_Garfield - Kommentare
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Alle Kommentare von _Garfield
„[…] Das Problem liegt weniger an den Grundzutaten, nur scheint Spielberg das Feingefühl abhanden gekommen zu sein, die einzelnen Elemente auszubalancieren. Aus einer romantischen Annäherung muss hier zwingend eine übersteuerte Hochzeitszeremonie folgen, die Bedrohungsszenarien nach Giftschlangen und mörderischen Fallen in einer Atomexplosion gipfeln und die Verfolgungsjagd im Dschungel muss noch damit gekrönt werden, dass Ravenwood gezielt auf einen Baum am Abgrund zusteuert und an diesem herab in den Fluss gleitet. Das ist so drüber, wie es Plastik ist. Und statt Gefahren existieren hier nur noch Attraktionen am Wegesrand. Das ist am Ende leider so aufregend wie ein Familienausflug in den Serengeti-Park – und mindestens so falsch. […]“
„[…] Trotz des beständigen Flirts mit Horror-Elementen über die gesamte Reihe hinweg, ist es der zweite Film, der sich ganz klar zu den Traditionen des B-Horrors bekennt. Im Tempel des Todes werden während ritueller Opferzeremonien Herzen mit bloßer Hand aus der Brust gerissen, hysterische Frauen durch dunkle Gänge mit giftigen Krabbeltieren gejagt und Indy durch schwarze Magie zum willenlosen Diener degradiert. „Temple of Doom“ vollzieht einen lobenswerten, tonalen Wechsel und scheint sich und seiner Idee doch nie ganz zu vertrauen: Der Titel-gebende Tempel des Todes spielt erst in der zweiten Hälfte des Filmes eine wirkliche Rolle, zuvor überlassen sich Spielberg und Lucas ganz und gar den Steigerungs-Mechanismen, die einige Jahre später auch den dritten und 24 Jahre später vor allem den vierten Film bestimmen sollten. […]“
„[…] Im Kampf gegen die Karikaturen der Hakenkreuz-Bande um den Prototypen des schmierigen Gestapo-Majors Toht gilt: nur ein toter Nazi ist ein guter Nazi. Während die Nazis an der Bundeslade nur interessiert sind, weil sie sich einen beträchtlichen Machtzuwachs davon versprechen, liegt Indy zuvorderst der historische Wert am Herzen. Und Spielberg findet für die Tour de Force nach der Bundeslade die passenden Bilder. Sofort eingebrannt haben sich die wunderschönen Matte-Paintings von den Bergen Nepals, die erste Begegnung mit dem wunderbar fiesen Krötengesicht Toht eben dort, die Basare Kairos oder der unsterbliche, ikonische Shot von Jones vor der untergehenden Sonne in der Wüste Ägyptens. Der Reiz des ersten Filmes liegt in der Ferne des Unbekannten und in der Aussicht der Möglichkeiten. […]“
[...] Am Ende des kreativen Vakuums, das die fehlenden Vorlagen Martins hinterlassen haben, steht damit auch die Ablöse des einen kreativen Modells durch das andere. An die Stelle einer individuellen Schaffensvision rückt, auch schon bedingt ausgelöst durch den Transfer vom einem Medium ins andere, die kreative Kollaboration und das künstlerische Werk als Gemeinschaftsarbeit. Und auch ohne diese grundverschiedenen, kreativen Modelle gegeneinander ausspielen zu wollen, wird deutlich, dass „Game of Thrones“ schon längst zwei Identitäten lebt. Aus einer Serie, die sich immer wieder wütend von ihrem Zuschauer abwandte und ihn alleine im Regen stehen ließ, ist eine Serie geworden, die diesen nun regelmäßig in einer umsorgenden, mütterlichen Geste fest in die Arme schließt. Und so spannend es für viele sicherlich gewesen wäre, zu sehen, wie sich die Geschehnisse auf Westeros in der Vision Martins ausgestaltet hätten, zumindest auf dem Fernsehbildschirm wird diese Vision niemals sichtbar sein. Stattdessen gibt es Staffel 7: ein teures Lizenzprodukt und eine höchst schizophrene Serien-Erfahrung. [...]
Durch die gewählten Betrachtungswinkel bringt Trier in seinen Figuren neue Facetten zum Vorschein, die ansonsten verborgen blieben. Ihre Probleme und Komplikationen werden in ein Verhältnis gesetzt und in einem globalen Bewandtnis-Zusammenhang verortet, der über die eigenen vier Wände hinausweist. Die Figur von Isabelle Huppert spukt wie ein Gespenst in den Köpfen ihrer Familie herum. Ihr Echo besetzt die Räume des Filmes, zuvorderst all jene kommunikativer Natur. Ihre Anwesenheit sollte eigentlich bezeugen, wie nichtig die Schmerzen sind, die ihre Hinterbliebenen fühlen. Die Bilder, die sie bis in die privateste Sphäre hineinträgt, müssten eigentlich abschwächen, was im Moment des Schmerzes so gewaltsam und vernichtend ist. Aber die Bilder von Bomben und Schutthaufen, staubigen Gesichtern und getrocknetem Blut vom Ende der Welt nehmen keiner Gefühlswelt ihre Gewalt und keinem Problem seine Daseinsberechtigung. Trier priorisiert keine Gefühlswelten über andere, erklärt nicht die einen für nichtig im Angesicht der unendlichen Ungerechtigkeit dieser Welt – selbst wenn sein Gespenst daran zerbrochen sein mag.
