Framolf - Kommentare

Alle Kommentare von Framolf

  • 7

    'Unsere verlorenen Herzen' zeigt genau die Mischung aus Coming of Age Drama und Lovestory, die seit einigen Jahren wieder ganz besonders Hochkonjunktur hat: Ein Part des Paares im Zentrum der Handlung leidet an einem körperlichen Gebrechen, das mit einem noch viel größerem seelischen Schmerz einhergeht, den der andere Part zu heilen versucht. In einem Subgenre, das derart breitgetreten wird, fällt es naturgemäß nicht leicht, mit Alleinstellungsmerkmalen zu punkten. Regisseur Richard Tanne meistert diese Aufgabe durchaus ordentlich, indem er einen Film vorlegt, der zwar nicht gerade originell daherkommt, aber immerhin recht charmant erzählt wird. Ganz besonders verlässt er sich dabei auf Hauptdarstellerin Lili Reinhart, deren Leistung zwar nicht in den Himmel wächst, im Vergleich zu so manch anderen Beiträgen zu diesem Subgenre aber durchaus ansprechend ist.

    Bei allen Klischees, die hier bedient werden: 'Unsere verlorenen Herzen' hat durchaus seine Momente, die ihn von einigen anderen Genrevertretern abheben. Damit ist immerhin schon deutlich mehr erreicht als in vielen anderen Highschool-Romanzen.

    6,5 – 7 Punkte.

    19
    • 6 .5
      Framolf 29.09.2020, 06:42 Geändert 14.05.2021, 05:41

      Oscar Madness Film 59 (1 Nominierung)

      Den ersten Lacher gibt es bereits nach wenigen Sekunden. Kurz nach einer Texttafel, wonach die Handlung auf wahren Begebenheiten beruhe, beginnt direkt mal ein Gorilla zu sprechen. Und Disney wäre nicht Disney, wenn er sich nicht auch mit anderen Tieren (wie etwa einem Hasen, einem Papagei, einem Seehund, zwei Hunden oder zwei Elefanten) unterhalten könnte.

      Aber gut, es gab wohl tatsächlich mal einen Gorilla namens Ivan, der zusammen mit einigen weiteren Tieren viele Jahre lang sein Dasein als Attraktion in einem Einfkaufszentrum(!) fristen musste und SPOILER SPOILER SPOILER seinen Lebensabend in einem Zoogehege verbringen durfte, das zwar nicht einmal annähernd etwas mit Freiheit zu tun gehabt haben dürfte, wie der Film suggeriert, das ihm persönlich in Anbetracht seiner langjährigen Haltungsbedingungen aber sicherlich trotzdem wie ein riesiger Fortschritt vorgekommen sein dürfte. Und damit legt Disney sogar den Finger in eine tiefe Wunde: Gejagt in der Natur und in menschlicher Obhut zwar sicher (im Sinne von „nicht in Lebensgefahr“), aber dafür eingepfercht in einen viel zu engen und alles andere als artgerecht gestalteten Käfig. Was tun wir den Tieren auf unserem Planeten nur an?

      Mit 'Der einzig wahre Ivan' ist Disney trotz aller übertriebener Verkitschung ein durchaus warmherziger Familienfilm gelungen, der Kindern wie Erwachsenen gleichermaßen die Frage nach unserem Umgang mit (Wild)Tieren stellt. Denn auch wenn dieser oftmals sicherlich gut gemeint ist, sind die Konsequenzen für die Tiere eben doch oftmals verheerend.

      Erzählt wird diese Geschichte durchaus charmant, humorvoll und dem nötigen Maß an Einfühlungsvermögen. Dass die Animationen mitunter von allererster Güte sind, versteht sich bei dieser Produktionsfirma von selbst.

      → Sehenswerte Komödie über animalische Helden, die aber ohne einen derart hohen Grad an Vermenschlichung und mit etwas mehr Mut zur Abweichung von den althergebrachten Drehbuchformeln noch deutlich höhere Sphären hätte erreichen können. Eine Sichtung lohnt sich aber dennoch allemal.

      Nachtrag: 2021 wurde 'Der einzig wahre Ivan' für den Oscar in der Kategorie "Beste visuelle Effekte" nominiert.

      24
      • 6 .5

        Garstiger, kleiner Horror-Psychothriller von Severin Fiala und Veronika Franz ('Ich seh, ich seh'). Was zunächst nach einer Geschichte im Fahrwasser von 'Hereditary' aussieht, ist inhaltlich dann aber doch deutlich näher am Vorgängerfilm der beiden Filmemacher (wenn auch in einer völlig anderen Einfärbung).

        Zur Handlung: Ein Ausflug zu einer verschneiten und weit abgelegenen Hütte legt hier menschliche Abgründe frei. Wenn man es so formuliert, klingt es zwar fast schon nach Lars von Triers 'Antichrist', aber auch das wäre letztlich am Ziel vorbei. Und dennoch ist mit den drei genannten Filmen die Matrix der Handlung einigermaßen zielsicher umrissen. Alle Informationen darüber hinaus wären schon wieder unnötige Spoiler.

        Auf der Besetzungsliste finden sich u. a. Riley Keough, Richard Armitage, Jaeden Martell und Alicia Silverstone. Zahlreiche Bildkompositionen sind mit religiöser Symbolik aufgeladen und das eisige Flair (sowohl in Hinblick auf das Wetter als auch auf die Charaktere) überträgt sich fast schon in den Zuschauerraum. Da nimmt man auch gerne in Kauf, dass auf inhaltlicher Ebene nicht die ganz großen Sprünge gemacht werden. Da die Inszenierung durchaus einiges wettmacht, dürfte sich eine Sichtung für viele Genrefans auch so lohnen.

        28
        • 4
          Framolf 28.09.2020, 05:58 Geändert 28.09.2020, 05:59

          Mischung aus Psychodrama, Psychothriller, Mysterythriller und Horror mit Sarah Michelle Gellar, Lee Pace, Michael Landes und Tuva Novotny. Trotz dieser recht bunten Genremischung servieren Joel Bergvall und Simon Sandqvist dem Publikum jedoch eine ausgesprochen herkömmliche Handlung, die so ziemlich alle bekannten Versatzstücke aus ähnlich gearteten Geschichten mit einbindet.

