_Garfield - Kommentare
Die 5 meist diskutierten Serien
der letzten 30 Tage
-
Dept. QDept. Q ist eine Kriminalserie aus dem Jahr 2025 von Scott Frank mit Matthew Goode und Alexej Manvelov.+24 Kommentare
-
Star Wars: AndorScience Fiction-Serie von Tony Gilroy mit Diego Luna und Genevieve O'Reilly.+18 Kommentare
-
Das ReservatDas Reservat ist eine Drama aus dem Jahr 2025 von Ingeborg Topsøe mit Marie Bach Hansen und Danica Curcic.+16 Kommentare
Die 5 meist vorgemerkten Filme
-
28 Years Later390 Vormerkungen
-
The Fantastic Four: First Steps94 Vormerkungen
-
Jurassic World 4: Die Wiedergeburt93 Vormerkungen
-
Weapons - Die Stunde des Verschwindens87 Vormerkungen
Alle Kommentare von _Garfield
Die Arbeit eines Liebhabers ist dieser „Night of the Living Dead“; und die Arbeit eines Könners. Eine Genre-(Tot-)Geburt voll expressiver Ausdruckswut und schlürfenden Seelenlosen. Kaltes Fleisch, Klaustrophobie-geschwängerter Rückzugsort, schleichende Schattengestalten. Obama-Schwarze, Bush-Weiße, Fleisch-fressende Gören. Und nutzlose Blondinen. Ein Freizeit-Projekt gibt einer Branche die Richtung vor und erreicht ein beachtliches Maß an handwerklicher Fertigkeit. Der Film eines Punk und Anarchisten. Und das Chaos regiert. Ehen hätten auch ohne das wandelnde Kannibalen-Kollektiv die Zeit nicht überdauert, das weiße Kellerkind erweist sich als räudiger Windhund und der Schwarze hat einen Plan, gibt den Ton an und überlebt, fast. Und alles, wirklich alles gibt es bereits hier zu entdecken; komprimiert, roh und ungeschliffen. In seiner reinsten, originären Form. Die geifernden und greifenden, farblosen Untoten-Ärmchen durch die mit Brettern verbarrikadierten Fenster zum Beispiel, das zombifizierte Balg, das (wie) besessen und unaufhörlich auf ihre einstiege Lebensgrundlage einsticht oder eben der Kopfschuss als endgültige Erlösung. Immer festgehalten in dynamischem Schwarz-Weiß, umrahmt oder dominiert von eingekauften Film-Kompositionen und ganz sicher nie Mainstream. Und das zynische Ende fuchtelt grinsend mit dem ausgestreckten Mittelfinger. „Good shot!“ - Good shot, Mr. Romero. Good shot.
Die Geräusche in der Dunkelheit, das Knarren der Dielen, die tropfenden, nie still schweigenden Wasserhähne verfolgen sie bis in die Nacht. Vor allem in die Nacht. Polanski meidet die Eindeutigkeit, er codiert, verschleiert und verlautbart den fatalen Wandel seiner makellosen Schönheit viel weniger, als dass er ihn sukzessiv, manchmal kaum wahrnehmbar vollzieht und ihn karge Schwarz-Weiß-Gemälde taucht. Jedes Frame ist herausragend montiert, der Spannungsmoment anhaltend, selten nach vorne preschend, aber immer präsent. Er nistet sich ein, in der Magengegend. Vornehmlich in der Magengegend.
Und die Nacht, das Wachliegen in der (Gott)verlassenen Apartment-Wohnung, erscheint wie das Abgleiten in einen anderen, Zeit-entbundenen Kosmos; eine andere Welt. Diese Welt mit ihrem hörbaren Lustspiel, den leisen Schritten, der Schatten-geteilten Visage dieser jungen Unschuld, der die Vorahnung buchstäblich ins blasse Gesicht geschrieben steht. Denn die Augen sind geweitet und starr und irgendetwas wird passieren. Und dann verkehrt Polanski die Erwartungen ins Gegenteil, stülpt die Innereien nach außen und lässt den Zuschauer los. Denn an was er sich zunächst zu krallen können glaubte, windet sich plötzlich, rotiert und bricht aus dem Rollenklischee der hilflosen Blondine aus. Plötzlich ist sie beides und der Zuschauer allein. Eine Gefahr für sich und für Andere.
Ein sich langsam zersetzendes, immer brüchiger werdendes Appartement wird mehr und mehr zur Bedrängung – und zum Schlachtfeld. Polanski appelliert an das Kind in mir und dir. Die Angst vor dem Allein-Sein, dem leeren Haus, der leeren Wohnung. Die Eltern sind als immerwährende, Halt-bietende Konstante ausgezogen. Und dann Schritte, Schatten, greifende Hände. Das so unerfahrene Gemüt erblickt Spiegelbilder wo keine sind und verliert damit auch den Blick auf sich selbst. Sexualität bedeutet immer auch Zwang und Qual, der Blick durch das Schlüsselloch verheißt nichts Gutes.
Selbst die seelische Vergewaltigung war nur Vorbote, gerät plötzlich zur ganz körperlichen Konfrontation. Platz für Machos gibt es hier nicht, selbst der galante Schönling – der Anzug sitzt wie angegossen, das Auto frisch gebohnert, die Zähne weiß – muss kurzerhand dran glauben. Ausbruch aber ist nie eine Option, die Wohnung bleibt selbst gewähltes Exil, (inneres) Gefängnis und die Wände kommen näher, die Nachbars-Meute gafft und gafft und gafft. „Repulsion“ ist kaum greifbarer, fast kryptischer Alptraum, der sich verzerrt und verbiegt, bis er sich bis zur Unkenntlichkeit in seine Bestandteile aufgelöst hat.
