EddieLomax - Kommentare

Alle Kommentare von EddieLomax

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    Die feine Western-Anthologie verknüpft nicht nur schelmisch und feingliedrig die verschiedenen Spielarten des ältesten Film-Genres der Kino-Historie, sondern spiegelt dazu überaus clever die vielfältigen Meta-Ebenen mit bitter-melacholischem Realismus.

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      EddieLomax 09.04.2023, 23:56 Geändert 09.04.2023, 23:57

      THE OLD WAY von Brett Donowho erzählt seine alte Geschichte erfrischend geradlinig und ohne Firlefanz. Dabei profitiert der stilsicher inszenierte Western enorm von der Tatsache, nicht mehr sein zu wollen als er ist. Allein das Zusammenspiel des verdammt stark aufspielenden Nicolas Cage und seiner halbwüchsigen Partnerin Ryan Kiera Armstrong ist ein guter Grund, sich den hervorragend geschriebenen Film zu Gemüte zu führen. Der elegische Soundtrack tut sein übriges. Nach all den eher schwachen, niedrig budgetierten Western der vergangenen Jahre war dies für mich einer der sehenswertesten, was ich im Vorfeld niemals erwartet hätte. Cage rules. Wer hätte das gedacht?

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        TARZAN AND THE LOST CITY von Carl Schenkel war Warners halbherziger Versuch, zum einen aus Casper Van Diens neu gewonnener Popularität nach STARSHIP TROOPERS Kapital zu schlagen und zum anderen, inhaltlich lose an GREYSTOKE anknüpfend, einen Tarzan für die MTV-Generation zu etablieren, wie es mit zahlreichen anderen klassischen Stoffen in den Neunzigern ebenfalls gemacht wurde. Zu Gute kommt dem Film, dass er komplett in Afrika on Location gedreht wurde und die Chemie zwischen Van Dien und Jane March stimmt, auch wenn beide nicht mit allzuviel Talent gesegnet sind, es dafür aber mit Steven Waddington einen mehr als anständigen Antagonisten gibt, der für genügend Motivation und Dynamik sorgt, damit die Geschichte kurzweilig und actionreich über die Distanz gebracht wird. Dem entgegen stehen viele albern anmutende Szenen mit Menschen in Affenkostümen, teils dämliche Dialoge und schlechte Spezialeffekte. Nichtsdestotrotz kann man dem Kassenflop, der hierzulande nur auf Video erschien, einen gewissen Unterhaltungswert nicht absprechen und der Mischung aus Sol Lesser's Tarzan-Filmen der 1940er Jahre und den Indiana-Jones-Abenteuern der 1980er durchaus mal eine Chance geben.

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          EddieLomax 08.04.2023, 10:42 Geändert 08.04.2023, 11:45

          GREYSTOKE: THE LEGEND OF TARZAN, LORD OF THE APES von Hugh Hudson nach einem um größtmögliche Authentizität bemühtem Drehbuch von NEW-HOLLYWOOD-Legende Robert Towne, der allerdings nur unter Pseudonym firmierte, aber trotzdem eine der drei Oscar-Nominierungen einheimste, ist die wohl seriöseste Verfilmung der Kolportage-Romane von Edgar Rice Burroughs und macht aus dem Stoff ein im viktorianischen Zeitalter angesiedeltes existenzialistisches Abenteuer-Drama der schwermütig-düsteren Gangart. Erzählt wird dabei erstmals während der Tonfilm-Ära die eigentliche Ursprungsgeschichte von Tarzan, dessen Name nie genannt wird, der hier von Christophe Lambert in seinem Hollywood-Debüt dargestellt wird. An seiner Seite agiert, ebenfalls Debütantin, Andie McDowell als Jane, welche jedoch erst in der zweiten Filmhälfte die Bühne betritt. Unterstützung erhalten sie unterdessen vom britischen Schauspiel-Adel wie Sir Ralph Richardson, Ian Holm und James Fox, welche dem ursprünglich epische drei Stunden langen Film die nötige schauspielerische Substanz verleihen, sowie vielen heute bekannten Nebendarstellern in kleineren Rollen (David Suchet u.a.), deren Parts größtenteils der Schere zum Opfer gefallen sind, um die endgültige Fassung auf zweieinviertel Stunden zu bringen. Das magere Einspielergebnis ließ ein angedachtes Sequel leider unrealisiert, einige Filmpreise konnten dennoch gewonnen werden. Neben dem ersten Johnny-Weissmüller-Tarzan von 1932 ist dies ganz klar die beste Verfilmung des Stoffes, obgleich Weissmüller, ganz wie in seiner Schwimmer-Karriere, leicht die Nase vorn hat.

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            Und wieder ein Fast-Food-Exorzist in direkter Folge des Klassikers von William Friedkin, dem es tatsächlich gelungen ist, ein eigenes Genre zu kreieren. Hier gibt's viel altbekanntes, zügig und fettarm serviert. Das alles wäre nicht der Rede wert, gäbe da nicht Russell Crowe eine schön süffige und spitzbübische Performance, die den Streifen dann doch einmalig sehenswert macht, mit Franco Nero als Stellvertreter Gottes auf Erden als Sahnehäubchen obendrauf.

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              FORT YUMA von Lesley Selander ist ein recht rabiater Standard-Western in bestechender Optik. Eine Einheit der US-Kavallerie wird auf dem Weg von Fort Apache nach Fort Yuma von marodierenden Apachen aufgerieben. Bis es dazu kommt müssen Beziehungs- und Herkunftsfragen zwischen Weißen und Indigenen geklärt werden, was nicht ohne Soap-Elemente von statten geht. Zum Ende hin gibt es allerdings ein paar interessante Szenen, in denen die Guerrilla-Taktiken der Apachen recht realistisch dargestellt werden. Alles in allem jedoch ein reiner Durchschnitt.

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                über Evil

                Sehr gutes Internatsdrama basierend auf Jan Guillous autobiographischem Bestseller. Nominiert für den Oscar als bester fremdsprachiger Film und Fahrkarte nach Hollywood für Håfström.

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                  Atmosphärisch inszenierter Schweden-Happen für Horror-Vielseher.

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                    Anfangs gelungener Hitchcock-Klon, fehlbesetzt in der weiblichen Hauptrolle, dem spätestens nach dem Story-Twist in der Mitte des Filmes die Puste ausgeht aber durch einen starken Bösewicht vieles wettmacht.

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                      Angeblich auf wahren Begebenheiten beruhender Okkult-Thriller mit einem verlässlichen Anthony Hopkins. Nach gelungenem Auftakt zerstört altbekannter Exorzisten-Hokuspokus die Dramaturgie und lässt den Film in Belanglosigkeit münden.

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                        Überaus gelungene Verfilmung einer Kurzgeschichte von Stephen King mit tollem John Cusack in Bestform. Klassischer Grusel ohne Blut, modern und effektiv inszeniert.

