Chainsaw Charlie - Kommentare

Alle Kommentare von Chainsaw Charlie

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    Chainsaw Charlie 19.12.2021, 15:20 Geändert 19.12.2021, 15:24

    "Malignant" ist gleichermaßen lächerlich und entsetzlich und beweist, dass Regisseur James Wan alles tut, um einen Schock heraufzubeschwören, selbst wenn seine Reichweite weit über sein Fassungsvermögen hinausgeht. James Wan ist unbestritten der moderne König des Horrors, denn er hat mit "Saw", "Insidious" und "The Conjuring" gleich drei populäre Horrorfilme gedreht, die alle seinen Namen tragen. "Malignant", die 11. Regiearbeit des australischen Filmemachers, fühlt sich definitiv wie eine Verschmelzung seiner Horrorarbeiten an, doch dieser Schein ist weniger als die Summe seiner Teile. Tatsächlich ist "Malignant" einer von Wans bisher schlechtesten Filmen, wenn auch einer mit einer verrückten Überdrehtheit, die fast verführerisch ist, wenn James Wan nur nicht alles so ernst nehmen würde. In "Malignant" spielt Annabelle Wallis die Rolle von Madison, einer kürzlich verwitweten Krankenschwester, die Visionen von einer langhaarigen, in einen schwarzen Trenchcoat gekleideten Gestalt hat, die wahllos und brutal Menschen ermordet. Natürlich dauert es nicht lange, bis eine Verbindung zwischen den beiden hergestellt ist. Ich will hier nicht verraten, wie Wan das anstellt, aber dass es seine bisher bekloppteste Idee ist, kann man wohl getrost so sagen. Warum also funktioniert "Malignant" nicht? Es hat alles mit dem Stil und dem Inhalt zu tun. Zu viel von Ersterem und ein heilloses Durcheinander von Letzterem. James Wan versucht, die Bizarrheit des Video Nasty Splatterfestes der 80er Jahre heraufzubeschwören, und tut dies mit dem Lack seiner Conjuring Filme. Wenn es jemals einen Zeitpunkt für Wan gegeben hätte, seine sorgfältig konstruierte Herangehensweise an das Filmemachen zurückzuschrauben und etwas Roheres, Praktischeres und etwas, bei dem man die Augen verdreht, zu machen, wäre "Malignant" der richtige Zeitpunkt gewesen. Nehmen wir das Filmmonster als Paradebeispiel. Es ist eine große, hagere Gestalt mit langem, strähnigem Haar und einem besonderen Sinn für Eleganz. Es sieht aus wie ein Imitat aus einem Wachowski-Film, während es sich windet und krümmt und sich seinen Weg durch eine Masse von abgeschlachteten Leichen bahnt, in einer wenig überzeugenden Gewaltdarstellung, die eher in einen superheldischen Film gehört. James Wan bringt hier auf jeden Fall eine gewisse Ambition ins Spiel. Viele Horrorfilme des Mainstreams sind formelhaft geworden, was zugegebenermaßen auf Wans Einfluss zurückzuführen ist. Daher ist sein Eifer, die Dinge mit einem so wahnwitzigen Film wie "Malignant" aufzurütteln, durchaus zu begrüßen. Aber wenn James Wan es nicht schafft, sich voll und ganz auf diesen potentiellen Horrorfilm der Exploitationära einzulassen, ist das Ergebnis ein Horrorfilm mit einer schweren Persönlichkeitsstörung und einem Mangel an Gruselstimmung.

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      Chainsaw Charlie 18.12.2021, 13:31 Geändert 18.12.2021, 23:19

      Bitte stellt sicher, dass ihr euch entspannt fühlt, bevor ihr den Dokumentarfilm "137 Schüsse" anseht, denn die Schilderungen dieser Vorfälle könnten wütend machen.
      "137 Schüsse" von Regisseur Michael Milano untersucht zwei Fälle in Cleveland, bei denen weiße Polizeibeamte schwarze Bürger getötet haben. Der erste Fall, die Erschießung von Timothy Russell und Malissa Williams, gibt dem Film seinen Titel, weil die Polizei 137 Schüsse auf das Auto abfeuerte, in dem die beiden saßen. Beide waren unbewaffnet. Der zweite Fall ist vielleicht bekannter. Zwei Polizeibeamte erschossen einen zwölfjährigen Jungen, Tamir Rice, der ein Luftgewehr in der Hand hielt. Der Dokumentarfilm untersucht diese Fälle, die Ursachen der Polizeigewalt und bietet Lösungsvorschläge verschiedener schwarzer Führungspersönlichkeiten. Wenngleich einige dies für eine einseitige Darstellung halten mögen, gibt es Interviews, die die Perspektive der Polizei und der Polizeigewerkschaften aufzeigen. Die Zahl der Vorfälle kann jedoch nicht so hoch sein, dass dies kein Thema ist. Der erste Polizeibeamte, der sie anhielt, hat zweimal gelogen. Dann sagt die ranghöchste Beamtin bei der Verfolgung, dass sie nichts an dieser besagten Nacht ändern würde, unabhängig vom Ergebnis, wie gefährlich es ist, so viele Polizeiautos mit so hoher Geschwindigkeit durch eine Großstadt fahren zu lassen, nur weil ein "Schuss" gefallen ist und danach keine bestätigten Schüsse abgefeuert wurden. Dies sind ihre eigenen Worte. Ich denke, dies spiegelt zumindest sehr gut wider, was in Amerika vor sich geht. Ich weiß zwar, dass nicht alle Polizeibeamten falsch sind, aber es gibt ein systemisches Dilemma, wenn so etwas immer und immer wieder passiert. Außerhalb eines Kriegsgebiets gibt es keinen Grund für 137 Schüsse.

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        Chainsaw Charlie 17.12.2021, 20:11 Geändert 17.12.2021, 20:30

        Von der ersten Einstellung von "The Human Voice", der neuen Adaption von Jean Cocteaus Theaterstück aus dem Jahr 1928 durch Regisseur Pedro Almodóvar, ist seine Wertschätzung und sein Verständnis für Tilda Swinton mit Händen zu greifen. Der Kurzfilm, beginnt mit einer schwach beleuchteten Nahaufnahme von Swintons Gesicht. Dann folgt er ihr in einem Samtkleid und mit einem orangefarbenen Haarschopf, während sie durch ein düsteres, industrielles Interieur schwebt in welchem sie eine Axt kauft. In den restlichen 30 Minuten des Films entwirft Almodóvar eine ähnliche Geschichte wie Cocteaus Original, die in Paris spielt. Das französische Drama, das von Verzweiflung und Verlust geprägt ist, dreht sich um ein Telefongespräch zwischen einer Frau und einem unsichtbaren, nicht zu hörenden Mann, der sie verlässt, um eine andere Frau zu heiraten. In Pedro Almodóvars Version spielt Tilda Swinton die Rolle der Frau, einer erfahrenen Schauspielerin, deren Geliebter, mit dem sie seit vier Jahren verheiratet ist, in der gemeinsamen Wohnung nicht aufzufinden ist, abgesehen von einem auf dem Bett liegenden leeren Anzug und einer Reihe von Koffern, die darauf warten, endlich abgeholt zu werden. Nach einer Handvoll Pillen, die sie mit Weißwein hinuntergespült hat, nimmt die Frau den Anruf ihres namenlosen Ex-Geliebten entgegen, und es entsteht ein vergnügliches Durcheinander aus abgehackter Verzweiflung, erzwungener Gleichgültigkeit und einem allmählichen Anschwellen der Verklärung. Mit Tilda Swinton, die manchmal neben einem makellos trainierten Border Collie die Leinwand dominiert, greift Pedro Almodóvar auf frühere Kollaborationen zurück, um eine glaubwürdige und opulente Welt zu schaffen. Liebhaber werden mit dem eklektischen, farbgewaltigen Produktionsdesign von Antxón Gómez vertraut sein, das von Kameramann José Luis Alcaine perfekt eingefangen wurde. Kostümbildnerin Sonia Grande kleidet Tilda Swinton in einen mohnroten, gerippten Hosenanzug, eine überdimensionale Sonnenbrille und später in ein schäbiges Outfit, bei dem einem die Knie weich werden. Als früher Test für Dreharbeiten in der Quarantäne schafft es "The Human Voice", seine Umgebung zu umarmen, anstatt sie mit einer Axt zu zerhacken. Die Kamera schwenkt oft über Trennwände oder filmt von oben. Pedro Almodóvars neuester Film ist ein behagliches, unaufdringliches Melodrama mit einer willkommenen Botschaft: Auch in schwierigen Zeiten ist das Leben das, was man daraus macht.

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          "Gonzo: The Life and Work of Dr. Hunter S. Thompson" von Regisseur Alex Gibney ist ein schillernder Dokumentarfilm über den berühmten Journalisten und Autor Hunter S. Thompson, gespickt mit Filmausschnitten aus "Fear and Loathing in Las Vegas" und anderen auf Thompsons Schriften basierenden Werken. Der Film enthält Interviews mit einer Vielzahl berühmter Persönlichkeiten und wird von Johnny Depp vorgetragen, der Thompson in dem Film "Fear and Loathing in Las Vegas" verkörperte. Bisweilen wirkt "Gonzo: The Life and Work of Dr. Hunter S. Thompson" wie eine kostenlose Werbung für "Fear and Loathing in Las Vegas" und andere Filme, die auf Thompsons Leben und Schriften basieren. Für den Film wurden Interviews mit dem ehemaligen Präsidenten Jimmy Carter, dem konservativen Kommentator Pat Buchanan, dem Singer-Songwriter Jimmy Buffett, dem Politiker Gary Hart, dem Schriftsteller Tom Wolfe, Thompsons Ex-Frau und Witwe sowie anderen Freunden und Bekannten geführt. "Gonzo: The Life and Work of Dr. Hunter S. Thompson" behandelt Thompsons Leben und Tod und sein eindrucksvolles Werk. Er würdigt Thompsons dunkle Seite, seine Faszination für Waffen, seinen Alkoholismus, seine Drogensucht, seine Wutanfälle, seine geistige Instabilität und seine schweren Depressionen. Natürlich geht der Film auch auf Hunter S. Thompsons berühmtes Alter Ego, Raul Duke, ein, der immer noch als Figur im Doonsberry Comic erscheint. "Gonzo: The Life and Work of Dr. Hunter S. Thompson" illustriert Thompsons Leben recht gut, scheint ihn aber manchmal zu sehr zu verehren. Der Frage, warum Thompson so völlig selbstverliebt sein durfte, geht der Film nicht nach. Offensichtlich hat er gegen zahlreiche Gesetze verstoßen, was das Autofahren, den Drogenkonsum und den Besitz illegaler Schusswaffen betrifft. Offensichtlich hat er die Miete für sein Haus nicht bezahlt. Dennoch durfte er diesen unverschämten, unverantwortlichen Lebensstil bis zu seinem Selbstmord fortsetzen, einer weiteren zügellosen Tat. Thompson ist nie wirklich erwachsen geworden, als er älter wurde. Manche beneiden ihn um diesen Genuss. "Gonzo: The Life and Work of Dr. Hunter S. Thompson" ist eine innovative Untersuchung einer außergewöhnlichen Persönlichkeit, die das Ende der Flower-Power-Bewegung und den Niedergang des amerikanischen Imperiums sah, bevor die meisten es kommen sahen. Wie die meisten Filme über Künstler hat auch "Gonzo: The Life and Work of Dr. Hunter S. Thompson" den Makel, den Menschen viel zu einseitig zu porträtieren. Zu viele Filmemacher vertreten den Standpunkt, dass es für Künstler in Ordnung ist, über dem Gesetz zu stehen, unverantwortlich zu sein, egoistisch zu sein und die Menschen zu verletzen, die sie zu lieben glauben. Einige Filmschaffende scheinen zu glauben, dass das Etikett des Künstlers diese Person dazu berechtigt, sich sehr destruktiv und verletzend zu verhalten, wie es Hunter S. Thompson tat. Andere Menschen, die keine Künstler sind, scheinen von der Filmindustrie mit einem anderen Maßstab gemessen zu werden. Ich glaube nicht, dass Präsident George W. Bush von denselben Leuten so gelobt werden würde.