Das recht frühe Einsetzen eines weiteren Subplots um Seth Rogen und Bill Hader als schwachsinniges Cop-Duo bremst „Superbad“ leider immer etwas aus, auch wenn die Installation von McLovin, der als übernervöser Nerd im Laufe des Abends mehr und mehr zur übergroßen Ikone mutiert, einige wunderbar bescheuerte Höhepunkte bereithält. Ansonsten ist „Superbad“ ganz und gar seinen beiden Hauptfiguren gewidmet, die als Anspielung an die Drehbuchautoren Rogen und Goldberg und ihre eigene Jugend auch deren Namen tragen. Cera ist mal wieder Cera und mehr will ich von diesem sympathischen, schnell-plappernden Schlacks auch überhaupt nicht sehen, Hill dagegen müht sich redlich auch über seinen etwas überkandidelten Blödel-Part hinaus irgendetwas zu reißen. Das funktioniert vor allem dann, wenn er abseits seines körperbetonten Slapstick-Talents und andauernder Mösen-Parolen wirklich einmal etwas zu sagen hat. Dann geht „Superbad“ sogar zu Herzen und beschwört gerade aufgrund seiner oft gebrauchten Der-Abend-bevor-alle-ihres-Weges-gehen-Abschieds-Prämisse auch ganz konkret eigene Jugenderinnerungen herauf, inklusive des wohligen Kribbelns in der Magengegend, das mich die gesamte Sichtung über begleitete. Und wenn Hill in der letzten Einstellung wehmütig zu Cera hinaufblickt und der funky Soundtrack einsetzt, verzeiht man sogar den etwas omnipräsenten Schwachsinn eines Seth Rogen, der schlussendlich wohl einfach auch dazugehört. „Superbad“ also mag keine große Filmkunst sein, aber er erzählt eine zutiefst ehrliche Geschichte von Freundschaft und Abschied, und das tut er mit einem beeindruckenden Maße an Wahrhaftigkeit.
Einsamkeit und Isolation erforscht Coppola wie schon in „Lost in Translation“ - welcher wohl auch als thematischer Anknüpfungspunkt gedient haben dürfte – in langen, sinnvollen Einstellungen, die entweder symbolisch aufgeladen werden oder einfach nur Raum für eigene Gedanken bieten. Grund sich den selben Themenkomplexen, mitsamt eines wie üblich äußerst einfältigen Entwurfs des äußeren Medienzirkus, trotzdem erneut zu widmen, sind zum einen ein angenehm in sich gekehrter Stephen Dorff, sowie die wunderbare Elle Fanning, welche nach ihrer starken „Super 8“-Darbietung nun wohl auch problemlos Schwester Dakota an die Wand spielen dürfte. Und wie immer erübrigt Coppola viele Worte, verbleibt fortwährend bei ihren schweren Figuren und lässt stattdessen lieber den fantastischen Soundtrack sprechen (Strokes). Entschleunigte, derart reduzierte Geschichten zu erzählen, birgt immer das Risiko, die gegebene Distanz nicht zu überwinden - „Somewhere“ vermag diese Distanz aufzulösen, wenn man dazu gewillt ist. Denn Längen empfinden nur jene Menschen, deren Köpfe leer sind; weil sie nicht imstande sind Film als Projektionsfläche zu begreifen. Sie ertragen die Stille nicht.
Wong Kar Wai's Wurzeln, sein erster Spielfilm: ein ausgiebiger Flirt mit dem einst von John Woo geprägten Heroic Bloodshed Kino Hongkong's, eine Tragödie im Genre-Korsett, eine Räuber-Pistole, in der es immer am besten mit den Fäusten knallt. So schnörkellos trug der heute vor allem für „anspruchsvolles Kunstkino“ bekannte Autorenfilmer nie wieder Geschichten vor. Vernebelte Seitengassen, in den Schein greller Neonlichter getaucht, bevölkert von wandelnden Klischees und verschwitzten Verlierer-Typen. In dunklen Ecken und zwielichtigen Lokalitäten spielen sich die großen, menschlichen Tragödien ab. Der Versuch außerhalb seines Genres, dem üblichen Ablaufplan solcher Filme irgendetwas zu erzählen, unternimmt Wong erst überhaupt nicht. Aufgebaut werden übliche, ganz der Genre-Konvention verschriebene Figurenkonstellationen (kleiner Bruder begibt sich immer wieder in Schwierigkeiten, großer Bruder darf sich anschließend als selbstloser Retter aufspielen), aus denen „As Tears Go By“ dann auch seine dramaturgischen Fäden spinnt. Die fortwährend präsenten Parallelen zu amerikanischen Filmproduktionen kommen dabei sogar irgendwie charmant rüber. Der tolle 80er-Jahre Synthi-Soundtrack pumpt unaufhörlich, im Hintergrund schmettert jemand die chinesische Version von „Take My Breath Away“ und die verbotene Liebschaft nippt kurz an einer Coca Cola-Flasche. Klar, irgendwo ist das schon einigermaßen cheesy, in Verbindung mit Wong's stilsicherer Regie und dem unwiderstehlich schmachtenden Darsteller-Gespann macht aber auch dieser nachgestellte Genre-Entwurf ganz gehörig Laune.
Die assoziative Bildmontage und experimentelle Tongestaltung fallen bei „Walkabout“ ganz besonders auf. Die Figuren dagegen sind – obwohl nicht unsympathisch – doch arg vage und zu unnahbar, als dass man eine wirkliche Bindung zu ihnen herstellen könnte, ebenso die behandelten Themenkomplexe um Reifeprüfung und Kommunikationsbarrieren, Kulturclash und Zivilisationskritik.
Einige der handwerklichen Feinheiten und filmischen Motive Roeg's kann man darüber hinaus auch im zwei Jahre darauf folgenden „Don't Look Now“ ausmachen, z.B. die sprunghafte Montage einer anfänglichen, alles in Gang setzenden Katastrophe, die Roeg im späteren Verlauf des Filmes immer wieder als eine Art Leitmotiv aufgreift oder grotesk variiert (die Leiche erhebt sich kurz). Weitere exzellente Bildkompositionen lassen sich allerdings nur in seinem Debüt bestaunen; der Jagd auf ein Känguru im Outback etwa schneidet der britische Kameramann und Regisseur als Kontrast immer wieder Szenen aus einer gewöhnlichen Schlachterei gegen und stellt somit eine ganz konkrete Verbindung zwischen „schwarzem Wilden“ und „zivilisiertem Weißen“ her.
Es ist überhaupt spannend zu sehen, wie Roeg die Vorzüge eines zivilisierten Lebens immer wieder den zunächst Lebens-feindlichen, dann aber fast schon traumartig-schönen Zeiten in der australischen Wildnis gegenüberstellt ohne viele Worte dabei zu verlieren oder befangen Partei zu ergreifen. Lediglich wenn zwei jagende Weißbrote wahllos Tiere erschießend durch die Pampa rasen und Roeg dies auch unmissverständlich in allzu platte Bilder überträgt, vergreift er sich etwas im Ton.
