_Garfield - Kommentare

Alle Kommentare von _Garfield

  • 6

    Seit einigen Jahren sind Filme wie „Moneyball“ in Hollywood keine Seltenheit mehr. Als quasi-dokumentarisch getarntes Autorenkino im wahre-Geschichte-Anstrich rücken Gründungsmythen wie „The Social Network“ oder kammerspielartige Krisen-Rekonstruktion wie „Margin Call“ endlich auch über Festival- und Fernsehgrenzen ("The Newsroom") hinaus in den Mittelpunkt. All diese Filme gleichen sich im Gefühl verfilmter Drehbuchseiten, und sind doch grundlegend anders; sie alle wahren sich eine formale Identität und doch zeichnet sie die Haltung aus, komplexe Zusammenhänge über lebendige Dialoge (Aaron Sorkin) und echte Menschen zu erforschen. Visuelle Spärenzchen stünden dem lediglich im Wege.

    „Moneyball“ reiht sich zumindest insofern in die neue Riege amerikanischen Autorenkinos ein, als dass er einen ähnlichen Ansatz verfolgt. Er ist inszenatorisch kalt, übersichtlich und zweckdienlich photographiert und kommt dem am nächsten, was man als Bühnenillusion bezeichnen könnte. Eine künstlich geschaffene Theaterbühne, die sich formal zwar an filmästhetischen Mitteln bedient, diese aber nicht als Antriebsfeder dafür versteht, den Zuschauer emotional zu involvieren.

    Natürlich geht es in „Moneyball“ auch um Veränderung und Wandel, darum gegen alle Widerstände am dem festzuhalten, an das man glaubt, natürlich geht es um starre Strukturen, die es aufzubrechen gilt und den reaktionären Abwehrmechanismus alt eingesessener System-Veteranen und die lästigen Windmühlen, die alles erschweren - um all das geht es in „Moneyball“. Vor allem aber ist „Moneyball“ ein Film über seine Hauptfigur, Billy Beane. Jene Figur also, die die Moneyball Years im modernen Baseball-Sport losgetreten hat und hier von Hollywood-Juwel Brad Pitt verkörpert wird.

    Beane bleibt fortwährend eine unnahbare, undurchdringbare Figur. Sie tritt in fast jeder Szene auf, aber sie bleibt immer ein Geheimnis. Wir nehmen die Position von Hill ein, der nach Offenlegung aller Zahlen und statistischen Analysewerte keine Geheimnisse mehr beherbergt. Er verleibt als auserzählter Beobachter, der hin und wieder an Pitt zweifelt und im Sinne des Zuschauers Verständnisfragen stellt. Und wie er vertrauen wir Pitt blind. In diesem Zusammenhang ist auch die quälend lange Niederlagenserie nicht bloß ein zweckdienliches, dramaturgisches Alibi, eine notwendige Station, um schließlich alles in einem entscheidenden Finalspiel kulminieren zu lassen, sondern zuvorderst eine Bewährungsprobe für die Figuren, die in Uneinigkeit ein einmaliges Experiment bestreiten.

    Hier setzt Miller eigenwillige Höhepunkte: Die darauf folgende, sensationelle Siegesserie bildet den dramaturgischen Höhepunkt. Erst der knapp errungene, zwanzigste Sieg in Serie, der den Spielraum durch Umschnitte auf Beane in den Katakomben und den Geschehnissen im Stadion spielerisch verdichtet, kreiert eine Siegermannschaft, die zur Meisterschaft fähig ist und liefert den Beweis: das System funktioniert. Miller platziert diese Montage jedoch interessanterweise in der Mitte des Films.

    Denn „Moneyball“ ist nach wie vor ein Film über Billy Beane, die Struktur des Filmes somit nur Ausdruck seiner inneren Welt. Er scheint nie ganz glücklich, immer versunken, den gesamten Film über steht er unter Strom, prescht nach vorne, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Selbst die Siegesserie, die Gewissheit etwas Historisches geschafft zu haben und nicht in Vergessenheit zu geraten, verliert jeden Wert, solange der Pokal nicht gewonnen ist. Es zählt nur der Gewinner. Der, der am Ende noch steht. Damit steht er auch für ein System voller Verlierer. Er bleibt immer getrieben, nie fertig, immer auf der Suche.

    6
    • 6

      Dass ich "Casshern" irgendwann einmal als Jugendlicher gesehen habe und er mir nach wie vor im Gedächtnis geblieben ist, spricht eigentlich für sich - oder mein seltsames Gedächtnis. Jedenfalls ist die Faszination verblieben, auch nach einer erneuten Sichtung, die eine kommende Enttäuschung geradezu zwangsläufig erwarten ließ. Schließlich steckt man cheesy CGI, riesige Roboter-Armeen und Anime-Gekloppe in dem Alter irgendwie noch besser weg. Schließlich war man mal genügsamer, unbefleckter - dümmer. Die Faszination von "Casshern" ist jedoch wie gesagt verblieben, weil die Manga-Adaption in Sonnenstrahlendurchfluteten Computerwelten ungeahnte erzählerische Kräfte um die unterschiedlichsten Einzelschicksale mobilisiert, die manchmal an Anno's Anime-Wunder "Neon Genesis Evangelion" erinnern. Mit dieser wundervollen Form japanischen Sentiments, das direkt unter die Haut geht und einem traumwandlerischen Score voller Facettenreichtum. Hinter Schwermetal und Japano-Trash, Overacting und blöden Frisuren offenbart sich ausladender Gefühlskitsch, der sich unerschrocken und naiv den Fragen des Existenzialismus stellt. Ich denke, wer wirklich sucht, kann hier mehr finden, wenngleich das natürlich Special Interest der allerersten Güte ist.