Tom Hardy schlüpft abermals in die Rolle des patentierten Brummbären, die schon in „Fury Road“ den Komplikationen einer lebensfeindlichen Umgebung mit einem stoischen Kopfnicken begegnete. Keine Bedrohung vermag es, ihn an den Rand der Verzweiflung zu treiben; keine Situation erweckt auch nur den Anschein für ihn ausweglos zu sein. Auf jede hinterlistige Sabotage-Aktion der Tee-schlürfenden Herren-Runde der East India Company, angeführt von einem Alters-befleckten Jonathan Pryce, hat er eine Antwort. Leider steht hinter James Delaney keine spannende Figuren-Idee, sondern lediglich eine coole Schauspieler-Socke, der man mit Freude bei ihrer Arbeit zusieht - breitbeinig, zielstrebig, minimales Grimassen-Theater, aber maximale Bane-Coolness. Die simplen Beziehungsgeflechte beherbergen aber kaum interessante Figuren, die ohnehin viel zu schnell, viel zu eindeutig an klaren Feindlinien verortet werden. Königs-Karikaturen und alte Tyrannen überwiegen zumeist spannende, vielschichtige Figuren wie die des Michael Godfrey, höchst sensibel porträtiert von Edward Hogg. Stattdessen stehen Bond-mäßige Superschurken Hardy und seiner coolen Gang gegenüber. Und wo das wish-fulfillment bei „Vikings“ beispielsweise noch großzügig ausgezahlt wurde, steht man bei „Taboo“ am Ende mit leeren Händen da. Die wunderschönen Sets und der sichtbare Produktionsaufwand machen einen dabei zu allem Überfluss auch noch wehmütig.
Was braucht ein Kind? Wo verhindert der Leistungsgedanke des Vaters eine glückliche Kindheit und bürgt vor allem Lasten und Erwartungen auf, statt aufzufangen und Halt zu bieten? Und wo versäumt es ein anderer sein Kind auf eine Leistungsorientierte, kapitalistische Gesellschaftsordnung vorzubereiten? Liegt das Glück in der Gegenwarts-bezogenen, hedonistischen Lebensweise des einen oder im Zukunfts-orientierten Karrieredenken des anderen? Aus der Konfrontation zweier grundverschiedener Erziehungsphilosophien ergeben sich für Koreeda eine Vielzahl hochkomplexer Fragestellungen, die weit über bloße Erziehungsfragen hinausweisen. Denn von der Erziehung ihrer Kinder ausgehend erzählt „Like Father, Like Son“ vor allem von den Vätern und ihren Lebensweisen, von ihren Vorstellungen eines geglückte Lebens und ihrem Blick auf die Menschen, die sie umgeben. Und obwohl Koreeda seinen Figuren zu diesem Zwecke klare Konturen verleiht, sie vereinfacht und exemplarisch positioniert, bleiben diese durch feine, zwischenmenschliche Beobachtungen immer emotional glaubwürdig. Er geht dabei nicht den einfachen Weg, dem vermögenden Paar aufgrund ihrer teuren Designer-Wohnung automatisch Gefühlskälte zu unterstellen und den anderen etwas doof und genügsam zu sein. Für Einfachheiten und Schnellschüsse ist „Like Father, Like Son“ viel zu unaufgeregt und achtsam montiert, zu gut gespielt und am Ende so klug, eben keine Patentrezepte anzubieten. Dafür schließt er mit einem unkonventionellen Erziehungsmodell und einer leisen Hoffnung, die in den Klaviertasten Shin Yasuis ihre Erfüllung erfährt.
Ich mach's kurz und auch nicht gerne: „Baby Driver“ ist ein Verkehrsunfall, von dem man den Blick einfach nicht abwenden kann. Im Zentrum des Films werden wenig charismatische, bemitleidenswerte Jungschauspieler in langweilige Figuren gedrängt, müssen sich peinliche Dinge zuflüstern und psychologische Wunden in traurigen Augen sichtbar machen. Gleichzeitig prügeln ununterbrochen die einfallslosesten Evergreens auf dich ein, der Millenial kauft natürlich nur Vinyl und bastelt Mixtapes, die Bösewichte sind tatsächlich so witzlos wie sie im ersten Moment den Eindruck machen, gleichzeitig kommt ein Märtyrertod einfach aus dem Nichts. Nach zwei tollen Verfolgungsjagden hört Wright einfach auf kreativ zu sein und fährt stattdessen die Lautstärkeregler hoch – in der Gewaltdarstellung wählt er die selbe Strategie. Ansonsten trägt „Baby Driver“ keinen einzigen interessanten Gedanken in sich, den man bei diesem Lärm sowieso nicht fassen könnte.
„He has a manly air about him. His eyes are very alert
- full of compassion, full of passion.“
Ohne Zweifel: John Woo ist in seinen Protagonisten hemmungslos verknallt – und über die Figur des Inspektor Li trägt er seine Zuneigung offen zur Schau. „The Killer“ vereint darüber hinaus einen ganzen Haufen frustrierter Männer, deren Blicke lustvoll aneinander hinabgleiten und denen doch der Mut dazu fehlt einfach mal durchzuziehen. Im Kern ist das nämlich die Geschichte von zwei vermeintlich harten Machos, für die die Erfüllung ihrer Sehnsüchte durch die Ignoranz der Mehrheitsgesellschaft auf ewig eine Illusion verbleibt. Immer wieder stehen sich die Beiden gegenüber, halten sich die geladenen Kanonen ins Gesicht, schauen sich tief in die Augen. Wer drückt ab? Wer macht den ersten Schritt, um das quälende Warten auf die erste Berührung endlich zu beenden? An anderer Stelle versorgt der Inspektor die Wunden seines liebsten Feindes, streut etwas Schwarzpulver in die Schusswunde und zündest es an, während der Killer, mit dem symbolischen Knebel im Mund, im Schmerz ekstatische Befriedigung erfährt.
