_Garfield - Kommentare
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Alle Kommentare von _Garfield
Die totale Dekonstruktion einer tot-fetischisierten Industrie und den Befindlichkeiten seiner allesschauenden Klientel: Die Erschafferin einer austauschbaren Maskottchen-Kreation erfährt Mobbing am Arbeitsplatz sowie den Druck der Vorgesetzten, die gespaltene Halbzeit-Nutte ist ein schwer gestörtes Wrack mit tiefen psychischen Problemen und kein willenloses Schulmädchen und dem heroischen Hohelied auf echtes Männertum in einem Kampfsport-Manga schneidet Kon einen erbärmlichen Fettsack entgegen, der Omas die Handtasche klaut, weil ihm die Yakuza im Nacken sitzt. "Paranoia Agent" kennt keine Helden, weil Kon keine Helden kennt. "Paranoia Agent" kennt nur Menschen, arme Seelen, verschwitzte Fettbacken, Arschlöcher, Gestörte und jene, die versuchen diese Welt zu verstehen und dabei gnadenlos zugrunde gehen. Die Erweiterung des Handlungsspielraums um mehrere Perspektiven und die damit verbundene erzählerische Breite lässt Kon die Suche nach einem Serientäter aber nicht in dem Maße atmosphärisch verdichten, wie es unter anderem noch bei seinem Frühwerk "Perfect Blue" der Fall gewesen war. Dazu ist die Erzählung zu breit angelegt und die Einführung der Figuren, die jeweils eine Episode solo spendiert bekommen, nicht so fesselnd in ihren Mustern und Marotten, ihren Macken und Makeln, wie sie eigentlich in jedem Kon-Film in kürzester Zeit zu finden ist. Dadurch passiert das, was bei Kon eigentlich nie passiert: die Figuren bleiben fern, fremd, verschwommen. Spannende Wendepunkte und abwechslungsreiche Ideen verlieren dadurch an Wirkung, wenngleich "Paranoia Agent" durch komplexe figurale Komplikationen bei Bereitschaft zur Auseinandersetzung ganz gut bei der Stange hält und seine offene Konstruktion nur lose durch Shonen Bat verbundener Episoden, die wie Kurzfilme bei Null beginnen, um dann die Verbindung zum Ganzen als kleines Mosaik zu ziehen, unfassbar kurzweiliges Serien-Vergnügen garantiert. Die schier endlose Ideenflut (gerade in der zweiten Hälfte der Serie) ist dabei ohnehin ein Wahnsinn, der lediglich erahnen lässt was für einen begnadeten Künstler nicht nur Anime-Fans, sondern die gesamte Filmwelt in Satoshi Kon verloren hat. Einen dieser raren Filmschaffenden, der niemandem etwas beweisen musste und dessen Werk auch immer Ausdruck einer anderen, vielleicht wirkungsvolleren Form von Kommunikation war; eine Verbindung nach Draußen, ein Statement, das den Eskapismus anbietet, dem es sich im nächsten Moment wieder entzieht. Die Wahrheit ist schmerzhaft: Shonen Bat steckt in jedem von uns.
Für jede Wendung gibt es einen Kommentar, jede Fügung eine Metaebene, die mit plattem Namendropping und Offensichtlichkeiten befüllt werden kann. „Scream 2“ kokettiert mit ihnen, den Regeln, den Fortsetzung-inhärenten Mechanismen, den Mustern, die ein neunmalklug daher-palavernder Filmstudent in der neuerlichen Mord-Serie erkannt haben will. Mehr Morde braucht's, und mehr Gekröse. Alles muss größer sein, cleverer, ironischer. Viel zu selten vertraut Williamson's gerade in der Einleitung grauenvoll geschwätziges Skript auf die Bilder, die ein Craven zu kreieren vermag. Viel zu sehr begnügt er sich stattdessen mit dem bloßen Nachstellen ikonischer Szenen aus dem Vorgänger, die nur weil sie ironisch gebrochen werden, nicht weniger einfallslos sind. Teil 2 hat ein Identitätsproblem und verzweifelt an der Ambition unbedingt cleverer sein zu müssen als sein meisterhaftes Vorbild. Zudem zeigt er die großen Stärken des Erstlings auf, neben der Thematisierung seines Genres und dessen Klischees, auch entkoppelt von der Referenz unmittelbare Momente des Horrors heraufzubeschwören. Ohne ein Schielen auf den doppelten Boden, den Raum hinter der Kulisse und eine Metaebene, die Williamson ohnehin nicht auszureizen gedenkt. Sogar „Nosferatu“ läuft abermals in der Flimmerkiste. Darüber hinaus verweigert „Scream 2“ seinen Figuren jedwede Weiterentwicklung. Es wird genauso doof gestorben, genauso vermeidbar mit dem Messer im Rücken dahingesiecht, wobei jedes Interesse an seinen Figuren fernab bereits etablierter Stars (Arquette, Campbell, Cox) lediglich in der spaßigen Whodunit-Prämisse begründet liegen dürfte. Das Spiel mit der Paranoia und eben die zentrale Suche nach dem Killer am Rande zur Parodie hat das „Scream“-Team aber nach wie vor ziemlich gut drauf, was vor allem an Craven's ruhiger Hand und dessen exzellenter Schauspielführung liegt. Am Ende werden die Rollen ins Gegenteil verkehrt und Sidney hat alle Hebel in der Hand. Sie kreiert den Horror, versetzt den Verfolger in die Situation vollkommener Hilflosigkeit. Kein Deut subtil, aber immer noch verdammt gute Unterhaltung.
„Ame & Yuki – Die Wolfskinder“ ist ein schöner Film geworden. Schön ganz im Sinne des Wortes. Er erzählt von einer ungewöhnlichen Liebe zwischen Wolf und Mensch, vor allem aber von der unendlichen Liebe einer Mutter zu ihren Kindern. Davon alles für sie zu tun, auch wenn das bedeutet dafür die eigenen Grenzen neu erfahrbar zu machen. Ja, „Ame & Yuki“ ist ein Film über die Liebe, und er ist kitschig, überhöht und sentimental. Und das macht ihn schön. Weil man darüber lachen könnte, wenn man nicht wüsste, dass es der Wahrheit entspricht. Oder zumindest der Wahrheit am nächsten kommt. Sentimentalitäten entfernen sich keinen Schritt von der Wirklichkeit – sie gehen auf sie zu. So wie Mamoru Hosoda auf sie zugeht. Möchte man Ideologiekritik üben, darf man sich gelegentlich an einer traditionellen Idee von Rollenbildern stoßen und sie kritisieren. Man kann die gebotene Lebenswelt aber auch so akzeptieren und ungeheuer freies, feministisches Anime-Kino erfahren. Eines, das Gleichheit lebt, statt sie bloß zu proklamieren. Denn tatsächlich spielt Feminismus hier überhaupt keine Rolle, weil Geschlechter keine Rolle spielen. „Ame & Yuki“ widmet sich stattdessen einem vielfältigen Themenspektrum. Von Mutterliebe zu Identitätsfindung, von Existenzangst zu Coming of Age. All das lässt sich hier entdecken, erarbeiten, erfahren, man kann aber auch einfach nur die Decke ein wenig höher ziehen, die Augen schließen und dem wunderschönen Score von Takagi Masakatsu lauschen - und wenn ich wunderschön schreibe, ist das maßlos untertrieben.