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      • 7 .5

        Der verwirrten Gedankenwelt Shinji's wird in „End of Evangelion“ - mehr als Ergänzung der Final-Episoden der Originalserie, denn als alternatives Ending – nun auch physisch Ausdruck verliehen. All das also, was sich aus den abstrahierten Denkprozessen und seelischen Konflikten seiner Protagonisten höchstens ableiten ließ, macht das nun ganz endgültige, auf Zuschaueranfrage nachgeschobene Ende greifbar. Einfacher zu erfassen macht „End of Evangelion“ die EVA-Serie deswegen aber nicht, sie erweitert vielmehr das ohnehin vielfältige Interpretationsspektrum des Universums. Der Introspektive folgt die Outrospektive. Anno stellt der verhandelten, existenziellen Krise eines Jugendlichen Untergang und Wiedergeburt der Menschheit entgegen; und mehr noch: er verknüpft sie miteinander und macht die Entscheidung des Individuums zur Bedingung des Fortbestandes eines Kollektives. Denn am Ende kreist alles um den Protagonisten. Willst du Leben und riskieren verletzt zu werden? Oder willst du vergehen, damit der Schmerz vergeht. „Wenn man leben will, wird jeder Ort zum Paradies.“

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        • 5

          „Der leere Sarg“

          Dreht sich fast ausschließlich im Kreis. Die Köpfe hinter "Sherlock" verlieren sich im Twist des Twists, weil letztlich sowieso nichts so ist, wie es zu sein scheint, weil hinter allem ein doppelter Boden steckt und das Kaninchen dahinter, weil man statt einer kreativen Vision zu folgen, zum Dienstleister einer selbst geschaffenen, kaum zu befriedigenden Fan-Gemeinde geraten ist. Also wird vornehmlich um sich selbst und den Paukenschlag der zweiten Staffel gekreist: Wie hat Sherlock überlebt? Am Ende dieser als verschachteltes Twist-Konstrukt getarnten Pose ist das eigentlich völlig egal, weil sich das künstlich hochgejazzte Mysterium um den Ausgang des Reichenbachfalls durch unzählige, potenzielle Ausgänge selbst entzaubert. Abseits davon pumpt "Der leere Sarg" einen Vierzig-Minuten-Plot durch hippe Überinszenierung und ewige Zeitlupen-Exzesse sogar auf Spielfilm-Länge auf. Langweilige Angeber-Figuren wie Mynecraft verschenken inzwischen jede Sympathie, während Cumberbatch jedem Poser-Gehabe entgegen sogar Momente rührender Menschlichkeit verleben darf, bis das Finale ihn wieder zum kolossalen Arschloch mutieren lässt. Es gibt Augenblicke, die machen Lust "Sherlock" weiterzuverfolgen, der Rest wird unter dem unbedingten Streben, besonders clevere Abend-Unterhaltung abliefern zu wollen, begraben. "Sherlock" ist ein riesiges Missverständnis.

          4/10

          „Im Zeichen der Drei“

          Zunächst, so scheint es, setzt sich der Negativtrend fort. „Im Zeichen der Drei“ startet über überflüssigen technischen Firlefanz und den absoluten stilistischen Overkill nämlich zunächst ein Ablenkungsmanöver nach dem nächsten; jeder Szenenwechsel wird nochmal akustisch unterstützt, keine Einstellung darf länger als fünf Sekunden verweilen. Die sinnvolle Verwendung filmästhetischer Mittel, die Sherlock's Beobachtungs- und Denkprozesse als integraler Bestandteil der Serie in schnittige Bilder übersetzt, ist längst zur eitlen Pose verkommen, die die Inszenierung nur noch selten als Diener versteht und seine Figuren viel zu oft zu einfachen Comic-Reliefs degradiert. Zumindest die Figur der Mary Morstan (Amanda Abbington) bringt frischen Wind in die Figuren-Konstellationen der Serie, weiß sie doch offenkundig mit Sherlock's unzähligen Eigenheiten umzugehen und immer wieder liebevollen Widerstand zu leisten. Völlig beschwipst vom andauernden Fan-Service und Angeber-Parolen scheinen die Autoren nämlich noch nicht, so markiert Sherlock's Hochzeitsansprache einen ersten, mittelgroßen Höhepunkt im dritten Serien-Jahr. So selbstreflexiv, so emotional intelligent und empathisch durfte sich Sherlock bisher nur selten geben und „Im Zeichen der Drei“ führt die Entwicklung des „hochfunktional soziopathischen“ Ermittler-Genies konsequent weiter. Man darf ihn nicht mehr nur bewundern oder ätzend arrogant finden, man darf ihn inzwischen sogar richtig lieb haben - trotz seiner Fehler, weil er manchmal wie ein kleines Kind ist und manchmal wieder ganz der Alte. Die Struktur von „Im Zeichen der Drei“ - die unzuverlässige Nacherzählung eines Falles, der von hinten aufgerollt wird und kleine Anekdoten als Teil der wundervollen Hochzeitsrede (schlimm: Sherlock und Watson auf Junggesellen-Abschied) – lädt zu einem gemütlichen Rätselraten mit spannendem Finale ein. Tatsächlich: „Sherlock“ funktioniert. Noch.

