Chainsaw Charlie - Kommentare

Alle Kommentare von Chainsaw Charlie

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    Evelyn Glennie ist eine Schottin, deren Interesse an der Musik in den Schwingungen liegt, die sie erzeugt. Sie ist von Beruf Schlagzeugerin und liebt es, Musik zu machen, indem sie ungewöhnliche Gegenstände gegen andere unübliche Gegenstände schlägt. Wenn sie ein riesiges deutsches Lagerhaus betritt, das ihr als Aufnahmestudio dienen soll, zieht sie als erstes ihren Schuh aus und schlägt ihn gegen ein Geländer. Evelyn, die in Thomas Riedelsheimers Dokumentarfilm "Touch the Sound" zu sehen ist, gehört zu den freigeistigen Bohemiens mit einer Vorliebe für öffentliche Auftritte wie das Spielen einer kleinen Trommel mitten in der Grand Central Station. Im Lagerhaus nehmen sie und der Musiker Fred Frith eine CD mit improvisierter Musik auf, die die beiden hauptsächlich mit Hilfe von Nichtinstrumenten spielen. Doch bisher kann ich mit Evelyns New-Age-Flair nicht viel anfangen. Sie macht den Eindruck, als würde sie am Samstag an einem Stand auf der Flohmarktbörse handgemachten Schmuck verkaufen und den Rest der Woche vielleicht in einem Hanfshop arbeiten. Dann enthüllt "Touch the Sound" eine entscheidende Information: Sie ist taub. Sie hat in ihrer Kindheit den größten Teil ihres Hörvermögens verloren und kommt nun mit dem winzigen Rest ihres Gehörs, ihren fast überirdischen Lippenlesefähigkeiten und ihrer unheimlichen Gabe, die Vibrationen von Gegenständen zu spüren, zurecht. Ich fühle den Klang durch meinen Körper, sagt sie. Hohe Töne erzeugen andere Schwingungen als tiefe Töne. Daher kann sie die beiden Klänge zwar nicht hören, aber sie kann den Unterschied wahrnehmen, spüren, welche Klangfarben zusammen eine angenehme Harmonie ergeben, und damit auf dem Xylophon klangvolle Musik spielen. Sie kann es nicht wirklich besser erklären, aber sie weist darauf hin, dass auch hörende Menschen nicht wirklich erklären können, wie sie hören. "Touch the Sound" wird nun viel attraktiver. Es ist nicht mehr die Geschichte einer Hippiebraut, die an einer Straßenecke Trommel spielt, sondern die Geschichte einer gehörlosen Frau, die auch Musikerin ist! Der Neugierfaktor steigt um mehr als das Tausendfache. Regisseur Thomas Riedelsheimer begleitet Evelyn Glennie durch die ganze Welt, wenn sie an Jamsessions mit improvisierenden Musikern in Japan teilnimmt, den Bauernhof ihrer Kindheit in Schottland besucht und das Album mit Fred Frith in Köln aufnimmt. Bei all dem zeigt er häufig lange Aufnahmen der Umgebung. Straßen in New York, ein plätschernder Teich, wobei er deren Umgebungsgeräusche einfängt und ihre natürlichen Rhythmen hervortreten lässt. Auf diese Weise bekommt "Touch the Sound" eine träumerische, drogenartige Note, und man wird entweder zufrieden mit ihm mitsegeln oder auf halbem Weg denken, dass der Film vielleicht viel kürzer hätte sein können und seine Punkte genauso gut gemacht hätte.

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      Chainsaw Charlie 25.12.2021, 23:58 Geändert 26.12.2021, 00:44
      über Yara

      Vor etwas mehr als 10 Jahren verschwand die 13-jährige Yara Gambirasio auf dem Heimweg vom Fitnessstudio. Drei Monate später wurde ihre Leiche gefunden, und das Mysterium ihres Verschwindens und brutalen Mordes beschäftigte Italien. Das italienische Kriminaldrama "Yara" von Regisseur Marco Tullio Giordana, erzählt die tragische Geschichte von Yara und der resoluten Ermittlerin, die bereit war, alles zu tun, um ihren Mörder zur Rechenschaft zu ziehen. Ein Mann fliegt mit einem Modellflugzeug über leere Äcker. Nachdem sein Fluggerät abgestürzt ist, will er es bergen und macht dabei eine grauenerregende Entdeckung. Die vermoderte Leiche eines jungen Mädchens. Schließlich erhält die Protagonistin den Anruf, auf den sie so lange gewartet hat. Es ist die leitende Ermittlerin Letizia Ruggeri (Isabella Ragonese), die nach der 13-jährigen Yara Gambirasio sucht, seit sie vor drei Monaten auf dem Heimweg vom Fitnesscenter verschwand. Durch Rückblicke, die mit Yaras Entführung einsetzen und die Ermittlungen von Ruggeri begleiten, erfahren wir, wie tief dieser Fall Italien geschockt hat und wie weit die Ermittlerin bereit war zu gehen, um die Wahrheit heraus zu finden. Ihre Besessenheit von dem Fall belastet Ruggeris Beziehung zu ihrer Tochter, doch sie kann ihn nicht aufgeben, vor allem nicht nachdem sie eine Beziehung zu Yaras Eltern aufgebaut hat. Während die Behörden versuchen, herauszufinden, wer Yara ermordet hat, beginnt der Fall mit dem Aufbau einer DNA-Datenbank, um den Schuldigen zu finden. Es ist ein komplizierter Vorgang, der Jahre der Frustration in Sackgassen und die Verbesserung der wissenschaftlichen Technologie erfordert. Sie erhalten vielleicht nie alle Antworten, die sie sich wünschen, aber am Schluss kann der Gerechtigkeit Genüge getan werden. "Yara" gehört im Grunde Isabella Ragonese. Ohne sie funktioniert der Film einfach nicht. Isabella Ragonese verleiht dem, was manche als typische, besessene Ermittlerin sehen, Leben, aber sie ehrt auch die echte Frau, die sie verkörpert. Sie ist die ideale Anführerin in diesem erschütternden Mordfall und nimmt uns mit auf die Jagd nach der richtigen Wahrheit, selbst wenn dies auf Kosten ihres eigenen Wohlergehens geht. Sie ist eine dezente Performerin, die einen Großteil der Rolle mit ihren Blicken und ihrer physischen Präsenz spielt, anstatt sich in Monologen oder theatralischen Dialogen zu verfangen. Sie bewegt sich mühelos vom ersten Geheimnis von "Yara" zum gerichtlichen Konflikt und verleiht dem Film ein Gefühl von Zusammenhalt und Geschlossenheit, wo er sonst ein wenig uneben sein könnte. Angesichts einer Laufzeit von nur 96 Minuten verschwendet "Yara" keine Zeit mit langwierigen Erklärungen oder sentimentalen Bemühungen, uns in das Opfer zu vertiefen. Ich hatte die Bedenken, dass "Yara" diese tragische wahre Begebenheit ausnutzen und übertreiben würde, aber der Respekt vor den Menschen, die an diesem Projekt beteiligt waren, ist so spürbar. Dank der äußerst kompetenten Regie und der bewegenden Darstellungen können auch jene von uns, die mit dem Fall nicht vertraut sind, begreifen, wie bedeutsam diese Tragödie in Italien war und warum sie die ganze Bevölkerung ergriffen hat. In Krimis sehen wir oft, wie die Ermittler den Fall innerhalb von wenigen Tagen lösen, selbst in Verfilmungen, die auf einer wahren Begebenheit beruhen, aber hier werden wir zu Zeugen, wie mühevoll und schleppend diese Art von Ermittlungsarbeit sein kann. So wie es Jahre dauerte, den Golden State Killer mit DNA-Beweisen zu fassen, brauchte auch Yaras Fall Jahre der Anstrengung und des Sammelns von Spuren. Das mag nicht nach großem Kino tönen, aber "Yara" macht daraus ein effektives langsames Drama, selbst mit seiner geringen Dauer. "Yara" ist eine Mischung aus Kriminalfilm und Justizdrama mit einigen ausgeprägten Schwerpunkten, ohne dabei jemals überstürzt oder banal zu wirken. Wir bekommen das ganze Ausmaß des interpersonellen Dramas von Letizia und Yaras Familie zu sehen, den Nervenkitzel dessen, was Yara tatsächlich zugestoßen ist, und den hohen Stellenwert, der damit einhergeht, ihren potenziellen Mörder im Gerichtssaal endlich vor den Richter zu bringen. "Yara" verfolgt einen ernsten tonalen Anspruch an seine Gesamtheit, und genau das macht den Reiz des Films aus, und zwar von der ersten Einstellung an. "Yara" gelingt es überraschend leicht, die betroffenen Individuen zu achten und ein packendes Drama zu schaffen, das belegt, dass man seine Motive nicht ausbeuten muss, um etwas Unterhaltsames zu gestalten. "Yara" ist bestimmt nicht der aufbauendste unter den Kriminalfilmen, aber wahre Schicksale wie dieses bescheren uns selten das Happy End, nach dem wir alle verlangen.

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        Chainsaw Charlie 25.12.2021, 21:47 Geändert 25.12.2021, 22:07

        Ein Mädchen, das an der Schwelle zur Frau steht, muss sich in "Die Unerzogenen" von Regisseurin Pia Marais mit ihren unverantwortlichen, drogensüchtigen Eltern auseinandersetzen. "Die Unerzogenen" ist ein komplexes und etwas gegenläufiges Werk zwischen Humanismus und den hässlichen Reflexionen, die sich daraus ergeben können, und genau da fühlt sich die Regisseurin überfordert. Eine sichere Arbeit, die die Figuren als menschliche Wesen und ihre Situationen als Beweis für die Untiefen des Lebens behandelt. Das Klientel für eine solch bittere Pille wird klein sein, aber es ist kein übermäßig anstrengender Film, aber einer, der schwer anzuschauen sein kann, wenn man sonnige Äußerlichkeiten schätzt. Das Externe und das Interieur von "Die Unerzogenen" sind eher rau als glatt. Die Protagonistin von "Die Unerzogenen" ist die vierzehnjährige Stevie (Ceci Schmitz-Chuh), die sich eindeutig in einer Übergangsphase zwischen Kind und junger Erwachsener befindet. Der Drogenhandel ihrer Eltern hat zu einem verständlichen Mangel an Stabilität in Stevies Erziehung geführt. Sie musste bereits auf dem ganzen Kontinent umherziehen und wurde einer angemessenen Allgemeinbildung beraubt. "Die Unerzogenen" beginnt mehr oder weniger damit, dass ihr Vater (Birol Ünel) nach einem Gefängnisaufenthalt zur Familie zurückkehrt und sie mit einigen Mitläufern in einem Haus in Deutschland leben, das ihre Mutter (Pascale Schiller) geerbt hat. Stevie trägt die Last der Verantwortung auf ihren schmalen Schultern und wünscht sich Grenzen, wo es keine gibt. Die Menschen um sie herum bieten ihr Alkohol und Drogen an, anstatt sie zu ermutigen. Da sie nicht zur Schule geht, ist es anfangs schwierig, Freunde zu finden, aber als eine Gruppe von Jugendlichen auftaucht, hat Stevie das Bedürfnis, über ihre Eltern zu fabulieren. Entweder aus Verlegenheit oder aus Beschämung erfindet sie einen Botschafterposten in Brasilien für ihren Vater. Die notwendige Unbeholfenheit der Heranwachsenden, die nie besser zum Ausdruck kommt als in den Szenen zwischen Stevie und dem viel älteren Freund ihrer Eltern, Ingmar (Georg Friedrich), kommt so behutsam wie möglich rüber. Der Sprung von einem Ereignis zum nächsten ohne Vorwarnung oder Erklärung kann auf eine redaktionelle Entscheidung der Regisseurin zurückgeführt werden, erinnert aber auch daran, wie ein Kind wie Stevie von seinen Eltern nur kleine Informationsbröckchen erfährt, bevor von ihm erwartet wird, dass es sofort handelt, ohne die Gesamtheit der Situation zu kennen. Der Betrachter wird genauso in Situationen hineingeworfen wie unsere Hauptfigur. Pia Marais erzählt die Geschichte im Wesentlichen aus ihrer Perspektive und wahrt diese Distanz zu jeder Art von linearer Erwartungshaltung. Die Dinge passieren zwar der Reihe nach, aber nicht ohne Brüche. In gewisser Weise ist es irritierend, nicht in die scheinbar wichtigen Teile der Handlung eingeweiht zu sein. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass diese leichten Bruchstellen der Natur des Stücks dienen. Die Geschichte ist weniger wichtig als die Reaktionen der Figuren, und diese werden zum Grundgerüst einer unangenehmen Erfahrung. "Die Unerzogenen" ist eine unbefangene Coming-of-Age-Geschichte inmitten von unnötiger Unruhe. Falls man die elterliche Vernachlässigung nicht überwinden kann, wird man vermutlich nicht in der Lage sein, die Frequenz der Geschichte zu verstehen. Regisseurin Pia Marais will nicht, dass man Taten verurteilt, die dennoch fast unverzeihlich erscheinen. Vielleicht ist das ihr Verdienst, vielleicht ist es aber auch ausgesprochen gutgläubig. Wir haben nichts zu sagen, wir sind nur Beobachter. Ich fand Stevies Situation so verstörend, dass sie meine Bewertung des Films leicht beeinträchtigt hat. Es gibt jedoch keinen Anlass zu der Annahme, dass alle Menschen die gleichen Schwierigkeiten haben, und mein Gesamteindruck kann als äußerst positiv betrachtet werden. Er ritzt einen Punkt des Kinos an, der zu oft zugunsten von leichter Sympathie ignoriert wird. "Die Unerzogenen" wollen nicht genossen, sondern verstanden werden. Sie verlangen Geduld, und die haben sie verdient.

