_Garfield - Kommentare
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Alle Kommentare von _Garfield
Die ausführlichen Intros der Conan-Filme erlauben es sogar interessierten Neueinsteigern hier einen kurzen Blick zu riskieren. Für Fans gibt es derweil ein Wiedersehen mit alten Bekannten, routiniertes Schnüffeln eines klugscheißenden Teenagers und Animationen, die leider nicht über Serien-Niveau hinauskommen. Am Status quo ändert sich auch hier nicht viel und all jene, die mit der Serie schon nichts anzufangen wussten, werden auch mit dieser netten Hatz nicht umgestimmt werden können. Ansonsten folgt zumindest die Erkenntnis, dass Conan auch auf der großen Leinwand funktioniert.
"Ferris macht blau" hat mit dem „Twist and Shout“-Cover der Beatles einen richtig starken Moment zu bieten. Ansonsten kreist das stets als 80er Kult ausgewiesene Schwänzerfilmchen nur um seine titelgebende Hauptfigur, die wiederum nur um sich selber kreist und die Probleme die jugendliche Bonzen eben um sich herum konstruieren. Kaum auszuhalten ist der Klamauk um eine Rektor-Karikatur, noch schlimmer die Art und Weise wie Hughes seinen Protagonisten zentriert, offenbar in der ernsthaften Erwartung diesen sympathisch zu finden. Das Generationsporträt, das Hughes in "The Breakfast Club" noch zeichnete, weicht einem "frechen" Bubenstück gegen das Establishment. Von den sensiblen, reflektierten Figuren aus seinem Vorgängerfilm ist nur Cameron als zweifelnde Identifikationsmöglichkeit geblieben. Hier verschafft wohl höchstens die rosarote 80er-Brille und die getrübte Erinnerung Abhilfe.
Leider nicht so gut. Fällt das erste Drittel noch durchaus interessant aus und besticht durch eine spannende Prämisse und subtiles Zukunfts-Design, zerläuft "Looper" mit Betreten einer kuscheligen Maisfarm leider völlig. Dafür, dass schließlich alles um eine alleinerziehende Mutter (zufällig heiß und jung) und ihren Rampage-laufenden Autisten-Sohn kreist, kleistert Johnson zu viele Klischees von unsterblicher Mutterliebe und einem sich wandelnden Einzelgänger aneinander. Ein kurzes Intermezzo darf da natürlich nicht fehlen - die unerotischste Sex-Szene der vergangenen Kinojahre inklusive. Abgesehen davon kann Johnson leider überhaupt keine Action inszenieren. So fußlahm und undynamisch hat jedenfalls schon lange niemand mehr Schießereien gefilmt. Sympathisch ist "Looper" aber trotzdem, weil er seine Konflikte im Kleinen sucht und Zeit für seine Figuren hat.
Stark! Finchers stets als Fingerübung ausgewiesene fünfte Regie-Arbeit belegt lediglich die herausragende Qualität seines bisherigen Schaffens. „Panic Room“ ist von vorne bis hinten grandios gespielt, stets gnadenlos körperlich und von Fincher, der das Tempo im richtigen Moment anzieht, den Schnitt ausspart und die Kamera quasi das gesamte Apartment durchfahren lässt, exzellent in Szene gesetzt. Und obwohl der Handlungsort aufs Äußerste komprimiert ist, steht den Figuren der Schweißfilm auf der Stirn und die Anspannung ins Gesicht geschrieben. Denn das kann Fincher wie kein zweiter: Bewegung erzeugen, wo der Raum Stillstand verlangt, räumliche Begrenzungen kreativ überwinden, Stilblüten anordnen, Struktur nicht mit Stillstand verwechseln. Howard Shore wandelt mit seinem mal gleitenden, mal treibenden Score derweil auf den Spuren Polanskis, versteht Filmmusik demnach in erster Linie als Klangteppich, der sich nur ganz nuanciert aufbäumt, tosend wird, auflehnt, um im gleichen Moment wieder in sich einzukehren. Wichtiger noch ist Koepps Vorlage, die keinen Bullshit macht. Von der ersten bis zur letzten Minute macht das alles Sinn. Jede Handlung ist nachvollziehbar, keine Figur bloß Statist (Polizist) und Sentimentalitäten grenzt Koepp auf Kosten einer womöglich allzu toughen Mutter-Tochter-Konstellation gänzlich aus. Selbst für lakonisch-schwarzen Humor ist hier noch Platz. Jodie Foster gibt resolut eine dieser raren, wirklich starken Frauenfiguren im Fincher-Kosmos, an ihrer Seite agiert eine sehr junge, gute Kristen Stewart. Ansonsten war Home-Invasion nie ansteckender, spannender und im richtigen Moment auch richtig schön schmerzhaft.
Ein schwieriger und mutiger Film, der eigenwillige Schwerpunkte setzt und kraftvolle, ungewöhnliche Momente voll stillen Schmerzes entwirft. Die wenigen Sequenzen, die tatsächlich Vietnam zum Handlungsort haben, sind auch nach dreißig Jahren noch wirkungsvoll und arbeiten über die perverse Situation des Russisch-Roulette präzise mit dem Motiv der Willkür des Todes in einem Krieg, der eigentlich nie zu gewinnen war. Krieg ist hier ein brütend heißer, dampfender Ort, den man so schnell wie möglich wieder verlassen möchte und die Städte sind bebende Slums, in denen die Prostitution und das Glückspiel regiert. Überhaupt, wer hier überlebt hat einfach nur Glück gehabt. An der Darstellung des vietnamesischen Volkes, das hier in erster Linie als zockendes, menschenverachtendes Kollektiv gezeigt wird, kann man sich stoßen, wenngleich diese Vorwürfe dadurch, dass es sich in diesen Fällen zumeist um Mitglieder des Militärs handelt, einigermaßen entschärft werden können. DeNiro, Walken und Streep jedenfalls liefern hier absolute Glanzleistungen ihrer großen Karrieren ab, während sich „The Deer Hunter“ drei Stunden lang hingebungsvoll ihren facettenreichen Figuren widmet, immer wieder überrascht und jedem seine Zeile oder einfach einen stillen Moment gönnt. Die zynische Schlussszene verdeutlicht überdies die Zerrissenheit des Amerika der 70er Jahre, während auf Streep's Gesicht der Schmerz einer zutiefst verunsicherten Nation Ausdruck findet. Gleichzeitig versucht DeNiro die Haltung zu wahren und schreit in sich hinein. Solche Filme werden heute einfach nicht mehr gemacht.