Nachdem schon der zweite Film immer mehr von der Vorlage abwich, dichtet Teil Drei nun ganze Handlungsverläufe zugunsten der vielfältig vorhandenen Schauwerte hinzu, die es aber auch gleichzeitig erlauben, das Universum aus einer neuen Perspektive zu erleben. Der kluge Kniff, den Protagonisten nach dem furiosen Finale aus dem Vorgänger zunächst in die Beobachter-Rolle zu zwingen (und damit zur Handlungsunfähigkeit), eröffnet zudem die Möglichkeit, abseits von NERV involvierte Parteien, neue Figuren und Schauplätze im Zuge einer flotten Exposition kennenzulernen. Zugleich feiert „Evangelion 3.33“ in diesen Momenten seine wertig bis geleckt animierten Mecha-Spielereien zu sehr ab, statt diese Zeit in die facettenreichen Figuren zu investieren.Die Entscheidung derart konsequent eine neue Geschichte in der Geschichte zu erzählen, macht diesen dritten Teil auch für Serien-Kenner spannend. Vor allem weil die Welt aus den Vorgängern plötzlich einer entrückten, rot gefärbten Ödnis gewichen ist, in der die verbliebenen Figuren nur noch in Schweigen gehüllte Marionetten sind, die angesichts eines übergeordneten Kosmos lediglich ihre angestammte Rolle spielen. Anno schert sich nicht weiter darum, dem Zuschauer in irgendeiner Form entgegenzukommen; alles bleibt vage und skizzenhaft, nichts wird ausformuliert oder erklärt. Stattdessen erreicht die Rebuild-Reihe ein neues Level der Abstraktion und erteilt humorigen Zwischentönen, sensibler Selbstkonfrontation oder Ansatzpunkten dazu, das Gesehene zu entschlüsseln, eine eindeutige Absage. Anno beraubt die Figuren ihrer Seele und ignoriert vieles, was die Fans in ihr Herz geschlossen haben – aber er geht auch neue, spannende Wege und vor Szenen von Untergang und Wiedergeburt zeichnet Anno wahrhaftige Momente tiefer gegenseitiger Verbundenheit.
Dieser zweite Film entwirft abstrakte Bilder einer sich langsam vollziehenden Apokalypse, deren Beteiligte - sobald die Fesseln der Menschlichkeit erst einmal abgelegt sind - sogar die weltliche Endlichkeit aus ihren Angeln heben, um in neue, ungeahnte Spähren vorzustoßen. Der Kampf ist auch immer verbunden mit der Selbstaufgabe, Entmenschlichung, Zersetzung, Aufopferung und der Wille erhebt sie alsbald in einen gottgleichen Kosmos, wo Tod nicht mehr Tod bedeutet und Freundschaft weltliche Barrieren durchbricht. Der Krieg ist martialisch und grausam und führt sogar so weit, animalische Kräfte zu entfesseln, deren Ursprung niemand zu begreifen und erst recht nicht zu kontrollieren imstande ist. Getaucht in hoffnungslos pathetische Bilder der Zerstörung und durchbrochen von einem schrillen Schrei der Hoffnung. Diese Dinge – wohlgemerkt – koexistieren neben japanischem Blödel-Humor, andauernden Anzüglichkeiten, nervenstrapazierenden Nebenfiguren, sowie inflationär verbautem 3-D-Animations-Schnickschnack.
Mehr schickes Texturen-Upgrade, denn vollwertige Neuinterpretation der Ereignisse aus der Originalserie. Zumeist verwendet „Evangelion 1.11“ gar die selben Einstellungen in der selben Länge und Reihenfolge. Die Figuren sind aber nach wie vor erstaunlich einprägsam und von beeindruckender Ausdrucksstärke. Die wunderbar albernen WG-Anekdoten (samt badendem Pinguin), die in der Serie den sicheren Hafen entspannter Feierabend-Unterhaltung markierten, sind in kompensierter Form auch hier vorhanden. Die inneren Monologe Shinji's, die die depressive Phase seines Schöpfers widerspiegeln, durchbrechen auch hier immer wieder gewohnte Strukturen und lassen die nach wie vor nie so richtig schmerzhaften Kämpfe wie Füllmaterial erscheinen, die vom wahren Anliegen der Macher, den Fokus auf die hochsensible, traurige Hauptfigur zu zentrieren, lediglich ablenken sollen. Die Art und Weise wie sich die Rebuild-Filme, wie schon die Serie, gegenüber ihren Figuren positionieren und deren Gedankenwelt thematisieren, sowie die Gewichtung von Mecha-Genre-typischen Stilelementen und traumwandlerischer Seelenbebilderung sind jedoch immer noch höchst ungewöhnlich, spannend und berührend anzusehen.