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          Chainsaw Charlie 25.12.2021, 18:28 Geändert 25.12.2021, 19:02

          "Porträt einer jungen Frau in Flammen" von der französischen Regisseurin Céline Sciamma ist ein fieberhafter Traum im Zeichen des Feuers. Es gibt kaum einen Moment in "Porträt einer jungen Frau in Flammen", den man nicht einfangen, montieren und als hohe Kunst an die Wand hängen könnte. So visuell beeindruckend ist der Film. Auch wenn die Inszenierung manchmal eher einem exquisiten Gemälde als einem vollendeten filmischen Werk gleicht, ist es fast unmöglich, ihr als reinem Filmerlebnis zu widerstehen. Eine lesbische Liebesgeschichte aus dem 18. Jahrhundert, die fast ausschließlich in einer abgelegenen Villa am Meer spielt, mit vielen meditativen Dialogen und nahezu keiner erwähnenswerten Männerrolle. Noémie Merlant ist Marianne, eine Künstlerin, die geschickt wird, um das Bildnis von Héloïse (Adèle Haenel) für ein Hochzeitsporträt zu malen. Der Haken an der Sache ist, dass Héloïse, die sich noch immer vom Selbstmord ihrer Schwester und einem langen Aufenthalt in einem Kloster erholt, nicht weiß, was der eigentliche Zweck ihres Besuchs ist. Stattdessen glaubt sie, dass Marianne ihre Begleiterin ist, eine Art Freundin und Anstandsdame, die von ihrer Mutter (Valeria Golino) als Gesellschaft für ihre zerbrechliche Rekonvaleszenz angeheuert wurde. Als eine zaghafte Freundschaft zwischen den beiden jungen Frauen aufkeimt und sich zu mehr entwickelt, macht Héloïse klar, dass sie lieber ins Kloster zurückkehren möchte, als mit einem Mailänder Adligen verheiratet zu werden, den sie nicht einmal kennt. Oder gibt es eine dritte Möglichkeit, die zwischen dem Kloster und einer trostlosen Ehe liegt? "Porträt einer jungen Frau in Flammen" ist größtenteils eine Episodengeschichte, die jedoch für die Handlung kaum relevant ist. Lange, gemütliche Nachmittage mit Kartenspiele. Ein mitternächtliches Lagerfeuer, das in einer Art fleischlicher choraler Ekstase ausbricht. Ein medizinischer Eingriff zu Hause, den Regisseurin Céline Sciamma wie ein Renaissancegemälde belichtet. Die beiden Hauptdarstellerinnen von "Portrait einer jungen Frau in Flammen" sehen unbestreitbar aus wie französische Filmstars, und das sind sie auch. Was sie in ihren intensiven, zärtlichen Darbietungen zeigen, ist weit mehr als bloße Schönheit. Gemeinsam sind sie die Flamme im Zentrum des Films. Haben alle Liebenden das Gefühl, dass sie etwas erfinden? fragt Héloïse und streicht mit ihren Fingern über Mariannes Lippen. Natürlich tun sie das, und irgendwie macht der Glaube es wahr.

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            Chainsaw Charlie 25.12.2021, 14:22 Geändert 26.12.2021, 01:01

            "Sofia's last Ambulance" ist ein Dokumentarfilm des bulgarischen Regisseurs Ilian Metev. Der Film begleitet ein Team von drei Rettungssanitätern über einen Zeitraum von zwei Jahren beim verrichten ihrer Tätigkeit. In Sofia ist ihr Fahrzeug nicht wortwörtlich das letzte, aber es gibt nur etwa ein Dutzend Krankenwagen, die die bulgarische Hauptstadt, die 15. größte in der Europäischen Union, mit einer geschätzten Bevölkerung von 2 Millionen Einwohnern versorgen. Dies ist eines der vielen desaströsen Auswirkungen der Wiedereinführung des Kapitalismus der freien Marktwirtschaft in Osteuropa in den 90er Jahren und der daraus resultierenden Einsparungen bei den sozialen Dienstleistungen. Bei dem Trio handelt es sich um Dr. Krassimir Yordanov, der seit einem Vierteljahrhundert im Rettungsdienst beschäftigt ist, die Krankenschwester Mila Mikhailova und den Rettungswagenfahrer Plamen Slavkov. Die Kamera folgt Yordanov und Mikhailova bei der Behandlung von Kranken und Verletzten an Arbeitsplätzen, in Mietskasernen und verwahrlosten Vorstädten. Krassi, wie der Doktor genannt wird, hat weißes Haar, eine Brille und ein besorgtes, faltiges Gesicht. Gelegentlich seufzt er, aber er macht seine Arbeit unermüdlich und professionell weiter. Mila Mikhailova ist die aufgeschlossenste unter ihnen. Sie redet am häufigsten, sie schimpft und sie ist besorgt über ihre Kollegen bei der Arbeit. Ein kleines Mädchen liegt im Krankenwagen, ein Schrank ist auf sie gefallen. Mikhailova spricht ganz sanft mit ihr, wie sie es auch mit ihrem eigenen Kind am Handy tut. Das Team wird gerufen, als eine Leiche gefunden wird, die teilweise verwest ist und aus deren geplatztem Augentumor Würmer herauskrabbeln. Yordanov spricht mit einem Drogenabhängigen, dessen fünf Freunde bereits gestorben sind und der sich Müll injiziert, der mit Pferdetranquilizer und Backsteinen vermischt ist. Eine schwangere Frau hat versucht, abzutreiben, indem sie etwas geschluckt hat. In einem anderen Fall trifft der Krankenwagen erst nach vier Stunden ein. Der Patient ist bereits tot, wird ihnen von traurigen Angehörigen mitgeteilt. Vor allem aber gibt es zu viel an Arbeit, zu wenig Lohn und eine absurde und ineffiziente Bürokratie. Schätzungsweise 1.200 Krankenschwestern verlassen das Balkanland jedes Jahr. Mit dreizehn Rettungswagen, in einer Stadt mit 2 Millionen Einwohnern. Ein Sozialverbrechen. So können europäische Großbanken entschädigt werden und florieren. In Bulgarien, dem ärmsten Land der Europäischen Union, haben sich seit Anfang 2013 sechs Menschen selbst in Brand gesetzt, um gegen das soziale Unrecht zu protestieren. Ein amerikanischer Fernsehsender berichtete Anfang Mai, Dimitar Dimitrov wolle nicht nur sterben. Er wollte sich für sein Land opfern. Am 13. März verließ der arbeitslose 53-Jährige seine Wohnung in der Hauptstadt Sofia und machte sich auf den Weg zum Präsidialamt im Zentrum der Stadt. Dort angekommen, übergoss er sich mit Benzin und steckte sich selbst in Brand. Er überlebte trotz der furchtbaren Schmerzen und nach mehreren operativen Eingriffen. In der Stadt Radnevo hat sich Vechislav Arsenov, ebenfalls 53 Jahre alt und arbeitslos, selbst angesteckt, nachdem er keine Sozialhilfe mehr erhalten hatte. An dem Tag, an dem er sterben sollte, rief Arsenov jedes seiner fünf erwachsenen Kinder an, um ihnen mitzuteilen, dass es ihm leid täte, was er im Begriff sei zu tun. Dann ging er zum Büro des Bürgermeisters, um ihn um Geld zu bitten. Er bestand darauf, dass der Bürgermeister zu ihm kam und mit ihm sprach, und rief den Empfangsdamen zu, dass er ein Streichholz anzünden würde, wenn man ihn nicht zu einem Gespräch brächte. Wir waren verzweifelt, erklärt sein Sohn Txumir. Sein Vater hatte kürzlich seine Arbeit verloren. Sie konnten ihre Rechnungen und Schulden nicht bezahlen, und er konnte sich keine Lebensmittel leisten. Der amerikanische TV-Sender berichtet weiter, dass Txumir nun versucht, seine verarmte Familie am Leben zu erhalten. Er ist ebenfalls arbeitslos und ist auf einen Sommerjob als Farmarbeiter angewiesen. Elf Familienmitglieder, sechs Kinder und fünf Erwachsene, teilen sich die Zweizimmerwohnung von Txumir. In "Sofia's last Ambulance" konzentriert sich Regisseur Ilian Metev auf die Gesichter von Yordanov, Mikhailova und Slavkov. Entweder aus Respekt vor der Privatsphäre der Behandelten oder aus dem Wunsch heraus, Sensationslust zu vermeiden, sehen wir die Patienten und Betroffenen nie direkt ins Gesicht.

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              Chainsaw Charlie 24.12.2021, 13:35 Geändert 25.12.2021, 03:05

              SPOILERS!