          Nach dem Autounfall eines Brüderpaares gibt einer der beiden vor, plötzlich über die Erinnerungen (und sogar die Persönlichkeit) des anderen zu verfügen. Seine Schwägerin zeigt sich zunächst höchst skeptisch, wird aber nach kurzer Zeit in gleichem Maße neugierig. Was sich wohl hinter diesem mysteriösen Fall verbergen mag?

          Erfahrene Haudegen unter den Thriller- und Horrorkennern werden an dieser Stelle vermutlich nur müde lächeln – und womit? Mit Recht! Denn 'Possession' (noch nicht mal der Titel ist auch nur ansatzweise originell) zitiert und/oder plagiiert sich munter durch die Filmwelt und versucht gar nicht erst, eine eigene Note zu entwickeln. Auf diese Weise ist zwar für grundsolide Unterhaltung gesorgt, das war es dann aber auch schon hinsichtlich der Qualitäten dieser Verfilmung.

          Kann man machen/sichten, muss man aber nicht.

          17
          • 7

            Deutsches Historiendrama, das sich an wahren Begebenheiten orientiert. Ein deutsch-iranisches Ehepaar (Ehefrau DDR-Bürgerin, ihr Gatte Iraner) begibt sich unmittelbar nach der Islamischen Revolution mit der gemeinsamen Tochter nach Teheran. Die Unterdrückung der studentischen Proteste wird zunächst als Kinderkrankheit des jungen Systems abgetan. Und so sehen die beiden zunächst tatenlos zu, wie sich nach dem Ende der gewiss nicht unproblematischen Herrschaft des Schahs nun ein neues und nicht minder schwieriges System etabliert, das allerdings andere Verlierer und Gegenspieler kennt. Nach ihrer Ausreise aus der DDR kommen die beiden Protagonisten nicht nur vom Regen in die Traufe, sondern sie haben es sogar geschafft, in ein Umfeld zu ziehen, das für sie persönlich noch weitaus gefährlicher ist als das vorherige. Wird Beate die Ausreise mit ihrer Tochter Sarah gelingen?

            Rein inhaltlich bewegt sich 'Morgen sind wir frei' ziemlich genau zwischen 'Argo' und 'Nicht ohne meine Tochter'. Abgedeckt wird also die Zeit unmittelbar nach der iranischen Revolution, aber noch bevor sich die Strukturen von Chomeinis Herrschaft verfestigt haben. Immer wieder werden dabei in dokumentarischen Einschüben die zeitgeschichtlichen Umstände zur besseren Einordnung der politischen Rahmenbedingungen erläutert. Auf diese Weise ergibt sich fast schon eine Struktur wie in einem Roman von Jean Paul Friedrich Richter, nur deutlich stärker geerdet... Bemerkenswert ist vor allem die Ausstattung, die viele kleine Details mit einfließen lässt, wie man sie aus den 1970er und 1980er noch kennt (Kuchenformen an der Küchenwand etc.).

            Hossein Pourseiffis 'Morgen sind wir frei' bietet nicht einfach nur schnöde Zeitgeschichte, sondern zeichnet einige durchaus spannend und atmosphärisch vorgetragene Episoden aus dem Leben der besagten Familie nach. Durchaus sehenswert!

            22
            • 5

              Absolute Durchschnittskomödie mit überschaubarem inhaltlichen Niveau, die aber immerhin (zumindest teilweise) sehenswert bebildert wurde. Vor einer bemerkenswerten hawaiianischen Urlaubskulisse werden dabei die üblichen Zoten und Flachwitze auf den Bildschirm gebracht, wie man sie aus Produktionen mit (in diesem Fall indirekter) Beteiligung von Adam Sandler eben kennt. Auch wenn Adam Sandler selbst nur als Produzent fungiert, so sind doch seine Ehefrau Jackie, sein Neffe sowie seine Töchter Sadie und Sunny als Darsteller involviert. Bei so viel Familienpräsenz und Vetternwirtschaft erblasst selbst Til Schweiger vor Neid. Wie man es von zahlreichen Happy Madison Produktionen kennt, sind darüber hinaus viele der üblichen verdächtigen Darsteller involviert (u. a. David Spade, Rob Schneider, Jackie Sandler) und natürlich dürfen auch ein paar obligatorische pseudo-anarchische Entgleisungen nicht fehlen, die aber eher Ausdruck einer gewissen Prüderie sind...

              Somit hält 'The Wrong Missy' dann zumindest ziemlich genau das, was das Happy Madison Logo zu Beginn des Filmes verspricht bzw. androht: Eine zwar nicht besonders anspruchsvolle, aber immerhin einigermaßen kurzweilige Formelkomödie nach dem (mehr oder weniger) bewährten Rezept. Wer die Komödien dieser Produktionsfirma mag, wird sicherlich auch hier einigermaßen auf seine Kosten kommen, aber neue Fans werden sich damit kaum noch generieren lassen. So gesehen kennt man den Film schon, bevor man ihn überhaupt gesehen hat. Ob sich eine Sichtung dieser Variante lohnt, kann sich also (fast) jeder bereits vorher relativ treffsicher selbst ausrechnen.

              18
              • 7 .5

                Verhältnismäßig ruhiges Coming Of Age Drama über die kleinen großen Dramen des Teenagerlebens. Die größte Stärke von 'The Edge of Seventeen' liegt vielleicht im sorgfältigen Sinn für Details, den Regie und Drehbuch hier walten lassen. Immer wieder werden dabei Situationen gezeigt, die der eine oder andere Zuschauer vielleicht in so ähnlicher Form aus seiner eigenen Jugendzeit kennen dürfte. Wenn etwa Erwin Nadine im Telefonat aus Verlegenheit vier mal fragt, wie es ihr geht, dürfte sich so mancher Zuschauer an Szenen aus der eigenen Jugendzeit erinnert fühlen (um nur mal ein Beispiel zu nennen).

                Wie so oft sind natürlich auch hier wieder nahezu alle Darsteller der Teenager-Rollen Anfang/Mitte 20; einer von ihnen sogar bereits Anfang 30. Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass dieser Charakter besonders viele Ehrenrunden an der Highschool drehen musste (was sich dann allerdings mit seinem eher pfiffigen Auftreten beißt)...