Frauen interessieren die harten Kerle aus "The Killer" derweil nicht. Frauen werden hysterisch und müssen gelegentlich geschüttelt werden, ansonsten sind sie motivierendes Beiwerk für den Protagonisten durch einen letzten Auftrag endlich dem sinnlosen, aber dann doch ganz spaßigen Töten zu entkommen, das Woo wie ein Ballett mit nur einer einzigen choreographischen Idee inszeniert. Das Spiel mit den Sympathien gleicht dabei einem Drahtseilakt: töten ja, auch für Kohle, aber keine Kinder, keine Frauen, die sind ja wehrlos und schön. Chow Yun-Fat, Charisma-Level over 9000 (im Minusbereich), gibt den Auftragskiller mit Herz, der schlussendlich sogar Jesus-gleich die Balance wiederherstellt und die Entrechteten Gerechtigkeit widerfahren lässt. Vor diesem großen, kathartischen, Western-gleichen Finale schließt sich das Liebespaar endgültig zusammen und gibt sich auch als solches zu erkennen, um das störende Weib halbwegs unbeschadet aus dem Kreuzfeuer zu bergen. In der Zeitlupe sind sie vereint, in der Vorstellung auf ewig glücklich. Aber ihre Liebe endet, bevor sie begonnen hat.
Ihre erste Begegnung ist rein zufällig – und doch selbstbestimmt und unausweichlich dabei. Er trifft auf Sie. Er ist ein erfolgreicher Arthaus-Regisseur, Sie eine erfolglose Malerin. Er geht den ersten Schritt, nähert sich an, etwas ungelenk noch, aber schnell kommen sie ins Gespräch. Zunächst verheimlicht der Regisseur noch seine Ehe und seine Kinder und das Verschwiegene erfährt in der Runde mit ihren Freunden (oder Nicht-Freunden) eine peinliche Offenbarung. In der zweiten Zeitlinie wird dieses Schweigen gebrochen und mündet in einer jämmerlich-entwaffnenden Liebeserklärung. Sein positives Urteil über ihre Kunst weicht einer ehrlichen, konstruktiven Ausführung über das, was er durch ihre Bilder in ihr zu sehen glaubt. Er nimmt Sie und ihre Kunst ernst, abseits ihrer Schönheit, die für ihn blendend ist und schmerzhaft zugleich. "Wrong Now, Right Then" bzw. "Right Now, Wrong Then" kriegt den kostbaren Augenblick einer zwischenmenschlichen Annäherung zu fassen, die zugleich hoffnungsspendend- und raubend ist. Die Eigenheiten der koreanischen Kultur, besonders im sozialen Miteinander, die Etikette und erwartete Höflichkeit beispielsweise, bestimmen den Austausch zwischen zwei sich zufällig begegnenden Menschen entscheidend mit. Bemühter Small Talk, das Offensichtliche und ebenso offensichtlich Benannte, die peinlichen Momente der Sprachlosigkeit markieren die Stolpersteine in der Annäherung – und da ist der Film wieder ganz international, auf dem Schlachtfeld sozialer Interaktion. So wie Hong Sang-soo nie in die Nahaufnahme geht, die eigenartig mechanischen Kamerabewegungen nie die Anwesenheit eines manipulativen Dirigenten vergessen lassen, so kalt und warm, so nah und so fern teilt sich der Film in seiner Zwei-Kapitel-Struktur auch tonal. Die Protagonisten brauchen eine zweite Chance, um ihren Absichten und Neurosen, ihren Gefühlen und Träumen angemessen Ausdruck zu verleihen. Hier hat die Kunstform Film die Macht, sie ihnen zu bereiten.
Zu Beginn der ersten Episode schaut doch tatsächlich sexy Sixpack und „Lost“-Bad-Boy Josh Holloway als arroganter Blutsauger vorbei, ehe er von Angel eine ordentliche Tracht Prügel verpasst bekommt und entsetzt zu Staub zerfällt. Mich hat's gefreut, schließlich war Sawyer im Rennen um Herzdame Kate immer mein Sieger der Herzen gewesen. Nach einem Traum von Titel-Sequenz und weiteren Episoden beschlich mich dann jedoch allmählich der ungute, vage Verdacht, mit der Spin-off-Serie „Angel“ lediglich an der „Buffy“-Reste-Rampe angekommen zu sein: Wesley (Alexis Denisof) fungiert offenbar als Giles-Ersatz, mimt tapfer den Briten und überwirft sich ebenso wie dieser im moralischen Gewissenskonflikt mit der Watcher's Council, um in der Folge Opfer ihrer Machenschaften zu werden. Auch er emanzipiert sich vom loyalen Befehlsempfänger zum, nunja, loyalen Angestellten. Ein bisschen zu einfach macht man es sich leider auch damit, über seine steifen britischen Manierismen und betont alberne Slapstick-Momente billige Lacher zu ernten. Denn das haben die Whedon-Produktionen eigentlich immer vermieden: ihre Figuren vorzuführen.
Vor Wesley verabschiedet sich jedoch zunächst einmal der irische Dämonen-Hybrid Doyle (Glenn Quinn ) in der neunten Episode mit einer finalen, heroischen Tat aus der Serie. Dieser hatte bis dahin die Credits und die Seite Angels geschmückt, also schien eigentlich klar: eine neue Hauptfigur. Darf man dem Internet glauben schenken, war das überraschende Ausscheiden dieser Figur weder der Drogensucht des Darstellers (die ihn 2002 endgültig abtreten ließ), noch einem Disput mit dem Cast geschuldet, als vielmehr einer frühen Idee Whedons, die in „Buffy“ noch am Budget scheiterte und nun ein für alle Mal klarmachen sollte, dass eine Credit-Nennung noch lange nicht vor dem Sterben schützt – hätten wir das also auch gelernt. Die Figur des Doyle ist übrigens gleichzeitig ein Vehikel für ein neu eingeführtes erzählerisches Mittel. Dessen regelmäßigen Visionen sind es nämlich, die den narrativen Ausgangspunkt für die Episoden bilden, die hauptsächlich einer Monster-of-the-week-Struktur folgen.
Mit dem Tod Doyles lebt dieses Element in Cordelia (Charisma Carpenter) fort, die in der Scooby-Gang keinen Platz mehr fand, die Whedon aber nicht loslassen wollte. Sie ist der Funken, der die Begegnungen mit den rationalen (Wesley) und stillen (Angel) Männern in der Detektei auflodern lässt. Sie ist die hedonistische Lebensfreude, die zickige Drama-Queen, die die Lust am Dasein für kleine, kostbare Momente auf ihre Mitstreiter zu übertragen vermag – und damit auch auf den Zuschauer. Sie ist der unangebrachte, und deswegen so wunderbare Witz an der falschen Stelle und damit das bestimmende Gegenpol zur titelgebenden Hauptfigur. Diese taucht die Serie vor allem in einen bestimmenden Farbton: Schwarz.