              "Scare Campaign" von den Regisseuren Cameron Cairnes und Colin Cairnes will unbedingt der König aller Twist-Horrorthriller sein, aber am Ende ist es ein großer Haufen vorhersehbarer Scheiße. Sicher ist nicht alles vorhersehbar, aber die drei wichtigsten Plot-Twists waren allesamt Fehlschläge. Vor allem, weil der Autor so blöd war, sie Minuten oder sogar Jahre im Voraus anzukündigen. Bereits in den ersten 10 Minuten, genauer gesagt in der Szene im Sitzungssaal, werden uns ein oder zwei Wendungen angekündigt. Natürlich war klar, dass der Handlanger die Freundin des Produzenten sein würde, und natürlich würde das mysteriöse Snuff-Team in das Filmset eindringen. Die einzige Wendung, die nicht eintrat, war, dass der ehrgeizige, durch plastische Chirurgie entstellte TV-Manager nicht Teil des Betrugs war: Das hätte viel mehr Sinn ergeben als das, was tatsächlich geschah. Auch die dritte Wende war nicht unbedingt von vorneherein erkennbar, wurde aber einige Momente vor der Enthüllung sehr deutlich. Dass sie sich im Fluchtauto ausruht, war zu offensichtlich, ein Zeichen für ein schlechtes Drehbuch und eine schlechte Regie. Daher war die große Enthüllung in der Verbrennungsanlage, nur wenige Minuten später, total schwachsinnig. Ich sprach zum Bildschirm: "Ich bin dir weit voraus, du dämlicher Film!" Außerdem woher wusste das Snuff-Team, dass sie eine Woche zuvor gecastet werden würde? Um sie als Maulwurf zu benutzen, hätten sie im Voraus wissen müssen, dass sie überhaupt eingestellt werden würde, was nicht einmal sie wissen konnten. Weit hergeholtes schweizerisches Käseskript. Diese unwissenden Millennials könnten ein oder zwei Dinge von Agatha Christie lernen. Allerdings stammt sie aus einer viel intelligenteren und bodenständigeren Generation, es gibt also keinen Vergleich. Aber das macht nichts, ich kann "Scare Campaign" sogar seine Lahmheit und Vorhersehbarkeit verzeihen. Was mich ärgert, ist der Mangel an Realitätssinn. Dass eine Snuff-Organisation im Untergrund tatsächlich existiert und damit durchkommt, öffentlich und für alle sichtbar, ist einfach unfassbar. Oder macht die australische Polizei vielleicht gar nicht Jagd auf sie? Vielleicht wurde Mord in Australien bereits 2016 legalisiert? Der Produzent der Sendung reagiert kaum darauf, dass der Schauspieler mit einem Arbeitsgerät aufgespießt wird. Anstatt Entsetzen und Schock zu zeigen, kann sich der Produzent ein Grinsen nicht verkneifen. Das ist selbst für eine Komödie völlig unrealistisch und stumpfsinnig. Ganz zu schweigen davon, dass dieser Produzent von einem miserablen Schauspieler dargestellt wird. Sein gesamtes Verhalten ist katastrophal. Wie reagiert er darauf, lebendig eingeäschert zu werden? Kaum der Rede wert. Ich habe schon Leute gesehen, die mehr Konsternation und Emotionen zeigten, wenn sie stundenlang in einer Schlange warten mussten. Die verliebte Handlangerin und der Filmproduzent gehen tatsächlich zurück zum Gebäude, um nach Überlebenden zu suchen. Wer, der bei klarem Verstand ist, würde versuchen, Kollegen zu retten, während er von einer großen, gut organisierten, schwer bewaffneten, terroristischen Gruppe von mordlustigen Geisteskranken angegriffen wird? Welche Chance hätten sie denn? Pech gehabt. Die natürliche Konsequenz wäre, mit großer Geschwindigkeit zu fliehen und dann die Polizei zu rufen. Zugegeben, wir wissen nicht, ob die Polizei geholfen hätte, wenn man bedenkt, dass sadistische, wahllose Morde in Down Under im Jahr 2016 vielleicht schon legalisiert wurden. An diesem Punkt versuchte "Scare Campaign" nicht einmal mehr, halbwegs logisch zu sein. Er fing an, die Zuschauer wie Narren zu behandeln. Da wir gerade von Polizisten sprechen: Die letzte Szene ist grottenschlecht. Ein gewöhnliches kopfloses Ende, das von einem ratlosen Autor mit null Fantasie geschrieben wurde. Es klärt nichts auf, dient keinem Zweck, zumindest nicht in Hinblick auf das Ende eines Filmes. Es ist fast so, als wären ihnen die Filmspulen ausgegangen, und sie hätten beschlossen, einfach Schluss zu machen. Sollen wir neugierig sein, was als Nächstes passieren könnte? Damit wir neugierig werden, muss der Film sein Potenzial erfüllen, solange er noch läuft. Das hat er eindeutig nicht getan. Sie hätten zu diesem Zeitpunkt auch dreiköpfige Tanzbären auftischen können, es hätte keinen Unterschied gemacht. "Scare Campaign" hatte ein gewisses Maß an Möglichkeiten, aber einige fragwürdige Darbietungen und vor allem der minderwertige Drehbuchentwurf haben es zum Scheitern verdammt.

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                Chainsaw Charlie 23.12.2021, 16:25 Geändert 23.12.2021, 17:33

                "Jungle Cruise" von Regisseur Jaume Collet-Serra ist ein liebenswerter, unkomplizierter Abenteuerfilm im traditionellen Stil. Dwayne Johnson ist sympathisch, aber es ist Emily Blunt, die die herausragende Figur ist. Es ist ihr Verdienst und von den Drehbuchautoren, dass sie am Ende die wohl lebendigste und glaubwürdigste Protagonistin ist, eine unaufhaltsame Kraft und verletzlich zugleich. Die Romanze zwischen den beiden Hauptdarstellern, die zwar nur angedeutet, aber nicht ganz realisiert wird, fühlt sich in ihrer Präsentation ein wenig aufgesetzt an, vor allem angesichts der Beschaffenheit der Geschichte. Aber beide sind so liebenswürdig, dass es niemanden wirklich kümmern wird. Das größte Übel ist wahrscheinlich die Tatsache, dass "Jungle Cruise" inhärente und zweifellos beabsichtigte Grenzen hat. Anfänglich erinnert der Film eher an die ersten beiden Indiana Jones Filme, doch dann kommt ein übernatürliches Konzept ins Spiel. Die meisten Leute werden damit wahrscheinlich kein grundsätzliches Problem haben, aber meiner bescheidenen Meinung nach wäre es ein besseres Abenteuer gewesen, wenn sie sich nicht an das Übernatürliche herangewagt hätten. Aber das macht nichts, denn "Jungle Cruise" macht immer noch Laune, auch wenn er am Ende ein bisschen weniger ist als die Addition seiner Komponenten. Anerkennung gebührt auch Jessie Plemons deutschem Prinzen, der zwar böse, aber nicht zu bösartig ist um ihn zu hassen. Seine unauffällige Niedertracht wird vor allem durch die Tatsache verstärkt, dass er ein Deutscher aus dem Ersten Weltkrieg ist, der eine Art dauerhaftes Reich errichten will. Es macht Freude, Plemon zuzusehen, nicht zuletzt vielleicht deshalb, weil sein ganzer Charakter, heimtückisch, aber von Ehrgefühl geleitet ist. Ich brach in heftiges Gelächter aus, als er zu singen begann: "Hannes, zuckersüßer Hannes, du". Doch auch das ist zu viel des Guten, also Kopf abschalten und "Jungle Cruise" entspannt auf sich wirken lassen.

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                  Chainsaw Charlie 20.12.2021, 13:54 Geändert 20.12.2021, 20:27

                  "Puffs Reich: Wunder des Riffs" ist ein Dokumentarfilm von Regisseur Nick Robinson, der von der Schauspielerin Rose Byrne gesprochen wird und die Odyssee eines Kugelfisches zeigt. Zu den Bildern und Andeutungen gehören große Fische, die kleinere Fische fressen, giftige Angriffe von Meerestieren und Arten, die sich tarnen, um ihre Beute zu täuschen. Die Fortpflanzungssysteme von Meerestieren mit Eiern, Fischmilch und Massenlaichen werden ebenso thematisiert wie das Sterben von Korallenriffen aufgrund steigender Wassertemperaturen. Zu den positiven Botschaften des Dokumentarfilms gehören die Bedeutung des Meeresschutzes, die Entschlossenheit, die Hindernisse des Lebens zu überwinden, und die wichtige Rolle, die Menschen und Meerestiere im Ökosystem der Erde spielen. "Puffs Reich: Wunder des Riffs" zeigt die Reise eines Kugelfisches, der im australischen Great Barrier Reef erwachsen wird und überlebt. Der Dokumentarfilm beleuchtet auch die ökologische Entwicklung von Korallenriffen, die als Metropolen des Meereslebens dienen, und die Notwendigkeit ihres Schutzes. Die farbenfrohen Korallenriffe und ihre Bewohner werden von Kameramann Pete West in diesem spektakulären Dokumentarfilm atemberaubend eingefangen. Das Leben in den Riffen hängt von Tausenden von Lebewesen ab, die zusammenarbeiten und von denen jedes eine wichtige Rolle spielt. Rose Byrne weist auch auf die potenziellen Gefahren hin, die dort lauern. Der Korallenbewohner Puff, ein verwaister Kugelfisch auf dem Weg in ein neues Zuhause, ist ebenfalls auf die Riffe angewiesen, um sich vor Gefahren zu verstecken, die nicht auf seiner Speisekarte stehen. Die Aussage von "Puffs Reich: Wunder des Riffs" ist klar: Wenn wir unser Verhalten auf unserer Erde nicht ändern, wird es Puffs Welt bald nicht mehr geben.

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                    Für diejenigen, die John Carpenters Originalfilm "Halloween" im Jahr 1978 gesehen haben, war er ein Meilenstein und ein wahrer Horrorschocker. Er begründete eine ganze Reihe von Fortsetzungen und Nachahmern, wobei enge Verwandte wie "Freitag, der 13." und "A Nightmare On Elm Street" eigene beachtliche Franchises hervorbrachten. Die Filme richteten sich vor allem an Jugendliche und junge Erwachsene und hatten einen erschreckend moralisierenden Subtext. Die jugendlichen Opfer von Michael, Jason und Freddy waren fast immer die sexuell aktiven. Laurie (Jamie Lee Curtis), die Überlebende im ersten Halloween Film, war das "gute Mädchen" und damit das ikonische "letzte Mädchen". Vierzig Jahre später war Laurie inzwischen Großmutter, bereit, sich im "Halloween" Film von 2018 dem entscheidenden Schrecken ihres Lebens zu stellen, einem Film, der erkannte, wie sich sowohl das Genre als auch die Gesellschaft verändert hatten. In einem Höhepunkt, der sich bewusst an das Original anlehnt, geben Laurie, ihre Tochter Karen und ihre Enkelin Allyson, Michael den Abschied, den er verdient hat und zwar einen Flammentod, gefangen in einem Keller. Leider haben sie nicht gemerkt, dass sie in einer Filmreihe gefangen waren, in der es nicht um erzählerische Kohärenz ging, sondern darum, die Kinokassen zu füllen. So bekommen wir nicht nur den neuen "Halloween Kills" von Regisseur David Gordon Green, sondern auch das zweifellos falsche Versprechen von "Halloween Ends", der nächstes Jahr erscheinen soll. Der neue Film knüpft an die Nacht an, in der der letzte Film endete. Der mysteriöserweise nicht knusprige Michael ist relativ unbeschadet davongekommen. Er ist nicht mehr nur ein psychisch gestörter Killer. Jetzt ist er scheinbar unempfindlich gegenüber Kugeln, Feuer, Messern, Prügeln und allem anderen, was ihm angetan wird. Und seine Morde haben nichts mehr mit dem Trauma zu tun, das er vor langer Zeit erlitten hat, als er erfuhr, dass seine ältere Schwester eine aktive sexuelle Beziehung hatte. Er ist einfach ein Sadist, der wahllos und brutal tötet, wen er kann. David Gordon Green und seine Co-Autoren sind nicht völlig kopflos. Sie versuchen zu zeigen, wie Michaels Geschichte des Tötens die Stadt geprägt hat, von Lauries Besessenheit über die Schuldgefühle von Officer Hawkins, der im Kampf gegen Michael versehentlich einen Unschuldigen tötete, bis hin zu Tommy Doyle, der vor so langer Zeit das Kind war, auf das Laurie aufpasste. Es ist Tommys Anstiftung zu einer Vigilanz-Bande, die Michael töten will, die zum Tod eines weiteren Menschen führt, der unschuldig ist. "Halloween Kills" hat keinen anderen Sinn, als grausame Morde zu inszenieren und die meisten der Darsteller zu töten. Michael Myers ist unzerstörbar, Laurie ist die Hälfte des Films bewusstlos und bleibt die restliche Zeit im Krankenhaus, andere Charaktere, sind nur dazu da, um in Scheiben geschnitten und zerlegt zu werden. Was "Halloween Kills" wirklich tut, ist, die Zeit bis zum nächsten Film der Reihe totzuschlagen, der unweigerlich als ultimativer Abschluss der Saga angepriesen wird. So wie der Film von 2018 alle Fortsetzungen und Reboots seit 1978 ignoriert hat, kann man auch diesen Film bedenkenlos ignorieren. Laurie und Michael werden im nächsten Jahr eine weitere Runde drehen. Das einzige Rätsel wird dann sein, ob sich noch jemand dafür interessiert.