          5/10

          „Sein letzter Schwur“

          Und weiter geht’s. Auch Episode 3 führt die Entwicklung hin zu einem „neuen“ Sherlock mit einigen Überraschungen fort. Nun werden also auch die Drogen thematisiert und nach der für Sherlock äußerst verwirrenden Begegnung mit Irene Adler in Staffel 2 wird das weibliche Geschlecht sogar in seinem Schlafzimmer gesichtet, was in einer wunderbaren Szene mit Freeman festgehalten wird; eine Szene, die auch deswegen so wunderbar ist, weil Freeman – wie der Zuschauer auch – viel weniger an den Ausführungen über den sich anbahnenden Fall als an Sherlock's scheinbarer Beziehung interessiert ist, was „Sein letzter Schwur“ schließlich auch ganz konkret miteinander verzahnt. Darüber hinaus betritt nach zwei mehr oder minder entspannten Detektiv-Abenteuern nach Moriaty nun ein weiterer, ernst zu nehmender (Bond-)Bösewicht die Bühne und pisst Sherlock und Watson sogar ganz wörtlich ans Bein. Der angenehm twistige Fall hält nach dem soliden zweiten Durchgang zudem einen weiteren Höhepunkt bereit, der die große Überraschung mal wieder selbstbesoffen überinszeniert. In einigen Momenten ist „Sherlock“ dann sogar so gut wie zu besten Zeiten, wenngleich das eigene Miträtseln bei so viel Wendung, Illusion und Kartentrick irgendwann auf der Strecke bleibt. Am Ende ist nur sicher, dass nichts sicher ist - das lehrt uns schließlich auch der obligatorische Cliffhanger, der das vorhersehbare, aber spannende Finale vollkommen ad absurdum führt.

          5/10

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          • 6 .5

            Die Sklaverei ist verbannt, eingemottet, schließlich hat der Abolitionismus längst seine Früchte getragen. Aus dem schwarzen Sklaven Jim ist der weiße Aussteiger Mud geworden. Aber auch dieser ist ein Ausgestoßener; ein von der Gesellschaft nicht länger duldbarer Revolverheld, der das Gesetz einmal zu oft in die eigenen Hände genommen hat und nun auf einem Eiland im Herzen Arkansas als notgedrungenes, isoliertes Exil auf Hilfe angewiesen ist. Die Beziehung zu seinem Exil ist ambivalent – sie ist Schutz und Strafe zugleich. Aus Jim wird Mud. Aber die Probleme sind für Huck (hier: Ellis) nach wie vor die selben: Was soll ich tun? Und was davon ist das richtige? „Another boy's book“ nannte Twain seine Geschichte 1876, nun ist es „another boy's film“, der strikt aus der Perspektive eines heranwachsenden Herumtreibers und im Geiste schweißtriefender, dauer-nuschelnder Südstaaten-Karikaturen Männerfreundschaft und erste Liebe erforscht – mit all dem Glück und all dem Scheiß. Der innere Kompass eines Kindes, die innere Stimme, die drängt und sich nicht verstummen lässt, ist es schließlich, die hier die Entscheidungen trifft, Verantwortung übernimmt. Und der stille Schrei nach Gerechtigkeit, der sich weigert nicht weiter geträumt zu werden. Mit der Unterstützung eines anpackenden Anti-Helden, der immer auch idealisierte Vaterfigur bedeutet, weil der eigene zu sehr beschäftigt ist mit sich selbst und einer Welt aufgefüllt mit verkomplizierenden Erwachsenenproblemen. Das böse Erwachen kommt schließlich so oder so und lässt Macho-Ideale und Südstaaten-Romantik gnadenlos in sich zusammenbrechen, während sich Ellis auf seinem Weg zur Mannwerdung schmerzlich von seinen Illusionen lösen muss; vor allem jener, dass mit dem Alter vieles klarer wird. Und doch muss man in „Mud“ nichts für bare Münze nehmen, lässt Nichols doch wie schon in seinem Vorgängerwerk "Take Shelter" vielfältige Interpretationsmöglichkeiten bestehen. Das eröffnet einen freien Blick, der vieles zulässt und nichts versperrt.

            5
            • 5

              Eigentlich wurde zu "Man of Steel" bereits alles gesagt. Nur noch soviel: Snyder scheitert auf faszinierende Weise. So hüftsteif und angestrengt inszeniert gegenwärtig wohl kein anderer amerikanischer Regisseur Blockbuster-Kino. Und niemand scheint so verloren, wenn dann doch einmal der Versuch unternommen werden soll tatsächlich so etwas wie Humor unterzubringen ("He's hot"). Ansonsten Snyder as usual: leere Bilder, die sich formidabel in ersten Teasern machen, Figuren, die keine sind und sehr viel unübersichtlicher, mitunter erstaunlich hässlich getrickster Krach, der in Anbetracht der übertriebenen Fähigkeiten seines Protagonisten wohl zwangsläufig zu erwarten war. Für große Performances ist hier selbstredend kein Platz. Zumindest die deutsche Vertretung macht als schnörkellos fiese Erfüllungsgehilfin einen guten Eindruck. Superman kann man so casten, Adams spielt verzweifelt gegen das pure Chaos an und Crowe ist, nun ja, er selber halt. Ein seltsames, inkohärentes, aber gleichwohl faszinierendes Erlebnis ist dieser Mann aus Stahl, der alle Dimensionen sprengt, aber eben dennoch. Faszinierend gescheitert, in Schönheit gestorben.

