David_Lynch - Kommentare

Alle Kommentare von David_Lynch

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    Spinne ich (no pun intended) oder wird "Enemy" im Fließtext oben wirklich als Science-Fiction-Film betitelt? Der Autor muss ja nicht zwangsweise alle Werke des behandelten Künstlers gesehen haben, aber eine komplett falsche Genrebezeichnung ist schon ein ziemlich peinlicher Fehler.

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      Look at my shit, y'all! I got a movie that looks beautiful and expensive, I got high class musicians and I got the fucking Disney cast doing nude scenes! All this sheeyit! This is my fuckin' dream, y'all!

      Harmony Korines Kollision mit dem Mainstream. Man trifft auf höchst populäre Darsteller, eine klar definierbare Story sowie eine deutliche Message. Überhaupt gibt es eine Story und eine Message, beides Komponenten, die in seiner bisherigen Filmographie, wenn auch meist zum Wohle der Werke, beinahe gänzlich abwesend waren. Das massentaugliche Marketing und die bonbonfarbene Verpackung von "Spring Breakers" entpuppen sich aber schnell als bitterböser Scherz auf Kosten des nichtsahnenden, Entertainment fordernden Zuschauers. Ab der Hälfte kommt es sogar zu einem direkten Fingerzeig und der Film verteilt, in Monologe seiner Protagonistinnen gehüllt, eine Meta-Klatsche nach der anderen. This is not what I signed up for. I just wanted to have fun! Erst wird der Glaube, dann die Gesundheit nach Hause geschickt. Nur wer sich anpassen kann, keine Hemmungen oder Skrupel zeigt und bereit ist seine Moral zu begraben, der überlebt den Spring Break. Ich habe den Kinosaal nicht als Selena Gomez Fan der ersten Stunde betreten und auch keinen Partyfilm erwartet, konnte den Streifen daher in vollen Zügen genießen. Ansonsten schien sich aber kaum jemand der Satire beugen zu wollen und ein Großteil des Publikums blieb auf der Strecke. Nicht zu Unrecht hat er sich den "most walked-out-of movie of the year"-Titel schon jetzt gesichert. Das aber selbst einige Kritiker die Karikaturen, die der Film zeichnet, nicht erkannt haben wollen und ihn als gefährdend einstufen, halte ich für ein Gerücht. Die Stilmittel des Films werden eigentlich zu jeder Sekunde mehr als deutlich und man wird von Kontrasten und Metaphern, vor allem Phallussymbolen, nur so erschlagen. In den Poolsequenzen wirken die vier Mädels wie Wassernixen und es bahnt sich an, was unter der Oberfläche lauert. Immer und immer wieder versuchen sie sich am sozialen Handstand, zwei von ihnen stehen am Ende, dank einer rotierten Kamera, sogar Kopf.

      In einigen Szenen wird die Stimmung daher, trotz quietschbunter Optik, extrem düster und beinahe ins Verstörende runtergefahren, meist schon an der ebenfalls sehr kontrastreichen Musik erkennbar. Dort zeichnet sich dann wunderbar das Zusammenspiel eines herrlich überzogenen Skrillex für die Exzesse und eines, wie gewohnt subtilen aber effektiven, Cliff Martinez für das Drama ab. Und wo wir gerade bei den musikalischen Aspekten sind muss ich auch gleich noch hervorheben, dass man hier die beste Verwendung eines Britney Spears Songs überhaupt erfährt. Dieser unterlegt eine grandios absurde Montage, die ich nicht näher beschreiben möchte, denn man sollte sie wirklich selbst erleben, aber für mich stellt dieser Moment nicht weniger als die Legitimation von Britney Spears bisherigen Wirken auf diesem Planeten dar. Ein ähnlich stimmiger Rhythmus wie beim Soundtrack wird mit dem überaus gelungenen Schnitt erzeugt, der auf klassische Übergänge nahezu vollständig verzichtet. Stattdessen bildet sich ein sorgfältig verwobenes Geflecht, in dem meist drei Szenen gleichzeitig gezeigt werden, also von der Gegegenwart aus auch immer wieder eine Szene zurück, beziehungsweise eine Szene voraus geschnitten wird. Dies kulminiert, unterstützt durch repetitive Voice-Over Passagen, in einem wunderbar konstanten und meditativen Erzählfluss, der immer mal wieder Charaktere in den Vordergrund rückt, aber nahezu allen das gleiche Maß an Aufmerksamkeit schenkt. Die reine schauspielerische Betrachtung spare ich mir zu diesem Zeitpunkt, insbesondere, da ich zu keiner der vier Hauptdarstellerinnen Vergleiche anstellen kann. Ein großes Lob geht aber schonmal in Richtung Casting, dort wurde wirklich alles richtig gemacht, was uns nicht zuletzt eine der bisher besten Performances von James Franco beschert.

      Obwohl die cineastische Exikution des amerikanischen Traums sicher kein Novum darstellt und die selbe Prämisse, "der Traum wird zum Albtraum", schon vielfach hervorragende Umsetzungen erfahren hat, so bleibt "Spring Breakers" aufgrund seiner Inszenierung doch einzigartig. Kein zweiter "Gummo", aber ein weiterer Höhepunkt in Korines Vita, der seine weiterhin bestehende Relevanz als Filmschaffender unterstreicht und insgesamt eine wesentlich rundere Sache als beispielsweise der thematisch verwandte "God Bless America". Für mich der bisher beste Film des Jahres, mal sehen was Herr von Trier dagegen machen kann.

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        While not being quite as well-rounded as Denis Villeneuve's last film, "Arrival", this movie transcends any form of judgement on single scenes, plot structure or pacing. It is far more important than that. If "Arrival" were a catchy Christian rock song, then "Blade Runner 2049" is a literal quotation from the Bible. May it save us.

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          David_Lynch 13.06.2015, 01:56 Geändert 13.06.2015, 13:39

          Nicht selten sind Filme so fantastisch, dass sie schwer zu begreifen sind. Dieser kann nicht begriffen werden, denn er ist real. Bisher dachte ich immer die Grenze des menschlichen Geistes liege in der Unendlichkeit, doch sie liegt bei genau 2 Stunden und 20 Minuten. Es gibt wohl keine Worte, die beschreiben können, was in dieser Zeit mit mir passiert ist und dennoch ringe ich um sie. Ich habe diesen Film nicht gesehen, ich habe ihn gelebt. Ich war in Feierlaune, betrunken, verliebt. Wurde Tanzpartner, Beifahrer, Komplize. Gebannt hing ich an den Lippen einer Berliner Schnauze, lernte Deutsch. Ich stieg hinauf auf die höchsten Dächer und hinab in die finstersten Tiefgaragen. Ein paar Mal begann ich zu zweifeln. Was lauert wohl an der nächsten Ecke? Sollte das Abenteuer nicht lieber hier enden? Doch dann stürzte ich mich, Hals über Kopf, mit in die Nacht und blieb dort. Bis zum bitteren Erwachen im Morgengrauen.

          Die bisherigen Versuche, einen Film auf diese Art und Weise zu schaffen, seien respektiert, doch keiner konnte mich bisher auf emotionaler Ebene so packen, wie das neuste Meisterstück von Sebastian Schipper. Aber auch fernab der Inszenierungsform kann der Film in allen Belangen überzeugen. Das unterhaltsame wie packende Geplänkel zwischen den Charakteren basiert auf reiner Improvisation und kann daher mit ultrarealistischen Darstellungen sämtlicher Hauptakteure aufwarten, die hier mehr oder weniger wirklich um ihr Leben spielen. Leidglich einige der 150 Komparsen sind auch teilweise als solche zu erkennen, doch tut das der Illusion keinen Abbruch. Eher im Gegenteil, sorgen die kleinen Fehler und Ungereimtheiten für eine ungekannte Authenzität, da man als Zuschauer in der Regel nur auf Perfektion getrimmte Werke vorgesetzt bekommt. Der Charme und die Faszination des Ganzen liegen in der Realität der Begebenheit und selbst wenn die Romanze hier nicht neu erfunden wird, so spürt man förmlich, wie sich vor laufender Kamera zwei Menschen kennen und lieben lernen. Jede weitere dramaturgische Zuspitzung trifft den mitgerissenen Betrachter dadurch in einer Intensität, wie man sie zuvor nicht kannte. Nach über zwei Stunden schweißtreibender Hetzjagd durchs nächtliche Berlin fühlt man sich einfach nur wie verschluckt, zerkaut und wieder ausgespuckt. Das eigene Gehirn ist nicht in der Lage das Gesehene zu verarbeiten und kapituliert unter der schieren Größe dieses filmgewordenen Kraftakts. Gleichzeitig entfachte sich in mir jedoch auch die ungefilterte, rohste Form der Inspiration und der Drang des Kreierens erfüllte mein ganzes Wesen. Das zweite Mal in meinem Leben (das erste Mal war vergangenes Jahr nach Lars von Triers "Nymphomaniac") verließ ich das Kino absolut sprach- und fassungslos. Diesmal fühlte ich mich jedoch nicht besiegt, sondern erbaut und meine ersten Worte, nach ein paar holprigen Schritten zurück in Welt, entstammten dem Kern meiner neugeborenen Wahrhaftigkeit: Ich will Filme machen. Dass sich das Medium in meiner Lebzeit noch so revolutionär verändern würde, hätte ich mir nie träumen lassen. "Victoria" ist nicht weniger, als der größte Zaubertrick, den ich je gesehen habe. Oder vielleicht sogar noch mehr, pure Magie.

