macht der Liebe bewusst.
                      Zwischen Ann und Claude besteht eine fast schon typische Schwesternbeziehung. Sie sind neidisch aufeinander, lieben sich aber schwesterlich. Sie wollen alles miteinander teilen, dominieren und unterwerfen sich aber unfreiwillig gegeneinander.
                      Ann lässt ihrer Schwester immer Vortritt, warum ist nicht klar, vielleicht ist sie die Ältere. Aufgrund der Tatsache, dass ihre Schwester deswegen scheinbar mehr vom Leben mitbekommt, macht Ann sich einen Spaß daraus, das Leben ihrer Schwester zu leiten und zu manipulieren. Indem sie sich ihr unterstellt, dominiert sie teilweise unfreiwillig Muriels Leben. Sie steht in ihrem Schatten und niemand weiß, was passieren wird, wenn sie hervortritt. Denn auch sie selbst weiß nichts über ihr Potenzial.
                      Muriel ist in vielen Dingen das Gegenteil von Ann. Sie ist ängstlich und verschlossen und sehr manipulierbar. Sie ist labil und ihr Sexualtrieb ist noch unerforschter und unterdrückter als der von Ann. Zwar war es damals üblich, bis zur Ehe keusch zu leben, dennoch wirkt ihr Verhalten fast selbsthassend. 
                      Irgendwann lernt Claude dann aber doch Muriel kennen. Ann will, dass die beiden zusammen kommen, vielleicht weil sie sich selber nicht traut, Claude ihre Gefühle zu gestehen. Sie redet es Muriel und Claude so lange ein, bis die beiden sich fast gezwungen fühlen, Liebe füreinander zu empfinden. 
                      Natürlich wirkt das ganze Ich-liebe-dich-Gefassel in der heutigen Zeit viel zu naiv und falsch und gerade in der ersten Stunde war es schwierig für mich, die Verliebtheit zwischen Claude und Muriel angemessen ernst zu nehmen. Es hängt halt immer ein wenig von den Gewohnheiten des Zuschauers ab, ob er es als lächerlich oder authentisch abtut. Auf jeden Fall wirkt es spätestens in der zweiten Stunde verdammt realistisch. Denn der Traum von der unschuldigen Liebe wird zerstört. Die Mutter von Muriel und Ann will nicht, dass ihre Tochter eine unüberlegte Ehe mit einem Ausländer eingeht und zwingt die beiden, ein Jahr Auszeit voneinander zu nehmen und dann weiter zu entscheiden.
                      Muriel, die anfangs noch unsicher war, ob sie Claude liebt, wird sich mit der Zeit immer sicherer. Jahrelang hat sie jemanden gesucht von dem sie abhängig werden kann und so macht sie Claude zu einem Teil von ihrem Leben. Unglücklicherweise wird dieser sich seinen Gefühlen immer unsicherer und nach einem halben Jahr beendet er schließlich das Verhältnis mit einem Brief. Muriel ist am Boden zerstört. Während sie immer noch unbefriedigt zu Hause um die verlorene Liebe trauert und wütet, tobt Claude sich aus und erfindet sein Leben neu. Auch Ann traut sich endlich unabhängig zu werden und zieht nach Paris um dort ihren Traum der Bildhauerei nachzugehen. Dabei trifft sie natürlich irgendwann auf Claude und ihre alten Gefühle kommen auf. Sie verliebt sich in Claude und auch sein Funken der Verliebtheit für sie wird entfacht. Die beiden mieten sich für eine Woche eine Landhütte und kommen sich immer näher. Es könnte alles so schön sein, doch immer noch wissen die drei nichts von der Macht der Liebe. Je mehr sie sich lieben, desto abhängiger werden sie voneinander, desto mehr verändert sich die Zukunft. Wie kleine Kinder stehen sie vor dem Süßigkeitenregal und wollen einfach alles haben. Sie kennen sich selber, das Leben und die Liebe zu wenig, um zu überlegen und sich für eine Sache zu entscheiden. Das ist kein Fehler, es ist menschlich. 
                      Truffaut versteht sich wie immer die Geschichten neutral zu inszenieren. Er bezieht keine Stellung, der Zuschauer muss selber entscheiden, wie er für die Charaktere empfindet - und kann es nicht, weil sie so sorgfältig ausgearbeitet sind, dass jeder nach und nach Fehler und Stärken offenbart. Die drei und ihre gegenseitigen Beziehungen sind so realistisch, eigentlich könnte so etwas jedem passieren. Und gerade das macht die Aussage des Films noch schmerzhafter. 
                      Ann reist mit einem neuen Geliebten ab und Claude ist wieder alleine. Muriel und Claude treffen wieder aufeinander, doch für Claude ist sie immer noch das unschuldige, idealisierte Mädchen und er will sie nicht berühren. Muriel ist aber immer noch verliebt in ihm. Als Ann ihr gesteht, dass sie eine Affäre mit Claude hatte, muss sich Muriel übergeben. Wütend und enttäuscht reist sie wieder nach England und schickt Claude ihr Tagebuch, in dem sie selbsthassend von ihrer jahrelangen Selbstbefriedigung berichtet. Claude sieht in dem Bericht den lang ersehnten Roman. Die Zeit vergeht weiter, Ann erkrankt an Tuberkulose und stirbt. 
                      Wieder treffen sich Claude und Muriel, beide befreit von Ann - wobei diese wie jeder in der Dreiecksbeziehung Täter und Opfer gleichzeitig war. Muriel ist an ihrer Einsamkeit gewachsen, ist erwachsen geworden und die beiden schlafen zum ersten Mal nach der jahrelangen Sehnsucht miteinander. Allerdings lässt Muriel Claude danach fallen, es wirkt fast wie Rache. Sie heiratet einen Lehrer und Claude bleibt alleine. Bald kommt sein Buch raus. 

                      Die Liebe zwischen den drei Menschen war zerstörend in jeder Hinsicht. Es hat sie viel gekostet, ihr Leben in falsche Richtungen gelenkt und Schmerz zugefügt. Das Ganze war auch sinnlos, hat es sich nach dem ewigen Hin-und Her doch zerlaufen. Es gab diese glücklichen Momente (wobei sie sich meistens in der körperlichen Liebe ausdrückten) aber Truffaut macht keinen Hehl draus: Liebe kann auch scheiße sein. 
                      Am Ende wünschen sie sich wahrscheinlich, es wäre nie passiert. Insgeheim sucht man den Fehler, aber es gibt keinen. Die Liebe selber ist der Fehler. Die Liebe selber ist die Verweigerung, das Hindernis, der Schmerz. Und in dem Moment, wo man feststellt, dass man mal glücklich war, stellt man auch fest, dass die schlechten und schmerzhaften Momente all das schon ausradiert haben. 
                      Wie Truffaut sagte: "Ich wollte die Liebe auspressen wie eine Zitrone" oder auch "Ich habe nicht versucht, einen Film über körperliche Liebe, sondern einen körperlichen Film über die Liebe zu machen".