„Lemming“ knetet die Gehirnwindungen durch. Wendungsreich schlägt er Haken, verfestigt sich, wird klarer, sichtbarer, um dann wieder Nebel-umschwungen abzutauchen. Von hier nach dort, und überhaupt. Alain (Laurent Lucas) jedenfalls lässt sich die Gehirnwindungen durchkneten. Bis nicht mehr sicher scheint, ob zu glauben, was scheint, ein kluger Ratgeber ist. „Lemming“ ist ein Kopffilm, was heißt, dass der Kopf eingeschaltet sein muss, sollte, zumindest um ein Maximum des Spaßes für sich herauszudestillieren. Der besteht darin, sich kneten zu lassen, mitzudenken, notfalls um die Ecke, um schließlich zu der Einsicht zu gelangen, dass das alles viel einfacher war, als zunächst gedacht. Aber das ist egal - der Weg ist das Ziel. Softer Mindfuck ohne Kuscheln, aber mit launigem Vorspiel. Im Vorzeigepärchen – jung, erfolgreich, die Mitte gefunden – spiegelt sich schließlich die gescheiterte Ehe des Firmenchefs und seiner Gattin wider. Bei ihm pumpt das Blut immer noch in allen Körperregionen, sie ist erstarrt, verbittert, säuerlich, spielt lustvoll das Sandkorn, das das feine Radwerk aus seiner beständigen Ordnung wirft. Was bleibt vom Aufrechten, Perfekten, wenn alles was Halt und Sicherheit versprach plötzlich genommen wird? Dementsprechend wirft „Lemming“, so abgedroschen es auch klingt, tatsächlich einen Blick in die Abgründe des Menschseins, oder dem, was man unter dem gezeigten Lebensentwurf versteht. Frostig, die Stimmung, die Menschen, die Worte, die prosaisch aneinander gerichtet werden. Entfesselt die Kraft, die in einem schlummert, die wieder alles in geordnete Bahnen zurückzuwerfen versucht. Mit aller Entschiedenheit, entschlossen, verzweifelt. Das Wiederaufgreifen von Momenten in einem anderen Kontext, die erzeugten Déjà-vu's, die Identitäten, die verschwimmen, bis nicht mehr klar ist, wer was weiß und ob er lügt und warum überhaupt – sie sind wirkungsvoll, und verwirrend. Irgendjemand ist in diesem verzwickten Figurenkabinett verrückt geworden. „Lemming“ macht recht klar wer es ist, auch wenn er einem Glauben machen möchte, dass er es ist - du da, der da blickt.
Seltsam: die formale Tadellosigkeit von „Paprika“ - die präzisen, Detail-versessenen Animationen und damit das Zeugnis absoluter, zeichnerischer Meisterschaft - werden im Angesicht des behandelten Sujets fast schon zur Irritation. Denn Träume sind nie so klar, nie solch perfekt ausgeleuchtete Fahrstuhl- und Korridor-Architekturen, die sich zwar verbiegen und deren Schatten wandeln, die aber immer in erkennbaren Formen verbleiben. Träume verschwimmen, bleiben Skizzen, fließen ineinander über und sind nie da, sondern nur zu vermuten. Träume sind vage Trugbilder und Ausdruck des Unterbewusstseins, ungeordnete, unverarbeitete Kinofilme ohne Zensur und Laufzeitbeschränkung. Im Traum wird plötzlich alles Wirklichkeit, es gibt keinen Anfang und kein Ende und damit auch keine Credits, die entlarven könnten, wer hinter allem steckt. Kon's frühere Arbeit „Perfect Blue“ kommt der visuellen Stimme von (Alp-)Träumen sogar näher; dem Gefühl vollkommener Orientierungslosigkeit und der Ungewissheit über nachhaltige Konsequenzen. Hier scheint der Traum der Film zu sein. Der künstlich geschaffene Traum, in dem zumindest die Konsequenz eigener Handlung obsolet wird. Aber auch hier begeben wir uns in die Dunkelheit und die künstliche Isolation erschafft die Illusion eines Klartraums – mit dir in der ersten Reihe, der Voyeur ohne Einflussmöglichkeit. „Paprika“ ist ein Film über Filme. Und Filme sind Träume. Und Träume haben keine Grenzen, und keine Genre-Vorgaben, keinen Geldgeber und keine Zielgruppen. Wenn Kon einen Film über Träume macht, macht er also auch einen Film über den Wert und die Heiligkeit des Kinos, und darüber, dass Kino keine Angst und keine Grenzen kennen darf. Die Träume gehören dir und müssen über alles verteidigt werden.
The Rock ist andauernd klitschnass. Vor allem wenn er Diesel sieht. Aber die beiden Terrier erzählen sich hier über tiefe Blicke und innigen Körperkontakt inmitten kinetischen Materialverschleißes sowieso ihre ganz eigene Geschichte, die von unterdrückter Sehnsucht und unerfüllten Fantasien berichtet. Beim ersten Zusammentreffen wird sich noch skeptisch beäugt, der Macho vorgeschoben, die Muskeln bestaunt, schließlich sind sie nicht alleine. Noch nicht. Dann kommt es zum Zusammenprall, die Körper vereinen sich in einem feucht-fröhlichen Muskel-Tango, beide wollen es, hart. Jeder von ihnen will die Oberhand erlangen, keiner steckt zurück, am Ende aber muss der Fels unten liegen, Diesel hat triumphiert. Erst als The Rock seine männlichen Kollegen verliert, und damit ein Stück weit gesellschaftliche Unabhängigkeit erlangt, traut er sich offen zu Diesel und seinem Unterhemd zu stehen. Ein stählerner Arm stützt den anderen, sie geben einander Halt, ikonographisch wird sich beim Schoko-Vanille-Shake aus „Predator“ bedient. Und schließlich gehen die beiden wieder auseinander, ihre Zeit ist noch nicht gekommen, die Welt ist noch nicht bereit für sie. Rio ist entflammt, und damit ihre Herzen. Diesel holt sein letztes Ass hervor, der Fels verzieht ironisch die Mundwinkel. Er war so gut. Sie werden sich wiedersehen.
Dem Paukenschlag, zu dem dieser zehnte Kinofilm gleich zu Beginn ansetzt, weicht alsbald ein verworrenes Krimi-Puzzle, das jede, wirklich jede Figur des Conan-Mikrokosmos um einen nigelnagelneuen Freizeitpark versammelt, dessen Grenzen es nicht zu überschreiten gilt. Wieder also geht es um alles und doch nichts. Einer Vielzahl des berufenen Personals hätte man zudem auch frei geben können, wenn ihr Auftritt schon nur darin besteht als Stichwort-Geber oder müde Lachnummer zu fungieren. Immerhin, der Showdown nimmt sich angenehm zurück, während ein Handicap-geplagter Conan versucht in den Geist eines zerrissenen Narzissten vorzudringen und zwei gestandene Herren zu einer berührenden, großen Geste ansetzen. Für Kogorō bleibt im Anschluss daran leider wieder nur die Witzfigur, er bleibt als Fehler-behafteter, impulsiver Alkoholiker aber nach wie vor die spannendste Figur im Conan-Kosmos.
Lange Zeit bleibt diese Kreuzfahrt wunderbar undurchsichtig, nimmt alsbald mehrere Handlungsstränge auf, um den Fall voranzutreiben und offenbart von Anfang an den Täter. Spannung generiert die tolle Musik und die Unklarheit über die größeren Zusammenhänge über einen Pool an Figuren, die nur die Vergangenheit eint. Die vermeintliche Auflösung, sowie die darauf eintretende Katastrophe vollzieht dann nochmal eine spannende Wendung, während man Kogorō endlich seinen wohlverdienten Auftritt gönnt ohne ihn ausschließlich zur Witzfigur zu degradieren. Da hat sogar Rotznase Conan ein gutes Wort übrig. Endlich.