Angel markiert das Gravitationszentrum der Serie ohne Szenen grob an sich zu reißen. Er ist mit seinem schleichenden, geschmeidigen Gang bei gleichzeitiger physischer Präsenz und der kindlichen Unschuld mit der er versucht sich in den Brennpunkten sozialen Miteinanders zurecht zu finden, die Konstante im Untergang und gleichzeitig der Ursprung aller Tragik. Und David Boreanaz spielt die Gesten und Blicke dieser Figur mit solch einer Beiläufigkeit, so bescheiden und stumm, dass dessen raren Ausbrüche aus seiner Rolle zugleich absolute Höhepunkte markieren - beispielsweise wenn sich in „Sense and Sensitivity (Ep. 6) emotionale Ausbrüche wie eine Epidemie verbreiten („You both withdraw when I go vamp. I feel you judge me.“) oder im J.D. Tagtraum-Moment beim Tanz plötzlich alle Stricke reißen (Ep. 13).
Der Einfall von Figuren aus der Haupt-Serie fühlt sich bei diesem harmonisch-disharmonischen Trio wie ein störender Eindringling und Fremdkörper an. Das Auftauchen von Buffy zeigt beispielsweise auf eindrucksvolle Weise wie sehr sich Sympathien mit dem Wechsel der erzählenden Perspektive verändern können. Auch der kurze Auftritt einer wenig ergiebigen, weil viel zu simpel durchpsychologisierten Anti-Helden-Figur wie Faith (Eliza Dushku) hält die Serie vor allem im Dienste des Fan-Service auf, statt „Angel“ auch an der Figurenfront endgültig eigenständig Fuß fassen zu lassen. Wie das aussehen kann, zeigen bemerkenswerte Episoden wie „I've Got You Under My Skin (Ep. 14), die innerhalb einer offenkundigen „Exorzist“-Hommage mit vielen, kleinen oder größeren Wendepunkten operiert und die Erwartungshaltung eines pop-kulturell geschulten Publikums laufend unterwandert. Der finale Schlussgag – der Dämon versucht der leeren, apathischen Hülle seines vermeintlichen Opfers zu entfliehen und nicht andersherum – beweist, wie selbstbewusst sich die Serie in den Traditionen des (mythischen) Horrorfilms zu bewegen vermag - wenn sie nur will.
Leider bleiben das Ausnahmen in einer an Highlights armen ersten Staffel, die an den Spannungsfeldern zwischen den Figuren und essenziellen Interessenskonflikten viel zu selten interessiert ist und stattdessen mittelmäßige Faustkämpfe serviert. Hier wünsche ich mir mehr Mut zum verrückten Humor, zum figural getriebenen Drama und zum Diskurs um Vampirismus und seine Implikationen, die an der tragischen Angel-Figur doch so wundervoll fassbar werden.
Hat die Produktion von US-Remakes denn zur Folge, dass vor allem Amerikaner auf das Original verzichten und stattdessen die Neuauflage bevorzugen? Und gibt es dazu Studien oder Umfragen? Wenn dem so ist, sehe ich Remakes als reine Übersetzungsarbeiten (sowohl sprachlich, als auch kulturell) eher kritisch. Die Übersetzung erübrigt zumeist die herausfordernde Auseinandersetzung mit fremden Kulturen und den Sensibilitäten einer fremden Zuschauerschaft. Gerade auf Seiten des Publikums würde ich vermuten, dass Remakes eher dazu führen, den Zugang zum Weltkino zu behindern und das Kino als interkulturelle Begegnungsstätte abzuschwächen.
Ganz zu Anfang stand sie noch dort, verunsichert, unschuldig. Die blonde Mähne durch eine Haarspange gebändigt betritt sie die Schulbibliothek, die außerhalb des alltäglichen Überlebenskampfes in hierarchisch gegliederten Highschool-Strukturen einen eigenen, Staub-verfangenen Kosmos bildet. Im einfallenden Sonnenlicht tanzen die Staubpartikel und ein Brite im Tweed-Jacket fängt sie auf, stellt sich mit Giles vor - eine gutmütige Vaterfigur, die die Manierismen des stereotypen Inselbewohners Season für Season abträgt, aber nie ganz vergisst. Die Bibliothek markiert den Übergang in eine andere Welt; eine Welt, unter der sich der Höllenschlund auftut und in der Buffy (Sarah Michelle Gellar) mit den Waffen eines Slayers für alles eine Lösung finden muss. Hier findet die Reise ihren Anfang - und das Buffyverse zu seinen Ursprüngen.
„Buffy - The Vampire Slayer“ zu studieren, bedeutet Evolution zu studieren. Und diese Evolution ist weitreichend und facettenreich: Zunächst leichtherzige Monster-of-the-week-Dramödie, Genre-Potpourri und Kabelsender-Trash direkt aus den Untiefen der Neunzigerjahre - dann aber verzieht sich der Vampir-Staub und gibt den Blick auf die tragischen, emotionalen Verstrickungen jener frei, die versuchen in den Schnittpunkten sich abstoßender Welten ihr ersehntes Glück zu finden. Dabei bleibt „Buffy“ immer ein Außenseiter-Porträt, unmittelbar und intravenös versorgt mit dem Herzblut seines Erschaffers und durchsetzt mit den einschlägigen Motiven der teen angst. Auch Buffy, die Heldin aus "Buffy", in erster Linie jedoch das sechzehnjährige Mädchen, das mit den Umständen des Andersseins ringt, durchläuft die Evolutionsstufen der Adoleszenz. Nicht im Faustkampf mit blutsaugenden Nervensägen gilt es also zu bestehen, sondern im hierarchischen Kampf des ungleich komplexeren, sozial verkomplizierten Schulalltags.