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                      Chainsaw Charlie 19.12.2021, 15:20 Geändert 19.12.2021, 15:24

                      "Malignant" ist gleichermaßen lächerlich und entsetzlich und beweist, dass Regisseur James Wan alles tut, um einen Schock heraufzubeschwören, selbst wenn seine Reichweite weit über sein Fassungsvermögen hinausgeht. James Wan ist unbestritten der moderne König des Horrors, denn er hat mit "Saw", "Insidious" und "The Conjuring" gleich drei populäre Horrorfilme gedreht, die alle seinen Namen tragen. "Malignant", die 11. Regiearbeit des australischen Filmemachers, fühlt sich definitiv wie eine Verschmelzung seiner Horrorarbeiten an, doch dieser Schein ist weniger als die Summe seiner Teile. Tatsächlich ist "Malignant" einer von Wans bisher schlechtesten Filmen, wenn auch einer mit einer verrückten Überdrehtheit, die fast verführerisch ist, wenn James Wan nur nicht alles so ernst nehmen würde. In "Malignant" spielt Annabelle Wallis die Rolle von Madison, einer kürzlich verwitweten Krankenschwester, die Visionen von einer langhaarigen, in einen schwarzen Trenchcoat gekleideten Gestalt hat, die wahllos und brutal Menschen ermordet. Natürlich dauert es nicht lange, bis eine Verbindung zwischen den beiden hergestellt ist. Ich will hier nicht verraten, wie Wan das anstellt, aber dass es seine bisher bekloppteste Idee ist, kann man wohl getrost so sagen. Warum also funktioniert "Malignant" nicht? Es hat alles mit dem Stil und dem Inhalt zu tun. Zu viel von Ersterem und ein heilloses Durcheinander von Letzterem. James Wan versucht, die Bizarrheit des Video Nasty Splatterfestes der 80er Jahre heraufzubeschwören, und tut dies mit dem Lack seiner Conjuring Filme. Wenn es jemals einen Zeitpunkt für Wan gegeben hätte, seine sorgfältig konstruierte Herangehensweise an das Filmemachen zurückzuschrauben und etwas Roheres, Praktischeres und etwas, bei dem man die Augen verdreht, zu machen, wäre "Malignant" der richtige Zeitpunkt gewesen. Nehmen wir das Filmmonster als Paradebeispiel. Es ist eine große, hagere Gestalt mit langem, strähnigem Haar und einem besonderen Sinn für Eleganz. Es sieht aus wie ein Imitat aus einem Wachowski-Film, während es sich windet und krümmt und sich seinen Weg durch eine Masse von abgeschlachteten Leichen bahnt, in einer wenig überzeugenden Gewaltdarstellung, die eher in einen superheldischen Film gehört. James Wan bringt hier auf jeden Fall eine gewisse Ambition ins Spiel. Viele Horrorfilme des Mainstreams sind formelhaft geworden, was zugegebenermaßen auf Wans Einfluss zurückzuführen ist. Daher ist sein Eifer, die Dinge mit einem so wahnwitzigen Film wie "Malignant" aufzurütteln, durchaus zu begrüßen. Aber wenn James Wan es nicht schafft, sich voll und ganz auf diesen potentiellen Horrorfilm der Exploitationära einzulassen, ist das Ergebnis ein Horrorfilm mit einer schweren Persönlichkeitsstörung und einem Mangel an Gruselstimmung.

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                        Chainsaw Charlie 18.12.2021, 13:31 Geändert 18.12.2021, 23:19

                        Bitte stellt sicher, dass ihr euch entspannt fühlt, bevor ihr den Dokumentarfilm "137 Schüsse" anseht, denn die Schilderungen dieser Vorfälle könnten wütend machen.
                        "137 Schüsse" von Regisseur Michael Milano untersucht zwei Fälle in Cleveland, bei denen weiße Polizeibeamte schwarze Bürger getötet haben. Der erste Fall, die Erschießung von Timothy Russell und Malissa Williams, gibt dem Film seinen Titel, weil die Polizei 137 Schüsse auf das Auto abfeuerte, in dem die beiden saßen. Beide waren unbewaffnet. Der zweite Fall ist vielleicht bekannter. Zwei Polizeibeamte erschossen einen zwölfjährigen Jungen, Tamir Rice, der ein Luftgewehr in der Hand hielt. Der Dokumentarfilm untersucht diese Fälle, die Ursachen der Polizeigewalt und bietet Lösungsvorschläge verschiedener schwarzer Führungspersönlichkeiten. Wenngleich einige dies für eine einseitige Darstellung halten mögen, gibt es Interviews, die die Perspektive der Polizei und der Polizeigewerkschaften aufzeigen. Die Zahl der Vorfälle kann jedoch nicht so hoch sein, dass dies kein Thema ist. Der erste Polizeibeamte, der sie anhielt, hat zweimal gelogen. Dann sagt die ranghöchste Beamtin bei der Verfolgung, dass sie nichts an dieser besagten Nacht ändern würde, unabhängig vom Ergebnis, wie gefährlich es ist, so viele Polizeiautos mit so hoher Geschwindigkeit durch eine Großstadt fahren zu lassen, nur weil ein "Schuss" gefallen ist und danach keine bestätigten Schüsse abgefeuert wurden. Dies sind ihre eigenen Worte. Ich denke, dies spiegelt zumindest sehr gut wider, was in Amerika vor sich geht. Ich weiß zwar, dass nicht alle Polizeibeamten falsch sind, aber es gibt ein systemisches Dilemma, wenn so etwas immer und immer wieder passiert. Außerhalb eines Kriegsgebiets gibt es keinen Grund für 137 Schüsse.

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                          Chainsaw Charlie 17.12.2021, 20:11 Geändert 17.12.2021, 20:30

                          Von der ersten Einstellung von "The Human Voice", der neuen Adaption von Jean Cocteaus Theaterstück aus dem Jahr 1928 durch Regisseur Pedro Almodóvar, ist seine Wertschätzung und sein Verständnis für Tilda Swinton mit Händen zu greifen. Der Kurzfilm, beginnt mit einer schwach beleuchteten Nahaufnahme von Swintons Gesicht. Dann folgt er ihr in einem Samtkleid und mit einem orangefarbenen Haarschopf, während sie durch ein düsteres, industrielles Interieur schwebt in welchem sie eine Axt kauft. In den restlichen 30 Minuten des Films entwirft Almodóvar eine ähnliche Geschichte wie Cocteaus Original, die in Paris spielt. Das französische Drama, das von Verzweiflung und Verlust geprägt ist, dreht sich um ein Telefongespräch zwischen einer Frau und einem unsichtbaren, nicht zu hörenden Mann, der sie verlässt, um eine andere Frau zu heiraten. In Pedro Almodóvars Version spielt Tilda Swinton die Rolle der Frau, einer erfahrenen Schauspielerin, deren Geliebter, mit dem sie seit vier Jahren verheiratet ist, in der gemeinsamen Wohnung nicht aufzufinden ist, abgesehen von einem auf dem Bett liegenden leeren Anzug und einer Reihe von Koffern, die darauf warten, endlich abgeholt zu werden. Nach einer Handvoll Pillen, die sie mit Weißwein hinuntergespült hat, nimmt die Frau den Anruf ihres namenlosen Ex-Geliebten entgegen, und es entsteht ein vergnügliches Durcheinander aus abgehackter Verzweiflung, erzwungener Gleichgültigkeit und einem allmählichen Anschwellen der Verklärung. Mit Tilda Swinton, die manchmal neben einem makellos trainierten Border Collie die Leinwand dominiert, greift Pedro Almodóvar auf frühere Kollaborationen zurück, um eine glaubwürdige und opulente Welt zu schaffen. Liebhaber werden mit dem eklektischen, farbgewaltigen Produktionsdesign von Antxón Gómez vertraut sein, das von Kameramann José Luis Alcaine perfekt eingefangen wurde. Kostümbildnerin Sonia Grande kleidet Tilda Swinton in einen mohnroten, gerippten Hosenanzug, eine überdimensionale Sonnenbrille und später in ein schäbiges Outfit, bei dem einem die Knie weich werden. Als früher Test für Dreharbeiten in der Quarantäne schafft es "The Human Voice", seine Umgebung zu umarmen, anstatt sie mit einer Axt zu zerhacken. Die Kamera schwenkt oft über Trennwände oder filmt von oben. Pedro Almodóvars neuester Film ist ein behagliches, unaufdringliches Melodrama mit einer willkommenen Botschaft: Auch in schwierigen Zeiten ist das Leben das, was man daraus macht.

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                            "Gonzo: The Life and Work of Dr. Hunter S. Thompson" von Regisseur Alex Gibney ist ein schillernder Dokumentarfilm über den berühmten Journalisten und Autor Hunter S. Thompson, gespickt mit Filmausschnitten aus "Fear and Loathing in Las Vegas" und anderen auf Thompsons Schriften basierenden Werken. Der Film enthält Interviews mit einer Vielzahl berühmter Persönlichkeiten und wird von Johnny Depp vorgetragen, der Thompson in dem Film "Fear and Loathing in Las Vegas" verkörperte. Bisweilen wirkt "Gonzo: The Life and Work of Dr. Hunter S. Thompson" wie eine kostenlose Werbung für "Fear and Loathing in Las Vegas" und andere Filme, die auf Thompsons Leben und Schriften basieren. Für den Film wurden Interviews mit dem ehemaligen Präsidenten Jimmy Carter, dem konservativen Kommentator Pat Buchanan, dem Singer-Songwriter Jimmy Buffett, dem Politiker Gary Hart, dem Schriftsteller Tom Wolfe, Thompsons Ex-Frau und Witwe sowie anderen Freunden und Bekannten geführt. "Gonzo: The Life and Work of Dr. Hunter S. Thompson" behandelt Thompsons Leben und Tod und sein eindrucksvolles Werk. Er würdigt Thompsons dunkle Seite, seine Faszination für Waffen, seinen Alkoholismus, seine Drogensucht, seine Wutanfälle, seine geistige Instabilität und seine schweren Depressionen. Natürlich geht der Film auch auf Hunter S. Thompsons berühmtes Alter Ego, Raul Duke, ein, der immer noch als Figur im Doonsberry Comic erscheint. "Gonzo: The Life and Work of Dr. Hunter S. Thompson" illustriert Thompsons Leben recht gut, scheint ihn aber manchmal zu sehr zu verehren. Der Frage, warum Thompson so völlig selbstverliebt sein durfte, geht der Film nicht nach. Offensichtlich hat er gegen zahlreiche Gesetze verstoßen, was das Autofahren, den Drogenkonsum und den Besitz illegaler Schusswaffen betrifft. Offensichtlich hat er die Miete für sein Haus nicht bezahlt. Dennoch durfte er diesen unverschämten, unverantwortlichen Lebensstil bis zu seinem Selbstmord fortsetzen, einer weiteren zügellosen Tat. Thompson ist nie wirklich erwachsen geworden, als er älter wurde. Manche beneiden ihn um diesen Genuss. "Gonzo: The Life and Work of Dr. Hunter S. Thompson" ist eine innovative Untersuchung einer außergewöhnlichen Persönlichkeit, die das Ende der Flower-Power-Bewegung und den Niedergang des amerikanischen Imperiums sah, bevor die meisten es kommen sahen. Wie die meisten Filme über Künstler hat auch "Gonzo: The Life and Work of Dr. Hunter S. Thompson" den Makel, den Menschen viel zu einseitig zu porträtieren. Zu viele Filmemacher vertreten den Standpunkt, dass es für Künstler in Ordnung ist, über dem Gesetz zu stehen, unverantwortlich zu sein, egoistisch zu sein und die Menschen zu verletzen, die sie zu lieben glauben. Einige Filmschaffende scheinen zu glauben, dass das Etikett des Künstlers diese Person dazu berechtigt, sich sehr destruktiv und verletzend zu verhalten, wie es Hunter S. Thompson tat. Andere Menschen, die keine Künstler sind, scheinen von der Filmindustrie mit einem anderen Maßstab gemessen zu werden. Ich glaube nicht, dass Präsident George W. Bush von denselben Leuten so gelobt werden würde.