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            Chainsaw Charlie 16.12.2021, 21:08 Geändert 16.12.2021, 22:04

            "The Dead - Die Toten", die Verfilmung der Kurzgeschichte von James Joyce durch den verstorbenen Regisseur John Huston, ist von einer sanften Einfachheit. Die Bilder fließen so leicht und das Filmemachen ist so zurückhaltend, so direkt und sparsam, dass man nicht erwartet, dass er einen so stark berührt, wie er es tut. Hustons Ansatz ist so sicher, dass er an Gelassenheit grenzt. Die Musikalität des Films umhüllt einen, zieht einen in seine Welt und in den Rhythmus seiner Zeit. Beim Zuschauen wird man augenblicklich mitgerissen, und die Erfahrung wie die von allem Großen in der Kunst ist schwärmerisch, verzehrend und erhaben. John Huston erzählt seine Geschichte wie Joyce durch eine Anhäufung von sinnlichen Details. Und die Erzählung, die den Verlauf eines einzigen Abends im Januar 1904 bei einer Party im Haus der Schwestern Kate und Julia Morkan und ihrer Nichte Mary Jane nachzeichnet, wird so natürlich erzählt, als würde sie aus dem Gedächtnis rezitiert. "The Dead - Die Toten" beginnt mit einer Aufnahme des Stadthauses der Morkans in Dublin, als die Gäste aus dem Schnee in das Foyer strömen. Sofort hat man das Gefühl, aus der Kälte zu kommen und in eine Atmosphäre der Häuslichkeit und Wärme einzutauchen. Oben sitzen Tante Julia (Cathleen Delany) und Tante Kate (Helena Carroll) auf dem Treppenabsatz, erkundigen sich nach ihren Gästen und nehmen deren Komplimente entgegen. Die Party der Morkans ist ein jährliches Treffen von Dubliner Intellektuellen, Musikern und kulturellen Größen, und während die Figuren ihren Auftritt haben, sehen wir, dass die Schwestern seit Jahren als offizieller Mittelpunkt der kulturellen Welt der Stadt fungieren. Jeder der Charaktere ist den anderen gut bekannt, und ihre Rollen in der Gruppe haben sich im Laufe der Zeit fest etabliert. So wie Huston sie zeichnet, erscheinen die Mitglieder der Gruppe als liebevolle komische Porträts. Und die Arbeit, die er von seinen Darstellern, die meisten von ihnen sind bekannte irische Charakterdarsteller - erhalten hat, ist die genialste Art des Ensemblespiels. Das Vergnügen, das wir dabei empfinden, diesen Schauspielern dabei zuzusehen, wie sie ihre Rollen ausfüllen, ist nicht zu unterschätzen; eine glorreichere Ansammlung von Gesichtern hat es auf der Leinwand wohl nie gegeben. Und Huston scheint in diesem Reichtum zu schwelgen. Was John Huston in seiner ganzen Fülle vermittelt, ist Joyces Sensibilität für die Reize des Ortes und der Kontrapunkt seiner Angst, dass sie ihn verstricken und seine Flucht verhindern könnten. Die Figur des Gabriel (Donal McCann), der für die britische Zeitung Bücher rezensiert und wegen seines unpatriotischen Verhaltens von einem der Gäste getadelt wird, ist die Vision des Schriftstellers von sich selbst als einem Versager mittleren Alters, als dem Künstler, der in der wohligen Glut des Herdes der Morkans verweilte und dann verwelkte. Gabriel ist das selbstbewusste Zentrum des Films. Wir sehen die Ereignisse des Abends und die Handlungen der Figuren durch seine Augen, und McCann gelingt es hervorragend, die Mischung aus Verachtung und Bedauern, die Gabriel empfindet, zu zeigen. Gabriel kann nicht anders, als sich der liebenswerten Engstirnigkeit seiner Freunde gegenüber als überlegen zu betrachten. In der Erzählung ist Gabriels Abneigung vehementer. Er hasst die Langweiligkeit der Provinz und sehnt sich danach, woanders zu sein, wo neue Ideen aufbrechen. Huston hat diese Gefühle abgemildert. Gabriels Stimmung ist eher resigniert als zornig. Und seine Neigung zu einem großspurigen Auftreten ist Anlass für gutmütige Sticheleien seiner Frau Gretta (Anjelica Huston) geworden. Huston und sein Sohn Tony, der das Drehbuch geschrieben hat, haben sich bei der Erzählung dieser Geschichte den zurückhaltenden formalen Klassizismus von Joyce zu eigen gemacht. Letztlich stützen sie sich auch auf die Worte des Schriftstellers, und die Affinität, die Huston zu seinem Stoff empfindet, ist hier in jeder Einstellung zu spüren. Man meint fast, die starke, Whiskey und Zigaretten rauchende Stimme des Regisseurs unter den Bildern zu hören. Für John Huston war es der letzte Film, und er ist ein großartiges Abschlusswerk. Als solches könnte er nicht perfekter sein. "The Dead - Die Toten" ist klangvoll, bewegend und zutiefst komisch. Es ist ein Werk von großem Gefühl und Schönheit.

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              In "Vorstadt" von Regisseur Boris Barnet sind viele Dinge am Werk. Sie greifen nicht unbedingt alle ineinander, aber sie sind vorhanden. Es handelt sich hierbei größtenteils um einen ernsten Kriegsfilm, aber es gibt auch Pferde, die sprechen, und Figuren, die in die Kamera zwinkern, um einen komischen Effekt zu erzielen. Unter dem Deckmantel einer Erzählung über eine kleine russische Stadt zu einem entscheidenden Zeitpunkt in der Geschichte gibt es eine Handlung über eine kleine Schuhfabrik, die bestreikt werden soll, eine über einen deutschen Mieter in Russland und seinen Vermieter, über deutsche Kriegsgefangene, die in der Stadt festgehalten werden, und deren Suche nach Arbeit, und eine über eine mögliche Romanze zwischen einem der Soldaten und der Tochter des Vermieters - und das, bevor wir für die letzten zwanzig Minuten ins Jahr 1917 springen. Einige dieser Subplots sind auf interessante Weise miteinander verwoben, aber nicht alle. "Vorstadt" ist in einem sehr eindrucksvollen visuellen Stil gefilmt und steckt voller einprägsamer Bilder. Gelegentlich wird sogar ein bildliches Wortspiel für einen Szenenwechsel verwendet, aber er hat immer noch die frühere Eigenschaft, sich eher langsam zu bewegen. Das wäre in Anbetracht der interessanten Bilder kein Problem, wenn es nicht zur Zerstückelung der Geschichten beitragen würde. Im Kern ist der Konflikt des Vermieters, der zwischen der Zuneigung zu seiner Mieterin und dem Nationalismus, der ihn gegen die Deutschen aufbringt, hin und her gerissen ist und sich später wieder damit auseinandersetzen muss, als er seine Tochter mit dem deutschen Gefangenen erwischt, sehr ergreifend. Es erlaubt auch mehrere widersprüchliche und dreidimensionale Charaktere inmitten der Geschehnisse. Die Übergänge zur Revolution wirken auf den Zuschauer deplatziert und unzusammenhängend, aber vielleicht wurde das damals dadurch abgemildert, dass es sich für die Zielgruppe dieses Films um einen Krieg in der Heimat handelte, an den sie sich noch gut erinnern konnten und der für sie von unmittelbarer Relevanz gewesen sein dürfte. Alles in allem ist "Vorstadt" imposant gemacht, kommt aber nicht ganz so gut weg, weil sein Sujet zu diffus ist, um eine einheitliche Linie zu bilden, aber auch nicht so breit gefächert, wie es sein müsste, wenn er ganz die Geschichte einer Stadt sein wollte. Aber er ist es Wert, gesehen zu werden, sowohl wegen des historischen Interesses als auch wegen der lobenswerten Kameraführung und Regie.

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                Chainsaw Charlie 16.12.2021, 11:18 Geändert 16.12.2021, 11:24

                Von den Gründen für Sophies Entscheidung, Weihnachten fern von ihrer Familie zu verbringen, über Ian Baileys lückenhaftes Alibi bis hin zu Zeugenaussagen, und Fragen, die die Dokumentation "Sophie: Ein Mord in West Cork" über den wahren Fall aufwirft, machen sie zu einer fesselnden Angelegenheit. Die erste Folge war zweifellos die stärkste, da sie sich ganz auf Sophie und den grausamen Vorfall selbst konzentriert. Dann geht es weiter mit der Verhaftung, der erneuten Inhaftierung und den verschiedenen Prozessen, die folgten. So atemberaubend diese ländlichen irischen Landschaften auch aussahen, ich hatte das Gefühl, dass dies ein Ort ist, der seine Geheimnisse sehr leicht verbergen kann. Er hat wirklich diese unerklärliche, unheimliche Seite an sich. Die erste Folge endet mit einem der besten Cliffhanger, die man in den letzten True-Crime-Dokumentationen finden konnte. Diese Story musste erzählt werden, und zwar so, dass wir die Geschichte der Sophie Toscan du Plantier verstehen und mit ihr mitfühlen können. Gut gefallen hat die Tatsache, dass sich die Dokumentarserie nicht zu sehr auf die Analyse der Trauer der Familie konzentriert, sondern sich an die öffentlich bekannten Fakten des Falles hält. In den wenigen Momenten, in denen versucht wurde, die Trauer zu thematisieren, gingen die Macher sehr subtil mit dem Thema um. Es erstaunt mich, dass die Einheimischen 25 Jahre später immer noch so viel über den Vorfall zu sagen haben. Die meisten von ihnen leben immer noch in Schull, dem Ort, an dem der Mord geschah, und sind Teil der eng verbundenen Gemeinschaft. Man kann sehen, wie der erste Mord dieser Art das Leben all dieser Menschen geprägt hat. Die Interviews mit Bailey selbst zeichnen ein ganz anderes Bild. Sagt dieser Mann wirklich die Wahrheit über seine Unschuld oder ist er der Mörder, für den ihn viele halten? Dass der Mörder von Sophie zweieinhalb Jahrzehnte später immer noch auf freiem Fuß ist, ist das, was uns als Betrachter ärgert. Ich empfehle, völlig unvorbereitet in diese Dokumentation zu gehen. Schaut euch vorher nicht die Details des Falles an, ihr werdet mir später dafür danken!