                      Es ist ihm gelungen, "Les Deux anglaises et le Continent" war einer von diesen Filmen, nach denen ich an mir selber und an der Welt zweifelte und mich am liebsten heulend im Bett verkriechen wollte. Für mich ist es vielleicht sogar der beste Film von Truffaut, gerade weil er nicht so ist wie andere Truffauts. Das war wahrscheinlich auch der Grund für den Misserfolg des Films und die immer noch schreckliche Unbekanntheit und Unterschätztheit.

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                      • Obwohl es nie mein Ziel war etwas zu gewinnen, freue ich mich doch total :)
                        Danke moviepilot für diese Aktion und natürlich die Community für die Unterstützung :)

                        2
                        • 7

                          "What do you dream about?"
                          "What do you mean? We can't dream."

                          In der Zukunft sieht die Welt genauso aus wie jetzt, nur dass Roboter die Arbeit für uns erledigen. Sie sind die wahren Außenseiter der Gesellschaft, eine Untergruppe, die alles für uns tut. Sie haben ein Bewusstsein, aber sie können weder träumen noch leben wie wir. Sie sind traurig.
                          Bis auf ein paar Feierwütige. Sheldon trifft auf Francecsa. Sie lebt ihr Leben, wie sie es will, träumt, fährt Auto, feiert... Sie entführt ihn in ihre Welt und die beiden verlieben sich. Sofort wird Sheldons Welt bunter und fröhlicher. Bis eines Tages Francesca ihren Arm bei einer Party verliert. Vor lauter Liebe und Selbstaufopferung amputiert Sheldon sich seinen Arm und befestigt ihn an ihrem Körper.
                          Geben und Nehmen - das Geheimnis einer guten Beziehung?
                          Ein paar Tage später verliert sie ihr Bein und er will ihr wieder seins geben. Doch sie wehrt sich, will es nicht annehmen. Doch er überredet sie und sie nimmt es doch an. Das Leben nimmt wieder seinen Lauf, bis eines Tages Francecsa erneut einen Unfall hat und so ziemlich alles an ihr kaputt ist. Und er opfert sich bis auf seinen Kopf komplett.
                          Der Kurzfilm schön gefilmt mit ganz viel Herz, guter Musikauswahl und stimmigen Gefühlen. Die Idee mit den Robotern ist eine gut gelungene Metapher, auch wenn sie von dem Aussehen der Roboter her besser gemacht hätte werden können. Vom Aufbau selber ist "I'm Here" sehenswert und auch die Geschichte funktioniert, es kommt keine Langeweile auf. Was mir aber gar nicht gefällt, ist die Einseitigkeit der Botschaft. Geben und nehmen - das ist ja schön und wahr, aber warum wird es hier so einseitig dargestellt?
                          Warum gibt nur er und nimmt nicht?
                          Warum nimmt sie nur und gibt nichts?
                          Oder ist die Geschichte wahr, dass man nur von Luft und Liebe leben kann?
                          Wenn Francesca ebenfalls ein Körperteil von sich gegeben hätte, wäre es ein ausgezeichneter Kurzfilm gewesen. Zum Beispiel hätte man es so machen können, dass zuerst er ein Körperteil verliert und erst sie danach.
                          So bleibt "I'm Here" ein sehenswerter, romantischer Kurzfilm, der toll anfängt aber für mich durch das Ende sämtliches Potenzial über Bord schmeißt.

                          http://planetofpictures.blogspot.com/2013/09/im-here-us-2010-spike-jonze.html

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                            "If you don't stand for something, you'll fall for anything."

                            Nachdem "Sucker Punch" zu Ende war, stellte ich mir zwei essentielle Fragen des Lebens: Erstens: Woher kennt Snyder The Smiths? Zweitens: Warum hasst er sie so dermaßen, dass er denkt, Asleep vergewaltigen zu müssen?
                            Nun ja, über den Soundtrack könnte ich mich stundenlang aufregen, aber das soll hier nicht der Hauptbestandteil sein. Ich wollte es nur mal gesagt haben. Außerdem war es der Moment, in dem ich wusste, dass diesen Film wirklich nur noch ein Wunder retten kann. Und Wunder gibt es in der Geschichte von "Sucker Punch" nur in Form von möchtegern-intellektuellen Bewusstseinsebenen, was sie schon alleine deswegen entmachtet.
                            Als Nolan damals mit seinen Traumebenen ankam, war das toll, weil es einigermaßen neu war und einen zumindest während des Films angenehm verwirrte und beanspruchte. Aber eins sollten sich die Regisseure dieser Welt merken: Mehrere Ebenen schaffen mehr Raum und wenn man da nichts Sinniges und Tolles reinsteckt, ist der Film am Ende noch hohler, als er es auf nur einer Ebene schon wäre. Das, was hier drinsteckt lässt sich kurz zusammenfassen: Sexismus, Gewalt, Technikblabla, ein paar naive Märchenideale und ein großer stinkender, sepiafarbener Haufen Klischees und Wichstücher.
                            Aber mal von Anfang an: Von "Sucker Punch" hatte ich schon viel - mehr negatives als positives - gehört. Deshalb war ich fest entschlossen, mir eine eigene Meinung zu bilden. Ich wollte den Film sogar gut finden, einfach nur weil ihn andere schlecht fanden (kleine jugendliche Rebellion halt). Als er dann letztens im Fernseher lief, war mein Finger sehr schnell bei der Aufnahmetaste. Ich erwartete nicht ein großes Meisterwerk vorzufinden, aber ich hoffte auf einen unterhaltsamen, guten Blockbuster.
                            Es fing auch eigentlich gut an. Zwar störte mich die Färbung der Bilder, aber zumindest wurden - scheinbar - ein paar Regeln gebrochen. Die größte vielleicht, weil die Hauptperson ein Mädchen war mit eigenem Willen und Namen. Weit und breit kein männlicher Held zu sehen. Nicht nur in heutigen Blockbusterzeiten ein kleines Wunder.
                            Ich bin bestimmt keine von diesen Frauen, die jeden Film irgendwelchen Feminismustests unterziehen, aber wie grässlich hier das Bild einer starken Frau in Mitleidenschaft gezogen wird, ist unbegreiflich. Der Anfang gaukelt einem so viel vor. Babydoll wehrt sich gegen ihren Stiefvater, bringt dabei ausversehen ihre Schwester um und wird daraufhin von ihm in eine Psychiatrie geschickt, wo an ihr eine Lobotomie vollzogen werden soll. Ich dachte tatsächlich, dass Babydoll eine starke Frau wäre. In Wirklichkeit dient sie nur als Fläche für Snyders Gewalt-und Erotikfantasien. Einfach zum Kotzen.
                            Er lässt sie in eine Traumwelt flüchten. In eine Traumwelt, wo vielleicht viele Männer hin flüchten würden, aber bestimmt keine Frau: Ein Bordell. Dort wird Babydoll weiter schikaniert. Ich hätte sogar eher geglaubt, dass es ein creepy Paralleluniversum ist, als ein weiblicher Traum, mit dem sie den Gräueln der Psychiatrie entfliehen will. Die Geschichte ist lächerlich, aber Snyder setzt noch einen drauf, indem er einen erotischen Tanz zum Synonym eines Schlachtfelds macht. Erotische Gewalt also.
                            Babydoll ist schon komisch. Sie liegt da festgekettet kurz vor einer Lobotomie, die sie verrückt werden lassen wird und flüchtet sich in eine Traumwelt, in der sie in kurzen Kleidchen im Bordell rumtanzt, dabei alle mit ihren weiblichen Reizen hypnotisiert, und selber in eine erneute Traumwelt flüchtet, in der sie in noch kürzeren Klamotten und Gewehren schwerer als sie selber deutsche Zombies und Drachen tötet. Das Ganze natürlich mit ihren Nuttenfreundinnen, die schlussendlich alle umgebracht werden und Babydoll selber zur Märtyrerin wird, um die letzte Überlebende zu retten, damit diese nach Hause laufen kann, um ihrer Mutti zu sagen, wie lieb sie sie doch hat.
                            Pardon, nicht Babydoll ist komisch, nein, Snyder ist es. Schließlich ist all das auf seinen Mist gewachsen.
                            Haben die Leute wirklich so andersartige Ideale, dass sie so einen Film finanziell unterstützen und abfeiern?
                            Noch nie hat mich ein Blockbuster so angekotzt, noch nie war Action so langweilig und das sag ich als eine, die eh schon aus Prinzip versucht Blockbuster zu vermeiden.