              7
              • 7

                Die tiefen seelischen Probleme seines Machers, bis zum Verlust des Lebenswillens, verhandelt diese bemerkenswerte Serie in ihren finalen Episoden schließlich ganz konkret. Die einfache Wahrheit – und nur weil sie einfach ist, ist sie nicht weniger wahr – nämlich jene, dass die Vergangenheit uns zu dem macht, der wir sind, hat schon lange niemand mehr so inbrünstig, so entwaffnend sentimental artikuliert. Oder dass Probleme, wie dem Umstand ohne Mutter oder Vater aufgewachsen zu sein, nicht an Bedeutung verlieren, nur weil wir nicht alleine mit ihnen sind.

                Und lange schon hat sich keine Serie mehr so unerschrocken in die Psyche ihres Protagonisten begeben und vermeintlichen Phrasen ein solches Maß an Wahrhaftigkeit abgewonnen. Pure, überhaupt nicht banale Wahrhaftigkeit, zu der sich auch problemlos ein Bezug zum eigenen Leben herstellen lässt.

                „Neon Genesis Evangelion“ bedeutet Flucht, Lethargie, Japano-Dreck und große künstlerische Ambition. Nach einem durchwachsenden ersten Drittel, das offenbar zuvorderst kommerzielle Erwartungen zu erfüllen suchte, was sich in einer unschönen, repetitiven Monster-of-the-week-Struktur äußerte, werden die Ambitionen Anno's ein abstraktes, zwischenmenschlich verzahntes Cyberpunk-Universum um einen verunsicherten Jugendlichen zu kreieren, ganz deutlich. Dann findet die Serie ganz zu sich und ganz zu einer eigenen, lebendigen Sprache, formal herausragend und endlich bei seinen Figuren.

                Japanische Prüderie und ein seltsames Verständnis von Nacktheit und Sexualität, die die Serie auch automatisch an eine Generation Anime-schauender Jugendlicher kommuniziert, sind dennoch ein Problem, das auch „Neon Genesis Evangelion“ nicht lösen kann und das auch abseits einer nervenaufreibenden Figur wie Asuka (in der Rebuild-Reihe schließlich dekonstruiert) immer wieder Sympathien verschenkt. Aber das ist Formalia, die das außerordentliche Figurenarsenal und der existenzielle innere Konflikt seines Machers und seiner Figuren, diese Geschichte von Opfern, Lethargie und Kompensat, von Vaterkomplex und den Zweifeln in jedem von uns, immer wieder vergessen machen.

                Manchmal muss man alles verlieren, um erkennen zu können, was man hat. Etwas, das auch in der außergewöhnlichen formalen Reduktion der finalen (Freud'schen)-Episoden Ausdruck findet. Ein Großteil der Fangemeinde sah das anders. Nicht zuletzt also berichtet „Neon Genesis Evangelion“ auch vom Kampf gegen seine Zuschauerschaft und die Wut um den geplatzten Traum. Die Windmühlen und das Geschäft mit dem Fetischismus, die Lüge im Traum. Der Himmel färbt sich rot. Der Kampf lohnt sich. Bestimmt.

                “There are too many painful things for people to go on living in reality. Thus, humans run and hide in dreams. They watch films as entertainment. Animation, as a means to enjoy everything in a pure, fake world, is a realization of dreams and has become entrenched in film. In short, it is a thing where even coincidences are arranged and everything judged cinematically unnecessary can be excised. The negative feelings of the real world are no exception.” – Hideaki Anno

                9
                • 7

                  Mit Newman und Hall verlassen in "Road to Perdition" gleich zwei Großmeister die Bühne Hollywoods. Und als letzter Regisseur kommt Sam Mendes in den Genuss der aufwendigen Kameraoperationen eines getriebenen Perfektionisten, dessen Arbeit dieses wundervoll arrangierte Moral-Stück ganz entscheidend prägt. Gangsterfilme, die in einer regen-verhangenen Metropole Amerikas der 30er zu verorten sind, gab es bereits zuhauf zu sehen, und doch atmet "Road to Perdition" durch seine zeichnerische Vorlage einen anderen Geist. Der formalen Stilisierung setzt Mendes echte Charaktere entgegen und den Taten eines system-gefangenen und bis zum Schluss unmündigen Rächers die moralische Einbahnstraße.

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                  • 6

                    Schmuddeliger Gialo, der vor den Klängen der Hochkultur die Blutwurst anrichtet. Nur zum Opernterror rast der Schwermetall während die Knochen knacken und das Frischfleisch schmatzt. Vor den Arien aus Macbeth, das auch wie ein böses Omen über der Premiere der Vorstellung steht, inszeniert Argento nachhaltige Momente voller Suspense und Terror, denen alsbald eine offene Konfrontation hinter samt-roten Vorhängen folgt. Bis die Schatten dem Visiblen weichen und die Wunden sichtbar werden.