Grandios wie abwechslungsreich sich die Conan-Reihe bislang gestaltet. Dennoch: Interessante Gedankenexperimente, wie der Begegnung Conan's mit seiner eigentlichen Form, verfolgt der achte Film leider erst gar nicht weiter. Stattdessen formiert der Film eine Gruppe von Figuren in einem Flugzeug, deren Anwesenheit zu gut der Hälfte nicht plausibel zu erklären ist. Ein Umstand, der an sich noch kein großes Problem darstellt und weder für die Serie, noch die Kino-Reihe ungewöhnlich ist. „Der Magier mit den Silberschwingen“ verliert an anderer Stelle: Der Tod einer Person und die damit einhergehenden Implikationen auf die Betroffenen (ergo, alle anwesenden Figuren) verliert hier immer wieder an Wert und Bedeutung. Der Tod einer Person wird viel zu schnell als neuer Status quo akzeptiert, Trauer, Schock oder andere Regungen wären dem unmittelbaren Beginn der Ermittlungen ja nur leidlich zuträglich. Statt wirklich einmal das Duell zwischen Conan und Keito Kid, und nur das Duell, zu zentrieren, schiebt man abermals einen Mordfall vor, als ginge der Reihe durch das Fehlen einer Leiche etwas verloren. Die anschließende Krisensituation über den Wolken scheint dann auch nie ein wirkliches Problem und die Figuren verbleiben regungslos. Das ist schade, da gerade Ran endlich einmal einen emanzipierten, erwachsenen Auftritt hinlegen darf. Ansonsten gilt leider: Schematisch war Conan immer, aber nie so herzlos wie hier.
Schwelgende, rosarote Bilder Kirschblüten-verregneter Holztempel, lokale Folklore und eine Mordserie wie zu Zeiten der alten Samurai. Strahlend grüne oder erdig-warme Hintergründe von malerischer Schönheit, fast jedes Frame ein Gemälde. Die Geräuschkulisse umfasst das Zwitschern exotischer Vogelarten und das Rauschen der Blätterdächer. Selbst hässliche, erstmals 3-D-animierte Verfolgungsjagden sind hier unterlegt mit launch-jazzigem Gedudel, das die nicht einmal mehr illusionäre Bedrohung für die etablierten Figuren Lügen straft. Das alberne Gekämpfe im Showdown ist dabei nicht einmal der Rede wert. Dezente Highlights hält „Die Kreuzung des Labyrinths“ vor allem am Rande bereit: ein (mal wieder) unwiderstehlich besoffener Kogorō und dessen eigenwillige Mordtheorien, etliche Motive japanischer (Kampfkunst-)Tradition oder eine der raren Begegnungen zwischen Shin’ichi und Ran (schön kitschig: im Mondlicht). Wirklich um die Wurst geht’s hier eigentlich nie. Ein Conan, wie ein Wochenendausflug eben. Schön und auch viel zu schnell wieder vorbei.
Ein überaus seltsamer Film, der seltsame Töne anschlägt und dem gerade in den vergangenen Jahren wieder überaus gängigen Haunted-House-Konzept neue Formen der Spannung abgewinnt. West setzt die Charakteristika der ausgehenden 70er und 80er Jahre dabei über die Handlungs- auf einer Metaebene fort. Die Dekade bestimmt auch die Form der Inszenierung, die eine frische Entdeckungsreise durch ein verwinkeltes, Holz-vertäfeltes Herrenhaus ermöglicht. Die Augen, die auf diese Korridore blicken sind jung geblieben, obwohl sie im Geiste eine nostalgische Erinnerung heraufbeschwören. Langsame Zooms, statische Einstellungen, die völlig entrückten Opening Credits, die auch als Herleitung zu einer Highschool-Klamotte getaugt hätten - West geht über das Interior, über die Föhnfrisuren und die Baumwollhemden hinaus. Mit diesen überaus seltsamen, staubigen Figuren, die in all zurückgenommener Freundlichkeit das große Geld versprechen, diese ganz akzentuiert auftretenden Hammerschläge und das wohlige Kribbeln, das endlich einmal wieder über den Abspann hinaus währen darf. Seinen Verlauf offenbart "The House of the Devil" im Grunde genommen schon über den Titel, und wenn nicht da, dann lässt spätestens die quälend lange Hinführung keinen Zweifel daran bestehen, worauf West zusteuert: Von der Paranoia aus "Rosemarie's Baby" zum bedingungslosen Terror eines "Texas Chainsaw Massacre". Von der Ahnung, von der Angst, zur Erlösung.
Branagh macht seinen Job so gut, dass "Cinderella" bisweilen berauschend ist: wunderbare 16mm-Aufnahmen in kontrastreichen, aber nie künstlichen Farben, sympathische Liebende und ein sich selber und sein Sujet hemmungslos feiernder Score verhelfen der Neuauflage des Disney-Märchens zu unwiderstehlicher Klar- und Direktheit. Branagh bricht die Cinderella-Geschichte nicht ironisch, verkompliziert sie auch nicht über Gebühr, er stellt sie nicht mehr oder weniger aus, sondern schenkt der Geschichte die Ernsthaftigkeit und Hingabe zum Gefühlskitsch, die sie verdient und benötigt. Und er verrät damit auch seine idealistische Hauptfigur nicht, die einmal mehr zur inneren Kraft in einem jedem von uns gemahnt. Seinen Höhepunkt findet der Film dann - wie sollte es auch anders sein - in einer Tanzszene. Branagh spart die Worte aus, inszeniert auf den Punkt, ohne Scham vor großen, theatralischen Gefühlen. Und er erzählt damit von einer Zeit, die außerhalb postmodernen Ironie-Zwanges im Moment verharrt, sich weigernd weiter voranzuschreiten. Es hätte so viel schief gehen können an dieser Verfilmung eines scheinbar aus der Zeit gefallenen Moral-Stücks. Aber den Schablonen wurde Leben eingehaucht, weil einer der talentiertesten Hollywood-Regisseure der Gegenwart sich ihnen auf Augenhöhe angenommen hat. Sensationell.