Die ernüchternde Auflösung seiner Geschichte begleitet dennoch weit über den Abspann hinaus. Roeg begreift Erwachsenwerden letztlich immer auch als Verlust, eine Form des Loslassens von unseren Träumen und lässt offen, ob wir jemals imstande sein werden unsere kulturellen Differenzen nachhaltig zu überwinden; zumindest nicht, solange wir weiter an unseren Eitelkeiten festhalten. Wir müssen aufhören alles und jeden unterwerfen zu wollen und wir müssen uns entscheiden. Erst dann kommen wir womöglich in den Genuss wahre Freiheit erfahren zu dürfen, denn ewige Sehnsucht nach Gespenstern darf einfach keine Alternative sein.
Unnachgiebig und mitreißend in seinem unbedingten Drang zum brutalen Fatalismus, erhebt sich „Mad Max“ mit dem plötzlichen Bruch nach der ersten, Metall-zerfetzenden Hälfte über seinen vorauseilenden Ruf. Dem energetischen, Motor-dröhnenden Straßenschlachten, die George Miller nicht inszeniert, sondern zelebriert, folgt schließlich der Ausbruch, der Rückzug zum Parteilosen, Frau- und Kind-umsorgenden Familienvater. Miller drosselt das Tempo, schaltet ein, zwei Gänge zurück und bindet an den Protagonisten. Übliche Drama-Schule. Und doch bleibt dieses rohe, ungeschliffen-dreckige Spielfilm-Debüt immer in Bewegung, die Figuren in Alarmbereitschaft, die Motoren gestartet, um jeden Moment grölend und Fratzen-verzerrt in die menschenleere Ödnis vorzustoßen. „Mad Max“ ist oft Hetzjagd, gelegentlich Spannungskino, aber immer bei sich, bei seinen Motiv-getriebenen Figuren, die gar keine Anstalten machen sich darüber hinaus in irgendetwas begeben zu wollen; Mel Gibson erst recht nicht. Wenn geredet wird, ist es das oft nicht der Rede wert. Erst wenn sich die Krieger auf den Highway schwingen, die Kamera bebt und in ohrenbetäubender Geschwindigkeit gen Horizont gerast wird, bekommt „Mad Max“ und Mad Max ein Gesicht, gerät plötzlich zur Ikone, wird überlebensgroß. Aber nur dann. Wenn Miller versucht konkret zu erzählen, gerät er ins torkeln - abseits von Montage und Kinetik. Der Toecutter ist schwach, bleibt Grimassen-schneidender Irrer ohne Profil und Einfall, die Konfrontationen sind immer etwas ungeschickt eingeleitet und der Werdegang von Max zu Mad Max, den Miller doch so geduldig forciert, geschieht zu plötzlich und ansatzlos. Kritikpunkte, die selten ins Gewicht fallen, zu straight, zu erbarmungslos fegt dieser „Mad Max“ durch seine eigenwillige Zukunftsversion, trifft immer den Ton, den er treffen möchte, um schließlich laut und kompromisslos die Bühne zu verlassen - vor allem laut.
Der Score von Morricone ist nach wie vor ein unfassbares Meisterwerk, Leone noch heute ungeheuer modern und mit einem ausgeprägten Gespür für die Ästhetik und die Motive seines Genres vorgehend. Trockener und erhabener jedenfalls haben Gebirgs-durchwachsende Prärie-Landschaften im Film nie ausgesehen. Und bis zum Ende ist diese große Oper, dieses hitzige, Ironie-freie Western-Epos so erbarmungslos und konsequent vorgetragen, dass es einem den Magen zuschnürt. Wenn Leone den Moment zelebriert, die direkte Konfrontation zweier blauäugiger Ikonen etwa und Morricone's Todesmelodie in verzerrten Gitarrenklängen über uns hineinbricht, lässt er keinen Zweifel an der Unsterblichkeit seines Filmes bestehen. Abseits dieser Handlungs-unabhängigen Höhepunkte entwickelt „Spiel mir das Lied vom Tod“ aber kaum Dramatik. Die Figuren bleiben unangetastete Ikonen, die Zeit gerinnt. Es ist eben eine harte Welt für harte Kerle. Platz für echte Menschen gibt es in diesem langen, viel zu langen Selbstzitat nicht; nur Mimik-erstarrte Typen mit Knarren und ein Weib, das nichts zu sagen hat. Ein Leben ist hier sowieso nichts wert und jeder ist sterblich. Diese Melodie aber, die wird die Zeit überdauern; bis auch der letzte Dreckssack Blei-durchbohrt zu Boden gegangen ist.
Gallige, auf absolute Höchstgeschwindigkeiten beschleunigende Action-Einlagen, eruptive, krasse Gewalteskalationen und eine Prämisse, die dem überstrapazierten Prädikat „episch“ endlich einmal gerecht wird. „Shingeki no Kyojin“ prügelt einfach wild um sich; hemmungslos, Gewalt-geil und immer bis zum Äußersten konsequent. Die Figuren sind zerstörte Desillusionierte, die Mauern eingerissen und es gibt immer wieder, immer härter und immer gnadenloser Mitten auf die Fresse.
Die Radikalität des japanischen Überraschungserfolgs erinnert mitunter an das HBO-Phänomen „Game of Thrones“. Inhaltszusammenfassungen sollte man sich derweil am besten sparen, um dieses schnelle, harte Stück Animationskunst vollkommen unbefangen genießen zu können. Im klaren sollte man sich jedoch auch darüber sein, dass die Japaner keine Gefangenen machen. Das Gas tritt man immer bis zum Anschlag durch, Pathos-Schmerzgrenzen katapultiert „Shingeki no Kyojin“ ganz schnell in ungeahnte, schwindelerregende Höhen und überhaupt war Subtilität noch nie eine Sache der sympathischen Inselbewohner.