Buffy evolutioniert so wie die Serie in Tonalität und Schwerpunkt evolutionert. Und ebenso wie die wunderbaren, allesamt Herzblut-verströmenden (Neben)Figuren ihre Evolution durchlaufen, indem sie wachsen und zurückfallen dürfen. Willow, eigensinnig und herzerwärmend gespielt von Alyson Hannigan, wird erwachsen, entdeckt sich und ihre Stärken (neu), Xander (Nicholas Brendon) reflektiert still über seine Daseinsberechtigung in der Scooby-Gang ohne dabei seinen Humor zu verlieren und Angel (David Boreanaz) ist mit den Unwegbarkeiten einer Liebe zwischen Dämon und Mensch konfrontiert, ehe ein Serien-Spin-off ihn nach Los Angeles beordert. Nebenbei revolutioniert die Serie das Genre, indem sie es nicht nur hofiert, sondern erweitert, ausweitet und neue Schichten aufträgt. Teen angst bot sich seit jeher dafür an, sie in die unvorstellbarsten Horror-Szenarien zu implementieren, war der Horror doch stets der Auseinandersetzung mit dem Abjekt verpflichtet - jenen Dingen also, die die Ordnung ins Wanken bringen und die es impulsiv von sich abzustoßen gilt. Wem käme dies näher als dem Kind, das von Entfremdung und Selbsthass zu berichten beginnt?
Und das wahnsinnige und großartige an den geplagten Figuren: Taten und Worte haben Konsequenzen und sind nicht über die Begrenzungen des vierzig-Minuten-Formats einer Episode vergessen, da der Status quo der Serie, so wie das Leben, immerwährenden Transformationen unterworfen ist. Whedon nimmt all diese Gefühlswelten ernst und zieht die Konsequenzen, wenn sie sich kreuzen. Und wenn er beginnt diese Figuren und ihre Gefühle zu überhöhen, dem Sentiment zu den Klängen der 90er-Jahre seinen verdienten Platz einräumt oder die Lebenswelten zweifelnder Teenager abstrahiert, um die Blaupausen des phantastischen Horrors auf sie anzuwenden, ist das bisweilen beängstigend präzise und fernab dessen, was Titel und Verpackung von „Buffy“ befürchten lassen. Dann folgt auf den Lacher der stockende Atem und die verhärteten Züge lösen sich im Beisammensein einer sich liebenden Gemeinschaft, die sich im alltäglichen Miteinander Bedeutung schenkt. Hinter der Metapher steht das Leben, und schlussendlich: die Liebe.
Oz: „Guys, take a moment to deal with this: we survived.“
Buffy: „Yeah, that was a hell of a battle.“
Oz: „Not the battle – Highschool.“
Ivy Walker: When we are married, will you dance with me? I find dancing very agreeable... Why can you not say what is in your head?
Lucius Hunt: Why can you not stop saying what is in yours? Why must you lead, when I want to lead? If I want to dance, I will ask you to dance. If I want to speak, I will open my mouth and speak. Everyone is forever plaguing me to speak further. Why? What good is it to tell you you are in my every thought from the time I wake? What good can come from my saying I, I sometimes cannot think clearly, or do my work properly? What gain can rise from my telling you the only time I feel fear as others do... is when I think of you in harm? That is why I am on this porch, Ivy Walker. I fear for your safety before all others. And, yes... I will dance with you on our wedding night.
Maureen (Kristen Stewart) ist ständig in Bewegung, durchläuft Räume, wechselt Lokalitäten, kommt an, um kurz darauf wieder zu entschwinden. „Personal Shopper“, das düngt einem schnell, ist ein ungeheuer vielschichtiger Film, der sich mit jeder Szene Schicht um Schicht zu entblättern beginnt, so wie auch Maureen die Kleider überstreift und dann wieder von sich abfallen lässt. Assayas' Film sträubt sich dabei jedoch jeder Zuordnung, er ist viel- und uneindeutig seine wahren Intentionen betreffend und deswegen von einer beunruhigenden Getriebenheit, weil er in der Wahl seiner Mittel nie durchschaubar wird. Alle Räume sind bevölkert von Echos, die die Vergangenheit in die Gegenwart zwingen. Assayas doppelt diese Metapher mit dem Bild des digitalen Echos, das in den Whatsapp-Konversationen mit einem Unbekannten in einen bizarren, intimen Dialog eintritt. Assayas integriert die modernen Kommunikationsmittel zu diesem Zweck nicht nur, um (vollkommen frei von jeglichem Technik-Pessismismus) ein Abbild der modernen Lebenswirklichkeit zu entwerfen, sondern macht sie auch narrativ für sich nutzbar. Die modernen Kommunikationsmedien stellen neue, virtuelle Räume zur Verfügung und doch befremden sie die Menschen, die sie nutzen. Die Menschen werden in der Konsequenz zu Grenzgängern zwischen den Räumen, entkoppeln das physische vom psychischen. Auch der Dialog zwischen Maureen und dem Unbekannten ist zeitlich fragmentiert, wird immer wieder unterbrochen und später fortgeführt. Diese zeitliche Fragmentierung nutzt Assayas, um daraus immer wieder nervenaufreibende Spannungsmomente zu kreieren. Wenn er die Räume wieder zusammenführt, die Vergangenheit aufholt und mit einem Mal vor der eigenen Tür steht, erreicht der Film dann auch ungeahnte Genre-eigene Qualitäten. Maureen lebt in einer Endlosschleife, als Abdruck auf digitalen Oberflächen, zum Geist geworden. Als letztes Vermächtnis ist es eine wie auch immer geartete Entität, die sie aus dieser Tristesse entlässt, weil sie beginnt die richtigen Fragen zu stellen. Und die Kraft ist schlussendlich keine jenseitige, fremde, sondern eine ganz vertraute: die Kraft in ihr selbst.