                Anyway, abgesehen davon bietet 'The Edge of Seventeen' kurzweilige Unterhaltung, die sich relativ nah am realen Leben befindet – sofern man die fast schon obligatorischen Übertreibungen und Überspitzungen ausblendet. Klare Empfehlung für Fans von Coming Of Age Filmen!

                24
                • 5 .5

                  Unspektakuläre Komödie über ein Liebespaar (zwei Herren), das den Enkel des einen der beiden betreuen soll, da der Vater des Jungen ins Gefängnis muss. 'Ideal Home – Ein Vater kommt selten allein' macht es den Zuschauern zu Beginn nicht gerade einfach, da sich mehrere Charaktere als alles andere als leicht zugänglich erweisen. Der Junge spricht zunächst nicht und wenn doch, gibt er nur pampige Antworten. Der egozentrische und anfangs überforderte Großvater lebt auf seinem eigenen Planeten und sein Lebensgefährte (Paul Rudd) bleibt anfangs recht farblos. Zwar ist diese Figurenzeichnung ganz offensichtlich so intendiert, aber wirkliche Wohlfühlatmosphäre entsteht dadurch zunächst ganz bestimmt nicht. Von einem idealen zu Hause kann also vorerst nicht die Rede sein. Allerdings wird es mit der zunehmenden Annäherung der Charaktere zueinander auch deutlich einfacher für das Publikum, eine gewisse Bindung zu den Charakteren herzustellen. Vor allem deshalb, weil sie sich zunehmend umeinander bemühen, mehr Empathie zeigen und dadurch auch greifbarer werden.

                  → Nach (gewollten) Anlaufschwierigkeiten wird 'Ideal Home' zu einer grundsoliden Komödie, die aber vornehmlich leise Töne anschlägt. Wirklich innovativ kommt sie zwar zu keinem Zeitpunkt daher, aber für angemessene Unterhaltung reicht es allemal.

                  16
                  • 6 .5

                    Launige Fortsetzung der Horrorkomödie von 2017. Ums Babysitten geht es naturgemäß nicht mehr wirklich, dafür wird die Geschichte aus der ersten Episode mehr oder weniger nahtlos fortgesetzt. Viele der altbekannten Charaktere sind wieder mit dabei. Die Handlung an sich ist zum Vergessen, dafür steht ganz klar der Gute-Laune-Aspekt im Vordergrund, dem nahezu alles andere geopfert wird.

                    'The Babysitter: Killer Queen' ist eine der bisher eher raren Fortsetzungen eines der von Netflix eigenproduzierten Filme. Dementsprechend experimentell fällt das Projekt auch in mancherlei Hinsicht aus. Zwar nicht im Sinne von außergewöhnlich originellen Ideen, aber zumindest in der Hinsicht, dass Netflix hier offensichtlich noch nach einer durchgängigen Handschrift für seine Mehrteiler sucht. Gesehen haben muss man diese Fortsetzung ganz sicher nicht, als (mehr oder minder gleichwertiger) Nachschlag zum ersten Film taugt sie aber allemal.

                    23
                    • 6

                      19 Jahre nach der Premiere von '100 Pro' kehrt Regisseur und Drehbuchautor Simon Verhoeven zu Nachtleben zurück. Und erneut werden die Clubkultur und die eigentlichen Parties thematisch nur gestriffen. Während seinerzeit den beiden Protagonisten der Zutritt zum Club ihrer Wahl verwehrt wurde, haben die beiden von Elias M'Barek und Frederick Lau gespielten Charaktere gar nicht erst Zeit, sich so richtig in die Partywelt zu stürzen, denn sie geraten zwischen die Fronten zweier verfeindeter Verbrecherbanden.

                      'Nightlife' erfindet das Rad ganz sicher nicht neu und bedient sich munter bei diversen anderen Filmen aus dem selben Genre. Dennoch hat diese Komödie durchaus ihre Momente. Ob diese eine Sichtung rechtfertigt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Eine klare Empfehlung kann man hier ebenso wenig aussprechen wie eine Warnung.

                      18
                      • 8
                        Framolf 21.09.2020, 17:24 Geändert 23.09.2020, 17:35

                        Abschließender interaktiver Spielfilm zu einer der wohl schrulligsten Serien der letzten Jahre. Das stets bunt gekleidete Sonnenscheinchen Kimmy kehrt noch einmal mit ihrem schier unerschütterlichem Optimismus zurück und nimmt es ein letztes mal mit dem Reverend auf. Leider darf man sich als Zuschauer nicht so hart an ihm rächen, wie es vielleicht möglich wäre, aber einen Versuch ist es allemal wert. ;-)

                        Mit dabei sind auch hier wieder alle maßgeblichen ProtagonistInnen und auch die allermeisten langjährigen Nebenfiguren geben sich ein kurzes Stelldichein. Unterstützt werden sie, wie bei 'Unbreakable Kimmy Schmidt' üblich, von namhaften Gaststars. In diesem Fall zum Beispiel von Daniel Radcliffe und Johnny Knoxville.

                        Sehr positiv fällt auf, dass die Entwicklung der interaktiven SPIELfilme bei Netflix konsequent voranschreitet. Viele der Kinderkrankheiten aus 'Black Mirror: Bandersnatch' wurden mittlerweile abgestellt oder zumindest abgemildert. So wird der Zuschauer beispielsweise nicht ständig zurück auf Null geschickt. Und wenn er doch einmal in einer Sackgasse landet, wird er höchst charmant und humorvoll wieder auf den richtigen Pfad gebracht (Stichwort Robert Durst, Cyndee Pokorny oder Richard Wayne Gary Wayne, der sich in der Hölle ein „Getränk“ nachschenken lässt).

                        → Durch diesen abschließenden interaktiven Film wird die Serie nun endgültig rund. Nahezu alle maßgeblichen Charaktere sind noch einmal involviert (zumindest all jene, die nicht nur für eine Staffel dabei waren) und die Geschichte erhält ein passendes Ende. Für Fans der vorherigen vier Staffeln absolute Pflicht! Ohne Wenn und Aber. Wer die Serie aber nicht gesehen hat, wird womöglich eine ganze Reihe von Running Gags nicht entsprechend einordnen können und zudem etwas unvermittelt in eine vielleicht etwas befremdliche Handlung geworfen werden.