Nimmt die Serie nach dem sensationellen, den Fatalismus bis zum letzten, Mark-erschütternden Akt auskostenden Einstieg noch eine prinzipiell uninteressante Richtung ein, lässt dich dieses unbarmherzige Miststück von Serie nach einem lauten Knall ganz schnell alleine. Obligatorische, aber doch unabdingbare Handlungsverläufe um einen Jüngling, der zum Soldaten wird, handelt „Shingeki no Kyojin“ innerhalb von zwei Episoden ab, um die Geschichte anschließend mit einer unvermittelten Zäsur weiter voranzutreiben, immer befeuert von den fantastisch animierten Kämpfen und einem wahnsinnigen Soundtrack. Hier ist man sich für keine pathetische Geste zu schade, kein abgedroschener Voice-over wird ausgelassen und dank seines mannigfaltigen, erfrischend geerdeten Figurengefüges funktioniert diese Mischung sensationellerweise auch.
Und obwohl die von Hajime Isayama erdachte Manga-Adaption auch nur die ewig-gleichen Motive um Vertrauen, Freundschaft und Ehre bemüht und das ununterbrochene Geschreie im zehnten Dialog gehörig an den Nerven zerren kann, gibt es immer auch einen Platz für ehrliche Sentimentalitäten und lebendige Emotionen auf diesem ewigen Schlachtfeld. Auch weil man fortwährend aufrichtiges Interesse an seinen tollen bis nicht zu unterscheidenden Figuren zeigt, die zur Ausnahme mal nicht nur auf der Stelle treten, sondern auch mal zweifeln, heulen und verlieren dürfen. Eigentlich sensationell in Anbetracht dieses konsequent überhöhten, auf episch getrimmten Rahmens.
Ihre Sexualität entdeckt Indiana erst mit ihrem ersten, in trauter Zweisamkeit verübten Mord. Ihr erstes Mal. Das Klavier(vor)spiel nimmt den Klimax dabei bereits vorweg. Park Chan-wook bewegt sich mit „Stoker“ gelegentlich auf den Suspense-Spuren Hitchcock's, ansonsten aber vor allem auf ganz eigenen, formalästhetisch herausragenden Pfaden. Park verwendet zwar immer wieder Motive und Symbole, mit denen er seine Passionsgeschichte sinnvoll unterfüttert, ansonsten aber ist dessen erste Amerika-Arbeit vor allen ein Musterbeispiel dafür, wie man Style over Substance über bloße Kompensationsversuche hinaus bis zum Exzess zelebriert. Die Reduktion dieser einfachen, nicht blöden aber auch nie wirklich fordernden Geschichte ist bei „Stoker“ nie ein Problem, die Kunst passiert nämlich in den Händen dieses Ausnahmetalents. Schwankende Deckenlampen, die Szenenübergreifend die Gesichter der Protagonisten beleuchten, gleitende, kluge Kamerafahrten, stetig angetrieben von Clint Mansell's irrem Score, übersteuerte Toneinlangen, die ganze Sequenzwechsel vollziehen oder Emily Wells' „Becomes the Color“, der auf die filmische Klammer folgt. Die Schauspieler-Riege leistet hier selbstverständlich ausnahmslos Höchstleistungen ab und Park hat seinen Namen nach diesem Wahnsinn sowieso endgültig in Stein gemeißelt.
Zunächst einmal: Er ist keine totale Gurke geworden, sondern ein schnelles Genre-Häppchen, das wohl jeden satt macht, der nicht vorher beim Gourmet zugegen war. „Non-Stop“ hat zumindest einen Liam Neeson, dem noch nicht alles egal ist (Ford) und der nach einer bemerkenswert vielseitigen Karriere offensichtlich das Körperkino für sich entdeckt hat. Nun wird es nach den beiden „Taken“-Filmen und der ebenfalls von Collet-Serra inszenierten Berlin-Hatz „Unknown Identity“ nämlich wieder ganz körperlich, diesmal über den Wolken. Überhaupt ist Neeson's Performance zuallererst eine physische; schweißtreibende Arbeit, die schauspielerisch die Register zieht, die für einen solchen Film eben erforderlich sind. Plot und Figuren sind natürlich größtenteils Murks, der Suspense-Faktor (gerade in der Startphase an den besseren „Flightplan“ erinnernd) schnell verflogen und dem gesprochenen Wort sollte hier sowieso nicht allzu viel Bedeutung beigemessen werden. Wie heutzutage üblich werden vermeintlich lebensbedrohliche Situationen immer wieder durch ironische One-Liner entschärft, während das twistige Drehbuch unentschlossen durch seine Themenkomplexe pflügt. „Non-stop“ thematisiert zwar am Rande immer wieder tagesaktuelle Ängste um Flugzeugentführung und Terrorgefahr, die die Amerikaner seit 9/11 in jeden beliebigen Genre-Epigonen einpflanzen müssen, am Ende aber ist Genre-Nulpe Collet-Serra ("Orphan") mit seinem schnörkellos verpackten Happy-End wieder ganz in den guten alten Zeiten. „Non-Stop“ ist nichts worüber man sich groß aufregen könnte, dafür ist er zu gediegen in Szene gesetzt, zu routiniert gespielt und schließlich auch viel zu egal. Vielleicht ist das, das schlimmste daran.
Große Augen, abstruse Gewalt und Figuren auf Hantai-Niveau. An abgedroschene Rückblenden hat man sich ja fast schon gewöhnt, „Elfen Lied“ aber bricht auch hier noch alle Kitsch-Rekorde – wenn sadistische Blagen hilflose Welpen vor der ständig gehänselten, weil andersartigen Protagonistin zu Brei schlagen, erklärt das natürlich, warum vollbusige Elfen-Amazonen kurzfristig Amok laufen. Eine Geschichte um Andersartigkeit in krassen Kontrasten zu erzählen („Pokemon“-Ästhetik gegen zügellose Splatter-Einlagen) mag ja auf dem Papier noch ganz reizvoll geklungen haben, in bewegten Bildern scheitert „Elfen Lied“ jedoch ausnahmslos. Etchi-Aspekte hat man mit einer gehörigen Portion Humor auch schon besser in „Ranma 1/2“ gesehen und saftigere Fights liefert jeder mittelklassige „Dragonball“-Klon. Die Ausnahmestellung dieses schlecht geschriebenen, einerseits völlig übersexualisierten, andererseits wieder lächerlich prüden Serien-Schwachsinns, lässt zumindest ernsthaft am Anspruch der riesigen Fangemeinde zweifeln. Ein Porno für Zwölfjährige, die zu Titten noch die extra Portion Gekröse benötigen.