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            Meine Review dieses großartigen Films:
            http://www.youtube.com/watch?v=BZDIBfOSjX0

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              David_Lynch 04.02.2020, 06:09 Geändert 01.02.2022, 13:42

              Es schlummert darunter. 🎬

              Da mich dieser Film wahrlich umgehauen hat und es nach nur einer Sichtung sofort in meine ewige Top 10 schaffte, will ich ihm hier kurz mit einem Essay die Aufmerksamkeit geben, die er verdient hat. Wie immer mit grauenhafter Tonqualität, aber ist ja nicht so, als ob ich das gelernt hätte. Viel Spaß! :-)

              Because this film literally destroyed me and instantly made it into my top 10 of all time after just one viewing, I hearby want to give it the attention it deserves. As usual with horrible audio, but then again that's only my job. Enjoy! :-)

              https://www.youtube.com/watch?v=4Z_ynXNKExM

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                David_Lynch 19.01.2019, 01:41 Geändert 19.01.2019, 08:23

                Brecht die erste Regel. Tötet Hunde. Alle Hunde. Tretet am Boden liegende Kinder. Malt Penisse. Es ist das Erwachsenste, was wir jetzt tun können. Ihr wollt Frauenärsche sehen? Dieses Höllenloch ist auf Frauenärschen gebaut. Frauenärsche sind der Backstein in den Wänden. Ihr wollt Unterwäsche-Models sehen? Seht ihnen beim Weinen zu, die Drohne stabilisiert das Bild. Ihr wollt weibliche Genitalien sehen? Bedeckt sie mit Blut. Bedeckt sie mit Brüsten. Bedeckt die Brüste mit Burgern. Zeigt Kotze, zeigt Pisse, zeigt Scheiße. "Psycho" hat keine Toilette gezeigt, denn in echten Toiletten ist Scheiße. Jesus' Scheiße. Taucht ab, unter der Oberflächlichkeit. Der Ruf eures Letztgeborenen verfolgt euch auf Schritt und Tritt? Dann macht Horror. Macht auch Horror. Den Besten. Einfach so. Weil ihr es könnt. Die Eulen sind das, was sie scheinen. Lasst euch nicht verführen. Nehmt das Instrument an euch und schlagt dem Schöpfer den Kopf ab. Seid schlaue Schreiber. Seid obdachlos. Esst Popkultur. Malt mit Scheiße, ihr müsst die Miete zahlen. Ihr wollt morgen noch da sein. Das schönste Shirt ist das weiße Shirt. Das mit den Flecken. Wenn es riecht, riecht schlimmer. Seid der schlechteste Spider-Man. Reißt das aufgeblasene Superhelden-Plüschtier in Fetzen. Konfettiregen. Stoßt "Vertigo" vom Thron, dort oben wird einem schwindelig. Wenn ihr hier raus wollt, haut einfach ab über Nacht. Ihr kommt hier nicht raus. Sie werden euch lebendig aufessen. Präserviert Johnny Depp. Schließt den Videorekorder wieder an, zwischen dem Plattenspieler und dem NES ist noch Platz. Vergebt euch selbst die Nostalgie. Das Alte zu lieben, ist okay. Masturbiert Popkultur. Seid nicht "La La Land". Habt eine Seele. Schaltet den Fernseher auch mal wieder aus, ihr habt schließlich noch einen Job. You're not your job. You're not how much money you have in the bank. You're not the car you drive. You're not the contents of your wallet. You're not your fucking khakis. You're the all-singing, all-dancing crap of the world. Singt an diesem merkwürdigen Punkt in eurem Leben "Where Is My Mind?" in eurem Kopf. Erinnert euch, wie besonders eure Rebellion war. War sie nicht. Ich hab' den fucking Song geschrieben. Alle Songs. Ja, auch Silversun Pickups. Ach, Fuck. Fühlt euch wertlos. Verratet niemandem das Geheimnis, denn alle wissen es. Googelt dumm. Folgt jemandem. Fickt einen Stern. Penetriert Popkultur. Seid frei, denn ihr seid es nicht. Lasst euren Film öfter enden als "Der Herr der Ringe". Habt Mut, riskiert mal was. Wenn ihr schon hier seid, macht das Beste draus. Seid ganz große Kunst.

                http://www.youtube.com/watch?v=f_JU1OD-OLU

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                  David_Lynch 17.07.2016, 14:27 Geändert 17.07.2016, 14:48

                  Toni Erdmann - Über die Kunst Momente festzuhalten

                  Ein Film, der einfach gerade recht kommt. Für Regisseurin Maren Ade, für das Publikum in Cannes, für die deutsche Filmlandschaft. Und für mich. Es schwirren nämlich zurzeit wieder kleine graue Wolken um meinen Kopf, die ganz doof sind und wenn ich versuche sie beiseite zu schieben und nach vorne zu blicken, sehe ich lediglich eine Gesellschaft und ein Weltgeschehen, die meinen eigenen Wahnsinn höchst akzeptabel wirken lassen. Nein, der blanke Verstand kann mich hier nicht mehr retten, aber vielleicht das Gefühl.

                  "Toni Erdmann" bietet ebendiese Linderung. Ich fühle wieder. Fühle mich wie ein Mensch, einer von denen, und muss mich nicht dafür schämen. Im Gegenteil, ich kann sogar darüber lachen. Viel lachen. Über unsere unendliche Dummheit im Angesicht unserer eigenen Endlichkeit. Die Banalität unserer Existenz hat es verdient ausgelacht zu werden. Halt, das ist falsch. Nicht auslachen, mit ihr lachen. Toni ist kein Zyniker, er ist ein Hirte des Humors. Sein Weg führt uns zurück zur Menschlichkeit. Das gelungene Business Meeting, der neue Job, das bessere Apartment. Nichts davon hat die Kraft eine Herzlichkeit in uns zu entfachen, wie es die simple Umarmung zwischen zwei Menschen tut. Manchmal heißt das sich endlich mit seiner entfremdeten Tochter zu versöhnen und manchmal heißt es einfach nur einen fremden Mann zunächst in sein Haus und dann die eigene, wertvolle Tigertoilette benutzen zu lassen. "Toni Erdmann" demonstriert beides mit Bravour.

                  Irgendwo zwischen Arthouse-Drama und Sketch-Comedy offenbart uns das 162 Minuten lange Werk auf wunderbar ehrliche und unkitschige Art und Weise seine vollkommen einzigartige Seele. Wie ein etwas seltsam anzusehendes und leicht übergewichtiges Baby im Geiste von Loriot und Sofia Coppola, wenn man überhaupt den Versuch wagen möchte filmhistorische Vergleiche anzustellen. Verdient hat "Toni Erdmann" mehr. Legitimiert er doch die jahrzehntelange Qual der sogeschimpften 'deutschen Komödie', die wir erdulden mussten. Ein künstlerischer Notstand, über den wir nun endlich den Mantel des Schweigens (pun intended) legen können. Doch "Humor entsteht meistens auch aus Verzweiflung heraus", wie Maren Ade im Gespräch erzählt, denn der Protagonist ihres Films "wüsste gar nicht anders mit diesen Situationen umzugehen." Ob nun Verzweiflungstat oder nicht, es scheint die gesündeste Haltung zu sein um die Schwere des Lebens zu tragen. Und spätestens wenn nach knapp drei Stunden Laufzeit, ohne eine einzige Note Filmmusik, The Cure's Synthie Power Anthem "Plainsong" über den Abspann donnert, sollte es jeder Zuschauer im Gefühl haben: Auf Schmerz folgt ein Lächeln.

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                    David_Lynch 07.03.2016, 20:26 Geändert 07.03.2016, 20:27

                    Meine Kurzkritik, die ich aus einer anderen Quelle kopiert habe, darum international auf Englisch gehalten. Man verzeihe mir, aber zum Übersetzen war ich jetzt zu Faultier:

                    Relevant beats Revenant - Zootopia is more than an elongated sloth joke

                    Look, I find Shakira as annoying as the next guy and all I expected this movie to be, was the best entry in the 'anthropomorphic bunnies with sports bras' genre since "Space Jam". But please do me a favour and go and watch "Zootopia". It is one of the most important political movies of the year.

                    See it and then tell me again how "The Revenant" is supposed to be a compelling piece about the human spirit, the fight for equality and perseverance in a hostile world against all odds. Not only does "Zootopia" present a great tale about these values in general, even more than that, it is up-to-date and highly relevant. Maybe the most relevant Disney has ever been in its company's history. Because of the technical nature of this film, I assume it must have been in production for several years already. Wikipedia dates it at least as early as 2013. This fact makes it all the more surprising, that "Zootopia" very much tells today's story. In a way that is clearer and more precise than many media of the day. The Paris attacks, the events in Cologne, the Oscars diversity debate, the deceiving fear tactics of Trump. It's all in there and it's handled remarkably well.

                    Coincidentally, I recently came across an interesting opinion on Michael Moore and how his so-called documentaries might not be self-indulgent garbage after all, but actually just an exaggerated presentation of relevant topics to appeal to even the simple minded viewers he wants to address. His warping of facts might not be a flaw in his content, but rather a stylistic choice in his presentation, to raise awareness on the issues in his target audience. Whether that's true or not, I urge Mr. Moore to study this movie as a positive example for exactly that. "Zootopia" speaks a universally understandable language, tackles issues of importance, does so in an analytical but not exaggerated manner that exposes the underlying mechanisms and accomplishes all of this, while still retaining the format of family friendly entertainment with maximal appeal. And it's not even a goddamn documentary, it's a fictional, animated buddy cop comedy. Still, next to "The Hateful Eight" (yes, we got that one rather late over here), this might be the bravest movie I have seen this year, but unlike Tarantino's latest endeavour, this Disney film about a talking rabbit actually avoids being outright childish.

                    "Zootopia" is a worthy follow-up to last year's "Inside Out", delivers a thoroughly entertaining and engaging adventure with a strong and independent female protagonist and makes a bold statement about the state our society is in right now. Dare I say it, but for the first time since it's racist beginnings, Disney seems to present us with an exceptionally progressive view on the world, which makes other current film productions pale in comparison.

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                      The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford - 9/10

                      Ein Filmname, den man sich auf der Zunge zergehen lassen kann und wie er passender nicht sein könnte. Er klingt wie der Titel einer Facharbeit, etwas zu nüchtern und irgendwie merkwürdig paradox. Doch er passt perfekt auf diese filmische Analyse, die eher Studie als Unterhaltung ist und mich gerade dadurch unterhalten konnte. Selten habe ich so eine perfekte Darstellung einer legendären Person gesehen. Da müssten Ridley Scott (Produzent) mit seinem Robin Hood, Brad Pitt (Hauptdarsteller) mit seinem Achilles und selbst Jeremy Renner (Nebendarsteller) mit seinem Jeffrey Dahmer eigentlich allesamt in den Keller gehen und heulen. Solch ein einzigartiges Bio-Pic gibt es nur alle 10 Jahre. Hervorzuheben sind unter anderem der tolle Soundtrack von Nick Cave, die wunderschönen, in bleach bypass getauchten, Gemälde die man hier 24 Mal pro Sekunde zu sehen bekommt und eine stargeschmückte Schauspielerriege, die bis in die allerkleinste Rolle perfekt besetzt ist und von jedem mit absoluter Leidenschaft gespielt wird. Eigentlich unerhört, dass eine Cast wie diese (sie erinnert fast an Vehikel wie "Ocean's Eleven") einen solchen Film aufwertet und wirklich jeder an die Bestleistungen seiner Karriere heranreichen kann. Abzug muss es leider aber auch geben, allein fürs Editing und Pacing. Wie ich bei Wikipedia sehen konnte entstand der Film zusammen mit "No Country For Old Men" und "There Will Be Blood", welche beide filmtechnisch einen Tick überlegen sind, weil wohl auch Talente von diesem Film abgewandert sind um die anderen beiden zu unterstützen. Wirklich schade, aber zerstört hat es ihn trotzdem nicht. Nur gibt es im letztens Drittel vor der Ermordung (denke Mal das dürfte kein Spoiler sein ^^ ) ein paar Längen und als Film-Film fühlt er sich einfach so an, als wenn er 3 bis 4 mal enden würde. Um den Punkt machen zu können, den er macht war der lange Epilog aber natürlich absolut nötig. Wie gesagt, es handelt sich eher um eine hochanalytische Charakterstudie, die man in Schulen und Universitäten aufführen sollte.
                      Ich bin damit froh, noch einen weiteren tollen Film mit Jeremy Renner gefunden zu haben, der taucht in letzter Zeit wirklich überall auf und ich bemerke ihn in vielen älteren Sachen. Auf den neuen Film vom Regisseur Andrew Dominik "Cogan's Trade", ebenfalls mit Brad Pitt in der Hauptrolle freue ich mich jetzt außerdem umso mehr.