                            http://planetofpictures.blogspot.com/2013/09/sucker-punch-us-2011-zack-snyder.html

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                            • Wie lange hab ich schon auf so einen Artikel gewartet, endlich spricht das auch mal jemand an :) Wobei ich finde, auch wenn ich mich da nicht ausführlich umgeschaut habe, halt nur die Filme diie ich gesehen habe, dass damals die Trailer auch nicht gerade das Beste am Ganzen waren, nur gab es damals nicht unbedingt dieselben Probleme.
                              Wie schrecklich das Ganze ist, merkt man wenn man Trailer im Kino mitsprechen/ vorhersagen kann, von denen man noch nicht mal den Titel weiß, weil es einfach immer dasselbe ist.
                              Dennoch gab es dieses Jahr auch ein paar Lichtblicke, mein liebster war The Master ( http://www.youtube.com/watch?v=fJ1O1vb9AUU ) auch wenn der Film dann eher mäßig war und momentan bin ich fast süchtig nach dem Trailer zu Don Jon ( http://www.youtube.com/watch?v=6615kYTpOSU )

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                                François Truffaut: Retrospektive #13

                                "Domicile conjugal" (Tisch und Bett)

                                In Antoine Doinels Leben hat sich Einiges getan. Er ist jetzt mit Christine verheiratet, wohnt mit ihr zusammen und hat einen etwas dauerhafteren Job. Wie bei jeder Beziehung strömt immer mehr Alltag in das Liebesglück. Dennoch sind Antoine und Christine glücklich. Vor allem hat man das Gefühl, dass Antoine endlich sesshaft geworden ist. Job, Liebe, Alltag, alles scheint geregelt abzulaufen. Antoine ist scheinbar erwachsen geworden. Allerdings nur scheinbar, denn das fragwürdige Glück des geregelten Alltags hält nicht lange an und man merkt, dass seine kindlichen Launen, Macken und Gewohnheiten zum Vorschein kommen. Jedoch war diesmal mein Eindruck davon negativer geprägt. War seine kindliche Art bei "Baisers Volés" noch liebenswert, habe ich bei "Domicile conjugal" das Gefühl dieser Charakterzug würde sich rächen und alles zerstören. Es ist das erste Mal, dass ich für Antoine in manchen Momenten keine Sympathien aufbringen kann. Egal ob das Truffaut nun beabsichtigt hat oder nicht, es ist eine interessante Entwicklung. Denn Antoine entwickelt sich eigentlich gar nicht mehr, er ist mit seiner jugendlichen Denk- und Lebensweise stehen geblieben und es ist interessant, wie sehr mir das gefallen, aber auch missfallen kann, je nach Antoines Alltagssituation. Christine toleriert seine Fehler, kein Wunder, ist es doch das, was Antoine so besonders macht und in das sie sich wahrscheinlich verliebt hat. Das Leben nimmt weiter seinen Lauf und sie wird schwanger. Antoine sieht seine Chance gekommen, alles wieder in Ordnung zu bringen. Nach seiner miserablen Kindheit will er ein guter Vater werden. Er sucht sich einen besseren Job und versucht Christine alles Recht zu machen. Doch auch bei ihr kommen mit der Zeit die Fehler an die Oberfläche. Es zeigt sich immer mehr, dass Christine eigentlich das komplette Gegenteil von Antoine ist. Sie hatte eine gute Kindheit, liebt ihre Eltern und weiß immer genau, was sie will. Sie hasst, wie sie selber im Laufe des Films sagt, Ungenauigkeiten und Zweideutigkeiten. Dagegen ist Antoine die Ungenauigkeit in Person. Er weiß eigentlich nie, was er will, ist sprunghaft sowohl in seiner Laune als auch im Leben allgemein. Er ist kein wirklicher Rebelle, will sich aber auch nicht anpassen, sondern eher am Rande der Gesellschaft wandern und sie von außen betrachten. Seine Kindheitserinnerungen bringen ihn dazu, die Eltern der anderen zu bewundern, aber seine eigenen immer noch zu verachten. Er hält nicht immer viel von Höflichkeit und deshalb ist es eigentlich nur logisch, dass Christines Wesen ihm irgendwann auf die Nerven fällt. Nachdem Christine den Sohn alleine bekommen hat, weist sie Antoines Nähe ab und beauftragt ihn, das Kind beim Standesamt anzumelden. Allerdings hatten die beiden bisher kein Gespräch, wo sie sich auf einen Namen geeinigt hätten können und so hat jeder einen eigenen Namenswunsch. Aus Trotz widersetzt sich Antoine Christines Wunsch und nennt das Baby Alfons. Sie ist natürlich sauer und es entsteht eine gewisse Anspannung, schließlich läuft auch im Liebesleben alles andere als rund. Truffaut zeigt schon fast klischeehafte Szenen einer Ehe. Die beiden Partner lesend und sich gegenseitig ignorierend im Bett und so weiter. Trotzdem wirkt die Ehe nicht wie ein Klischee. Truffaut gestaltet alles so herzerwärmend, originell und gespickt mit feinen Dialogen, dass der Film zu etwas absolut Persönlichem wird, als ob einem ein guter Freund eine Geschichte erzählen würde. Als Antoine dann den großen Fehler begeht und Christine betrügt, bin ich gleichermaßen sauer auf beide. Verständlicherweise auf Antoine, aber auch auf Christine, da sie starrköpfig und egoistisch ihrem spontanen Entschluss folgt, Antoine zu verachten, aber dabei vergisst, dass Liebe etwas höchst Kompliziertes ist. Antoine zieht aus und beginnt so etwas wie eine Beziehung mit Kyoko und Christine beginnt, sich mit Männern zu treffen. Doch beide langweilen sich insgeheim und sind zwiegespalten. Einerseits wollen sie wieder zusammen sein, anderseits wollen sie sich aber auch nicht ändern und keine Kompromisse eingehen. 
                                Und auch ich bin zwiegespalten. Ist es nun besser, Antoine wieder frei und wild sein zu lassen oder soll er lieber der Liebe folgen und in die Ehe mit Christine zurück kehren. Truffaut gibt seinen Figuren Fehler und zeigt, dass auch Stärken zu Schwächen werden können. Am Ende finden beide wieder zusammen und auch wenn sie wieder einigermaßen glücklich wirken, bleibt doch ein bittersüßer Geschmack zurück.
                                Nun, ich freue mich auf den Endteil des Antoine-Doinel-Zykluses, auch wenn Antoine selber keine Enden mag. 