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                  Chainsaw Charlie 14.12.2021, 17:18 Geändert 14.12.2021, 18:49

                  "Dig Deeper: Das Verschwinden von Birgit Meier" zeigt die unerbittliche Suche eines Bruders nach allen Informationen über seine verschwundene Schwester. Die meisten Menschen haben bestimmte Tage und Daten in ihrem Gedächtnis gespeichert, die für sie vielleicht sehr traumatisch waren. Für die Familie von Birgit Meier war das der 14. August 1989. An diesem Tag verschwand Birgit Meier aus Lüneburg und es gab keine Antworten auf die Frage, wo und warum dies geschah. "Dig Deeper: Das Verschwinden von Birgit Meier" lässt verschiedene Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörden, die Familie, Kollegen und Freunde von Birgit über ihr Verschwinden sprechen. Birgit Meier wurde von ihrer Familie als eine sehr mitfühlende und lebhafte Frau beschrieben, die ihre Tochter abgöttisch liebte. Niemand konnte verstehen, warum sie ihre Tochter einfach so verlassen hat. Die Polizei in Lüneburg ging zunächst von einem Selbstmord aus. Ihre Familie weigerte sich jedoch, diese These zu glauben. Zum Zeitpunkt ihres Verschwindens befand sich Birgit in einer Scheidungsphase mit ihrem Ehemann Harald Meier, der bald zum Hauptverdächtigen in diesem Fall wurde. Um die Zeit von Birgits Verschwinden herum wurden zwei Fälle von Doppelmord aus dem Göhrder Wald gemeldet, und die Polizei hatte mit all diesen Verbrechen viel zu tun. Infolgedessen wurde Birgits Verschwinden von der Polizei weniger beachtet. Für Familien, die Zeuge eines Verbrechens oder eines spurlosen Verschwindens geworden sind, kann dies schwer traumatisierend sein. Außerdem kann die mangelnde Kooperation der Strafverfolgungsbehörden natürlich dazu führen, dass sie die Sache selbst in die Hand nehmen wollen. Aber nicht alle Familien können das tun. Glücklicherweise war Birgits Bruder Wolfgang zu dieser Zeit Leiter der Kriminalpolizei in Hamburg. Er hatte beträchtlichen Einfluss, um die Aufmerksamkeit auf den Fall seiner Schwester zu erhöhen. Konkrete Hinweise auf den Fall fand die Polizei erst 1993. Sie erfuhr, dass sie einige Wochen vor ihrem Verschwinden den Gärtner Kurt Werner Wichmann bei einer Geburtstagsfeier in einem Nachbarhaus kennengelernt hatte. Er wurde jedoch nie befragt. Die Polizei durchsuchte sein Haus und fand einige sehr beunruhigende Einzelheiten, darunter Waffen, Beruhigungsmittel und eine versteckte Einrichtung für Folterungen. Der Gärtner erhängte sich, um der Verhaftung zu entgehen. Birgit Meiers Überreste wurden erst 2017 gefunden.

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                    Maria Falconettis Antlitz in Carl Theodor Dreyers Stummfilmklassiker "Die Passion der Jungfrau von Orleans" ist eines der unauslöschlichsten Bilder der Filmgeschichte. Ihre hypnotisierende Darstellung ist berührend schön und herzzerreißend, ohne ein einziges hörbares Wort zu reflektieren. Es gibt wenig, was man über Die Passion der Jeanne d'Arc, das Thema unzähliger Essays, Analysen und cinephiler Gespräche, sagen kann, das nicht in den 90 Jahren seit seiner Veröffentlichung zerlegt oder besessen worden ist. Der Prozess und die Qualen der Jeanne d'Arc und die Ereignisse, die sie umgeben, haben eine Unmittelbarkeit und Intensität, die von Dreyer und dem Kameramann Rudolph Maté brillant eingefangen wurde. In den mehr als 1.300 Aufnahmen des Films (plus Titelkarten) werden verschiedene Blickwinkel verwendet, wobei jedes Bild Stimmungen von Eindringlichkeit bis hin zu Unsicherheit und Sehnsucht vermittelt. Die Mischung aus Licht und Schatten vertieft die Atmosphäre und steigert den Einsatz. Die Dekonstruktion von Einstellungen und Kamerabewegungen könnte tausend Denkanstöße liefern. Kamerafahrten von der Galerie der Inquisitoren oder einer Karnevalsszene, Luftaufnahmen mit einem Pendel und Nahaufnahmen von Gesichtern verweigern sich der Formalität und machen auf die Heuchelei und die Verärgerung des Verfahrens aufmerksam. Falconettis durchdringende Blicke und ihre emotionale Kraft bilden die Grundlage für den Weg vom angeklagten Häretiker zum Märtyrer. Mit manchmal überwältigender Ernsthaftigkeit, ihre Iris ganz in Weiß gehalten, lässt sie uns an ihre Verbindung mit Gott glauben. Wir spüren ihre Qualen, wenn die Tränen über ihre Wangen laufen. Wir spüren die Konflikte, den Druck und den Schmerz des Prozesses und der Folter, die sie aus der Seele reißen. Es ist eine Darbietung mit zahllosen glühenden Adjektiven. "Die Passion der Jungfrau von Orleans" ist ein erschütternder Film, klaustrophobisch in seiner Verwendung von Großaufnahmen, die Jeanne's emotionalen und mentalen Zustand unverblümt aufzeichnen. Jedes Bild wird zu einer Leinwand für Dreyers gnadenloses Porträt des Leidens. Zwar konnte Dreyer das 1927 noch nicht wissen, doch ist es auch beunruhigend prophetisch. Johannas Leidensweg, als sie verhöhnt, erniedrigt und mit kahlgeschorenem Kopf auf den Tod warten muss, bietet einen abschreckenden Einblick in den staatlich sanktionierten Massenmord, der einige Jahre später Millionen von Menschen in Europa das Leben kosten sollte. Härte und Erhabenheit sicherten Dreyer den Status als einer der schonungslosesten Regisseure des Kinos.

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                      "Night of the Animated Dead" ist ein Remake von George A. Romeros Klassiker "Night of the Living Dead" aus dem Jahr 1968 und könnte mit seiner schlichten, aber auffälligen Animation einige neue Fans finden. Auch wenn der Shot-by-Shot-Ansatz ein wenig redundant erscheint, erinnert er uns zumindest daran, warum das Original so unauslöschlich ist. Es erfindet ein Genre neu und spricht dabei ganz einfach sehr pointierte Themen an. Zumindest halten das hohe Tempo und die farbenfrohen, blutigen Szenen dieser Version das Gefühl der nagenden Spannung aufrecht. Beim Besuch des Grabes ihres Vaters werden die Geschwister Barbara und Johnny von einem Untoten angegriffen. Die verängstigte Barbara flieht in ein nahe gelegenes Farmhaus, wo sie Ben trifft. Während die menschenfressenden Untoten ihnen auf den Fersen sind, entdecken sie, dass sich noch andere im Keller verstecken. Der sture Harry und seine Frau Helen sowie der jüngere Tom und seine Freundin Judy. Die Männer sind sich nicht einig, wie sie die Situation überleben sollen, beschließen aber, etwas dagegen zu tun. Doch die Horde draußen wächst, und ihre Lage wird immer prekärer, während sie auf ein Rettungsteam warten. Die Gestaltung des Films enthält einige nette Details, wie die Retro-Animation, die Erinnerungen an ruckelige Zeichentrickfilme aus den späten 1960er Jahren wachruft, mit zusätzlicher Grafizität. Es ist ein faszinierender Ansatz, und Regisseur Jason Axinn findet Wege, den Figuren trotz der skizzenhaften Bilder Tiefe zu verleihen. Echos von Radiomeldungen im Hintergrund sorgen für ein wachsendes Gefühl von Dramatik und Spannung, während Fernsehberichte sowohl Details als auch Spekulationen liefern und ein örtlicher Polizist mit vorgehaltener Waffe eingreift. Und die Art und Weise, wie die Figuren plötzlich und oft unnötig sterben, ist zutiefst erschreckend. Was "Night of the Animated Dead" von den meisten Zombiefilmen unterscheidet, ist die Fokussierung auf die widersprüchlichen Interaktionen zwischen den Figuren. Die Animationen schränken die emotionale Beteiligung des Zusehers ein, doch die unaufdringliche Spracharbeit verleiht diesen ungleichen Menschen, die in einer eskalierenden, verzweifelten Situation immer wieder aneinandergeraten, eine spürbare Wirkung. Die Meinungsverschiedenheiten reichen von ruhigen Diskussionen bis hin zu Schreikämpfen, die alle mit emotionalem Ballast verbunden sind. Und sowohl Panik als auch hartnäckiger Egoismus bringen Leben in Gefahr. Die Ideen sind großartig, auch wenn die Filmemacher nicht viel Neues auf den Tisch bringen. Während "Night of the Animated Dead" sowohl Genre- als auch Animationsfans ansprechen dürfte, die mit dem Originalfilm nicht vertraut sind, wird die etwas simple Gestaltung des Films verhindern, dass er jemals zu einem eigenständigen Juwel wird. Aber er hat seinen Wert, indem er dazu anregt, den Klassiker von 1968, der auch mehr als 50 Jahre später noch Kultstatus hat, erneut zu sehen.