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                        David_Lynch 01.02.2022, 13:41 Geändert 14.02.2022, 14:23

                        Du bist ein verdammter Denker. 🎬

                        Ein Dummejungenstreich. Ein Geniestreich. Die alte Leier. Boy meets girl. Sie ist zu alt für ihn, zu jung für andere. Der Sohn von Philip Seymour Hoffman in seiner ersten Rolle. Der Vater von Leonardo DiCaprio in seiner ersten Rolle. Ein Film zum Anfassen. Ein Film über das Anfassen. Ein Klaps auf den Po, ein Kompliment an den Busen. Für wen staffiert man ihn eigentlich aus? Schätzchen, sexy sein ist dein Job. Du stehst auf der Speisekarte. Du bist die geborene Waitress, Stewardess, Wasserbetthostess. Attraktiv, aber namenlos. That's showbiz.

                        In die Fußstapfen des Vaters treten. Und Matratzen verkaufen. Filme machen. Geschäftsmodelle. Mit Models. Das große Geld, das kleine Glied. Alles anfangen, nichts beenden. Mit allen was anfangen. Neue Frauen am laufenden Band. Und geschiedene Männer. Immerhin dünner. High five! Du bist der Mann! Nein, du bist der Mann! Männer, die sich lieben. Aber nicht in der Öffentlichkeit. Der ewige Tanz. Rückwärts den Abhang runter. Das Steuer übernehmen. Den kleinen Finger reichen. Einen Heiratsantrag bekommen. Begehrt werden. Begehrt werden wollen. Wollen wir doch alle. Wir rennen und rennen, auf und davon und kommen dennoch nicht vom Fleck.

                        Ölkannentrichter, Wasserschlauch, Zigarettenstummel. Ein Knallkörper im Jungenklo. Ein Peniswitz. Boys will be boys. So sind sie nun mal. Alte Männer aus Old Hollywood. Auf dem Sprung. Die wollen immer noch ihr Ding machen. Mit jungen Dingern. John C. Reilly ist ein Monster. Männer sind Mörder. Nicht dieser. Nicht Gary. Ihm fehlen die Eier. Er haut nur die Jüngeren. Er zerkratzt das Auto, wenn niemand hinschaut. Sie boxt ihn raus.

                        Telefon. Wer zuerst spricht hat verloren. Wer zu laut atmet auch. Eigentlich schon wer atmet. Gary hat's verkackt. Deep Throat. Skandal. Richard Nixon hat's auch verkackt. Benny Safdie for president! Männer die um Öl kämpfen. Um ihre Muscle-Cars zu befüllen. Das Motorrad macht den Stunt nicht ohne. Sie vergleichen den Schwanz, sie erzählen vom Krieg. Von Affären. Von Filmen. Vom Schein. Eigentlich sind sie alle nur Schauspieler. Eigentlich sind alle Scheißkerle. Eine warme Umarmung. "Hi." Augenhöhe. Vielleicht ein Anfang. "Ich liebe dich." Idiot.

                        Hier haben wir es mit etwas ganz Besonderem zu tun. Denn schon lange nicht mehr fühlte sich neu-produzierter Content, wie man es heutzutage schimpft, so sehr nach einem echten Film an. Damit meine ich nicht nur das Material, auf dem er gedreht ist, sondern auch seine Art. Er ist kein bloßes Produkt und er muss sich auch bei niemandem anbiedern. Entweder gefällt er einem oder eben nicht. Falls nicht, dann ist es ihm auch egal, denn er ist ehrlich. Und sehr direkt. Man spürt als Zuschauer geradezu, wie sich eine exakt 35 Millimeter dicke, wärmende Decke aus Zelluloid, beim Schauen über einen legt. Doch die Decke hat Gewicht. Es scheint erst alles so vertraut, wie das Knistern der titelgebenden Schallplatte, aber ist dann doch irgendwie erfrischend, energiegeladen, unberechnbar. Ohne Nostalgiegewichse.

                        Faszinierend ist, dass Regisseur Paul Thomas Anderson sein Publikum, im Gegensatz zu seinem infantilen, männlichen Protagonisten, tatsächlich für mündig hält. Für fähig, das Gesehene verarbeiten zu können. Was inzwischen auch einer Seltenheit gleicht. Ein neuer Handlungsstrang ohne Aufbau, eine weitere Figur, die den Film ohne Ankündigung betritt? Eigentlich unvorstellbar und doch verstehen wir nahezu jede neue Szenerie schon ab dem zweiten Bild. Wir sind doch alle erwachsen.

                        Anderson ist auf den Schlag, mitten im Sommer des Jahres 1970 geboren und genau wie sein BFF Quentin Tarantino dort steckengeblieben. Doch entgegen der "früher war alles besser"-Mentalität, scheint er eher ein Vertreter des "früher war's auch schwierig und wir haben seitdem nicht viel hinzugelernt"-Standpunktes zu sein. Der Zigarettenqualm hat damals noch das größte Übel verschleiert. Darum tut dieser Blick zurück, durch PTAs geschulte Augen und seine zielgerichtete Kamera, auch genau an den richtigen Stellen so weh. Als Geschwister im Geiste, kann man ihn aktuell noch am ehesten mit Edgar Wrights "Last Night in Soho" vergleichen und nicht zufällig machen beide Leading Ladies, in ihrem Kampf gegen toxische Männlichkeit, kurz vor einem "James Bond" Kinoposter halt.

                        Heraus kommt dabei ein Film, den man über zwei Stunden lang thematisch kaum einordnen oder in eine Schublade stecken kann und der dann doch so absolut teffend, mit nur einer einzigen Szene, auf den Punkt kommt. Mit einer Figur, die man nach gerade einmal zwei Minuten Screen Time als emotionalen Anker akzeptiert. Matthew ist der MVP des Films. Matthew braucht Liebe. Denn selbst die entschlossensten Männer können sich nicht entscheiden. Und plötzlich fügt sich alles. Daran werde ich noch lange zu knabbern haben. Ich glaube ich leg' erstmal 'ne Platte auf zum Runterkommen.

                        "Nimm schon den Lappen, ich hab' ihn dir mit Liebe gekauft
                        Oh, Baby, Baby, Baby, Baby, Nein muss nicht sein
                        Sag Ja zum Leben, nimm den Lappen und wisch den Tisch ab
                        Ich kann es doch nicht, ich bin nur ein Mann"
                        - Helge Schneider

                        https://letterboxd.com/milli_vanilla/film/licorice-pizza

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                          Du bist ein verdammter Denker. 🎬

                          Ein Dummejungenstreich. Ein Geniestreich. Die alte Leier. Boy meets girl. Sie ist zu alt für ihn, zu jung für andere. Der Sohn von Philip Seymour Hoffman in seiner ersten Rolle. Der Vater von Leonardo DiCaprio in seiner ersten Rolle. Ein Film zum Anfassen. Ein Film über das Anfassen. Ein Klaps auf den Po, ein Kompliment an den Busen. Für wen staffiert man ihn eigentlich aus? Schätzchen, sexy sein ist dein Job. Du stehst auf der Speisekarte. Du bist die geborene Waitress, Stewardess, Wasserbetthostess. Attraktiv, aber namenlos. That's showbiz.

                          In die Fußstapfen des Vaters treten. Und Matratzen verkaufen. Filme machen. Geschäftsmodelle. Mit Models. Das große Geld, das kleine Glied. Alles anfangen, nichts beenden. Mit allen was anfangen. Neue Frauen am laufenden Band. Und geschiedene Männer. Immerhin dünner. High five! Du bist der Mann! Nein, du bist der Mann! Männer, die sich lieben. Aber nicht in der Öffentlichkeit. Der ewige Tanz. Rückwärts den Abhang runter. Das Steuer übernehmen. Den kleinen Finger reichen. Einen Heiratsantrag bekommen. Begehrt werden. Begehrt werden wollen. Wollen wir doch alle. Wir rennen und rennen, auf und davon und kommen dennoch nicht vom Fleck.

                          Ölkannentrichter, Wasserschlauch, Zigarettenstummel. Ein Knallkörper im Jungenklo. Ein Peniswitz. Boys will be boys. So sind sie nun mal. Alte Männer aus Old Hollywood. Auf dem Sprung. Die wollen immer noch ihr Ding machen. Mit jungen Dingern. John C. Reilly ist ein Monster. Männer sind Mörder. Nicht dieser. Nicht Gary. Ihm fehlen die Eier. Er haut nur die Jüngeren. Er zerkratzt das Auto, wenn niemand hinschaut. Sie boxt ihn raus.

                          Telefon. Wer zuerst spricht hat verloren. Wer zu laut atmet auch. Eigentlich schon wer atmet. Gary hat's verkackt. Deep Throat. Skandal. Richard Nixon hat's auch verkackt. Benny Safdie for president! Männer die um Öl kämpfen. Um ihre Muscle-Cars zu befüllen. Das Motorrad macht den Stunt nicht ohne. Sie vergleichen den Schwanz, sie erzählen vom Krieg. Von Affären. Von Filmen. Vom Schein. Eigentlich sind sie alle nur Schauspieler. Eigentlich sind alle Scheißkerle. Eine warme Umarmung. "Hi." Augenhöhe. Vielleicht ein Anfang. "Ich liebe dich." Idiot.