"Der Räuber" müsste eigentlich "Der Läufer" heißen. Denn der Räuber in diesem Film läuft in erster Linie weg. Und er genießt es wegzulaufen, auf der Flucht zu sein, unter Druck Höchstleistung abzuliefern. Rettenberger verbleibt immer als Geheimnis, vielleicht deshalb, weil die Wahrheit hinter ihm so banal ist. Er liebt die Ausnahmesituation und den Nervenkitzel; er liebt es als Erster über die Ziellinie zu stolpern. Ansonsten kann ihm nichts Freude bereiten. Seine Gelegenheits-Freundin vögelt er mit starrer Miene, das Arbeitsamt ist keine ernsthafte Option. Heisenberg inszeniert das alles mit ruhiger Hand, nur zu den Verfolgungsszenen dreht er auf und beweist darüber hinausgehendes Talent zu kinetischen Kameraoperationen voller Rasanz. Man hätte aus dieser wahnsinnigen Geschichte auch einen Hollywood-Film machen können, einfach nur, weil man sich an die Tatsachen hielte. Heisenberg unternimmt jedoch darüber hinaus den Versuch eines Charakterporträts. Das macht "Der Räuber“ schwieriger und mutiger, bremst ihn jedoch in erster Linie aus, weil es wider seiner Natur ist anzuhalten.
Das erste Mal habe ich „The Last Kiss“ als heranwachsender Geschmacks-Verwirrter und einigermaßen großer Zach Braff-Fan gesehen. Circa sechs Jahre später, heute also, wollte ich mich diesem naiv-schönen Nichts erneut begeistert widmen - und scheiterte. „The Last Kiss“ ist vom Schlechten zu viel und vom Guten zu wenig, und er nutzt seine Chancen einfach nicht. Das schwammige Drehbuch versucht zwar irgendwo abseits der üblichen Schemata eine eigene Sprache zu finden, verfolgt aber keinen der thematischen Ansätze ernsthaft bis zum Schluss.
Die Ambition gleich eine Hand voll Beziehungen – vom kürzlich getrennten Verzweifelten bis hin zum alten Ehepaar - und ihr scheinbares Scheitern zu sezieren, führt leider nur zu oberflächlichen Figurenskizzen und Beziehungsumrissen, von denen kein Part genügend Gelegenheit bekommt, sich konsequent von A nach B zu entwickeln, zumal sich die heraufbeschworenen Konflikte mit Coldplay-Mucke und unglaublich kitschigen One-Linern aus der Mottenkiste schlussendlich viel zu schnell in Wohlgefallen auflösen.
Es fehlt einfach überall ein bisschen, niemand ragt heraus, reißt außerhalb seiner Figurenkonzeption irgendetwas oder geht ein Risiko ein - Braff ist er selbst, Barrett als Männer-verstehende Traumfrau einigermaßen beliebig und gerade wenn sie gegen Ende in ihre viel zu hysterische Rolle gedrängt wird auch erstaunlich unsympathisch. Tom Wilkinson als altväterlicher, Pseudo-Weisheiten-verbreitender Ignorant und Bilson in einer weiteren Nerv-Rolle komplettieren den Kreis jener, die sich einem Drehbuch ausgesetzt sehen, dass sich dann doch immer wieder dorthin drängt, von wo es sich eigentlich distanzieren möchte – dem einfachen Genre-Vertreter.
„The Last Kiss“ ist dabei fortwährend ein zutiefst amerikanischer Film, und das ist okay, integriert er das amerikanische Selbstverständnis doch in einen geerdeten Rahmen. Wie es die Probleme und Ängste im Alltag aber nun zu bewältigen gilt oder ob eine Trennung manchmal vielleicht doch die beste Lösung ist, lässt der Film unbehandelt und beugt sich dem common sense seines Genres. Dass sich am Ende dann doch niemand trennt und scheinbar alles wieder ganz toll ist, widerstrebt dabei nicht nur den Figuren, sondern offenbart darüber hinaus auch eine überaus verquere Weltsicht, in der eine Scheidung und die Trennung des gemeinsamen Weges offenbar mit der Vorstellung eines traditionellen, alles auflösenden Happy Ends kollidiert. Nostalgie kann manchmal eben auch ein Fluch sein.
Elegant inszenierter Zaubertrick. Bis in die kleinsten Nebenrollen ist "Inside Man" absolut hochklassig besetzt, angeführt von Washington als kerniger Teilzeit-Macho, der im Angesicht eines Krimi-Puzzles nicht in Manie versinkt, über erfrischend bodenständige Rollen für Dafoe und Ejiofor bis hin zu Owen als undurchschaubarer Heist-Leader. Lediglich Foster schießt als angedeutete Femme Fatale etwas über das Ziel hinaus. Zudem ist die Auflösung weder clever noch sonderlich überzeugend. Mitteldoofes Vergnügen.