                    6
                    • 6 .5

                      Argento's Talent liegt abseits des gesprochenen Wortes. Abseits des Dialogs, der immer auch eine gewisse Eindeutigkeit verlangt, die man hinter Bildkompositionen und Soundkulissen verschleiern kann. Ähnlich wie De Palma beweist Argento außerordentliches Talent darin, retardierende Momente zu gestalten und auszukosten. Scheinbar beiläufige Sequenzen werden dann plötzlich zum Zentrum inmitten still stehender Zeit. Die Defizite abseits der gestalterischen und handwerklichen Meisterschaft von "Suspiria" gereichen ihm inzwischen ironischerweise gar zum Vorteil, speist sich doch ein nicht unerheblicher Anteil des Spaßes aus dem unfreiwilligen Humor hüftsteifer Performances, die die grandios quasseligen Dialoge in bestem Britisch-Schulenglisch runterleiern. Man muss ja nicht immer alles so ernst nehmen.

                      5
                      • 6

                        In den Händen von Satoshi Kon gerinnt "Perfect Blue" zum nervösen Fiebertraum, dessen Bilder nachhaltig Eindruck hinterlassen. Das Drehbuch von Sadayuki Murai hingegen hält sich Anime-typisch mit Offensichtlichkeiten auf und lässt diese nur zu gern über seine Figuren verlautbaren. Das Metaspiel mit dem Showgeschäft, das die Identitätskrise der Protagonistin aufgreift und kodiert ausstellt, bleibt leider nur ein kurzweiliger Trip, der auf den größtmöglichen Effekt ausgelegt ist ohne die Diskussion um Medienmechanismen ernsthaft zu vertiefen. Allein aufgrund des einmaligen audiovisuellen Gespürs seines Regisseurs ist "Perfect Blue" aber jederzeit einen Blick wert und eröffnet bereits einen kurzen Ausblick auf jene Themen, die sein Schaffen bis zuletzt bestimmen sollten.

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                        • Wundervolle Liste und jede Menge Vormerkungen für mich. Gerade von deiner "JSA"-Wertung war ich seinerzeit äußerst überrascht.

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                          • 7

                            Hinter herrlichen Herbstfarben bröckelt die Fassade. Natürlich ist hinter der Eierschale nicht alles perfekt. Sexualität will entdeckt werden, oder wiederentdeckt, weil man zwischendurch die Lust am Körper des Bettnachbarn verloren hat. Oder die Lust auf sich selbst und das Leben, das um einen kreist; das man konstruiert hat, arrangiert, perfekt, aber endlich, weil man dachte, dass es so sein muss und womöglich immer so sein würde. Dass du so sein musst. Wahre Experten gibt es hier nicht; höchstens jene, die ihre Sache schon dreißig Jahre lang falsch machen. Und alle sind irritiert, verunsichert, unschlüssig darüber, ob das okay ist oder nicht; was die Grenzen sind, was geboten und was verboten. Der Kopf des betäubten Schwarms zwischen den Beinen, das Begutachten eines fremden Geschlechtsteils mit der Wissensbegierde eines Kittelträgers, weil das Blut noch lange nicht überall zirkuliert oder der ungelenke Quickie im Auto mit der Ehefrau des Mannes, der komatös in seinem Badezimmer weilt. Gleiches mit gleichem vergelten. Funktioniert nicht. Hat es nie. Auch diesmal nicht. Ang Lee dreht einen Film über die Lust in uns und das, was Liebe bedeutet, was geht und was nicht. Der Regen erstattet keine Absolution und eröffnet auch keine Aussicht auf Erlösung. Es ist nur Regen, kondensiertes H2O, das in tausenden Höhenmetern zu Eiskristallen gefroren ist und nun herabrieselt. Der Weg liegt noch vor ihnen (© Punsha), aber ein erster Schritt ist getan: Katharsis.

                            5
                            • 6 .5

                              Ein Film, der vieles anreißt, andeutet, aber wenig vertieft oder durchexerziert vor uns ausbreitet - und das ist okay, weil er ein Thema anstößt, zu dem bis heute weder Antworten noch Lösungen gefunden wurden. Eine Gesellschaft, die sich schwer tut, über die Opfersituation hinaus, auch die des Täters zu akzeptieren und der Möglichkeit, dass manchmal beides beisammen liegt. Pädophilie auch als Krankheit zu begreifen mag schmerzhaft sein, und weniger einfach, aber sie bereitet womöglich den Weg für Hilfe für alle Seiten. Ein filmisches Essay, das dieses Thema fernab strikter Realismus-Normen chiffriert ins Rollen bringt, aber weder wertet, noch zu einem Ende führt. Alle Figuren vereinen sich in Bacon, alles kreist um ihn: der Polizist als wachsamer, rationaler Schutzengel, die Freundin als ein Ausdruck der Vergebung – vor allem sich selber gegenüber -, das kleine Mädchen, in dem sich die eigene Versuchung, doch dem Drang nachzugeben, widerspiegelt und der blonde Unbekannte, „Candy“ genannt, als physische Manifestation der Auseinandersetzung mit den inneren Dämonen. Darüber hinaus stellt sich die Frage nach der Effektivität therapeutischer Methoden und ob es der Integration ehemaliger Sexualstraftäter nicht zuträglich wäre, das gesellschaftliche Umfeld einfach im Unglauben zu lassen (wolltest du mit einem Pädophilen zusammenarbeiten?), weil unmittelbare, emotional verblendete Reaktionen einer Verbesserung der Situation solcher Leute (und der Aussicht sie wirklich so etwas wie „Heilung“ widerfahren zu lassen) nur leidlich zuträglich wäre. All diese Dinge spricht „The Woodsman“ an, manchmal, aber wirklich nur manchmal mit dem Holzhammer, mit Spaß an einer eigenen filmischen Sprache und durchweg überzeugend, gar wunderbar unkonventionell gespielt, nicht zuletzt von Bacon als repressiv-getriebener, pädophiler Ex-Häftling Walter. Ernst zu nehmende Beiträge zu diesem schwierigen Thema sind rar gesät, „The Woodsman“ ist einer von ihnen.