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                        Die Neigung der Hollywoodindustrie, Horrorfilmreihen zu recyceln, erreicht mit "Candyman" von Regisseurin Nia DaCostas zeitgemäßer, relevanter und kluger Neuauflage des Originals von Bernard Rose aus dem Jahr 1992, einen neuen Höhepunkt. Es folgten zwei Fortsetzungen in den Jahren 1995 und 1999, die beide nicht an die Qualität und den Erfolg von Roses Film heranreichten. Mit diesem neuen Teil, der halb als Fortsetzung, halb als Neustart funktioniert, hat Nia DaCosta, würdevoll diese großartige Mischung aus Horror und Sozialkritik wieder aufgenommen. Der Künstler Anthony McCoy ist vor kurzem mit seiner Freundin Brianna, einer Kunsthändlerin, in eine teure Wohnung in Chicago gezogen. Auf der Suche nach Inspiration für eine neue Serie von Kunstwerken befasst sich Anthony mit der Vergangenheit von Cabrini-Green, einem überwiegend von Schwarzen bewohnten Viertel, auf dessen Spuren die Luxussiedlung errichtet wurde. Als er von dem lokalen Mythos des "Candyman" und der gewaltvollen Vergangenheit von Cabrini-Green Kenntnis erlangt, findet er das kreative Material, nach dem er sucht. Er riskiert auch, alte Wunden wieder aufzureißen, die fast 30 Jahre lang versiegelt geblieben waren. "Candyman" ist ein enormes und überzeugendes Werk, dem es gelingt, einen alten Horrorklassiker wiederzubeleben und gleichzeitig einen ganz eigenen Pfad durch das Thema zu beschreiten. Es vermischt den Slasherfilm mit Inhalten wie urbanen Mythen, Rasse und Klasse, Gemeinschaft und einer überraschenden Portion Body Horror. Dabei ehrt Nia DaCosta den Originalfilm, ohne ihre eigenen Intentionen aus den Augen zu verlieren. Der Candyman von 1992 war und ist ein hervorragender Horrorfilm. Mit seiner Wiederbelebung im Jahr 2021 wurde die Erzählung der Schwarzen, die dem früheren Film zugrunde lag, von schwarzen Filmemachern aufgegriffen und weiterentwickelt. Eine wirkungsvollere Fortsetzung kann man sich wohl kaum vorstellen. Fans des reinen Horrors kommen hier auf ihre Kosten, denn es wird mit vielen verschiedenen Formen gespielt. Die altmodischen Gräueltaten mit glücklosen Opfern, die von einem unsichtbaren, hakenbewehrten Feind zu Tode geschlachtet werden, sind wieder da und werden hervorragend in Szene gesetzt. Darüber hinaus wirken die übernatürlichen Elemente und die Erzählung des urbanen Mythos stärker und effektiver als je zuvor. Der Originalfilm musste eine tragische Hintergrundgeschichte aus dem 19. Jahrhundert erfinden, um das gleiche Gefühl zu erzeugen. Der neue "Candyman" kann sich für den gleichen Zweck problemlos auf den alten Film verlassen. Geschickt in die Handlung eingeflochten ist sowohl eine zeitgenössische Reflexion der Figur des Candyman im Lichte der Black Lives Matter Bewegung, als auch der generationenübergreifenden Gewalt. Candymans Existenz wird hier in erheblichem Maße neu interpretiert, und diese Veränderung zahlt sich gewaltig aus. Dies ist einer der seltenen und wirkungsvollen Horrorfilme, die über ein einfaches Genrestück hinausgehen. Dies ist ein Horrorfilm, in dem es um etwas geht. Dazu trägt natürlich auch bei, dass das Ganze so stilvoll inszeniert ist. Das Produktionsdesign und die Bildgestaltung sind effektiv und lebendig. Der Einsatz von Gewalt auf dem Bildschirm ist maßvoll und zurückhaltend. Eine Mordsequenz in einer Highschooltoilette ist umso schockierender, weil DaCosta sie auslässt, anstatt sie einzubauen. Hintergrundgeschichte und Folklore werden durch traumähnliche Schattenpuppen dargestellt. Die Darbietungen sind durchweg stark, insbesondere Abdul-Mateens wachsende Ausdrücke des Traumas und Parris' proaktive und detaillierte Leistung in einer Rolle, die eine ziemlich gewöhnliche Nebenrolle hätte sein können. Sie sind repräsentativ für einen rundum beeindruckenden Film. Candyman ist sowohl eine Fortsetzung als auch ein Originalwerk und gehört für mein empfinden zu den besten Studioveröffentlichungen des Jahres 2021.

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                          Chainsaw Charlie 12.12.2021, 02:24 Geändert 12.12.2021, 02:28

                          Der Horrorfilm "The Maid - Dunkle Geheimnisse dienen niemandem" des thailändischen Autors und Regisseurs Lee Thongkham ist ein blutrünstiges mörderisches Vergnügen. Thongkham versteht es sehr gut, den Zuschauer in die Irre zu führen, und es gibt auch einige angenehm pointierte Persiflagen auf reiche, versnobte Leute, die Dienstmädchen für so austauschbar halten wie leere Geschirrspülflaschen. Das Dienstmädchen des Titels ist Joy, ein Mädchen vom Lande, das im Dienste der superreichen Uma, einer Frau, die so lächerlich hochmütig ist, dass sie sich zum Frühstück wie eine TV-Moderatorin kleidet und immer einen Zigarettenhalter benutzt, damit die Stummel nicht ihre Lippen berühren. Joy hat entdeckt, dass sie nur das jüngste in einer langen Reihe von Dienstmädchen ist, die es in diesem Haushalt nicht lange aushalten, aber als sie die anderen Bediensteten fragt, werden diese ganz grantig und belehren sie, sie solle keine Fragen stellen und sich nicht in andere Angelegenheiten einmischen. Neben dem Transport von Teetabletts besteht Joys andere Aufgabe darin, auf Umas kleine Tochter Nid aufzupassen, ein süßes kleines Kind mit einer unheimlichen Affenpuppe, die zum Leben erwacht, wenn es niemand sieht. Aber pseudosimianische Spielsachen sind nicht alles, worüber man sich hier Gedanken machen muss. Es gibt noch eine weitere Schattengestalt, die in der Regel nur für das Publikum sichtbar ist, aber auch von den Figuren gespürt wird, die umherschleicht und ein verheerendes Chaos im dritten Akt ankündigt, sobald die ganze Rahmenhandlung aufgeklärt worden ist. Einigen mag das grässliche Blutbad, die exzessive Gewaltdarstellung und die hochstilisierten Kulissen und Kostüme nicht gefallen, und wie bei einigen anderen thailändischen Filmen, die außerhalb Asiens vertrieben werden, bewegt sich der Film an der Grenze zwischen Naivität und Unterhaltung. Genau das macht ihn aber so faszinierend.

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                            Chainsaw Charlie 11.12.2021, 22:55 Geändert 12.12.2021, 02:40

                            Der "Schwarm der Schrecken" des französischen Regisseurs Just Philippot sorgt mit einer Geschichte, die von harmloser Spannung zu einer wirklich traurigen Tragödie übergeht, für etwas Wirbel. Trotz seiner Mängel ist dieser ausreichend beklemmende Horrorfilm einen Blick wert, da er wirklich grausame Bilder und ein anständiges ländliches Drama bietet. Im Drehbuch von Jérôme Genevray in Zusammenarbeit mit Franck Victor geht es um die alleinerziehende Mutter Virginie Hebrard, die mit der Züchtung essbarer Heuschrecken beginnt, um ihre Farm vor dem Bankrott zu retten. Heuschrecken sind dafür bekannt, dass sie Ernten beschädigen, aber in diesem Fall sind sie auf Blut aus. Virginie und ihre frustrierte Tochter Laura legen ein ähnliches Antriebsverhalten an den Tag, wobei die Mutter es bis ins Irrsinnige steigert und sich auf bizarre und unangenehme Weise aufopfert, um ihre finanzielle Stabilität zu sichern. Man hört die ganze Zeit über, dass laute zirpen der Heuschrecken, und das Sounddesign klingt wirklich bedrohlich. Die Parallelen zu Alfred Hitchcocks "Die Vögel" und David Cronenbergs Verstörungstaten sind nachvollziehbar, auch wenn "Schwarm der Schrecken" dieses hohe Niveau nicht annähernd erreicht. Es ist eines dieser Beispiele, bei denen die Botschaft und die Ausführung Hand in Hand gehen, mit beachtlichen Resultaten.

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                              Chainsaw Charlie 11.12.2021, 19:36 Geändert 11.12.2021, 19:44

                              Im Film "Cute Little Buggers" von Tony Jopia plant eine außerirdische Rasse die auf der Suche nach Erdenfrauen zur Wiederbesiedelung ihrer Spezies ist, die Kaninchenpopulation eines kleinen britischen Dorfes in mutierte Deformitäten zu verwandeln, um die Frauen zu entführen und an die Invasoren auszuliefern, was die Männer dazu veranlasst, sich zu wehren und ihren Plan zu verhindern. Ein ziemlich einfallsloser und auch wenig spektakulärer Tierhorrorfilm. Zu den besseren Aspekten gehört die wahnsinnig bescheuerte und dämliche Grundstimmung, die "Cute Little Buggers" durchdringt. Die Eröffnungsaufnahmen der Außerirdischen in ihrem Schiff, die ihre Pläne besprechen, verstärken diese Auffassung schon früh, indem sie zeigen, wie die Aliens in englischer Sprache darüber sprechen, was sie hier zu erwarten haben, worauf dann im weiteren Verlauf des Films aufgebaut wird. Von dem Vorhaben, die Menschheit mit Hilfe von Hasen zu infiltrieren, über die permanenten Diskussionen darüber, wie die Welt läuft, bis hin zu den Polizeikräften der Stadt, die auf alles reagieren, was um sie herum geschieht, ist dieser Film reichlich dämlich und blöd, aber genau das ist das Brauchbare an ihm. Das passt gut zu den Angriffsszenen des Films, da sie diese billige Ästhetik mit ernsthafterer Action mischen. Die frühen Waldangriffe, bei denen die Mädchen zusammenkommen, sind nur einfallslos, doch die großen Actionszenen mit der Flucht aus dem mit Kaninchen gefüllten Wald, dem wilden Angriff auf die Stadtparty oder dem mehrstufigen Überfall auf ihr Versteck, um alle zu retten, bieten eine seriösere Herangehensweise an alles, die den Film insgesamt in Schwung hält. "Cute Little Buggers" ist dennoch ein überlanges Problem, verursacht durch die Verwendung mehrerer nutzloser Nebenhandlungen, um die Laufzeit zu verlängern. Der größte Teil der ersten Hälfte des Films besteht darin, uns die verschiedenen zwischenmenschlichen Beziehungen zu zeigen, von dem Außenseiter, der zu seinem entfremdeten Vater nach Hause zurückkehrt, über seine frühere Freundin, die mit dem Idioten zusammen ist, bis hin zu ihren Freunden, die in ihren eigenen kleinstädtischen Streitigkeiten feststecken, und der schwachen Polizei. Diese Einlagen sind nicht witzig genug, denn sie werden viel zu lange ausgeführt, so dass "Cute Little Buggers" für sein eigenes Wohl zu lang erscheint. Dazu kommen die absolut hanebüchenen Spezialeffekte, die vielleicht der Grund dafür sind, dass der Film so schlecht ist. Die Kaninchen selbst sind eine dürftige CGI-Darstellung, die sie wie echte Kaninchen aussehen lässt, aber das Fell ist falsch und ihre Maße stimmen nicht, was dazu führt, dass die Biester zu groß sind und man sich fragt, warum man nicht die richtigen Tiere verwendet hat. Warscheinlich hätte es das Budget gesprengt, Kosten für Pflege, die Betreuung und das Futter der Tiere auszugeben. Das Blut und die Wunden sehen noch schlimmer aus, und die Aliens hätten die gespaltenen Zungen nicht nötig gehabt. Da waren nur Mankos und Brüste im Film.