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                          Shanghai 1941: Der amerikanische Agent Paul Soames kommt auf der Suche nach seinem Freund Connor in eine Stadt, die zum Schmelztiegel der verschiedenen, sich belauernden Kriegsparteien wird. Die Metropole ist in Sektoren aufgeteilt. Es ist schwer den Überblick zu behalten, Gewalt regiert in den Straßen und in den Nachtclubs tanzt man taumelnd dem Abgrund entgegen, den der sich ausbreitende Weltkrieg öffnet. Soames gerät in ein Geflecht aus Geheimdiensten, Militärs und Widerständlern und als ob das nicht schon kompliziert genug wäre, verliebt er sich zwischendurch auch noch in eine echte Femme Fatale. Das um ihn herum ständig jemand umgebracht wird, macht die ohnehin gefährliche Lage nicht gerade entspannter. Als der Anfangs neutral eingestellte Agent einer geheimen Mititäraktion der Japaner gegen die Vereinigten Staaten von Amerika auf die Spur kommt, gerät seine patriotische Gesinnung in Konflikt mit seiner Liebe zu dieser Frau, der er inzwischen hoffnungslos verfallen ist. Pearl Harbour wirft seine Schatten voraus.
                          Als bekannt wurde das Mikael Håfström und John Cusack nach ihrem gemeinsamen Erfolg, der Stephen-King-Verfilmung "1408", erneut zusammen arbeiten würden, ließ das berechtigte positive Erwartungen zu. Ein historischer Thriller vor dem Hintergrund des 2. Weltkrieges sollte es werden, der ein bisher wenig beachtetes Kapitel der Geschichte beleuchtet, im Stil des Film Noir, so etwas wie CASABLANCA, nur in Shanghai, mit mehr Action, mehr Stars, mehr von allem einfach. Klang ja ganz gut, schließlich werden kaum noch derartige Filme gedreht und die produzierenden Weinstein-Brüder hatten bereits des öfteren bewiesen, das sie solche Projekte stemmen können (siehe DER ENGLISCHE PATIENT). Der Oscar-Kurs war da meistens schon fest eingeplant. Man nehme einen zugkräftigen Star, einen Regisseur, der gerade einen Hit hatte, am besten beides. Man stellt eine erlesene, internationale Besetzung zusammen, engagiert einen jungen frischen Drehbuchautoren (Hossein Amini), der talentiert ist und nicht viel kostet, den Soundtrack lässt man von Klaus Badelt komponieren und hinter die Kamera stellt man Benoît Delhomme, der kann was (THE PROPOSITION).
                          Skepsis machte sich immer dann breit, wenn ein Film der Weinsteins sang- und klanglos verschwand und dann viel später, wenn man schon nicht mehr damit rechnete, doch noch in die Kinos kam, zwar sehr limitiert aber immerhin auf die große Leinwand. SHANGHAI ist so ein Film. In manchen Fällen kam nach solchem Procedere dann doch noch ein anständiger Film dabei heraus (z.B. KILLSHOT), in diesem Fall jedoch nicht.
                          Das Setdesign ist gewohnt phantastisch anzusehen, wirkt aber viel zu sauber, kalt und steril und sieht aus wie bei einer Studioproduktion der Vierziger Jahre. Das mag so gewollt gewesen sein, raubt aber dem Film jegliche Atmosphäre. Auch der völlig monotone Soundtrack trägt wesentlich dazu bei, das niemals so etwas wie Stimmung aufkommt. Es gibt einen ebenso monoton gesprochenen Off-Kommentar, der allerdings nicht zum besseren Verständnis des Gezeigten dient, sondern zwischen den vielen bedeutungsschwangeren Dialogen nur noch mehr zur allgemeinen Verwirrung beiträgt, als ohnehin schon vorhanden ist. Auch das Sounddesign passt sich da nahtlos an, die vielen Schüsse klingen wie Platzpatronen bei Kinderspielzeug. Keiner der dargestellten Schusswechsel hat so etwas wie eine innere Dramaturgie, von einer solchen während des gesamten Filmes ganz zu schweigen. Ich habe selten eine derartig planlose und uninspirierte Regie gesehen. Ohne jede Idee wird Szene auf Szene abgefilmt, von Schauspieler-Führung ist nichts zu spüren. Da helfen auch die teilweise deutlich fehlbesetzten Stars nichts mehr, allen voran und das zu schreiben blutet mir das Herz, John Cusack. Er zieht einfach sein Ding durch, wie immer, aber das passt nicht hier rein und das entgegen seinem Talent für innerlich hin und her gerissene Charaktere (siehe GRACE IS GONE). An zweiter Stelle ist Franka Potente zu nennen. Man mag sich im Traum nicht ausmalen, was einer wie Soames an dieser Frau finden sollte, langweiliger gehts nicht. Eher schon ist sein Interesse für Anna Lan-Ting, gespielt von Gong Li, nachzuvollziehen. Doch auch der schönen Charakterdarstellerin gelingt es nicht, Akzente zu setzen. Ihr Interesse für Soames bleibt bloße Behauptung. Charisma-Bombe Chow Yun-Fat bringt ein wenig Licht ins Dunkel, wird aber weitgehend verschenkt, wie so oft in Hollywood. Ebenso wie Ken Watanabe, der zwar konzentriert spielt, aber gegen sein Rollenmodell verliert. Völlig verschenkt werden Jeffrey Dean Morgan und David Morse. Vor allem bei Ersterem muss man sich fragen, warum diese Rolle prominent besetzt wurde. Das lässt sich eigentlich nur durch erhebliche Schnitte des berüchtigten Harvey "Scissorhands" Weinstein erklären, der so schon manchen Film zerstört, andere aber auch gerettet hat. Nein, Mikael Håfström, hier passt nichts zusammen. Null Spannung, gähnende Langeweile. Über eine Stunde lang weiß man überhaupt nicht was los ist. Verschenkte und versenkte Stars, bei denen die Chemie nicht stimmt, vor allem in den Hauptrollen. Unglaublich kraftlose Action und das alles serviert in steriler Atmosphäre begleitet von belangloser Fahrstuhl-Musik. Das beknackte Ende würde dem ganzen die Krone aufsetzen, wenn es zu diesem Zeitpunkt nicht schon völlig egal wäre. Nicht empfehlenswert.

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                            Sehr um Differenziertheit bemühter Kavallerie-Western vor der imposanten Kulisse des Death Valley, in dem eine verlorene Patrouille auf einer unmöglichen Mission unterwegs ist. Professionell von Vielfilmer Lesley Selander inszeniert und getragen durch das nuancierte Spiel des feinen Charakter-Darstellers Robert Stack, dessen Talent leider viel zu oft in solchen B-Produktionen verschenkt wurde. Hinreichend spannend, doch trotz kurzer Laufzeit nicht ohne Längen.

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                              EddieLomax 03.04.2023, 22:32 Geändert 03.04.2023, 22:33

                              Der in den Wäldern lebende Jäger Elias Wakefield (Burt Lancaster) und sein Sohn Eli jr. (Donald MacDonald) begeben sich in den 1820er Jahren auf den Weg von Kentucky nach Texas, kommen zunächst in einer Kleinstadt bei Elias Bruder Zack (John McIntire) und dessen Frau Sophie (Una Merkel) unter, wo sie versuchen sesshaft zu werden, aber durch Missgunst und betrügerisches Verhalten der sogenannten zivilisierten Bürger (Walter Matthau, John Carradine u.a.) werden sie wieder fort getrieben.
                              Das Regie-Debüt von Burt Lancaster ist eine Literaturverfilmung nach Felix Holt's Roman "The Gabriel Horn" die, obwohl durchaus ambitioniert von der Domestizierung eines alleinerziehenden Mannes erzählend, nur selten vom Fleck kommt und seiner Gemächlichkeit ohne nennenswerte Höhepunkte erliegt. Burt Lancaster gab später zu einigermaßen überfordert gewesen zu sein mit der dreifachen Belastung als Regisseur, Produzent und Hauptdarsteller in Personalunion. Sehenswert bleibt die Leistung des damaligen Schauspiel-Debüts von Walter Matthau, der etwas Eindruck hinterlässt, sowie die finale Konfrontation Wakefields mit seinen Verfolgern am Fluß. Für Komplettisten sehenswert.

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                                TARZAN, THE APE MAN von John Derek gilt gemeinhin als einer der schlechtesten Filme aller Zeiten und ist vollumfänglich auf die Reize der Produzentin und Hauptdarstellerin Bo Derek zugeschnitten, die ihr Regisseur, Ehe- und Kamera-Mann stets ins rechte Licht zu setzen weiß. Während man sich bei MGM in den Siebziger Jahren eine TARZAN-Pause gönnte und die Rechte daran ruhen ließ, nachdem sich in den Sechzigern eine gewisse Dschungel-Müdigkeit bei einer der langlebigsten Filmreihen der Filmgeschichte eingestellt hatte, lagen zu Beginn der Achtziger zwei neue Drehbücher auf dem Tisch und es gab wieder Lust es zu wagen. Das eine war von Robert Towne und hieß GREYSTOKE, das andere war das zu diesem Film, der nicht nur das bereits zweite Remake des ersten Tonfilm-Tarzan's darstellt, sondern den Vorzug bekam, weil man sich von der ungeheuren Popularität Bo Derek's mehr Erfolg versprach. So wird, wie im Original, die Geschichte komplett aus der Sicht von Jane erzählt, während der Titel-Held erst nach der Hälfte des Films auftaucht. Bis dahin ist es zugegebenermaßen auch recht unterhaltsam, vor allem weil Richard Harris als Janes Vater jede Szene an sich reißt und spielt, als wäre es Shakespeare. Die zweite Hälfte hingegen findet fast nur noch in trauter Zweisamkeit zwischen Jane und dem hier stummen Tarzan statt und zieht sich wie Kaugummi. Zudem wird es von Szene zu Szene lachhafter und abstruser, während der Trash-Faktor ungeahnte Höhen erreicht und in Szenen gipfelt, die man kaum fassen kann. Als ästhetische Bewegtbild-Tapete ist das Ganze allerdings schon geeignet, gibt es doch erstmals seit dem Pre-Code-Film TARZAN AND HIS MATE von 1934 wieder ein Hooray for Boobies. Die (männlichen) Zuschauer hat's gefreut und so stimmte auch die Kasse.