                              4
                              • 5

                                Beeindruckend zu sehen, zu was die Pixar-Leute - die damals noch unter der Lucasfilm-Flagge agierten - schon 1984 imstande waren. Die technologischen Innovationen, die ILM im Zuge des gigantischen „Star Wars“-Erfolges hervorbrachte, nutzte schließlich auch Pixar-Veteran John Lasseter für „The Adventures of André and Wally B.“. Lasseter's Abteilung ging nach dem Verkauf an Steve Jobs in den Pixar Animation Studios auf und brachte mit „Toy Story“ 1995 schließlich den ersten vollständig digital animierten Spielfilm hervor.

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                                • 7

                                  Wer es noch nicht kennt und sich die Zeit bis zum Kinostart des siebten Teiles vertreiben möchte: https://www.youtube.com/watch?v=YfqeFs7PODI&list=WL&index=27

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                                  • 7

                                    Brandon Lee's Crow nimmt Ledger's Joker-Interpretation bereits um vierzehn Jahre vorweg und dessen Tod (eine weitere Parallele) trägt zur mythischen Überhöhung dieses rohen, gerade aufgrund seiner Unfertigkeit faszinierenden Comic-Wunders zusätzlich bei. In einer Szene, die Krähe platzt in ein Meeting der kriminellen Elite rein und nimmt sogleich Platz, scheint sich Nolan sogar ganz konkret von "The Crow" inspiriert haben zu lassen. Lee's letzte Karriere-Performance speist sich derweil aus einer ausgestellten, wirkungsvollen Pose, die den literarischen Ursprung sichtlich ehrt und den Schmerz eines Maske-tragenden, zutiefst traurigen Einzelgängers, unfähig sich aus dem Schatten der Vergangenheit zu lösen. Die Krähe lebt in einem kriminellen Moloch Fratzen-verzerrter Egomanen und Okkult-gläubiger Freaks und die Bausubstanz ächzt unter dem unaufhörlichen Prasseln des Regens. Die Figuren in dieser Welt sind undurchsichtig und nie ganz durchschaubar. "The Crow" ist wie der Spielfilm, den Nine Inch Nails nie gemacht haben; voller Schmerz und voller kleiner Wunder, der Poe's einzigartiges Gedicht "The Raven" thematisch aufgreift und über das Motiv der Rache als Antriebsfeder ausweitet. Es ist sowieso ein Wahnsinn, dass dieser Film, nicht zuletzt auch einer über Außenseitertum und Trauerbewältigung, schließlich in dieser Form fertiggestellt wurde. Als letzte Erinnerung an einen Toten - welch Ironie. „And my soul from out that shadow that lies floating on the floor / Shall be lifted – nevermore!“

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                                    • 2

                                      Das war nüscht. Einfach nichts. Nichts. Kein Esprit, kein Charme, keine Ecken, keine Kanten. Unsympathischer Proll mit Nerdbrille wird zum Superheld und mutiert mit den gewonnen Kräften zu einem noch größeren Arschloch. Alle anderen Figuren sind - wie gesagt - nichts. Keine Menschen, keine Charaktere, nur leere Hüllen, die irgendwelche austauschbaren Dialogzeilen in fürchterlichen Rückblenden brabbeln, ohne Zusammenhang. Sheen ist noch okay, und Stone nervt nicht. Der Raimi-Interpretation kann Webb nichts hinzufügen, wobei von dem hier sowieso nichts zu spüren ist. Auftragsarbeit eben, inzwischen gar industriell ausgeweitet, bis 2020 heißt es Fließband, um als Erfüllungsgehilfe visionsloser Studiobosse Reichtum anzuhäufen. Es gibt auch eine Dramaturgie, und Effekte, und eine Liebesgeschichte. Der Gegner ist 'ne hässliche Eidechse, die die Welt verbessern will und die Effekte richtig schön rundgelutscht. An diesen Trümmerteilen kann man sich nicht verletzen, deswegen ist die Gefahr natürlich auch nicht real. Und die Liebesgeschichte wird im Vorbeigehen erzählt, wobei mit der unkomplizierten Gwen Stacy schon alles nach fünf Minuten geklärt ist. Es bleibt nichts. Kein Gefühl, keine Regung, nur gestohlene Lebenszeit. Und Leere, wie sie einen bei Unterhaltungskino heutzutage eben immer öfter ergreift.

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                                        Zweigeteilt. Es ist ziemlich genau die erste Hälfte, die noch schwankend, gelegentlich lichtdurchlässig, ansonsten schattenhaft ein ungleiches Geschwisterpaar durchs amerikanische Hinterland rasen lässt und den Kackstift in die Hose treibt. Dabei hätte man auch hier schon ahnen können, welchen Weg dieser schizophrene Flickenteppich aus der Produktionsschmiede Coppolas beschreiten würde, wenn die weibliche Hauptfigur sich schon mal präventiv-ironisch für alles Folgende entschuldigt: „You know the part in scary movies when somebody does something really stupid, and everybody hates them for it? This is it.“ Total ironisch und total Meta, aber auch total blöd.