Schwarzweiße Camcorder-Bilder und andauernd bedudelt ein Pop-Song die Geräuschkulisse: Zwick macht einen auf Crowe, kann aber leider nix. Dessen Figuren ist man zumindest gewillt über die gesamte Laufzeit zu folgen. Dass Gyllenhaal und Hathaway die Nackedeis geben ist schon das Höchstmaß an Risiko, alles andere ist von der erzählerischen Konvention bestimmt. Hathaway, die sich in Heulkrämpfen schüttelt und Parkinson ganz blöde findet, ist sowieso maximal unerträglich. Und das ewige RomCom-Problem ist auch wieder da: alle sind so witty, crazy und charming die ganze Zeit - und doch so unfassbar boring dabei.
Ein absolut lohnenswerter Blick hinter die Kulissen einer New Yorker Impro-Gruppe. Humor ist hier nicht nur Bestandteil alltäglicher Umgangsformen oder Bewältigungsstrategie angesichts jener Arschtritte, die das Leben beizeiten aus der Bahn werfen, sondern auch eine Kompetenz, die die Freunde auf der Bühne abseits davon in einen Wettstreit eintreten lassen. Dann erzählt „Don't Think Twice“ auch vom Neid, dem lästigen, wenn sich die Karrierewege trennen und die Angst umgeht, auf ewig in den Kellern halb verlotterter Stand-Up-Bars den Clown zu mimen und den Wunsch es endlich auf der großen Fernsehbühne tun zu dürfen, von der Sehnsucht gesehen zu werden oder vom Widerspruch als Teamplayer seiner Intuition zu folgen, um zahlendem Publikum einen unbeschwerten Abend zu bereiten und dem Ehrgeiz aus dem Schatten seines Ensembles herauszutreten; dem Widerspruch das Leben mit Leichtigkeit zu nehmen und aus den Komplikationen des Alltags eine Pointe zu dichten und der Unbarmherzigkeit des Geschäfts. Diese sehr ambivalenten, komplexen Gefühlswelten aufstrebender Comedians, von denen man nicht weiß, ob sie zuvorderst Freunde oder doch Konkurrenten sind, fängt „Don't Think Twice“ beinahe semi-dokumentarisch und doch gleichzeitig ungeheuer einfühlsam ein. Eine klassische Milieu-Studie also, die einem sehr andere, sehr spannende Lebensentwürfe näher bringt und weder urteilt, noch beschönigt, wenngleich das Klischee vom bösen TV-Boss hier lediglich der romantischen Idee dienlich ist, die „Kommune“ gegen das verschleißende, schnelllebige Fernsehgeschäft zu verteidigen. Solche Makel sind vergessen, wenn der Film dem Theater seine Liebe gesteht und die Bühne zu jenem Ort erhebt, an der alle kommunikativen Barrieren überwunden werden - wo Wunden nicht nur aufgerissen, sondern auch wieder geheilt werden können.
Welch Ironie, dass gerade Petzolds DDR-Film in solch kräftigen Farben strahlt; nicht aus Verklärung einer trüben Erinnerung heraus, sondern ganz im Gegenteil im Bewusstsein einer Lebenswirklichkeit, die für viele eben nicht nur in Grautönen gemalt wurde, weil der Mensch in jedem System für sich eine Heimat finden kann - muss. Die Kontrollsucht dieses Systems, das die Sehnsüchte seiner Bevölkerung nicht nur ungehört verklingen ließ, sondern ganz gezielt unterdrückte, bleibt nichtsdestotrotz ein stetig präsentes, allumfassendes Bedrohungsszenario, das Barbara an den Bildrand drängt und ihr die Luft zum Atmen raubt, aber ihre Idee von Freiheit nie gänzlich ersticken kann. Bemerkenswert ist, dass trotz dieses durchdachten Inszenierungskonzepts die Bilder immer noch vor Leben sprühen und die Geschichte tatsächlich lebendig werden lassen, sodass der Film nicht nur Empathie für jene zulässt, denen man den Opferstatus zuweist, sondern auch all denjenigen, die sich mit der DDR-Diktatur arrangiert haben. „Barbara“ erzählt aber auch gleichzeitig von der Idee eines Glücks, das in der Sehnsuchtsphantasie verfangen wertvoller erscheint und deswegen auf ewig unverwirklicht bleibt. Sodass Barbara schlussendlich nicht aus Opferbereitschaft an der Küste verbleibt, sondern aus Angst vor der Enttäuschung an eine sehnsüchtig erwartete West-Utopie - möglicherweise aber auch in der Realisation in einem anderen Menschen eine Heimat gefunden zu haben. Kein klassischer DDR-Film; reduziert, leise und ohnehin viel zu bunt, aber es lohnt sich - auch wenn man dafür auf die Schulklassen des Geschichtskurses 10a im Kinosaal verzichten muss und Jauch im Anschluss keine Talkrunde versammeln kann.
Oscar-Kino aus Deutschland. Ganz am Ende schnürt Donnersmarck sogar das komplette Wohlfühlpaket. Grundlegend ist „Das Leben der Anderen“ jedoch unterhaltsam, historisch verortet, gut gespielt, nach wie vor relevant und sein durchschlagender, internationaler Erfolg, gerade in den USA, aufgrund dessen nicht einmal eine so große Überraschung. Vor allem macht der Film keine Spärenzchen, ist ganz und gar konzentriert und bietet insbesondere eine geniale Prämisse an, die als Drei-Personen-Stück auch ohne weiteres auf der Theaterbühne zuhause wäre. Auf das wirkungsvoll fatalistische Finale hin, hätte man sich die darauf folgenden, Erklärbär-lastigen Minuten aber auch sparen können. Man kann das Ende einer Diktatur auch ohne happy end für den stillen Helden auserzählen. Dafür hinterlässt Ulrich Mühe auch so einen viel zu eindringlichen Eindruck. In seinen Augen drückt sich die Sehnsucht nach Bewegung aus, dort wo der Status Quo Stillstand verlangt. In ihm manifestiert sich der Glaube und die Hoffnung an eine wesenseigene Moral, die dem Menschen auch allen Widrigkeiten zum Trotz immanent ist und die die Kunst zum Vorschein zu bringen vermag.