                                http://planetofpictures.blogspot.com/2013/10/truffaut-retro-13-domicile-conjugal-fr.html

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                                • Wow. Nachdem ich jetzt alle Texte gelesen habe, kann ich ganz sicher sagen, dass der hier mein Lieblingstext ist. Wirklich wunderschön geschrieben, ich hoffe der landet ganz weit vorne :)

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                                    François Truffaut: Retrospektive #12

                                    "L'Enfant sauvage" (Der Wolfsjunge)

                                    Eines Tages finden Bauern im Wald einen elfjährigen Jungen, der vollkommen verwildert und isoliert dort lebt. Sie schleppen ihn mit zur Gendarmerie. Er kann nicht sprechen und nicht zuhören und ist im Verhalten mehr Tier als Mensch. Wissenschaftler erfahren von ihm und lassen ihn in ein Institut für Taubstumme in Paris bringen. Unter den Wissenschaftlern ist auch der junge Dr. Jean Itard (von François Truffaut selber gespielt). Als alle anderen den Jungen für geisteskrank halten, nimmt Itard sich ihm an und lässt ihn auf sein Anwesen bringen, um ihn dort zu erziehen. Er ist der Überzeugung, dass in jedem Menschen die Menschlichkeit von Natur aus drin steckt und diese nur mit Erziehung und Bildung herausgeformt werden kann. Ein langer, steiniger Weg beginnt...
                                    Hollywood hätte aus diesem Stoff ein klischeetriefendes, Oscars überhäuftes Zuckerwattendrama mit Happy End gemacht. Zum Glück ist François Truffaut Franzose und Mitbegründer der Nouvelle Vague. 
                                    Er verzichtet sogar auf den "Nach einer wahren Begebenheit" - Satz. 
                                    Der Film basiert nämlich auf einer wahren Geschichte, genauer gesagt auf den Aufzeichnungen des Doktors, der sich damals dem Jungen annahm. Truffaut las laut seinen eigenen Angaben eines Tages einen Zeitungsartikel zu dieser Geschichte und war seitdem fasziniert davon das Ganze filmisch umzusetzen. Er engagierte wie er es so gerne tat ein Kind vom Pausenhof weg für die Rolle des Victors und spielte selber den Arzt - Truffauts erste Schauspielrolle überhaupt. Er hielt sich präzise an die Angaben des Berichtes, erfundene Dialoge dienten allein dem Zweck der Begleitung der Handlung. Er beschönigte nichts, zeigte wie sehr Victor leidet und was für einen inneren Konflikt der Doktor oft aussitzen muss. Dabei bezieht Truffaut eine neutrale Stellung und überlässt es dem Zuschauer, wie er die Handlung bewertet. 
                                    Es steht die Frage im Raum, ob man wirklich versuchen sollte, jeden Menschen in die nicht gerade menschliche Gesellschaft zu integrieren oder ob man Victor lieber hätte wild und frei sein lassen müssen. Ich persönlich kann mir dazu keine richtige Meinung bilden, aber mir ist es lieber, so herzenswarme Menschen wie Itard nehmen sich solchen Menschen an, als dass sie in die Anstalt gesteckt werden. Zu sehen, wie lieb, ja väterlich Itard mit Victor umgeht, lässt mein kleines Lächeln nicht mehr verschwinden und auch wenn das Ende ungewiss ist, zeigt mir "L'Enfant Sauvage" deutlich, was Menschlichkeit und Würde ist (sehr viel besser als die endlosen Stunden Religionsunterricht mit all den schlechten Filmen wohlbemerkt)
                                    Es gibt keine Effekthascherei, keine Übertreibungen, Klischees oder Sonstiges. In Zeiten der Ich-drück-auf-deine-Tränendrüsen-Dramen ist dieses ruhige, sachliche, herzerwärmende Drama so wunderbar wohltuend wie ein kalter Waschlappen auf der heißen Stirn. 

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                                      "I have no idea where this will lead us, but I have a definite feeling it will be a place both wonderful and strange."