Jack Reacher also. Man muss ihn zu schätzen lernen. Zunächst scheinbar nicht einlösend, was ein Blick in die ehrfurchtsvoll rezitierte Akte oder ein graziler Frauenkörper und das Klicken eines BH's vor Skyline-Panorama verspricht: eine Bombe im Bett und der beste seiner Klasse. Purple Heart, Dreißig Zentimeter, Academy Award, Bundesverdienstorden. Dann kommt Tom Cruise, der - hat man erst einmal kapiert, dass Reacher nicht Reacher, sondern Cruise ist - ganz plötzlich seine Vorzüge offenbart. Mit Ruhe und Gravitas spielt Cruise nach bombastisch erfolgreichen Karrieredekaden auch gegen den Schatten dieser 1,95 Meter-Bestie an. Und dieser Reacher gefällt: ein kluger Pragmatiker, freundlich, kaum arrogant, im richtigen Moment unbarmherzig zupackend. „Jack Reacher“ ist ohne überflüssige Kalorien komponiert, straff und vor allem konzentriert erzählt, mit der Ruhe eines Jack Reacher's operierend. Jede Einstellung hat ihren Platz, jede Geste ihre Bedeutung. Auch Action darf wieder gesehen werden, selbst wenn die Verfolgungsjagd nicht hundertprozentig das einzulösen vermag, was sie verspricht und Werner Herzog komisches Zeug brabbelt. Trotzdem sollte „Jack Reacher“ gesehen werden, weil er wieder einen Helden sichtbar macht, der viel zu lange abstinent war. Kein Arschloch, nicht perfekt, kein Schürzenjäger. Ich mag Jack Reacher. Nein, ich mag Tom Cruise.
John Carpenter selbst beschrieb Jack Burton einmal als den Sidekick, der sich selber als Helden missversteht. Und tatsächlich ist in diesem Neonlicht-durchfluteten Großstadtmärchen Burton ganz sicher nicht der Held. Burton ist einfach kein Heldentyp. Er ist Trucker mit Vorliebe für Highway-Poetik in Funkdurchsagen und allerhöchstens ironischer Kommentator, Publikumsprojektion und schmeichelndes Identifikationsangebot, das uns mitnimmt, an der Hand, in eine Welt, die uns ebenso fremd ist wie ihm – und der ebenso staunt bei all den blinkenden Lichtern und zuckenden Zauberblitzen. Eine Welt, die Carpenter vom ausgehenden Mythos um das Chinesenviertel zum Bizarrsten verbiegt. Burton bleibt nur Besucher und Tourist zugleich, der mehr oder minder unfreiwillig die Reinkarnation eines Jahrtausende alten Geistes durchkreuzt. Der wiederum ist auf der Suche nach grünen Augen. Burton jedenfalls verfügt weder über besondere Fähigkeiten, noch trägt er – bis zum Ende – Entscheidendes zum Happy Ending bei. Selbst die Sprüche verkneift sich der von Kurt Russell so wunderbar uneitel und phasenweise an der Grenze zur Lustlosigkeit gespielte Burton immer wieder. Dieser Anti-Held hat nicht viel zu sagen und er betritt nie die große Bühne. Das Mädchen muss warten, der Highway ruft. Bis zum Ende bleibt Burton an seinem Truck und an den Schulden seines Freundes interessiert. Er ist Geschäftsmann ohne Sinn für Romantik. „Big Trouble in Little China“ bietet damit das, was so viele 80er Jahre Filme, die man nachträglich auf ihren Kultstatus hin überprüft, nicht einlösen können: „Big Trouble in Little China“ hat etwas anderes zu erzählen und er überrascht mit den Figuren, die er beherbergt - mit den ironisch gebrochenen Heldenmythen und anständigen Randfiguren, die allesamt ihren Teil zum Gesamtsieg beitragen. Carpenter verballhornt ein Genre ohne eine Kultur der Lächerlichkeit preiszugeben, oder die Figuren, die ihr angehören. Er macht sich nicht lustig über Chinatown, zumindest nicht mehr als er es über seinen vermeintlichen Helden macht. Ein Held, der seine Daseinsberechtigung nicht aus dem Heldsein gründet, sondern daraus ein Mann mit einem Truck zu sein - und ein paar Kröten in der Tasche.
You ready, Jack? - I was born ready.
Vereinzelte Protestzüge zeugen von innenpolitischer Unruhe und einer Generation der Engagierten. Direkt gekoppelt an Adèle und ihre Suche nach einer sexuellen Identität, inmitten einer Phase der schulischen Weichenstellung. Das Empfangsgerät in der Küche legitimiert die harmonische Sprachlosigkeit - Adèle ist alleine mit den Problemen der Erwachsenwerdung und dem Druck, dem, was verlangt wird, irgendwie gerecht zu werden. In vielerlei Hinsicht ist "Blau ist eine warme Farbe" lebensnah und authentisch: ähnlich betreten fühlen sich erste Treffen mit den Eltern tatsächlich an; oder Gespräche mit dem besten Freund; oder gewöhnlicher Klassenunterricht. Kechiche stellt sich diesen Szenen wiederholt ohne abzublenden. Doch ausgerechnet die Liebesbeziehung, die Kechiche in seinem dreistündigen Charakterporträt so selbstbewusst in den Mittelpunkt stellt, erweist sich als bloße Behauptung. Der Sex zwischen Adèle und Emma ist ausschließlich Ausdruck einer körperlichen, und rein körperlichen Anziehungskraft zueinander, was beide gegen Ende des Filmes in einer letzten Aussprache ebenfalls erkennen. Am Ende ging's ums Bumsen, nicht um Intellektualismus, Geborgenheit oder Liebe. Adèle verwechselt Liebeskummer und Einsamkeit mit chronischen Depressionen, was Kechiche in der larmoyanten zweiten Hälfte über den halb offenen Mund und die Rotznase seiner Protagonistin auch entsprechend bebildert. Auf die Doppelmoral von Emma, die die Trennung einer Beziehung aus den selben Gründen vollzieht, die sie damals zusammengebracht hat, wird nicht weiter eingegangen. Oder warum Adèle nur weil sie sich einen Abend ausnahmsweise mal selber bespaßen musste, direkt in der Gegend herumvögelt. Kechiche fügt sich über künstliche Problemerzeugung, der jede Authentizität abgeht, einem dramaturgischen Prinzip, dem er sich mit der ersten Hälfte doch eigentlich noch versagt hat. Schließlich steht nur die Erkenntnis, dass sie in dieser Welt nichts verloren hat. Für Lustmolche gibt es derweil sehr junge attraktive Frauen in sehr expliziten Sex-Szenen, deren Unmut über die entsprechende Gewichtung eben dieser und die darüber geführte Kontroverse zwischen Regisseur und Hauptdarstellerinnen einen gehörig faden Beigeschmack hinterlässt.
