_Garfield - Kommentare

Alle Kommentare von _Garfield

  • 7

    Wenn die Zeit im Raum gefriert: Harry und Hermine tanzen in einem Zelt. Die Musik von Nick Cave and the Bad Seeds bäumt sich auf. Keiner dieser beiden Schauspieler spielt das in diesem Moment ausgestellt bedeutungssschwanger, sondern genau so wie diese Szene gemeint ist: als kleine, tröstliche Enklave des Glücks inmitten weltumspannender Veränderungsprozesse. Das ist ganz große Klasse und zeugt von einem Regisseur, der an weit mehr interessiert ist als den großen Eckpfeilern der Buchvorlage. Es ist sowieso erstaunlich, wie wortkarg dieser erste Teil des großen Franchise-Finales bisweilen durch seine hoffnungslos gewordene Welt reist. Ständig müssen Harry, Ron und Hermine damit rechnen, verraten zu werden; der Horkrux hat zu allem Überfluss auch noch ähnliche Effekte wie jener Ring, der einst Frodo und Sam eine beschwerliche Reise bereitete; auch er sät Zwietracht und Misstrauen zwischen Menschen, die doch eigentlich Freunde sind und wiegt schwer als Last, die es zu (er-)tragen gilt, wenn man die Kräfte des Bösen zurückzudrängen versucht. Yates scheint zuvorderst an der Beziehungsstruktur des zentralen Trios interessiert zu sein und thematisiert immer wieder die Bürde Potters, der Auserwählte zu sein, aber auch der Eifersucht anderer darüber, es nicht sein zu können. Für eine Buchadaption nimmt sich Yates viel unbesprochenen Raum, stattdessen wird vieles rein visuell miterzählt - abseits von den erwartbaren "schönen" Bildern irgendwelcher Landschaften vom Ende der Welt. Nein, wird haben es hier mit einem Regisseur zu tun, der wirklich Lust hat auf seine Figuren und ihre Spannungsfelder. Nur ganz selten wird der zurückhaltende Score von Desplat bemüht - etwa in den kurzen, unvermittelt einsetzenden Gefechtssituationen, die überhaupt keine Anstalten machen, irgendwelchen ominösen Erwartungen an eine festgeschriebe Dosis Spektakel nachzukommen. Der Film ist von einer stetig präsenten Hoffnungslosigkeit durchzogen, weil er sich in der komfortablen Situation wiederfindet, eben nur das Vorspiel zu einem großen Finale liefern zu müssen. Insofern kann man der Entscheidung, das letzte Buch in zwei Teile zu untergliedern, nur begrüßen, hat es uns doch diese wunderbare filmische Anomalie beschert.

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    • 7

      Tatsächlich der beste Teil der Reihe und das nicht einmal nur wegen seines tollen emotionalen Finales. Fast alle Figuren der Filme bekommen hier mehr Profil: Dumbledore und dessen detektivische Suche nach einem Erinnerungsfragment vertieft die Mentor-Schüler-Beziehung zu Potter, der eigentlich stets doof-platte Bully Draco trägt einen glaubwürdigen Gewissenskonflikt durch den Film und Snapes Geheimnis wird angedeutet, ohne es endgültig aufzulösen. Auch die vielen romantischen Anbahnungen stören nicht, im Gegenteil: so passiert zumindest mal etwas zwischen den sonst so blassen Hogwarts-Schülern. Das wird zum Beispiel am neuen Love Interest Ginny sichtbar, die anders als die eher devote Cho die Rolle einer Verführerin einnimmt. Yates scheint in seinem zweiten Beitrag zum Universum ziemlich genau zu wissen, wohin er mit den Filmen gehen möchte und malt die Welt zunehmend in Grautönen - das passt und mutet bisweilen so an, als erstarrten die Bilder zu Gemälden. Sogar das sinnlose Quidditch sieht nicht mehr komplett beschissen aus. „Der Halbblutprinz“, der auch sogleich die interessanteste Figur der Vorlagen zum Titel hat, macht auch endlich unmissverständlich klar, was in der Bedrohung durch Voldemort und seine Gefährten alles auf dem Spiel steht. Der Film endet damit auf einer ähnlich düsteren Note wie seinerzeit „Revenge of the Sith“, der mit dem Untergang einer freien Weltordnung die Grundlagen für die aufkommende Rebellion gelegt hatte.