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                              Chainsaw Charlie 16.12.2021, 21:08 Geändert 16.12.2021, 22:04

                              "The Dead - Die Toten", die Verfilmung der Kurzgeschichte von James Joyce durch den verstorbenen Regisseur John Huston, ist von einer sanften Einfachheit. Die Bilder fließen so leicht und das Filmemachen ist so zurückhaltend, so direkt und sparsam, dass man nicht erwartet, dass er einen so stark berührt, wie er es tut. Hustons Ansatz ist so sicher, dass er an Gelassenheit grenzt. Die Musikalität des Films umhüllt einen, zieht einen in seine Welt und in den Rhythmus seiner Zeit. Beim Zuschauen wird man augenblicklich mitgerissen, und die Erfahrung wie die von allem Großen in der Kunst ist schwärmerisch, verzehrend und erhaben. John Huston erzählt seine Geschichte wie Joyce durch eine Anhäufung von sinnlichen Details. Und die Erzählung, die den Verlauf eines einzigen Abends im Januar 1904 bei einer Party im Haus der Schwestern Kate und Julia Morkan und ihrer Nichte Mary Jane nachzeichnet, wird so natürlich erzählt, als würde sie aus dem Gedächtnis rezitiert. "The Dead - Die Toten" beginnt mit einer Aufnahme des Stadthauses der Morkans in Dublin, als die Gäste aus dem Schnee in das Foyer strömen. Sofort hat man das Gefühl, aus der Kälte zu kommen und in eine Atmosphäre der Häuslichkeit und Wärme einzutauchen. Oben sitzen Tante Julia (Cathleen Delany) und Tante Kate (Helena Carroll) auf dem Treppenabsatz, erkundigen sich nach ihren Gästen und nehmen deren Komplimente entgegen. Die Party der Morkans ist ein jährliches Treffen von Dubliner Intellektuellen, Musikern und kulturellen Größen, und während die Figuren ihren Auftritt haben, sehen wir, dass die Schwestern seit Jahren als offizieller Mittelpunkt der kulturellen Welt der Stadt fungieren. Jeder der Charaktere ist den anderen gut bekannt, und ihre Rollen in der Gruppe haben sich im Laufe der Zeit fest etabliert. So wie Huston sie zeichnet, erscheinen die Mitglieder der Gruppe als liebevolle komische Porträts. Und die Arbeit, die er von seinen Darstellern, die meisten von ihnen sind bekannte irische Charakterdarsteller - erhalten hat, ist die genialste Art des Ensemblespiels. Das Vergnügen, das wir dabei empfinden, diesen Schauspielern dabei zuzusehen, wie sie ihre Rollen ausfüllen, ist nicht zu unterschätzen; eine glorreichere Ansammlung von Gesichtern hat es auf der Leinwand wohl nie gegeben. Und Huston scheint in diesem Reichtum zu schwelgen. Was John Huston in seiner ganzen Fülle vermittelt, ist Joyces Sensibilität für die Reize des Ortes und der Kontrapunkt seiner Angst, dass sie ihn verstricken und seine Flucht verhindern könnten. Die Figur des Gabriel (Donal McCann), der für die britische Zeitung Bücher rezensiert und wegen seines unpatriotischen Verhaltens von einem der Gäste getadelt wird, ist die Vision des Schriftstellers von sich selbst als einem Versager mittleren Alters, als dem Künstler, der in der wohligen Glut des Herdes der Morkans verweilte und dann verwelkte. Gabriel ist das selbstbewusste Zentrum des Films. Wir sehen die Ereignisse des Abends und die Handlungen der Figuren durch seine Augen, und McCann gelingt es hervorragend, die Mischung aus Verachtung und Bedauern, die Gabriel empfindet, zu zeigen. Gabriel kann nicht anders, als sich der liebenswerten Engstirnigkeit seiner Freunde gegenüber als überlegen zu betrachten. In der Erzählung ist Gabriels Abneigung vehementer. Er hasst die Langweiligkeit der Provinz und sehnt sich danach, woanders zu sein, wo neue Ideen aufbrechen. Huston hat diese Gefühle abgemildert. Gabriels Stimmung ist eher resigniert als zornig. Und seine Neigung zu einem großspurigen Auftreten ist Anlass für gutmütige Sticheleien seiner Frau Gretta (Anjelica Huston) geworden. Huston und sein Sohn Tony, der das Drehbuch geschrieben hat, haben sich bei der Erzählung dieser Geschichte den zurückhaltenden formalen Klassizismus von Joyce zu eigen gemacht. Letztlich stützen sie sich auch auf die Worte des Schriftstellers, und die Affinität, die Huston zu seinem Stoff empfindet, ist hier in jeder Einstellung zu spüren. Man meint fast, die starke, Whiskey und Zigaretten rauchende Stimme des Regisseurs unter den Bildern zu hören. Für John Huston war es der letzte Film, und er ist ein großartiges Abschlusswerk. Als solches könnte er nicht perfekter sein. "The Dead - Die Toten" ist klangvoll, bewegend und zutiefst komisch. Es ist ein Werk von großem Gefühl und Schönheit.

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                                In "Vorstadt" von Regisseur Boris Barnet sind viele Dinge am Werk. Sie greifen nicht unbedingt alle ineinander, aber sie sind vorhanden. Es handelt sich hierbei größtenteils um einen ernsten Kriegsfilm, aber es gibt auch Pferde, die sprechen, und Figuren, die in die Kamera zwinkern, um einen komischen Effekt zu erzielen. Unter dem Deckmantel einer Erzählung über eine kleine russische Stadt zu einem entscheidenden Zeitpunkt in der Geschichte gibt es eine Handlung über eine kleine Schuhfabrik, die bestreikt werden soll, eine über einen deutschen Mieter in Russland und seinen Vermieter, über deutsche Kriegsgefangene, die in der Stadt festgehalten werden, und deren Suche nach Arbeit, und eine über eine mögliche Romanze zwischen einem der Soldaten und der Tochter des Vermieters - und das, bevor wir für die letzten zwanzig Minuten ins Jahr 1917 springen. Einige dieser Subplots sind auf interessante Weise miteinander verwoben, aber nicht alle. "Vorstadt" ist in einem sehr eindrucksvollen visuellen Stil gefilmt und steckt voller einprägsamer Bilder. Gelegentlich wird sogar ein bildliches Wortspiel für einen Szenenwechsel verwendet, aber er hat immer noch die frühere Eigenschaft, sich eher langsam zu bewegen. Das wäre in Anbetracht der interessanten Bilder kein Problem, wenn es nicht zur Zerstückelung der Geschichten beitragen würde. Im Kern ist der Konflikt des Vermieters, der zwischen der Zuneigung zu seiner Mieterin und dem Nationalismus, der ihn gegen die Deutschen aufbringt, hin und her gerissen ist und sich später wieder damit auseinandersetzen muss, als er seine Tochter mit dem deutschen Gefangenen erwischt, sehr ergreifend. Es erlaubt auch mehrere widersprüchliche und dreidimensionale Charaktere inmitten der Geschehnisse. Die Übergänge zur Revolution wirken auf den Zuschauer deplatziert und unzusammenhängend, aber vielleicht wurde das damals dadurch abgemildert, dass es sich für die Zielgruppe dieses Films um einen Krieg in der Heimat handelte, an den sie sich noch gut erinnern konnten und der für sie von unmittelbarer Relevanz gewesen sein dürfte. Alles in allem ist "Vorstadt" imposant gemacht, kommt aber nicht ganz so gut weg, weil sein Sujet zu diffus ist, um eine einheitliche Linie zu bilden, aber auch nicht so breit gefächert, wie es sein müsste, wenn er ganz die Geschichte einer Stadt sein wollte. Aber er ist es Wert, gesehen zu werden, sowohl wegen des historischen Interesses als auch wegen der lobenswerten Kameraführung und Regie.

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                                  Chainsaw Charlie 16.12.2021, 11:18 Geändert 16.12.2021, 11:24

                                  Von den Gründen für Sophies Entscheidung, Weihnachten fern von ihrer Familie zu verbringen, über Ian Baileys lückenhaftes Alibi bis hin zu Zeugenaussagen, und Fragen, die die Dokumentation "Sophie: Ein Mord in West Cork" über den wahren Fall aufwirft, machen sie zu einer fesselnden Angelegenheit. Die erste Folge war zweifellos die stärkste, da sie sich ganz auf Sophie und den grausamen Vorfall selbst konzentriert. Dann geht es weiter mit der Verhaftung, der erneuten Inhaftierung und den verschiedenen Prozessen, die folgten. So atemberaubend diese ländlichen irischen Landschaften auch aussahen, ich hatte das Gefühl, dass dies ein Ort ist, der seine Geheimnisse sehr leicht verbergen kann. Er hat wirklich diese unerklärliche, unheimliche Seite an sich. Die erste Folge endet mit einem der besten Cliffhanger, die man in den letzten True-Crime-Dokumentationen finden konnte. Diese Story musste erzählt werden, und zwar so, dass wir die Geschichte der Sophie Toscan du Plantier verstehen und mit ihr mitfühlen können. Gut gefallen hat die Tatsache, dass sich die Dokumentarserie nicht zu sehr auf die Analyse der Trauer der Familie konzentriert, sondern sich an die öffentlich bekannten Fakten des Falles hält. In den wenigen Momenten, in denen versucht wurde, die Trauer zu thematisieren, gingen die Macher sehr subtil mit dem Thema um. Es erstaunt mich, dass die Einheimischen 25 Jahre später immer noch so viel über den Vorfall zu sagen haben. Die meisten von ihnen leben immer noch in Schull, dem Ort, an dem der Mord geschah, und sind Teil der eng verbundenen Gemeinschaft. Man kann sehen, wie der erste Mord dieser Art das Leben all dieser Menschen geprägt hat. Die Interviews mit Bailey selbst zeichnen ein ganz anderes Bild. Sagt dieser Mann wirklich die Wahrheit über seine Unschuld oder ist er der Mörder, für den ihn viele halten? Dass der Mörder von Sophie zweieinhalb Jahrzehnte später immer noch auf freiem Fuß ist, ist das, was uns als Betrachter ärgert. Ich empfehle, völlig unvorbereitet in diese Dokumentation zu gehen. Schaut euch vorher nicht die Details des Falles an, ihr werdet mir später dafür danken!