Seit einigen Jahren sind Filme wie „Moneyball“ in Hollywood keine Seltenheit mehr. Als quasi-dokumentarisch getarntes Autorenkino im wahre-Geschichte-Anstrich rücken Gründungsmythen wie „The Social Network“ oder kammerspielartige Krisen-Rekonstruktion wie „Margin Call“ endlich auch über Festival- und Fernsehgrenzen ("The Newsroom") hinaus in den Mittelpunkt. All diese Filme gleichen sich im Gefühl verfilmter Drehbuchseiten, und sind doch grundlegend anders; sie alle wahren sich eine formale Identität und doch zeichnet sie die Haltung aus, komplexe Zusammenhänge über lebendige Dialoge (Aaron Sorkin) und echte Menschen zu erforschen. Visuelle Spärenzchen stünden dem lediglich im Wege.
„Moneyball“ reiht sich zumindest insofern in die neue Riege amerikanischen Autorenkinos ein, als dass er einen ähnlichen Ansatz verfolgt. Er ist inszenatorisch kalt, übersichtlich und zweckdienlich photographiert und kommt dem am nächsten, was man als Bühnenillusion bezeichnen könnte. Eine künstlich geschaffene Theaterbühne, die sich formal zwar an filmästhetischen Mitteln bedient, diese aber nicht als Antriebsfeder dafür versteht, den Zuschauer emotional zu involvieren.
Natürlich geht es in „Moneyball“ auch um Veränderung und Wandel, darum gegen alle Widerstände am dem festzuhalten, an das man glaubt, natürlich geht es um starre Strukturen, die es aufzubrechen gilt und den reaktionären Abwehrmechanismus alt eingesessener System-Veteranen und die lästigen Windmühlen, die alles erschweren - um all das geht es in „Moneyball“. Vor allem aber ist „Moneyball“ ein Film über seine Hauptfigur, Billy Beane. Jene Figur also, die die Moneyball Years im modernen Baseball-Sport losgetreten hat und hier von Hollywood-Juwel Brad Pitt verkörpert wird.
Beane bleibt fortwährend eine unnahbare, undurchdringbare Figur. Sie tritt in fast jeder Szene auf, aber sie bleibt immer ein Geheimnis. Wir nehmen die Position von Hill ein, der nach Offenlegung aller Zahlen und statistischen Analysewerte keine Geheimnisse mehr beherbergt. Er verleibt als auserzählter Beobachter, der hin und wieder an Pitt zweifelt und im Sinne des Zuschauers Verständnisfragen stellt. Und wie er vertrauen wir Pitt blind. In diesem Zusammenhang ist auch die quälend lange Niederlagenserie nicht bloß ein zweckdienliches, dramaturgisches Alibi, eine notwendige Station, um schließlich alles in einem entscheidenden Finalspiel kulminieren zu lassen, sondern zuvorderst eine Bewährungsprobe für die Figuren, die in Uneinigkeit ein einmaliges Experiment bestreiten.
Hier setzt Miller eigenwillige Höhepunkte: Die darauf folgende, sensationelle Siegesserie bildet den dramaturgischen Höhepunkt. Erst der knapp errungene, zwanzigste Sieg in Serie, der den Spielraum durch Umschnitte auf Beane in den Katakomben und den Geschehnissen im Stadion spielerisch verdichtet, kreiert eine Siegermannschaft, die zur Meisterschaft fähig ist und liefert den Beweis: das System funktioniert. Miller platziert diese Montage jedoch interessanterweise in der Mitte des Films.
Denn „Moneyball“ ist nach wie vor ein Film über Billy Beane, die Struktur des Filmes somit nur Ausdruck seiner inneren Welt. Er scheint nie ganz glücklich, immer versunken, den gesamten Film über steht er unter Strom, prescht nach vorne, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Selbst die Siegesserie, die Gewissheit etwas Historisches geschafft zu haben und nicht in Vergessenheit zu geraten, verliert jeden Wert, solange der Pokal nicht gewonnen ist. Es zählt nur der Gewinner. Der, der am Ende noch steht. Damit steht er auch für ein System voller Verlierer. Er bleibt immer getrieben, nie fertig, immer auf der Suche.
Dass ich "Casshern" irgendwann einmal als Jugendlicher gesehen habe und er mir nach wie vor im Gedächtnis geblieben ist, spricht eigentlich für sich - oder mein seltsames Gedächtnis. Jedenfalls ist die Faszination verblieben, auch nach einer erneuten Sichtung, die eine kommende Enttäuschung geradezu zwangsläufig erwarten ließ. Schließlich steckt man cheesy CGI, riesige Roboter-Armeen und Anime-Gekloppe in dem Alter irgendwie noch besser weg. Schließlich war man mal genügsamer, unbefleckter - dümmer. Die Faszination von "Casshern" ist jedoch wie gesagt verblieben, weil die Manga-Adaption in Sonnenstrahlendurchfluteten Computerwelten ungeahnte erzählerische Kräfte um die unterschiedlichsten Einzelschicksale mobilisiert, die manchmal an Anno's Anime-Wunder "Neon Genesis Evangelion" erinnern. Mit dieser wundervollen Form japanischen Sentiments, das direkt unter die Haut geht und einem traumwandlerischen Score voller Facettenreichtum. Hinter Schwermetal und Japano-Trash, Overacting und blöden Frisuren offenbart sich ausladender Gefühlskitsch, der sich unerschrocken und naiv den Fragen des Existenzialismus stellt. Ich denke, wer wirklich sucht, kann hier mehr finden, wenngleich das natürlich Special Interest der allerersten Güte ist.