Die vitale Hedi wird aus dem Leben gerissen, und steckt fortan in ihm fest. Der triste, transparente Bürokomplex hat ihr jede Lebenskraft entzogen, dunkle Augenringe gemalt und sie zur Bestandsaufnahme gezwungen. Der Titel verschweigt, dass sie der plötzlich hereinbrechenden Lebenskrise nicht alleine gegenüber steht. Denn gerade im Zusammenspiel mit Hedi's Mann (Hans Löw) vollzieht der Film ungeahnte Höhenflüge. Heiss erzählt weniger die Chronik einer Krankheit nach als vielmehr eine Beziehungsgeschichte am Scheideweg. Lebensträume vs Lebensrealität, Egoismus vs familiäre Verantwortung. "Hedi Schneider steckt fest" gibt auf die skizzierten Dilemmata keine universellen Antworten, und genau das ist das gute daran.
Zuerst ist da Enttäuschung: zu viele Rückblenden, zu viele assoziative Bildmontagen, denen durch Malick-Epigonen und Werbefritzen bereits jede Kraft ausgetrieben wurde, zu viele Streicher, die einem die Tränen in die Augen treiben wollen und allen ernstes ein chinesischer General, der nach einem Telefonat mit Amy Adams in einem sentimentalen Augenblick den Weltfrieden erklärt und alle Geheimdienstakten offenlegt. Und Adams und Renner finden inmitten eines diffusen Weltenchaos zueinander, wenngleich diesen beiden starken Schauspielern kein glaubhafter Moment der Intimität und der zwischenmenschlichen Annäherung zugestanden wird. Warum sich ein interessanter Filmemacher wie Villeneuve ausgerechnet in die Hände eines Drehbuch-Legastenikers begeben muss und der unendlichen Faszination des klugen Ursprungsstoffes (unbedingt lesenswert) müde Hollywood-Kniffe hinzudichten lässt, bleibt hier tatsächlich eines der größten Rätsel. Dennoch bleibt dieser kleine, intime Film, der nicht als solcher beworben wurde, eine faszinierende Ausnahme im diesjährigen Kinoprogramm. Vor allem schlägt „Arrival“ in einem interessanten Zwischenbereich ein und knetet vermutlich auch solchen Zuschauern die Gehirnwindungen durch, die überhaupt nicht geplant hatten, diesen Abend noch davon Gebrauch zu machen. So kann aus der Erwartung an ein saftiges Aliengemetzel auch etwas viel wertvolleres entstehen und die Gedanken auf Reise schicken..
Die simultane Bewusstseinswelt der seltsamen, wirklich andersartigen Heptapoden macht die Zeit nach unseren (sequentiellen) Vorstellungen obsolet und stellt unser Konzept von einem selbstbestimmten Leben fundamental in Frage. Dass das nicht zwingend deterministisch gelesen werden muss, beantwortet Chiang in seiner Kurzgeschichte selbst: Die Heptapoden „act to create the future“, denn möglicherweise bedeutet ihr Simultan-Bewusstsein nicht, einer Entscheidung beraubt worden zu sein, sondern bereits alle getroffen zu haben. Die Liebesgeschichte des Films ist von Anfang an verdammt, beinhaltet aber ein Glück, das trotzdem gelebt werden will. Der kommunikative Akt ist bei den Außerirdischen immer performativ, ihr Wissen wird erst durch ihn zur Wahrheit. Und was wäre das für ein Leben, in dem man den Tod schon im Augenblick der Geburt akzeptiert und in dem der Angst, die immer zukunftsgerichtet ist, jede Nahrung entzogen wird? Die Gedanken gehen auf eine Reise ohne Ziel, denn wie so oft bei solchen Spielchen bleibt man schlussendlich doch immer mit seinem Wesenskern verhaftet und jeder Versuch außerhalb seiner Wahrnehmungswelt eine quasi-objektive Außenansicht einzunehmen, scheitert. - Doch schon allein die Tatsache, dass Mainstream-Kino solche Experimente heutzutage noch zulässt, sollte Anlass zur Hoffnung geben.
Wo „World War Z“ seinerzeit unter der Last eines Rekordbudgets und einer ganzen Reihe produktionstechnischer Turbulenzen der große Absturz drohte, gehen die Koreaner bereits präventiv einen Schritt zurück. Statt eines weltumspannenden Untergangsszenarios gerinnt der Zombie-Virus hier zunächst einmal nur zur nationalen – und wichtiger noch: – zur persönlichen Katastrophe. Dabei ist das Szenario von „Train to Busan“ tatsächlich vielseitig auslegbar, lässt sich sowohl auf die atomaren Katastrophen jüngerer Zeit, als auch auf die gesellschaftlichen Befindlichkeiten Koreas selbst lesen. Insbesondere in der Skizzierung gruppendynamischer Prozesse geht das kammerspielartige Konzept, die Auswüchse einer Zombie-Apokalypse in die Abteile eines Zuges zu verlagern, eindrucksvoll auf. Sobald die Gruppe Überlebender den ersten Schrecken um ein geiferndes Untoten-Kollektiv erst einmal verkraftet hat (die sich stapelnden Zombie-Horden sind direkt vom großen Blockbuster-Bruder entlehnt), wird wieder begonnen sich untereinander zu zerfleischen. Plötzlich wird ein Unterschied gemacht zwischen denen und jenen und der Frust um die eigene Situation auf andere – eigentliche Leidensgenossen – abgeladen. In den Begrenzungen eines Zugabteils besinnt sich "Train to Busan" immer wieder auf seine Figuren und ihre Verfehlungen. Erst inmitten der hereinbrechenden Apokalypse lernt unser Protagonist was er hat und was davon wirklich von Wert ist und erst im existenziellen Überlebenskampf lernt er sich von seinem Ballast zu befreien. Der Film lässt sich diesbezüglich vor allem als eine Art kathartische Reise seiner Hauptfigur lesen, die mit einem fürsorglichen, werdenden Vater und einem ignoranten, selbstsüchtigen Unternehmer zwei mögliche, stereotype Zukunftsmodelle ihres eigenen Lebens in Aussicht gestellt werden und die über die Katastrophe hinweg und durch sie hindurch zu den Tugenden von Aufopferung und Selbstlosigkeit gelangt. Hier dünnt der Zombie-Virus also nicht nur die Bevölkerung ordentlich aus, er macht manche auch zu besseren Menschen.