                          Hier haben wir es mit etwas ganz Besonderem zu tun. Denn schon lange nicht mehr fühlte sich neu-produzierter Content, wie man es heutzutage schimpft, so sehr nach einem echten Film an. Damit meine ich nicht nur das Material, auf dem er gedreht ist, sondern auch seine Art. Er ist kein bloßes Produkt und er muss sich auch bei niemandem anbiedern. Entweder gefällt er einem oder eben nicht. Falls nicht, dann ist es ihm auch egal, denn er ist ehrlich. Und sehr direkt. Man spürt als Zuschauer geradezu, wie sich eine exakt 35 Millimeter dicke, wärmende Decke aus Zelluloid, beim Schauen über einen legt. Doch die Decke hat Gewicht. Es scheint erst alles so vertraut, wie das Knistern der titelgebenden Schallplatte, aber ist dann doch irgendwie erfrischend, energiegeladen, unberechnbar. Ohne Nostalgiegewichse.

                          Faszinierend ist, dass Regisseur Paul Thomas Anderson sein Publikum, im Gegensatz zu seinem infantilen, männlichen Protagonisten, tatsächlich für mündig hält. Für fähig, das Gesehene verarbeiten zu können. Was inzwischen auch einer Seltenheit gleicht. Ein neuer Handlungsstrang ohne Aufbau, eine weitere Figur, die den Film ohne Ankündigung betritt? Eigentlich unvorstellbar und doch verstehen wir nahezu jede neue Szenerie schon ab dem zweiten Bild. Wir sind doch alle erwachsen.

                          Anderson ist auf den Schlag, mitten im Sommer des Jahres 1970 geboren und genau wie sein BFF Quentin Tarantino dort steckengeblieben. Doch entgegen der "früher war alles besser"-Mentalität, scheint er eher ein Vertreter des "früher war's auch schwierig und wir haben seitdem nicht viel hinzugelernt"-Standpunktes zu sein. Der Zigarettenqualm hat damals noch das größte Übel verschleiert. Darum tut dieser Blick zurück, durch PTAs geschulte Augen und seine zielgerichtete Kamera, auch genau an den richtigen Stellen so weh. Als Geschwister im Geiste, kann man ihn aktuell noch am ehesten mit Edgar Wrights "Last Night in Soho" vergleichen und nicht zufällig machen beide Leading Ladies, in ihrem Kampf gegen toxische Männlichkeit, kurz vor einem "James Bond" Kinoposter halt.

                          Heraus kommt dabei ein Film, den man über zwei Stunden lang thematisch kaum einordnen oder in eine Schublade stecken kann und der dann doch so absolut teffend, mit nur einer einzigen Szene, auf den Punkt kommt. Mit einer Figur, die man nach gerade einmal zwei Minuten Screen Time als emotionalen Anker akzeptiert. Matthew ist der MVP des Films. Matthew braucht Liebe. Denn selbst die entschlossensten Männer können sich nicht entscheiden. Und plötzlich fügt sich alles. Daran werde ich noch lange zu knabbern haben. Ich glaube ich leg' erstmal 'ne Platte auf zum Runterkommen.

                          "Nimm schon den Lappen, ich hab' ihn dir mit Liebe gekauft
                          Oh, Baby, Baby, Baby, Baby, Nein muss nicht sein
                          Sag Ja zum Leben, nimm den Lappen und wisch den Tisch ab
                          Ich kann es doch nicht, ich bin nur ein Mann"
                          - Helge Schneider

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                            Eine kleine Review und Analyse von mir zum wohl interessantesten Film des Jahres, Luca Guadagninos Remake des Kultklassikers "Suspiria". Ich versuche mich wie immer relativ spoilerfrei zu halten, es empfiehlt sich aber den Film im Voraus gesehen zu haben. Andererseits jedoch könnte ich niemanden, der jemals wieder ruhig schlafen möchte, mit gutem Gewissen in dieses höchst verstörende Werk schicken. Eine Filmrezension im Limbus sozusagen. Ich bin gespannt, wie die Welt diesen Brecher eines Films aufnehmen wird. Wahrscheinlich wird er wie "Blade Runner 2049" als verkanntes Meisterwerk dem Untergang geweiht sein. Meine Seele hat er! Hier der Link zur Besprechung:

                            https://www.youtube.com/watch?v=Ltix_e5K_dE

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                              Radikal poetisch. 🎬

                              Ich glaube ich habe einen Schuss gehört. Ich glaube ich habe einen Schuss gehört. Oder könnte es eine Filmklappe gewesen sein? Was auch immer es war, der Knall hat mich aufgeweckt.

                              Der vierte Teil der Matrix-Trilogie (besser kann man ihn kaum beschreiben) ist ein radikales Werk. Ein Magnum Opus, dass es schafft, die Grenzen zwischen Realität und Fiktion zum Einsturz bringt. Und ist ganz nebenbei der Filmförderung Berlin-Brandenburg zu verdanken, mit soviel Umlauten im Abspann, wie man sie schon lange nicht mehr bei einem Blockbuster lesen konnte.

                              Über 20 Jahre nach dem ersten Teil, bewerkstelligt der Film das nahezu Unmögliche. Er regt erneut zum Nachdenken an. Ihn auf der Handlungsebene oder gar auch nur der ersten Meta-Ebene zu besprechen, ist zum Scheitern verurteilt. Er ist der vielleicht erste Film, der an der zweiten Meta-Ebene kratzt. Ein Kommentar, formuliert als Hilfeschrei, auf die replizierende Wiederverwertung finanziell erfolgreicher Franchises. Wie eine Matrix in einer Matrix, wird jede tieferliegende Verschachtelung bedeutungslos gegenüber der einen großen Wahrheit, die über ihr, über allem, schwebt. Willkommen in der Realität.

                              Dieser Film ist nichts, was wir uns wirklich gewünscht hätten. Und anscheinend auch nichts, was sich die Schöpferin gewünscht hätte. Er ist der filmgewordene Zeigefinger gegen geldgierige Studios. Gegen Nostalgie-hungrige Fanscharen, die blind alles verschlingen, was ihnen vorgesetzt wird. Die das immergleiche Gefühl von damals rekreiert haben wollen. Originalität ist tot. Gebt uns den grauen, angerosteten Einheitsbrei, denn wir haben bereits vergessen, wie eine echte, wilde Erdbeere schmeckt.

                              Filme entstehen heute durch Analytiker. Basierend auf Statistiken. Spider-Man muss wieder zurück in die High School. Nicht etwa, weil dies eine werkgetreuere Adaption der Story darstellt, sondern weil er dort Influencer sein kann. Weil man ihm und seinen jungen Freunden dort Social Media Accounts verpassen kann. Das ist keine Vermutung, kein Verdacht. Es war die konkrete Ansage des kommandogebenden Studios. Diese Infos haben wir ironischerweise einem Hacker zu verdanken. Inzwischen ist TikTok der größte Sponsor auf den glitzernden Premierewänden und gehört zu Spider-Man wie Audi zu den Avengers. Und wenn das bereits 2017 die grauenhafte Realität war (und auch Erfolg hatte), dann können wir uns nicht ausmalen, durch welche Gespräche und welche Höllenkreise Lana Wachowski gegangen sein muss, bis man sie dazu bringen konnte, allen Widrigkeiten zum Trotz, diesen Geniestreich zu manifestieren. Und vor allem, wie zum Teufel sie es geschafft hat, dieses Drehbuch an den Agenten des Studiosystems vorbeizuschleusen.

                              Als Warner vor einer Weile diese Fortsetzung forderte, gar androhte, war die ursprüngliche Matrix-Trilogie längst Geschichte, nicht mehr als IP. Doch die Regisseurin nutzt hier clevererweise nicht die fiktive Story, die wir als "Matrix" kennen, für ihre künstlerischen Zwecke, denn diese ist ohnehin auserzählt, die Leinwand bis zum Rand gefüllt. Hat selbst Animationsfilme, Actionfiguren und Videospiele hervorgebracht. Stattdessen erzählt Lana jetzt diese IP, die wir als "Matrix" kennen, weiter und hält uns als Publikum buchstäblich den Spiegel vor. In der Hoffnung, dass wir nun endlich aufwachen. Denn diese Welt, die uns täglich auf der Leinwand und dem Bildschirm präsentiert wird und das Gefühl von Geborgenheit suggeriert, ist mehr Schein als Sein. Ein Geisterjäger kehrt als stummer Geist zurück? Luke ist wieder jung und kampfeswillig? Drei heulende Spinnenmänner in einem Raum? Da kann man wohl schlecht trocken bleiben. Die Taschentuchpackung und das Portemonnaie liegen offen. Kennt ihr noch Sentinels? Sie sind zurück. Aber jetzt als kleine, süße Marshmallow Männer. Ähm, ich meine Yoda, aber als Baby. Ich meine BB-8. Fist bump, little guy!

                              Mit dieser Kritik, gekleidet in selbstreferenziellen Anti-Humor, geht der Film nicht sparsam um, sondern feuert sie wie Maschinengewehrsalven im Sekundentakt raus. Fans finden sich in künstlichen Nostalgie-Empathieträger-Figuren wieder, die parolenhaft Zitate der alten Teile, wie hirnhungrige Zombies von sich geben. Der grobe Plot ist exakt der gleiche des ersten Teils, wie schon bei "The Force Awakens" und auch eine Verulkung des Rey-Charakters tritt mit vergötternden Augen auf. Du bist Luke fucking Skywalker, du bist eine Legende für meine Generation. Neo kriegt hier sogar seinen eigenen Fanclub innerhalb des Universums. Manche sehen den Glauben an diese Figur als ihre eigene Religion an. Das Jeditum lässt grüßen.

                              Und nicht nur in der eigenen Franchise gräbt man Erinnerungen ab. Keanu Reeves ist inzwischen in seiner "John Wick" Persona, inklusive passendem Look und Kleidungsstil, angekommen, verhält sich aber wie ein neurotischer Hoschi und das volle Kanne. Das Alter? Der Bart! Um ihn zurückzuholen, wiederzubeleben, bringt man ihn an einen vertrauten Ort, kämpft einen Kampf, den er schon einmal geführt hat. Nein, ich spreche nicht von Morpheus im Kimono, sondern dem dazugehörigen Haus am See. Selbst auf der Oberfläche ist "Resurrections" kein Actionfilm, er ist eine Romanze. Für die neu inszenierten Szenen der künstlichen Trinity wäre Sandra Bullock das i-Tüpfelchen gewesen. Und wenn man im großen Finale schließlich stürzenden Suizid-Bots ausweichen muss, triggert das unweigerlich Flashbacks an den gefühlt achtzehnten Teil der "Fast & Furious" Reihe.

