Audreyfan - Kommentare

Alle Kommentare von Audreyfan

  • 7

    Bei dem Titel könnte man doch glatt an eine kitschige Romanze denken mit konventioneller Handlung, Protagonisten und Happy End.
    Dass dem nicht so ist wird direkt am Anfang klar. Der gerade mal dreizehnjährige Jimbo fährt mit dem Fahrrad und Pfeil und Bogen durch eine verwüstete Stadt. Überall liegt Müll, Zerstörung, die Straßen sind menschenleer. Er holt einen deutlich älteren Jungen namens Joey ab. Noch weiß der Zuschauer nichts. Nicht wieso alles zerstört ist, was sie machen und machen werden und vor allem wer das Mädchen auf dem Foto ist, dass sich Jimbo an die Fahrradlenkstange geklebt hat. Die beiden kommen an ein ebenfalls vermülltes und zerstörtes Haus an. Dort spielen im Garten ihre beiden Kumpels Rory und Grame mit ihrem Vater, der sich in einen Zombie verwandelt hat. Die Jungs scheinen sichtlich Spaß daran zu haben, mit dem verwahrlosten Wesen so unmenschlich, wie es kleine Jungen nur können, umzugehen.
    Doch Jimbo ist nicht hier um Zombies zu ärgern. Er ist hier wegen ihr. Sarah Jane. Er schleicht sich weg um sie im Haus zu suchen und findet sie genervt und schlecht gelaunt vor dem Fernseher sitzend. Sie entgegnet ihm und seinen Freunden unfreundlich und man fragt sich insgeheim, was er bloß an ihr findet. Aber allen Widerständen zum Trotz schafft er es mit mehreren Anläufen ihr sehr nah zu kommen und gerade in dem Moment, in dem sich das Ganze in die erwartete Kitschromanze ändern könnte, drängt sich die brennende Frage auf: Wie weit kann Liebe gehen? Kann sie Zombies, Tod und Horror überstehen?
    Diese Geschichte mit ihren Fragen wird sehr schmunzelnd verpackt. "I love Sarah Jane" ist kein Kurzfilm mit riesiger Botschaft, sondern einfach eine etwas andere Geschichte über die (jugendliche) Liebe.

    http://planetofpictures.blogspot.de/2013/12/i-love-sarah-jane-au-2008-spencer-susser.html

    6
    • 5

      » Ich bin dein Vater «

      Es klang so schön: Eine Mystery-, Krimiserie, die in schönster Natur spielt, an Twin Peaks erinnern soll, schmackhafte sechs Folgen lang ist und dann auch noch von meinem Lieblingssender ausgestrahlt wird, da kann doch nur etwas Herausragendes herauskommen. Nun, dem war nicht ganz so.
      Irgendwo in den Bilderbuchlandschaften Neuseelands passiert ein fast schon poetischer Selbstmordversuch. Die gerade mal zwölfjährige Tui versucht sich im See umzubringen. Warum? Weil sie schwanger ist. Es wird beschlossen das Kind zu behalten und auf ihren Wunsch kommt sie zu ihrem Vater, einem alten Rumtreiber und Drogenbaron.
      Stets blieb mir der Vergleich mit Twin Peaks im Kopf. Die erste Folge erinnerte auch ein wenig daran, ansonsten haben die beiden nicht gerade viel gemeinsam, es grenzt schon an Blasphemie sie zu vergleichen. Die beiden einzigen Punkte, in denen sie sich anfangs ähneln, sind - abgesehen von der unberührten Landschaft - die schrulligen Charaktere, die sich im "Paradise" rumtreiben und die Tatsache, dass eine Polizistin den Fall übernimmt.
      Zuerst war ich ein wenig froh, dass die Frauen hier so im Mittelpunkt standen, aber es dauerte wirklich nicht lange und ich fing an sie zu verwünschen. Neben Tui, die eigentlich noch der Charakter ist, der am besten weggekommen ist, was vor allem daran liegt, dass sie die ganze Handlung über so blass bleibt wie ihre Haut, gibt es noch die Polizistin Robin und die schrullige Versammlung an Frauen im "Paradise". Neben diesen Figuren tragen noch Matt - Tuis Vater -, Al Parker und Johno wesentlich zur Handlung bei.
      Die Handlung der Serie ist schnell ohne allzu große Spoiler erzählt. Tui verschwindet, Tui wird gesucht, Tui wird gefunden. Eigentlich eine Handlung, die sich locker in einen 90- Minutenfilm verpacken lässt. Also sollte man sich doch eigentlich nicht wundern, dass man um dieses simple Konzept tausendundeine Nebenhandlung aufbauen muss. Und an sich habe ich da ja auch gar nichts gegen, denn das soll ja das Tolle an Serien sein, dass man die Personen viel besser und tiefgründiger kennenlernt als in einem normalen Film. Man soll sich mit ihnen anfreunden, leiden, lachen, weinen, leben. Doch hier ist nichts von der Fall. Die Figuren nerven, sind größtenteils sehr oberflächlich geschrieben und wenn nicht gerade das, dann quellen ihnen die Klischees aus den Ohren heraus. Die ersten Folgen störte es mich noch nicht ganz so, doch irgendwann muss auch mal Schluss sein mit vorhersehbaren Wendungen, nicht gerade subtilem Feminismus und ätzendem Kitsch. Die letzten drei Folgen liefen nicht ganz so locker über den Bildschirm. Die Handlung war so aufgeblasen, dass sie alles Gute verschlang. Zudem entdeckte das Drehbuch von Folge zu Folge immer mehr seine Leidenschaft für absolut sinnlose Sexszenen, die weder erotisch noch in irgendeiner Weise ästhetisch, künstlerisch oder was sie auch immer sein wollten, waren. Es entdeckte auch seine Leidenschaft für männliche Stimmungsschwankungen, absolut bescheuerte Sätze ("Das ist noch schlimmer als schwul zu sein, nicht wahr?") und hab ich schon erwähnt, dass ich bei jeder hirnrissigen Wendung einen Lachanfall bekommen habe?
      "Top of the Lake" war nicht das Allerschlimmste im Serienhimmel, aber die Serie hat es grandios geschafft, nicht nur meine wirklich positiven und berechtigten Erwartungen aufzufressen, sondern auch sich selber. Wegen der schönen Naturbildern (ich hab glaube ich eine Schwäche für so etwas) schrammt das Ganze noch an der 4 vorbei. Ich sag nicht "Auf Wiedersehen" sondern "Auf Nimmerwiedersehen", denn dieser Ausflug hat mir außer vielen Naturbildern im Instagramstil und ein paar Lachkrämpfen nichts gebracht.

      http://planetofpictures.blogspot.com/2013/11/top-of-lake-gb-aus-nz-2013-jane-campion.html

      6
      • 8
        über Lifted

        Die Kurzfilme von Pixar sind oftmals sehr gelungen und vor allem witzig, aber nicht nur das, wenn man hinter dem Schleier des Humors schaut, entdeckt man noch eine übergeordnete Geschichte, eine Botschaft. Im Falle von LIFTED, einer meiner Meinung nach besten Pixarkurzfilmen, der im Vorprogramm von RATATOUILLE lief, wäre das eine Parabel über Prüfungsangst.
        Der kleine Außerirdische muss nämlich eine Prüfung übers Menschenentführen ablegen. Er steht vor diesem Riesentisch mit unzählig vielen Schaltern und ist sichtlich überfordert. Mit jedem Fehler wächst seine Verunsicherung und irgendwann verliert er vollkommen die Nerven. Das Ganze wird unterlegt mit bekannter Musik (Pulp Fiction) und Soundeffekten (Star Wars) Außerdem passieren zwei Abgänge in uns gleichzeitig, einerseits lachen wir den versagenden Außerirdischen aus, andererseits identifizieren wir uns mit ihm. Denn jeder hatte bestimmt schon mal eine große, wichtige Prüfung, in denen die Fehler größer wirkten als sonst und alles gleich schwierig und kompliziert und unlösbar aussah.
        Der kleine Außerirdische schafft zwar seine Prüfung nicht, gibt aber eine wichtige Botschaft mit auf dem Weg: Nimm es mit Humor!

        http://planetofpictures.blogspot.de/2013/11/lifted-us-2006-gary-rydstrom.html

        11
        • 7

          In dieser schön leichten, italienischen Komödie stehen Lina und Paolo im Mittelpunkt (gespielt von Sophia Loren und Marcello Mastroianni) Paolo ist ein Taxifahrer, ehrlich aber immer kurz vor dem Verschuldet sein. Lina kann man am besten so beschreiben wie Christina Tilmann in ihrem Buch "Traumfrauen" schrieb: Breite Hüften unter weiten Röcken, die verführerisch über die Straße schwenken, eine Tasche, eigentlich eher ein Beutel, den sie hin- und herschwenkt, und ein Mundwerk, das niemals stillsteht.Zudem spielt Vittorio De Sica Linas Vater, wir kennen ja seine Filme "Ladri di biciclette" oder "Woman Times Seven".
          PECCATO CHE SIA UNA CANAGIA könnte man als durchschnittlich fröhliche Komödie bezeichnen, wenn es da nicht ein paar Dinge gäbe, die den Film vom Durchschnitt abheben und zu einem besonderen Filmerlebnis machen. Da wäre zum einem die schon erwähnten Darsteller, deren Rolle ausgearbeitet ist und vor allem bei Lina gleichermaßen verwirrt und überrascht. Am Ende wusste ich gar nicht mehr, wann sie lügt und wann sie die Wahrheit sagt. Ihre Gefühle und ihre Gedankenwelt werden verschleiert, was sie nur noch interessanter macht. Die Story ähnelt anfangs ein wenig "Ladri di biciclette" denn es geht auch um Diebstahl und ethische Wandlung. Aber auch um Lügen, Betrug und Liebe.
          Paolo fährt wie jeden Tag mit seinem Taxi rum, als Lina und zwei ihrer Freunde ihn fragen, ob er sie nicht zum Meer hin- und zurückfahren könnten. Paolo wittert das viele Geld, schließlich muss er noch fast das ganze Taxi abbezahlen, und willigt ein. Was er allerdings nicht weiß, ist, dass diese drei sein Taxi stehlen wollen. Es gelingt ihnen dank eines Verführungstricks seitens Lina auch fast. Doch Paolo kann sich rechtzeitig von der verführerischen Frau losreißen und die beiden verjagen. Jetzt will er Lina zur Polizei bringen, doch sie entwischt ihm. Voller Wut beschließt er nie wieder einen Gedanken an diese Frau zu verlieren. Doch schon bald trifft er sie wieder und lernt ihre Familie kennen. Sie tischt ihm allerhand Lügen auf, die er nicht durchschaut. Auch der Zuschauer durchschaut sie nicht sofort, es macht Spaß Lina beim Lügen zuzuhören. Ihre Schönheit ist blendend und Paolo braucht sehr viel Zeit, bis er rausfindet, dass nicht nur sie eine Diebin ist, sondern auch ihre gesamte Familie, von der Oma bis hin zum kleinen Bruder. Als er alles rausgefunden hat, will er sie aus Wut über den Beinaheklau seines Taxis ins Gefängnis bringen, stolpert dabei aber über die eigenen Fehler und Fallen.
          Der Film ist eigentlich ein einziges charmantes Geplapper, begleitet von italienischen Gesten. Es könnte natürlich als eine Verherrlichung des Diebstahls angesehen werden, aber dafür ist es einfach zu lustig und zu liebenswert.Schade ist nur, dass der Film trotz seiner kurzen Laufzeit zu viele Längen aufweist und so die aufkommende gute Laune oft ins Stocken geraten lässt.