De Palma hat es tatsächlich vollbracht. „Dressed to Kill“ hätte in ganz ähnlicher Form auch von einem gut gelaunten Hitchcock stammen können. Weite Teile seiner Handlung treibt de Palma ohne ein einziges gesprochenes Wort voran und besinnt sich einzig und allein auf die filmischen Mittel, die ihm zur Verfügung stehen. Deswegen ist de Palma im Kino, und nur im Kino, wirklich Zuhause. Die Geschichte einer offenkundig sexuell getriebenen, spontanen Affäre benötigt in diesem Zusammenhang auch keine Worte, die sie verlautbart, sondern kann ausschließlich über Bilder, über Gesten und Blicke, sowie treibende Kamerabewegungen erzählt werden. Es scheint also bezeichnend, dass der einzige Versuch das Wort an die namenlose Liebschaft zu richten, in einem leidenschaftlichen Kuss erstickt, dem alsbald eine tiefer gleitende Hand und ein verlorenes Höschen folgt – alles im Taxi, versteht sich. Dauerbefeuert vom orchestralen Pomp Donaggio's, dessen Score nur eine Richtung zu kennen scheint, und zwar die, die unaufhörlich, unermüdlich, unnachgiebig nach vorne prescht, bis auch der hinterletzte Vollhorst verstanden hat, wem dieses dauergeile, übersexualisierte Thriller-Puzzle gilt, das mit gelegentlicher Subtilität gar überlebensgroße, zeitlose Momente von berstender Spannung kreiert (U-Bahn). Auf einen alles erklärenden Plausch eine abermalige Konfrontation folgen zu lassen, jeder final wirkenden Szene eine weitere anzuhängen und den Film so immer weiter zu verschachteln, erweist sich als simpler, aber spannender Kniff. Wer mag, darf de Palma auch hier die üblichen Vorhaltungen machen - Misogynie lässt grüßen. Wer das aber ernsthaft in Erwägung zieht, dem ist eh nicht mehr zu helfen. De Palma erweist sich einmal mehr als ungeheuer moderner Filmemacher, der dem Konzept einer Hommage mit schier grenzenlosem, inszenatorischem Enthusiasmus begegnet - und der Nerd bekommt am Ende das Mädchen.
Kon widmet sich den sozialen Außenseitern. Verrückte, anrührende Charaktere stolpern durch eine Stadt der geplatzten Träume und verlorenen Hoffnung. Die Weihnachtstage als Chance auf Wiedergutmachung und Absolution, eine Odyssee durch den klirrend kalten Großstadtstrom beginnt; und damit eine Reise voller göttlicher Fügungen. Eine Ausreißerin, eine Transe und ein Betrüger erheben eine ranzige Pappburg zum letzten Zufluchtsort. Aber sie verlieren nie ihren Humor und der Blick bleibt nach vorne gerichtet. "Tokyo Godfathers" scheint zunächst unscheinbar, doch unter der Oberfläche brodelt es. Er macht demütig und Mut, weil ein Blick an die Seite die Verhältnisse manchmal wieder in Ordnung bringt.
Launiges Meta-Filmchen von einer Liebe, die alle Epochen- und Genre-Grenzen zu überwinden sucht. Entgegen der schizophrenen Charaktere und düsteren Geschichten seiner Vor- und Nachfolge-Filme installiert Kon hier ein nostalgisches Melodram im Film des Films des Films, das vor allem musikalisch wieder alle Register zieht. Nicht zuletzt aber berichtet "Millennium Actress" auch von einer tieftraurigen, einsamen Seele, den Fluch des Älterwerdens und die Verbrechen der Vergangenheit. Aus den Wendungen einer ereignisreichen Lebensgeschichte, in der Wahrheit und Fiktion ineinander übergehen, spinnt Kon die eigentliche Tragik eines Einzelschicksals: nur der Tod bringt Erlösung und die Aussicht auf ein nie gelebtes Glück.
Wenn diese Menschen nun – Männer, Väter, Großväter, Mörder, Massenmörder - sich wie Gangster aus einem 50er Jahre Hollywood-Film verkleiden, von Pacino und Brando schwafeln und ihre Taten - echte, unwiderrufliche Morde - mit Kunstblut und billigen Masken nachstellen, dann hebt „The Act of Killing“ die Grenzen zwischen Realität und Fiktion endgültig auf. Sie fiktionalisieren ihre Taten, und wir schauen ihnen dabei zu. Sie stellen Kinobilder nach, werfen sich in Pose, imitieren Habitus und Gerede, verzerren die Wahrheit zum Maskentheater. Aber das hier ist echt. Freie Männer nennen sie sich. Freie Männer, die sich – wenn sie sagen, dass sie es tun mussten, obwohl es falsch war – als unfrei erweisen, weil sie die Kraft zur Entscheidung an andere abgegeben haben. Freie Männer, die bis heute unfähig sind, sich ihren Taten zu stellen und die im Fernsehen gefeiert werden als jene, die einen möglichst humanen Weg der Tötung auszutarieren versuchten. Spätestens die letzten zwanzig Minuten folgen dann Szenen von unfassbarer Intensität, die auch die Frage nach dem Wert einer solch späten Einsicht aufkommen lassen. Wie viel ist ein Leben wirklich wert?