                              Natürlich werden aber auch die ikonischen Szenen der Matrix-Reihe selbst, die sich im popkulturellen Gedächtnis verankert haben, 1:1 wieder nachgestellt. "Hommagiert", wie man in der Werbung sagen würde. Doch der Gag ist auch hier auf Kosten des Zuschauers, denn das Ganze geht soweit, dass man einfach aufwandslos Clips der ersten drei Teile einspielt, ja sogar identische Charaktere gegeneinanderschneidet. Einmal verkörpert von den charismatischen Darstellern von damals und dann, im krassen Gegensatz dazu, die leeren Hülsen der Jungdarsteller in eben diesen Rollen. Morpheus und Smith sind ein Witz, verschmelzen sogar zu einer Figur. Das Melken vergangener Charaktere, wie es das "Star Wars" Universum noch heute tut, wird komplett ad absurdum geführt. Jada ist jetzt Jack Sparrow, der Merowinger nun Robin Williams aus "The Fisher King", mit Rufios Lost Boys aus "Hook" im Schlepptau. Selbst das Einspielen eben dieser Clips entbehrt sich jeglicher Logik. Innerhalb der neuen Matrix sei Keanu Reeves jetzt ein Spieleentwickler. Er habe mit der Videospieltrilogie, die Ende der 90er begann, den weltweiten Popkulturmarkt revolutioniert. Erinnerungen für eine ganze Generation geschaffen. Um diese Videospiele zu illustrieren zeigt man uns jedoch 2D Filmclips. In einem Kinosaal projeziert. Es ist egal. Irgendjemand im Publikum hat das Bekannte bereits erkannt. Mission erfüllt. Wir werfen euch unser wiedergekautes Erbrochenes vor. Die Magie von damals ist lange erloschen. Das Zitat wird pervertiert. Ich habe nur ein Wort für euch: Bullet Time.

                              Es ist ein bisschen, als würde man seine liebste Nu Metal Band von Anfang der 2000er nochmal sehen. Mit Remixen ihrer größten Hits im Gepäck. Nicht nur, wird man feststellen, dass das heutzutage nicht mehr funktioniert, gar furchtbar klingt, nein, man wird auch merken, dass es vielleicht damals schon nicht die erhabenste Kunst auf Erden war. Aber auf einer WG-Party die Frage zu stellen, was wäre denn, wenn es die Matrix wirklich gibt, hat in den vergangenen 20 Jahren sicher zu höchst philosophischem Small Talk und dem eventuellen One Night Stand geführt. In unseren Pods werden wir getrennt. Im Pop sind wir vereint. Gefangen.

                              Die ersten drei Matrix-Filme waren von unterschiedlicher Güte, aber zumindest gab es etwas, dass sie alle einte. Die Faszination für das Erkunden einer fremden, fiktiven Welt, die mit jedem weiteren Teil gewachsen ist. Dieser vierte Eintrag ist kein weiteres Kapitel derselben Reise, er ist vielmehr das dazugehörige Reclam-Heft, verfasst mit dem Sturm und Drang eines Uwe Boll. Sein Konflikt ist nicht mehr fiktiv und er kann auch nicht mehr faszinieren. Stattdessen lässt er einen deprimiert über die eigene Realität zurück. Irgendwas hat er dabei jedoch in meinen Hinterkopf gepflanzt und so wächst und gedeiht dort die Idee von Hoffnung. Kann es Friedensverhandlungen zwischen den Fans und dem Studio geben? Zwischen Künstlern und Konzernführern? Kann Nostalgie gesund sein? Lanas Glaube scheint, dass irgendwo tief verborgen immer noch Liebe für dieses Franchise besteht. Entkoppelt vom finanziellen Erfolg, respektvoll und auf Augenhöhe. Ein Regenbogen am Himmel, den wir dringend brauchen. Allein dafür, will ich sie einfach nur in den Arm nehmen.

                              Ein inhaltliches Detail muss ich aber in eigener Sache doch noch festhalten. Selbst im Zuge eines kongenialen Meta-Meta Hate Fucks, sollte sich der gute Max Riemelt bitte nie wieder selbst auf deutsch synchronisieren. Oder ein abgespacetes Cyberpunk-Kostüm tragen. Und Christina Ricci, trotz ihres prominenten Eintrags in den Credits, nur für eine einzige Einstellung zu zeigen, ist sowieso ein Kapitalverbrechen.

                              Wo verbleibt "The Matrix Resurrections" nun? Er bietet eine schrecklich miese Seherfahrung mit einem unfassbaren Konzept sondergleichen, dessen Exekution einem Wunder gleichkommt. Ein gaunerhafter Masterplan, bei dem man die Gelackmeierten selbst für ihren Schaden bezahlen lässt. Ein Clou, bei dem selbst George Clooney und Brad Pitt blass werden würden. Er ist intendierte Folter, Vergewaltigung und Wiedergeburt zugleich. Er ist kein richtiger Film, kein brauchbares Reboot und schon gar kein kanonisches Sequel. Und dennoch ist er das vielleicht beste "Gremlins 2" Remake, auf das wir nie gehofft haben. Denn das ist der wohl einzige Vorfall der Filmgeschichte, den man hier als Vergleich anführen kann. Schon damals gelang es Altmeister Joe Dante den Gebrüdern Warner ein Sequel unterzujubeln, dass er selbst nie machen wollte und eben diesen Umstand in vollen Zügen (und auf Kosten des Studios) auszunutzen. Auch dort wagte er den Sprung durch den Spiegel, durch die vierte Wand und lies Hulk Hogan den Film im Film anhalten. Inspiriert wurde er dazu laut eigener Aussage durch den bahnbrechend chaotischen "Hellzapoppin'" aus dem Jahre 1941. Mit Universal Pictures steckte damals ebenfalls ein großes Studio hinter dem, sich seiner selbst bewussten, Film. In einer Welt, die sich seit vielen Jahrhunderten gegenseitig für anhaltenden Profit kannibalisiert, ist halt alles schonmal dagewesen. Der Mensch merkt es nur nicht, da ihm stets eine veränderte Zukunft simuliert wird. Ein falscher Fortschritt, der sich am Vorherigen vergeht und der Zelluloid-Markt ist da keine Ausnahme. Im Gegenteil, er ist Vorreiter.

                              Die politische Dimension dieses nicht enden wollenden Loops und die potentiellen gesellschaftlichen Gefahren, möchte man sich gar nicht ausmalen. Es ist schon schlimm genug die Popkultur zu betrauern, die uns als Geisel hält. Und so zeigt die allerletzte Szene des Films treffenderweise unsere verklärten Helden von damals, wie sie einen Algorithmus wortwörtlichen zu Tode prügeln, der zuvor in Studien das maximale Fan-Potential ausgerechnet hatte und die volle Kapazität dieser menschlichen Zielgruppe, wie eine in Reihe geschaltete Batterie, abzapfen wollte. Wer es bis dahin noch immer nicht verstanden hat, dem prügeln es dann die End Credits ebenfalls nochmal ein. Denn es sollte kein Zufall sein, dass man hierfür die brandaktuelle Band "Brass Against" mit ihrem "Rage Against The Machine" Cover für die musikalische Unterstützung auswählte. So wie die Frontfrau vor Kurzem einem gealterten, hochnotpeinlichen (wenn auch glücklichen) Fanboy live vor Publikum ins Gesicht urinierte, so will dieser Film es als Mahnmal und Gleichnis zementieren. Unsere Fans sind so unfassbar geschmacksblind geworden, dass wir ihnen alles vorwerfen können. Selbst wenn wir ihnen im Strahl ins Gesicht pissen, werden sie es dankend annehmen.

                              Und wer ganz bis zum Schluss im bezahlten Kinosessel sitzen bleibt, der bekommt sogar noch eine fantastisch sinnbefreite Verballhornung der Post-Credit-Szenen populärer Superheldenprodukte geboten. Gebt uns "The Catrix" und die ersten Tickets würden sich wie von selbst verkaufen, denn ich fürchte die konsumierende Masse hat den Schuss nicht gehört.

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                                In der Liebe zueinander sind wir alle verspielte Kinder und manchmal verletzen wir uns. In der Liebe zu Gott ist man auf sich allein gestellt und niemand spielt den Ball zurück.

                                Der neuste Streich des momentan wieder hochaktiven Terrence Malick widmet sich ähnlichen Motiven wie der spirituelle Vorgänger "The Tree of Life", jedoch in einem kleineren Rahmen und mit einem deutlichen Fokus auf dem Thema Liebe. Da wären zunächst die zwei zentralen weiblichen Charaktere, beide auf der konkreten Suche nach Liebe. Die eine, Olga Kurylenko, nutzt Liebe zunächst nur als Mittel zum Zweck um an eine Green Card zu kommen, verspürt aber schon bald das Verlangen nach mehr, was jedoch weder von ihrem Mann noch von ihrer Tochter erwidert wird. Letztendlich sucht sie an den falschen Orten und lässt sich von Amerika vergewaltigen. Die andere, Rachel McAdams, benötigt dringend gesunde, nährende Liebe um Wunden der Vergangenheit endlich zur Heilung zu verhelfen, wird aber von Anfang an mit ausweichenden Blicken ihres Partners gestraft und schließlich ebenso enttäuscht. Hoffnung auf eine ideale Zukunft in trauter Zweisamkeit wird hier nicht gerade groß geschrieben und auch den männlichen Charakteren geht es nur minimal besser. Der eine, Ben Affleck, ist geradezu unfähig zu lieben und stellt mit der abstoßenden Art seiner Rolle, die entweder einer generellen inneren Leere seinerseits oder aber, wofür ich mich im Nachhinein doch noch entschieden habe, seinem beachtlichen Schauspiel geschuldet ist, die Nerven des Publikums auf die Probe. Der andere, Javier Bardem, zweifelt so langsam, aufgrund des Elends um sich herum, an seiner bedingungslosen Liebe zu Gott. Obwohl er sich wohlwissend auf die kräftezehrende Beziehung mit seiner Religion eingelassen hat, kann er das ständige Geben nicht länger ertragen. Hier hätte der Charakter, beziehungsweise das Drehbuch, eine schrecklich klischeehafte Erleuchtung erfahren können, doch der Weg den er geht ist so viel zufriedenstellender. Bardem beschließt fortan direkt Not und Leid in seiner Umgebung zu bekämpfen, trägt seinen Glauben dabei quasi nur noch als Arbeitsuniform. Er hilft den Bedürftigen und erhält im Gegenzug die eigene Befriedigung geholfen zu haben. Zuvor hatte ihm eine alte Dame noch angeboten für ihn zu beten, damit er nicht immer so einsam und unglücklich ist. Nun ist ihm klar, dass beten noch nie jemandem geholfen hat, dafür muss er schon rausgehen in die Welt und selbst aktiv werden. Genauso wenig kann man darauf hoffen, dass einem die perfekte Liebe in den Schoß fällt. Man muss ausziehen um Liebe zu suchen und zu erfahren und man muss davon ausgehen, wahrscheinlich sogar mehrfach, enttäuscht zu werden. Liebe ist gefährlich, Liebe tut weh, Liebe macht krank. Liebe ist zugleich aber auch absolut notwendig, unfassbar vielfältig und die höchste Form der Erfüllung, die ein Mensch erfahren kann. Sie verhält sich wie die Gezeiten und wir balancieren, mal mit festem Fuß, mal leichtfüßig tänzerisch auf der sich ständig verändernden Wasserlinie. Nachdem Malick in seinem letzten Werk versucht hat das Leben an sich zu entschlüsseln oder zumindest gefühlsmäßig zu erfassen, so behandelt "To the Wonder" den wichtigsten aller Lebensinhalte und hebt hervor, welch unerklärliches, abstraktes Mysterium "Liebe" doch ist und wohl auch für immer bleiben wird. Das vielleicht letzte, wirkliche Wunder in dieser Welt.