          http://planetofpictures.blogspot.be/2013/11/peccato-che-sia-una-canaglia-it-1954.html

          7
          • 8

            Auch wenn einer der ersten Filme Lynchs zuallererst sehr surreal und unverständlich wirkt (was er ja auch ist) ist er eigentlich vor allem erst mal eins: Eine ganz große Metapher. Lynch stellt hier das Leben eines Jungen, dessen Eltern sich nicht für ihn interessieren und der sich deshalb in eine Traumwelt flüchtet, sehr mystisch, atmosphärisch, gruselig und dunkel dar - halt mit den Stilmitteln, die man so an seinen Filmen liebt. Bei der Darstellung der Welt des Jungen wird nur aus der Vorstellungskraft des Jungen geschildert; dieser sieht seine Eltern als Tiere: aggressiv, gefühlskalt, ihren niedrigeren Instinkten folgend und unverständlich am reden. Er versteht sie nicht und sie verstehen ihn nicht, wollen ihn noch nicht mal verstehen. Der Eltern-Kind-Konflikt ist von Anfang an auf die Spitze getrieben und wird im Laufe des Kurzfilms noch größer.
            Alles fängt damit an, dass der Junge aus lautem seelischen Stress anfängt ins Bett zu urinieren. Sein Vater quält ihn daraufhin noch mehr und schimpft ihn aus. Die Mutter setzt dem ganzen noch eins drauf, weil sie von ihrem Sohn erwartet, seine Mutter gefälligst gern zu haben und das mit Küssen und Umarmungen auch zu zeigen. Es verwundert nicht, dass er sich sträubt und seelisch zerstört ist. Er sucht eine Ausflucht aus den Gräueln des Lebens und erfindet sich seine eigene Traumwelt, seinen Zufluchtsort.
            Es fängt damit an, dass plötzlich ein Beutel voller Pflanzensamen steht. Aber alle klingen schlecht und hohl, nur ein Samen gibt liebliche Klänge von sich. Er holt Erde, pflanzt den Samen, gießt ihn und wartet darauf, dass er Wurzeln schlägt, wächst, gedeiht. Währenddessen scheint seine familiäre Situation immer schlimmer zu werden. Eine Identifikation gelingt mit keinem der Protagonisten, dazu scheinen sie viel zu unwirklich, surreal. Aus dem gepflanzten Samen wächst eine kleine Welt im Schlafzimmer des Jungen, die nach einiger Zeit seine Zufluchtsperson ´gebärt´: Eine Großmutter. Sie ist dieser unsichtbare Freund, den bestimmt einige als Kind hatten. Sie ist seine Ratgeberin, die Quelle des Glücks, er entwickelt sogar verliebte Gefühle für sie. Sie hilft ihm die schreckliche Realität zu vergessen, die er tagtäglich erlebt durch seine Eltern, die ihn vollkommen verachten. Doch Großmütter sind alt, wie lange wird seine Traumwelt noch existieren können?
            Auch wenn der Kurzfilm so einfach erklärbar scheint, ist er es doch nicht so ganz. Es ist nur eine Interpretation meinerseits. Vor allem die animierten Zwischensequenzen bleiben größtenteils ein Rätsel, vom Ende und der Intention der Geschichte ganz zu schweigen.
            Dennoch sollte jeder, der eine halbe Stunde Zeit hat, diese Reise in Lynchs mystischen Grandmother-Kosmos unternehmen und sich von dunklen, surrealistischen Bildern und schweren, psychopatischen Klängen verzaubern lassen.

            http://planetofpictures.blogspot.de/2013/11/the-grandmother-us-1970-david-lynch.html

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            • 7

              "Is there anything you want that you don’t have?"

              Ich habe doch tatsächlich darüber gerätselt, warum der Film "Blue Jasmine" heißt. Jasmine ist klar, aber warum "Blue"? Die meisten wussten es wahrscheinlich schon sofort, aber mir wurde es erst nach dem Film klar. Jasmine ist traurig. Denn es gibt doch in dieser Gesellschaft kaum etwas traurigeres, als alles was man hat zu verlieren. Jasmine hat alles verloren. Mann, Stiefkind, Luxus, die Schönheit des Lebens, ihre Nerven und ihr Glück.
              Zwei in der Geschichtenerzählung längst bekannte Motive werden hier verwendet. Von Reich zu Arm und das Davorweglaufen. Deshalb war es auch kein Wunder, dass ich im Kino plötzlich Verbindungen zu anderen Filmen herstellen konnte. "Breakfast at Tiffany's" (wegen dem falschen Namen und dem Weglaufen), "Match Point" (wegen der rasanten Wendung von Glück zu Pech) und noch so ein paar andere Hirngespinste.
              Die Geschichte der traurigen Jasmine wäre damit auch schon erzählt - eine Reiche wird arm, flieht, denkt sie könnte neu anfangen, hat aber kein Glück mehr - wenn es nicht noch ein paar andere Dinge, mal gute, mal schlechte, gäbe.
              Auch wenn ich bisher erst zwei Filme von Woody Allen gesehen habe, wusste ich schon mit welchen seiner Stilmitteln ich es mir schwer tu. Das wäre vor allem der Soundtrack, denn er scheint eine Schwäche für Opernmusik zu haben, ich aber nicht, und das war bisher eine Schwäche von den gesehenen Filmen. Doch hier ist der Soundtrack schön ausgewählt. Er drängt sich einem nicht auf, geht aber auch nicht unter, sondern verschmilzt mit den Bildern und trägt passend zur Entstehung der Atmosphäre bei.
              Cate Blanchett macht ihre Sache überraschend gut und spielt ihre Nebendarsteller an die Wand. Zwar kann sie ihre Traurigkeit und Verzweiflung nicht an die Zuschauer weitergeben - was auch wahrscheinlich nicht so super wäre - aber das Am-Nervenbruch-stehende wirkt authentisch und nicht lächerlich. Die Nebendarsteller sind dafür meiner Meinung nach ziemlich blass und wenn man genauer hinsieht ziemlich klischeehaft, aber während dem Film hat es mich sonderlich gestört. 
              Die Geschichte an sich ist eine gelungene Mischung der beiden Motive und ein kleiner Abgesang auf den Amerikanischen Traum (Wenn du etwas willst und dich dafür anstrengst, dann schaffst du es auch) aber im Endeffekt einfach zu brav. Mir fehlt der dramatische Knall, die geschickte Wendung, ganz viele Prisen Humor und erinnerungswürdige Szenen.
              Insgesamt ist "Blue Jasmine" ein nett gemachter, kurzweiliger Film mit einer starken Leistung seitens Cate Blanchett, dem etwas mehr Provokation gut getan hätte. 

              http://planetofpictures.blogspot.de/2013/11/blue-jasmine-us-2013-woody-allen.html

              9
              • 8

                Wir wissen es doch insgeheim alle: Die Kinder werden von den Störchen gebracht. Wer aber die Kinder überhaupt entstehen ließ, da haben wir nie drüber nachgedacht, bis "Partly Cloudy" im Vorprogramm vom zauberhaften "Up" lief. Dort formt kein Mensch, kein Gott die Kinder, sondern Wolken. Womit dann auch erwiesen wäre, dass wir nicht aus Staub, sondern aus Wolken bestehen, nicht wahr?
                Fast alle Wolken formen fröhliche und hübsche Menschen- und Tierkinder, nur die fiesen dunkelgrauen Regenwolken haben die Aufgabe die scheinbar hässlichen und gemeinen Tiere zu formen. Der Leidtragende ist da vor allem der in Mitleid gezogene Storch, der die Kinder transportieren muss. Doch auch die Regenwolke macht es über kurz oder lang fertig, dass sie dem Storch mit den Kreaturen verletzt. Immer schrecklicher scheinen die erschaffenen Tiere zu werden und immer mehr hat der Storch Angst. Er blickt sehnsüchtig zu den lieben Wolken hinüber und fliegt eines Tages zu einer hin, scheinbar weil er keine Lust mehr auf die schrecklichen Kinder der Wolke hat. Die Wolke ist schwer verletzt, fühlt sich wertlos und lässt es vor Wut und Traurigkeit blitzen, donnern und regnen.
                Doch sie hat sich getäuscht, denn in Wirklichkeit hat sich der Storch von der lieben Wolke nur Schutzkleidung erschaffen lassen, um weiter munter Tierkinder transportieren zu können.
                Mit diesem naiven, putzigen Kurzfilm wird uns eine sehr schöne Botschaft mit auf den Weg gegeben: Jeder Mensch und jedes Tier, egal was es für Schwächen oder Stärken hat, ob es nun lieb oder gemein ist, hat denselben Wert.