Auf unzähligen Ebenen wurde „Antichrist“ inzwischen gedeutet und erforscht. Und sicherlich eröffnet von Trier durch zahlreiche Hinweise, Symbole aus Theologie und Mythologie, sowie die vielfältig interpretierbare Psychologie seiner Figuren einen großen Raum für eigene Deutungsansätze, die dank der codierten Filmsprache auch entsprechend variieren können. Dennoch tendiere ich am Ende des Tages eher dazu, seinem Film ein aufgehendes, nahtlos in sich greifendes Gesamtkonzept zu versagen und „Antichrist“ vielmehr als assoziativen Seelenstriptease zu begreifen, als Versuch eines Regisseurs den eigenen Schmerz filmästhetisch zu übersetzen, vielleicht auch nur zu umschreiben und codiert (nonverbal) auszusprechen. Macht man sich nun also auf die Suche nach Antworten, wird „Antichrist“ scheitern, weil er selber nur von der Suche erzählt. Es folgen somit einige ungeordnete Beobachtungen, die ich auf die für mich wichtigsten Aspekte knapp heruntergebrochen habe. Für viele dürfte ich keine neuen Erkenntnisse formulieren und selbstverständlich erhebe ich keinerlei Anspruch auf Allgemeingültigkeit.
Trier zwingt seine Figuren im Prolog durch die Libido zur Handlungsunfähigkeit und setzt der Lust, den Hochgefühlen seiner beiden Protagonisten gleichzeitig das Grauen und die Unmittelbarkeit des Todes entgegen. Die Schaffung neuen Lebens ist hier nur ein Zimmer weit vom Ende eines anderen entfernt - ja, von Trier treibt diesen Kontrast sogar so weit, dass der Höhepunkt des Sexualaktes auf den Moment fällt, in dem der Akt des Todes seine Endgültigkeit erreicht. Das Erliegen der niederen Triebe, die Hingabe zur Lust, ist nun nichts weiter, als der scheinbare Grund für den Tod des Kindes. Infolgedessen ist Sexualität in „Antichrist“ immer auch mit Sünde, mit Schmerz und untrennbar mit dem Tod verbunden. Jedoch ist diese gestörte Wahrnehmung von Sexualität nur einseitig und auf die Frauenfigur beschränkt. Der Mann begreift Sexualität nach wie vor ohne die negativen Konnotationen, die aus dem Prolog für die Frau folgen.Womöglich ist das auch ein Grund für die Gewalt, die sich später gegen ihn richtet.
Nun haben wir also zwei Figuren, von denen die eine (Dafoe) nur einen kurzen Moment der äußerlich verlautbarten Trauer zeigt und eine andere (Gainsbourg), die in schwere Depressionen verfällt. Dafoe scheint unmittelbar nach Ende der Trauerzeremonie einen souveränen Zugang zum plötzlichen Verlust gefunden zu haben, Gainsbourg dagegen nicht. Sie ist gar auf die Hilfe ihres Mannes angewiesen und beansprucht diese auch für sich. Der Umgang zwischen diesen beiden Figuren im ersten Kapitel trägt auch gleichzeitig den Dualismus zwischen Moderne und Tradition in sich. Dafoe versucht sich den Ursachen der Symptome über moderne, therapeutische Methoden zu nähern und zieht psychologische Lehren seiner Profession zu Rate (Konfrontationstherapie). Mit dem Fortlauf der Geschichte stößt dieser Ansatz jedoch auf entfesselte Irrationalität.
Gainsbourg hat die Inhalte ihrer Dissertation, die vermeintlichen Wahrheiten des Christentums (Tradition) zu ihren Wahrheiten gemacht. Ihre Vernunft ist okkupiert. Interessant ist hier, dass der Unvernunft der Frau, die des Mannes vorausgegangen war, als er beschloss sie trotz fehlender emotionaler Distanz selber zu therapieren. Die zunächst klaren Positionen der Figuren zueinander, beginnen sich mit dem Betreten von Eden zu verschieben. Die dominante Figur des Mannes versucht zwar fortwährend die Kontrolle zu wahren, doch schon mit dem Aufstieg zur Waldhütte gerinnt in ihm ein erster, unausgesprochener Zweifel als er den verstorbenen Fötus eines Rehs erblickt.
Dann führt „Antichrist“ die eingeführten Motive um Sexualität und Christentum weiter (und fügt mit Kindesmissbrauch und Hexenverfolgung weitere hinzu), macht es mir jedoch schwer, über die Offensichtlichkeiten hinaus zu Erkenntnissen zu gelangen. Offensichtlich ist, dass mit der bessernden Verfassung der Frau, der Mann in eine Art Lethargie verfällt. Die Mittel der modernen Psychologie haben scheinbar gefruchtet - „Freud is dead, isn't he?“. Zusätzlich dazu verschiebt sich die Wahrnehmung beider zur Natur. Die Frau besucht nun befreit die Orte, die ihr auf dem Hinweg noch Angst und Schmerzen bereitet haben (Brücke), der Mann trifft jedoch auf einen Fuchs, der sich mit den Worten „Chaos reigns!“ an ihn wendet. Währenddessen verspeist der Fuchs seine Innereien; das Äquivalent zu der Beobachtung, die die Frau gemacht hat, als ein aus dem Netz gefallenes Küken von einem größeren Vogel verspeist wird (natürliche Auslese → Darwinismus).
Der Mann findet anschließend eine Zusammenstellung der Materialien, die seine Frau für ihre Dissertation über Hexenverfolgung angesammelt hat. Schon zuvor macht er die Entdeckung, dass seine Frau für die Deformation der Füße ihres Kindes verantwortlich war, indem sie ihm die Schuhe einen gesamten Sommer über verkehrt herum anzog. Die Moderne versagt in dem Bestreben sich der Natur aufzudrängen, zumindest ihrem entrückten Verständnis von Moderne nach. Ihr Selbsthass scheint nun weit weniger irrational und die Zweifel des Mannes ganz konkret. Daraufhin kommt es erst zu Sex und dann mit dem Zerquetschen der Hoden des Mannes zu einer Gewalteskalation, die sich ganz konkret gegen dessen Sexualität richtet und mit der späteren Verstümmelung der Klitoris, die sich die Frau selber zufügt, auch gegen ihre eigene. Sie bestraft numher also nicht mehr nur sich selbst, sondern übernimmt angesichts ihrer verzerrten Wahrnehmung, Verantwortung für ihre Sünden (der Sex, der mit dem Tod ihres gemeinsamen Sohnes zusammenfiel).