                                      Mit einem Vogel fing alles an. Hättet ihr mich vor einem Monat gefragt, ich hätte euch gesagt, dass Serien etwas für zwischendurch sind, etwas, das man guckt, wenn die Zeit zu knapp ist für einen Film. Ich hatte mir schon das ganze Jahr vorgenommen, Twin Peaks zu schauen und da erschien es natürlich als passend, dass arte die Serie komplett durchhechelte. Dann war es soweit: Die Eltern in Urlaub, satt vom späten Mittagessen und so noch genügend Energie um ein paar Folgen dieser hochgelobten Serie zu schauen. Die erste Staffel endete dann irgendwann mitten in der Nacht. Aber von vorne.
                                      Ein süßer Vogel erscheint auf dem Bildschirm, sein Köpfchen zuckt zweimal, während die Intromelodie erklingt. Die Musik ist sehr beruhigend, mittlerweile entspanne ich mich sofort, wenn ich sie höre, werde glücklich und meine Konzentration steigt - vielleicht sollte ich die Melodie als Weckerton benutzen, wenn die Schule wieder anfängt. Es werden entspannte, ruhige Bilder von Twin Peaks gezeigt. Das Sägewerk, der Wasserfall...und es breitet sich eine friedliche Stimmung aus. Nur dass in Twin Peaks alles andere als Frieden herrscht. Twin Peaks ist eins diese naiven Städtchen mitten in der Natur, in der jeder jeden kennt und es wahrscheinlich so langweilig ist, dass man sich in öden Momenten wünscht, es möge doch bitte etwas passieren. Es passiert. Laura Palmer, ein beliebtes junges Mädchen, wird ermordet aufgefunden und ein anderes Mädchen, Ronette Pulaski, stolpert traumatisiert und sichtlich zugerichtet über eine Brücke. Der Mord hebt die ganze Stadt aus den Angeln. Das FBI wird hinzugezogen und Agent Dale Cooper macht sich auf nach Twin Peaks um das Geheimnis des Mordes zu lüften...
                                      Ich will gar nicht so viel über die Story schreiben, weil es einerseits zu viel wäre und man anderseits am besten gar nichts über die Serie wissen sollte, bevor man sie schaut. Viel lieber will ich mich auf die Charaktere und den Stil der Serie konzentrieren, weil es auch die beiden Dinge sind, die mir am allermeisten an Twin Peaks gefallen haben.
                                      Der Stil von Twin Peaks ist ein brillanter Misch aus Seifenoper, amerikanischen Krimis und Lynchs eigener Genialität. Jedesmal, wenn der Vorspann läuft, habe ich das Gefühl eine ruhige Welt zu betreten, aber es wird immer chaotischer, immer verrückter, surrealistischer. Twin Peaks war vielleicht mal eine ruhige Kleinstadt. Aber wie man so schön sagt, wo Licht ist, ist auch Schatten, beziehungsweise, je lieber es scheint, desto böser ist es in Wirklichkeit. Willkommen in der Welt von Twin Peaks!

                                      "Damm good coffee!"

                                      Neben der schon erwähnten tollen Stilmischung sind es vor allem die ganzen Protagonisten, die Twin Peaks zu so etwas Besonderem machen. Sie alle geben Twin Peaks das Herz und die Seele. Obwohl die Beziehungen aufgebaut sind wie in einer Seifenoper und sie sich mit alltäglichen Dingen plagen wie Liebe, häusliche Gewalt, Betrug, Ehrgeiz, Kummer, rutscht das Ganze kaum in Klischees ab und die Charaktere sind bis ins Tiefste ausgearbeitet.
                                      Neben der ermordeten Laura Palmer, die die ganze Zeit wie ein Unglücksengel über allem schwebt, steht Dale Cooper im Mittelpunkt des Geschehens. Er ist einer der liebenswertesten Charaktere, die ich je gesehen habe. Ich könnte ihm wirklich stundenlang zuhören. Er trinkt seinen Kaffee schwarz wie die mondlose Nacht, hebt die Hand um die Kellnerin am Fortgehen zu stoppen und erzählt ihr dann mit strahlendem Lächeln, dass ihr Kaffee absolut perfekt ist. Er liebt Kuchen und Donuts, wobei in der Serie bis auf ein paar Ausnahmen eigentlich immer süßes Zeug gegessen wird. Cooper ist eigentlich einer dieser immer dargestellten Agenten, gefasst, intelligent, furchtlos und vorausschauend. Trotzdem ist er anders als alle anderen. Vielleicht liegt es an seinem Hang zu spirituellen Dingen und andersartigen Ermittlungsideen. Er ist einfach offen für unterbewusste Dinge und gehört auf keinen Fall zu den Menschen, die nicht an die Bedeutungskraft von Träumen glauben. Er gerät nicht in Panik, wenn surrealistische Dinge passieren, sondern kriegt große Augen und schaut sich aufmerksam und staunend um. Auch er hat Schwächen und Ängste, die vor allem mit seinem Ex-Partner Windom Earle zusammenhängen.
                                      Unterstützt wird Cooper von Agent Albert Rosenfield, ein ebenso intelligenter Mann, wie auch großmauliger. Anfangs kassiert er für seine Bemerkungen ein paar Ohrfeigen, aber dann gewinnt er Twin Peaks auf seine eigene Art und Weise lieb. Er erinnert mich irgendwie an eine provokantere Version von Saul Goodman aus Breaking Bad, ich weiß auch nicht recht wieso. Vielleicht hat sich Breaking Bad ein bisschen inspirieren lassen, vielleicht kommt auch einfach in jeder amerikanischen Serie ein DEA-Experte vor. Wie es auch ist, in Twin Peaks gebührt diese Ehre ganz Agent Dennis, ehm Denise, Bryson. Ein Licht geht auf, wenn er den Raum betritt und er ist ohne Zweifel der sympathischste Transvestit in der Film- und Fernsehgeschichte. Auch Lynch selber hat einen unvergleichbaren Auftritt als schwerhöriger Regional Chef Gordon Cole und ich frag mich, wie kommt Lynch bloß auf sowas? Einfach herrlich.
                                      Die örtliche Polizei ist aber mindestens genauso wunderbar wie das FBI. Sheriff ist Harry Truman und auch wenn es Momente der Unprofessionalität gibt, wirkt er so wie ein Sheriff wirken sollte: Vertrauenswürdig, mutig und treu. Ergänzt wird sein Team durch Deputy Tommy Hill und Deputy Andy Brennan. Zweiterer ist mein Liebling von der Twin Peaks - Polizei. Er wirkt genauso wie die Stadt ziemlich naiv und unbedacht, versprüht aber wahre Leidenschaft, wenn es um die Liebe geht. Und die heißt in seinem Fall Lucy Moran. Sie ist die Empfangsdame mit wilder Frisur und einer piepsigen Stimme, die mir normalerweise auf die Nerven gehen würde, aber in dem Zusammenhang einfach nur süß ist. Wie bei Seifenopern üblich gibt es immer unzählig viele Handlungsstränge. Neben dem Geheimnis um Laura Palmer ist der Handlungsstrang um Lucy und ihren beiden Verehrern Andy und Richard einer davon. Lucy ist nämlich schwanger, aber weiß nicht von wem und rätselt wen von den beiden sie wirklich liebt und als Vater für ihr ungeborenes Kind will.
                                      Ein weiterer Handlungsstrang spielt sich im Sägewerk ab. Dort leben Josie Packard, Catherine und Pete Martell. Josie ist die Besitzerin seitdem ihr Mann Andrew verunglückt ist. Sie ist eine hübsche Asiatin und eine der ersten Personen, die gezeigt wird, schließlich wird Laura Palmer von Pete Martell entdeckt. Außerdem hat sie eine Affäre mit dem Sheriff und ist nicht das, was sie zu sein scheint.
                                      Catherine Packard ist eine tyrannische Frau, die am liebsten selber Besitzerin wäre, um eigene böse Pläne zu verwirklichen. Sie dominiert jeden in ihrer Umgebung und strahlt für mich trotz allem keine Unsymphatien aus, viel mehr umgibt sie eine bewundernswerte Aura, der man sich nicht entziehen kann.
                                      Ihr Konkurrent ist Benjamin Horne, Besitzer des Hotels in dem Cooper lebt, eines Warenhauses und des Bordells One-Eyed Jack's, zu dem die Handlung früher oder später führen wird. Außerdem ist er der Vater von Audrey Horne und Johnny Horne.
                                      Johnny ist geistig gestört und wird von Dr. Jacoby betreut, eine schrille Persönlichkeit, der vor allem in der ersten Staffel nur Glanzmomente hinlegt.
                                      Audrey, neben Cooper meine liebste Figur der Serie wirkt zuerst wie ein verwöhntes, arrogantes Mädchen, entwickelt sich aber prächtig. Sie ist ebenso furchtlos wie Cooper und weiß wie sie sich selber einsetzt, um ans Ziel zu kommen. Sie zeigt aber auch, dass sie ihre Schwächen hat und ein Herz, das gebrochen werden kann. Ihr Auftreten gleicht dem einer Femme Fatale und die Namensauswahl erweist sich als gut ausgewählt, schließlich steckt in ihrer Nasenspitze (und auch in den Bogen ihrer Augenrauen) mehr Sex-Appeal als viele Frauen am ganzen Leib besitzen. Es sticht vielleicht nicht gleich hervor, aber es ist da (frei von Audrey Hepburn zitiert). Im Laufe der Serie versteht sie sich immer besser mit Donna Hayward, die früher die beste Freundin von Laura war. Sie ist mit James zusammen, der davor mit Laura zusammen war. Dieser Handlungsstrang ist so ziemlich das Einzige, was mir bei Twin Peaks missfällt. Anfangs ist es zwar nett romantisch, aber spätestens nach Donnas Wandlung zur rauchenden Möchtegern-Femme-Fatale nervt das Gesülze der beiden extrem.
                                      Neben der Polizeiwache, dem Hotel und dem Sägewerk ist auch das Café, geleitet von Norma Jenning, ein wichtiger Handlungsort. Hier trinkt Cooper seinen ersten Kaffee, hier werden wichtige Gespräche geführt, hier verliebt man sich bei einem Stück Kuchen. Norma Jenning, die unter der überfürsorglichen Dominanz ihrer Mutter leidet und deren Mann im Knast sitzt, ist ehemalige Miss Twin Peaks und führte mit Laura ein Essen-auf-Rädern-Unternehmen. Sie hat zudem eine Affäre mit Ed Hurley, dem Vater von James und dem Ehemann von der rothaarigen Frau mit Augenklappe und Superkräften Nadine.
                                      Zudem ist bei Norma auch Shelly Johnson angestellt, die eine Affäre mit Bobby Brigs hat. Dieser war mit Laura zusammen. Durch seine jugendlichen Rebellionen hat er öfters Streit mit seinem Vater Major Briggs. Unglücklicherweise ist die hübsche Shelly mit Leo verheiratet, der sie immer wieder schlägt und auch versucht umzubringen. Obwohl ich allen Grund hätte Leo zu verachten, empfinde ich in manchen Momenten doch Mitleid mit ihm.
                                      Im Laufe der zweiten Staffel kommt auch Normas Schwester Annie nach Twin Peaks. Sie verleiht Cooper eine komplett neue Lebensfreude, die beiden verlieben sich. Doch es gibt da immer noch eine Vergangenheit und die heißt Windom Earle.
                                      Neben all den aufgezählten Charakteren gibt es noch viele andere, wie zum Beispiel die Log Lady, der gut aussehende John Wheeler, der mysteriöse Pierre Tremond und man denke auch an die ganzen originellen geheimnisvollen Charaktere aus Coopers Träumen. Sie alle zu erfassen mit ihren Beziehungen, Aktionen und Auswirkungen würde locker ein ganzes Buch beanspruchen und jeder von ihnen wäre das auch wert.