                Wirklich ein ganz wunderbarer Kurzfilm, sehr passend als kleiner Stimmungsaufheller. Das einzige was ich mich noch frage, ist, ob jetzt jedes Mal, wenn es regnet eine Wolke traurig und wütend ist. Das wäre gerade hier in dieser verregneten Gegend gar kein schöner Gedanke.

                http://planetofpictures.blogspot.de/2013/11/partly-cloudy-us-2009-peter-sohn.html

                7
                • 10

                  » You see things. You understand. You’re a wallflower. «

                  Während eines Jahres kann so viel passieren , sich so viel verändern, auch wenn man das erst richtig merkt, wenn man zurückblickt. Letztes Jahr schrieb ich meinen Geburtstagskommentar noch zu „Breakfast at Tiffany’s“. Vor einem Jahr wusste ich noch nicht mal, dass dieser Film existiert, beziehungsweise er existierte noch nicht mal richtig, da er noch nicht in den Kinos angelaufen war. Ich wollte ihn damals gerne im Kino sehen, einfach nur weil ich wissen wollte, wie sich das anfühlt unendlich zu sein, doch ich verpasste ihn leider knapp. Und so musste ich auf das Heimkinorelease warten und obwohl ich von dem Film nur den Trailer und begeisterte Worte kannte, fieberte ich diesem Datum so sehr entgegen, als ob der Film jetzt schon mein Lieblingsfilm wäre. Manchmal weiß man das einfach.
                  Natürlich hätten meine Erwartungen enttäuscht werden können, wie schon so oft, aber sie wurden es ganz und gar nicht. Ich sah den Film dreimal innerhalb von zwei Wochen und schließlich noch einmal vor etwa einer Woche. Ich weiß gar nicht mehr so recht, was ich bei den ersten drei Malen gefühlt habe. Entweder dasselbe oder dasselbe in abgeschwächter Version. Denn ich habe das Gefühl, dass ich den Film jetzt noch mehr begreife, als vor sieben Monaten und noch mehr, als wenn ich ihn vor einem Jahr gesehen hätte. Wenn ich all das, was ich in diesem Jahr zwischen diesen beiden Geburtstagen erlebt habe, aufschreiben oder verfilmen würde, niemand würde es lesen oder sehen wollen, weil es im Grunde uninteressant ist. Nur nicht für mich. Für mich gibt es nicht diese riesigen Ereignisse, die dein Leben verändern, für mich sind es immer diese kleinen, die sich anhäufen und dein Leben sanft auf die hoffentlich richtigen Bahnen führen. Klar gibt es einschneidende Erlebnisse, aber irgendwie werden sie nie so schwer wiegen wie diese Momente, in denen du nicht weißt, ob du heulen oder lachen sollst, diese Momente in denen du lachst, heulst, lebst, stirbst. Diese Momente, in denen du dein Lieblingslied hörst und in die Dunkelheit blickst, die glitzert wegen der vielen Lichter, du dich voin der Einsamkeit geborgen fühlst und deine Seele für einmal nicht von der Antithetik des Teenagerdaseins oder noch besser des Menschendaseins zerrissen wird, sondern sich perfekt ergänzt, harmoniert und du dich einfach unendlich fühlst.

                  » In this moment, I swear, we are infinite! «

                  Dieser Satz ist die Quintessenz von „The Perks of Being a Wallflower“. Es ist die Botschaft und obwohl es ein Ende ist auch ein Anfang. Es will nicht gesagt werden, dass du nach deinem Trauma in ein Auto steigen und zu „Heroes“ durch Tunnel fahren sollst. Es will einfach nur auf die unendlich wirkenden Momente hinweisen und dich an sie erinnern und erfreuen lassen. Gedanken, in denen du weißt, es ist alles gut und es wird alles gut. Auch wenn das naive Gedanken sind, was würden wir ohne sie tun? Sie sind die Lichter, die nie ausgehen, selbst wenn du dir wünscht für immer einzuschlafen. Diese Momente machen das Leben aus, wenn nicht sogar das menschliche Dasein. Das heißt nicht, dass jeder den Film so lieben muss wie ich, aber niemand sollte abstreiten, dass es diese Momente gibt, die das Leben erst lebenswert machen.
                  Sowieso strotzt der Film nur so von jugendlicher Lebendigkeit und das will nicht sagen, dass er durchweg fröhlich ist, sondern auch abgrundtief traurig, wütend, verrückt. Ich weiß nicht, ob erwachsene Menschen diesen Film lieben können und ich weiß auch nicht, ob Leute, die keine Mauerblümchen sind, diesen Film überhaupt begreifen, aber ich liebe diesen Film. Und wenn dieser Film eine Person wäre, würde ich ihn nie wieder loslassen.
                  Es gäbe soviel, dass ich aufzählen könnte, um zu beschreiben, wie sehr ich diesen Film liebe und so weiter, aber wie das nun mal so ist bei Lieblingsfilmen, es würde nicht nur ein Roman werden. Trotzdem will ich es mal versuchen.
                  „The Perks of being a Wallflower“ ist ein Film randvoll gefüllt mit erinnerungswürdigen Szenen. Davon zeugen nicht nur die vielen Zitate, die leider manchmal von meinen Mitmenschen für facebookposts missbraucht werden, sondern auch die vielen Einflüsse auf mein Leben. Ich kann nicht mehr durch einen Tunnel fahren, ohne „Heroes“ zu singen, allgemein, wenn ich Lieder aus diesem fabelhaften Soundtrack höre, muss ich an diesen Film denken und der Soundtrack steht auf meiner Playlist ziemlich ziemlich weit oben. Neben „Heroes“ sind meine zwei liebsten „Come on Eileen“ und „Asleep“.
                  „Come on Eileen“ ist ein Lied der puren Lebendigkeit, wenn ich es höre, will ich tanzen und alle Fesseln des Alltags abwerfen. Es ist einer der besten Momente im Film, wenn alle ausgelassen tanzen und Charlie sich selber überwindet und zum ersten Mal in seinem Leben blind und voller Vertrauen ins Leben reinstürzt und begeistert empfangen wird.
                  „Asleep“ hingegen ist traurig. Man könnte glatt an ein suizidgefährdetes Lied denken, wenn man den Text liest, aber es ist nicht ganz so. Es ist eher dieses Gefühl, wenn alles schief geht und man einfach nur schlafen will, bis alles besser wird. Das Lied ist voller Einsamkeit und sehnt sich mit jeder Faser nach jemanden, der es zudeckt. Man ist weltmüde, kann all die Menschen nicht mehr sehen, die doch nur verletzen, anstatt einen zu umarmen und lieb zu haben. Man fragt sich, wie es wohl wäre, wenn man einfach weggehen würde. Würde jemand einen vermissen? Würden sie sich schlecht fühlen, für all das, was sie getan haben? Würden sie es überhaupt bemerken? Irgendwie hat man das Gefühl, dass da noch etwas Besseres ist als das Leben hier und man spürt, dass diese bessere Welt irgendwann kommen wird, irgendwann, und bis dahin will man halt schlafen. Ich glaube es ist ein ziemlich pubertäres Gefühl und das ist überhaupt nicht negativ gemeint. Morrissey verpackte dieses Gefühl perfekt mit seinen Worten und „The Perks of Being a Wallflower“ verpackt diese Worte perfekt in Bilder.

                  » Let’s go be psychos together! «

                  Neben der Musik sind auch die Charaktere einfach nur liebenswert. Neben Charlie sind Sam und Patrick die beiden wichtigsten Charaktere. Auch wenn die drei durchtränkt sind von Filmklischees, wirken sie frisch und ehrlich auf mich. Wahrscheinlich weil jeder Mensch irgendwo irgendwie klischeehaft ist. Man kann die drei einfach nur gerne haben. Manchmal wird dem Film vorgeworfen, dass davon ausgegangen wird, dass man ein Kindheitstrauma haben muss, um ein Außenseiter zu werden (was natürlich nicht so ist) und auch ich hatte diesen Eindruck nach der ersten Sichtung, sehe es mittlerweile aber nicht mehr als Vorwurf. Ja, um ein Außenseiter zu sein, muss man irgendetwas erlebt haben, was einen extrem von den anderen unterscheiden lässt und oftmals ist dieses Erlebnis trauriger Natur. Es gibt größere Probleme als die eigenen, das ist immer so, aber ich glaube in dem Sinne darf man egoistisch sein, schließlich ist es das eigene Leben und nicht das der anderen. Deshalb darf man einfach heulend durch die Wohnung laufen, deshalb darf man irgendwo einsam rumstehen, deshalb darf man in Filmen eine eigene Lebensphilosophie suchen und sie deswegen lieben. Und dann ist es doch egal, was die anderen denken. Mauerblümchen sein ist toll. Wir schauen nicht nur blind durch die Gegend, wir sehen. Das, was wir sehen, verstehen wir, wir begreifen es und darauf dürfen wir stolz sein, auch wenn die anderen jetzt den Kopf schütteln. Wir empfinden Begeisterung, wenn wir uns trauen, zu tanzen oder jemanden anzusprechen.
                  Nein, man muss kein Mauerblümchen sein, aber jeder muss er selbst sein, nicht jemand anders. Sei du selbst! Wenn man allen Zynismus und Pessimismus über Bord wirft, muss man doch zugeben, dass das eine wirklich schöne, unendlich geltende Botschaft ist.

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                  • 7
                    über Alma

                    Es ist ein recht schöner, verschneiter Tag und ein kleines Mädchen läuft munter durch die Straßen. Sie kritzelt ihren Namen an eine Wand und dreht sich um. Da erblickt sie in einem Laden eine Puppe, die ihr haargenau ähnelt. Es ist keine dunkle, fremde Macht, die sie zum Schaufenster hinsteuert, sondern einfach nur Neugier und Verwunderung darüber, wie jemand eine Puppe schaffen konnte, die ihr so ähnlich sieht. Sie schaut kurz weg und als sie wieder hin schaut, ist die Puppe plötzlich weg. Das Mädchen ist verwirrt und schaut angestrengt in den Laden. Da steht sie ja wieder! Sie will in den Laden rein, wahrscheinlich würde das jeder in der Situation wollen. Wer würde denn schon etwas Böses an diesem hübschen Tag denken? Sie geht in den Laden rein und die Atmosphäre wechselt von naiv-kuschelig zu unheimlich. Eine Puppe, die an die Puppe von Saw erinnert, fährt wie ferngesteuert gegen die geschlossene Tür. Die anderen Puppen schauen das Mädchen so an, dass es einem kalt über den Rücken laufen könnte und erinnern ebenfalls an Puppen/Personen aus anderen Horrorfilmen. Das Mädchen bleibt aber weiterhin neugierig, will ihre Puppe berühren, die jetzt im Regal steht. Sie zieht sich einen Handschuh aus, streckt die Hand aus und…

                    "Alma" ist bestimmt nichts für Leute, die schon so Angst vor Puppen haben, denn hier kann es einem, wenn man will, Angst und Bange werden. Für alle anderen, die einen dezenten Grusel verspüren möchten, ist dieser Kurzfilm hingegen genau das richtige. Zwar wurde das Potenzial nicht voll ausgenutzt, aber es ist ein mehr als interessanter und sehenswerter Ansatz. Seht selbst: http://www.youtube.com/watch?v=irbFBgI0jhM

                    http://planetofpictures.blogspot.de/2013/11/alma-e-2009-rodrigo-blaas.html

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                    • 8

                      "Excuse me... who are you? Excuse me... who are you?" 