Der verwirrten Gedankenwelt Shinji's wird in „End of Evangelion“ - mehr als Ergänzung der Final-Episoden der Originalserie, denn als alternatives Ending – nun auch physisch Ausdruck verliehen. All das also, was sich aus den abstrahierten Denkprozessen und seelischen Konflikten seiner Protagonisten höchstens ableiten ließ, macht das nun ganz endgültige, auf Zuschaueranfrage nachgeschobene Ende greifbar. Einfacher zu erfassen macht „End of Evangelion“ die EVA-Serie deswegen aber nicht, sie erweitert vielmehr das ohnehin vielfältige Interpretationsspektrum des Universums. Der Introspektive folgt die Outrospektive. Anno stellt der verhandelten, existenziellen Krise eines Jugendlichen Untergang und Wiedergeburt der Menschheit entgegen; und mehr noch: er verknüpft sie miteinander und macht die Entscheidung des Individuums zur Bedingung des Fortbestandes eines Kollektives. Denn am Ende kreist alles um den Protagonisten. Willst du Leben und riskieren verletzt zu werden? Oder willst du vergehen, damit der Schmerz vergeht. „Wenn man leben will, wird jeder Ort zum Paradies.“
„Der leere Sarg“
Dreht sich fast ausschließlich im Kreis. Die Köpfe hinter "Sherlock" verlieren sich im Twist des Twists, weil letztlich sowieso nichts so ist, wie es zu sein scheint, weil hinter allem ein doppelter Boden steckt und das Kaninchen dahinter, weil man statt einer kreativen Vision zu folgen, zum Dienstleister einer selbst geschaffenen, kaum zu befriedigenden Fan-Gemeinde geraten ist. Also wird vornehmlich um sich selbst und den Paukenschlag der zweiten Staffel gekreist: Wie hat Sherlock überlebt? Am Ende dieser als verschachteltes Twist-Konstrukt getarnten Pose ist das eigentlich völlig egal, weil sich das künstlich hochgejazzte Mysterium um den Ausgang des Reichenbachfalls durch unzählige, potenzielle Ausgänge selbst entzaubert. Abseits davon pumpt "Der leere Sarg" einen Vierzig-Minuten-Plot durch hippe Überinszenierung und ewige Zeitlupen-Exzesse sogar auf Spielfilm-Länge auf. Langweilige Angeber-Figuren wie Mynecraft verschenken inzwischen jede Sympathie, während Cumberbatch jedem Poser-Gehabe entgegen sogar Momente rührender Menschlichkeit verleben darf, bis das Finale ihn wieder zum kolossalen Arschloch mutieren lässt. Es gibt Augenblicke, die machen Lust "Sherlock" weiterzuverfolgen, der Rest wird unter dem unbedingten Streben, besonders clevere Abend-Unterhaltung abliefern zu wollen, begraben. "Sherlock" ist ein riesiges Missverständnis.
4/10
„Im Zeichen der Drei“
Zunächst, so scheint es, setzt sich der Negativtrend fort. „Im Zeichen der Drei“ startet über überflüssigen technischen Firlefanz und den absoluten stilistischen Overkill nämlich zunächst ein Ablenkungsmanöver nach dem nächsten; jeder Szenenwechsel wird nochmal akustisch unterstützt, keine Einstellung darf länger als fünf Sekunden verweilen. Die sinnvolle Verwendung filmästhetischer Mittel, die Sherlock's Beobachtungs- und Denkprozesse als integraler Bestandteil der Serie in schnittige Bilder übersetzt, ist längst zur eitlen Pose verkommen, die die Inszenierung nur noch selten als Diener versteht und seine Figuren viel zu oft zu einfachen Comic-Reliefs degradiert. Zumindest die Figur der Mary Morstan (Amanda Abbington) bringt frischen Wind in die Figuren-Konstellationen der Serie, weiß sie doch offenkundig mit Sherlock's unzähligen Eigenheiten umzugehen und immer wieder liebevollen Widerstand zu leisten. Völlig beschwipst vom andauernden Fan-Service und Angeber-Parolen scheinen die Autoren nämlich noch nicht, so markiert Sherlock's Hochzeitsansprache einen ersten, mittelgroßen Höhepunkt im dritten Serien-Jahr. So selbstreflexiv, so emotional intelligent und empathisch durfte sich Sherlock bisher nur selten geben und „Im Zeichen der Drei“ führt die Entwicklung des „hochfunktional soziopathischen“ Ermittler-Genies konsequent weiter. Man darf ihn nicht mehr nur bewundern oder ätzend arrogant finden, man darf ihn inzwischen sogar richtig lieb haben - trotz seiner Fehler, weil er manchmal wie ein kleines Kind ist und manchmal wieder ganz der Alte. Die Struktur von „Im Zeichen der Drei“ - die unzuverlässige Nacherzählung eines Falles, der von hinten aufgerollt wird und kleine Anekdoten als Teil der wundervollen Hochzeitsrede (schlimm: Sherlock und Watson auf Junggesellen-Abschied) – lädt zu einem gemütlichen Rätselraten mit spannendem Finale ein. Tatsächlich: „Sherlock“ funktioniert. Noch.
5/10
„Sein letzter Schwur“
Und weiter geht’s. Auch Episode 3 führt die Entwicklung hin zu einem „neuen“ Sherlock mit einigen Überraschungen fort. Nun werden also auch die Drogen thematisiert und nach der für Sherlock äußerst verwirrenden Begegnung mit Irene Adler in Staffel 2 wird das weibliche Geschlecht sogar in seinem Schlafzimmer gesichtet, was in einer wunderbaren Szene mit Freeman festgehalten wird; eine Szene, die auch deswegen so wunderbar ist, weil Freeman – wie der Zuschauer auch – viel weniger an den Ausführungen über den sich anbahnenden Fall als an Sherlock's scheinbarer Beziehung interessiert ist, was „Sein letzter Schwur“ schließlich auch ganz konkret miteinander verzahnt. Darüber hinaus betritt nach zwei mehr oder minder entspannten Detektiv-Abenteuern nach Moriaty nun ein weiterer, ernst zu nehmender (Bond-)Bösewicht die Bühne und pisst Sherlock und Watson sogar ganz wörtlich ans Bein. Der angenehm twistige Fall hält nach dem soliden zweiten Durchgang zudem einen weiteren Höhepunkt bereit, der die große Überraschung mal wieder selbstbesoffen überinszeniert. In einigen Momenten ist „Sherlock“ dann sogar so gut wie zu besten Zeiten, wenngleich das eigene Miträtseln bei so viel Wendung, Illusion und Kartentrick irgendwann auf der Strecke bleibt. Am Ende ist nur sicher, dass nichts sicher ist - das lehrt uns schließlich auch der obligatorische Cliffhanger, der das vorhersehbare, aber spannende Finale vollkommen ad absurdum führt.