In der Welt von „Girls“ ist nichts von Bestand. Hauptfigur Hannah, gefangen in einem Barock-Körper, exhibitionistisch veranlagt, krankhaft selbstbezogen, natürlich orientierungslos und unsicher, wird gespielt von Showrunner Lena Dunham. Sie will als Autorin publiziert werden, muss aber auch Geld verdienen, als ihr ihre Eltern zwei Jahre nach dem College-Abschluss plötzlich den Geldhahn zudrehen. Darüber hinaus hat sie gerne Sex, also navigiert sich Hannah von einer absurden Liaison in die nächste, besonders wählerisch scheint sie dabei nicht zu sein. Gerade in Season 2 verliert "Girls" deswegen den Boden unter den Füßen, flüchtet sich in Sitcom-Karikaturen und erzählt zu sprunghaft und lose von einer Vielzahl von Figuren und Schauplätzen. Um der racial-diversity-Debatte etwas entgegensetzen zu können wird dann beispielsweise Donald Glover als republikanischer Lover installiert, verschwindet aber ebenso wie Patrick Wilson nach wenigen Folgen wieder spurlos.
Dem gegenüber steht eine Reihe sinnkriselnder, lebensfreudiger New Yorker, die nicht nach „einem“, sondern nach „ihrem“ Platz in der Welt suchen und sich dabei immer wieder die Finger verbrennen: Adam ist ein selbstzerstörischer, animalischer Schauspieler (herausragend gespielt von Adam Driver), öffnet dem Zuschauer mit jeder neuen Folge das Herz und den Girls aus „Girls“ das Höschen, Shoshanna startet als fleischgewordene Karikatur jener Tussies, die den reifen Frauen auf ihrem „Sex and the City“-Poster nacheifern, entzückt dann aber als schnell-plapperndes Fashion-Girl, das stoisch ihren Träumen folgt (und daran mit der Serie wächst) und Ray schließlich teilt als lediger Mittdreißiger auf brutalst-wahrhaftigste Weise die Lebensweisheiten einer Erwachsen gewordenen „Seinfeld“-Generation.
Nicht die Stimme der Generation, aber eine Stimme einer Generation möchte Dunham laut eigener Aussage abbilden, eine Brücke bauen zwischen den gut betuchten, und deswegen unbeschwert dahinlebenden Mädchen-Gangs aus "Sex and the City" und "Gossip Girl". Im Alltagsstress und im existenziellen Dilemma, was zu tun ist, wenn die Elterngeneration die Lebensnotwendigkeiten ihrer Kinder bereits ökonomisch abgesichert hat, wird sich sicherlich jeder Mittzwanziger oder jeder, der sich daran erinnert, einer gewesen zu sein, wiedererkennen können. Manchmal ist die Serie dabei so naiv illusionär wie die Illusionen, die sie zu enttarnen gedenkt und manchmal so nah dran an den Lebenswirklichkeiten jener, mit denen ich meinen Alltag bestreite, dass es das, was ich auf den Bildschirm projiziere, wieder direkt auf mich zurückwirft. Das Gegenteil von Eskapismus also? - Keine Ahnung, aber die Zeit verging wie im Flug.
Trifft zwar nicht immer jeden Ton, aber unterm Strich ist jeder mittelmäßige Jackie-Chan-Flick immer noch tausendmal unterhaltsamer als irgendein teurer US-Actioner mit repetitiver Waffengewalt. Der biedert sich zwar auch dieser dritte Teil der Police-Story-Reihe streckenweise an, begeistert darüber hinaus jedoch auch regelmäßig durch gewitzte Choreographien und die leidenschaftliche Hingabe seiner hochtalentierten Martial-Arts-Künstler.
Alptraum Elternschaft oder doch Alptraum Amerika? In jedem Fall Lynch's intimster Film. In verwahrlosten, kalten Industriekomplexen wird die Degeneration vorangetrieben und die Orgelnummer in Schleife geschaltet. Die unbändige Experimentier-Lust seiner Frühwerke ist auch in seinem ersten Langfilm-Beitrag nicht zu stillen, sie wird jedoch eingebunden in eine kohärente, hermetisch abgeschottete Erzähllogik. Der Eraserhead spielt seinen Gesichtsausdruck, diesen nervösen, eingeengten Naturfan, aber besonders den Blick des Kindes, dass gerade bei einem Streich ertappt wurde, als durchlebe er den selben, nie enden wollenden Alptraum bereits zum zehnten Mal. Und Lynch platziert Details, lässt sie aber vollkommen unkommentiert - das Bild einer Atom-Explosion eingerahmt an der Wand, ihr Vermächtnis verfolgt die Bewohner einer entrückten, Post-apokalyptischen Welt bis ins Wohnzimmer, die Nachtischpflanze ohne Topf daneben, zwanglos aufgebahrt. Derweil: Humor in Graustufen, Bild auch, im Hintergrund rumort es, brummt es, rüttelt und zischt es - zum ersten Mal, und wie es immer sein wird. Die Bildideen direkt von „Grandmother“ entliehen, diesem biobasierten, langen Kurzfilm-Projekt kurz davor, dass ihm Zugang in die sich windenden Gedankenwelten eines verängstigten Kindes gewährte – seine Gedankenwelt. Kondensiert wurde ein autobiographischer Fiebertraum, nach außen gestülpt, um uns sichtbar zu werden, aber dialektisch nach innen gerichtet, geschwängert von der Angst um die Rolle in der Welt und die Verantwortung, die einen dort erwartet. Der Mark-erschütterndste Horror-Film von allen also.