                      Wer würde schon vermuten, dass hinter süßen rosa Kleidchen und hohen Mädchenstimmen, die stets fröhlich singen, sich eine dunkle, verzweifelte, blutende Welt versteckt. Wiedermal ist es die Manipulation der perfekt gezeichneten Animebildern, die mir eine heile, fröhliche Welt suggerieren, nur um meinen Verstand dann dermaßen zu durchquirlen, dass "Perfect Blue" ohne mit der Wimper zu zucken ziemlich hoch auf dem persönlichen Ranking der Mindfucks steigt. 
                      Es fing alles so nett an. Mima steigt aus ihrer Girlgroup aus, um eine Schauspielkarriere zu starten. Es gibt einige Zweifel und nicht alle Fans sind glücklich darüber, doch man vermutet eher am Anfang eines netten Stalkerdrama zu stehen, wenn der blasse Mann mit den Fischaugen sie verfolgt, als am Rand eines Abgrunds, auf dessen Boden ein Strudel aus Sex, Blut und Verrücktheit wütet und nur darauf wartet ein Sternchen zu verschlingen. Immer wieder denkt Mima an ihre glitzernde Vergangenheit zurück, während sie ihren Text wiederholt oder nach Hause fährt. Doch trotz ihrer Sentimentalität scheint sie entschlossen allen zu zeigen, dass sie kein rosa Kostüm braucht, um gut zu sein. Sie merkt gar nicht wie mit ihr alles tiefer fällt gen Strudel. Durch Vergewaltigungsszenen, Morde, Aktfotos, seltsamen Internetseiten und immer denselben sie beobachtenden Fischaugen fällt sie in den Strudel hinein. Und plötzlich dreht sich alles. Und bevor du merkst, dass alles nur ein Traum war, stellst du fest, dass die letzten fünf Minuten auch ein Traum waren. Oder? Mima kann nicht mehr unterscheiden, was real ist. Zudem trifft sie neben dem seltsamen Mann dauernd auf ihr altes Ich, die sie immer wieder beschimpft, nicht mehr sie selbst zu sein. Der gleitende Wechsel zwischen Drehszenen und Drehpausen macht es noch schwieriger, irgendwie mitzukommen. Das Einzige was wahrhaftig erscheint, ist der tosende Applaus. Aber auch der wirkt immer surrealer und schon bald weiß weder Mima noch ich, wer wer ist und vor allem wer sie ist. Der Strudel wird immer schneller, wird er jemals stoppen?
                      Interessant finde ich im Nachhinein auch, dass hier Gewalt dargestellt wird, die wenn sie von echten Menschen gespielt werden würden, so manche Diskussion über Nichtigkeit und Wichtigkeit von Gewalt hervorrufen würde. Hier wirkt es (zumindest auf mich) nur in dem Aspekt verstörend, weil ich anfangs dachte, der Film wäre harmlos. Die Gewalt wird entfremdet und wirkt genauso wenig real wie der Film selber.
                      Dabei könnte es auch eine wahre Geschichte sein.

                      http://planetofpictures.blogspot.de/2013/10/perfect-blue-j-1997-satoshi-kon.html

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                      • Ein Mädchen auf einem Fahrrad fährt auf mich – dem Zuschauer - zu und meine Retrospektive beginnt. Es war meine erste überhaupt und ich hatte mir direkt mal das Werk von einem Regisseur vorgenommen, das 24 Filme lang war (Auf drei musste ich verzichten: "Une belle fille comme moi", "L’histoire d’Adèle H", "L’argent de poche" und die Sichtung von "La Nuit Américaine" lag schon zu weit weg, um eine Review dazu zu schreiben)
                        Der Regisseur war François Truffaut und ich hätte nie gedacht, was es für eine außergewöhnliche Erfahrung ist, (fast) das gesamte Werk eines Regisseurs chronologisch durzuschauen. Trotz allem habe ich das Gefühl ich würde Truffaut noch weniger kennen als am Anfang. Anfangs war er ein guter, französischer Regisseur und jetzt? Jetzt ist er viel mehr als das. Er ist nicht nur ein Name im Abspann und Vorspann. Er ist ein Mensch. Ein Mensch, der zwar leider schon verstorben ist, aber Träume, Ziele, Hoffnungen und Ängste hatte und der, obwohl er kein Rebell war, das Kino verändert hat, alleine dadurch, dass er dem Kino eine Facette geschenkt hat, die sich mit keinem Wort der Welt beschreiben lässt. Es ist dieses Gefühl, wenn ich einen Truffaut-Film schaue, diese Geborgenheit, diese Liebe, die aus allen Ecken strömt, selbst wenn das Bild kalt ist. Es tut nichts zur Sache, ob der Film erfolgreich war, was für Preise er gewonnen hat und so weiter, im Universum dieser Filme geht es nicht um Geld oder Macht, sondern ganz alleine um Glück und Liebe. Ganz viel Liebe. Jedesmal, wenn ich etwas über ihn sehe – und sei es nur ein kleines Interview – habe ich das Gefühl etwas Neues an ihm zu entdecken. Vielleicht ist es die Art, wie er spricht, wie andere über ihn sprechen, dass er tot ist, dass er eine Franzose ist, ich weiß es einfach nicht genau, aber es ist etwas, das mir das Gefühl gibt, dass er etwas Einmaliges ist, unvergleichbar, gegensätzlich und voller Offenbarung. Dieses Mädchen auf dem Fahrrad sagt eigentlich schon alles aus: Leben, Glück und eine gewisse charmante Freiheit, diese drei Dinge kommen dem Gefühl, das ich empfinde, wenn ich etwas von Truffaut sehe.

                        Nach der ersten Begegnung mit „Les Mistons“ erzählte er mir mit seinem besten Freund „Une histoire d’Eau“ und schon landete ich in Truffauts filmischer Kindheit um mit ihm faire „Les 400 Coups“. Danach ging es direkt in eine Bar, in der wir laut riefen: „Tirez sur le pianiste“! Truffaut und ich liefen mit „Jules et Jim“ über die Brücke, erlebten „L’amour à vingt ans“ gemeinsam mit „Antoine et Colette“ und strichen andächtig über „La peau douce“. Wir spürten wie vernichtend die „Fahrenheit 451“ ist und ich runzelte kurzzeitig die Stirn bei „La mariée était en noir“, nur um direkt danach freudig nach den „Baisers Volés“ zu suchen. Wir entdeckten „La sirène du Mississippi“ und es gefiel mir gar nicht, was wir da aufdeckten, sodass ich „L’enfant sauvage“ suchte und erforschte und mich im „Domicile Conjugal“ niederließ, nur um dann voller Freude zu meinen Lieblingen, den „Deux anglaises et le continent“ zu reisen. Ich erlebte „La Nuit américaine“ mit und lernte fast am Ende meiner Reise endlich „L’homme qui amait les femmes“ kennen, der sich im „La Chambre Verte“ versteckte, um über den Tod zu sinnieren. Ich sah „L’amour en fuite“ und war traurig und glücklich zugleich. Ich nahm „La dernier métro“ und fuhr zu „La femme d’à côté“ um auf Liebe und Tod zu schwören, dass ich Truffaut verehre und liebe, solange ich lebe und darüber hinaus. „Vivement Dimanche!” Je t’aime, François Truffaut. 

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                        • 7

                          Es gibt zwei Dinge, aus dem dieser Kurzfilm besteht und die ihn gleichzeitig zu etwas Besonderem machen: Bilder und Musik. 
                          Die Musik, mal schwermütig, mal hysterisch fröhlich, mal bescheiden fröhlich, mal einsam, mal komplett anders, erzählt irgendwie eine Geschichte oder vermittelt zumindest ihr Gefühl. Sie zieht die Stimmung des Zuschauers hoch und runter und das unabhängig von den Bildern.
                          Die Bilder. Sie zeigen Nizza. Mal aus der Vogelperspektive, von unten, frontal, seitlich, schwenkend. Es scheint mit einem schönen Morgen anzufangen. Die Cafés werden aufgebaut, es wird geputzt, gearbeitet. Die reichen schlendern gelangweilt hin und her, wie jeden Tag stets das Gleiche tun. Die Gebäude werden gerade gerückt, das Meer schäumt auf die Kamera zu, Frauen tanzen zügellos. Der Asphalt ist rissig und auf einmal sind die Klamotten weg. Und wieder da. Es könnte doch glatt pure Schönheit sein, wenn nicht auch die Armut gezeigt würde. Arm und Reich, ihre Bilder werden vermischt, als ob sie nebeneinander hergehen würden, als ob sie zusammengehören würden, als ob keiner ohne den anderen leben könnte. Die Armen putzen den Reichen die Schuhe von den Füssen, heben ihren Müll auf. Es entstehen größere Kontraste als der zwischen den schwarz-weisen Farben der Bilder. Das Schöne bekommt einen schalen Unterton, immer mehr betrachtet der Zuschauer die Welt durch neuer werdenden Augen. Kein Wort wird gesagt, nur Musik und Bilder sprechen, erzählen etwas, was nicht in worte, noch nicht mal in gedanklichen, zusammengefasst werden kann. Und die Kamera und der Schnitt experimentiert weiter, reißt uns kurz aus dieser Welt raus und lässt uns wieder mitschweben, wenn die Kamera die wunderschönen Säulenbögen nachfährt. Die Frauen tanzen weiter, die Reichen langweilen sich, die Armen leben und das Mittelding ist einfach unauffindbar. 