                                      "The owls are not what they seem."

                                      Twin Peaks. Das könnten siebzehn Tage beziehungsweise dreizig Folgen Urlaub in einer Bilderbuch-Kleinstadt gewesen sein. Doch nichts ist so wie es scheint. Lynch scheut dem Unterbewussten nicht, das hat er noch nie getan. Die Protagonisten scheinen gar nicht so naiv zu sein, wie das Städtchen es vorgibt, denn sie leugnen nie das es nicht vielleicht doch da draußen etwas Böses ist. Es wird nie die Frage gestellt, ob es Geheimnisse gibt, es gibt sie einfach. Und sie müssen gelüftet werden. Oder?
                                      Lynch zerstört die friedliche Atmosphäre, die der Vorspann suggeriert und lässt mich auf skurrile und liebenswerte Charaktere treffen. Er lässt Nebenplots entstehen, nur um sie gemein zu zerstören, er lässt Menschen 180-Grad-Wendungen machen und richtet meine Gänsehaut auf. Begleitet von einem Soundtrack, der stets die weiße Fahne schwenkt, suchte ich nach dem nächsten Moment und gäbe es da nicht noch das sogenannte Real Life und menschliche Bedürfnisse wie Hunger hätte ich die Serie noch schneller durchgeschaut. Das Vögelchen blieb immer dasselbe. Es zuckte zweimal und ich wusste: Es geht weiter. Immer tiefer in das dunkle Chaos der Welt, das nicht nur in Großstädten existiert sondern auch in idyllischer Natur. Vielleicht auch hier bei mir. Ja, vielleicht ist da draußen etwas. Ein Geheimnis, das niemand wissen kann, ohne dabei seine Seele zu lassen. Ein Geheimnis, das uns schlecht träumen lässt, unsere Welt aus den Angeln hebt, unsere Liebsten schreien und uns sterben lässt. Die Frage ist doch nicht, ob es so etwas gibt, sondern eher warum es so etwas nicht geben sollte. Vielleicht ist das die Offenbarung, die man immer in Filmen und anderen Serien sucht, die Weltbilderweiterung. Twin Peaks hat mir noch ein wenig mehr die Augen geöffnet für das Verrückte in dieser Welt. Und falls ich jemals Zweifel hatte an geheimnisvollen Dingen wie Aliens, Parallelwelten und bedeutungsvollen Träumen, nun, dann habe ich jetzt nur noch Zweifel an meiner eigenen Wahrnehmung. Denn Twin Peaks lässt nicht nur Cooper gegen seine Ängste kämpfen, sondern auch den Zuschauer. Jeder hat doch Angst, dass seine heile Welt zerstört wird.
                                      Schon morgen könnte es soweit sein.
                                      Danke, David Lynch für diese Serie *?*

                                      "I'm going to let you in on a little secret. Every day, once a day, give yourself a present. Don't plan it. Don't wait for it. Just let it happen."

                                      http://planetofpictures.blogspot.com/2013/08/twin-peaks-us-1990-1991-david-lynch.html

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                                      • Falls ich jemals nach einem Grund gesucht habe, den Film NICHT zu schauen...tada, hier ist er!