                                        Trotzdem, diese erste Hälfte geht klar, weil die kompletten Nonsens-Dialoge von Justin Long (total erstaunt) und Gina Philips (ähm, total schön) sympathisch vorgetragen werden und „Jeepers Creepers“ ganz wunderbar mit räumlichen Bildebenen arbeitet. Immer wieder verschiebt Regisseur Victor Salva die Handlungs-treibenden Elemente nämlich in den Hintergrund, ehe er sie nach vorne holt oder über eine der Figuren verlautbaren lässt; etwa dann, wenn die Bedrohung (in der ersten Hälfte lediglich eine schnoddrige Dampfwalze) als vager Schatten im Hintergrund anrollt ohne von unseren Protagonisten erkannt zu werden - „Duel“ lässt grüßen. Hier funktioniert „Jeepers Creepers“ tatsächlich, in seinen kinetischen, physischen, primär von rasende Maschinen getriebenen Sequenzen. Und dann hält Salva mit einem von Leichen übersäten Kellergewölbe sogar einen ganz memorablen Moment bereit, der die ansonsten schäbig bis okay getricksten Maskenkreationen durch die kluge Lichtgestaltung beinahe wertig erscheinen lässt.

                                        Es ist ziemlich genau die zweite Hälfte, die konsequent, gelegentlich albern, ansonsten sehr albern ein ungleiches Geschwisterpaar von einer überdimensionierten Fledermaus durch ein amerikanisches Polizeirevier jagen lässt. „Jeepers Creepers“ lässt die Hosen runter, total, tritt das Gaspedal durch, macht volle Lotte Genre-Kino. Dabei geht Salva lediglich zurück, reanimiert das Phantastische, das Unerklärliche, gibt dem Bösen ein Gesicht. Ein imponierender Zug, auf die gute, erste Hälfte zeitgenössischen Sehgewohnheiten entsprechenden Genre-Kinos, ein ironisches Creature-Movie folgen zu lassen.

                                        Ausgerechnet finanziell, also von jenen, denen ein solcher Schritt doch am wenigsten zuzutrauen wäre, den Massen horrorfilmguckender Durchschnitts-Amerikaner nämlich, wurde dieser Schritt mit knapp 60 Millionen Dollar Einspielergebnis belohnt. Die Filmkritik rügte „Jeepers Creepers“, einer dieser raren Filme, die Begrenzungen und Genre-Konventionen nicht für bare Münze nehmen, sie gar verschieben, weiter treiben und sich mit ihnen zu spielen trauen, dagegen einhellig. Allen anderen sei dieser Quatsch irgendwie empfohlen - sei es für die erste oder die zweite Hälfte.

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                                          Aus der Perspektive eines Outsiders verschieben sich plötzlich Wahrnehmung und Rezeption. "Under the Skin" versteht die Menschen in erster Linie als Opfer ihrer Triebe, als ein seltsames, missverständliches Wesen, dessen größte Antriebsfeder zwischen den Beinen hängt, Schwanz-gesteuert, dauergeil. In der Begegnung mit einem Mann mit Neurofibromatose eröffnen sich dann die Vorzüge ihres unverstellten Blickes: Kein Vorurteil, keine vorschnelle Bewertung bestimmt ihr Handeln. Sie ist fair und behandelt jeden Menschen gleich. Die Unterschiede kümmern sie nicht. Dem Ideal eines wertvollen gesellschaftlichen Mitglieds, das Gleichberechtigung lebt, statt sie bloß zu verlautbaren, kommt kurioserweise jemand außerhalb dieser Grenzen am nächsten. Erst der Versuch Verständnis und Empathie aufzubringen, die Nuancen unseres Wesens, die Alltagsbeobachtungen und Ausdrücke zu einer Regel abzuleiten, scheitert. Der Jäger wird zum Gejagten. Sie zerbricht an uns.

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                                          • Wo hast du denn einen Anti-Hype gegenüber "American Hustle" wahrgenommen? Allein die vielen Oscar-Nominierungen sprechen doch (zumindest in den Staaten) für das genaue Gegenteil. Und auch in der deutschen Presse kam der doch gut weg.

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                                              über Birth

                                              Verblüffend. Kein handwerkliches Ausstellungsspiel, keine leeren Hochglanzbilder, kein Posing. Glazer lässt seine Werbefilm- und Musikvideo-Vergangenheit weit hinter sich, weil er versteht, dass das eine nur bedingt mit dem anderen zu tun hat. Er inszeniert mit sicherer Hand, absolut erstklassig, streckenweise atemberaubend, aber seine Inszenierung dient einem Zweck. Schauspieler-Kino aller erster Güte ist das, in dem Kidman als eigensinnige, zarte Schönheit auf den Spuren von Mia Farrow wieder einmal beweisen darf, welch begnadete Schauspielerin sie doch ist, während Danny Huston als Verlobter versucht im Angesicht sich anbahnender Unordnung Contenance zu wahren, ständig angetrieben oder entschleunigt vom wahnsinnig facettenreichen Score eines Alexandre Desplat, der die innere Unruhe und Unordnung der Figuren musikalisch wiederspiegelt. Und Glazer führt alles zusammen, ordnet an, dirigiert. Alles für das Gedankenspiel, alles für den Film. Leider fällt es schwer sich wirklich empathisch den Figuren zu nähern, dazu sind sie zu weit weg, zu unfassbar, fast parabolisch. Trotzdem sind die Figurenkonstellationen interessant und die Dynamik, die mit dem Auftauchen Sean's in Gang gesetzt wird. Er eröffnet sowohl einen ungeschönten Blick auf den Verlobten (in einer wilden, großartigen Szene festgehalten), als auch die psychische Labilität von Kidman's Figur, die nach wie vor den tiefen Schmerz eines Verlustes in sich trägt; ein Schmerz, der so tief ist, dass sie für die Aussicht auf eine Rückkehr zum Status quo alle aufgebauten sozialen Strukturen, ja ihr ganzes, perfekt arrangiertes Leben dafür fallenlassen würde. "Birth" lebt von seiner tieftraurigen Protagonistin und der Illusion eines Glücks, das nie gelebt werden kann. Die Optionen sind eingeschränkt: Tod oder Unterwerfung? Hoffnung war gestern.