                          http://planetofpictures.blogspot.de/2013/10/a-propos-de-nice-fr-1930-jean-vigo.html

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                          • 8

                            Shakes, Tommy, Michael und John, vier Jungen aus Hell's Kitchen in New York, wollen eines heißen, unschuldigen Tages Hot Dogs stehlen und verletzen durch einen Unfall einen Mann lebensgefährlich. Sie kommen ins Jugendgefängnis und werden dort seelisch zerstört. Einige Jahre später treffen zwei von ihnen auf einen damaligen Gefängniswärter und erschiessen ihn. Sie werden angeklagt und die anderen beiden beschließen sich mithilfe Tricks, doppelten Böden, Lügen, Betrug und all den anderen Dingen, die sie bisher aus ihrem Leben mitnahmen, für unschuldig erklären zu lassen.
                            "Sleepers" besteht sozusagen aus zwei Teilen.
                            Zuerst wird die Kindheit/Jugend gezeigt, zuerst mit bunten Farben und positiven Gefühlen, dann zermürbend kalt, grausam und hoffnungslos.
                            Dann die eigentliche Handlung, das Gerichtsverfahren, in dem sich die zerstörten Seelen rächen wollen.
                            "Sleepers" fängt nicht unbeschwert an, im Gegenteil, zuerst wird einem direkt mal die Wahre-Geschichte-Last aufgedrückt. Zum Glück kann der Film sich mit den darauffolgenden Szenen erfolgreich daraus retten. Zwar wird kein Hehl draus gemacht, dass die Jungs mit ihrem Heimatort nicht gerade die besten Startchancen haben, aber man bekommt doch das Gefühl, dass sie ganz normale, naive Jungen sind, deren Freundschaft ihnen das wichtigste im Leben ist, vielleicht auch weil sie sonst nichts anderes haben. Fast vergesse ich, dass etwas Schlimmes passieren wird. Es passiert dargestellt wie ein Moment, den man nie vergisst, an dem man sich selbst im Sterbebett noch erinnert. Wie oft mögen solche Menschen wohl in ihren Betten liegen und tausendmal die Szene in ihrem Kopf wiederholen? Sie kommen ins Gefängnis und es ist die pure Hölle. Ich rechne dem Film hoch an, dass er auf explizite Szenen verzichtete und lieber das Meiste vorerst der angsterfüllten Vorstellung des Zuschauers überließ. Man kann die Angst der Jungen spüren, sieht ihre Hoffnung sterben. Sie zerbrechen. Jeder Lichtblick (wie das Gewinnen eines Footballspiels) wird im nächsten Moment doppelt erwürgt und man mag sich gar nicht vorstellen, wie tief so eine Zerstörung, diese Vergiftung jeglicher Hoffnungen und Träume, reichen kann. Auch wenn im Abspann bestritten wird, dass die Vorfälle im Jugendgefängnis sich so ereignet haben, lohnt es sich doch drüber nachzudenken.
                            Der zweite Teil wechselt das Genre und wird zum Justizfilm. Auch wenn ich schon viele Justizfilme gesehen habe, finde ich es immer noch mitreissend. Hervorheben könnte man da vielleicht den Anwalt Snyder, der durch seine monotone Gleichgültigkeit schon fast eine gewisse Komik in die todernste Sache reinbringt.
                            Es ist immer eine willkommene Abwechslung, eine andere Seite kennenzulernen. Justizfilme kennt man sonst nur so: Ein Unschuldiger wird für schuldig gehalten und der Anwalt versucht die Geschworenen (und auch sich selbst) davon zu überzeugen, dass der Angeklagte unschuldig ist. Hier ist es anders: Schuldige werden für schuldig gehalten und der Anwalt versucht die Geschworenen davon zu überzeugen, dass der Angeklagte schuldig ist. Es zeigt sich, dass dieser Weg genauso schwer ist.
                            Auch wenn die Verhandlung von mir aus auch kürzer ausfallen hätte können, treten doch keine Längen auf. Selbst wenn würden diese durch die magischen Gänsehautmomente kompensiert würden. Wenn die Kamera locker eine Minute auf De Niros Gesicht zeigt, dem die Tränen in die Augen steigen, ist das pure Filmmagie.
                            Missfallen hat mir die Regelung von Ton, das hat zeitweise sehr genervt und auch wichtige Szenen zerstört, wie das allerletzte Zusammensein der Freunde.

                            "Sleepers" wahre Absicht ist vielleicht, auf Missstände in Jugendknasts und Justiz aufmerksam zu machen. Viel lieber will ich diesen Film aber als einen Film über Freundschaft ansehen. Freundschaft als höchster Wert und Gut, etwas was nicht alles aber viel übersteht und im Endeffekt das Wertvollste im Leben war. Als Thriller mag SLEEPERS kurzweilig sein, aber unter dem Aspekt der Freundschaft ist es ein Film, der Szenen bereithält, die ich nie vergessen werde.

                            http://planetofpictures.blogspot.be/2013/10/sleepers-us-1996-barry-levinson.html

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                              François Truffaut: Retrospektive #20

                              Vivement Dimanche (Auf Liebe und Tod)

                              Truffaut hatte sein filmisches Ende nie vorbereitet, es hörte auf mit seinem Tod und so war dieser Film leider sein letzter. Es ist kein Meisterwerk, kein Antoine Doinel, sondern nur ein netter, sehenswerter Krimi, der dennoch seine Stärken hat und dieser Retrospektive doch ein würdevolles Ende schenkt. 
                              Alles fängt mit einem Mord an. Der Geschäftsmann Jacques Massoulier wird erschossen. Ein Immobilienmakler namens Julien Vercel gerät schnell in Verdacht. Durch weitere alibilose Morde gerät er immer mehr in das Visier der Polizei. Zum Glück ist seine Sekretärin von seiner Unschuld überzeugt und versteckt ihn im Keller.
                              Hier zitiert Truffaut sich selber: der Keller, vorbeigehende Frauenbeine...
                              Im Gegensatz zu anderen Krimis ist nicht der Mann hier der coole Detektiv und die Frau das schwache Wesen, sonders andersrum. Während er die Zeit im Keller tot schlägt, stellt Barbara Nachforschungen an, um seine Unschuld zu beweisen. Immer mehr kommt sie der Lösung auf die Spur und immer mehr Menschen sterben rätselhaft. Vercel beschließt indes Sonntag aus der Stadt zu fliehen. Babara will aber, dass er hier bleibt und gesteht ihm ihre Liebe. 
                              Doch dann kommen ihr Zweifel an seiner Unschuld und nach Wendungen und Wendungen heiraten die beiden.
                              Die Geschichte ist mir zu versöhnlich und zu ruhig, als dass sich wirklich dauerhafte Neugierde und Spannung aufbauen könnte, ja, man merkt, dass Truffaut nicht mehr der junge Pianistenregisseur von damals ist. Trotzdem ist die Inszenierung charmant und spielt mit den Stilmitteln seiner großen Vorbildern: Hitchcock und Kubrick. 
                              Raffiniert ist der schon erwähnte Rollenwechsel von Frau und Mann, der "Vivement Dimanche" von einem ganz guten zu einem sehenswerten Film hochhebt. Auch interessant ist der Schwarz-Weiß-Gebrauch. Truffaut benutzte ihn, weil er mit "Vivement Dimanche" eine Hommage an die 40er machen wollte, an den Film Noir und an die Suspense.

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                                Ich bezweifle, dass es jemals eine schönere filmische Verehrung der Bücher gab. Ein Buch erzählt die Geschichte von Mr. Morris Lessmore, der auf seinem Balkon sitzt mit mehreren Stapeln Büchern, als ein Sturm kommt und nicht nur die Welt an sich zerstört, sondern auch die in den Büchern. Denn alle Buchstaben sind weggefegt, die Farbe und das Leben sind zurück gewichen vor der grauen Tristesse des bücherlosen Lebens. Doch er findet durch eine Bücherfee zu einem Haus, in dem anscheinend alle Bücher oder zumindest sehr viele leben. Hier ist alles bunt, voller Lebendigkeit. Die Bücher sind nicht mehr nur leblose Papiere, sie verbildlichen das, was sie auch sind: Ansammlungen von Gefühlen, ob positiv oder negativ, Hoffnung und Farbe zwischen den schwarz-weißen Zeilen. Die Bücher erzählen ihre Geschichten, spielen Musik und wirken wie die Perfektion des Begriffes Glück.
                                Was sie ja auch sind, denn was wäre die Welt ohne Bücher? Was wären wir Menschen ohne Bücher? Kann man nicht erst verstehen und wahrhaft leben, wenn man lesen kann? Ist es nicht das größte Glück, in eine Welt entführt zu werden, die jemand im Schweiße seines Angesichts niedergeschrieben hat?
                                Bücher müssen gelesen werden, auch das sagt dieser süße Kurzfilm aus. Und auch: Du schreibst deine eigene Geschichte. Auch Mr. Morris Lessmore schreibt seine eigene Geschichte, sein Leben ist die Geschichte (If live is enjoyed, does it have to make sense?) Und als er the end schreibt, ist sein Leben auch zu Ende und er steigt glücklich in den Himmel hinauf. Und das Haus, das mittlerweile als Bibliothek benutzt wird und dessen Bücher tagtäglich graue Menschen mit Farbe erleuchten, bleibt alleine zurück. Aber nicht lange, denn schon bald kommt ein neugieriges Mädchen und übernimmt die Nachfolge als Hüterin der Bücher.
                                Der Grund für die höchste Punktzahl ist, dass ich hier keinen Fehler entdecken kann und will. Denn "The fantastic flying books of Mr. Morris Lessmore" ist einfach so detailiert und herzerwärmend gemacht, dass man gar nicht nach der Botschaft suchen muss, weil sie durch die Bilder direkt ins Herz dringt.
                                Ich kann mir vorstellen, dass für Leute, die Bücher nicht so mögen (Schande über euch!) der Kurzfilm nicht so wunderbar ist, aber für mich als Bücherfan ist es einer der größten Offenbarungen, wenn eine Kunst der anderen eine solch perfekte Hommage schenkt.

                                http://planetofpictures.blogspot.be/2013/10/the-fantastic-flying-books-of-mr-morris.html

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                                  Wie er da so liegt, rauchend, würde ich nie denken, dass er jemals etwas anderes tut. Er liegt einfach da, ganz still, und der Rauch steigt höher, verblasst, steigt wieder höher, verblasst. Alles was ich höre, ist der Vogel und später wird ein Hund dazu kommen.
                                  Paris ist grau und schmutzig, die Mäntel sind grau oder beige, die Hüte grau oder schwarz, seine Augen sind blau, sein Gesicht regungslos, eiskalt. Ihn wird einfach nichts aus der Fassung bringen, so scheint es, während er auf dem Bett liegt, rauchend.

                                  Woher weiß man eigentlich, dass man gerade ein wahres Meisterwerk sieht? Ist das messbar, ruft es ein bestimmtes Gefühl hoch? Sind es die Farben, die Musik? Die Schauspielerei kann es doch kaum sein, sein Gesicht bleibt stets gleich. Oder?