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                                  HARVARD 1870:
                                  Jim Averill (Kris Kristofferson) und Billy Irvine (John Hurt) begehen ihren Abschluß. In einer Rede erklärt ihnen der Reverend Doctor (Joseph Cotten), das sie und ihre Kommilitonen nun die Zukunft des Landes gestalten sollen, das es aufgrund ihres Standes und ihrer Bildung ihre Pflicht sei sich für den Aufstieg ihrer Nation einzusetzen, ihn voranzutreiben. In einem rauschenden Fest vollziehen sie den traditionellen Schritt ins Erwachsensein. Doch für Billy ist das bereits der Anfang vom Ende.
                                  JOHNSON COUNTY, ZWANZIG JAHRE SPÄTER:
                                  Bei einer Versammlung der Viehzüchtervereinigung begegnen sich Jim und Billy wieder. Jim ist jetzt Marshal und setzt sich für die Rechte der Siedler ein. Billy arbeitet für die Vereinigung. Ein Gesetz zur Besitzregelung frei grasender Rinder, welche bis hierhin vom Finder genutzt werden konnten sofern die Besitzverhältnisse nicht eindeutig geklärt waren, stuft die Einwanderer, deren überleben oft von frei laufendem Vieh abhing, nunmehr als Verbrecher ein, sollten sie solche Tiere schlachten. Noch mehr wurde von der Viehzüchtervereinigung eine Todesliste mit über hundert Namen von Siedlern erstellt, deren handeln diesbezüglich bekannt war. Billy ist von der Vorgehensweise erschüttert, widerspricht zwar vehement, handelt aber nicht und bleibt passiv, während Jim eindeutig Partei für die Besitzlosen ergreift. Auch die Prostituierte Ella (Isabelle Huppert), in die Jim verliebt ist, steht auf der Liste, lässt sie sich von ihren Freiern doch auch mit Vieh bezahlen. Dann ist da noch ein anderer Mann in Ellas Leben, Nate Champion (Christopher Walken), der als Killer für die Viehzüchtervereinigung arbeitet und nun in einen Gewissenskonflikt gerät. Sein Boss Canton (Sam Waterstone) engagiert 50 weitere Killer um dem „Treiben“ der zumeist osteuropäischen Einwanderer ein für allemal Einhalt zu gebieten. Gemeinsam mit James Bridges (Jeff Bridges), einem Saloon-Besitzer, organisiert Jim den Widerstand.

                                  Der amerikanische Traum und seine Kehrseite. Blut, Schweiß und Tränen. Noch mehr Blut, noch mehr Schweiß und noch mehr Tränen. Der Neuanfang in der neuen Welt wird zum Ende allen Seins. Nicht nur der American Dream zerplatzt, sondern auch alles was er verkörpert. Wie die Körper der Einwanderer, die ebenfalls zerplatzen, zerfetzt werden von der puren Gewalt der Waffen, mit denen dieses Amerika geschaffen wurde. Diese Waffen und die Gewalt die von ihnen ausgeht sind das Fundament auf denen dieses Amerika immer noch steht. Selten wurde dies auf der großen Leinwand deutlicher gemacht als hier. Doch auch hier gibt es dieses andere Amerika, dieses Amerika als Sehnsuchtsort, als Idee die so groß ist, das sich wieder und wieder Menschen aus aller Welt hingezogen fühlen zu diesem anderen Amerika, Gods Own Country, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, welches eigentlich ein Traum ist, oder eine Erinnerung. Eine Erinnerung in Sepia, wie ein altes Foto. Ein Foto von denen, die es gewagt haben, die den Schritt über den großen Teich gemacht haben, aus dem alten Europa in die neue Welt. Eine Erinnerung die vielleicht nur eingebildet ist, die vielleicht nur eine Idee ist, eine Idee die man behütet wie einen Schatz, oder vielleicht wie einen Traum den man mal geträumt hat, an den man sich nicht wirklich erinnern kann, von dem aber ein Teil scheinbar immer gegenwärtig ist und den man mit sich durchs Leben trägt. Man vergisst ihn für eine Weile, aber irgendwann ist er wieder da, und man ist froh darüber, das man ihn nicht endgültig vergessen hat. Und doch ist man auch gleichzeitig irgendwie traurig. Traurig weil man insgeheim fühlt, eigentlich auch insgeheim weiß, mit wieviel Leid und Entbehrungen alles verbunden gewesen sein muss. Darin besteht die eigentliche Leistung von Michael Cimino. Er hat es verbildlicht, hat es verstanden dieses Gefühl, diese Erinnerung, diesen Traum zu erfassen und auf die große Leinwand zu bringen. Den amerikanischen Traum, und seine Kehrseite. Für immer und unsterblich.

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                                    EddieLomax 31.03.2023, 09:17 Geändert 31.03.2023, 09:18

                                    Christopher Walken feiert heute seinen 80. Geburtstag - Herzlichen Glückwunsch!

                                    Aus diesem Anlass ein alter Text zu SHOOT THE SUN DOWN:

                                    Santa Fe 1836: Ein Mann in Kapitäns-Jacke mit einer Seemanns-Mütze auf dem Haupt reitet, begleitet von einer Frau im Rüschen-Kleid durch die Wüste. Eine Gruppe von Skalpjägern tötet einige Indianer hinterrücks, um an ihre wertvolle Kopfbehaarung zu kommen. Ein einsamer Reiter, der schon lange unterwegs zu sein scheint, nähert sich einer Siedlung, ebenso wie ein einzelner Indianer. Sie alle werden sich in Santa Fe treffen und das Schicksal wird sie miteinander verbünden. Der Schiffskapitän (Bo Brundin) ist ein Engländer, der mit seiner gekauften Frau (Margot Kidder) auf Schatzsuche im mexikanischen Grenzgebiet ist. Er sucht ein legendäres Wagenrand aus purem Gold, welches noch aus der Zeit der Konquistadoren in den Bergen Mexikos vergraben sein soll. Die Frau blieb bei ihm, weil er ihr mit dem Reichtum ein gutes Leben in der neuen Welt versprach. Die Skalpjäger bekommen Wind von der Schatzsuche und wollen mit daran verdienen. Ihr Anführer (Geoffrey Lewis), ein Schlitzohr, geht mit dem Kapitän einen Deal ein. Der Indianer Sunbearer (A Martinez) soll sie führen. Der Reiter, Mr. Rainbow (Christopher Walken), ist ein ehemaliger Soldat und Indianer-Kämpfer, kommt aus San Francisco und ist eigentlich nur auf der Durchreise nach San Antonio, wo er die Texaner im Alamo bei ihrem Kampf für die Unabhängigkeit gegen General Santa Anna unterstützen will. Die Frau bittet ihn um Hilfe, sie will der Knechtschaft entfliehen. Er begleitet die Gruppe. Die ungleiche Gemeinschaft bricht in ein Abenteuer auf, von dem niemand unversehrt zurückkehren wird.

                                    Bereits im Jahr 1976 inszenierte Regisseur und Drehbuchautor David Leeds diesen, seinen einzigen Film, in der faszinierenden Landschaft New Mexicos. Leider war ihm mit dem Werk kein Glück beschieden, denn zu dieser Zeit krähte kein Hahn mehr nach neuen Western und da sein Film ohne Stars auskommen musste, wollte niemand das Wagnis einer Auswertung eingehen. Bis 1978, als sowohl Margot Kidder mit SUPERMAN (Richard Donner) über Nacht weltberühmt wurde, als auch der Hauptdarsteller von SHOOT THE SUN DOWN, ein gewisser Christopher Walken in einem Film namens THE DEER HUNTER (Michael Cimino) derart überzeugte, das er sogar den Oscar gewann. Sehen wollte den existenzialistischen Western trotzdem keiner. Martin Scorsese, dessen TAXI-DRIVER-Kameramann Michael Chapman unter Pseudonym auch hier für die teils surreal anmutende Photographie zuständig war, vergaß den Film dennoch nicht und sorgte für eine Restaurierung des Werkes, wie er es schon bei der New-Hollywood-Western-Perle THE HIRED HAND – DER WEITE RITT (Peter Fonda 1971) getan hatte, was zu einer Blu-Ray-Veröffentlichung in den USA führte, die dem Film die Aufmerksamkeit zuteil werden ließ, die er bereits damals verdient hätte.
                                    SHOOT THE SUN DOWN, der ursprünglich SANTA FE 1836 heißen sollte, ist ein Film der aus der Feder von Cormac McCarthy stammen könnte. Ein Film der den historischen Westen als ursprünglich und archaisch, lebensbedrohlich und gefährlich zeigt, keine Zugeständnisse an den Massengeschmack macht, sich vollkommen Ford'schem Romantizismus verweigert und gerade dadurch sperrig und unvollkommen, aber auch faszinierend und bedingungslos ehrlich erscheint. Man kann sich tatsächlich genau vorstellen wie es damals gewesen sein muss, wird sich stets der Unwägbarkeit der Dinge bewusst und bekommt verdeutlicht, dass das Leben jederzeit vorbei sein kann, der Tod willkürlich zuschlägt, wenn man es nicht erwartet. Eine düstere und grausame Zeit wird heraufbeschworen bei der die eigentliche Handlung nur Vorwand für die Darstellung von Zeit und Raum ist. Das rückt den Film in die Nähe von Terrence Mallick's spirituell angehauchten Überlebensdramen, aber auch der Italo-Western hinterlässt in David Leed's Werk deutliche Spuren, ebenso kann man EL TOPO (1969) von Alejandro Jodorowsky als Inspiration nennen.
                                    Als Mitverfasser des Drehbuchs wird neben David Leeds Richard Rothstein genannt, der später als Autor von UNIVERSAL SOLDIER (Roland Emmerich, 1992) bekannt wurde. Am tollen Soundtrack soll übrigens Kinky Friedman mit gearbeitet haben. Die Darsteller sind perfekt gewählt, vor allem Clint-Eastwood-Regular Geoffrey Lewis spielt hier alle an die Wand. Sein mit allen Wassern gewaschener ambivalenter Charakter des Skalpjägers allein ist die Sichtung des Filmes wert. Eine ähnliche Rolle spielte er später noch einmal im gelungenen Italo-Spätwestern SILBERSATTEL (SELLA D'ARGENTO, Lucio Fulci 1978) an der Seite von Giuliano Gemma. Christopher Walken drehte kurze Zeit später noch einmal einen ungleich bedeutenderen Western und danach nie wieder einen. Dieser hieß HEAVENS GATE (Michael Cimino 1980) und beendete das Genre beinahe endgültig. Man könnte also sagen, Christopher Walken hat dem Genre, trotz guter Filme kein Glück gebracht. Schade eigentlich.