                        7,5 - 8 Punkte.

                        Nachtrag: Es lohnt sich durchaus, die Story zwei mal durchzuspielen. Bei anderen eingeschlagenen Wegen lassen sich doch recht viele zusätzliche Szenen freischalten.

                        17
                        • 4 .5

                          Acht Jahre nach der ersten Episode geht es wieder rund in Niederbayern: Im verschlafenen fiktiven Ort Marienzell (Drehort: Gotteszell) wünschen sich die Bürger eine Anbindung an das Glasfasernetz, doch die zuständigen Telefonfirma verweigert die Finanzierung. Was also tun? Die Lösung: Selbst graben und Geld durch den Sieg bei einem Tanzwettbewerb heranschaffen...

                          Wie sonst vor allem bei zahlreichen US-Komödien, die gerne wiederholt mit Schlüpfrigkeiten kokettieren, ist auch in diesem bayerischen Lustspiel das Problem, dass trotz eines vielleicht sogar gut gemeinten Ansatzes eher eine gewisse Biederkeit zum Ausdruck kommt. Zwar kommt beim Aufbrechen verkrusteter Strukturen natürlich ein gewisser Mut zum Ausdruck, doch eigentlich tritt bei der „Komödisierung“ von Verhaltensweisen, die für manch andere Menschen als selbstverständlich gelten, zumeist auch eine gewisse Verklemmtheit zutage. Natürlich ist dies bei Filmen wie diesem zwar ganz klar gewollt, doch oftmals gerät es gewissermaßen auch etwas außer Kontrolle. Wie auch immer: Da der gute Wille zählt und Auswüchse der Prüderie stellenweise auch recht gekonnt auf's Korn genommen werden, soll das auch nicht weiter in die Bewertung mit einfließen.

                          Was bleibt, sind dementsprechend die „herkömmlichen“ Aspekte des Drehbuchs. Doch in dieser Hinsicht sieht es eher düster aus. Die Handlung wirkt, als wäre sie nach dem Baukasteprinzip mit hinlänglich bekannten Versatzstücken zusammengesetzt worden. Plausibilität spielt eher eine untergeordnete Rolle und vieles wirkt bereits bei der ersten Sichtung altbekannt. Humor an sich ist zwar sicherlich nicht durchweg objektiv zu bewerten, aber wirkliche Innovationen oder zumindest Einfälle, die längere zeit haften bleiben, sucht man hier vergeblich. So bleibt am Ende eine augenzwinkernde und kurzweilig erzählte Geschichte, die man sich durchaus einmal ansehen kann, doch in kreativer Hinsicht werden ganz gewiss keine Bäume ausgerissen. Doch für leidliche Unterhaltung ist zumindest gesorgt.

                          18
                          • 5

                            Als 'In the Name of the Son' veröffentlicht wurde, wird so manchem Priester vermutlich vor Schreck der Ministrant vom Schoß gefallen sein. Denn Vincent Lannoo, der Regisseur dieser belgischen Tragikkomödie, die sich um einen Rachefeldzug nach einem erfolgten Missbrauch dreht, macht sich ein unangenehmes Thema bzw. einen ekelhaften Sachverhalt zu eigen und arbeitet die Vorkommnisse auf seine ganze eigene Weise auf. Das mag vielleicht nicht jedem munden, aber anders als mit Zynismus lassen sich derartige Abscheulichkeiten vielleicht auch gar nicht mehr ertragen.

                            Der Film an sich bietet sicherlich nicht das ganz große Kino oder legendäre Handwerkskunst, kommt aber dennoch grundsolide daher. Aber manchmal leben Kunst oder Kultur eben auch in erster Linie von der Provokation – auch wenn es eine kalkulierte ist. 'In the Name of the Son' ist somit ein klarer Fall von „kann man sich ansehen, muss man aber nicht.“

                            23
                            • 4 .5

                              Tristes Stück Kino über einen deprimierenden Sachverhalt. Lars von Trier nimmt sich der Geschichte eines Paares an, das einen Verlust zu bewältigen hat und dringend einer Aufarbeitung bedarf, die es in einer abgelegenen Hütte im Wald vornimmt. Wenig überraschend läuft die „Sitzung“ irgendwann aus dem Ruder und legt Blicke auf die menschliche Seele frei, die quasi dem Inbegriff von Pessimismus gleichkommen.

                              → Für mich nur ganz schwer zu bepunkten. Trotz einer erheblichen Bedeutungsschwere des Themas erschlägt einen Lars von Trier hier mit einem Weltbild, das düsterer kaum sein könnte - was als Gedankenexperiment auch durchaus interessant ist. Nur was lässt sich daraus für den Zuschauer mitnehmen und möchte man diese Mitgift überhaupt erhalten? Ich für meinen Teil eher nicht. Dennoch erscheinen die vielen positiven Bewertungen und Kommentare durchaus nachvollzieh- und begründbar. Auch wenn bei Filmbewertungen immer auch subjektive Kriterien eine Rolle spielen, so ist dies im Fall von 'Antichrist' nochmal in gesteigertem Maße der Fall. Daher weder eine klare Empfehlung noch eine Warnung von mir.

                              26
                              • 6

                                Biopic über die Verfasserin eines der wohl berühmtesten literarischen Horrorwerke der Literaturgeschichte. 'Mary Shelly' erzählt die Geschichte der gleichnamigen Schriftstellerin, nimmt dabei in erster Linie ihr Privatleben in den Fokus und zeichnet nach, wie es zu dem einen oder anderen Einfall gekommen sein dürfte (oder könnte), den sie in ihre berühmte Schauergeschichte einfließen ließ. Regisseurin Haifaa Al-Mansour kann sich dabei voll und ganz auf Elle Fanning in der Titelrolle verlassen. Gemeinsam füllen sie das eher konservative Drehbuch mit Leben. Wirklich hängen bleiben dürften zwar wahrscheinlich nicht allzu viele Aspekte dieses Filmes, aber da die Regisseurin auf Nummer sicher geht, prägen sich auch keine nennenswerten negativen Eindrücke ein. Ein grundsolides Drama eben.