                                Das dabei jede einzelne, leinwandsprengende Einstellung Perfektion versprüht sollte inzwischen keiner Erwähnung mehr bedürfen und nur als Randnotiz angeführt werden. Vor allem wird diesmal den "Style Over Substance"-Hatern von Anfang an der Wind aus den Segeln genommen, hat man es hier doch mit einem der zugänglicheren Werke Malicks zu tun, welches einen klaren Kontext zwischen Inhalt und Bildsprache aufweist und mit mehr als deutlichen Metaphern arbeitet.

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                                  Meine Review dieses kleinen aber feinen Films:
                                  http://www.youtube.com/watch?v=C07EH6TNMMQ

                                  • 8 .5

                                    Lost River(dance) - Warum mein erstes Mal auf der Berlinale so wundervoll wehtat

                                    "Kissing Candice", das Langfilmdebüt von Aoife McArdle, schlägt ein wie ein Ziegelstein und versenkt den Zuschauer in neonlichtgefärbten Albträumen und ungeahnten Abgründen der irischen Vorstadtidylle. Eine spätpubertierende Rebellion der bittersten Sorte, inszeniert und bebildert auf die schönste Art und Weise. Wie das Auf- und Zuschlagen eines Märchenkapitels gleiten wir auf sanften Schwingen durch eine blut- und schweißgetränkte Hölle. Die Epilepsie unserer Protagonistin ist Plot Point und Stilmittel zugleich. Blackouts, stakkatoartige Szeneriewechsel, eine Welt wie im Fieber.

                                    Wer sich nach gut einer halben Stunde (und einer der wohl zauberhaft surrealsten Eröffnungssequenzen) in den metaphorischen Stimmungsbildern zu verlieren droht, dem wird letztendlich mit einer doch ziemlich stringenten Story ein Pfad durch das bebende Chaos geboten. Diese Story fällt dann zugegebenermaßen etwas nüchterner aus und man sollte auch nicht darauf hoffen, dass der blutrote Faden noch mit komplexen Verknotungen aufwartet. Intellektuelle Offenbarungen bleiben aus. Der Film verleitet vielmehr zum Fühlen, als dass er wirklich greifbar wird. Doch beeindruckt er gerade darin und vergreift sich auch nicht im Ton, wie es schnell passieren könnte. Stattdessen balanciert McArdle scheinbar mühelos eine Dreifaltigkeit aus spektakulärer Schönheit, verstörender Finsternis und sogar einem Spritzer schwarzem Humor. Sei es auch nur in der perfekt durchkomponierten Bildsprache, die selbst vor einigen augenzwinkernden Kubrick-Zitaten nicht zurückschreckt. Lynch, Refn, von Trier und Argento sind ebenfalls zur Party eingeladen, was jedoch nicht zur bloßen Imitation unter Cineasten bekannter und beliebter Stile verkommt, sondern versprüht im Gegenteil eine überaus inspirierende Euphorie, die die wilde Gedankenwelt der Hauptfigur trefflich visualisiert. "Kissing Candice" ist ein ganz eigenes Biest und lässt sich nicht zähmen.

                                    Eine makellose Cinematographie und ein markerschütterndes Sound Design sind ohne Frage die größten Stärken des Films, welche durch hervorragende Performances aller Jungdarsteller ergänzt werden und somit trotz höchst stilisierter Ästhetik die notwendige Authentizität erlangen. Wer also wagemutig genug ist, sich zum Kuss vorzubeugen, der wird mit einer einmaligen Grenzerfahrung belohnt. Und was fühlt sich eigentlich länger an, die Sekunden vor dem ersten Kuss oder vor dem tödlichen Aufprall?

                                    http://www.youtube.com/watch?v=76rxlSMQ7jg

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                                      Written and directed by Lars von Trier. Zu den Klängen einer Beck produzierten Charlotte Gainsbourg Nummer setzt der Abspann ein. Rammstein, Bach und die Talking Heads haben wir hinter uns gelassen. Nun ist es vorbei. Dieser Bilderreigen. Diese Philosophiestunde. Dieses Spiel mit den Regeln. Diese unnachgiebige Provokation, Verführung und Entlarvung des Publikums. Überwältigt sacke ich in meinem Kinosessel zusammen. Mit einer zittrigen Handbewegung und einem dezenten Lächeln auf den Lippen wische ich mir Lars' Sperma aus dem Mundwinkel und hauche ein leises 'Wow'.

                                      Und doch, trotz all dieser Raffinesse und all dem tonnenschweren Gedankengut, hätte anstatt der bewegten Bilder auf der Leinwand letztendlich auch ein großer Spiegel genügt. Lang lebe der niedere Trieb. Es gibt da draußen also doch noch jemanden, der an das Schlechte im Menschen glaubt. Er ist der Nazi mit dem Hang zum Judentum. Der Misogyn, der nun schon seit über einem Jahrzehnt ausschließlich Filme über die Emanzipation der Frau dreht. Der Mann, der aus seiner Depression heraus Kunstwerke gebärt. Er ist derjenige, der mein Gehirn sprengt. Immer und immer wieder. Ist es unangebracht hier von Liebe zu sprechen?

                                      3+5/10

                                      7
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                                        Written and directed by Lars von Trier. Zu den Klängen einer Beck produzierten Charlotte Gainsbourg Nummer setzt der Abspann ein. Rammstein, Bach und die Talking Heads haben wir hinter uns gelassen. Nun ist es vorbei. Dieser Bilderreigen. Diese Philosophiestunde. Dieses Spiel mit den Regeln. Diese unnachgiebige Provokation, Verführung und Entlarvung des Publikums. Überwältigt sacke ich in meinem Kinosessel zusammen. Mit einer zittrigen Handbewegung und einem dezenten Lächeln auf den Lippen wische ich mir Lars' Sperma aus dem Mundwinkel und hauche ein leises 'Wow'.

                                        Und doch, trotz all dieser Raffinesse und all dem tonnenschweren Gedankengut, hätte anstatt der bewegten Bilder auf der Leinwand letztendlich auch ein großer Spiegel genügt. Lang lebe der niedere Trieb. Es gibt da draußen also doch noch jemanden, der an das Schlechte im Menschen glaubt. Er ist der Nazi mit dem Hang zum Judentum. Der Misogyn, der nun schon seit über einem Jahrzehnt ausschließlich Filme über die Emanzipation der Frau dreht. Der Mann, der aus seiner Depression heraus Kunstwerke gebärt. Er ist derjenige, der mein Gehirn sprengt. Immer und immer wieder. Ist es unangebracht hier von Liebe zu sprechen?

                                        3+5/10

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                                          Kühler Grillo. 🎬

                                          Dieser Film ist so schnörkellos zusammengesetzt, dass ich nahezu keinen Punkt finde, am dem ich rütteln könnte. Einer Netflix-Eigenproduktion im Actiongenre nun vier Sterne geben zu müssen, fühlt sich fast so dreckig an, wie die Deals, die hier gemacht werden. Aber genau wie unser Protagonist, kann ich einfach nicht aus meiner Haut und muss das Ding jetzt bis zum Ende durchziehen.

                                          Letzteres kommt auch bereits erfrischend früh, nämlich nach nur knackigen 82 Minuten. "Speed and timing" seien sowieso das Wichtigste, wird im Finale verkündigt und das nimmt man sich hier zu Herzen. Der Film läuft keine Sekunde zu lang und nach dem wirklich absolut Nötigsten, ist die Fahrt dann auch vorbei. Alles ist geklärt, das Auto sicher geparkt und man kann endlich aufatmen.

                                          Leider kommen dabei ein paar der tollen Darsteller fast zu kurz, von denen man sich gut und gerne noch ein bisschen Screentime gewünscht hätte. Zum Beispiel vom ewigen Nebendarsteller Garret Dillahunt, dem ich als Fan von "Terminator: The Sarah Connor Chronicles" immer wieder freudig entgegensehe oder auch dem unberechenbaren Shea Whigham, der quasi nur in zwei Szenen vorkommt, aber allein damit schon komplett die Show stiehlt. Doch vielleicht ist es ja auch exakt das richtige Maß, wenn man genug von etwas bekommt, um es abzufeiern, aber mit einem Gefühl nach mehr entlassen wird. Viele dreistündige Blockbuster bleiben in letzter Zeit länger, als sie willkommen sind und sich selbst überhaupt tragen können.

                                          Getragen wird dieses Werk wohl unweigerlich vom Charisma seines Hauptdarstellers, der hier ganz nebenbei auch noch Produzent war. Die Kamera ist mindestens 75% der Zeit auf ihn gerichtet und sogar 95% fest im Auto verankert. Inszenatorisch kann man sich das Ganze grob wie die Verfolgungsjagd aus "The Batman" in Spielfilmlänge vorstellen. Viele feste Einstellungen, ungewöhnliche Blickwinkel, ordentlich Tiefenschärfe und vorbeizischenden Reflektionen der lichtgefluteten Nachtkulisse. Dem Auge wird dabei niemals langweilig, auch wenn wir fast ausschließlich im Cockpit verbleiben und der Blick immer wieder auf unseren fixen Fluchtfahrer fällt. Wir leiden mit seinen Entscheidungen, bewundern seine Manövrierkünste und lauschen seinen Telefonaten. Zuschauer, die von "Locke" bereits gelangweilt waren, sollten diesen Streifen eventuell meiden, aber wer sich auf intensives Kopfkino mit Gedankenspiralen einlassen kann, den wird "Wheelman" endlos begeistern. Für alle dazwischen steht die Ampel auf Gelb. Probiert es einach mal aus, Netflix ist ja ohnehin kostenlos.