                                    Fazit: Faszinierende Zeitreise in den alten Westen, archaisch und kraftvoll, zu Unrecht vergessen.

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                                      Ein fast vergessener Western-Klassiker (trotz seiner Mängel). Insgesamt lässt sich sagen, das Sam Fuller hier einen seiner stärksten Filme gedreht hat, der als früher Vorläufer von DANCES WITH WOLVES (DER MIT DEM WOLF TANZT, Kevin Costner 1990) gilt.

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                                        Griff Bonnell (Barry Sullivan) kommt mit seinen Brüdern Wes (sehr cool, Gene Barry) und Chico (Robert Dix) nach Tombstone, Arizona. Er ist Marshal und wurde direkt aus Washington geschickt, um dem Treiben der mächtigen, sich immer mit einer vierzig Mann starken Privat-Armee umgebenden Großgrundbesitzerin Jessica Drummond ( Barbara Stanwyck) ein für allemal ein Ende zu setzen. In einem Land auf dem Weg zu vollständiger Zivilisierung und stetig voranschreitendem Fortschritt sind Alleinherrscher in ehemaligen Grenzregionen, obwohl einstmals notwendig, überflüssig und damit schädlich geworden. Schlussendlich stehen sie dem was sie erst möglich gemacht haben nun im Wege. Ein Fels der Exekutive wie Griff Bonell ist somit vonnöten, wohlwissend selbst nach getaner Arbeit nutzlos zu werden. Jessica Drummond, die sich bald der Endlichkeit ihrer Macht bewusst wird, wartet im Grunde nur auf den richtigen Moment, versteht sich als geistesverwand zu Griff. Doch ohne Mord im Namen der Liebe durch den ihr verfallenen Sheriff Ned Logan (Dean Jagger) und zügellose Gewalt durch die Willkühr ihres umtriebigen Bruders Brock Drummond (John Ericson), kann ein Gefüge wie das in Tombstone vorherrschende, nicht gebrochen werden.

                                        In nur zehn Tagen drehte Sam Fuller diesen überragenden Western, der die Hauptthemen des Genres aufgreift, reflektiert und zu Ende führt. Einzig beim unwahrscheinlichen Ende musste das Regie-Enfant-Terrible auf Geheiß des Produzenten einen (verschmerzbaren) Kompromiss eingehen. Abgesehen davon ist FORTY GUNS ein Monolith in der zur Entstehungszeit auf hohem Niveau befindlichen Genre-Landschaft. Allein die gewagte, damals als übertrieben empfundene Inszenierung Fullers war der seiner Zeitgenossen um Dekaden voraus. Sei es der Blick aus dem Kutschenwagen auf die heranpreschenden vierzig Reiter am Anfang, der Blick durch den Gewehrlauf beim Büchsenmacher oder die Ansicht von unten nach oben bei einer Konfrontationsszene, immer sieht man einen modernen, klar definierten Stil, der das Werk für sich genommen schon überdurchschnittlich erscheinen lässt. Aber da ist ja noch der Inhalt, der Dialog, das gesamte Setting. Ein Herrenhaus in Arizona, palastartig thront die Stanwyck hier mit ihrer Mannesgarde, und das ihr kein einziger das Wasser reichen kann, oder auch nur in ihre (intime) Nähe kommt, sexualisiert das "Treiben" schon subtextuell über die Maßen. Im Dialogbuch werden alle vorherrschenden Westernklischees reflektiert und konterkariert, quasi ausgezogen und aller Verklärung beraubt, bis nur noch der klare Satz, die unabänderliche Wahrheit, die unabwendbare Konsequenz übrig bleibt. Und inhaltlich wird mit allem erwartbaren gebrochen, jeder Standard auf den Kopf gestellt, jede unmögliche, rationale, beinahe verbitterte Endung gezogen und mit Schlußstrich und Ausrufezeichen versehen. Ja, ein Meilenstein, ein State-of-the-Art des Genres, ein unglaublich guter Film.

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                                          CATTLE QUEEN OF MONTANA von Allan Dwan ist ein ganz auf die Star-Power der Western Queen Barbara Stanwyck zugeschnittenes Abenteuer, welches zwar eine Fülle von Klischees und Ungereimtheiten bietet, jedoch dabei mit toller Fotografie, starker Dramaturgie und reichlich Action punkten kann. Immer wenn die Story ein paar Haken zuviel schlägt, sorgt Dwan's erfahrene Regie für genügend Bewegung um davon abzulenken. Ronald Reagan kommt dabei nur langsam zum Zug, macht aber seine Sache mehr als ordentlich, sodass Dwan ihm in seinem nächsten Western TENNESSEE'S PARTNER wieder die Hauptrolle gab. Die damals bereits 47-jährige Stanwyck als junge Rancher-Tochter zu besetzen war auf jeden Fall mutig. Es hebt sich zum Glück auf, da ihre unbestreitbare Präsenz dies vergessen macht.

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                                            Eigentlich hatte John Ruth (Kurt Russell) die Kutsche für sich alleine gebucht um seine Gefangene Daisy Domergue (Jennifer Jason Lee) nach Red Rock zu bringen, wo sie aufgeknüpft werden soll. 10.000 Dollar will der knurrige Kopfgeldjäger dafür kassieren. Doch bald muss er sich unfreiwillig mit neuer Gesellschaft auseinandersetzen, denn ein Berufskollege namens Marquis Warren (Samuel L. Jackson) will ebenfalls nach Red Rock. Als zusätzlich noch der Hallodri Chris Mannix (Walt Goggins) ihren eisigen Weg kreuzt, ist die Kutsche plötzlich unangenehm voll, ganz entgegen John Ruth's Planung. Aber niemand hat je behauptet, das der Job leicht sein muss. Kutscher O.B. (James Parks) beeilt sich Minnie's Gemischtwarenladen, der gleichzeitig Poststation ist, zu erreichen, denn ein ausgewachsener Blizzard sitzt der Reisegesellschaft im Nacken. Dort angekommen gilt es sich abermals mit Gesellschaft abzufinden, nämlich einigen Männern, die gleichermaßen Schutz vor den Naturgewalten suchen. Da wären zunächst der vorübergehende Betreiber der Station, ein Mexikaner namens Bob (Demian Bichir), ein alter Südstaatengeneral a. D. General Smithers (Bruce Dern), zufälligerweise der zukünftige Henker von Daisy Domergue, Oswaldo Mobray (Tim Roth), sowie der betont unauffällige Cowboy Joe Gage (Michael Madsen). Man lernt sich zügig kennen, man sitzt hier schließlich für einige Zeit fest. Die Unterhaltungen werden mit der Zeit tiefgründiger, die Unterschiede deutlicher, Gräben entstehen. Gräben die in Lager der politischen Zugehörigkeit teilen. Der Bürgerkrieg ist noch nicht lange her, das Land noch immer tief gespalten, die Rassenfrage steht im Raum. Einem Schachspiel gleich belauern sich die Parteien, es werden Allianzen geschmiedet und gebrochen, Provokationen gestellt und Kompromisse eingegangen, um des lieben Friedens willen. Schnell wird klar, das dieser Friede nicht bewahrt werden kann, zu verschieden sind die Überzeugungen, zu groß die Aversionen, zu deutlich wenden sich die gewonnenen Erkenntnisse gegen die jeweiligen Protagonisten, von denen kein Einziger der ist, der er vorgibt zu sein. Die Situation schaukelt sich langsam hoch, bis ein Zwischenfall alles ändert, was zuvor geklärt schien. Und die Geschichte nimmt ihren blutigen Verlauf...