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                                                über Heat

                                                Die letzte Einstellung: Der große Al Pacino hält die Hand seines dahinraffenden Gegenspielers, gespielt von Robert DeNiro. Beide verblassen im tiefschwarzen Halbschatten, halten inne, erschöpft. Doch die Betriebsamkeit des Flughafens verhallt nicht, setzt nicht aus, hält nicht andächtig inne, um des Todes eines Giganten gewahr zu werden. Das Universum lacht und das Leben dreht sich weiter. Ein großer Moment zweier prägender Schauspielgrößen, inszeniert vom Genre-Spezialisten Mann, der das flimmernde L.A. in eiskalte Bilder taucht. Vom Leben und Sterben, aber vor allem vom Scheitern dysfunktionaler Beziehungen handelt "Heat", das hitzige Duell zweier stoischer Egos, die sich einreden nur in der einen Sache Erfüllung zu finden. Das Ende ist vorprogrammiert: der Fall, das Scheitern. Doch der Schmerz in dieser tieftraurigen Ballade über das Unvermögen des Miteinanders im Pluralismus vergeht nicht. Die Selbstzerstörung wütet in jedem von uns.

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                                                • 7

                                                  Los geht’s mit einem erwachsenen Einstieg, der nichts erklärt und doch den Ton für die kommenden 90 Minuten setzt. Das hat in diesen Momenten nichts mehr mit kindgerechter Unterhaltung zu tun und verweist bereits auf die spannende Prämisse des sechsten Kinofilms: Virtual Reality. Dieses Konzept ermöglicht es Conan ein von seinem Vater (ein Schriftsteller, der hier einen seiner raren Langzeit-Auftritte hat) erdachtes Videospiel zu betreten, welcher sogar Elemente aus seinem eigenen Leben in die virtuelle Realität transferiert hat (er leiht Holmes sein Gesicht). Platte Kommentare zur gesellschaftlichen Elite des Inselstaates und damit zu einem sich im Kreis drehenden System, in dem hochrangige Positionen lediglich innerhalb geschlossener Familiendynastien weitergereicht werden, kann sich "Das Phantom der Baker Street" dabei aber nicht verkneifen.

                                                  Die Figur des Sherlock Holmes, die nicht nur in der Originalserie immer wieder eine zentrale Rolle spielte, sondern auch eine maßgebliche Inspiration für den namensgebenden Protagonisten gebildet haben dürfte, erfährt hier durch mehr oder minder offensichtliche Verweise (von Moriarty bis Irene Adler sind alle dabei) und vor dem Hintergrund der englischen Hauptstadt im 19. Jahrhundert eine respektvolle Hommage (Conan vs. Jack the Ripper), die auch die eigenen Parallelen zum literarischen Vorbild ironisch reflektiert - „Die Baker-Street-Bande macht also das selbe wie wir“. Den Täter von Beginn an zu offenbaren beschneidet den Film dabei auch viel weniger in seinen Möglichkeiten Spannung zu erzeugen, als dass er den Fokus lediglich auf andere Aspekte der wunderbaren Geschichte zu lenken weiß und das Wissen um den Mörder gar als Antriebsfeder für den Zuschauer nutzt.

                                                  Sobald das Cyberspace nämlich erst einmal als letzte Ruhestätte eines auf ewig gefangenen Geistes in Aussicht gestellt wurde und das zur Massenbelustigung erdachte Produkt durch einen Hackerzugriff zum Spiel auf Leben und Tod erhoben, generiert „Das Phantom der Baker Street“ seine Spannung an ganz anderer Stelle. Diesem sechsten „Detektiv Conan“-Film geht nicht einmal zum Finale die Puste aus, ganz im Gegenteil: zum Schluss gibt’s noch die androgyne Jack the Ripper-Version der Japaner, eine nicht enden wollende Zugfahrt und ein Conan, dem für einen kurzen Moment die Ratlosigkeit ins Gesicht geschrieben steht. „Also wirklich, dieser Computer hat einen schlechten Charakter.“

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                                                    Netter Campingausflug. Gerne schnarchig (die Einführung), manchmal spannend (der Mord & die Überführung), aber immer sympathisch (die Gefühlsduselei). Das Finale (brennendes Hochhaus) kopiert „Countdown zum Himmel“ ganz frech vom ersten Leinwand-Abenteuer und das Auftauchen der Männer in Schwarz bleibt ohne jede Relevanz. Der Schlussakt gipfelt dann zumindest richtig schön over-the-top. Ansonsten scheint der Umfang der Handlung kaum ausreichend für einen abendfüllenden Spielfilm und wurde für die deutsche TV-Ausgabe beschnitten, um im Doppelfolgen-Format seine Premiere zu feiern.

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