Harry stößt sich gewaltig den Kopf, wird kurzzeitig zum grinsenden Amnesie-Patienten, der Sandman will doch eigentlich nur seiner kranken Tochter helfen und Venom sinnt nach Rache für die selbst verschuldete Demütigung durch Badass-Spidey. Das potenzierte Selbstbewusstsein Parker's findet nämlich alsbald Ausdruck in dessen dunkler Version, die den narrativen Überbau von galaktischer Alien-Masse als Ursprung allen Übels gar nicht mal zwingend nötig gehabt hätte. Es sind nicht weiter die Verfehlungen anderer und die unglücklichen Umstände, die den zweiten Teil seinerzeit zu solch einer aufreibenden Tour de Force geraten ließen, sondern die inneren Dämonen, der wachsende Narzisst und zu Kopf steigende Ruhm, der Parker im Wege steht.
Seinen Figuren gönnt Raimi die gesamte Reihe über kaum Verschnaufpausen, lässt sie immer in Bewegung, dreht wie wild am bunten Figurenkarussell, ordnet neu an, wechselt Positionen und evoziert genau jene unabdingbare Figurendynamik, die die Filme auch abseits des Spinnenkostüms bislang so interessant machte. Und obwohl alles darauf ausgerichtet scheint: „Spider-Man 3“ gerät nicht zur redundanten Action-Sause, sondern spart stattdessen sogar beachtlich an überflüssigem Krawall ein (mancherorts gar als Kritikpunkt angeführt).
Raimi's Spinnenmann-Interpretation definiert sich nicht über die Zugehörigkeit zu einem einzelnen Genre und versagt sich sogar bis zum obligatorischen, aber keinesfalls schlechten Showdown bewährter Fortsetzungs-Dialektik. Er sucht den Exzess und die Selbstverwirklichung; und es macht alles Sinn.
Dieser „Spider-Man 3“ - ein absurd teurer, Stoffe-überbordender Studio-Film - kommt einem kleinen Wunder gleich. Raimi darf - und er macht. Campbell gibt den Franzosen so wunderbar und so wunderbar grottig („I am French“), der Jazz-Club wird kurzerhand zur perfekten Broadway-Nummer und spätestens wenn Parker endgültig zum kolossalen Arschloch mutieren darf, gibt es kein Halten mehr („Give us some shade“). „Spider-Man 3“ ist keinesfalls perfekt, aber er hat Ambitionen. Er verliert nie seinen Humor, verbleibt interessiert bei seinen Figuren und wird auch zu seinem Finale hin nicht gefällig. So ist Hollywood und so ist Comic-Verfilmung im besten Falle.
Was für ein schmuddeliger Drecksfilm! Die Mauer fällt und eine Metzger-Familie dreht am Rad. Ein Film, der trotz seiner klaren zeitlichen Verortung, wie aus der Zeit gefallen scheint – jeder Zeit. In seinen besten Momenten erinnert Schlingensief's inkohärentes Wende-Massaker an die experimentellen Frühwerke eines David Lynch, in seinen schwächsten an eine Talent-befreite Schüler-Produktion auf Speed. Die referierten Vorbilder - von „Psycho“ bis zum Titel-gebenden Texas-Massaker – sind aber immer präsent, die Figuren entfesselte Marionetten, denen der Wahnsinn als Bestandteil dieses Alptraum-haften, surrealen Kosmos ins Blut-verschmierte Gesicht geschrieben steht. Manche Szenen scheinen zum Teil unzusammenhängend hintereinander aufgereiht. Deutsches Stinkefinger-Kino, das so laut fuck you schreit und benommen mit der Kettensäge hantiert, dass man kurzzeitig jubeln möchte. Kino, dem egal ist, was man von ihm hält und dessen Schauspieler so herrlich selbstbesoffen von einem Extrem ins nächste torkeln. „Das deutsche Kettensägenmassaker“ aber – und das sollte man nicht vergessen – ist auch Genre-Kino. Deutsches Genre-Kino. Einer dieser raren, so verdammt raren Filme aus unserem Land mit einer ordentlichen Portion Eiern, die aus ihrer Leidenschaft für den großen Bruder aus Übersee keinen Hehl machen und sich trotzdem eine nationale Identität bewahren. Einfach sensationell bekloppter Scheiß. Laut, konfus, blutig, schlecht, einzigartig. Ein Metzger-Film eben.
Nettes Schauerstündchen mit einem dezent gelangweilten Atkins (an dessen Fersen sich eine viel zu devote Jamie Lee Curtis heftet), Adrienne Barbeau, die eigentlich die ganze Zeit über auf 'nem Leuchtturm hockt und Scream-Queen Janet Leigh. Nicht zu vergessen auch Halbrook als Unheil-ahnender Pater, dem dann auch die tolle, letzte Einstellung gehört. Leider verleiht Carpenter der Bedrohung allzu früh ein Gesicht und beraubt damit gerade der eigentlich schönen Nebel-Prämisse einiges an Potential. Die gleitenden Kamerabewegungen und der kluge Schnitt, sowie Carpenter's eigens komponierter, dezent-klingelnder Score fangen den immer etwas herumeiernden Handlungsbogen dabei auch nur bedingt auf.
Es ist einfach zu viel: Zeit-verschlingendes Studium, hektischer Lieferanten-Job und dann auch noch Tag für Tag ins unbequeme Spinnenkostüm quetschen - „it rides up in the crotch a little bit“. Murphy's Gesetz macht der freundlichen Spinne aus der Nachbarschaft zunehmend zu schaffen. Es ist eine Zeit der Enttäuschungen, denen Parker in einem Lebensentwurf voller überzogener Erwartungen und großer Verantwortung irgendwie zu entgehen versucht.
Goblin's larmoyanter Sohnemann trauert nach wie vor seinem verstorbenen Vater hinterher und macht – möglichst vertrackten Figurenkonstellationen geschuldet - ausgerechnet Spiderman für dessen Tod verantwortlich, Tante May packt betrübt ihre Umzugskisten und das Mädchen seiner Träume muss Parker nach wie vor von der anderen Straßenseite aus beobachten. Selbst die Miete für sein ranziges Ein-Zimmer-Apartment zahlt Peter in Raten an den Radio-hörenden Osteuropäer gegenüber.