Die Geschehnisse in der Waldhütte gipfeln im Tod der Frau und ihrer anschließenden (Hexen-)Verbrennung. Dieser Klimax markiert jedoch nicht nur die Katharsis seiner Figuren, sondern verhindert auch eine Ankunft des Antichristen, den Frau und Mann zuvor vor einem in Leichen labenden Baum gezeugt hatten. Diese Szene erhebt die Männerfigur sogleich in den Status des Protagonisten und erklärt die Frau zum Antagonisten. Diese Verteilung der Geschlechter mag auch die Grundlage für die albernen Vorwürfe der Misogynie gebildet haben und zeugt lediglich von einer starren, verbohrten Filmrezeption, die jeden Krümel auf ihre Geschlechterrollen hin untersuchen muss, ohne die Narrative zu erfassen, um dann womöglich zu der Erkenntnis zu gelangen, dass ein solcher Film so, und nur so, funktionieren kann.
Was bleibt also festzuhalten? Wir haben eine Frau, die vom Gedanken besetzt ist, nur durch Selbstkasteiung und schließlich den Tod Erlösung zu finden und wir haben einen Mann, der zunächst den sicheren Hafen der Vernunft markiert, dann aber mit dem Erreichen seiner Ziele über die Werkzeuge der Moderne von Zweifeln belegt ist. Die Wahrnehmung der Natur wandelt sich immer nur mit der Verfassung der beiden Figuren, ist im einen Moment ein Hort, in dem das Chaos und der Stärkere regiert und im anderen eine spirituelle Ruhestätte. Das Hexenmotiv lässt uns in dem Glauben, dass am Ende Gerechtigkeit widerfahren ist.
Vielleicht ist „Antichrist“ also nicht mehr als das: „Antichrist“ spielt klug mit Motiven und entwirft tatsächlich originäre Kinobilder von malerischer Schönheit. Er versagt sich aber auch einer dogmatischen Lesart und ist vielfältig auslegbar, und vielleicht ist das auch vollkommen okay, weil es der Diskussion über dieses wunderbare Medium nur zuträglich ist. Zudem beherbergt er das Kostbarste, zu dem Kino überhaupt fähig ist: er ist Ausdruck eines Künstlers, der sich uns offenbart; in allen, den dunkelsten, den ehrlichsten Facetten.
Bordsteinkantengeschichten. Ein bisschen wie eine filmgewordene Muff Potter-Platte. Ungelenk, wirr und ein bisschen fremdschämig. Das knallhart durchgezogene Pseudo-Doku-Konzept macht leider überhaupt keinen Sinn und führt sich mit filmischen Schnitten und aufgesetzten Grundsatz-Diskussionen sogar selbst ad absurdum. Die kaputten Figuren und (über-)engagierten Darsteller machen dieses mutige Experiment trotzdem interessant, auch weil die ersten zwanzig Minuten ein rohes, ehrliches und von Herzen kommendes Stück deutsche Filmkultur versprechen.
Samstag. 7:00 Uhr. Antreten zur schulischen Disziplinarmaßnahme: Ein Nerd, eine Sportkanone, ein Rebell, eine Außenseiterin und eine Prinzessin. Sinn: Zweifelhaft. Lehrpersonal: Überfordert, gekränkt und von Zweifeln besetzt, wenn Autorität zur bloßen Behauptung gerät. Die geläuterten Bankdrücker: Frustriert, in Rollen gedrängt, von Erwartungen erdrückt. Bis der Erste das Wort ergreift, und dann der Zweite, der Dritte, der Vierte, der Fünfte. Bis auch der letzte seine angestammte Rolle abgelegt hat; und die Zweifel, und die Vorurteile, und den Stolz. Und dann passiert es: es wird geredet, Dialog, endlos lang, jeder darf, keiner muss. Und man gelangt zu erstaunlichen Erkenntnissen über die jugendliche Lebenswirklichkeit, die diese Gruppe amerikanischen Querschnitts mit jedem weiteren Wort zutage fördert: Gerade jene, die uns doch am meisten lieben und denen unsere Zukunft am Herzen liegt, denen wir uns anvertrauen, zu denen wir aufschauen, uns festhalten, drängen uns in Richtungen, bedrängen uns, verteilen Last, statt sie zu teilen. Und sie tun es nicht aus böser Absicht, sondern weil sie es nicht besser wissen. Womöglich aus Angst oder chronischer Über-Fürsorge. Und sie sprechen über Gruppendynamik und über Erfolgsdruck, übers ausgegrenzt- und verloren sein, über falsche Freunde und den Montag, der kommen wird und ob sie dann noch immer Freunde sein werden; vor den „Anderen“; vor allen, denen es vielleicht gar nicht viel anders ergeht. Also sprecht miteinander - es hilft, ganz im Ernst. Euer Breakfast-Club.