                                  Die Straßen von Paris wirken wie ausgestorben. Wenn er in einem vollen Saal ist, habe ich das Gefühl er sei alleine. Er ist alleine. Einsamkeit herrscht überall. Seine Augen, sein Mund, seine Kleidung und Körperhaltung, sein Zimmer, all das ist die Einsamkeit. Die Zeit ist entschleunigt. Sie ist nichts Messbares mehr, nur etwas, was irgendwann nicht mehr da ist. Sie verrinnt langsam, aber keiner weiß wie langsam. Vielleicht verrinnt sie auch schnell. Die Einsamkeit bleibt nicht nur in diesen Bildern, sie schwappt heraus in meine Umgebung, in mich. Irgendwie ist es wohltuend. Ich fühle mich wie jemand, der still in einer tosenden Menge steht. Ich fühle mich gefestigt und doch wanke ich mit dem Film zwischen der Ruhe vor dem Schuss und dem Schuss selber. Weiße Handschuhe.

                                  Spiegelt sich das Meisterwerk-Sein in der Kamera wieder, in der Story? Ist es ein geschickter Twist, die Schlusspointe? Ist es das Gefühl, ein lebendiges Gemälde vor sich zu haben? Ist es die Neugier, das plötzliche Ausradieren sämtlichen Unnötigem und das Aufdrängen interessanter Fragen?

                                  Wenn die Pistole vor sein Gesicht gehalten wird oder wenn sich das Blut durch Verband und Hemd kämpft, verändert sich etwas in seinem Gesicht. Es ist eine kaum merkbare Regung. Er kann sich Alkohol über die offene Wunde schütten oder Pflaster runterreissen und dabei weiterhin leer und einsam schauen. Aber wenn er sein blutiges Hemd betrachtet oder in den Lauf der Pistole starrt, regt sich da nicht etwas? Tickt sein Herz nicht einen Schritt schneller, wird das Piepsen des Vogels nicht eine Note schriller? Zuckt seine Augenbraue, sein Mundwinkel? Was denkt er? "Was sind Sie nur für ein Mensch?"

                                  Ist es dann schlussendlich nicht das Einzelne, das etwas zu einem wahren Meisterwerk macht, sondern das perfekte Übergreifen, Vermischen und Harmonieren einzelner Elemente? Der piepsende Vogel ist kein Meisterwerk, doch er wirkt hier so wie ein Orchester eines solchen. Und es ist kein Meisterwerk einen Trenchcoat zu tragen, doch was wäre, wenn er es nicht tun würde? Wäre der Film dann weniger ein Meisterwerk?
                                  Sie kommunizieren stumm und die Stimmen wirken laut. Es ist eine Meditation. So schlicht und doch so genial. Unnachahmlich. Wir sehen. Fühlen wir etwas? Hören wir etwas? Werden Fragen aufgeworfen? Wird eine Geschichte erzählt? Ja, was ist das eigentlich, ein wahres Meisterwerk? Es ist Alles und davon ganz wenig. Es ist Nichts und davon ganz viel. Es ist das andächtige Schweigen, der Wille jede einzelne Faser eines Films aufzunehmen, niemals auf die Uhr zu schauen und wenn der Abspann läuft, zu denken:
                                  "Le Samouraï" ist ein wahres Meisterwerk.

                                  http://planetofpictures.blogspot.com/2013/10/le-samourai-fr-it-1967-jean-pierre.html

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                                    François Truffaut: Retrospektive #19

                                    "La Femme d'à côté" (Die Frau nebenan)

                                    Truffauts vorletzter Film ist ein ganz anderer Truffaut, so wie auch "Le dernier Métro" es schon war. In dieser Welt gibt es keine Leichtigkeit mehr und keine träumerischen Farben, viel mehr ist alles streng, karg und die Handlung scheint unausweichlich bitter. Das liegt vor allem an der Thematik. Ein Mann und eine Frau, die nicht mit und auch nicht ohne leben können, daraus kann man einfach keine süße Komödie machen. 
                                    Von Anfang an wird einem durch die Erzählerin klar gemacht, dass hier absolut nichts gut enden wird. Die Erzählerin - auch wenn sie eine Person aus der Gesichte ist - fand ich persönlich ziemlich überflüssig und auch sonst ist "La Femme d'à côté" nicht gerade der beste Truffaut, was aber noch lange nicht heißt, dass er irgendwie schlecht wäre.
                                    Zum zweiten Mal bekommt Gérard Depardieu die Hauptrolle in einem Truffautfilm. Er spielt Bernard, der mit seiner Frau Arlette und Sohn Thomas glücklich und zufrieden auf dem Land in einem hübschen Häuschen lebt. Doch eines Tages zieht in das Haus nebenan ein Ehepaar: Mathilde und Phillippe. Bernard erkennt Mathilde wieder, er war jahrelang mit ihr zusammen und schlug sich mit ihr durch eine gewaltige Hassliebe, deren Ausmaße wir als Zuschauer erstmal nicht erfahren. Bernard versucht ihr aus dem Weg zu gehen, weil er weiß, dass er ihr nicht widerstehen könnte. Doch Arlette freundet sich mit den Nachbarn an und Mathilde strebt eine Freundschaft an. Diese bekommt sie auch für fünf Minuten, dann küsst Bernard sie. Ihre Entscheidungen wirken nicht unbedingt logisch, das will ja auch niemand, aber sie sind nachvollziehbar. Die Hassliebe zwischen den beiden ist faszinierend, aber auch abstoßend. Scheinheilig betrügen sie ihre Ehepartner, alles im Namen der neu aufgekeimten Liebe. Er sagt, er hätte sich geändert und sie hat sich geändert. Schon bald weicht die Süße der Liebe dem schwarzen Schleim der Fehler. Seine Fehler treten immer stärker hervor, eskalieren und sie eskaliert mit. Unabdinglich führt eine Handlung zur nächsten, bis man nicht mehr weiß wo Anfang und Ende ist. Dabei bleibt der Film in Sachen Dramatik, bis auf die Momente der Eskalation, eher bescheiden, teilweise dümpelt die Handlung nur vor sich hin. 
                                    Doch Truffaut wäre nicht Truffaut, wenn er seine Geschichte nicht immer mit einem charmanten Satz oder einer fulminanten Wendung wieder hochziehen würde. Er zeigt uns eine der grausamsten Formen der Liebe. Die Form in der die Liebe ein Fehler ist, ein Gefühl, das man so schnell wie möglich verlieren soll. Verlieben tut man sich so leicht, aber entlieben nicht. Die beiden zerstören sich gegenseitig und niemand kann etwas dagegen tun. Die Liebe ist eine Naturgewalt und die Betonung liegt hier ganz klar auf Gewalt.
                                    Und wenn man denkt, es wäre nun vorbei und es gäbe ein Happy End, zieht Truffaut nochmal den Vorhang auf und bietet uns aus seiner Palette der tragischen Enden das wohl schlimmste und beste. Das Ende ist im Endeffekt das Wichtigste an "La Femme d'à côté" denn es zieht den Film noch ein Stückchen hoch in der Bewertungsskala, macht den Film zu etwas Besonderem und beschert mir einen dicken Klos im Hals. 

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                                      "Je déteste le peut-être"

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                                      Am Abend reden die beiden leicht verliebten Freundinnen über ihre Eroberungen und stellen dabei auch fest, dass die beiden Männer sich ziemlich ähnlich sind. Sie machen sich zurecht in ihrer Wohnung, die gespickt ist von Filmplakaten (Le film explique le drame et la fureur devivre de l'inoubliable), bekannten Musikstücken und anderen Anspielungen.
                                      Am nächsten Tag dann die Offenbarung: Tous les garçons s'appelent Patrick und sind ein und dieselbe Person.
                                      Natürlich bietet der schwarzweiße Kurzfilm von Godard keine wirklichen Offenbarungen, man könnte ihn fast nur für kurzweilige Unterhaltung (oh Graus!) halten, würde Godard das Ganze nicht so frisch, entlarvend und charmant inszenieren und schon zeigen, zu was er in der Zukunft fähig sein wird.

                                      http://planetofpictures.blogspot.com/2013/10/charlotte-et-veronique-ou-tous-les.html

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                                        „I remember sitting up there, blood on my knuckles, beer down my shirt, sick on my shoes and seeing the orange glow of a new dawn break and knowing in my heart life would never feel this good again. And you know what? It never did.“

                                        Es ist dieser Moment, wenn du merkst, dass all die Menschen, die du früher gekannt und geliebt oder gehasst hast, von der Gesellschaft zu leblosen Robotern erzogen wurden und nur noch vor sich hin leben, höflich, auf Gesetze achtend. Dieser Moment lässt deine Augen genauso groß werden wie dein Mund und du würdest weinen, wenn sie nicht vor dir stehen würden. Du riechst das Bier, den Toilettengeruch, all die Erinnerungen. Die Erinnerungen sind noch da, aber das auch nur, weil du da bist und dich erinnerst. Es sieht alles aus wie früher und auch irgendwie nicht. Scheiß auf die Sauberkeit, denkst du dir und wischt das blaue Blut an deiner Hose ab, fährst dir mit den Händen durch das Gesicht. Du wolltest diese Nacht nur symbolisch blau werden und nicht an der Nase. Du starrst sie an, aber sie starren dich nicht an, weil ihr Kopf in der anderen Ecke des Raums liegt. Dein Kopf schwirrt wegen dem Bier und nur ein Gedanke beherrscht deinen Kopf: What the Fuck?!