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                                          "It all comes back to, like, bad choices, who you have as your friends."

                                          Ich fühl mich glatt wie ein Außenseiter meiner Generation, wenn ich diesen Film sehe. Klamotten, Glamour, Partys. Schnell, gefährlich, schneller, gefährlicher, grenzenlos. Ist das die heutige Suche nach Freiheit? Das Feiern liegt mir nicht so, da läuft schlechte, zu laute Musik und am nächsten Morgen fühlt man sich irgendwie beschissen. Aber die meisten meines Alters machen es: Sie feiern, sie trinken sich den Verstand weg und probieren aus, was sich ihnen bietet, weil Vernüftig sein, das kann man auch noch ein anderes Mal. Da wundert es nicht, dass immer mehr Filme angepasst an diese Generation rauskommen. "The Bling Ring" mutet an wie ein Krimi, die auf wahren Begebenheiten beruht, ist aber viel mehr ein Poträt der Generation, die alles haben will. Jeder will dazugehören oder? Auch bei mir gab es während des Films Momente, wo ich die Teenager für ihren Mut ein bisschen bewunderte, sich über jegliche Vernunft wegzusetzen. Es schien ja auch keiner zu Schaden zu kommen. Sie zerstörten nichts und die Prominenten haben eh viel zu viel. Allerdings gaben sie es nicht den Armen, sondern behielten es lieber und öffneten sich so ziemlich jede Tür, durch die ein Teenager heutzutage schreiten will. Am Ende holt sie dann doch die Gerechtigkeit ein und menschliche Schwächen offenbaren sich, aber bereuen sie? Ist "The Bling Ring" die moderne Version von dem Spruch "Wir waren jung und brauchten das Geld", nur das hier das Brauchen durch Wollen ersetzt wird?
                                          Für die meisten im Kino war wohl das Highlight des Films, die ganzen Klamotten der Stars zu sehen und die Klamottenmarken zu erraten, naja wem es Spaß macht. Ich konnte in dem Fall irgendwie darüber hinweg sehen, weil mir klar wurde, dass sie nicht nur das Zielpublikum sind, sondern die thematisierte Generation und dass wahrscheinlich jeder von ihnen fähig wäre, sich von solch einem Lebensstil mitreissen zu lassen. Schließlich bewundern die meisten Teenager die heutigen Promis wie Götter. Vielleicht sind es die heutigen Götter und der Tratsch sind die Sagen. Auch wenn ich mich nicht für all den Glitzer und Luxus begeistern kann - ein chaotisches kleines Zimmer liegt mir halt mehr als eine polierte Villa, verdammt, ich würde in dieser Ordnung verrückt werden - ich habe mich doch mitreissen lassen. Die Protagonisten leben ihren Traum und der lautet ganz schlicht: Ich will alles tun was ich will. Ab und zu schimmert ein moralischer Zweifel durch, wie bei Marc, wobei er mir schon fast zu weinerlich war. Doch es kommt wie es kommen muss und die gesetzliche Gerechtigkeit holt sie ein und brummt ihnen die passende Strafe auf. Manche mildern durch Lügen ihr Schicksal, andere kriegen das ganze Programm. Irgendwie hat jeder von ihnen sich das Leben ruiniert, mal mehr, mal weniger.
                                          Nach dem Abspann bleibt aber ein unbefriedigtes Gefühl zurück. Was habe ich von diesem Film? Identifizieren konnte ich mich nicht und kann deshalb auch keine für mich wichtige Botschaft daraus ziehen. Und diejenigen, die diesem Yolo-Lifestyle angehören, sind vermutlich zu geblendet (oder darf ich ehrlich sein? Sie sind nicht schlau genug) um die Botschaft auf ihr eigenes Leben zu übertragen und über sich und ihre Lebensauffassung nachzudenken. Ich mein, wenn einen schon ein simpler Zeitraffer, wie in der Gerichtsverhandlung, überfordert und in Alter-voll-unlogisch-Reden stürzen lässt, wie soll man dann darauf kommen, dass Coppola vielleicht zeigen will, dass dieser ganze naive, unüberlegte Lifestyle einem früher oder später einholen könnte und man vielleicht einen Gang zurückschalten sollte, weil es sonst das Leben verdirbt. Die Karma-Reden wirken in dem Zusammenhang sehr passend, obwohl sie während dem Film selber komisch klangen.
                                          "The Bling Ring" ist nicht das geworden, was es werden wollte, aber es war ein sehenswerter Versuch und ich bin immer noch ein kleines bisschen begeistert von dem, was Emma Watson mit ihren Augenbrauen kann. Ich warte dann mal auf das Generationenpoträt, mit dem ich mich identifizieren kann.

                                          http://planetofpictures.blogspot.com/2013/08/the-bling-ring-us-2013-sofia-coppola_22.html

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                                            François Truffaut: Retrospektive #11

                                            "La Sirène du Mississippi" (Das Geheimnis der falschen Braut)

                                            Jean-Paul Belmondo als Millionär. Catherine Deneuve als falsche Braut. Eine Romanze, ein Thriller, ein Strudel aus Begierde und Leidenschaft, zwei Stunden Truffaut - das klingt so gut, so wunderbar und ist im Endeffekt einfach nur enttäuschend. Ich hoffe, dass das der einzige schlechte Film von Truffaut ist.
                                            Die Geschichte klingt schlicht und in der Verbindung mit Truffaut kann sie eigentlich nur gut werden, schließlich kann auch Truffaut ein Meister der Spannung werden, wenn er will. Die Liebesbeziehungen, die er sonst inszeniert, sind ausgearbeitet, unkonventionell, aber realistisch. Doch hier ist es absolut unglaubwürdig. Klar, Deneuve ist hübsch und es ist dann vielleicht doch glaubwürdiger als Liebe in 08/15- Actionthriller, aber trotz allem kann ich in keiner Minute glauben oder mitempfinden und eins der schlimmsten Dinge tritt ein: Es ist mir egal.  
                                            Die Geschichte am Anfang noch ein bisschen geheimnisvoll, bringt anstatt Suspense nur die durchschnittliche Vorhersehbarkeit hervor. Spätestens nach der Hochzeit weiß jeder, was jetzt passieren wird und ich kann höchstens kurz mit den Augen rollen, wenn Louis Mahe seine Frau an den Kontenvollmächten beteiligt und dann - Überraschung - feststellt, dass sie gar nicht die ist, für die er sie hält und dass sie weg ist mit all dem Geld. Also geht er mit Julies Schwester zur Polizei und sein Schauspiel wirkt dabei so unmotiviert, dass ich mir wünsche, es würde ein wenig mehr Godard in Truffaut stecken und dieser würde Louis irgendetwas abgefahrenes, rebellisch anmutendes tun lassen. Stattdessen fährt Louis ein bisschen durch die Gegend, findet so wie das Drehbuch es will Julie wieder und - Überraschung - er liebt sie immer noch. Dadurch, dass schon in der ersten Stunde alles verraten wird, gibt es keine Spannung mehr, keine Geschichte. Die beiden gammeln ziellos und sinnlos im Film rum und das eine qualvolle Stunde bis dann endlich das Fin erscheint. Truffaut hat es sicherlich gut gemeint und sich auch etwas dabei gedacht, aber "La Sirène du Mississippi" wirkt eher wie ein billiger Fernsehfilm, bei dem man gelangweilt Chips in sich reinstopft, telefoniert und die Werbung abwartet (Sachen, die ich trotz allem nicht gemacht habe) als ein hochwertiger Truffautfilm mit Witz, intelligenten Dialogen, weisen Worten, einprägsamen Szenen und geschickt inszenierter Story. Wenn das der erste Film der Welt wäre, würden wir ihn feiern, aber es ist nicht der erste und man hat das alles schon so oft gesehen. Das alles mit den falschen Namen, der Liebe auf den ersten Blick und den zwiegespaltenen Frauen. Tausendmal gesehen, durchgekaut und es wird nicht besser, selbst wenn es von Truffaut ist.