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                                    Chainsaw Charlie 14.12.2021, 17:18 Geändert 14.12.2021, 18:49

                                    "Dig Deeper: Das Verschwinden von Birgit Meier" zeigt die unerbittliche Suche eines Bruders nach allen Informationen über seine verschwundene Schwester. Die meisten Menschen haben bestimmte Tage und Daten in ihrem Gedächtnis gespeichert, die für sie vielleicht sehr traumatisch waren. Für die Familie von Birgit Meier war das der 14. August 1989. An diesem Tag verschwand Birgit Meier aus Lüneburg und es gab keine Antworten auf die Frage, wo und warum dies geschah. "Dig Deeper: Das Verschwinden von Birgit Meier" lässt verschiedene Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörden, die Familie, Kollegen und Freunde von Birgit über ihr Verschwinden sprechen. Birgit Meier wurde von ihrer Familie als eine sehr mitfühlende und lebhafte Frau beschrieben, die ihre Tochter abgöttisch liebte. Niemand konnte verstehen, warum sie ihre Tochter einfach so verlassen hat. Die Polizei in Lüneburg ging zunächst von einem Selbstmord aus. Ihre Familie weigerte sich jedoch, diese These zu glauben. Zum Zeitpunkt ihres Verschwindens befand sich Birgit in einer Scheidungsphase mit ihrem Ehemann Harald Meier, der bald zum Hauptverdächtigen in diesem Fall wurde. Um die Zeit von Birgits Verschwinden herum wurden zwei Fälle von Doppelmord aus dem Göhrder Wald gemeldet, und die Polizei hatte mit all diesen Verbrechen viel zu tun. Infolgedessen wurde Birgits Verschwinden von der Polizei weniger beachtet. Für Familien, die Zeuge eines Verbrechens oder eines spurlosen Verschwindens geworden sind, kann dies schwer traumatisierend sein. Außerdem kann die mangelnde Kooperation der Strafverfolgungsbehörden natürlich dazu führen, dass sie die Sache selbst in die Hand nehmen wollen. Aber nicht alle Familien können das tun. Glücklicherweise war Birgits Bruder Wolfgang zu dieser Zeit Leiter der Kriminalpolizei in Hamburg. Er hatte beträchtlichen Einfluss, um die Aufmerksamkeit auf den Fall seiner Schwester zu erhöhen. Konkrete Hinweise auf den Fall fand die Polizei erst 1993. Sie erfuhr, dass sie einige Wochen vor ihrem Verschwinden den Gärtner Kurt Werner Wichmann bei einer Geburtstagsfeier in einem Nachbarhaus kennengelernt hatte. Er wurde jedoch nie befragt. Die Polizei durchsuchte sein Haus und fand einige sehr beunruhigende Einzelheiten, darunter Waffen, Beruhigungsmittel und eine versteckte Einrichtung für Folterungen. Der Gärtner erhängte sich, um der Verhaftung zu entgehen. Birgit Meiers Überreste wurden erst 2017 gefunden.

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                                      Maria Falconettis Antlitz in Carl Theodor Dreyers Stummfilmklassiker "Die Passion der Jungfrau von Orleans" ist eines der unauslöschlichsten Bilder der Filmgeschichte. Ihre hypnotisierende Darstellung ist berührend schön und herzzerreißend, ohne ein einziges hörbares Wort zu reflektieren. Es gibt wenig, was man über Die Passion der Jeanne d'Arc, das Thema unzähliger Essays, Analysen und cinephiler Gespräche, sagen kann, das nicht in den 90 Jahren seit seiner Veröffentlichung zerlegt oder besessen worden ist. Der Prozess und die Qualen der Jeanne d'Arc und die Ereignisse, die sie umgeben, haben eine Unmittelbarkeit und Intensität, die von Dreyer und dem Kameramann Rudolph Maté brillant eingefangen wurde. In den mehr als 1.300 Aufnahmen des Films (plus Titelkarten) werden verschiedene Blickwinkel verwendet, wobei jedes Bild Stimmungen von Eindringlichkeit bis hin zu Unsicherheit und Sehnsucht vermittelt. Die Mischung aus Licht und Schatten vertieft die Atmosphäre und steigert den Einsatz. Die Dekonstruktion von Einstellungen und Kamerabewegungen könnte tausend Denkanstöße liefern. Kamerafahrten von der Galerie der Inquisitoren oder einer Karnevalsszene, Luftaufnahmen mit einem Pendel und Nahaufnahmen von Gesichtern verweigern sich der Formalität und machen auf die Heuchelei und die Verärgerung des Verfahrens aufmerksam. Falconettis durchdringende Blicke und ihre emotionale Kraft bilden die Grundlage für den Weg vom angeklagten Häretiker zum Märtyrer. Mit manchmal überwältigender Ernsthaftigkeit, ihre Iris ganz in Weiß gehalten, lässt sie uns an ihre Verbindung mit Gott glauben. Wir spüren ihre Qualen, wenn die Tränen über ihre Wangen laufen. Wir spüren die Konflikte, den Druck und den Schmerz des Prozesses und der Folter, die sie aus der Seele reißen. Es ist eine Darbietung mit zahllosen glühenden Adjektiven. "Die Passion der Jungfrau von Orleans" ist ein erschütternder Film, klaustrophobisch in seiner Verwendung von Großaufnahmen, die Jeanne's emotionalen und mentalen Zustand unverblümt aufzeichnen. Jedes Bild wird zu einer Leinwand für Dreyers gnadenloses Porträt des Leidens. Zwar konnte Dreyer das 1927 noch nicht wissen, doch ist es auch beunruhigend prophetisch. Johannas Leidensweg, als sie verhöhnt, erniedrigt und mit kahlgeschorenem Kopf auf den Tod warten muss, bietet einen abschreckenden Einblick in den staatlich sanktionierten Massenmord, der einige Jahre später Millionen von Menschen in Europa das Leben kosten sollte. Härte und Erhabenheit sicherten Dreyer den Status als einer der schonungslosesten Regisseure des Kinos.

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                                        "Night of the Animated Dead" ist ein Remake von George A. Romeros Klassiker "Night of the Living Dead" aus dem Jahr 1968 und könnte mit seiner schlichten, aber auffälligen Animation einige neue Fans finden. Auch wenn der Shot-by-Shot-Ansatz ein wenig redundant erscheint, erinnert er uns zumindest daran, warum das Original so unauslöschlich ist. Es erfindet ein Genre neu und spricht dabei ganz einfach sehr pointierte Themen an. Zumindest halten das hohe Tempo und die farbenfrohen, blutigen Szenen dieser Version das Gefühl der nagenden Spannung aufrecht. Beim Besuch des Grabes ihres Vaters werden die Geschwister Barbara und Johnny von einem Untoten angegriffen. Die verängstigte Barbara flieht in ein nahe gelegenes Farmhaus, wo sie Ben trifft. Während die menschenfressenden Untoten ihnen auf den Fersen sind, entdecken sie, dass sich noch andere im Keller verstecken. Der sture Harry und seine Frau Helen sowie der jüngere Tom und seine Freundin Judy. Die Männer sind sich nicht einig, wie sie die Situation überleben sollen, beschließen aber, etwas dagegen zu tun. Doch die Horde draußen wächst, und ihre Lage wird immer prekärer, während sie auf ein Rettungsteam warten. Die Gestaltung des Films enthält einige nette Details, wie die Retro-Animation, die Erinnerungen an ruckelige Zeichentrickfilme aus den späten 1960er Jahren wachruft, mit zusätzlicher Grafizität. Es ist ein faszinierender Ansatz, und Regisseur Jason Axinn findet Wege, den Figuren trotz der skizzenhaften Bilder Tiefe zu verleihen. Echos von Radiomeldungen im Hintergrund sorgen für ein wachsendes Gefühl von Dramatik und Spannung, während Fernsehberichte sowohl Details als auch Spekulationen liefern und ein örtlicher Polizist mit vorgehaltener Waffe eingreift. Und die Art und Weise, wie die Figuren plötzlich und oft unnötig sterben, ist zutiefst erschreckend. Was "Night of the Animated Dead" von den meisten Zombiefilmen unterscheidet, ist die Fokussierung auf die widersprüchlichen Interaktionen zwischen den Figuren. Die Animationen schränken die emotionale Beteiligung des Zusehers ein, doch die unaufdringliche Spracharbeit verleiht diesen ungleichen Menschen, die in einer eskalierenden, verzweifelten Situation immer wieder aneinandergeraten, eine spürbare Wirkung. Die Meinungsverschiedenheiten reichen von ruhigen Diskussionen bis hin zu Schreikämpfen, die alle mit emotionalem Ballast verbunden sind. Und sowohl Panik als auch hartnäckiger Egoismus bringen Leben in Gefahr. Die Ideen sind großartig, auch wenn die Filmemacher nicht viel Neues auf den Tisch bringen. Während "Night of the Animated Dead" sowohl Genre- als auch Animationsfans ansprechen dürfte, die mit dem Originalfilm nicht vertraut sind, wird die etwas simple Gestaltung des Films verhindern, dass er jemals zu einem eigenständigen Juwel wird. Aber er hat seinen Wert, indem er dazu anregt, den Klassiker von 1968, der auch mehr als 50 Jahre später noch Kultstatus hat, erneut zu sehen.