Bauerntheater! Keine Ahnung wer hier auf die Idee kam, man müsse ernsthaft eine Geschichte erzählen. Inhaltlich erweist sich „The Raid 2“ nämlich, oh Wunder, eher als Schmalspur-Version eines Scorsese-Epos, dessen einzige Parallele wohl noch die exorbitante Laufzeit darstellen dürfte. Und das ist ein Problem, das auch mit dem Verweis darauf, dass das alles ja Genre-Kino sei und eine solche Art Film keine gute Geschichte brauche, oder Figuren, die funktionieren oder andere Dinge, die eine scheinbar deplatzierte Erwartungshaltung ernsthaft zu fordern die Frechheit besitzt, nicht aus der Welt zu schaffen ist (als bedeute Kino in starren Kategorien zu denken).
Schließlich, und das ist ein Ausruf der mir bei der Besprechung des neuen, Genre-erschütternden Ultra-Hits aus Indonesien immer wieder begegnete, solle es doch nur mal wieder richtig saftig „auf die Fresse geben“. So richtig schön handgemacht, so richtig schön derbe. Männerkino halt, mit dem Jever im Anschlag und dem Hirn auf Durchzug. Geil!
Doch das Handlungsgerüst von „The Raid 2“ stellt ein Problem dar, weil sich Evans offenbar dazu anschickt, neben den zweifelsfrei im Handlungsmittelpunkt stehenden Kämpfen, auch eine epische Gangster-Ballade zu erzählen und somit Figuren zu entwickeln, Szenarien zu installieren, Zwiste herzuleiten oder Schicksale zu besiegeln. Ein nicht unerheblicher Teil der Laufzeit gilt der Geschichte; Momenten also, die auf Schauspieler und Autoren-Talent angewiesen sind. „The Raid 2“ hat jedoch keine Schauspieler - und Evans ist kein Autor.
Die Figurenskizzen sind ausschließlich Mumpitz, die Schauspieler entweder chronisch unterfordert (nochmal Glück gehabt: Uwais) oder hoffnungslos überfordert (kein Nicholson: Abbad | kein Schauspieler: Putra) und Evans scheint sich vornehmlich mit der Aneinanderreihung fußlahmer Genre-Standards (vom frustrierten Sohn, der die Seiten wechselt) und einem heruntergedooften Story-Plagiat zu begnügen. Hier bläht Evans unnötig auf, wo es doch eigentlich nichts zu erzählen gibt.
Doch bevor jetzt von allen Seiten Kloppe droht: Natürlich sind die Fähigkeiten dieser Martial-Arts-Künstler phasenweise atemberaubend, die Kämpfe wuchtig und zweckdienlich choreographiert und der logistische Aufwand, diese unzähligen Plansequenzen in dieser Form umzusetzen, sicherlich nur mit absoluter Hingabe zu betreiben (Budget: 4,5 Mio. Dollar). Im Angesicht etwaiger Nicht-Alternativen aus dem angelsächsischen Raum ist der Hype um „The Raid 2“ nur nachzuvollziehen, ihn aufgrund seiner aufwendigen, nichtsdestotrotz unscharfen und viel zu verwackelten Fights jedoch direkt in den Genre-Olymp zu erheben, täte dem Genre dann doch ein wenig Unrecht. Wer sonst Scheiße frisst, dem schmeckt auch Trockenbrot. Das US-Remake wurde inzwischen bestimmt bestätigt.
Gute Menschen gibt es hier nicht; in diesen gläsernen, kalten Büro-Komplexen, in denen zur Besserung des Betriebsklimas sogar die Farbe des Hemdes fremdbestimmt werden soll und einem der Chef an der Kaffeemaschine zwinkernd ein Foto seiner neuesten Eroberung präsentiert. Erlenwein's erster Spielfilm ist bevölkert von latenten Arschlöchern und langweiligen Anzug-Fuzzis, denen es nach Jahren der Hörigkeit gehörig ans Bein zu pissen gilt. Und schon lange nicht mehr hat sich ein deutscher Regisseur derart befreit, komisch und selbstbewusst zwischen den Genres bewegt. Den Ausbruch seines Protagonisten aus einem lähmenden Kreislauf erzählt Erlenwein in erster Linie über schnörkellose Dialoge, erstaunlich stilsicher und von einem bestechenden Ensemble getragen. Gelegentlich erinnert „Schwerkraft“ in seiner straffen Struktur und dem zugänglichen Rhythmus, der immer wieder durch leichtfüßige Gitarrenriffs getaktet wird, an die ironischen Gauner-Balladen eines Guy Ritchie - in gut. Der unterkühlte Fincher-Look, welcher warme Töne fast gänzlich eliminiert, distanziert sich zudem von einschlägigen TV-Formaten und macht gerade hinsichtlich seines behandelten Sujets absolut Sinn. Lediglich zum letzten Drittel gibt Erlenwein die Zügel hier ein wenig aus der Hand und springt etwas planlos und unschlüssig zum vorhersehbaren, aber schönen Finale. Moralisch bleibt das aber immer wunderbar inkorrekt und der Humor trocken. Deutsches Kino lebt.
Zugegeben, „Der Mann, der Yngve liebte“ hat schon unübersehbare Schwächen, zumal er vor seinem eigentlichen Finale durch alberne Wendungen fast gänzlich zerfällt. Und doch hat er sich mühelos in mein Herz gespielt. Ich liebe die wunderbaren, befreit aufspielenden Darsteller, den tollen Soundtrack um „The Smiths“ und „The Cure“, Norwegen als abwechslungsreichen Schauplatz für diese kleine, wahrhaftige Geschichte um Freundschaft und sexuelle Identität oder das wunderschöne, vielseitig interpretierbare Ende. Ein bisschen Reise zurück, in die eigene Vergangenheit und die Gewissheit, dass andere Keller-Bands genauso beschissen geklungen haben, die verschmierten Polit-Parolen an den zerfurchten Wänden, das aufgesetzte Revoluzzer-Gehabe oder die erste Liebe, von der man glaubte, dass sie ewig währt.