                                        „I fucking hate this town!“

                                        In Gary Kings Leben gab es bisher nur einen wirklichen Höhepunkt. Damals nach dem Abschluss die Kneipentour und dann das Liegen auf der Wiese nach dem Misserfolg. Er schwelgt nicht nur gerne in altmodisch getrimmten Bildern von jenem Abend, nein, er ist komplett in der Zeit stehen geblieben. Er läuft noch rum wie damals, ist erfolglos geblieben und hat nur einen Wunsch: die Kneipentour erfolgreich wiederholen.
                                        Nach einigem Bemühen und Notlügen hat er seine fünf Musketiere wieder beisammen: Oliver, Andrew, Peter, Steven und natürlich er, der einmalige Gary King.
                                        Nostalgie und Aufleben alter Zeiten schreit es aus jeder Pore seines von Drogen und Alkohol geprägten Gesichtes, doch seine Freunde sind alles andere als begeistert. Wer braucht schon die dummen Jugendjahre, wenn man Kind, Job und Geld hat.
                                        Leider ist mir nach dem wirklich herzerwärmenden, nostalgischen Auftakt genauso langweilig wie Garys Freunden. Der Abend schleppt sich hin, Enttäuschung macht sich langsam breit. Wo ist das Absurde? Wo ist das Blut? Warum war eben nach der Werbung der verdammte Eismann nicht da?
                                        Aber dann die Wendung auf dem Herrenklo: Die Blaublütigen Roboter greifen an! Endlich gewinnt der Film an fahrt und fängt mit dem an, was ich so sehr liebe an der Blood-and-Ice-Cream-Trilogy: Zitate, Absurdität und britischer Humor vom Feinsten und diesmal als extra: philosophische Fragen à la Was macht den Menschen aus? Können wir perfektioniert werden beziehungsweise sollen wir?
                                        All diese Fragen werden in meinem Lieblingsteil des Films gestellt. Nach der mehr oder weniger erfolgreichen Kneipentour steht Gary im Keller des „The World’s End“ und versucht mit Flüchen und einem leidenschaftlichen Plädoyer für die Menschheit, diese zu retten.
                                        Das gelingt ihm auch, aber leider mit verheerenden Folgen. Wieder sitzt er da und schaut seine kleine Stadt an. An was wird er sich in Zukunft erinnern? An den Abend in der Jugend oder an diesen? Es könnte alles so schön sein, aber dann macht der Film einen großen Fehler: Er geht weiter. Und zieht sich damit selber die Punkte und meine Stimmung herab.
                                        Die kaum vorhandenen Fehler in „Shaun of the Dead“ wuchsen in „Hot Fuzz“ langsam heran und wurden in „The World’s End“ erwachsen.
                                        Nichtsdestotrotz verehre ich im gesamten die Blood-and-Ice-Cream-Trilogy wegen ihrem absurden, britischen Humor und den wirklich fabelhaften Schauspielern. All die Fehler flattern weg, wie ein einsames stück Cornettoverpackung, wenn ich an diese Filme denke, die mir viele Lacher bescherten und die Action und Zitate nur um die Ohren fliegen liessen.

                                        „Hey it is our basic human right to be fuck ups. This civilization was founded on fuck ups and you know what? That makes me proud!“

                                        http://planetofpictures.blogspot.com/2013/10/the-worlds-end-gb-2013-edgar-wright.html

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                                          François Truffaut: Retrospektive #18

                                          "Le dernier Métro" (Die letzte Métro)

                                          Damals während Paris von den Deutschen besetzt wurde, gab es eine Sperrstunde und jeder Pariser musste die allerletzte Métro bekommen. Auch wenn diese nie eine offensichtliche Rolle spielt, schwebt sie doch sinnbildlich über allem. Sie ist ein Sinnbild für die Angst, den Schrecken, den Stress und die Unsicherheit der damaligen Zeit. Um dem Alltag zu entfliehen, nutzten die Menschen damals immer mehr das Kino und das Theater. Genau hier in dem Entspannungsort von Paris setzt Truffaut seine Geschichte an, die an sich ziemlich alltäglich ist, im Kontext der Zeit aber irgendwie auch nicht. Eigentlich handelt es sich nur um eine Theatergruppe, die ihr neues Stück organisiert und probt. Unglücklicherweise musste der Autor und Regisseur fliehen wegen seiner jüdischen Abstammung. Was niemand weiß ist, dass er nie geflohen ist. Er sitzt unten im Keller den ganzen Tag und wird abends, wenn alle gegangen sind, von seiner Frau gepflegt. Ein Künstler gefangen unter den Brettern, die die Welt bedeuten. Seine Frau führt ein Doppelleben. Unten ist sie die Ehefrau, oben ist sie die knallharte Theaterbesitzerin und Schauspielerin. Die männliche Hauptrolle spielt Bernard wiederum gespielt von Gérard Depardieu. 
                                          Ich mag es total, wenn Schauspieler spielen, dass sie schauspielern. Genauso wie ich die ganzen Zitierungen von Filmen und Büchern mag, die ja auch gewissermaßen ein Merkmal der vergangenen Nouvelle Vague waren. 
                                          Genauso wie "Fahrenheit 451" eine Ode an das Buch und "La Nuit Américaine" eine Ode an den Film ist, ist "Le dernier Métro" eine Ode an das Theater. Somit dürfte Truffaut seinen wahrscheinlich drei größten Leidenschaften Tribut erwiesen haben. 
                                          Auch wenn in der Geschichte selber nicht viel passiert und sie auch ihre Längen hat, ist sie doch durchdrungen von Leichtigkeit, weichen Chansons, Spannung und den tollen Schauspielleistungen. Und über allem schwebt die letzte Métro wie eine dauerblinkende Warnung. Ich hab schon gar keine Worte mehr, um Truffauts Inszenierung zu loben. Sein Stil ist so unverkennbar und die Liebe, die aus seinen Filmen strömt, strömt ohne Hindernis in mein Herz.
                                          Bemerkenswert fand ich wie das Theater mit der filmischen Realität zusammenlief. Truffaut gab nie ein Zeichen, dass die Leute gerade ihren Theatertext sprachen, ich merkte es immer erst, wenn sie fertig waren. Vor allem bei der letzten Szene war es doch eine wirklich so feine Überraschung, dass ich am liebsten mit in das Klatschen des Publikums gefallen wäre. 
                                          Ach, Truffaut, du bist so toll. Bei der DVD waren in den Extras auch der Zusammenschnitt der Césarverleihung, wo "Le dernier métro" viele Preise gewann. Als erstens zeigten sie die Verleihung des Preises für den besten Regisseur, den Truffaut 1981 gewann. Er kommt auf die Bühne, reisst erstmal einen Witz über den vorherigen Versprecher der Moderatorin und erzählt dann, ich zitiere mal frei, dass die Stimmung am Set angespannt gewesen wäre, wenn er gewusst hätte, dass der Film gut werden würde, wäre die Stimmung natürlich toll gewesen. Ist dieser Mann nicht einfach wunderbar? Ich wollte es nur mal gesagt haben.

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                                            Serien sind nur Zeitvertreib und kein wirklicher Vergleich zu Filmen. Zumindest kann ich mich erinnern das am Anfang von diesem Jahr gesagt zu haben. Es kommt mir vor wie aus einem anderen Leben.
                                            Natürlich hatte ich viel von dem Hype um diese Serie mitbekommen und wollte sie auch irgendwann mal sehen. Nur leider bin ich ein fauler und geiziger Mensch, weshalb ich mich nie in das spontane Vergnügen stürzte und einfach mal so eine Serienstaffel kaufte, egal wie gut sie angeblich doch ist. Und so hatte ich trotz den guten Reden und Willen noch nie eine Folge gesehen. Eines Tages Anfang Februar – und es ist wirklich erstaunlich, wie selbst auf einem so kurzen Zeitraum ein Ereignis so bedeutend erscheinen kann - saß ich mehr oder weniger gelangweilt rum und schlich im Internet herum. Und dann stand es da vor mir. Heute Abend fängt ein Sender an die erste Staffel von Breaking Bad zu senden und das nicht in ein paar Stunden, sondern in... 10 Minuten. So schnell lief ich noch nie die Treppe runter. Ich riss meinen Eltern die Fernbedienung aus den Händen und programmierte die Aufnahme. Sie schauten mich verwirrt an und ich selber war verwirrt darüber, warum mir so eine „schnöde“ Serie so wichtig war. Nach der ersten Folge wusste ich es. Im gemächlichen Fernsehtempo schaute ich die ersten drei Staffeln durch, erlitt einen Nervenzusammenbruch, als eines Abends zwei Folgen nicht aufgenommen worden waren, verliebte mich in Jesse und seine Sprache, begeisterte mich für die immer genialer werdende Handlung. Aber ich war noch lange nicht süchtig, erkannte ich in manch unmotivierten Momenten die Genialität einzelner Folgen nicht an. Doch dann kam der Cliffhanger der dritten Staffel und ich war perplex. Ich wollte weiter schauen, immer weiter, doch irgendwie lief es im Fernsehen nicht mehr weiter. Ich sehnte mich nach dem Intro, nach allem, was die Serie ausmachte. Also schloss ich meine geizigen Augen und kaufte mir die vierte Staffel. Die üblichen Schulprüfungen rauschten an mir vorbei und ich fing immer mehr an meinen Freunden von der Serie zu erzählen. Ich hielt mein Zeugnis in der einen Hand, die DvDs in der anderen und hatte die unendlich scheinenden Sommerferien vor mir liegen. 10 Tage später durfte man mich offiziell als süchtig bezeichnen. Das Wichtigste, was meiner Meinung nach Serien zu etwas Besonderem macht, ist das Intro. Und das Intro von Breaking Bad ist so einprägend, wohltuend, wie ein Sonnenaufgang nach einer dunklen Nacht. Ich hechelte auch die erste Hälfte der fünften Staffel durch und dann fing das Warten an.
                                            Auch wenn andere schon viel mehr und länger gewartet haben als ich, weil sie von Anfang an mitschauten, kann man nicht sagen, dass es dadurch kaum intensiv war. Schließlich wurde innerhalb einer kurzen Zeitspanne eine simple dreiviertel Stunde zu einem Teil meines Lebens, eine Konstante. Das ist, wie wenn man von einem Tag auf den nächsten seine große Liebe trifft, wenn ich mal schlechte Vergleiche ziehen darf.
                                            Endlich ging es weiter und die Serie wurde zu einer noch größeren Konstante in meinen Leben, wenn auch nur für acht Wochen. Ich nervte die Leute immer mehr mit meinem Geplapper über die Serie (komischerweise kennt die hier kaum einer) und konnte mir wegen oder gerade weil ich Anfang August die in einer anderen Weise ebenso geniale Serie Twin Peaks durchgesuchtet hatte, nicht vorstellen, dass ich jemals Serien uninteressant gefunden hatte.
                                            Und auch wenn ich es mir nie herbeigesehnt hatte, stand plötzlich die finale Folge vor der Tür. Ich platzte fast vor Vorfreude, war begierig nach allem was mit Breaking Bad zu tun hatte, wollte aber auch gleichzeitig meine Vorfreude auf ein normales Niveau dämpfen.
                                            Genauso wie ich vor etwa acht Monaten die Treppe runter gelaufen hatte, lief ich sie diesmal hoch und es ist immer noch ein Wunder, dass ich meinen Kaffee nicht fallen ließ. Zum allerletzten Mal lief der Vorspann, lief eine Folge, kam der verhasste schwarze Bildschirm. Und auch wenn ich jederzeit von vorne mit der Serie anfangen könnte... jeder weiß doch, dass es einfach nie mehr dasselbe sein wird. Aber die Auswirkungen von Breaking Bad auf mein Leben sind noch lange nicht vorbei. Morgens dachte ich immer noch über die Serie nach und im Chemieunterricht schrieb ich unter die auszufüllende Nomenklaturtabelle:
                                            BrBa = Breaking Bad.