Raimi lässt seinen zweifelnden Helden seine ganz persönliche Hiobs-Geschichte durchlaufen und zu allem Überfluss tritt nach einem (natürlich) missglückten Fusions-Experiment auch noch der charismatische „Doc Ock“ auf den Plan; eine Figur, der Raimi angenehmerweise auch Zeit vor seiner Wandlung zum asozialen Superschurken einräumt. Ambivalenter als der Trash-Goblin eines over-actenden Dafoe ist dieser von Roboter-Armen gesteuerte Wissenschaftler sowieso.
Und anders als im naiv-schönen ersten Film, dessen Studio-Diktat zwar nie störend, aber doch zu spüren war, scheint nun sogar Raimi's kreative Kontrolle ausgeweitet. Besonders deutlich wird das in den handwerklichen Raffinessen und nuancierten Stilblüten (Plansequenz), die Raimi um das zentrale Figuren-Karussell anordnet, aber auch immer wieder in sich einkehren lässt, um sie nicht zu sehr in den Fokus geraten zu lassen. Erst wenn es zur Eskalation kommt, lässt er die Kamera wieder wie wild zirkulieren, zoomt ran, zoomt raus, lässt sie wie entfesselt fliegen und dann wieder fallen – sogar die Kettensäge kommt wieder zum Einsatz.
Selbst die großen Gesten wirken bei „Spider-Man 2“ nie abgedroschen, sondern nur konsequent. Und wenn Spiderman von der Masse dankbarer Bahn-Passagiere getragen wird und M.J. Brautflucht begeht, findet dieses so außergewöhnliche Franchise ganz zu sich und seinen tollen, spannenden Figuren.
Heute scheint „The Conversation“ aktueller denn je und der Ruf nach einer gesicherten Privatsphäre schallt umso lauter. Coppola's kluge Regie, die besonders die Funktion der Kamera doppelbödig in den Film zu integrieren weiß, macht besondere Freude. Hackman's schwierige Rolle des paranoid-repressiven Einzelgängers verwehrt einem dagegen mitunter den Zugang und erschwert es durchgehend ehrliches Interesse und Empathie für dessen Schicksal zu empfinden. Die repetitive Verwendung von Tonaufnahmen als akustischer Hintergrund oder die nuancierte Bildsprache generieren derweil tatsächlich einen spürbaren filmischen Mehrwert, anstatt die Errungenschaften des New Hollywood bloß formal auszustellen. Am Ende ist die Abrissbirne eingeschlagen und die Wände blank. Ein pessimistischer Schlussakt, der die sich stellenden Fragen nach Moral und Ethik unbeantwortet lässt.
Busenwunder Johansson und Femme Fatale Cruz lutschen aneinander herum und Bardem darf sogar mitmachen? Hach Woody, Altherrenfantasie hin oder her, du alter Lustmolch hast jedenfalls Geschmack! Ansonsten ist „Vicky Cristina Barcelona“ natürlich ein Porno. Ebenso Porno wie es die Alters-milden Werke Allen's, mit Ausnahme des brodelnden „Match Point“-Wunders, halt alle gewesen sind. Ein Porno mit unverschämt schönen Menschen vor unverschämt schönen Kulissen. Zu sehen gibt’s hier trotzdem absolut nichts. Diesmal wurde eben Barcelona besucht und abgefilmt, Gott sei Dank sparsam über Kunst schwadroniert und in jene Kreise Beziehungs-zweifelnder Schönheiten entführt, bei denen nur wenig über das Glück des nächsten Ficks hinaus währt. Nett für den Moment, am Ende des Tages trotzdem ziemlich egal. Ein warmer Sommerfurz, der zumindest nicht stinkt, aber ebenso schnell wieder verflogen, wie er gekommen ist.
Bale und Leo spielen um die Wette und sich um den Verstand. Ausgerechnet Adams und Wahlberg holen „The Fighter“ dann schließlich auf den Boden der Tatsachen zurück. Den Weg eines Boxers auf der Suche nach Selbstbestimmung und den lang ersehnten Erfolg erzählt David O. Russell ansonsten so, wie man solche Filme eben erzählt: Mit Rock-Songs und Trainingsmontagen, authentisch-grobkörniger Elendsbebilderung und ganz viel Acting, schließlich verdient sich der Goldjunge nicht von selbst und nichts liebt Hollywood mehr als Maskentheater und Verkleidungstricks; vorzüglich abgefuckte, Milieu-geschädigte Outlaws, Trashmütter, Crack-Heads, Taugenichtse, Dürre. „The Fighter“ ist manchmal anstrengend, selten originell, erstaunlich bieder herunter-inszeniert und gelegentlich langweilig. Auch Bale ist zunächst anstrengend, wird aber besser und passt wunderbar zu Wahlberg's kleiner Idiotenrolle. Leo ist zunächst ebenfalls anstrengend, und bleibt es auch. Zumindest ist O. Russell immer bei seinem Proletariat, bei den Drogen-Opfern und verhinderten Box-Champions, den Tresen-Babes und Wasserstoff-blonden Assi-Bratzen. Ehrliches Interesse weckt der Film nämlich immer dann, wenn er sich seinem Protagonisten widmet und davon erzählt, wie er sich langsam von der Bevormundung durch Mutter und Bruder zu emanzipieren versucht, sein Schicksal in die eigenen Hände nimmt und blindlings nach vorne prescht. Das ist oft authentisch und rührend. Allerdings berichtet „The Fighter“ auch von Drogenproblemen und familiären Zwisten und opfert einen nicht unerheblichen Anteil der Laufzeit überkanditelten Milieu-Klischees. Es bleibt eben doch irgendwo der übliche Oscar-Quatsch, sensationell seichte Sonntag-Abend-Unterhaltung, die schnell wegzuschauen und noch schneller zu vergessen ist.
Vielleicht fängt den momentanen Zeitgeist kein anderer Film besser ein als "Spring Breakers"; weil er selber nur eine leere Fläche ist, auf die jeder interpretieren darf, was er möchte. Ob er die leeren, sich stetig wiederholenden Worthülsen, die aufgeblasenen Posen und andauernden Oberflächlichkeiten einer Welt voller Schwanzkompensatoren nun aber selber unhinterfragt abfeiert oder ganz gezielt dekonstruiert ist irgendwo dann auch scheißegal, dafür ist das alles zu geil, geradezu selbstbesoffen prätentiös und in seinem fragmentarischen Bilderrausch, der wie ein nervöser Fiebertraum über dich hinein-bricht einfach zu virtuos in Szene gesetzt.