Von de Palma sicher nicht ohne Reiz inszenierte Noir-Hommage, die durchgesaugten 50s-Locations und die schauspielerisch limitierten Hartnett (hochnotpeinlich: der Hardboiled-Detective) und Eckhardt (prollig blöd) versprühen als knallhartes Cop-Duo aber höchstens noch ungewollten, humoristischen Charme. Johansson als Femme-Fatale im Autopilot vermag dieses erstaunlich blutleere Genre-Intermezzo dabei lediglich oberflächlich aufzuwerten. Ohnehin reiht sich hier eine Fehlbesetzung an die nächste (grausamer Höhepunkt: Hartnett und Swift im Zigarette-danach-Bettgespräch). Ein wunderbares Finale (schräg und besoffen torkelnd) und eine an "Intouchables" mahnende Ermordungs-Sequenz (wunderbar theatralisch, stilistisch ganz bei sich) reißen dann auch nicht mehr aus dem Schlaf.
Lupenreiner, Gebühren-finanzierter „Problemfilm“, der im Vorfeld eines Thementalks mit Jauch und Co. die entsprechenden Themenkomplexe als eine Art neu-medialer Stichwortgeber schon mal anständig durchpflügt. Die Anstrengung diesem Thema unbedingt gerecht zu werden, steht dabei allen Beteiligten ins Gesicht geschrieben. „Neufeld, mitkommen!“ schlägt zwar nicht eine solch fatalistische Wendung ein, wie es beim thematisch verwandten „Homevideo“ noch der Fall gewesen war, beschreitet in letzter Konsequenz jedoch ähnliche, Ohnmacht-verursachende Wege. Es scheint hierzulande sowieso nicht möglich, in solcherlei Filmen einen tonalen Mittelweg auszutarieren; also auf schmerzhafte Momente auch mal einen befreiten folgen zu lassen (so wie es das Leben manchmal eben auch tut). Und doch möchte man sich offenbar zumindest insofern verstanden wissen, als dass so etwas auch zu jeder Zeit in der eigenen Nachbarschaft passieren könnte. Schließlich suggerieren Handkameraschwenks und Homevideo-Ästhetik Nähe und erinnern ganz bewusst an das eigene Leben im bürgerlichen Mittelstand (Intro). Und überhaupt: Was ist von einem Film zu halten, der im Korsett einer Themenwoche entstehen muss; einem Film also, der aus Begrenzungen und kreativen Hemmnissen geboren wird, der nicht chiffrieren, andeuten, verpacken darf, sondern alles laut aussprechen, schließlich stünde alles andere einem intellektuellen Diskurs nur im Wege. Immerhin – und das ist angesichts etwaiger Produktionen, die einen solchen Sendeplatz sonst so verstopfen, schon viel wert – vermeidet man einfache Antworten auf schwierige Fragen und ist sichtlich darum bemüht, keine Facette dieses komplexen Themas auszusparen. Geht schlimmer, weil man Kunstfeindlichkeit und extremst schwankende Schauspieler-Leistungen ja sowieso schon längst gewohnt ist.
Eine pessimistische Perspektive: Strolch gibt seine Freiheit auf, um Teil eines isolierten, nichts außerhalb seiner beschränkten Grenzen akzeptierenden Systems zu werden; ein System, dem er zunächst noch kritisch gegenüber steht: „Zäune wohin man sieht, nichts als Zäune. Sogar die Bäume haben hier Zäune.“ Selbst die ungeduldeten Straßenköter beim Hundefänger sind nach der Vereinigung des Titel-spendenden Traumpaares vergessen; abgeschobene Außenseiter, deren Existenz im Grunde an keinem Ort geduldet wird – sofern sich nicht jemand über die Grenzen seines Palastes hinaus erbarmt und ihm das Leben schenkt. Wie gesagt: eine pessimistische Perspektive.
Nichts, das einem nicht ausformuliert vor den Latz geknallt oder kleinteilig durch-exerziert werden muss, um den Zuschauer anschließend auch ja in dem Glauben zurückzulassen, gerade etwas total komplexes gesehen zu haben. „Death Note“ erreicht in etwa die Komplexität einer guten „Detektiv Conan“-Episode. Eine Serie voll aufgeblasener Wichtigtuer und platter Figurentypen, denen ein haarsträubend blöder Dialog nach dem anderen in den Mund gelegt wird. Dabei ist die bis zu ihren Grenzen konstruierte Prämisse ganz sicher nicht ohne Reiz, die edlen Animationen gefällig und auch der Umstand, dass das zunächst moralisch gedeckt scheinende Ziel Kira's nach und nach in den Hintergrund tritt und man stattdessen vor allem den Zweikampf zweier eitler Narzissten zentriert, befeuert die Serie zu ihrem ersten Drittel zusätzlich. Spannend wird „Death Note“ nämlich immer dann, wenn er sich seinen clever verzwickten Figuren-Anordnungen widmet oder den Sadismus eines jugendlichen Massenmörders in exquisiten, für sich einzigartigen Montagen zelebriert, die die Serie gelegentlich wertiger erscheinen lässt, als sie tatsächlich ist. Zweifelsohne entwickelt die viel gefeierte Manga-Adaption eine gewisse, nicht zu unterschätzende Sogwirkung, die man bis auf wenige Ausnahmen auch über 37 Episoden halten kann. Der alles andere als deplatzierte Bruch nach der ersten, knappen Hälfte und damit die Kehrtwende zentraler Figuren bremst die Serie – nachdem sie zuvor mit direkten Konfrontationen und spannenden Zwiegesprächen ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hatte – leider vor allem aus und räumt der Suche nach einem neuen Kira und dem damit verbundenen Handlungsstrang - welcher zudem eine ganze Reihe ebenso hastig installierter, wie wieder fallengelassener Figuren-Skizzen beinhaltete (Unternehmer) - viel zu viel Raum ein. Nervenkostüm-attackierende, blond-quietschig-herumbrabbelnde, sexistische Plastik-Puppen bleiben dabei leider nicht aus (Misa!). Überraschend ist dennoch wie routiniert und einfallslos „Death Note“ sein kluges, ganz und gar spannendes Thema nach 25 überdurchschnittlichen Folgen schließlich nach Hause fährt; mitsamt eines dekonstruierten Protagonisten, einer weiß-haarigen L-Kopie und einem Leichenberg. Gefällt trotzdem.