                                            Nord und Süd, Weiß und Schwarz, Mann und Frau, Lüge und Verrat, Hass und Tod, die Geschichte der Vereinigten (?) Staaten von Amerika, herunter gebrochen auf acht Figuren, die jeder für etwas anderes stehen, in einer Blockhütte in einer einzigen Nacht. Einer Nacht in der alles passieren wird was passieren kann und niemand wird es voraussehen. Eine neue Wundertüte, geöffnet von Quentin Tarantino und gleichzeitig sein Western Nummer 2, der so ganz anders ist als der Vorgänger DJANGO UNCHAINED und doch, zumindest inhaltlich, beträchtliche Parallelen aufweist, wenn auch nicht auf den ersten Blick. Der erste Blick zeigt zunächst einmal ein, nach ausgiebiger Exposition in der Postkutsche, theaterhaftes Kammerspiel, ein Schauspielerstück, das sich nach noch längerem Mittelteil in einen klassisch anmutenden WHODUNIT wandelt, um in ein mit schauriger Konsequenz durchgeführtes Blutbad zu münden, welches dem fulminanten Erstling QT's RESERVOIR DOGS zur Ehre gereicht, mit dem THE HATEFUL 8 mehr verbindet als man zunächst annimmt. Vielmehr bilden die beiden Filme eine Art Klammer um das Werk des Regisseurs, sowohl in Aufbau und Struktur, als auch durch Besetzung und Charaktere, nicht zuletzt in der Inszenierung der Gewalt, die obwohl gewohnt überzeichnet, erstmals wieder an die Nieren geht, schmerzhaft und unmittelbar hereinbricht, klar macht, worauf das Land aufgebaut wurde und warum es auch heute noch davon zerfressen ist, von tiefen Wunden übersät ist, die niemals heilen werden, so lange es sich nicht davon lösen will. Einige Ursachen für diese nicht verheilen wollenden Wunden thematisiert QT in seinem neuen Film und das ist wohl einer der Gründe, warum er so sperrig daherkommt, womit er für viele Zuschauer nur schwer auszusitzen sein wird. Sei es aus falscher Erwartungshaltung heraus oder einfach fehlendem Sitzfleisch geschuldet, THE HATEFUL 8 wird einmal mehr polarisieren und das ist auch gut so.

                                            Die Eingangs erwähnten Eckpfeiler der Geschichte beschreiben nur ansatzweise die sich ausbreitenden Konflikte des Filmes, angefangen beim Bruderkrieg, der Rassismusdebatte, der Täuschung durch Lüge, spielen die vordergründig bezogenen Positionen immer wieder keine Rolle, treten in den Hintergrund sobald sich an der Gesamtsituation etwas ändert. Das einzige worauf sich alle männlichen Protagonisten zu jeder Zeit einigen können, ist die Herabsetzung der Frau im allgemeinen und die Gewalt gegen Frauen, hier in Gestalt von Daisy Domergue im besonderen. Das sagt schon mal viel über das dargestellte Weltbild dieser (männlichen) Gemeinschaft aus, aber noch mehr im Kontext über die Zeit, in der der Film spielt, wie über die Gesellschaft, für die diese Gemeinschaft steht, wie auch über die Frau in der Geschichte des Genres, wobei man die Filme, in denen Frauen die Hauptfiguren bzw. die treibenden Kräfte sind als sehr überschaubar bezeichnen muss. Neben Joan Crawford in JOHNNY GUITAR (Nicholas Ray 1954), Barbara Stanwyck in VIERZIG GEWEHRE (Forty Guns, Sam Fuller 1958), und vielleicht noch Raquel Welch in HANNIE CAULDER (Burt Kennedy 1971) fällt einem da nicht viel gegenteiliges ein, auch wenn sich das mittlerweile ändert.

                                            Kommen wir zur Besetzung, angefangen mit dem unvergleichlichen Samuel L. Jackson, der als afroamerikanischer Kopfgeldjäger seiner Karriere endgültig die Krone aufsetzt und spätestens hierfür einen Oscar verdient hat, doch nicht mal nominiert wurde. Sicherlich ein Thema für sich, doch allemal erwähnenswert, wie die seinerzeit geführte Debatte um die Nichtnominierung afroamerikanischer Schauspieler und damit einhergehender Boykott-Aufrufe gegen die Oscar-Verleihung belegen.

                                            An zweiter Stelle muss Kurt Russell stehen, der mit seinem zweiten Western in 2015 (nach BONE TOMAHAWK) das Triple voll macht (sein erster war vor über zwanzig Jahren TOMBSTONE) und hier als einzig gerechter, doch nicht weniger skrupelloser Kopfgeldjäger den Film mit Jackson lange Zeit dominiert, bis das restliche Ensemble seine Bühne geboten bekommt.

                                            Die heimliche Hauptrolle hat indes Jennifer Jason Leigh als Daisy Domergue (in Anlehnung an die Schauspielerin Faith Domergue, 1924 – 1999), mit der QT endlich wieder eine neue, starke Frauenfigur geschaffen hat, die wohl die abgebrühteste Figur in diesem Film ist und sich, wie man so schön sagt, von hinten durch die Brust ins Auge schleicht, nur um ihre Performance mit einem Knall zu krönen.

                                            Für die größte Überraschung sorgt Walt Goggins, der ja neben einigen anderen Darstellern schon in DJANGO UNCHAINED zu sehen war. Sein Chris Mannix, zunächst als mieses Schlitzohr eingeführt, vollzieht die größte Wandlung von allen Charakteren und man kann jetzt schon von der Rolle seines Lebens sprechen, behaupte ich einfach mal ganz keck.

                                            Ehre wem Ehre gebührt, auch wenn er rollenbedingt nicht viel mehr zu tun hat, als in einem Sessel zu sitzen und diverse Gespräche zu führen, hat es die Figur des General Sandford Smithers faustdick hinter den Ohren und wird von Film-Legende Bruce Dern dargestellt, dem im Genre sicherlich erfahrensten Akteur, der seinerzeit sogar als Erster John Wayne Himself in THE COWBOYS (Mark Rydell, 1972) umnieten durfte.

                                            Bob, der Mexikaner, gespielt von Demian Bichir, nach seinem grandiosen Auftritt in MACHETE KILLS (Robert Rodriguez, 2013) erste Wahl für diesen auf Anhieb misstrauisch stimmenden Charakter.

                                            Tarantino-Regular Tim Roth gibt süffisant den Henker Oswaldo Mobray in einer nicht an Christoph Waltz, sondern nach Bekunden des Regisseurs den britischen Komiker Terry-Thomas angelehnten Performance. Gerade in seiner Figur offenbart sich die Nähe zu RESERVOIR DOGS am allerdeutlichsten, hat man gesehen was passiert, könnte dies klarer nicht sein.

                                            Last Not Least The Hardest Working Man In Hollywood, The One And Only Michael Madsen, dessen Karriere im Prinzip mit RESERVOIR DOGS so vielversprechend begann und von dem ich nie geglaubt hätte, ihn noch einmal auf der großen Leinwand sehen zu dürfen, nach seinem viele Jahre anhaltenden Absturz in die Niederungen des B-Z-Filmes. Ein wahres Fest für seine Fans schenkt uns QT mit ein paar denkwürdigen Szenen.

                                            Stellt sich die Frage: Warum THE HATEFUL 8 ?, wo es doch eigentlich 9 sind, Schließlich ist ja auch O.B., dargestellt von James Parks, mit von der Partie, der für einige der lustigsten Momente sorgt. Die restliche Besetzung setzt sich aus einigen alten Bekannten wie Zoe Bell und Lee Horsley, sowie neuem Personal zusammen, wobei der Auftritt von Channing Tatum, ohne zuviel zu verraten, nicht unerwähnt bleiben sollte.