Die vitale Entdecker-Phase eines gemobbten Nerds, und damit die sensationelle erste Hälfte, versteht Raimi in erster Linie als Variation bekannter Coming-of-Age-Motive. Am schmierigen Highschool-Rowdy lässt sich die gestählte Physis dann auch wunderbar demonstrieren, während selbst Parker das Wände-Krabbeln und Spinnennetz-Verschießen erst einmal erlernen muss, ehe er beflügelt vom unfassbaren Elfman-Score durch New York's Hochhaus-Schluchten schwebt.
Von den ersten Schlafanzug-Versionen seines späteren Helden-Outfits bis hin zum obergeilen Wrestling-Cage-Match (Weggefährte Campbell wird ein herrliches, erstes Cameo spendiert und anschließend zum Namensgeber ernannt) – den Findungsprozess einer Pop-kulturellen Ikone macht Raimi ganz konkret zum Thema dieses ersten Films. Schön, dass er Maguire dabei auch mal zum kleinen Arschloch mutieren lässt, ehe die unglückliche Verkettung von affektivem Fehlverhalten und Schicksals-haften Zufall sein großes, Weg-weisendes Opfer einfordert - „with great power, comes great responsibility“.
Der Comic-gemäßen Überhöhung setzt Raimi immer echte Figuren entgegen: Tante und Onkel versuchen sich finanziell über Wasser zu halten, verzweifeln am IT-regierten Arbeitsmarkt, Norman Osborn sitzen skrupellose Militärs und Kaffee-schlürfende Wirtschafts-Bonzen im Nacken und Parker wird zunächst nur zum Held der stillen Hinterhofgespräche.
Später dann, wenn Parker zu Spider-Man und „Spider-Man“ zu „Spider-Man“ wird, erweist sich der erste Ausflug des Spinnenmanns einmal mehr als Blockbuster-Kino von außergewöhnlicher Qualität; Kino voll von raffinierten Übergängen und abwechslungsreichen Action-Choreographien; kreatives, frisches Kino voll wunderbarer Figuren und dem schönsten Kuss der Filmgeschichte. „Spider-Man“ sucht in seinem knackigen Auge-um-Auge-Duell schließlich vor allem die ganz direkte physische Auseinandersetzung, statt die vorangegangenen Action-Set-Pieces nochmal potenzieren zu wollen. Und wenn Dafoe verrückt spielen darf, ist eh alles vorbei.
„Orphan“ reiht sich so vollkommen nahtlos, ganz ohne Ecken und Kanten, ohne Regung und Widerstand, völlig enthemmt und befreit von jeden weiteren, über Grenzen hinausreichenden Ambitionen in eine viel zu lange Liste von Filmen ein, die man gemeinhin auch als bewährte Genre-Kost zu bezeichnen pflegt; jene Filme also, die doch so kokett und gewissenhaft die Mechanismen und Klischees eines Genres spazieren tragen, das wie kein zweites mit dem billigen Plagiat zu kämpfen hat; ja sie sogar ganz gerne aufpoliert ausstellt und hier und da eifrig mit den Momenten des Herzkaspers zu jonglieren gedenkt.
Man könnte diese Symptome akuter Ideenarmut natürlich auch mit Traditionsbewusstsein übersetzen und „Orphan“ somit in eine liebevolle Hommage, eine herzliche, kleine aber feine Verbeugung vor den großen Brüdern und Schwestern seines Genres. Man kann die zum gefühlt tausendsten Male bemühten Handlungsverläufe und Wendungen, inklusive all seiner sensationell bekloppten Figuren aber auch einfach nur zum Kotzen finden und das schmierige Streber-Grinsen eines Genre-Beitrages ohne Ideen und Inspiration, ohne Kreativität und Eier am liebsten aus seiner hässlichen Fratze wischen wollen.
Viel zu schnell verliert „Orphan“ nämlich an ganz entscheidenden Stellen an Wirkung und die Figuren an Glaubwürdigkeit. Ganz besonders schlimm hat es Peter Sarsgaard's grottig geschriebene Idioten-Rolle getroffen, dessen Figurentod dann auch eher einer Erlösung gleichkommt, denn einem Schock, den es in dieser kopierten Kopie, diesem „soliden Genre-Beitrag“, diesem Brachland filmischen Einfallsreichtums sowieso nicht mehr zu finden gibt. Viel zu sehr gibt man sich mit der Wiederverwertung bekannter Motive (sie will doch nur mal anständig gevögelt werden) und alter Kniffe (einfallslose Eingangs-Sequenz) zufrieden. Viel zu selten macht „Orphan“ auch nur einen Anstand etwas über die Grenzen seines Genres hinaus entdecken zu wollen. Und viel zu oft torpediert die besondere Dummheit von Plot und Figuren die aufkommende Atmosphäre.
Empathie will man für diesen hirnverbrannten Haufen naiver Ehemänner und larmoyanter Ehefrauen, angenehmer Kinder und manipulativer Gothic-Gören sowieso nicht empfinden. Als sei es vermessen, ein gesundes Maß an Nachvollziehbarkeit in den Handlungen bedrohter Figuren zu erwarten, als sei es eine Sache der Unmöglichkeit Klischees abzustellen ohne der Wirkung solcher Filme abträglich zu sein und als hätten wir nicht schon genügend dieser Filme, die nicht müde werden den ewig-gleichen Genre-Ritus bis zur Besinnungslosigkeit durchzuexerzieren.