5/10
Die Sklaverei ist verbannt, eingemottet, schließlich hat der Abolitionismus längst seine Früchte getragen. Aus dem schwarzen Sklaven Jim ist der weiße Aussteiger Mud geworden. Aber auch dieser ist ein Ausgestoßener; ein von der Gesellschaft nicht länger duldbarer Revolverheld, der das Gesetz einmal zu oft in die eigenen Hände genommen hat und nun auf einem Eiland im Herzen Arkansas als notgedrungenes, isoliertes Exil auf Hilfe angewiesen ist. Die Beziehung zu seinem Exil ist ambivalent – sie ist Schutz und Strafe zugleich. Aus Jim wird Mud. Aber die Probleme sind für Huck (hier: Ellis) nach wie vor die selben: Was soll ich tun? Und was davon ist das richtige? „Another boy's book“ nannte Twain seine Geschichte 1876, nun ist es „another boy's film“, der strikt aus der Perspektive eines heranwachsenden Herumtreibers und im Geiste schweißtriefender, dauer-nuschelnder Südstaaten-Karikaturen Männerfreundschaft und erste Liebe erforscht – mit all dem Glück und all dem Scheiß. Der innere Kompass eines Kindes, die innere Stimme, die drängt und sich nicht verstummen lässt, ist es schließlich, die hier die Entscheidungen trifft, Verantwortung übernimmt. Und der stille Schrei nach Gerechtigkeit, der sich weigert nicht weiter geträumt zu werden. Mit der Unterstützung eines anpackenden Anti-Helden, der immer auch idealisierte Vaterfigur bedeutet, weil der eigene zu sehr beschäftigt ist mit sich selbst und einer Welt aufgefüllt mit verkomplizierenden Erwachsenenproblemen. Das böse Erwachen kommt schließlich so oder so und lässt Macho-Ideale und Südstaaten-Romantik gnadenlos in sich zusammenbrechen, während sich Ellis auf seinem Weg zur Mannwerdung schmerzlich von seinen Illusionen lösen muss; vor allem jener, dass mit dem Alter vieles klarer wird. Und doch muss man in „Mud“ nichts für bare Münze nehmen, lässt Nichols doch wie schon in seinem Vorgängerwerk "Take Shelter" vielfältige Interpretationsmöglichkeiten bestehen. Das eröffnet einen freien Blick, der vieles zulässt und nichts versperrt.
Eigentlich wurde zu "Man of Steel" bereits alles gesagt. Nur noch soviel: Snyder scheitert auf faszinierende Weise. So hüftsteif und angestrengt inszeniert gegenwärtig wohl kein anderer amerikanischer Regisseur Blockbuster-Kino. Und niemand scheint so verloren, wenn dann doch einmal der Versuch unternommen werden soll tatsächlich so etwas wie Humor unterzubringen ("He's hot"). Ansonsten Snyder as usual: leere Bilder, die sich formidabel in ersten Teasern machen, Figuren, die keine sind und sehr viel unübersichtlicher, mitunter erstaunlich hässlich getrickster Krach, der in Anbetracht der übertriebenen Fähigkeiten seines Protagonisten wohl zwangsläufig zu erwarten war. Für große Performances ist hier selbstredend kein Platz. Zumindest die deutsche Vertretung macht als schnörkellos fiese Erfüllungsgehilfin einen guten Eindruck. Superman kann man so casten, Adams spielt verzweifelt gegen das pure Chaos an und Crowe ist, nun ja, er selber halt. Ein seltsames, inkohärentes, aber gleichwohl faszinierendes Erlebnis ist dieser Mann aus Stahl, der alle Dimensionen sprengt, aber eben dennoch. Faszinierend gescheitert, in Schönheit gestorben.
Die tiefen seelischen Probleme seines Machers, bis zum Verlust des Lebenswillens, verhandelt diese bemerkenswerte Serie in ihren finalen Episoden schließlich ganz konkret. Die einfache Wahrheit – und nur weil sie einfach ist, ist sie nicht weniger wahr – nämlich jene, dass die Vergangenheit uns zu dem macht, der wir sind, hat schon lange niemand mehr so inbrünstig, so entwaffnend sentimental artikuliert. Oder dass Probleme, wie dem Umstand ohne Mutter oder Vater aufgewachsen zu sein, nicht an Bedeutung verlieren, nur weil wir nicht alleine mit ihnen sind.
Und lange schon hat sich keine Serie mehr so unerschrocken in die Psyche ihres Protagonisten begeben und vermeintlichen Phrasen ein solches Maß an Wahrhaftigkeit abgewonnen. Pure, überhaupt nicht banale Wahrhaftigkeit, zu der sich auch problemlos ein Bezug zum eigenen Leben herstellen lässt.
„Neon Genesis Evangelion“ bedeutet Flucht, Lethargie, Japano-Dreck und große künstlerische Ambition. Nach einem durchwachsenden ersten Drittel, das offenbar zuvorderst kommerzielle Erwartungen zu erfüllen suchte, was sich in einer unschönen, repetitiven Monster-of-the-week-Struktur äußerte, werden die Ambitionen Anno's ein abstraktes, zwischenmenschlich verzahntes Cyberpunk-Universum um einen verunsicherten Jugendlichen zu kreieren, ganz deutlich. Dann findet die Serie ganz zu sich und ganz zu einer eigenen, lebendigen Sprache, formal herausragend und endlich bei seinen Figuren.
Japanische Prüderie und ein seltsames Verständnis von Nacktheit und Sexualität, die die Serie auch automatisch an eine Generation Anime-schauender Jugendlicher kommuniziert, sind dennoch ein Problem, das auch „Neon Genesis Evangelion“ nicht lösen kann und das auch abseits einer nervenaufreibenden Figur wie Asuka (in der Rebuild-Reihe schließlich dekonstruiert) immer wieder Sympathien verschenkt. Aber das ist Formalia, die das außerordentliche Figurenarsenal und der existenzielle innere Konflikt seines Machers und seiner Figuren, diese Geschichte von Opfern, Lethargie und Kompensat, von Vaterkomplex und den Zweifeln in jedem von uns, immer wieder vergessen machen.
Manchmal muss man alles verlieren, um erkennen zu können, was man hat. Etwas, das auch in der außergewöhnlichen formalen Reduktion der finalen (Freud'schen)-Episoden Ausdruck findet. Ein Großteil der Fangemeinde sah das anders. Nicht zuletzt also berichtet „Neon Genesis Evangelion“ auch vom Kampf gegen seine Zuschauerschaft und die Wut um den geplatzten Traum. Die Windmühlen und das Geschäft mit dem Fetischismus, die Lüge im Traum. Der Himmel färbt sich rot. Der Kampf lohnt sich. Bestimmt.
“There are too many painful things for people to go on living in reality. Thus, humans run and hide in dreams. They watch films as entertainment. Animation, as a means to enjoy everything in a pure, fake world, is a realization of dreams and has become entrenched in film. In short, it is a thing where even coincidences are arranged and everything judged cinematically unnecessary can be excised. The negative feelings of the real world are no exception.” – Hideaki Anno