                                → Für Zuschauer mit Interesse an Literatur und / oder Biographien durchaus sehenswert.

                                26
                                • 7 .5
                                  über Minik

                                  Tragische Dokumentation über einen Eskimojungen, der zusammen mit seinem Vater und ein paar anderen Dorfbewohnern zu Forschungszwecken nach New York gebracht wird. Man verspricht ihnen zwar einige Gegenleistungen, aber was sie tatsächlich bekommen, sind eigentlich nur diverse Krankheiten, denen ihr Immunsystem nicht gewachsen ist. Und so nimmt das Drama seinen Lauf.

                                  'Minik' zeichnet die Geschichte des besagten Jungen nach und widmet sich zudem den „Heldentaten“ von Robert Edwin Peary, der sich selbst als Forscher und Entdecker stilisierte, dessen größte Leistung aber wohl eher im Produzieren von heißer Luft lag. Besonders viele Zweifel bestehen an dessen vermeintlicher Entdeckung des Nordpols. Eine Reihe von Indizien deutet darauf hin, dass bei seinen Schilderungen einiges nicht mit rechten Dingen zuging. Nun mag sich jeder selbst ausrechnen, wie so ein Mensch wohl mit seinen Versprechen gegenüber den Eskimos und bei den damit verbundenen Tauschgeschäften umgegangen sein mag...

                                  Auf durchaus originelle Weise zieht Filmemacher Axel Engstfeld dabei Parallelen zu einer Entdecker-Gesellschaft, die sich selbst in der Nachfolge Pearys sieht und deren Mitglieder sich bei ihren jährlichen Zusammenkünften Delikatessen wie Krokodilschädel servieren lassen. Auch wenn Miniks Biographie in der heutigen Zeit vermutlich etwas anders verlaufen würde, so dürfte die westlich-zivilisatorische Arroganz jedoch bis heute unbeschadet überdauert haben. Prost Mahlzeit!

                                  19
                                  • 8 .5

                                    Im Sauseschritt durch ein halbes Jahrhundert des politischen Terrorismus; und stets mit dabei (wenn nicht gar mittendrin): Der Anwalt Jacques Verges.

                                    Barbet Schroeder zeichnet in der Dokumentation 'Im Auftrag des Terrors' – soweit möglich – die Karriere von Verges nach. Ein Lebenslauf, der sich wie die Geschichte des internationalen Terrorismus liest. Verges umgibt sich gerne – offenbar auch privat - mit Roten Khmer, RAF-Terroristen, „Branchengrößen“ wie Carlos, Nazis, palästinensischen Aktivisten, algerischen Bombenlegern und begründet dies gebetsmühlenartig damit, dass es sich dabei nur um Freiheitskämpfer mit hehren Zielen handle. Nicht, dass sich ein Anwalt grundsätzlich rechtfertigen müsste, schließlich ist es sein Beruf. Verges Begründung läuft aber merklich ins Leere, nachdem er plötzlich beginnt, zahlreiche Diktatoren und sonstige Staatsoberhäupter zu verteidigen (Eyadema, Garaudi, Milosevic u.a.). Ein Hans Dampf in allen Gassen also. Soweit so schlecht. Jedoch kommen auch immer wieder Behauptungen auf, Verges habe auch Botengänge für diverse Akteure unternommen und sie bei ihrer Vernetzung unterstützt. Zwar brüstet er sich immer wieder damit, diverse Gegenstände in Gefängnisse und wieder heraus geschmuggelt zu haben; konkret berichtet er allerdings nur von eher unverfänglichen Dingen (Alkohol etc.). Auf Nachfragen reagiert er zumeist nur mit einem süffisanten Lächeln. Er gefällt sich eben in der Rolle eines mysteriösen Strippenziehers. Da passt es auch ins Bild, dass er für mehrere Jahre vermeintlich abgetaucht war – auch wenn er immer wieder gesehen wurde. Wie er sich aus einer dieser Situationen windet (Stichwort Dickerchen), spricht Bände über ihn. Als entlarvend erweist sich auch das selbstgefällige Grinsen, das er immer und wieder wieder bei heiklen Fragen oder Antwort aufsetzt. Und genau hierin liegt auch eine der großen Stärken von 'Im Auftrag des Terrors'. Einerseits wird Verges portraitiert, andererseits werden die Verflechtungen der internationalen politischen „Gewaltszene“ (um mal die leidige Unterscheidung von Freiheitskämpfern und Terroristen zu umgehen) aufgezeigt. Wenn alleine schon ein einziger Anwalt derart vernetzt ist, kann man sich vorstellen, wie tief so manch andere Akteure din diesem Geflecht verwurzelt sein könnten. Einige aus den Medien hinlänglich bekannte indirekte internationale Verflechtungen (etwa nach Kolumbien) werden im Rahmen dieser Dokumentation zwar ausgespart (wohl auch, weil sie für Frankreich von vergleichsweise untergeordneter Bedeutung sein dürften und Verges hier nicht unbedingt involviert sein muss), aber das Muster wird auch so klar: Die internationale Szene ist gut vernetzt und offenbar zündeln einige Akteure ganz besonders engagiert. Da erscheint es für die Beteiligten dann augenscheinlich auch gar nicht so wichtig, in wessen Auftrag dies geschieht.

                                    Wie auch immer: Mit 'Im Auftrag des Terrors' ist Barbet Schroeder ein eindrucksvolles Portrait über eine der problematischsten namentlich bekannten Figuren der jüngeren Zeitgeschichte geglückt, das zugleich das Ausmaß der damaligen internationalen Verflechtungen skizziert. Für (außen)politisch interessierte Zuschauer unbedingt empfehlenswert!

                                    -

                                    Bisher gab es bei MP zwei Kommentare zu dieser Dokumentation. Einer liegt sechs Jahre zurück, der andere zehn. Zu wünschen wäre es diesem kleinen filmischen Juwel, dass bis zum nächsten Filmkommentar nicht wieder ein halbes Jahrzehnt vergehen wird. @Eudora & smartbo: Vielleicht was für euch?