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                                Chainsaw Charlie 11.12.2021, 06:09 Geändert 11.12.2021, 06:26

                                "Attack of the Killer Donuts" von Regisseur Scott Wheeler fördert die eigene Blödheit. Die Dialoge klangen trivial und strohdoof. Ich fühlte, wie sich langsam ein starker Abstumpfungsdruck in meinem Schädel aufbaute, und ich verstand, dass sich mein Gehirn auf eine weitere Verblödung und Reduzierung seiner verbliebenen Zellen vorbereitet. Johnny und Michelle arbeiten zusammen bei Dandy Donuts, einem heruntergekommenen Donutgeschäft. Gelegentlich backen sie Donuts, doch verbringen sie auch eine Menge Zeit damit, herumzualbern. Johnny hat eine Freundin, Veronica, die mit anderen Jungs rumhängt und nur wegen des Geldes mit Johnny liiert zu sein scheint. Johnnys Onkel Luther ist ein durchgeknallter Wissenschaftler, der bei Johnny und seiner Mutter lebt. Er führt Experimente mit Ratten durch, denen er eine grünliche Substanz verabreicht, um sie zu reanimieren. Versehentlich landet diese grüne Flüssigkeit in den Dandy Donuts, was zu den Killerkrapfen hinführt. Diese haben kleine Zähnchen, und so kitschig es auch in der Realität klingt, ich habe es genossen, ihnen dabei zuzusehen, wie sie zum Leben erwachen und auf Menschenjagd gehen. Officer Roberts und sein Partner gehen regelmäßig zu Dandy Donuts, um sich gratis zu bedienen. Einige schaffen es, ein paar Donuts tot zu essen, aber das grüne Zeug verwandelt sie in Zombies, bevor es sie endgültig umbringt. Die Killer Donuts erobern den Dandy Donuts und attackieren sämtliche unschuldige Kunden. Niemand ist vor den Killer Donuts sicher und es obliegt Johnny, Michelle und ihrem Freund Howard, die Menschheit vor den Teigwarenangriffen und dem Untergang zu bewahren. Von den Donuts einmal abgesehen, ist die Schauspielleistung teilweise so erbärmlich, dass man sich fragt, ob das beabsichtigt und gewollt ist. Wenn das die Intention war, muss man den Filmemachern ein Kompliment aussprechen, denn ich fand, dass die schlechten schauspielerischen Darbietungen dem Film sogar zugute kamen. Ich war wirklich sehr positiv überrascht und bin mir relativ sicher, dass die donutartigen Spezialeffekte lächerlich aussehen sollten und genau das macht "Attack of the Killer Donuts" so witzig. Es gibt eine Szene, in der die Donuts ein Auto fahren und dann über die Straße hüpfen, und einen ahnungslosen Passanten jagen um ihn tot zu knabbern, die so dermaßen grotesk und irrsinnig war, dass ich urplötzlich, wie ein Irrer loslachen musste und mich gleichzeitig fragte, was zum Kuckuck ich da eigentlich sehe und wieso mich dieser Wahnwitz so fröhlich berührt. Noch während die Morddonuts auf den Straßen für blutiges Chaos sorgen, tüftelt Onkel Luther an einem Gegengift für das grüne Killerzeug, das die Todesdonuts hoffentlich zur Strecke bringt. "Attack of the Killer Donuts" ist ungeachtet des hirnrissigen Konzepts lustig und unterhaltsam. Die Bearbeitung und die Inszenierung sind gut gelungen. Ich hatte zunächst Skepsis ob dieses Films, doch er erwies sich als sehr erheiternd und amüsant.

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                                • Chainsaw Charlie 10.12.2021, 09:23 Geändert 10.12.2021, 23:44

                                  1. Hast du schon einmal eine heiße Tasse Tee bei 40 Grad Außentemperatur probiert? Wenn nein, würdest du es gerne mal probieren?

                                  Nein, habe ich noch nicht. Aber ich würde es tun, wenn da ein Schuss Rum drin wäre.

                                  2. Was war das Konzert, das dich am meisten enttäuscht hat?

                                  Irgendein Subway to Sally Konzert auf dem Wacken Open Air. Ich kann mich nicht mehr an das Jahr oder den Grund erinnern, weil ich damals die gesamte Zeit über betrunken war. Vielleicht war es auch nicht so schlecht. Ehrlich gesagt, bin ich auf Konzerten immer betrunken, also ist die Frage geklärt.

                                  3. Hast du schon mal geklaut?

                                  Jawohl!

                                  4. Kannst du dich am Ellbogen lecken?

                                  Kann man seinen eigenen Hintern lecken?

                                  5. Bist du für oder gegen Atomenergie?

                                  Weder noch. Ist mir völlig egal.

                                  6. Bist du im Großen und Ganzen zufrieden mit der deutschen Außenpolitik?

                                  Ich kümmere mich auch nicht mehr um dieses Gebiet. Davon bekomme ich nur wieder Migräneattacken.

                                  7. Wann und wie hast du das letzte Mal versucht die Welt ein Stückchen besser zu machen?

                                  Wenn ich versuchen würde, die Welt zu verbessern, würde ich ins Gefängnis gehen müssen.

                                  8. Wie groß bist du?

                                  Ein Meter Neunundsiebzig.

                                  9. Wärst du gerne unsterblich?

                                  Da ich mir das Leben nicht ausgesucht habe, möchte ich nicht unsterblich sein. Immer älter werden, ohne sterben zu können, und wie ein Zombie herumschlurfen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich mit 500 Lebensjahren aussehen würde.

                                  10. Wann warst du das letzte Mal mutig?

                                  Das letzte Mal, als ich mutig aber ziemlich bescheuert war, zwang ich mich allein aus innerem, unverständlichem Druck heraus, in die schärfste Chilischote der Welt, die Carolina Reaper, zu beißen, darauf herumzukauen und dann alles in meinem Mund hinunterzuschlucken. Mein Mut wurde reichlich belohnt, denn in mir brach unweigerlich die Hölle los. Mein Körper befand sich in einem kochenden Lavastrom und ich sah, wie Hirnwasser und Nervenflüssigkeit aus meinen Augen und meiner Nase schmolzen. Ich hörte, wie meine Poren platzten und sich weiteten und ein Styx von Ausdünstungen herausquoll. Meine Kleidung verbrannte auf meiner Haut und alles um mich herum, wo immer ich hinging, sogar die Luft schien zu brennen. Ich kotzte Qualm und Asche als Reaktion auf die physikalische Brandstiftung. Die Selbstentzündung wurde durch brennende Atemnot und die damit einhergehende panische Angst, mein Leben zu verlieren, gekrönt. Wegen der drohenden Erstickungsgefahr durch die Glutnester in meiner Lunge, sah ich auch weißes Licht. Die Engel winkten mir, aber ich klebte an dem Lavafelsen, auf dem ich lag, so dass ich nicht zu ihnen gelangen konnte. Ich rief ihnen etwas in einer rückwärts gesrochenen Sprache zu, die ich nicht verstand, die aber nicht existieren sollte. Ich hörte wie der Teufel im Fegefeuer tanzt und mich auslacht während meine Organe verbrutzeln. Mit meiner verkohlten Zunge konnte ich 2 Wochen lang nichts mehr schmecken. Meine Kehle war furztrocken, und das Schlucken von Speisen und einigen Getränken wurde so schmerzhaft als ob Lauge meine Speiseröhre verätzt, sodass ich mich einige Tage lang vorsichtig von lauwarmen, ungeschärften Suppen ernähren musste. Nach dem Zähneputzen wurde mein Mund taub und brannte wie Feuer. Ich musste die Luft anhalten, sonst hätte ich mich übergeben müssen. Ich glaube auch, dass ich Haluzinationen hatte. Ich hörte oft ein Geräusch, das einem Gabelstapler ähnelte, den ich früher fuhr. Ich sah auch Farben auf Gegenständen oder Kleidung von Menschen, die ich kenne, die dort nicht hingehören. Mein Magen hat mich in den Wahnsinn getrieben. Ständig schickte er einen Schwall Magensäure hoch und den Geschmack und die Schärfe der Chilis gleich nochmal mit. Er blubberte und brodelte ständig und überall und nicht immer leise. Unnormal in der Öffentlichkeit, zum Beispiel an Bushaltestellen. Ich warte auf den Bus und plötzlich fängt mein Magen laut an zu knurren und zu rülpsen, in einem lang anhaltenden Ton und für eine ziemlich große Zeit. Die Leute die das gehört haben, mussten denken, dass ich am verhungern bin. Oder beim Einkaufen an der Kasse. Mit einem Mal merke ich, wie Saft in mir hochkommt, begleitet von einem unnatürlichen Gegluckse und Rumoren, hinter mir steht eine Warteschlange, und die Kassiererin schaut auf das Toilettenpapier, das ich kaufe, aber es will oben raus, nicht das was in dem Moment wohl alle gedacht haben. Nachts konnte ich deshalb nicht gut schlafen und als ich endlich einschlief, hatte ich unübersichtliche und merkwürdige Fieberträume. Er war so laut, als ob jemand neben einem liegen würde und schnarcht. Wenn man dann auf die Idee kommt, die Person mit einem Kissen zu ersticken, um sie ruhig zu stellen, überlegte ich ernsthaft, meinen Magen abzustechen um meinen Frieden zu bekommen. Ein tolles Lebensereignis was ich meinem Mut zu verdanken hab.

                                  11. Was denkst du, ist der Grund dafür, dass du diesen Fragebogen ausfüllst?

                                  Ein Grund:

                                  Sag mir den Grund
                                  Sag mir den Grund, das tut mir weh
                                  Ich häng ihr eine Parkpank um den dünnen Hals
                                  Nun hat sie ihren Grund
                                  Der Wald ist schön und tief der See

                                  12. Wie oft im Jahr bist du krank?

                                  So gut wie selten. Müsste man aber auch beim lesen der Antworten erkennen.

                                  13. Gibt es etwas, dass du der Allgemeinheit einfach mal mitteilen möchten?

                                  Noch nicht.

                                  14. Was ist der schönste Name, den du je gehört hast?

                                  Namen

                                  Namen hört' ich viele
                                  Die meißten auch gesehn
                                  Ich setz mir neue Ziele
                                  Nicht alle waren schön

                                  15. Liest du Bücher mehr als einmal?

                                  Das einzige Buch was ich mehrmals gelesen habe ist das Horror Meisterwerk mit gerade mal 150 Seiten "Das Schwein" von Edward Lee. Dieser Autor ist ein perverses geisteskrankes Genie. Seine Werke sind extreme Horrorgeschichten mit explizieten darstellungen körperlicher und sexueller Gewalt. Das ist literarische Körperverletzung. Nicht in öffentlichen Buchhandlungen erhältlich sondern nur als Privatdruck ohne ISBN.

                                  16. Magst du Kaffee? Wenn ja, wieviel trinkst du am Tag?

                                  Zuhause 1-2 Tassen Kaffee. An ruhigen Arbeitstagen manchmal 3-7 Becher.

                                  17. Sind Märchen pädagogisch wertvoll?

                                  Als Kind haben mich die Märchen verstört. Ich hatte Angst vor Hexen, weil sie Kinder kochen und essen. Und vor fast jeder älteren Frau auf der Straße. Ich dachte, das Altersheim, in dem meine Großmutter untergebracht war, sei eine Art Hexenrestaurant und die Pflegerinnen seien die Köchinnen. Ich war etwa 4 oder 5 Jahre alt und meine Großmutter war schon 91. Ich dachte, sie sei eine der Chefinnen in diesem Lokal. Sie war taub und schrie die Küchenangestellten und meine Eltern an, wenn sie sprach, was mir nur noch mehr Furcht einjagte. Wenn sie aufstand und, leider von Krankheit gezeichnet, langsam und zitternd zu mir kommen wollte, um mich zu umarmen oder mir einen Kuss zu geben, hatte ich immer das Bild der Hexe aus dem Märchen im Kopf, die kleine Kinder lebendig in große Backföffen schiebt, um sie zu fressen. Leider bedeutete dies, dass ich keine Verbindung zu ihr aufbauen konnte, wie es andere Kinder mit ihren Großmüttern tun. In meinem Fall wohl nicht pädagogisch wertvoll.

                                  8. Schon mal im blassen Mondlicht mit dem Teufel getanzt?

                                  Ja. Nachdem ich die Carolina Reaper verzehrt hab.

                                  19. Hättest du es als angenehmer empfunden wenn diese Fragen in der Sie-Form gestellt gewesen wären?

                                  Ja. Denn dann wären die Antworten auch etwas förmlicher gewesen.