Was für ein mutiger, zermürbender, ungemütlicher Bastard von Film. Selbst Haneke hätte kein größeres Arschloch sein können. Immer der Perspektive seines kaputten Protagonisten verschrieben, stets quälend distanziert und mit erschreckend gewöhnlichen Alltagsmotiven aufgeladen. Bereits der Titel ist provokant: „Michael“, der Name des Peinigers, nicht des jungen Opfers. Das Verbrechen ist hier längst zum Status quo geraten und der Missbrauch grausame Routine. Die bemerkenswerten Darsteller und die dokumentarische Objektivität der Bilder vermeiden es in irgendeiner Weise unterschwellig Partei zu ergreifen. Leise Hoffnung streut der Film dennoch, weil das Opfer das Verbrechen nach wie vor als solches begreift und die neue Ordnung in seiner kleinen, isolierten Welt nie vollends akzeptiert. Der junge Wolfgang versucht aus den bestehenden Umständen einer verqueren, unbeschreiblich grausamen Welt auszubrechen und sorgt somit zumindest für ein gewisses Pro-/Antagonist-Verhältnis. Ein Kind ergeben in den Händen seines Peinigers, hätte ich auch kaum ausgehalten, wenngleich es nicht weniger authentisch gewesen wäre. Ein solches Thema verdient solche Filme, auch wenn ich „Michael“ nie wieder sehen möchte. Den Zynismus, den Abspann mit einem ehemaligen Chartstürmer zu unterlegen, hätte man sich trotzdem sparen können.
Formschön eingerahmtes Festivalfilmchen; sieht genauso aus, fühlt sich genauso an. Gewidmet wird sich den Verlieren eines Sozialsystems und den Schatten die sich allmählich über den Elfenbeinturm mittelständischen Spießbürgertums legen. Ansonsten sind die Plattenbausiedlungen und kuscheligen Eigenheime bevölkert von wandelnden Klischees. Denn über seine beiden engagierten Hauptfiguren hinaus, geht bei „Tyrannosaur“ eigentlich wenig. Die Rollen sind von Anfang an klar verteilt, damit der „ungewöhnlichen“ Liebesgeschichte auch ja nichts im Wege steht. Der Tod des Gatten kommt da eigentlich schon ganz gelegen, wurde die Welt doch nur von einem weiteren Frauen-prügelnden, manipulierend herumwinselnden Arschloch befreit, das seiner Frau nach einer durchzechten Nacht sogar ganz wörtlich ans Bein pisst – ganz zu schweigen vom penetranten Bestreben dessen Schikanen auch noch dramaturgisch aufzuziehen und zu einem fatalen Höhepunkt (plus Glas-Scherben) zu treiben. „Tyrannosaur“ ist nicht besser, weil er seinen Platz in einer Nische gefunden hat und als Underdog zu unverhofftem Erfolg geriet, denn er besitzt die selben Strukturen und verfährt nach üblichen Mustern: Zeiten, in denen kurz das Glück regiert und die trist-graue Scheißwelt ganz plötzlich in ungeahntem Licht erstrahlt, werden ganz abgedroschen mit rauer Gitarrenmusik unterlegt, während das glückliche (weil selig lächelnde) Schablonen-Kollektiv in Bierlaune die Gläser erhebt – mit den einfachen Leuten lässt sich ja sowieso viel besser Party machen.
Verrückter Film. Nach wie vor weiß ich „A.I. - Artificial Intelligence“ nicht so wirklich einzuschätzen. Bis ein herrlich aufgekratzt spielender Jude Law die Bildfläche betritt und der Wahnsinn in Rouge City erst wirklich seinen Lauf nimmt, lässt mich Spielberg's biederes Darsteller-Gerangel nämlich erstaunlich kalt. Begeben sich der starke Oswalt – der als Kind wohl tatsächlich seine schauspielerischen Glanzzeiten verlebt haben dürfte – und der exaltiert herumblödelnde Law erst einmal auf ihr ganz eigenes Pinocchio-Abenteuer, mitsamt all der verrückten Gestalten (Teddybär), den Plastik-artigen Set-Bauten und grellen Neon-Lichtern, offenbart sich ein Regisseur, der sich wohl tatsächlich ein Stück weit neu erfunden hat. Mutig ist es sowieso gewesen diese trashige Märchenstunde dem amerikanischen Mainstream-Publikum als profiliertester Hollywood-Regisseur der vergangenen dreißig Jahre einfach mal so vor den Latz zu knallen, obwohl das etwas schachtelartige Finale in einem immer etwas zerstückelten, unrunden Film (Produktionsgeschichte) wieder viel zu lange, viel zu verkitschte Szenen hintereinander aufreiht. Aber – und das stimmt dann doch eher positiv – Spielberg vermag noch zu überraschen, ist fähig über eigene Grenzen hinauszugehen und einfach mal verrückte Experimente zu veranstalten; da darf – nein, muss am Ende auch mal ein verrückter Film wie „A.I.“ dabei herauskommen.