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                                          Die Neigung der Hollywoodindustrie, Horrorfilmreihen zu recyceln, erreicht mit "Candyman" von Regisseurin Nia DaCostas zeitgemäßer, relevanter und kluger Neuauflage des Originals von Bernard Rose aus dem Jahr 1992, einen neuen Höhepunkt. Es folgten zwei Fortsetzungen in den Jahren 1995 und 1999, die beide nicht an die Qualität und den Erfolg von Roses Film heranreichten. Mit diesem neuen Teil, der halb als Fortsetzung, halb als Neustart funktioniert, hat Nia DaCosta, würdevoll diese großartige Mischung aus Horror und Sozialkritik wieder aufgenommen. Der Künstler Anthony McCoy ist vor kurzem mit seiner Freundin Brianna, einer Kunsthändlerin, in eine teure Wohnung in Chicago gezogen. Auf der Suche nach Inspiration für eine neue Serie von Kunstwerken befasst sich Anthony mit der Vergangenheit von Cabrini-Green, einem überwiegend von Schwarzen bewohnten Viertel, auf dessen Spuren die Luxussiedlung errichtet wurde. Als er von dem lokalen Mythos des "Candyman" und der gewaltvollen Vergangenheit von Cabrini-Green Kenntnis erlangt, findet er das kreative Material, nach dem er sucht. Er riskiert auch, alte Wunden wieder aufzureißen, die fast 30 Jahre lang versiegelt geblieben waren. "Candyman" ist ein enormes und überzeugendes Werk, dem es gelingt, einen alten Horrorklassiker wiederzubeleben und gleichzeitig einen ganz eigenen Pfad durch das Thema zu beschreiten. Es vermischt den Slasherfilm mit Inhalten wie urbanen Mythen, Rasse und Klasse, Gemeinschaft und einer überraschenden Portion Body Horror. Dabei ehrt Nia DaCosta den Originalfilm, ohne ihre eigenen Intentionen aus den Augen zu verlieren. Der Candyman von 1992 war und ist ein hervorragender Horrorfilm. Mit seiner Wiederbelebung im Jahr 2021 wurde die Erzählung der Schwarzen, die dem früheren Film zugrunde lag, von schwarzen Filmemachern aufgegriffen und weiterentwickelt. Eine wirkungsvollere Fortsetzung kann man sich wohl kaum vorstellen. Fans des reinen Horrors kommen hier auf ihre Kosten, denn es wird mit vielen verschiedenen Formen gespielt. Die altmodischen Gräueltaten mit glücklosen Opfern, die von einem unsichtbaren, hakenbewehrten Feind zu Tode geschlachtet werden, sind wieder da und werden hervorragend in Szene gesetzt. Darüber hinaus wirken die übernatürlichen Elemente und die Erzählung des urbanen Mythos stärker und effektiver als je zuvor. Der Originalfilm musste eine tragische Hintergrundgeschichte aus dem 19. Jahrhundert erfinden, um das gleiche Gefühl zu erzeugen. Der neue "Candyman" kann sich für den gleichen Zweck problemlos auf den alten Film verlassen. Geschickt in die Handlung eingeflochten ist sowohl eine zeitgenössische Reflexion der Figur des Candyman im Lichte der Black Lives Matter Bewegung, als auch der generationenübergreifenden Gewalt. Candymans Existenz wird hier in erheblichem Maße neu interpretiert, und diese Veränderung zahlt sich gewaltig aus. Dies ist einer der seltenen und wirkungsvollen Horrorfilme, die über ein einfaches Genrestück hinausgehen. Dies ist ein Horrorfilm, in dem es um etwas geht. Dazu trägt natürlich auch bei, dass das Ganze so stilvoll inszeniert ist. Das Produktionsdesign und die Bildgestaltung sind effektiv und lebendig. Der Einsatz von Gewalt auf dem Bildschirm ist maßvoll und zurückhaltend. Eine Mordsequenz in einer Highschooltoilette ist umso schockierender, weil DaCosta sie auslässt, anstatt sie einzubauen. Hintergrundgeschichte und Folklore werden durch traumähnliche Schattenpuppen dargestellt. Die Darbietungen sind durchweg stark, insbesondere Abdul-Mateens wachsende Ausdrücke des Traumas und Parris' proaktive und detaillierte Leistung in einer Rolle, die eine ziemlich gewöhnliche Nebenrolle hätte sein können. Sie sind repräsentativ für einen rundum beeindruckenden Film. Candyman ist sowohl eine Fortsetzung als auch ein Originalwerk und gehört für mein empfinden zu den besten Studioveröffentlichungen des Jahres 2021.

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                                            Chainsaw Charlie 12.12.2021, 02:24 Geändert 12.12.2021, 02:28

                                            Der Horrorfilm "The Maid - Dunkle Geheimnisse dienen niemandem" des thailändischen Autors und Regisseurs Lee Thongkham ist ein blutrünstiges mörderisches Vergnügen. Thongkham versteht es sehr gut, den Zuschauer in die Irre zu führen, und es gibt auch einige angenehm pointierte Persiflagen auf reiche, versnobte Leute, die Dienstmädchen für so austauschbar halten wie leere Geschirrspülflaschen. Das Dienstmädchen des Titels ist Joy, ein Mädchen vom Lande, das im Dienste der superreichen Uma, einer Frau, die so lächerlich hochmütig ist, dass sie sich zum Frühstück wie eine TV-Moderatorin kleidet und immer einen Zigarettenhalter benutzt, damit die Stummel nicht ihre Lippen berühren. Joy hat entdeckt, dass sie nur das jüngste in einer langen Reihe von Dienstmädchen ist, die es in diesem Haushalt nicht lange aushalten, aber als sie die anderen Bediensteten fragt, werden diese ganz grantig und belehren sie, sie solle keine Fragen stellen und sich nicht in andere Angelegenheiten einmischen. Neben dem Transport von Teetabletts besteht Joys andere Aufgabe darin, auf Umas kleine Tochter Nid aufzupassen, ein süßes kleines Kind mit einer unheimlichen Affenpuppe, die zum Leben erwacht, wenn es niemand sieht. Aber pseudosimianische Spielsachen sind nicht alles, worüber man sich hier Gedanken machen muss. Es gibt noch eine weitere Schattengestalt, die in der Regel nur für das Publikum sichtbar ist, aber auch von den Figuren gespürt wird, die umherschleicht und ein verheerendes Chaos im dritten Akt ankündigt, sobald die ganze Rahmenhandlung aufgeklärt worden ist. Einigen mag das grässliche Blutbad, die exzessive Gewaltdarstellung und die hochstilisierten Kulissen und Kostüme nicht gefallen, und wie bei einigen anderen thailändischen Filmen, die außerhalb Asiens vertrieben werden, bewegt sich der Film an der Grenze zwischen Naivität und Unterhaltung. Genau das macht ihn aber so faszinierend.

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                                              Chainsaw Charlie 11.12.2021, 22:55 Geändert 12.12.2021, 02:40

                                              Der "Schwarm der Schrecken" des französischen Regisseurs Just Philippot sorgt mit einer Geschichte, die von harmloser Spannung zu einer wirklich traurigen Tragödie übergeht, für etwas Wirbel. Trotz seiner Mängel ist dieser ausreichend beklemmende Horrorfilm einen Blick wert, da er wirklich grausame Bilder und ein anständiges ländliches Drama bietet. Im Drehbuch von Jérôme Genevray in Zusammenarbeit mit Franck Victor geht es um die alleinerziehende Mutter Virginie Hebrard, die mit der Züchtung essbarer Heuschrecken beginnt, um ihre Farm vor dem Bankrott zu retten. Heuschrecken sind dafür bekannt, dass sie Ernten beschädigen, aber in diesem Fall sind sie auf Blut aus. Virginie und ihre frustrierte Tochter Laura legen ein ähnliches Antriebsverhalten an den Tag, wobei die Mutter es bis ins Irrsinnige steigert und sich auf bizarre und unangenehme Weise aufopfert, um ihre finanzielle Stabilität zu sichern. Man hört die ganze Zeit über, dass laute zirpen der Heuschrecken, und das Sounddesign klingt wirklich bedrohlich. Die Parallelen zu Alfred Hitchcocks "Die Vögel" und David Cronenbergs Verstörungstaten sind nachvollziehbar, auch wenn "Schwarm der Schrecken" dieses hohe Niveau nicht annähernd erreicht. Es ist eines dieser Beispiele, bei denen die Botschaft und die Ausführung Hand in Hand gehen, mit beachtlichen Resultaten.

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                                                Chainsaw Charlie 11.12.2021, 19:36 Geändert 11.12.2021, 19:44

                                                Im Film "Cute Little Buggers" von Tony Jopia plant eine außerirdische Rasse die auf der Suche nach Erdenfrauen zur Wiederbesiedelung ihrer Spezies ist, die Kaninchenpopulation eines kleinen britischen Dorfes in mutierte Deformitäten zu verwandeln, um die Frauen zu entführen und an die Invasoren auszuliefern, was die Männer dazu veranlasst, sich zu wehren und ihren Plan zu verhindern. Ein ziemlich einfallsloser und auch wenig spektakulärer Tierhorrorfilm. Zu den besseren Aspekten gehört die wahnsinnig bescheuerte und dämliche Grundstimmung, die "Cute Little Buggers" durchdringt. Die Eröffnungsaufnahmen der Außerirdischen in ihrem Schiff, die ihre Pläne besprechen, verstärken diese Auffassung schon früh, indem sie zeigen, wie die Aliens in englischer Sprache darüber sprechen, was sie hier zu erwarten haben, worauf dann im weiteren Verlauf des Films aufgebaut wird. Von dem Vorhaben, die Menschheit mit Hilfe von Hasen zu infiltrieren, über die permanenten Diskussionen darüber, wie die Welt läuft, bis hin zu den Polizeikräften der Stadt, die auf alles reagieren, was um sie herum geschieht, ist dieser Film reichlich dämlich und blöd, aber genau das ist das Brauchbare an ihm. Das passt gut zu den Angriffsszenen des Films, da sie diese billige Ästhetik mit ernsthafterer Action mischen. Die frühen Waldangriffe, bei denen die Mädchen zusammenkommen, sind nur einfallslos, doch die großen Actionszenen mit der Flucht aus dem mit Kaninchen gefüllten Wald, dem wilden Angriff auf die Stadtparty oder dem mehrstufigen Überfall auf ihr Versteck, um alle zu retten, bieten eine seriösere Herangehensweise an alles, die den Film insgesamt in Schwung hält. "Cute Little Buggers" ist dennoch ein überlanges Problem, verursacht durch die Verwendung mehrerer nutzloser Nebenhandlungen, um die Laufzeit zu verlängern. Der größte Teil der ersten Hälfte des Films besteht darin, uns die verschiedenen zwischenmenschlichen Beziehungen zu zeigen, von dem Außenseiter, der zu seinem entfremdeten Vater nach Hause zurückkehrt, über seine frühere Freundin, die mit dem Idioten zusammen ist, bis hin zu ihren Freunden, die in ihren eigenen kleinstädtischen Streitigkeiten feststecken, und der schwachen Polizei. Diese Einlagen sind nicht witzig genug, denn sie werden viel zu lange ausgeführt, so dass "Cute Little Buggers" für sein eigenes Wohl zu lang erscheint. Dazu kommen die absolut hanebüchenen Spezialeffekte, die vielleicht der Grund dafür sind, dass der Film so schlecht ist. Die Kaninchen selbst sind eine dürftige CGI-Darstellung, die sie wie echte Kaninchen aussehen lässt, aber das Fell ist falsch und ihre Maße stimmen nicht, was dazu führt, dass die Biester zu groß sind und man sich fragt, warum man nicht die richtigen Tiere verwendet hat. Warscheinlich hätte es das Budget gesprengt, Kosten für Pflege, die Betreuung und das Futter der Tiere auszugeben. Das Blut und die Wunden sehen noch schlimmer aus, und die Aliens hätten die gespaltenen Zungen nicht nötig gehabt. Da waren nur Mankos und Brüste im Film.