                                  20. Was würdest du tun wenn du unsichtbar wärst?

                                  Ich würde alle wertvollen Gemälde und andere Kunstgegenstände auf der Welt berühren, zu denen es sonst schwierig ist, Zugang zu erhalten.

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                                    Chainsaw Charlie 09.12.2021, 03:18 Geändert 09.12.2021, 12:33

                                    Vor 76 Jahren öffneten die alliierten Truppen die Tore der nationalsozialistischen Vernichtungslager, und man könnte meinen, dass nach all den Berichten und Studien, den Tagebüchern, Dokumenten und Dokumentarfilmen unsere Reaktionen inzwischen abgestumpft wären und wir die geschrumpften Gestalten in ihren gestreiften Schlafanzügen ungerührt betrachten könnten. Aber jedes Mal, wenn das Thema wieder auftaucht, wie es Albträume tun, sind wir wieder fassungslos. "Die Befreiung von Auschwitz" ist keine monumentale Studie in der Größenordnung von "Shoah". Er dauert nur etwa eine Stunde und besteht hauptsächlich aus Filmaufnahmen, die von sowjetischen Militärfotografen zwischen dem 27. Januar und dem 28. Februar 1945 gedreht wurden, als die Rote Armee in den berüchtigten Lagerkomplex Auschwitz in Polen einmarschierte, in dem 100.000 Gefangene untergebracht werden konnten. 18 Minuten des sowjetischen Filmmaterials wurden bei den Nürnberger Prozessen gegen deutsche Kriegsverbrecher als Beweismittel vorgelegt. Der Rest blieb in sowjetischen Archiven, bis ein westdeutsches Dokumentarfilmerpaar, Irmgard und Bengt von zur Mühlen, einen Vertrag mit der Sowjetunion abschloss, den Film zusammenstellte und im Westen zu zeigen begann. In die einstündige Laufzeit ist ein Interview mit Alexander Woronzow, einem der sowjetischen Kameramänner, einem würdevollen Mann im blauen, mit Orden geschmückten Anzug, und ein Bericht in englischer Sprache über die Funktionsweise des Konzentrationslagers montiert. Der Einsatz der Häftlinge als Arbeitskräfte in der Chemiefabrik der I. G. Farben, solange sie arbeitsfähig waren, die einfallsreichen Bestrafungsmethoden, die ausgeklügelten Methoden zur Ermordung derjenigen, die nicht nützlich waren. Hier gibt es keine neuen Enthüllungen, aber die Effizienz der Deutschen bleibt auch weiterhin entsetzlich eindrucksvoll. Der größte Teil des Films wurde anscheinend in Begleitung von sowjetischen Inspektionsteams gedreht. Gegen Ende des Films sehen wir eine Szene, von der Herr Woronzow zugibt, dass sie inszeniert war, in der russische Truppen die Lagermauern durchbrechen und von bemerkenswert kräftigen und energischen Gefangenen umarmt werden. Das sowjetische Kamerateam verfügte weder über Farbfilm noch über eine Tonausrüstung, und der Versuchung, Musik hinzuzufügen, wurde entschieden widerstanden.
                                    Die Kraft von "Die Befreiung von Auschwitz" liegt in den harten, unbearbeiteten Schwarzweißbildern. Die Baracken, die nach dem Vorbild von Pferdeställen gebaut wurden, mit Feldbetten, auf denen jeweils drei oder vier Menschen, mit Haut bedeckte Skelette, wie der Erzähler sagt, zu schlafen versuchten. Die Erfrierungen an den Füßen der Kinder, die gezwungen waren, von morgens bis abends im Schnee zu stehen. Die ausdruckslosen Gesichter einiger der wenigen tausend Gefangenen, die überlebten und befreit wurden. Ein Mann, der als 42 Jahre alt beschrieben wird, sieht aus wie 80. Die Stapel von Koffern, die die Gefangenen aus vielen Ländern mitgebracht hatten, weil sie glaubten oder hofften, dass ihre Reise hier nicht enden würde. Ihre Anzüge, Kleider und Schuhe. Es gab Millionen von Schuhpaaren. Sie wurden von den Deutschen fein säuberlich aufbewahrt, darunter auch winzige Kindersachen, die die sowjetischen Soldaten nüchtern in die Höhe halten, als ob sie ihre Bedeutung begreifen wollten. Fast ausnahmslos, sagt der Erzähler, wurden jüdische Kinder ermordet. Wir sehen die Berge von Brillen, Goldzähnen und Gebetsschals. Die sortierten und aufgeschichteten Bündel von Menschenhaar, Tonnen davon, bereit für den Transport nach Deutschland, um zu Industriefilz verarbeitet zu werden. Und ein von einem SS-Mann aufgenommenes Foto von einer Gruppe geschorener Frauen. Die Fotoalben der Häftlinge, gefüllt mit fein säuberlich eingeklebten Schnappschüssen von lächelnden Familien. SS-Fotos von Menschen, die unter Bäumen auf ihre letzte "Dusche" warten. Die verbrannten Überreste von Knochen und Schädeln sowie die ausgegrabenen Leichen aus den Massengräbern. Und man sieht einige überlebende Kinder, die ihre Arme heben, offenbar auf Wunsch des Kameramanns, um die eintätowierten Nummern zu zeigen, danach die Gliedmaßen von toten Kindern, die medizinischen Experimenten unterzogen wurden, ebenfalls nummeriert. Deutsche Wissenschaftler haben den Kindern Typhus gespritzt und an ihnen Medikamente getestet. Die meisten der Versuchspersonen, so berichtet der Erzähler, starben. Sowjetische Ärzte untersuchen drei Männer, die im Rahmen eines anderen Versuchsprojektes kastriert wurden. Man möchte den Ärzten zubrüllen, sie sanfter zu behandeln, aber die Ärzte sind beschäftigt, und Sanftheit wäre jetzt nur noch eine Verstellung.

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                                      Chainsaw Charlie 08.12.2021, 10:48 Geändert 08.12.2021, 12:39

                                      Ein ausgezeichnetes Stummfilmdrama aus China über eine hingebungsvolle und liebevolle Mutter (Lingyu Ruan), die das Beste für ihr kleines Kind will und deshalb nachts als Prostituierte arbeitet. Das führt dazu, dass sie von den anderen Frauen um sie herum schlecht behandelt wird, doch am schlimmsten ist, dass sie von einem Mann (Zhizhi Zhang) missbraucht wird, der von ihr regelrecht Besitz ergreift. "Die Göttliche" ist ohne Frage ein wahres Juwel und sicherlich einer der besten chinesischen Filme, die ich aus dieser Zeit gesehen habe. Es ist unschwer zu erkennen, warum dieser Film bei seinem Erscheinen in China ein solcher Erfolg war, vor allem wenn man erfährt, dass viele Frauen in dieser Zeit als Prostituierte arbeiteten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Im Jahr 1934 einen Stummfilm zu drehen, war damals sicherlich nicht die Norm, aber ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass dieser Film mit Ton gelungen wäre. Regisseur Yonggang Wu ist ein Meister darin, alles so gut fließen zu lassen, dass zusätzliche Worte die poetische Schönheit des Films nur geschmälert hätten. "Die Göttliche" hangelt sich von einer schlimmen Situation zur nächsten, und nach einer Weile merkt man, dass immer dann, wenn etwas Erfreuliches für die junge Mutter passiert, etwas Unerfreuliches folgen wird. Was "Die Göttliche" wirklich so gut macht, ist die erstaunliche Leistung von Lingyu Ruan, die offensichtlich viele der gleichen Emotionen wie diese Figur empfunden hat. Nach dem, was ich gelesen habe, hatte sie vor diesem Film mehrere Selbstmordversuche und nahm sich schließlich etwa ein Jahr nach der Veröffentlichung dieses Films das Leben. Ihre Darstellung ist einfach eine der besten aus dieser Zeit in allen Filmen, weil sie so viel Gefühl und Liebe für ihr Kind zeigt. Es ist sogar noch besser, wenn der Schmerz über ihre Situation und ihren Job sie zu quälen beginnt. Zhizhi Zhang, der den misshandelnden Mistkerl spielt, ist sicherlich eine großartige Figur, mit der die Leute keine Probleme haben werden, sie zu hassen. Das einzig Negative ist, dass "Die Göttliche" sich nie wirklich die Mühe macht, uns zu erzählen, wie die Mutter in diese Situation geraten ist, und es gibt wirklich keine Erklärung dafür, warum sie nicht versucht, etwas anderes zu tun. Dennoch ist "Die Göttliche" ohne Zweifel ein echtes Meisterwerk mit einer der besten Darstellungen, die man je in einem Film sehen kann.

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                                        Chainsaw Charlie 08.12.2021, 01:03 Geändert 08.12.2021, 01:15

                                        Ich habe mir den Film innerhalb kürzester Zeit zweimal angesehen, weil ich herausfinden wollte, an welchem Wochentag die Erde stillsteht, und ich konnte die Antwort ergründen, aber dazu werde ich später kommen. "Der Tag, an dem die Erde stillstand" von Regisseur Robert Wise ist ein Klassiker unter den Science-Fiction-Filmen der 1950er Jahre. Die Geschichte handelt von militanten Pazifisten aus dem Weltraum, die auf die Erde kommen und wie Übereltern sagen, seid nett und kämpft nicht, sonst werden euch unsere Roboter in den Arsch treten. Den Auftakt von "Der Tag, an dem die Erde stillstand" bildet eine interaktive Sequenz, die eine Annäherung an die Erde aus dem Weltall zeigt. Hier sieht man einmal mehr, dass die Faszination der 1950er Jahre für fliegende Untertassen in einem Film verwendet wird, und zwar mehr als in einigen anderen Filme, die nur angedeutet wurden. Hier landet das UFO, das wir in der ersten Szene gesehen haben, tatsächlich in einem Park in Washington D.C. Das Militär umzingelt das Raumschiff sofort. Aus der Untertasse steigt Klaatu, ein mysteriöses außerirdisches Wesen, das aufgrund der Paranoia der Armee, die ihn festnehmen sollen, fast sofort erschossen wird. Die Raumkapsel öffnet sich erneut, und heraus kommt ein drei Meter großer Roboter, der alle auf die Untertasse gerichteten Schusswaffen zerstört und sich anschließend in eine Statue verwandelt. Klaatu wird in ein Krankenhaus gebracht, heilt sich aber selbst schneller als die irdische Medizin es könnte. Er bittet um eine Audienz bei allen Staatsoberhäuptern der Erde und wird abgewiesen. Er flüchtet aus dem Hospital, um selbst herauszufinden, was es mit den Menschen auf sich hat, die keine von der Politik bestimmten Personen sind. Obwohl "Der Tag, an dem die Erde stillstand" ein Science-Fiction-Film ist, enthält er auch Horrorelemente. Zum Beispiel die Art, wie Klaatu in den ersten Teilen des Films behandelt wird. Oft ist sein Gesicht verdeckt oder wir sehen ihn von hinten oder im Schatten. In Verbindung mit der unheilvollen Musik von Bernard Herrmann soll dies Klaatu eindeutig als Bedrohung darstellen. Und auch der Roboter wirkt beängstigend. Er tötet, wenn er muss, und steht die restliche Zeit unerbittlich da. Einige beeindruckende Szenen mit dem Roboter und die Filmmusik von Herrmann machen das meiste Gute an diesem Film aus. Bei späterer Betrachtung stellt man fest, dass der Roboter im Laufe des Films nur zwei Soldaten tötet, und das auch nur, weil sie ihn mit ihren Waffen bedrohen. "Der Tag, an dem die Erde stillstand" beinhaltet eine Anzahl von interessanten Details. Verschiedene bekannte Nachrichtenkommentatoren der damaligen Zeit haben sich bereit erklärt, als sie selbst aufzutreten, was dem Film einen Hauch von Authentizität verleiht. Namen wie Elmer Davis sind heute nicht mehr geläufig, aber zu der Zeit, als "Der Tag, an dem die Erde stillstand" veröffentlicht wurde, waren sie es gewiss. Wir werden auch mit der zeitgenössischen Paranoia des Kalten Krieges konfrontiert. Helen Benson (Patricia Neal) kommt schnell zu dem Schluss, dass Klaatu ein Spion sein könnte. Die Christus Symbolik ist auch ein wenig plakativ. Klaatu, der den Namen John Carpenter annimmt, wird trotz seiner Friedensbotschaft gehasst. Er wird getötet, kehrt aber von den Toten zurück, um sich mit den Menschen zu treffen und dann in den Himmel aufzusteigen. Die theologische Symbiose geht sogar noch tiefer, denn die Initialen von John Carpenter lauten J.C. wie auch die von Jesus Christus. Zu den phantasievollen visuellen Komponenten gehören die merkwürdige Todesstrahllinse des Roboters und ein recht anschauliches Set Design für das Innere des UFOs. Welcher Wochentag war nun der "Tag, an dem die Erde stillstand"? Bobby (Billy Gray) hatte an dem Tag, als er zu Professor Barnhardt ging, keine Schule, aber er hatte am nächsten Tag Schule, also war es vermutlich ein Sonntag. In dieser Nacht kehrt Klaatu zum Haus zurück und sagt dem Professor, dass die Kundgebung in zwei Tagen stattfinden wird. Demzufolge war "Der Tag, an dem die Erde stillstand" ein Dienstag.