                                    24
                                    • 6 .5
                                      Framolf 09.09.2020, 06:23 Geändert 14.05.2021, 05:42

                                      Oscar Madness Film 60 (1 Nominierung)

                                      Nach seiner Mitwirkung in Parodien über Eistänzer, Weihnachtselfen, Telenovelas, die Modebranche, die Neunziger Jahre und allerlei andere Kitschveranstaltungen lässt es sich Will Ferrell natürlich nicht nehmen, auch in einem Film über den Eurovision Song Contest mitzuwirken. An seiner Seite: Rachel McAdams, Pierce Brosnan und ein ganzes Rudel an ehemaligen Teilnehmern des schrillen Musikerwettstreits. Im Grunde ist damit auch schon fast alles gesagt. Kennste eine Komödie mit Will Ferrell, kennste (fast) alle...

                                      Bemerkenswert ist dabei (wie so oft) die Spielfreude, mit der er sich ins Getümmel stürzt. Er mag vielleicht nicht der talentierteste Schauspieler seiner Zeit sein, aber beim Thema Einsatzfreude ist er sehr oft vorne mit dabei. Immerhin...

                                      Und jetzt alle: „Ja ja, Ding Dong“ - „Ding Dong!!!“

                                      Nachtrag: 2021 wurde 'Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga' für den Titel 'Husavik' für Oscar in der Kategorie "Bester Filmsong" nominiert.

                                      24
                                      • 7

                                        Stanley Tuccis aufgeräumtes Portrait über den chaotischen Maler und Bildhauer Alberto Giacometti beschäftigt sich fast ausschließlich mit der Entstehung eines Portraits des Schriftstellers James Lord. Lord portraitiert Giacometti literarisch, Giacometti portraitiert Lord malerisch. Also möglicherweise. Denn der zerstreute Maler ist immer wieder unzufrieden mit seinen Entwürfen. Oder er hebt lieber ein paar Gläser oder vergnügt sich in einem Nachtclub. Lord und die Zuschauer lernen schnell, dass der Schaffensprozess des besagten Bildes alles andere als einfach werden wird.

                                        'Final Portrait' gibt auf diese Weise Einblicke in die Genese eines Werkes eines scheinbar ständig zweifelndes Künstlers. Der Film kreist dessen Gedanken ein und arbeitet heraus, wie Giacometti halbwegs Ordnung in sein Chaos bringt bzw. durch seine Vertrauten bringen lässt. Manche Künstler haben mit enormen äußeren Schwierigkeiten zu kämpfen (Geldnot, politische Verfolgung etc.), andere eher mit inneren. Giacometti gehört ganz offensichtlich in die zweitgenannte Gruppe...

                                        Das Rückgrat von 'Final Portrait' bildet aber ohne Frage Geoffrey Rush, der mit schier unbändiger Spielfreude diesen kauzigen Künstler auf die Leinwand bzw. die Mattscheibe bringt. Er geht regelrecht auf in dieser Rolle und tilgt sein eigenes Ich zu einem hohen Grad aus der Darstellung (oder kehrt er es sogar ganz besonders heraus?). Alleine deshalb ist dieser Film eigentlich schon sehenswert. Dennoch gibt es nicht allzu viele Zuschauer, denen man ihn tatsächlich empfehlen könnte, da rein äußerlich doch eher wenig passiert. Umso dürfte diese Erzählung dafür am wahren Leben sein. Auch ein Wert. Und ganz sicher nicht der geringste.

                                        21
                                        • 6 .5

                                          Dokumentation von Jon Nguyen, die sich in erster Linie mit den Bildern und Skulpturen von David Lynch beschäftigt, letztlich aber über seine Videoinstallationen auch eine Brücke zu seinem filmischen Schaffen schlägt. In allererster Linie lebt 'David Lynch – The Art Life' von den Ausführungen des Künstlers selbst, der in anekdotischen Erzählungen Einblick in seine Kindheit, Jugend und in frühe Phasen seines künstlerischen Werdeganges gewährt. Der Filmemacher lässt diese Aussagen mehr oder weniger ungeschminkt auf den Zuschauer wirken und unternimmt (im Gegensatz zu manch anderen Regisseuren von Künsterportraits) allenfalls zaghafte Versuche, sie in einen abstrakteren Zusammenhang zu packen.

                                          Für Fans von Lynchs Filmen dürfte vor allem interessant sein, dass man erfährt, wie er zu dem einen oder anderen seiner wiederkehrenden Motive gekommen ist (wie etwa die schier allgegenwärtigen rauchenden Schornsteine und Fabrikgelände). Mitunter ist es aber auch nicht nicht ganz einfach, seinen Gedankengängen zu folgen. Also man versteht sie zwar, kann aber nicht immer zwingend nachvollziehen, wie der Weg von seinen Überlegungen zu seinen konkreten Werken dann verläuft. Aber das lässt sich wahrscheinlich auch nur schwer im Rahmen einer Dokumentation vermitteln, die die meisten seiner Werke nur wenige Sekunden (oder gar nur Bruchteile von Sekunden) zeigt. Dazu müsste man dann wohl mit dem Meister selbst sprechen. Aber so lange das nicht möglich ist, bietet 'The Art Life' eine willkommene Gelegenheit, einen Zugang zu seinem künstlerischen Werdegang zu erhalten.

                                          22
                                          • 2

                                            Star DJ Thomas befindet sich in einer tiefen Krise: Seit sein Hut nicht mehr fest mit seinem Kopf verwachsen ist, gerät auch seine Karriere ins Stocken. Ein Schwarm der Massen ist er aber natürlich trotzdem noch. Frauen himmeln ihn an, Männer bitten ihn um Selfies und Autogramme. Wie das eben so ist im Leben eines fünfzigjährigen DJs. Als Vorzeigehetero muss er aber natürlich trotzdem seinen Kumpel demonstrativ dafür tadeln, dass dieser in der Kindheit unter der Dusche gerne mal Vergleiche angestellt hat: „Du warst der einzige, der immer geglotzt hat.“ Thomas selbst würde so etwas nie tun! Außer halt bei seinen besten Freunden Nils und Andreas (im Vorgängerfilm) oder aktuell bei Andreas und Torben, den er mit seinen Kumpels sogar extra dafür aus dem Sarg holt. Aber sonst würde er das wirklich nicht machen! Denn dann würden ja auch seine Randgruppenwitze nicht mehr so gut zünden (also wenn sie denn zünden würden...).