                                            Es hat sich sicherlich schon herumgesprochen das Ennio Morricone seinen ersten Western-Score seit mehreren Dekaden beisteuert, der gleichzeitig der erste komponierte Soundtrack in einem Film von QT überhaupt ist, der seine Werke ja sonst mit Versatzstücken älterer Filmmusiken und Popsongs unterlegt. Eine düstere Sinfonie untermalt die finsteren Ereignisse dieser Winternacht passend und Unheil verkündend.

                                            Für die Kamera zeichnet einmal mehr Robert Richardson verantwortlich, der für seine Arbeit mit einer Oscar-Nominierung bedacht wurde, ebenso wie Maestro Morricone (gewonnen), wie auch Jennifer Jason Leigh.

                                            Noch ein kurzer Absatz zur Einordnung in der Genre-Geschichte. Eingebettet in die Schneelandschaft von Wyoming kurz nach dem Bürgerkrieg startet die Story angelehnt an John Ford's STAGECOACH mit einer ungewöhnlichen Kutschfahrt, bei der erste Bekanntschaften geschlossen und Allianzen geschmiedet werden, um nach ca. einer halben Stunde des knapp dreistündigen Werkes in der Blockhütte anzukommen, die abgesehen von einigen Zwischenblenden, auch nicht mehr verlassen wird, was den Bühnencharakter des Stückes vom Shakespeare der Popkultur unterstreicht, wenn auch nicht dominiert, was sicherlich der einfallsreichen Kameraarbeit geschuldet ist. Bei Kopfgeldjägern im Schnee fällt einem natürlich Sergio Corbucci's LEICHEN PFLASTERN SEINEN WEG mit Klaus Kinski als erstes ein, während mir im Verlauf bei den sich belauernden Ganoven noch ein anderer Kinski-Italo-Western in den Sinn kam, nämlich MÖRDER DES KLANS von Giuseppe Vari aus dem Jahr 1971, ein fieser kleiner Psycho-Western mit derselben Ausgangssituation. Auch andere Schnee-Western wie DAY OF THE OUTLAW von André De Toth (Tag der Gesetzlosen, 1959), in der eine Bande Outlaws in einem kleinen Kaff in den Bergen festsitzt, stand offensichtlich Pate. Inhaltlich hat wohl kaum ein amerikanischer Regisseur, abgesehen von Sam Peckinpah mit THE WILD BUNCH (1969) und Michael Cimino mit HEAVENS GATE (1980) die verlogenen Mythen der amerikanischen Geschichte so rigoros zersäbelt und literweise in Blut ertränkt wie es Quentin Tarantino hier zelebriert, der mit THE HATEFUL EIGHT nicht nur den dialoglastigsten, sondern auch den gewalttätigsten, meines Erachtens auf einem Level mit KILL BILL, seiner Karriere gedreht hat und dessen FSK-Einstufung ab 16 ein schlechter Witz ist, da sich in der zweiten Hälfte ein Orkan der Gewalt entlädt, der seinesgleichen sucht. War die Gewalt in DJANGO UNCHAINED noch befreiend und wurde ausgiebig als gerechte Notwendigkeit zelebriert, ist sie in THE HATEFUL EIGHT einfach da, hässlich, zynisch und brutal, dabei unnachgiebig und einzig Mittel zum Zweck. Ein amerikanischer Alptraum aus dem es kein Erwachen geben kann. Und damit auch eine unmissverständliche Botschaft, die QT hier an sein Publikum richtet.

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                                              Quentin Tarantino feiert heute seinen 60. Geburtstag - Happy Birthday!

                                              Aus diesem Grund hier ein alter, leicht gekürzter Text zu DJANGO UNCHAINED:

                                              Nun also ein Western. Im Grunde genommen war das abzusehen. Zogen sich die Anspielungen und Querverweise doch wie ein roter Faden aus Blut durch das Werk Quentin Tarantinos. Ein Werk dem man verfallen ist, wie der Liebe seines Lebens. Oder eben nicht. Aus diesem Grund kann man einen Film von Quentin Tarantino auch nicht besprechen wie jeden anderen Film. Der Regisseur polarisierte von Anfang an. Bereits sein viel beachtetes Debüt RESERVOIR DOGS revolutionierte das zeitgenössische Kino fast im Alleingang und teilte Kritik wie Publikum in zwei Lager. Jene die in freudiger Erregung auf jeden neuen Beitrag des Enfant terrible des amerikanischen Autoren-Kinos warten und solche, die jeden seiner Filme aufs neue verdammen. Daran hat sich bis zum heutigen Tage nichts geändert. Deshalb will ich auch gar nicht erst den Versuch machen, diesen Film durch den Blickwinkel der vermeintlichen Objektivität zu besprechen. Das ist schlicht unmöglich. Womit sich auch zum Missfallen derjeniger, die mit einem Tarantino-Film ohnehin nichts anfangen können, ein weiter lesen dieses zugegeben etwas ausufernden Textes erübrigt. Alle anderen seien hiermit herzlich eingeladen, mich in die einzigartige Welt des Quentin Tarantino und des Western zu begleiten.

                                              Obwohl die Handlung eines Quentin-Tarantino-Filmes eher nebensächlich ist und wie das Genre des Italo-Western einer Wundertüte gleicht, denn man weiß nie was man bekommt, will ich hier für alle die nicht wissen worum es geht, einen kurzen Abriss der Story geben.

                                              Texas 1858: Der Sklave Django (Jamie Foxx) wird seinen derzeitigen Besitzern von Kopfgeldjäger Dr. King Schultz (Christoph Waltz) abgekauft unter der Bedingung, das er ihm hilft eine Gruppe gesuchter Verbrecher zu finden und zu töten. Denn Django ist der Einzige der weiß, wie diese aussehen. Im Anschluss daran will Schultz wiederum Django helfen, dessen Frau Broomhilda (Kerry Washington) von der Plantage des berüchtigten Sklavenhalters Calvin Candie (Leonardo Di Caprio) zu befreien. Zwischen den beiden entwickelt sich eine Freundschaft, in deren Verlauf Schultz Django sein Handwerk beibringt und ihn zu einem erfahrenen Kopfgeldjäger macht. Als sie dann nach dem Winter in den Süden gen Mississippi reiten, ist es Django der zeigen muss, das er aus seiner Vergangenheit als Sklave und den Erfahrungen als Kopfgeldjäger die richtigen Lehren gezogen hat. Wenn er es nicht macht, sind Broomhilda und er dem sicheren Tode geweiht.

                                              Ursprünglich war angedacht, zumindest wenn man sich auf einige Aussagen QT's bezüglich der Absicht einen Western zu inszenieren, eine weitere Geschichte von Elmore Leonard, nach JACKIE BROWN, zu verfilmen. Nämlich dessen fünften Roman "Forty Lashes Less One - Die Zwei aus dem Teufelsloch", aus dem Jahre 1972, dessen Verfilmungs-Rechte QT bereits in den Neunzigern erworben hatte. In der Geschichte entfliehen ein ehemaliger Sklave und ein Indianer aus dem Gefängnis in Yuma, um sich an ihren früheren Peinigern zu rächen. Die Story von DJANGO UNCHAINED weißt indes nur noch geringe Parallelen zu diesem Buch auf. Teile der Geschichte finden sich jedoch wieder. So liegt die Hauptinspirationsquelle auch dieses Mal, wie schon bei INGLORIOUS BASTERDS, klar auf der Hand. DJANGO (1966) von Sergio Corbucci mit dem großartigen Franco Nero in der Titelrolle steht Pate. Nero, und da verrate ich nicht zuviel, kommt auch in diesem Film zu Ehren. Es treffen sich sogar drei Generationen von Darstellern aus Django-Filmen. Franco Nero, der Ur-Django selbst, Quentin Tarantino, der in Takashi Miikes Japan-Version "Sukiyaki Western Django" auftrat, sowie Jamie Foxx, der aktuelle Django. Doch es geht noch weiter, steht hier vielmehr nicht nur der genannte Film, sondern darüber hinaus gleich das gesamte Western-Schaffen Corbuccis, wie der sogenannte Spaghetti-Western als solcher im Fokus. Hier werden eindeutig Szenen aus MERCENARIO, LEICHEN PFLASTERN SEINEN WEG und MINNESOTA CLAY, sowie aus vielen anderen Filmen zitiert. Das bietet die Möglichkeit einer cineastischen Entdeckungsreise und tut der Originalität des Drehbuches keinen Abbruch. Tatsächlich eröffnet sich für Western-Freunde ein wahres El Dorado.