Die Eingangssequenz, quasi ein Massaker im Elfenbeinturm der Hochfinanz; wenn das Tötungs-Kommando anrollt und einen Mitarbeiter nach dem anderen zur Schlachtbank führt, schnürt einem buchstäblich die Magengegend zu. Überhaupt schnürt es einem die Magengegend zu, wenn man diese überbezahlten Orientierungslosen in ihren teuren Anzügen und schnellen Sportwagen sieht; mit dem Rücken zur Wand, über den Wolken New Yorks. „Margin Call“ schildert nun die Geschehnisse innerhalb einer jenen Bank, die noch vor dem großen Crash die Auswirkungen ihrer faulen Immobilienkredite begriff und mit dem Ausverkauf über Wert gehandelter Papiere als Auslöser der Finanzkrise 2008 gilt. Wer diesem Thema nur mit einem Mindestmaß an Interesse gegenübersteht, dem werden die Haare zu Berge stehen. Hochspannend, auf den Punkt gespielt und elegant gefilmt - „Margin Call“ erzählt dicht und auf 90 Minuten komprimiert vom Scheitern eines Systems, dem Fall des Kapitalismus und zuallererst von den Menschen hinter der Finanzkrise, denen im Angesicht der Leere unter ihren Füßen wohl auch schon zum Kotzen zumute sein dürfte.
Enttäuschend. Lawrence will zwar, kann aber nicht so richtig, die Action ist wirr, verwackelt und verschnitten, die Effekte äußerst schäbig, die Figuren eine einzige Frechheit und selbst wenn ich kein Freund von Logikfehler-Kritik bin, hier ist sie angemessen: Da hockt die Lawrence schon auf 'nem Baum und die Teene-Clique schafft es selbst dann und mit Bogen nicht, sie da herunterzuholen. Und die Veranstalter riskieren kurz zuvor natürlich auch, sie mit Feuerbällen auszuradieren, nur um sie auf die „richtige“ Fährte zu führen. In Nazi-Panem tragen außerdem alle doofe Hüte und sogar Kravitz glitzernden Lidschatten. Tucci ist aber mal wieder ganz toll! Ansonsten gibt’s unangenehmen Schmalz, erstaunlich viele Klischees (ist die Vorlage ähnlich beschissen?) und ein Happy-End, bei dem man zumindest einmal laut lachen darf.
Äußerst schade. Jackson erweist sich zwar einmal mehr als begnadeter Handwerker, aber eben einer mit dem Holzhammer bewaffnet. Ein Ärgernis ist das, betrachtet man hier so manche Sequenz, die in ihrer Qualität mit dem Gesamterzeugnis „In meinem Himmel“ so gar nichts gemein hat. Auch ärgerlich, weil sich Jackson nach vier epischen Leinwand-Abenteuern endlich einmal wieder jener kleineren Sorte Film widmet, die er schon vor seiner Abkehr vom Fun-Splatter hin zum vorbildlichen Literatur-Adapteur so erstklassig zu erschaffen wusste („Heavenly Creatures“).
Denn so wirklich wird man das Gefühl nicht los, dass Jackson der Abschied von großem Bombast- und Effekt-Kino doch merklich schwerer fällt, als zunächst angenommen. Dabei scheint doch gerade der Stoff, der sich dem Neuseeländer mit dem Roman Sebold's bietet, prädestiniert für einen Regisseur, der Schauspieler schon immer zu Höchstleistungen anzutreiben imstande war und selbst inmitten phantastischer Schlachtgemälde nie den Sinn für leise Emotionen verlor (Sam & Frodo), zumal er seit jeher ein Kind Spielberg's war, was er mit einigen großartigen Sequenzen in der Nebel-durchfluteten Vorstadt-Idylle abermals unter Beweis stellt.
Das Problem Jackson's ist diesmal ein ganz anderes und es überrascht dies gerade jenem Mann anzukreiden, der selbst in überbordendem Bombast-Kino noch immer auf der Suche nach ganz wahrhaftigen Emotionen war: „In meinem Himmel“ fühlt sich falsch an. Es fällt schwer sich in diese synthetischen CGI-Welten einer überraschend schmierigen „Alice im Wunderland“-Version fallenzulassen, ebenso wie sich das leider viel zu oft in Kitsch verlierende Drehbuch dem Eindruck platter Manipulation erwehren kann.
Umso störender ist das, weil es Jackson durchaus zuzutrauen wäre, einen solchen - prinzipiell spannenden und gerne auch sentimentalen - Stoff adäquat und fernab filmischer Brechstangen-Methoden auf die Leinwand zu übertragen. Stattdessen macht sich vor allem der offenbar bewusst übermäßige Gebrauch von künstlichen Computer-Animationen bemerkbar, bügelt dieser doch fast gänzlich jeden psychologischen Reiz aus einer erzählenswerten Geschichte und interessanten Figurenkonstellationen; zumal mit der faszinierenden Saoirse Ronan und einem repressiv-fiesen Stanley Tucci ein überaus fähiger Cast zur Verfügung stand.
Gerne würde man Jackson also für dessen imponierende Hemmungslosigkeit mit Mut zum ausladenden Gefühlskitsch belohnen, aber es ist immer etwas zu viel, etwas zu gewollt und zu konstruiert, als dass man diesen Film lieben könnte. Er versäumt es zwischen einer handwerklich hochklassigen Umsetzung der Vorlage auch gleichzeitig die Emotionen, die hier viel zu oft aufdringlich heraufbeschworen werden sollen, zu vermitteln. „In meinem Himmel“ verliert sich in der generischen Aneinanderreihung möglichst emotional aufgeladener Zeitraffer-Montagen und schwülstigem Esoterik-Gefasel.
Und dabei hat Jackson doch so viel mehr zu bieten. Dabei kreiert er doch selbst hier, gemeinsam mit seinem exzellenten Cast und einem einmaligen Gespür für Spannung und Timing, einige ganz memorable Momente. Etwa jenes, vor Spannung fast berstendes Vier-Augen-Gespräch in der erdig-leuchtenden Hölle, dem anschließenden Akt des Zerstörens, der viel wirksamer außerhalb unseres Blickfeldes von statten geht und dessen zügellose Brutalität sich uns erst in der Präsentation einiger, von blutigem Matsch verhangener Klamotten offenbart.
Oder der Eintritt in die Zwischenwelt, als das später folgende Bonbon-Universum in diesem fiesen, leisen Vorstadt-Thriller noch undenkbar schien und welcher in der Badezimmer-Szene nicht zufällig und ganz konkret an Frodo's fatale Begegnung mit den fünf Ring-Geistern auf der Wetter-Spitze erinnert. Es sollen bis zuletzt die stärksten Szenen bleiben und vielleicht haben wir einen der letzten, großen Geschichtenerzähler Hollywoods nun endgültig an den Bombast von Mittelerde verloren. Es wäre schade drum - äußerst schade.