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                                          Der Soziologe Edgar Morin wandte sich 1960 an Jean Rouch, der den ethnografischen Dokumentarfilm neu erfunden hatte, indem er die Selbstinszenierungen seiner afrikanischen Probanden filmte, um dasselbe für Pariser Bürger zu tun, indem er sie einfach vor der Kamera fragte: "Sind Sie glücklich?" Die Ergebnisse sind ein harter Schlag. Die Filmemacher zeigen zunächst ihre Vorgespräche mit Marceline, der jungen Frau, die die Interviews führen wird. Dann sprechen sie mit Passanten, besuchen Intellektuelle und frustrierte Arbeiter, afrikanische Einwanderer und Models aus Saint-Tropez. Sie fangen auch die psychodramatischen Aussagen einer Sekretärin über emotionale Krisen und ihre romantischen Lösungen in besonders langen Einstellungen ein und bleiben dabei auf der Bildfläche möglichst unauffällig. Doch als Marceline den Filmemachern von ihrem Leben als Überlebende von Auschwitz erzählt, beginnt ihre Erzählung "Chronicle of a Summer: Paris, 1960" zu dominieren. Rouch und Morin schaffen einen filmischen Bewusstseinsstrom, indem sie Bilder ihrer einsamen Wanderungen durch Paris mit ihren quälenden Erinnerungen an die Leiden ihrer Familie im Krieg und den Tod ihres Vaters kombinieren, die sie in ein verborgenes Mikrofon spricht. Fünf Jahre zuvor hatte Alain Resnais in "Nacht und Nebel" gezeigt, dass der Holocaust in Frankreich weitgehend vergessen war. Rouch und Morin entlarven die inneren Kosten dieses kollektiven Schweigens mit einer brillanten Wendung der Prämisse von "Chronicle of a Summer: Paris, 1960". Wenn die Franzosen neurotisch unglücklich waren, dann nicht nur wegen ihrer unterdrückten Sehnsucht, sondern auch wegen ihrer verdrängten Vergangenheit.

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                                            Chainsaw Charlie 06.12.2021, 00:05 Geändert 06.12.2021, 00:21

                                            In "Life Without Principle" lässt uns der renommierte Hongkonger Regisseur Johnnie To eine globale Wirtschaftskrise wiedererleben. Johnnie To erzählt die Situation von drei Stadtbewohnern, die sich inmitten des dramatischen Markteinbruchs von 2010 in einer schwierigen Lage befinden. Zunächst treffen wir Cheung, einen stoischen Polizisten, der zwischen Tatorten und Maklerterminen pendelt, die von seiner gutmütigen Frau arrangiert wurden, die verzweifelt eine Wohnung sucht, bevor die Preise in die Höhe steigen. Dann ist da noch Teresa, eine junge Finanzberaterin, die unter dem Druck steht, die Bankkontingente zu erfüllen und immer ein Lächeln auf den Lippen zu haben, selbst wenn sie ahnungslose Seniorinnen übers Ohr haut oder den reichen Kredithai Yuen und seine Herablassung erträgt. Der dritte ist Panther, ein schmieriger, Sandalen und Hawaihemden tragender Untergebener der Mafia, dessen lockere Einstellung zum Geldverdienen schnell zur Zielscheibe wird, als ein lokales Großunternehmen den Marktrückgang nicht gut verkraftet. Regisseur Johnnie To setzt sein kleines Figurenpuzzle entspannt zusammen und pflegt kaum die Egalität. Die Darstellung eines vermasselten Raubüberfalls, der schließlich alle Beteiligten verbindet, ist eine ausgeklügelte Inszenierung, doch wir sind auch schon mitten in der Filmhandlung, bevor klar wird, dass die Zeitlinie der Geschichte gestört worden ist. Könnte sein, dass "Life Without Principle" es verpasst, narrative Hinweise zu geben, die er geben sollte, aber man ist geneigt zu vermuten, dass dies eher ein Grund dafür ist, dass der Regisseur sein Publikum herausfordert. Thematisch ist es genau das, was Regisseur Johnnie To tut. Er will uns dazu animieren, über Moral und unsere Überlebensinstinkte nachzudenken und darüber, was im echten Leben wichtig ist, ein Thema, das auf der ganzen Erde Anklang findet.

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                                              Chainsaw Charlie 05.12.2021, 20:47 Geändert 06.12.2021, 02:28

                                              In "Please Stand By" von Regisseur Ben Lewin begleiten wir Wendy (Dakota Fanning), ein 21-jähriges Mädchen mit Autismus. Sie hat zwei Ziele: Sie will wieder bei ihrer Schwester einziehen und Tante sein, und sie will ihr 400 Seiten langes Star Trek Drehbuch bei Paramount Pictures einreichen, um 100.000 Dollar zu gewinnen. Natürlich gehen die beiden Ziele Hand in Hand, denn der Geldpreis würde ihren Anspruch auf Unabhängigkeit und Erwachsensein bekräftigen, auf die Fähigkeit, für sich selbst zu sorgen und nicht zur Last zu fallen. Das Herzstück von "Please Stand By" ist jedoch ihre ungeahnte Selbstständigkeit, denn Wendy, die sich einst vor allem fürchtete, macht sich auf, um ihrer Schwester, der Heimleiterin und sich selbst zu beweisen, dass sie die Welt allein meistern kann. "Please Stand By" ist eine Coming of Age Geschichte, in der man mit einem Mädchen mitfiebert, das nicht in seinem Element ist. Wer sich persönlich mit Autismus auskennt, versteht wahrscheinlich die Herausforderungen, die ein Film wie dieser mit sich bringt, da er versucht, eine zukunftsweisende Handlung mit einer ehrlichen Darstellung einer Person auf dem Spektrum zu verbinden. Wie das funktioniert, ist sehr unterschiedlich, was es ein wenig leichter macht, die Darstellung von Autismus nicht zu erkennen, aber "Please Stand By" scheitert weitgehend daran, eine einfachere Erzählung zu liefern, in der Wendy einen Konflikt nach dem anderen bewältigt, um ihr Ziel, Los Angeles zu erreichen, zu realisieren. Auch wenn "Please Stand By" im Vergleich zu anderen Darstellungen kein neuartiges oder einzigartig echtes Autismusverständnis beisteuert, so enthält der Film doch Momente der Nachdenklichkeit und, was am wichtigsten ist, eine Fülle von Liebe und Wertschätzung, trotz seiner niedrigen Messlatte für die Erreichbarkeit des Publikums. Als Wendy erfährt, dass ihr Drehbuch am Dienstag, den 16. Februar um 17 Uhr nicht rechtzeitig bei Paramount Pictures eintreffen wird, beschließt sie, aus ihrem Wohnheim zu fliehen und es selbst abzuliefern. Auf ihrer Flucht bricht sie Regeln, die sie bisher immer befolgt hat, wie zum Beispiel die Market Street zu überqueren, was ihr unter keinen Umständen erlaubt ist. Mit dieser einen trotzigen Handlung, bei der sie die belebte Kreuzung der Market Street überquert, macht Wendy ihren ersten Schritt, um sich selbst ihre Unabhängigkeit zu beweisen, dass sie etwas alleine tun kann, und vielleicht auch, um es ihrer Schwester Audrey zu beweisen. Audrey, gespielt von Alice Eve, hat eine einjährige Tochter, die sie von Wendy fernhält, um sie vor ihren unberechenbaren Wutausbrüchen zu schützen. Sie liebt ihre Schwester und ist voller Liebe und Mitgefühl, aber sie befindet sich in einer unmöglichen Situation, in der sie das Glück ihrer autistischen Schwester mit dem Schutz ihrer neugeborenen Tochter in Einklang bringen muss. An Audreys Seite bei ihrer Jagd auf die entlaufene Wendy ist Scottie, die Leiterin des Heims, gespielt von Toni Collette. Scottie ist nicht nur ein weiterer emotionaler Proxy, durch den das Publikum Wendy lieben und um sie bangen kann, sondern sie ist auch das Vehikel, durch das wir Wendys Bewunderung für Star Trek und die Bedeutung hinter ihrer Verliebtheit in die Figuren erfahren. Scottie und ihr charmanter, von Ängsten geplagter Teenager Sohn, bleiben einen Schritt hinter Wendy zurück, aber ihre Reise wird dadurch bereichert, dass Scottie auf ihrem Weg von ihrem Sohn lernt, da er die einzige andere Person ist, die die Schönheit ihres Drehbuchs versteht. Es gibt eine weitere Person, die es versteht, kurz und liebenswert gespielt von Patton Oswalt als Polizeibeamter, der auch Klingonisch spricht. "Please Stand By" wird einen nicht herausfordern, da die realen Konflikte aus Effizienzgründen überwindbar dargestellt werden, und der Film endet mit einer fein geknüpften Schleife, regt aber sicherlich zum Nachdenken an. "Please Stand By" ist ein berührender Film, und bei einer kurzen Laufzeit von 90 Minuten lohnt es sich, Wendy anzufeuern, damit sie Los Angeles erreicht und sich und anderen beweisen kann, was sie drauf hat.