                                          Man mag sich nur vorstellen, was Leute wie Frank Grillo oder auch ein Scott Adkins in den 80ern gerissen hätten. Also gebt ihnen zumindest jetzt die Chancen und den Respekt, den sie verdient haben. Die größten lebenden Legenden vergangener Generation danken langsam ab und im Actionbereich wird es bald ziemlich leer aussehen. Tom Holland ist zwar ein guter Spinnenmann, aber kein Allheilmittel und alle akrobatischen Asiaten scheinen ja immer noch Hauptrollenverbot in den USA zu haben. Iko Uwais treibt sich inwzischen selbst fast nur noch auf Netflix rum. Und so bleiben uns lediglich diese paar abgehalfterten, stoppligen Typen Ende 40, Anfang 50, die ein bisschen was einstecken können. Höchste Zeit, dass sie das Steuer übernehmen.

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                                            Was man alles mit bloßen Händen aus Körpern herausreißen kann, wirklich erstaunlich. Bruce Lee könnte niemals gegen diesen Bad Ass Sonny Chiba anstinken. Er ist unrasiert und durchgeschwitzt, hat keinen Respekt vor Frauen und kämpft auch gerne mal dreckig, wenn er sich nicht gerade von seinem hetero lifemate bekochen lässt. Die Story ist völlig Banane und jeder Schauspieler over-acted gnadenlos, die Fights dagegen sind zahlreich und extrem hart, was mir als Ausgleich völlig genügt. Es gibt literweise Blut im guten alten "Dawn Of The Dead"-Farbton, Knochen- und Genickbrüche mit effektiven Sounds unterlegt und als Sahnehäubchen obendrauf sogar eine sehr frühe Röntgen-Aufnahme eines Schädelbasisbruchs, die die CGI-Aufnahmen aus bspw. "Romeo Must Die" oder "Warrior King" wegen ihres Retro-Appeals um Längen schlägt. Der Soundtrack schreit geradezu nach 70s, ist aber während der meisten Kämpfe zurückhaltend. Die Special Effects schwanken stark. Einige Verletzungen würde ich als realistisch durchgehen lassen, aber vor allem der Stunt mit dem Auto wurde durch einen offensichtlich erkennbaren Dummy (der wahrscheinlich mit Reis gefüllt wurde und noch nichtmal bekleidet war) stark abgemildert. Man stellt aber auch fest, dass Chiba kaum gedoubelt wurde und hier noch viel Handarbeit drinsteckt. Fazit bleibt also, dass dies damals wirklich der wildeste Film von allen gewesen sein muss und das erste X-Rating in den USA für Strong Violence hat durchaus seine berechtigung gehabt. Schöne Frauen, harte Kerle und ultrablutige Konfrontationen machen diesen Klassiker zu einem Must-See.

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                                            • 7 .5

                                              Vielfältig, verrückt und leicht verwurstet. 🎬

                                              Ein Film, der alles sagen will. Ein Film, über den bereits alles gesagt wurde. Ich versuche mich daher kurzzufassen.

                                              So, wie die kurze Runde, die wir mit einem alten Bekannten drehen. Nicht etwa, weil Ke Huy Quan in den 80ern keck und süß daherkam, sondern weil er heute umso mehr drauf hat. Er ist die gute Seele dieser Geschichte und dabei macht er eigentlich nur Augen. Familienoberhaupt James Hong tat dies bereits als Augeningenieur in "Blade Runner" und nimmt jetzt in "Everything Everywhere All at Once" mit stolzen 93 Lebensjahren tatsächlich noch an Actionszenen teil. Eine ebenfalls erwachsene Jamie Lee Curtis hat dazu sichtlich den Spaß ihres Lebens und lässt sich mit voller Inbrunst auf verschiedenste Arten vermöbeln. Ausgeteilt werden diese Arschtritte größtenteils von Michelle Yeoh, die mit der Erfahrung aus vergangenen Sammo Hung und Jackie Chan Produktionen auch heute noch kampfkünstlerisch glänzen kann.

                                              Leider ist es gerade die Beziehung zu ihrer Filmtochter, der es als einziges Element im Film an Besonderheit mangelt. Hier ruht man sich auf altbekannten Konflikten und Klischees aus und es scheint zudem eine Rolle zu sein, die Stephanie Hsu an ihre Grenzen bringt. Nichts und niemand ist hier wirklich schlecht, davon sind wir weit entfernt, aber neben absoluten Augenblicken der Euphorie fallen ein paar der entscheidenden Schlüsselszenen vergleichseweise flach. Damit überspannt der Streifen an einigen Stellen sowohl seinen komödiantischen, als auch seinen emotionalen Flitzebogen und endet zwei-, dreimal zu oft. Nur um dann in einem relativ belanglosen Sequel-Bait-Moment zu den End Credits überzugehen. Eine Karaoke-Party im Waschsalon, mit der ganzen Familie, hätte das Finale sicher etwas aufgewertet und bahnte sich gefühlt bereits an.

                                              Dennoch muss man loben, wie bemerkenswert die total konfusen Einzelelemente hier überhaupt unter ein Dach gebracht werden konnten und dabei nicht alles im kompletten Chaos versinkt. Der Tonfall stimmt und die Reizüberflutung wird bewusst eingesetzt, ohne den Zuschauer dadurch zu verlieren oder zu überfordern. Das Konzept des Multiversums wird dabei soviel intelligenter integriert, als es Basketball-Hasen oder Spinnen-Männer jemals könnten. Dass Michelle Yeoh nach "Star Trek", "Boss Level" und zwei MCU-Auftritten anscheinend immer noch nicht genug von der Thematik hat, ist unser Gewinn. Die Russo Brüder haben nach ihrer Marvel-Abnabelung defintiv auf das richtige Team gesetzt.

                                              Es ist lediglich die eigene, sehr hohe Messlatte, unter der die Daniels knapp durchsegeln. "Swiss Army Man" aus 2016 war einfach etwas knackiger und emotional auf den Punkt. Ironischerweise ist es aber wohl eher dieses Werk, welches man als cinematisches Schweizer Taschenmesser bezeichnen könnte. Eine Allzweckwaffe gegen Langeweile, ein Kantenhieb an Kreativität. Und genau wie beim Vorgänger beweisen sie, dass der steinige Weg durchs Tal der Absurdität, eben auch direkt ins Herz führen kann. Zudem macht dieser Film etwas, das ich ihm hoch anrechnen muss. Er entlässt den Zuschauer mit einem gewissen Drang in die reale Welt zurück. Dem Drang nach Dö­ne­ken.

                                              Daher muss ich jetzt am Ende doch nochmal das sagen, was bereits alle gesagt haben: Schaut euch den Film bitte auf der großen Leinwand an, denn ihr werdet unter Garantie bestens unterhalten. Mit einem lachenden, einem weinenden und einem kullernden Auge.

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                                              • 7 .5
                                                über Climax

                                                Der kontroverse Arthouse-Film scheint dieses Jahr durchgängig zwei immer wieder auftretende Elemente inne zu haben. Das Ergehen in bewegter Körperlust und das Bewusstsein, dass wir alle Darren Aronofskys "mother!" gesehen haben und man das doch auch mal in gut machen könnte. Berufsprovokateur Gaspar Noé bringt mit "Climax" nun seine Eskalationsvariante an den Start und vermag es wieder einmal zu schocken. Hier allerdings am meisten mit der Tatsache, dass der inzwischen 54-Jährige es wohl in Betracht zieht, zahm zu werden. Eine fast spielerische Natur scheint sich in seinem neusten Werk durchs Zelluloid zu brennen. Und in Teilen tut diese Frischzellenkur verdammt gut. Vielleicht sollte er sie bei Gelegenheit auch mal seinem Kollegen Terrence Malick verordnen.

                                                Von der ersten Sekunde an wird klar, hier läuft was anders. Und anders kann Spaß machen. Es wird sich nicht neu erfunden, aber neu arrangiert. Ähnlich wie Nolans "Dunkirk" bekommen wir quasi ein Greatest Hits Album aller bisherigen Stil- und Inszenierungsmittel aus der kompletten Laufbahn des Regisseurs geboten. Das letzte Mal, dass ich soviel Freude am Aufbrechen des Mediums Film, in all seinen etablierten Versatzstücken hatte, war wahrscheinlich Patrick Siegfried Zimmers "Anhedonia", der ähnlich schräg und unkonvetionell daherkommt. Wir beginnen mit dem Abspann, wie bei "Irreversible", die Opening Credits, im Look von "Enter the Void", kommen irgendwann in der Mitte des Films, der Prolog findet auf einem abgefilmten Monitor statt, der von Film- und Buchtipps gerahmt wird, die eindeutig Einfluss auf "Climax" hatten. Mal fühlt sich die Kamera auf einem perfekt ausbalancierten Kran am wohlsten, mal bleibt sie für gut eine halbe Stunde frontal gerichtet auf dem Stativ und mal scheint sie (oder zumindest der Kameramann) selbst einen Schluck der gepanschten Sangría genommen zu haben, wenn minutenlang quasi nur noch über den blutroten Fußboden gewackelt wird. Wie gesagt, das ist alles schonmal dagewesen und für Noé eigentlich Standardprogramm, aber es kommt genau dann, wenn es die größtmögliche Wirkung entfalten kann und das ist wesentlich anspornender als ein kohärenter Aufbau aus einem Guss. Vielmehr imitiert es dadurch die Form eines bösen Drogentrips mit all den Ups und Downs, die eben dazugehören. Für einen Moment scheint die Zeit im Raum stillzustehen, im nächsten versinkt das Chaos wie im Zeitraffer. Die Party könnte schon Wochen so gehen. Ja wirklich das Einzige, was tatsächlich konsequent von vorne bis hinten, bis zur höchsten Eskalationsstufe, durchexerziert wird, ist der Tanz. Gleich zu Beginn sehen wir die komplette Choreografie des Ensembles in einer bahnbrechenden Plansequenz, die beim Filmfestivalpublikum tatsächlich für Szenenapplaus gesorgt hat. Man fühlt sich geradezu ermutigt die "Step Up"-Reihe noch einmal am Stück durchzubingen, so unfassbar ist man gefesselt von den Entfesselungen der grandiosen Laiendarsteller, die alle professionelle Tänzer sind. Diese Fähigkeit ermöglicht eine ganz einzigartige Form des Ausdrucks für die, langsam aber sicher in Wahnsinn zerfallenden, Figuren. Es wird sich im wahrsten Sinne des Wortes die Seele aus dem Leib getanzt, denn mit der Stimmung des Films kippt dann auch die Wirkung der hypnotischen Körperkontorsion und formt sich zu einem grotesken, höllenartigen Maskenball, der die inneren Dämonen im Tanz zum Vorschein bringt. Expressionistisch, verstörend und nicht verzeihend. Unterfüttert werden die eindrucksvollen Bilder durch ein Sound Design, das direkt in die Magengrube schlägt, so, wie man es von Noé gewohnt ist. Die grauenvollen Panikschreie der Ekstase, der Verwirrung, Verzweiflung und der Todesangst werden zu einer beinahe unerträglichen Symphonie menschlichen Leidens verwoben. Nicht zuletzt durch den vielleicht effektivsten Einsatz einer Kinderfigur überhaupt.