                                              Denn entgegen landläufigen Einschätzungen ist QT's Werk kein bloßes Zitate-Kino. Das wäre es, würde er nur Szenen nachstellen, ohne dabei den Anspruch zu haben, das daraus etwas völlig neues, nie dagewesenes entsteht. Genau das geschieht aber. Die Filmgeschichte bietet einen unerschöpflichen Fundus und kaum einer sonst versteht es, aus Arthouse-Kino und Trash-Film, aus Autoren-Film und Unterhaltungs-Kino, aus Filmepochen-Lehre und Genre-Kino einen derartigen Mix, quasi die Essenz aus allem, immer wieder so frisch, neugierig und aufregend zu präsentieren, wie QT es macht. Seine Arbeit beginnt, nach eigenem Bekunden, beim Soundtrack, setzt sich fort über das Schreiben und endet mit dem fertigem Film. Vor allem, um alles herum, während dessen und danach steht aber das Filme schauen. Von Kindesbeinen an staunend alles in sich aufzusaugen was es gibt, ohne Unterschiede, ohne Kompromisse zu machen. Zuerst einmal ist alles interessant. Die Frage ist, was sich daraus machen lässt. Schlussendlich ist jeder Künstler von einem anderen beeinflusst. Anders gäbe es keine Kunst. Tarantino steht genau dafür. Nur ist er bereits mehrere Stufen weiter. Deswegen ist er so besonders. So einzigartig. Er steht somit auch in keiner Filmemacher-Tradition. Wenn überhaupt, dann nur in einer sehr kurzen, in der von Jean-Pierre Melville und Sergio Leone und wenigen anderen. Wie diese beiden ist er in seinem Werk ausschließlich von Film beeinflusst, vom filmischen Werk anderer. Er verarbeitet nur das gesehene, nie die Realität. Reflektives Kino, reflektives Filmemachen also. In doppeltem Sinne. Weil QT bereits reflektiertes verarbeitet, verändert, es auf eine neue Ebene bringt. Niemand sonst kann das in dieser Qualität. Er hat die Meister ebenso studiert wie deren Schüler. Das Wichtigste ist aber, er hat sie verstanden. Und er liebt sie alle gleichermaßen. Das Tarantino liebt was er tut, spürt man in jeder Sekunde seiner Filme. Er hat sich mit Leib und Seele dem Filmemachen verschrieben. "Because we love making Movies." Mit diesem Satz beginnt er jeden Drehtag.

                                              So liegen die Grundlagen für die Geschichte von DJANGO UNCHAINED natürlich nicht nur beim Italo-Western. Bereits im Jahre 1971 drehte Paul Bogart einen Film, SKIN GAME - ZWEI GALGENVÖGEL, in dem ein Weißer (James Garner) und ein Afro-Amerikaner (Louis Gossett jr.) im alten Süden von Sklavenmarkt zu Sklavenmarkt reisen, um Sklavenhändler übers Ohr zu hauen. Auch da erfriert der anfängliche Witz zu einem kalten Schauer, jedoch ohne die Konsequenz, mit der dies QT zu Ende exerziert. Denn eines unterscheidet den "neuen" Tarantino vom "alten". Dieses Mal meint er es durchaus Ernst. Er hat ein Thema. Zog schon durch INGLORIOUS BASTERDS so etwas wie eine Meinung, eine Stellungnahme, ist dies bei DJANGO UNCHAINED nicht mehr von der Hand zu weisen, nicht mehr zu übersehen. Über das einfache lächerlich machen, wie es in INGLORIOUS BASTERDS mit Hitler geschieht, seiner gerechten und notwendigen WK-2-Fantasie, ist der Autor Tarantino hinaus. Dafür genügt ihm jetzt ein Nebenschauplatz und es gelingt ihm z.B., den Ku-Klux-Klan und seine gesamte Historie in einer einzigen Szene der Lächerlichkeit preis zugeben, zu verspotten. Tatsächlich wagt er sich an das heiße Eisen der dunklen Seite der Geschichte Amerikas. Die Sklaverei. In einem Interview bezeichnete er es als einen zweihundertfünfzig Jahre währenden Holocaust. Nun ist QT auch hier nicht der erste Filmemacher, der darauf hinweist. In den Neunziger Jahren gab es im Zuge des NEW BLACK CINEMA mehrere ernstzunehmende Versuche auf dieses Thema aufmerksam zu machen, mal mehr (POSSE von Mario van Peebles), mal weniger (ROSEWOOD von John Singleton) erfolgreich. Keiner der Filme erreichte jedoch eine solche Aufmerksamkeit wie DJANGO UNCHAINED. Auch bereits in den Siebziger Jahren im Zuge des NEW HOLLYWOOD und des BLAXPLOITATION-CINEMA gab es einige Diskussionswürdige Beiträge wie BUCK AND THE PREACHER - DER WEG DER VERDAMMTEN von Sidney Poitier, MANDINGO von Richard Fleischer oder THE LEGEND OF N****R CHARLEY von Martin Goldman. Doch keiner dieser Beiträge legte den Finger so tief in die offene Wunde wie QT. Er begnügt sich auch nicht mit kurzen Ansichten der Qual. Tarantino hält drauf, nein er thematisiert es fortlaufend in der Figur des Django.

                                              Jamie Foxx, Oscar für RAY, gelingt dabei das eindringliche Portrait eines an Körper und Seele geschundenen Mannes. Im Prinzip sind wir Zeuge eines Entwicklungsromanes, lässt sich an dieser Figur doch die Geschichte des Afro-Amerikaners mit all ihren Rückschlägen bis hin zum heutigen, immer noch unterschwelligen, Rassismus ablesen ebenso wie das Erwachen des schwarzen Selbstbewusstseins. BLAXPLOITATION. Auch hat der Film einen Rhythmus wie ein Gedicht oder ein Vers-Roman, aus dem ein Rap wird. Er wird, bei aller anfänglichen Langsamkeit, Getragenheit schneller. Härter. So schnell wie für Django die Einschläge näher kommen und er über sich selbst hinaus zuwachsen gezwungen ist. Er durchlebt eine Wandlung. Eine Metamorphose. Vom schüchternen und unterwürfigen, aber würdevollen Sklaven zum Macker. Zum vor Selbstbewusstsein strotzenden Macher, Revolvermann, Helden. Vom Blues zum Soul. Jamie Foxx macht auf seine Weise eindrucksvoll klar wo der Hammer hängt. Seine Darstellung ist für mich die wahre Überraschung dieses Filmes. Foxx mausert sich vom heimlichen zum dominierenden Star des Filmes. Er bleibt dabei zu jeder Zeit glaubwürdig und differenziert. Man kann nur froh darüber sein das er und nicht Will Smith, der im Gespräch war, diese Rolle bekommen hat. Er, Jamie Foxx, schafft mit Django am Ende eine ähnliche Ikone, wie es schon Franco Nero vermochte. Wenn auch ganz anders.

                                              Broomhilda, die gepeinigte Ehefrau Djangos, wird gespielt von Kerry Washington, der die Ehe mit Jamie Foxx noch aus dem Film RAY vertraut sein dürfte, spielte sie doch auch dort seine Partnerin. So harmonieren die beiden in ihren Szenen prächtig. Zudem gelingen Washington einige sehr emotionale Szenen, auch wenn sie insgesamt etwas zu kurz kommt. Das ist etwas merkwürdig bei einem Film von Tarantino, der doch sonst das starke weibliche Geschlecht so trefflich in Szene zu setzen weiß. Womöglich einer der wenigen Schwachpunkte des Filmes.

                                              Mit Djangos Mentor Dr. King Schultz, wird Christoph Waltz erneut zum Teil des Tarantino-Universums wie schon in INGLORIOUS BASTERDS. Ich würde nicht sagen das seine Figur die gutmütige Version seines Hans Landa aus dem Vorgänger-Film ist, wie es in einigen Kritiken formuliert wird und gestehe Waltz, der jedwede Beachtung seines immensen schauspielerischen Talents nicht erst seit INGLORIOUS BASTERDS sondern mindestens seit KÖNIG DER LETZTE TAGE (1993) verdient, genügend schauspielerische Raffinesse zu, auch hier einen völlig eigenständigen Charakter erschaffen zu haben. Einen Charakter, der so grundsymphatisch ist, das man sich nur wünschen kann das Waltz in der Folge noch mehr Möglichkeiten bekommt, so viele verschiedene Persönlichkeiten auf die große Leinwand zu bringen wie möglich. Auch in dieser Figur vereinen sich wieder viele Vorbilder. Mentoren-Western gibt es einige. Nicht nur italienische wie DER TOD RITT DIENSTAGS oder DIE RECHNUNG WIRD MIT BLEI BEZAHLT. Nein, auch im amerikanischen Western gab es einige sehr gelungene Beiträge zu diesem Thema. Wie z.B. NEVADA SMITH, dessen Geschichte der hier erzählten nicht unähnlich ist. Allerdings ist hier der Weg ein anderer. Bleibt der Mentor doch meist derselbe, macht King Schultz hier ebenso wie sein Schützling eine Wandlung durch, die ihresgleichen sucht. Überhaupt ist DJANGO UNCHAINED QT's emotionalster Film. Mehr noch als in JACKIE BROWN geht einem hier das Schicksal aller Beteiligten zu Herzen. Es scheint so, als hätte Tarantino selbst in den vergangenen Jahren eine Wandlung durchlebt, die sein Schaffen nachhaltig prägt. DJANGO UNCHAINED ist somit auch QT's erwachsendster Film.