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                                                In der befremdlichen Spiritualität von "Die Tanzenden" treffen ein rücksichtsloses medizinisches Gesundheitssystem und die missbräuchliche Behandlung von Frauen in der Vergangenheit durch Männer an der Macht in einem unheimlichen Tanz aufeinander. In ihrem Film wirft die Autorin, Regisseurin und Schauspielerin Mélanie Laurent einen abschreckenden Blick auf die Geschichte der Frauen, die von Medizin und Psychiatrie als Sündenböcke und Laborratten des Fortschritts benutzt wurden, ohne dass sie auf der Grundlage von Fürsorge und Verständnis behandelt wurden. Im Zentrum von "Die Tanzenden" steht die freisinnige Eugénie. Ihre Kühnheit und ihr unabhängiger Geist machen sie im Frankreich des 19. Jahrhunderts bereits zu einer Abnormität, aber es sind ihre Visionen von Geistern und ihre Kommunikation mit den Toten, die sie in eine neurologische Anstalt bringen. In der Irrenanstalt trifft Eugénie auf Frauen jeden Alters, einige suchen Hilfe wegen verschiedener Krankheiten, andere wurden dorthin gebracht, um vergessen zu werden. Was sie alle erwartet, ist ein System des Misshandels, der Herablassung und der Entmenschlichung. Wie es sich für ein Zeitdokument gehört, ist "Die Tanzenden" elegant inszeniert und nutzt den Handlungsraum zu einem glorreichen Werk. Lou de Laâge und Mélanie Laurent sind geradezu magnetisch und verleihen ihren Rollen zu gleichen Teilen Wärme und Kalkül. Das Resultat ist eine unwahrscheinliche Freundschaft, die sich auf der Leinwand gut darstellt und das Gleichgewicht von Spiritualität und Wissenschaft, gut zur Geltung bringt. In diese Geschichte über die hässlichen Wahrheiten des institutionellen Missbrauchs ist eine sanftere Geschichte darüber eingeflochten, was es bedeutet, wirklich geheilt zu werden. Fürsorge ist etwas, das aus Verbundenheit und Herzlichkeit entsteht und aus dem Wunsch, anderen zu helfen, wo immer man kann. Die poetische Ironie von "Die Tanzenden" besteht darin, dass sich jede der verrückten Frauen als eine größere Heilerin erweist als jeder der Ärzte, die ihre Therapie beaufsichtigen. Diese Frauen erzählen sich ihre Erlebnisse, beschützen sich gegenseitig und geben alles, was sie haben, um ihren Mitschwestern zu helfen. Der Film hat eine große Wirkung und ist eine Botschaft, die ins Herz trifft. "Die Tanzenden" hat mehrere Qualitäten, die ihn zu einem durchaus kompetenten Drama machen. Der Film ist eindeutig feministisch ausgerichtet und geht sogar so weit, Girl Power zu thematisieren. Das ist keine Kritik an dem Film, aber es ist ein Gedanke, der bei der Sichtung des Films in seiner Gesamtheit berücksichtigt werden sollte. Der Film ist gut, aber er ist sehr vorhersehbar. "Die Tanzenden" taucht gerade erst über die Oberfläche seiner Kernthemen auf und bietet Missstände als Interpunktion für die mäandernde Handlung. Die Laufzeit fühlt sich nicht wirklich angebracht an, da der Film bei all seiner Pompösität nicht sehr viel vermittelt. Es ist nicht leicht, ein eindeutiges Urteil über "Die Tanzenden" zu fällen. Die Darstellung des weiblichen Zusammenhalts und der gemeinsamen Erlebnisse ist großartig und gibt der Handlung einen Sinn. Jedoch wagt sich der Film nicht an die dunklere Seite seines Themas heran. Das Endprodukt ist ein ausgezeichnetes schauspielerisches Werk, das in der Mitte ein wenig ausgehöhlt wirkt.

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                                                  In Bobby Millers Film "The Cleanse" geht es um Paul (Johnny Galecki), der von seiner Verlobten verlassen wird und sich für eine geheimnisvolle Heilmethode anmeldet, die von dem Guru Ken Roberts erfunden wurde. Nach einer Gruppentherapie wird er für ein "Let's Get Pure" Seminar in einer kleinen Klasse ausgewählt, zu der auch die spröde, sich selbst dramatisierende Schauspielerin Maggie, der aggressive Scherzkeks Eric und seine ruhigere Freundin Laurie gehören. In einer motelähnlichen Anlage tief im Wald stellt die strenge Mutter Lily (Anjelica Huston) das Programm auf die Beine, das fast ausschließlich aus dem Trinken von literweise einem Gebräu besteht, das auf die speziellen Anliegen der Teilnehmer zugeschnitten ist. Paul lässt sich darauf ein und verschlingt den Faulschlamm, woraufhin er ein würmförmiges Geschöpf auskotzt, das sich zu einer abstoßenden, aber gleichzeitig niedlichen Kreatur entwickelt, die seine psychischen Störungen verdeutlicht. Er entwickelt eine tiefe Zuneigung zu dem kleinen Untier und freundet sich mit Maggie an, die einen ähnlichen Homunkulus aus Fleisch und Blut hervorgebracht hat. Der zynische Eric macht eine Kehrtwende und wird in sein Ungebild verliebt und possessiv, während Laurie, die ihn zu diesem letzten Versuch überreden musste, um ihre Beziehung zu retten, eine schlechte Reaktion auf den Vorgang hat und ein frühes Opfer ist, was die Unbarmherzigkeit des Robertschen Systems zeigt. Vom Ton her ähnelt "The Cleanse" dem Film "The Lobster", in dem Außenseiter in einer waldigen Umgebung versuchen, sich in eine unvernünftige Gesellschaft einzufügen, in der extreme Biomutationen ein akzeptierter Teil des Lebens sind, obwohl er sich viel mehr auf seine Hauptcharaktere konzentriert. Das Robertsche System will eine Lektion erteilen, indem es von den gereinigten Individuen verlangt, den Prozess durch Eliminierung abzuschließen. Tatsächlich vermittelt es aber eine andere, wertvollere Botschaft, da die Klienten die ekelhaftesten, aber dennoch menschlichen Teile ihrer selbst erkennen und sogar lieben lernen. Johnny Galecki (The Big Bang Theory) ist normalerweise ein Comedy-Darsteller, aber er zügelt seinen Schnittstil, um die absurde Lage des Helden überzeugend und involvierend auf trockene Weise zu gestalten.

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                                                    Chainsaw Charlie 04.12.2021, 13:39 Geändert 05.12.2021, 00:02
                                                    über Medea

                                                    "Medea" ist ein Arthouse Film im wahrsten Sinne des Wortes. Es ist Pier Paolo Pasolinis Interpretation des berühmten Stücks von Euripides, das 431 v. Chr. uraufgeführt wurde. Er richtet sich nicht an ein allgemeines Publikum, sondern an diejenigen, die nicht nur die griechische Tragödie, sondern auch poetische Wendungen, kopfzerbrechendes Philosophieren, eine verworrene Geschichte und ein Tempo schätzen, das ebenso sehr von den Gefühlen der Figuren wie von ihren Aktionen bestimmt wird. Wenn es das Ziel der Kunst ist, den Betrachter die Dinge anders sehen zu lassen, dann hat Pier Paolo Pasolini es geschafft. "Medea" wirkt antik und authentisch. Es fehlt der moderne Soundtrack, der Emotionen wecken soll, und die Kostüme, die aussehen, als kämen sie direkt aus dem Kleiderschrank von Cecil B. De Mille. Außerdem gibt es in diesem Film nur sehr wenige Dialoge, wodurch die Erzählstruktur von Euripides großzügig abgeändert wird. Das Stück von Euripides beginnt damit, dass Jason bereits in Korinth mit der Barbarin Medea lebt, einer Zauberin, die ihn verhext hat und mit der er zwei Kinder hat. Im Stück verlässt Jason Medea, um die Tochter des Königs Kreon zu heiraten und seine gesellschaftliche Stellung zu verbessern. Was folgt, ist der Stoff für eine griechische Tragödie. "Medea" ist die Geschichte einer verlassenen Frau, deren Rache nur von einer Wahnsinnigen, ob barbarisch oder zivilisiert, vollzogen werden kann. Sie tötet. Und tötet. Und das Töten ist Teil der Kultur ihres Volkes, ihres Glaubenssystems. In einer Eröffnungssequenz wird ein junger Mann als Opfer ausgewählt, rituell bemalt, an ein Kreuz gebunden, dann bewusstlos geschlagen und brutal zu Tode gehackt. Sein Blut wird an eifrige Erwachsene und Kinder verteilt, die ihre Schalen hinhalten, damit sie das Blut auf die Blätter ihrer Pflanzen reiben können, um eine reiche Ernte zu sichern. Pasolini kommt zu all dem, aber erst im zweiten Akt seines Drehbuchs. Im ersten Akt wird der Zentaur vorgestellt, der mit dem jungen Jason spricht, den er während einer Säuberung gerettet hat, bei der Jasons Onkel seinem Vater den Thron entrissen hat. Jason ist der rechtmäßige Erbe, und der Zentaur legt mit seinen Überlegungen zum Leben den philosophischen Grundstein für "Medea": "Es gibt nichts Natürliches in der Natur, alles ist heilig, aber das Heilige ist auch ein Fluch. Vielleicht bin ich zu sehr ein Lügner oder zu poetisch. Spricht er zum jungen Jason. Der erwachsene Jason macht sich auf den Weg, um den Thron seines Onkels an sich zu nehmen, aber wie ihm der Zentaur ebenfalls vorausgesagt hat, wird ihm aufgetragen, zuerst das Goldene Vlies zurückzubringen, das mit seiner Familienlinie verbunden ist. Und so macht er sich auf den Weg, er marodiert, er trifft Medea, und der zweite Akt nimmt die Erzählung und die Themen von Euripides wieder auf. "Medea" wurde 1969 uraufgeführt, und Maria Callas, die Pier Paolo Pasolini für die Titelrolle besetzte, war zu dieser Zeit eine international bekannte Opernsängerin. Es war sehr gewagt, eine Sängerin für eine nicht musikalische Figur zu besetzen, und das in einer Rolle, für die sie nur wenige Zeilen hatte. Aber Pasolini gefiel ihr Aussehen, und tatsächlich verleiht sie der Darstellung eine Präsenz, eine Würde des Barbarentums, die Euripides selbst andeutete. Gedreht in Italien, der Türkei und Syrien, zeigt uns "Medea" Landschaften, wie es nur wenige Filme tun. Und er deckt ein ganz anderes Terrain ab, als wir es bei Filmen über die antike Welt gewohnt sind. Ich habe den Film genossen, aber er erfordert viel Nachdenken und Überlegung. Da der Zentaur zwei Formen annimmt, eine antike und eine neue, werden wir aufgefordert, über die Beziehung zwischen Mythos und Realität nachzudenken und über seine frühere Erklärung, dass nur diejenigen, die mythisch sind, realistisch sind. Wir werden aufgefordert, über die Implikationen von barbarisch und zivilisiert nachzudenken und die Tiefen des Leids und der Trauer zu verstehen, die einen Menschen, gleich welcher Art, dazu bringen würden, die Dinge zu tun, die Medea begangen hat. Abgesehen von der Brutalität, wer könnte die Rolle der Medea besser spielen als eine Frau, die sich selbst in der gleichen Situation befand? Vielleicht ist das ein Grund, warum Maria Callas uns ohne Worte die Tiefen von Medeas antiker Welt und ihrem ebenso antiken Selbst erkennen lässt.

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