                                            Aber kommen wir zu den erfreulichen Dingen: Wer sich den Film nur wegen der innovativen Werbeeinblendungen ansehen möchte (der Begriff „Product Placement“ wäre besonders in Hinblick auf den ersten Film maßlos untertrieben), wird auch hier auf seine Kosten kommen. Unfall auf einer Allee mitten im Nirgendwo. Praktischerweise nur wenige Meter vor einer riesigen Werbetafel der Versicherung, die in der realen Welt einen Vertrag mit Til Schweiger hat. Genial! Und so unverbraucht nach 'Klassentreffen 1.0'! Das muss man auch mal neidlos anerkennen. Solch großartige Einfälle gönnt man sich gerne auch mehrmals. Schade nur, dass er dieses mal kein Schreiben seiner Hausbank bekam.

                                            Aber nun mal ernsthaft: Es ist nicht alles schlecht. Oder zumindest nicht ganz so unterirdisch wie im ersten Film. Die Flut an schäbigen Witzen über jegliche Ausprägung von Andersartigkeit oder Individualismus wurde ein wenig zurückgefahren und durch gebrauchte Scherze aus anderen Filmen ersetzt. Vielleicht besser so, denn auf diese Weise richtet der Drehbuchschreiber nicht ganz so viel Schaden an. Der Sinn der unzähligen Denglish-Einlagen erschließt sich zwar nicht so ganz, aber auf diese Weise können der Held und seine (Stief-)Tochter immerhin unter Beweis stellen, dass unsaubere Aussprache nicht zwingend sprachgebunden sein muss.

                                            Überhaupt hat Schweiger ganz offensichtlich einiges aus seinem Fiasko mit 'Klassentreffen 1.0' gelernt. Dort war er Hauptdarsteller, Regisseur, Autor, Cutter und Produzent zugleich. Nach den vernichtenden Kritiken gab es für ihn zwei Möglichkeiten: Entweder einige dieser Aufgaben delegieren an jemanden, der es besser kann oder man benennt die Fortsetzung einfach um und hofft, dass es keiner bemerkt. Darauf muss man erstmal kommen! Gut, Anschlussfehler finden sich ebenso wie schon in der ersten Episode (Beispiel: Jogging im Park), aber positiv formuliert wird so eben auch eine persönliche Handschrift sichtbar...

                                            Trotz allem muss man anerkennen, dass sich das Team etwas eingespielt zu haben scheint und etwas weniger Goofs offenkundig werden als noch in 'Klassentreffen 1.0' – oder sie fallen wegen der erneut sehr hohen Schnittfrequenz nur nicht mehr so auf. Selbiges gilt für die Dialoge, die zwar immer noch schlecht sind, aber nicht mehr ganz so niveaulos und beleidigend wie zu Anfang. Einzig die Schauspielerleistungen scheinen sogar noch miserabler geworden zu sein – sofern das überhaupt möglich ist.
                                            Unter dem Strich steht hier erneut ein sehr schwaches Stück Zelluloid, das aber zumindest deutlich weniger Gift verspritzt als noch der Auftakt zu dieser Filmreihe. Daher spendiere ich Til Schweigers 'Hochzeit' (allein der Titel ist schon eine Mogelpackung) auch eine deutlich höhere Wertung. Nämlich zwei Punkte! Weiter so, Til, dann kommen wir bei Episode 3 vielleicht sogar in Sphären, die nach dem ersten Film noch unerreichbar schienen (also womöglich sogar vier Punkte...).

                                            19
                                            • 5 .5

                                              Romanverfilmung mit Ansel Elgort, Nicole Kidman, Finn Wolfhard, Jeffrey Wright und Luke Wilson. Schon bei der Genrezuordnung wird es schwierig. Zwar erscheint das Label „Drama“ über weite Strecken durchaus passend, aber vor allem gegen Ende hin geht es dann doch recht deutlich in eine vollkommen andere Richtung. Auch wenn dieser Schwenk von langer Hand vorbereitet wird, so stellt er doch einen gewissen Bruch dar, der aber für sich genommen weder positiv noch negativ sein muss. Hier ist wahrscheinlich der Filmgeschmack jedes einzelnen Zuschauers entscheidend.

                                              Inwiefern die Umsetzung der literarischen Vorlage gelungen ist, lässt sich ohne Kenntnis des Romans kaum beurteilen, deshalb traue ich mir in diesem Punkt kein Urteil zu. Für sich genommen werden hier auf zwei Zeitebenen verschiedene Episoden aus der Lebensgeschichte eines jungen Mannes erzählt und mit der Geschichte eines Gemäldes verknüpft, das in seiner Funktion hier irgendwo zwischen Leitmotiv und McGuffin fungiert. Schlussendlich lässt sich wahrscheinlich leichter sagen, was 'Der Distelfink' nicht ist, als was er tatsächlich ist. Unpassend wäre jedenfalls die Umschreibung als Künstlerroman und auch die Etikettierung „Bildungsroman“ trifft es nicht so richtig. Coming of Age Elemente sind fraglos vorhanden, aber in Hinblick auf den Gesamteindruck trifft auch das den Kern nicht so richtig.

                                              → John Crowleys Inszenierung von 'Der Distelfink' bewegt sich relativ weit abseits der ausgetretenen Pfade und lässt sich mit den meisten gängigen Einordnungen nur schwer und unzureichend erfassen. Dennoch ist diese Verfilmung nicht so übermäßig originell, dass man sie alleine deshalb unbedingt gesehen haben müsste. Der Rest ist (wie so oft) Geschmackssache.