                                              Als Calvin Candie sehen wir Leonardo Di Caprio. Mit wahrer Spielfreude und Inbrunst gibt er den moralisch verkommenen Südstaaten-Dandy, zwischen Cocktail und Candy, der weniger intelligent ist als er vorgibt zu sein. Di Caprio ist ein Schauspieler an dessen darstellerischer Komplettierung wir spätestens seit GANGS OF NEW YORK direkt teilhaben dürfen. Sein Ehrgeiz ist nahezu immer spürbar. Mit jeder Rolle wächst er ein bisschen mehr. Das wirkt manchmal angestrengt, aber immer aufrichtig. Hier wirkt er geradezu leicht und beschwingt in seinem Auftreten. Seiner Sammlung großer Regisseure mit denen er arbeiten wollte, kann er nach Scorsese und Eastwood nun auch Tarantino hinzufügen. Seine Performance ist klasse. Unterstützt wird er dabei tatkräftig von Tarantino-Regular Samuel L. Jackson. Als erster Haussklave Candie's wirkt er bedrohlich wie selten und dominant wie eh und je. Eine Figur die man erleben muss, weshalb ich nicht zu viel verraten möchte.

                                              Der Nebenrollen-Katalog setzt sich aus mehr oder weniger prominenten Schauspielern zusammen die, wie in einem Tarantino-Film üblich, aufgrund ihrer Meriten als Schauspieler besetzt wurden. Hervorzuheben ist Don Johnson in einem herrlich süffigen Auftritt als Plantagen-Besitzer. Sein Outfit und Styling gleicht Eins zu Eins dem des Oberbösewichts aus Sergio Corbucci's MINNESOTA CLAY, damals gespielt von Georges Rivière . Die weiteren weißen Darsteller, vornehmlich in der Rolle von Hillbillies und Schuften, setzen sich zusammen aus QT's Stammschauspielern wie Michael Parks, Tom Savini, Zoe Bell und einigen anderen. Des weiteren finden wir viele Darsteller des stark von Sam Peckinpah beeinflussten Hollywood-Profis Walter Hill, wie James Russo, James Remar, Bruce Dern und Robert Carradine.

                                              Peckinpah ist denn auch das Stichwort zur Inszenierung der Gewalt in DJANGO UNCHAINED. Wie bei Bloody Sam gibt es einige Szenen in Zeitlupe, sowie deutlich zu sehende Ein- und Austrittswunden. Die Gewalt-Szenen beschränken sich ausschließlich auf Shootouts, bei allem anderen wird weg geblendet. Für meine Begriffe hätte der Film dennoch eine Achtzehner-Freigabe mehr als verdient, denn es geht vor allem zum Ende hin nicht gerade zimperlich zu. Gewaltverherrlichung kann man QT wiederum nicht vorwerfen, zu überzogen und kunstvoll fügt sich das gezeigte ins Gesamtbild. Er ist nicht der erste und bestimmt nicht der letzte Regisseur für den die Darstellung von Gewalt ein künstlerisches Stilmittel ist. Selten fügte es sich so gut in den filmischen Kontext ein wie hier. Die Darstellung steigert sich mit der Lauflänge des Filmes, wird detaillierter je weiter, je zwingender sich die Geschichte entwickelt.

                                              Der Soundtrack verwertet unter anderem bekannte und weniger bekannte Arbeiten der bedeutendsten Komponisten des Italo-Western-Genres. Die Stücke und Songs passen perfekt zu den Bildern, sprechen ihre Sprache weiter, unterstreichen sie. Eine weitere Sache die QT beherrscht wie kein Zweiter. So spielte er die Musik, wie Sergio Leone einst Ennio Morricone, seinen Bruder im Geiste der auch hier mit einer neuen Komposition vertreten ist, bereits während des Drehs damit sich die Schauspieler auch stimmungstechnisch in die jeweilige Szene fallen lassen können. Robert Richardsons Kamera bietet vor allem in der ersten Hälfte die typischen Westernlandschaften und wechselt in der zweiten, wenn sich die Geschichte in den alten Süden verlagert, logischerweise die Location. Fred Raskins Schnitt gibt dem dialoglastigen Film einen ganz eigenen, beinahe lyrischen Rhythmus, der sich nur langsam offenbart.

                                              Mit einer Laufzeit von annähernd drei Stunden erreicht der Film beinahe KILL BILL-Niveau. Produzent Harvey Weinstein schlug eine erneute Teilung des Werkes vor. QT entschied sich dagegen. Zurecht wie ich finde. Abschließend lässt sich sagen das DJANGO UNCHAINED die geschürten Erwartungen bei weitem übertrifft. Denn QT übertrifft sich selbst. Es ist ein WESTERN wie kein Zweiter und dabei ein echter TARANTINO. Er selbst nennt es einen SOUTHERN. Warum eigentlich nicht? Richtig einordnen können wird man das Werk ohnehin erst in ein paar Jahren. Denn auch für die Zukunft gilt: Der nächste Tarantino kommt bestimmt und die Vorfreude fängt da an, wo DJANGO UNCHAINED aufhört.

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                                                YEAR OF THE GUN von John Frankenheimer ist ein ziemlich unterschätzter Polit-Thriller um die Roten Brigaden und die Entführung von Aldo Moro im Italien des Jahres 1978, in dem ein amerikanischer Journalist zwischen die politischen Lager gerät. Action-Profi Frankenheimer sorgt mit rohen Straßenkampfszenen für authentisches Flair an Original-Schauplätzen und liefert sozusagen die packende Hollywood-Version der Ereignisse. Eine prima Ergänzung zur gerade gelaufenen arte-Serie UND DRAUßEN DIE NACHT.

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                                                  EddieLomax 26.03.2023, 11:29 Geändert 26.03.2023, 12:02

                                                  TARZAN AND THE JUNGLE BOY von Robert Gordon entstand Back-to-Back mit dem unmittelbaren Vorgänger TARZAN AND THE GREAT RIVER in Brasilien, spielt aber wieder in Afrika. Wie der Titel bereits sagt, gibt es wieder einen Jungen, der im Dschungel lebt und von Tarzan unter seine Fittiche genommen wird, muss dafür aber erstmal gefunden werden. So verwendet der handlungsarme, viel zu lange Film eine Menge Zeit darauf Menschen dabei zu zeigen, wie sie durch den Dschungel laufen, während der Handlungsrahmen von einem Konflikt zweier verfeindeter Häuptlingssöhne gebildet wird. Der von den strapaziösen und zeitaufwendigen Dreharbeiten völlig erschöpfte und erkrankte Hauptdarsteller Mike Henry überwarf sich mit Produzent Sy Weintraub, lehnte das Angebot auch den Serien-Tarzan zu spielen ab und beendete seinen Vertrag, was gleichzeitig nach 36 Jahren das Ende der klassischen Ära einer der langlebigsten Kinoreihen der Filmgeschichte bedeutete. Doch Tarzan kehrte natürlich irgendwann zurück...

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                                                    TARZAN AND THE GREAT RIVER von Robert Day führt den Titelhelden nach Brasilien, wo er erstmal in den Zoo geht und erstaunlich wenig daran findet. Der Betreiber hat ihn gerufen, denn er soll im Dschungel für Ordnung sorgen, weil Krieger des Jaguar-Kults die anderen Stämme unterjochen. Gemeinsam mit Cheeta und seinem Löwen bricht er auf, verbündet sich mit einem Skipper und dessen Ziehsohn, die ihn den Amazonas hinauffahren wo er sein gerechtes Werk verrichten kann. So weit, so gut, doch was ziemlich straight startet, wird spätestens nach dem ersten Drittel zur Geduldsprobe, die sich bis zum Finale des recht kurzen Films hinzieht. Wäre da nicht der Comedian Jan Murray als Skipper, der das Publikum mit seinem verschmitzten Spiel bei Laune hält. Die toll in Szene gesetzte Klopperei auf einer riesigen Bambus-Brücke am Ende entschädigt jedoch für die vorherigen Strapazen. Was allerdings die Nummer mit dem Nilpferd im Amazonas sollte, hat sich mir nicht erschlossen...

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