                                                Wenn das hässlichste Tier auf diesem Planeten seine fiese Fratze zeigt, dann hat "Climax" eine gewisse Härte parat, daran besteht kein Zweifel. Erträglich wird er nur durch das Grinsen unter Noés langsam ergrauenden Schnurrbart, welches der Zuschauer hinter der Dimension der Kamera erfühlen kann. Es steckt in der Manipulation, im Spiel mit dem Opfer, das nun im Kinosaal Geisel genommen wird. Die Geiselnehmerforderungen werden in lakonischen Titelkarten adressiert. Teilweise kommt das allerdings auch sehr platt und plakativ daher. Generell bleibt der Film im Endeffekt mehr Schein als Sein oder entpuppt sich zumindest als gezielter Angriff auf jegliche antrainierte Erwartungshaltung des geneigten Filmgängers. Dramatische Charakterbögen werden errichtet, aber niemals beendet, teilweise verschwinden ganze Figuren unerklärt aus dem Film und deren Schicksal bleibt uns vorenthalten. Protagonisten ergeben sich für eine kurzen Zeitraum und entziehen sich dann doch wieder vollständig. Zumindest wird die Dynamik in der Tanzgruppe sehr schön ausgearbeitet und für den begrenzten Raum, der zur Verfügung steht, maximal ausgenutzt. Das ist das Kernstück des Films, eine Gesellschaft außer Kontrolle, die sich selbst zerfleischt, während man sich voyeuristisch daran ergötzt. Nur ergibt das eben ein merkwürdiges Zwitterwesen, ein Werk, das zum einen ungenießbar wird, zum anderen aber nur als Widerlichkeit genossen werden kann. Dabei ist es auffällig, wie gerade der titelgebende Klimax, den enttäuschendsten Teil bildet und im Epilog dann doch bloß auf ein sehr plumpes Whodunit zurückgerudert wird. Es ist sicherlich nicht der große philosophische oder emotionale Wurf, den man sich von einem weiseren Noé vielleicht erhoffen mag und auch wahrlich nicht sein bester, aber ich würde doch schon von einer Return to Form sprechen. Kein Original, aber doch ein verdammt guter Remix.

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                                                  David_Lynch 29.01.2017, 23:17 Geändert 30.01.2017, 20:53

                                                  So So Soulless - Nicht ganz mein Tempo

                                                  Schöne Musik, schöne Menschen. Diese zwei Dinge kann Damien Chazelles gefeiertem Neo-Musical niemand streitig machen. Doch befindet sich hinter dem imposant schlagenden Rhythmus kein echtes Herz und "La La Land" wird Opfer seiner eigenen, wenn auch makellosen, Fassade. Dabei hat man sie mit so viel Liebe und Detailreichtum errichtet und rein handwerklich kann man dem Film auch wirklich nichts ankreiden. Die Kamera ist dem Tempo entsprechend dynamisch, der Look durchgehend stylisch, die filmtechnischen Spielereien schlichtweg fantastisch. Leider fehlt jedoch die Verzauberung zwischen den Zeilen und das ist hauptsächlich auf ein zu banales Drehbuch und mangelnde Charakterzeichnung zurückzuführen. Die Beziehung der beiden Protagonisten wirkt uninspiriert, beide Darsteller haben schon besser gespielt (sogar gemeinsam) und traut man sich gar einen Blick auf die Nebenrollen zu werfen, so findet man im gesamten Film keine einzige Figur, mit auch nur dem Ansatz einer Persönlichkeit. Das wäre zu verzeihen, wenn die Liebesgeschichte den Handlungsverlauf allein tragen könnte, aber hier gibt es nichts, was wir nicht schon tausendfach geboten bekommen hätten. Und hundertfach besser.

                                                  Bereits in seinem Vorgängerwerk behandelte der Regisseur den Kampf zwischen beruflicher Karriere und persönlichem Ballast, nur gab er seinen Hauptfiguren dort einen dreidimensionalen Hintergrund und keine flache Pappkulisse. Durch die ausformulierten Charaktere fühlte man als Betrachter den Drang nach der Erfüllung des Traumes, der hier nur benannt, aber in der dramaturgischen Konzeption nicht unterfüttert wird. Dass zudem die gesamte Zielsetzung und Spannung darauf beruht, dass zwei geleckte, talentierte, junge Weiße in Hollywood zu gesellschaftlichem Erfolg kommen, hilft auch nicht unbedingt dabei, als Zuschauer Empathie zu entwickeln. Die lockere Atmosphäre des Films, mit Anleihen an die Screwball-Komödie wirkt zwar zunächst erfrischend, lässt aber gleichzeitig kein tiefergehendes Drama zu. Das zwischenmenchliche Miteinander wirkt dabei so gestellt, wie die Choreografie der Tanzszenen und selbst die Platzierung ebendieser musikalischen Einlagen ist gänzlich unausgegoren. Sie lässt einen streckenweise sogar ganz vergessen, dass man überhaupt ein Musical sieht, bis sie im "Was wäre wenn?"-Finale letztendlich doch noch den womöglich besten Einsatz findet.

                                                  Dass viele dieser Schwachstellen in genau den Klassikern, die der Film auf ein Podest hebt, genauso vorhanden sind, mag sein, aber die auf der Metaebene selbst proklamierte Revolution erreicht "La La Land" eben nicht und so bleibt es bei Nostalgie nach Noten. Das fällt heutzutage natürlich besonders in den Bereichen des Filmemachens und Geschichtenerzählens ins Gewicht, die in der Zwischenzeit Quantensprünge verzeichnet haben. Selbstverständlich ist es wundervoll nochmal einen aktuellen Kinofilm mit handgebauten Kulissen in Technicolor auf Zelluloid oder gar in glorreichen 65mm bewundern zu können, aber nur weil sich Ryan Gosling sein Pfannenschnitzel in der Küche im lupenreinen Anzug brät (das Fett spritzt doch auf das schöne weiße Hemd?!?), schmeckt es nicht automatisch besser, sondern immer noch wie ein alter Schinken. Ich würde mir ja auch mehr Leidenschaft für tolle Filmkunst zurückwünschen, aber das ist eigentlich gar nicht nötig, denn es gibt eben genau diese Vertreter bereits da draußen. Filme, die einen wirklich auf tiefster Ebene verzaubern und nicht mit akribisch konstruierter Magie nach angestaubten Blaupausen. Wenn solch ein seelenloser Blick zurück in die Zeit, in der "alles besser war", dann das komplette Rampenlicht für sich allein verbucht und dafür die gänzlich neuartigen Filmwunder dieses Jahrgangs untergehen müssen, hat das leider einen bitteren Beigeschmack.

                                                  Nichtsdestotrotz empfehle ich sich "La La Land" anzusehen, denn von der Intention her ist es ein Schritt in die richtige Richtung und ich gönne ihm jeden Erfolg. Chazelle besitzt eine konkrete Vision und hat uns ganz nebenbei sogar noch "Whiplash" geschenkt, nur um diesen Film finanzieren zu können. Von daher hat der ganze Tanzakt jetzt schon einen positiven Gesamteffekt im Universum bewirkt. Und Regisseure, die sich gegen finanziell kalkulierte Stuidoforderungen durchsetzen können, sind bei mir immer willkommen. Besonders jedoch, wenn ich neben all der technischen Raffinesse auch eine eigene Stimme zu hören bekomme und etwas Wahrhaftiges fühlen kann. Aber vielleicht mögen wir einfach nur unterschiedlichen Jazz.

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                                                    "Ryan Gosling ist ein böser Mann." - Dame in der Sitzreihe vor mir

                                                    Die Kritik im Vorfeld war überaus harsch und so betrübt hatte man Ryan Gosling das letzte Mal gesehen, als er sein Müsli nicht aufessen wollte. Ich will nicht behaupten, dass "Lost River" der perfekte Film sei, doch die Vorwürfe, die momentan zirkulieren, sind schlichtweg unberechtigt. Goslings Regiedebüt basiert nicht auf Diebstahl, sondern Inspiration und kann durchaus auf eigenen Beinen stehen. Es wirkte auf mich sogar überraschend frisch für das bisherige Kinojahr. Was es auf keinen Fall war, ist der von vielen Seiten prognostizierte zusammenhangslose, konfuse Bilderreigen eines "Only God Forgives". Die Story ist angenehm reduziert und verläuft vollkommen geradlinig mit nachvollziehbaren Motivationen aller Charaktere und das ist bei der Intesität und Überladung der höchst stilisierten Einzelszenen auch notwendig. Die authentischen Drehorte und ein wundervoll abgestimmter Soundtrack tun dabei ihr übriges und sorgten bei mir mehrfach für absolute Gänsehautmomente. Schon lange nicht mehr hat mich ein Film rein durch seine Atmosphäre so in seinen Bann gezogen und die imminenten Gefahren einer solch absurden und befremdlichen Welt derart deutlich spüren lassen. Dabei kann "Lost River" neben einer durchweg starken Cast auch gleich mit zwei wundervoll widerwärtigen Bösewichten aufwarten, die in ihrer bedrohlichen Präsenz ihresgleichen suchen. Niemand muss diesen Film lieben, für die meisten wird er sogar zu verstörend sein, aber was er auf jeden Fall verdient hat, ist es, gesehen zu werden. Also lasst euch nicht von der ganzen Negativpresse im Vorfeld einschüchtern, geht ab dem 28.05.2015 ins Kino und macht euch selbst ein Bild davon, was unser liebster Nicholas Sparks Protagonist aus seinem dunkelsten Hinterstübchen zaubern kann.

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