                                            http://planetofpictures.blogspot.com/2013/09/truffaut-retro-11-la-sirene-du.html

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                                            • Toller, gut ausformulierter Text, ganz besonders gefällt mir diese Stelle: "Sich küssende Mädchen dürfen nach Herzenslust besabbert werden, sich küssende Jungs sorgen für verschämtes Gekicher und am Ende lernt jeder brav seine Lektion fürs Leben".
                                              Das ist wirklich so eine der Dinge, die mich am meisten stören. Lesben werden als geil dargestellt, Schwule dagegen als igitt. Wo bleibt da die sogenannte Gleichberechtigung, könnte man fragen.
                                              Ich werde Feuchtgebiete nicht gucken gehen, weil mir das Buch nicht gefiel und dieses Ganze Guck-mal-Sex-Getue wahnsinnig auf die Nerven geht.

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                                              • Kann mich den anderen nur anschliessen, ganz ganz tolle Antworten :)

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                                                  Nicht viele Filme können von sich sagen, dass sie einzigartig sind. „La Jetée“ zählt zu diesen wenigen. Denn es ist eigentlich gar kein Film, sondern eine Diashow. Eine einzigartige Diashow.
                                                  Die Bilder erzählen die Geschichte von einem namenlosen Mann. Als er ein Kind war, sah er auf einem Rollfeld eine faszinierend wunderschöne Frau und gleichzeitig auch einen Mann sterben. Wenig später brach der dritte Weltkrieg aus. Danach war Paris verseucht. Einige Wissenschaftler schicken immer wieder Gefangene zurück in die Vergangenheit. Auch er ist einer von ihnen. Er hat sein Trauma immer noch nicht überwunden und trifft aufgrund dieser starken Erinnerungen in der Vergangenheit die Frau, in die er sich in jenen unbeschwerten Tagen verliebt hatte. Doch die Wissenschaftler holen ihn immer wieder zurück, schicken ihn auch in die Zukunft, missbrauchen seine Willensstärke, die der einzige Grund ist, warum er von den vielen Reisen noch nicht verrückt geworden ist. Bei einer der Reisen in die Zukunft überzeugt er die zukünftigen Wissenschaftler ihn komplett in die Vergangenheit zu schicken, damit er dort mit seiner großen Liebe zusammen leben kann. Als er sich in der Vergangenheit auf dem Rollfeld seiner Kindheit wiederfindet, die Frau sieht und auf sie zuläuft, erschießt ihn einer der Wissenschaftler der Gegenwart und der Mann begreift, dass er sich damals selber sterben sah.
                                                  Die Story kommt einem sicherlich bekannt vor, schließlich ist „La Jetée“ die Vorlage zu „Twelve Monkeys"
                                                  Aber eigentlich ist die Story sekundär und ich muss zugeben, dass ich mir bei der ersten Sichtung nicht alles direkt zusammen reimen konnte. Aber das ist auch eine Stärke von diesem Kurzfilm. Mit jeder Sichtung entfaltet er sich mehr und mehr. Zum Beispiel fiel mir erst bei der dritten Sichtung auf, dass die Wissenschaftler im Off Deutsch sprechen.
                                                  Die begleitende Off-Stimme ist wichtig, sie wirkt wie eine sanfte Musik, aber es ist egal, was sie sagt, ihr müsst sie nicht verstehen. Die Story kann man immer noch nachlesen (zum Beispiel in dieser Kritik, ha!)
                                                  Wirklich wichtig sind die Bilder. Denn diese entfalten einen einzigartigen Rausch, sie entführen einen. Auch wenn manche Bilder in jeder anderen Diashow vorkommen könnten, entwickeln sie im Kontext, und die meisten auch alleine, eine gewaltige Aussagekraft. Sie wecken Gefühle und stellen Gefühle dar. Ein schmerzverzerrtes Gesicht, eine schlafende Frau, ein Lächeln, Entsetzen, Misstrauen, Tod, Liebe und Lebendigkeit. Die begleitenden Geräusche steigern das Empfinden noch mehr. Ein Beispiel ist da die Bilderfolge der schlafenden Frau. Sie wird begleitet von dramatisch ansteigenden Vogelgezwitscher. Sind die Bilder selber nicht dramatisch, halte ich trotzdem den Atem an und atme erst wieder aus, wenn er aus seiner Zeitreise zurück ist.
                                                  Zu jedem Bild und jeder Bildfolge könnte man eine Geschichte schreiben, einen Film drehen, jedes Bild ist ihn sich geruht, abgeschlossen, entbehrlich und doch unentbehrlich. Das Faszinierendste an allem ist aber, dass meine Augen nicht akzeptieren wollen, dass es nur Bilder sind und kein Film. Immer wieder habe ich das Gefühl, dass sich ein Bild doch minimal bewegt, nur um dann festzustellen, dass ich gezwinkert habe. Ich will, dass sich diese Bilder bewegen. Weil sie alle zusammen eine Geschichte erzählen. Die ergibt sich aber nur, wenn man zwischen den Bildern liest oder der Off-Stimme lauscht.

                                                  „La Jetée“ ist ein so einzigartiges Filmerlebnis, ich kann nur ein Herz und die volle Punktzahl geben.
                                                  Es ist aber auch ein schwieriges Erlebnis, deshalb, wenn ihr euch entschliessen solltet, den Film zu schauen: Licht, Handy und andere Ablenkungen aus. Und vor allem lasst euch mitreissen, denn „La Jetée“ sind zwar keine bewegten Bilder, dafür aber umso mehr bewegende Bilder.

                                                  http://planetofpictures.blogspot.be/2013/08/la-jetee-fr-1962-chris-marker.html

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