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                                                  Chainsaw Charlie 11.12.2021, 06:09 Geändert 11.12.2021, 06:26

                                                  "Attack of the Killer Donuts" von Regisseur Scott Wheeler fördert die eigene Blödheit. Die Dialoge klangen trivial und strohdoof. Ich fühlte, wie sich langsam ein starker Abstumpfungsdruck in meinem Schädel aufbaute, und ich verstand, dass sich mein Gehirn auf eine weitere Verblödung und Reduzierung seiner verbliebenen Zellen vorbereitet. Johnny und Michelle arbeiten zusammen bei Dandy Donuts, einem heruntergekommenen Donutgeschäft. Gelegentlich backen sie Donuts, doch verbringen sie auch eine Menge Zeit damit, herumzualbern. Johnny hat eine Freundin, Veronica, die mit anderen Jungs rumhängt und nur wegen des Geldes mit Johnny liiert zu sein scheint. Johnnys Onkel Luther ist ein durchgeknallter Wissenschaftler, der bei Johnny und seiner Mutter lebt. Er führt Experimente mit Ratten durch, denen er eine grünliche Substanz verabreicht, um sie zu reanimieren. Versehentlich landet diese grüne Flüssigkeit in den Dandy Donuts, was zu den Killerkrapfen hinführt. Diese haben kleine Zähnchen, und so kitschig es auch in der Realität klingt, ich habe es genossen, ihnen dabei zuzusehen, wie sie zum Leben erwachen und auf Menschenjagd gehen. Officer Roberts und sein Partner gehen regelmäßig zu Dandy Donuts, um sich gratis zu bedienen. Einige schaffen es, ein paar Donuts tot zu essen, aber das grüne Zeug verwandelt sie in Zombies, bevor es sie endgültig umbringt. Die Killer Donuts erobern den Dandy Donuts und attackieren sämtliche unschuldige Kunden. Niemand ist vor den Killer Donuts sicher und es obliegt Johnny, Michelle und ihrem Freund Howard, die Menschheit vor den Teigwarenangriffen und dem Untergang zu bewahren. Von den Donuts einmal abgesehen, ist die Schauspielleistung teilweise so erbärmlich, dass man sich fragt, ob das beabsichtigt und gewollt ist. Wenn das die Intention war, muss man den Filmemachern ein Kompliment aussprechen, denn ich fand, dass die schlechten schauspielerischen Darbietungen dem Film sogar zugute kamen. Ich war wirklich sehr positiv überrascht und bin mir relativ sicher, dass die donutartigen Spezialeffekte lächerlich aussehen sollten und genau das macht "Attack of the Killer Donuts" so witzig. Es gibt eine Szene, in der die Donuts ein Auto fahren und dann über die Straße hüpfen, und einen ahnungslosen Passanten jagen um ihn tot zu knabbern, die so dermaßen grotesk und irrsinnig war, dass ich urplötzlich, wie ein Irrer loslachen musste und mich gleichzeitig fragte, was zum Kuckuck ich da eigentlich sehe und wieso mich dieser Wahnwitz so fröhlich berührt. Noch während die Morddonuts auf den Straßen für blutiges Chaos sorgen, tüftelt Onkel Luther an einem Gegengift für das grüne Killerzeug, das die Todesdonuts hoffentlich zur Strecke bringt. "Attack of the Killer Donuts" ist ungeachtet des hirnrissigen Konzepts lustig und unterhaltsam. Die Bearbeitung und die Inszenierung sind gut gelungen. Ich hatte zunächst Skepsis ob dieses Films, doch er erwies sich als sehr erheiternd und amüsant.

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                                                  • Chainsaw Charlie 10.12.2021, 09:23 Geändert 10.12.2021, 23:44

                                                    1. Hast du schon einmal eine heiße Tasse Tee bei 40 Grad Außentemperatur probiert? Wenn nein, würdest du es gerne mal probieren?

                                                    Nein, habe ich noch nicht. Aber ich würde es tun, wenn da ein Schuss Rum drin wäre.

                                                    2. Was war das Konzert, das dich am meisten enttäuscht hat?

                                                    Irgendein Subway to Sally Konzert auf dem Wacken Open Air. Ich kann mich nicht mehr an das Jahr oder den Grund erinnern, weil ich damals die gesamte Zeit über betrunken war. Vielleicht war es auch nicht so schlecht. Ehrlich gesagt, bin ich auf Konzerten immer betrunken, also ist die Frage geklärt.

                                                    3. Hast du schon mal geklaut?

                                                    Jawohl!

                                                    4. Kannst du dich am Ellbogen lecken?

                                                    Kann man seinen eigenen Hintern lecken?

                                                    5. Bist du für oder gegen Atomenergie?

                                                    Weder noch. Ist mir völlig egal.

                                                    6. Bist du im Großen und Ganzen zufrieden mit der deutschen Außenpolitik?

                                                    Ich kümmere mich auch nicht mehr um dieses Gebiet. Davon bekomme ich nur wieder Migräneattacken.

                                                    7. Wann und wie hast du das letzte Mal versucht die Welt ein Stückchen besser zu machen?

                                                    Wenn ich versuchen würde, die Welt zu verbessern, würde ich ins Gefängnis gehen müssen.

                                                    8. Wie groß bist du?

                                                    Ein Meter Neunundsiebzig.

                                                    9. Wärst du gerne unsterblich?

                                                    Da ich mir das Leben nicht ausgesucht habe, möchte ich nicht unsterblich sein. Immer älter werden, ohne sterben zu können, und wie ein Zombie herumschlurfen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich mit 500 Lebensjahren aussehen würde.

                                                    10. Wann warst du das letzte Mal mutig?

                                                    Das letzte Mal, als ich mutig aber ziemlich bescheuert war, zwang ich mich allein aus innerem, unverständlichem Druck heraus, in die schärfste Chilischote der Welt, die Carolina Reaper, zu beißen, darauf herumzukauen und dann alles in meinem Mund hinunterzuschlucken. Mein Mut wurde reichlich belohnt, denn in mir brach unweigerlich die Hölle los. Mein Körper befand sich in einem kochenden Lavastrom und ich sah, wie Hirnwasser und Nervenflüssigkeit aus meinen Augen und meiner Nase schmolzen. Ich hörte, wie meine Poren platzten und sich weiteten und ein Styx von Ausdünstungen herausquoll. Meine Kleidung verbrannte auf meiner Haut und alles um mich herum, wo immer ich hinging, sogar die Luft schien zu brennen. Ich kotzte Qualm und Asche als Reaktion auf die physikalische Brandstiftung. Die Selbstentzündung wurde durch brennende Atemnot und die damit einhergehende panische Angst, mein Leben zu verlieren, gekrönt. Wegen der drohenden Erstickungsgefahr durch die Glutnester in meiner Lunge, sah ich auch weißes Licht. Die Engel winkten mir, aber ich klebte an dem Lavafelsen, auf dem ich lag, so dass ich nicht zu ihnen gelangen konnte. Ich rief ihnen etwas in einer rückwärts gesrochenen Sprache zu, die ich nicht verstand, die aber nicht existieren sollte. Ich hörte wie der Teufel im Fegefeuer tanzt und mich auslacht während meine Organe verbrutzeln. Mit meiner verkohlten Zunge konnte ich 2 Wochen lang nichts mehr schmecken. Meine Kehle war furztrocken, und das Schlucken von Speisen und einigen Getränken wurde so schmerzhaft als ob Lauge meine Speiseröhre verätzt, sodass ich mich einige Tage lang vorsichtig von lauwarmen, ungeschärften Suppen ernähren musste. Nach dem Zähneputzen wurde mein Mund taub und brannte wie Feuer. Ich musste die Luft anhalten, sonst hätte ich mich übergeben müssen. Ich glaube auch, dass ich Haluzinationen hatte. Ich hörte oft ein Geräusch, das einem Gabelstapler ähnelte, den ich früher fuhr. Ich sah auch Farben auf Gegenständen oder Kleidung von Menschen, die ich kenne, die dort nicht hingehören. Mein Magen hat mich in den Wahnsinn getrieben. Ständig schickte er einen Schwall Magensäure hoch und den Geschmack und die Schärfe der Chilis gleich nochmal mit. Er blubberte und brodelte ständig und überall und nicht immer leise. Unnormal in der Öffentlichkeit, zum Beispiel an Bushaltestellen. Ich warte auf den Bus und plötzlich fängt mein Magen laut an zu knurren und zu rülpsen, in einem lang anhaltenden Ton und für eine ziemlich große Zeit. Die Leute die das gehört haben, mussten denken, dass ich am verhungern bin. Oder beim Einkaufen an der Kasse. Mit einem Mal merke ich, wie Saft in mir hochkommt, begleitet von einem unnatürlichen Gegluckse und Rumoren, hinter mir steht eine Warteschlange, und die Kassiererin schaut auf das Toilettenpapier, das ich kaufe, aber es will oben raus, nicht das was in dem Moment wohl alle gedacht haben. Nachts konnte ich deshalb nicht gut schlafen und als ich endlich einschlief, hatte ich unübersichtliche und merkwürdige Fieberträume. Er war so laut, als ob jemand neben einem liegen würde und schnarcht. Wenn man dann auf die Idee kommt, die Person mit einem Kissen zu ersticken, um sie ruhig zu stellen, überlegte ich ernsthaft, meinen Magen abzustechen um meinen Frieden zu bekommen. Ein tolles Lebensereignis was ich meinem Mut zu verdanken hab.

                                                    11. Was denkst du, ist der Grund dafür, dass du diesen Fragebogen ausfüllst?

                                                    Ein Grund:

                                                    Sag mir den Grund
                                                    Sag mir den Grund, das tut mir weh
                                                    Ich häng ihr eine Parkpank um den dünnen Hals
                                                    Nun hat sie ihren Grund
                                                    Der Wald ist schön und tief der See

                                                    12. Wie oft im Jahr bist du krank?

                                                    So gut wie selten. Müsste man aber auch beim lesen der Antworten erkennen.

                                                    13. Gibt es etwas, dass du der Allgemeinheit einfach mal mitteilen möchten?

                                                    Noch nicht.

                                                    14. Was ist der schönste Name, den du je gehört hast?

                                                    Namen

                                                    Namen hört' ich viele
                                                    Die meißten auch gesehn
                                                    Ich setz mir neue Ziele
                                                    Nicht alle waren schön

                                                    15. Liest du Bücher mehr als einmal?

                                                    Das einzige Buch was ich mehrmals gelesen habe ist das Horror Meisterwerk mit gerade mal 150 Seiten "Das Schwein" von Edward Lee. Dieser Autor ist ein perverses geisteskrankes Genie. Seine Werke sind extreme Horrorgeschichten mit explizieten darstellungen körperlicher und sexueller Gewalt. Das ist literarische Körperverletzung. Nicht in öffentlichen Buchhandlungen erhältlich sondern nur als Privatdruck ohne ISBN.

                                                    16. Magst du Kaffee? Wenn ja, wieviel trinkst du am Tag?

                                                    Zuhause 1-2 Tassen Kaffee. An ruhigen Arbeitstagen manchmal 3-7 Becher.

                                                    17. Sind Märchen pädagogisch wertvoll?

                                                    Als Kind haben mich die Märchen verstört. Ich hatte Angst vor Hexen, weil sie Kinder kochen und essen. Und vor fast jeder älteren Frau auf der Straße. Ich dachte, das Altersheim, in dem meine Großmutter untergebracht war, sei eine Art Hexenrestaurant und die Pflegerinnen seien die Köchinnen. Ich war etwa 4 oder 5 Jahre alt und meine Großmutter war schon 91. Ich dachte, sie sei eine der Chefinnen in diesem Lokal. Sie war taub und schrie die Küchenangestellten und meine Eltern an, wenn sie sprach, was mir nur noch mehr Furcht einjagte. Wenn sie aufstand und, leider von Krankheit gezeichnet, langsam und zitternd zu mir kommen wollte, um mich zu umarmen oder mir einen Kuss zu geben, hatte ich immer das Bild der Hexe aus dem Märchen im Kopf, die kleine Kinder lebendig in große Backföffen schiebt, um sie zu fressen. Leider bedeutete dies, dass ich keine Verbindung zu ihr aufbauen konnte, wie es andere Kinder mit ihren Großmüttern tun. In meinem Fall wohl nicht pädagogisch wertvoll.

                                                    8. Schon mal im blassen Mondlicht mit dem Teufel getanzt?

                                                    Ja. Nachdem ich die Carolina Reaper verzehrt hab.

                                                    19. Hättest du es als angenehmer empfunden wenn diese Fragen in der Sie-Form gestellt gewesen wären?

                                                    Ja. Denn dann wären die Antworten auch etwas förmlicher gewesen.

                                                    20. Was würdest du tun wenn du unsichtbar wärst?

                                                    Ich würde alle wertvollen Gemälde und andere Kunstgegenstände auf der Welt berühren, zu denen es sonst schwierig ist, Zugang zu erhalten.

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