                                              18
                                              • 6 .5

                                                Die Dokumentation 'India' lebt in erster Linie von ihren beeindruckenden Bildern, in zweiter Linie von ihren beeindruckenden Bildern und in dritter Linie von ihren *Trommelwirbel*...ach, ihr wisst schon! Zwar werden aus dem Off auch einige interessante Details vermittelt, aber nur deshalb dürfte sich kaum jemand diesen Film ansehen. Die Aufnahmen an sich sind detailreich, farbenprächtig und handwerklich gut eingefangen. Die passend gewählten Motive liegen mehr oder weniger ausschließlich im nördlichen bzw. nordöstlichen Teil Indiens. Wer sich also besonders für diese Region interessiert, Urlaubseindrücke auffrischen will oder einfach mal wieder die Möglichkeiten seines Fernsehers oder Beamers ausreizen möchte, macht mit diesem Film nicht viel falsch. Wer sich (abseits einiger wissenswerter Details) bahnbrechende neue Erkenntnisse erhofft, wird aber wahrscheinlich enttäuscht werden.

                                                15
                                                • 7 .5

                                                  ++ Leichte SPOILER für alle, die mit dem Fall bisher noch nicht vertraut sind. Wer aber die groben Zusammenhänge bereits kennt, hat hier nichts zu befürchten. ;-) ++

                                                  Es ist einer der spektakulärsten und rätselhaftesten Fälle in der französischen Kriminalgeschichte des 20. Jahrhunderts: Ein vierjähriger Junge verschwindet 1984 aus dem elterlichen Vorgarten und wird tags darauf tot in einem Fluss aufgefunden. Wenn man so möchte, handelt es sich beim Fall Gregory um das französische Äquivalent zum Lindbergh-Baby. Und schnell wird klar, dass es sich hier um eine üble Gemengelage handelt: Verfeindete Familien, kaum verwertbare Beweise, inkompetente Ermittler, ein narzisstischer Ermittlungsrichter und eine gehörige Portion Pech. Und als ob das noch nicht genügen würde, kommt noch ein rachsüchtiger Hinterbliebener hinzu, der einen der Hauptverdächtigen zum Schweigen bringt. Damit wurde dann zwar vielleicht seiner Rachsucht Genüge getan, jedoch nimmt er damit einen potentiellen Täter aus dem Spiel und verringert dadurch auch ganz enorm die Chance, die (mutmaßlich) beiden weiteren Täter zu identifizieren.

                                                  Und so verfestigt sich dann auch der Eindruck, dass hier unzählige Akteure ihr eigenes Süppchen kochen. Ein Richter sonnt sich im Licht der Kameras, Journalisten nehmen entweder gezielt Einfluss oder betätigen sich als Hobbypolizisten, verschiedene Ermittlungsbehörden verweigern sich gegenseitig die Unterstützung, Angehörige und mögliche Zeugen schweigen (offenbar, um irgendwelche Geheimnisse zu schützen) und wieder andere Zeugen machen Angaben, die sich gegenseitig fundamental widersprechen usw.

                                                  Die dokumentarische Miniserie 'Wer hat den kleinen Gregory getötet?' zeichnet die Ereignisse aus 1984 und den Folgejahren nach und skizziert somit die markantesten Wegpunkte der Ermittlungen und juristischen Aufarbeitungsversuche. Auffallend ist dabei der Einsatz des Scores, der mitunter fast schon Thriller- oder Horrorstimmung aufkommen lässt. Zwar wird dadurch auch unterschwellig Einfluss auf die Art der Rezeption genommen, andererseits wird aber auf diese Weise auch die diabolische Stimmung greifbar gemacht, die offenbar den Tatort und so manche Mitglieder der Gemeinde am Fluss Vologne umgab.

                                                  Als problematisch erweist sich die Mauer des Schweigens, auf die die Journalisten in der besagten Gegend treffen. Wohl auch deshalb greifen die Filmemacher fast ausschließlich auf die Aussagen anderer Journalisten zurück, die aber ihrerseits selbst größtenteils im Nebel stochern. Besonders interessant wird es jedoch immer dann, wenn wesentliche Akteure, wie etwa die damalige Mitarbeiterin des zweiten Ermittlungsrichters zu Wort kommen. Wirkliche Erkenntnisgewinne sucht man im Großen und Ganzen zwar vergeblich, doch als spannende Miniserie funktioniert 'Wer hat den kleinen Gregory getötet?' prächtig.

                                                  -----
                                                  Meine ganz persönliche Hypothese: Bernard war in irgendeiner Weise involviert oder zumindest eingeweiht, aber nicht der alleinige Täter. Das würde zumindest seine mitunter doch höchst seltsamen Aussagen und sein „unkonventionelles“ Verhalten erklären. Auf diese Weise wäre auch zu erklären, warum die Schwägerin nicht mit dem Bus gefahren sein soll, sie aber dennoch ihre Aussage über die Heimfahrt mit Bernard zurückzog. Vielleicht wurde Bernard ja von den anderen Tätern hinzugerufen ohne erstmal genau zu wissen, weshalb? Aber wie gesagt, reine Spekulation meinerseits.

                                                  PS: Vielen Dank an smartbo für den Tipp.

                                                  16
                                                  • 7 .5

                                                    Erschütternde dokumentarische Miniserie über den Fall Jeffrey Epstein, die einen recht guten Überblick über die bekannten Geschehnisse liefert, ohne aber allzu sehr in die Tiefe zu gehen. Viele Sachverhalte und Verbindungen werden zwar nur angedeutet, was allerdings durchaus verständlich erscheint. Andernfalls würden sich die Produzenten vermutlich in massive Schwierigkeiten bringen. In juristische sowieso und womöglich auch noch in weitere.

                                                    Klar wird aber auch so: Der Fall reicht bis in höchste Kreise hinein. Beispiel: Ein US-Präsident, seinerzeit Nachbar von Epstein, beförderte den leitenden Staatsanwalt, der ein Verfahren gegen Epstein mit einem höchst umstrittenen und sehr milden Vergleich ausklingen ließ, einige Jahre später zum Arbeitsminister...

                                                    Wie auch immer: 'Jeffrey Eppstein: Filthy Rich' zeichnet, unterlegt mit zahlreichen Zeugenaussagen, einige wesentliche Wegmarken des Falles nach und bringt ihn so einem größeren Publikum näher. Im Vergleich zu einigen anderen Dokumentationen aus dem Hause Netflix werden systemische Missstände zumindest angedeutet. Wirklich an die Wurzel geht man allerdings auch hier nicht.

                                                    15