                                            http://planetofpictures.blogspot.be/2013/10/das-beste-vom-besten-7-die-beste-serie.html

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                                              über Balance

                                              Die Welt ist doch eine Plattform, die nur von den darauf lebenden Personen im Gleichgewicht gehalten werden kann. Die Welt ist düster, einsam und hoffnungslos. Wenn einer einen Schritt geht, geht der andere auch einen Schritt. Sie schweigen, angeln, gehen, halten die Welt in Balance. Ich bekomme einen tristen Eindruck von dieser Gemeinschaft, doch es soll sich zeigen, dass es eigentlich das Bessere ist.
                                              Die Hoffnung kommt auf die Welt in Form einer roten Kiste, aus der fröhliche Musik dudelt. Plötzlich scheint jeder ein Ziel zu haben: die Kiste. Besitz. Neugierde. Neid. Hin und her rutscht die Kiste von einem zum anderen. Die Gemeinschaft ist verschwunden. Sie gehen nur noch, weil sie entweder die Kiste haben wollen oder nicht wollen, dass diese runterfällt.
                                              Die Egoisten sind geboren.
                                              Es scheint, als ob die aus der Kiste kommende Musik ein Tor zu einer anderen Welt ist, so erfüllend ist sie auf dieser einsamen Plattform. Doch es reicht nicht mehr, sich dem Egoismus folgend, abzuwechseln, nein, jetzt geht es um Sieg und Macht. Sie wollen nicht mehr teilen. Sie wollen haben. Es kommt zum Streit, der alsbald eskaliert und fast alle in den Tod reißt und die Hoffnung ferner da lässt, als sie es jemals vorher war.
                                              Der Egoismus siegt. Die Gemeinschaft verliert.
                                              Dabei war die Kiste nur etwas unbedeutendes und die Lösung so einfach. Aber sie symbolisierte den Besitz und hält unserer "Gesellschaft" damit einen riesigen Spiegel vor das Gesicht.
                                              "Balance" könnte als die Entwicklung des Menschen angesehen werden. Zuerst ein kleines Kind, das brav teilt, weil es ihm so beigebracht wurde. Dann entdeckt er die Welt, den Besitz, den Egoismus und verliert.
                                              Anders gesagt, "Balance" ist eine surreale Parabel über Egoismus und Gemeinschaft, über unser Leben, in dem wir tagtäglich versuchen irgendeine Balance zu halten.

                                              http://planetofpictures.blogspot.com/2013/10/balance-d-1989-christoph-lauenstein.html

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                                                "It's all right, Andy! It's just bolognaise!"

                                                Und sie hüpfen weiter munter über Gartenzäune. Nur, dass wir es diesmal nicht mit Zombies zu tun haben sondern mit waschechten, knallharten Polizisten. Oder so Ähnlich... „Hot Fuzz“ fängt an mit der „Beförderung“ des ehrgeizigen Polizisten Nicholas Angel. Er wird gegen seinen Willen in das „Dorf des Jahres“ Sandford versetzt, weil er durch seine überragenden Leistungen seine anderen Kollegen im schlechten Licht dastehen lässt. Missgelaunt tritt er den Job an und findet sich in einem Dorf wieder, dass vor lauter Einsamkeit und Langeweile anscheinend nur angehende Verrückte beherbergt. Auch sein Partner, Danny Butterman, ist alles andere als intelligent und schaut lieber hirnlose Actionstreifen und träumt von Verfolgungsjagden, anstatt wirklich ehrgeizig zu werden.
                                                Der erste Fall der Beiden ist sehr elegant und tritt in Form eines entflohenen Schwans auf. Dabei stoßen sie auf eine riesige Sammlung Waffen bei einem Bauern und wenn sich Nicholas nicht schon vorher dieser Tatsache bewusst war, dann denkt er sich spätestens jetzt: Die haben sie doch nicht mehr alle...
                                                Es geht weiter zu Verkehrskontrollen, schlechten Theateraufführungen, Abende in Pubs, Morde,... Morde?
                                                Plötzlich wird das Dorf von einem grausamen Autounfall erschüttert, bei dem die zwei Hauptdarsteller des Theaters tödlich verunglücken. Doch im Gegensatz zu seinen dörflichen Kollegen ist Nicholas nicht auf den Kopf gefallen und erkennt sofort: Das ist Mord!
                                                Nur will ihm leider keiner glauben. Selbst als weitere „Unfälle“ passieren, wird er verspottet. Schließlich ist man hier nicht in London, sondern auf dem Land.
                                                Die Lästerei hält ihn aber nicht davon ab, weiter zu forschen, wobei ihm sein immer sympathischer werdender Partner Danny stets zur Seite steht. Schon bald kommen sie dem grausameren Dorfgeheimnis auf die Spur...

                                                „Hot Fuzz“ hält sich die erste Hälfte lang auf demselben Niveau wie „Shaun of the Dead“. Zwar reizt mich ein Polizist nicht so sehr wie ein Zombie, dennoch ist der Film wieder gespickt von Anspielungen, Zitaten und so weiter, die man noch nicht mal alle verstehen muss, weil sie schon so witzig genug sind.
                                                Besonders gefiel mir die Darstellung der Dorfleute. Diese sind allesamt individuell schrullig dargestellt und irgendwie hab ich sie sofort gerne, auch wenn sie nicht alle so unschuldig sind, wie sie scheinen.
                                                „Hot Fuzz“ könnte also locker mit seinem Trilogievorgänger mithalten, wäre da nicht die zweite Hälfte. Diese ist leider so vollgestopft mit Action, Twists und unnötigen Szenen, dass mir das Absurde langsam zu viel wird und mich langweilt.
                                                Wobei ich denke, dass Actionfans hiermit mehr anfangen können als mit den „lahmen“ Zombies, aber mir war das im Endeffekt zu viel.
                                                Es bleibt immer noch die starke erste Hälfte und so ist „Hot Fuzz“ eine ebenso sehenswerte Parodie mit ganz viel Blut und Eiscreme und ein paar Schwächen.

                                                http://planetofpictures.blogspot.com/2013/09/hot-fuzz-gb-2007-edgar-wright.html

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                                                  François Truffaut: Retrospektive #17

                                                  "L'amour en fuite" (Liebe auf der Flucht)

                                                  Au revoir, Antoine.
                                                  Ich weiß noch, wie du damals in zarten Jahren in der Schule saßt, wie du allerlei Schabernack triebst, bis man ihn dir austrieb. Du hattest nicht die schönste Kindheit von allen, wurdest in meinen Augen aber ein schöner Mann. Du liebtest Colette, du liebtest Christine und du liebtest Sabine. Oder liebst sie immer noch, das weiß man ja bei dir nie so genau. Ich weiß noch, als du im Plattenladen arbeitest. Ich weiß noch, wie gut du dich mit den Eltern verstandest und die Zeit als Privatdetektiv war irgendwie ziemlich aufregend. Du gingst mit großen und kleinen Frauen aus, aber geliebt hast du meist nur die braven. Vielleicht suchtest du dein Gegenstück, weil brav warst du ja nie. Du hast betrogen, gelogen, verdreht und bist geflüchtet, stehengeblieben und nachgelaufen. Ich weiß noch wie du aussiehst, wenn du wütend bist, der Zorn funkelt in deinen Augen. Deine Hand, wenn sie einen Liebesbrief zerknüllt. Du liest und du schreibst und dein Haar ist lang. 
                                                  Wo sind die alten Zeiten hin? Deine Kindheit, deine Jugend, all das. Verewigt auf Fotos - für ewig? Fotos können zereissen. Ich werde sie aufheben und zusammenkleben. Jetzt im Abspann sehe ich die eine Szene, in diesem Drehding wo man seine Schwerkraft verliert, und es kommt mir vor wie gestern, als ich dich Milch klauen sah, Schreibmaschinen. Sie klauten dir deine Freiheit und du nahmst sie dir wieder. Dabei hast du etwas verloren - aber es macht dich zu dem was du bist. Du bist Antoine Doinel. Antoine Doinel. Antoine Doinel. Antoine Doinel. Antoine Doinel. Antoine Doinel. Antoine Doinel. Antoine Doinel. Antoine Doinel. Antoine Doinel. Antoine Doinel. Antoine Doinel. Antoine Doinel.
                                                  François Truffaut hat dich erschaffen. Er wollte seine Kindheit verarbeiten. Seinen Schmerz, seine Träume, alles was das Leben ausmacht. Doch warst du anfangs bloß ein Sinnbild, ein Pseudonym, wurdest du freier und freier, du wurdest lebendig. Du bist keiner von diesen Charakteren, die ein Regisseur mit ein paar Stichworten entwirft. Du bist lebendig. Natürlich nicht in der realen Welt, aber im Film bist du es. Ich werde dich nie Protagonist, Hauptperson oder "der da" nennen, denn du bist Antoine Doinel. Du hast Stärken. Du hast Schwächen. Du bist ein Mensch. Nicht wie jeder andere, aber wer ist das schon? 
                                                  Selbst wenn Truffaut nur diesen Zyklus gemacht hätte, ich wäre ihm endlos dankbar. Er hat der Welt Antoine Doinel geschenkt - die lebendigste Filmfigur, die je über die Leinwand stolperte. Der Schauspieler, der vorgibt dich zu spielen? Pah, der sieht doch nur so aus wie du. Du bist da irgendwo in den Ecken aller Kinoleinwände, die dein Gesicht zeigten voller Stolz. Irgendwo in der weiten Filmwelt. Wie ist es da eigentlich so? Habt ihr Flugzeuge mit denen ihr von Paris nach New York fliegen könnt? Oder bloß eine Métro? Ich hoffe ihr seid nicht gefangen. Gefangen sein ist doof. 
                                                  Aber ich weiß ja, wie Truffaut sagte "Es musste ein Happy End sein". Ich weiß, du bist glücklich da irgendwo und das macht mich auch glücklich. Ich habe dich immer noch auf Bildern, auf bewegten Bildern, auf der schönsten DVD-Box der Welt und ich werde dich für immer bei mir tragen.
                                                  Au revoir, Antoine. Au revoir.

                                                  "Caresses photographiées sur ma peau sensible. On peut tout jeter les instants, les photos, c'est libre. Y a toujours le papier collant transparent pour remettre au carré tous ces tourments."

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                                                    Danke ♥

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