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      • 6

        Den bereits im Vorgänger aufkommenden, und logischerweise den Vorlagen geschuldeten, düsteren Grundtenor intensiviert "The Prisoner of Azkaban" weiter, bereichert die Reihe aber darüber hinaus mit vielen klugen Entscheidungen. Cuarón lässt den Schauspielern grundsätzlich mehr Zeit, indem er Einstellungen schlichtweg länger laufen lässt, statt sie wie die Vorgängerfilme andauernd mit Reaction-Shots oder Stellvertreter-Staunen zu malträtieren. Das entspannt den Film nicht nur rein strukturell, sondern spielt vor allem den jungen Schauspielern zu, die hier nochmal einen deutlichen Sprung im Vergleich zu den Vorgängerfilmen machen. Mit Professor Lupin (verkörpert vom wundervollen David Thewlis) kann der Film zudem eine der interessanteren Figuren des Potter-Kosmos inszenieren und gibt diesem folgerichtig viel Raum. Dessen Konfrontation mit seinen eigenen Dämonen koppelt sich dabei sinnig mit den aufkommenden adoleszenten Ängsten seiner Schüler. Dass das wendungsreiche Finale diesen erst zum Bösewicht und dann zur tragischen Figur umdichtet, erscheint da nur logisch. Dass auch „The Prisoner of Azkaban“ - wie jeder andere Twist-intensive Film - mit jeder neuen Sichtung (spätestens nach der zweiten) eher verliert, denn gewinnt, liegt wohl einfach in der DNA der Geschichte, die immerhin den gröbsten Zeitreise-Paradoxien gekonnt aus dem Weg geht.

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        • 6

          Vielleicht sollte Michael Shannon seinen Agenten wechseln. Schon wieder mimt er den harten Kerl, das durchtriebene Arschloch, das alle Makel auf sich vereinen muss, aber zumindest, und das ist neu, freihändig pissen kann. Seine Figur ist keine Figur im herkömmlichen Sinne, sondern so holzschnittartig gearbeitet und symbolisch angelegt, dass sie höchstens der groben Idee eines Menschen gleicht. Er ist die Karikatur eines Konservativen, das hässliche Gesicht des amerikanischen Kapitalismus und stets zeitgemäß rassistisch, wie sexistisch. In der Vorstadthölle wartet ein seelenloses Hausfrauen-Püppchen und noch gruseligere Maschinen, die sich als seine Kinder ausgeben; beruflich sitzt ihm ein unnachgiebiger Vorgesetzter im Nacken, der in der Leistungsgesellschaft kein Scheitern erlaubt. Bei so viel Gruselkabinett liegt die Flucht im Materialismus nahe; sein Cadillac steht symbolträchtig für den wirtschaftlichen Aufstieg der Mittelklasse während der ausgehenden 50er und beginnenden 60er Jahre, denen del Toro hier in jeder Hinsicht ausgiebig huldigt. In der stummen Hawkins, im Film latein-amerikanischer Herkunft, sieht Shannons Charakter vor allem ein Objekt der Begierde, das sich beherrschen lässt; im Amphibienmenschen ein wildes Tier, das obduziert werden muss.

          Dem gegenüber steht eine liberale Schicksalsgemeinschaft um zwei Putzfrauen (die eine schwarz, die andere stumm), die in ihrem Zusammenschluss die Stärke suchen, bestehende Herrschaftsverhältnisse zumindest kurzzeitig zu überwinden. Gemeinsam wollen sie das Andere vor seiner Zerstörung bewahren – und sind doch nur Spielsteine in einem ideologischen Grabenkampf. Denn so sehr es einem der Film auch glauben machen mag: das Andere in dieser Geschichte ist nicht der Amphibienmensch, irgendwo zwischen Abe Sapien und der Kreatur aus der schwarzen Lagune angelegt; es ist vielmehr Shannon als resoluter Sicherheitschef. Mit der Geschichte im Rücken lässt sich auf diesen alles projizieren, das der eigenen Identitätspolitik zuträglich ist und spricht gleichzeitig vor allem Bände über diejenigen, die an den Grenzen seiner Kontur versuchen Profil zu gewinnen. In seiner ewigen, künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Anderen, seiner Empathie und Faszination für das, das sich im Schatten verbirgt (oder sich von der dunklen Wasseroberfläche aus offenbart) findet del Toro nur eine fatale Antwort: um das Andere retten zu können, muss ein anderes erschaffen werden, auf das sich alles konzentriert, das man von sich abstoßen möchte.

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          • 6

            [...] Der Titel zielt darauf ab, ob es nicht Gott vorenthalten sein sollte über den Wert eines Menschen zu richten und stellt ganz grundlegend die Frage, ob es nicht unethisch ist so viel Macht in einer Einzelperson zu bündeln – gerade angesichts der einflussreichen religiösen Lobby in den USA eine Frage von ungeheurer Sprengkraft. Es macht aber auch deutlich, wie ohnmächtig private Einzelkläger gegenüber den großen US-Konzernen sind, die sich nach groben Fehltritten der schützenden Hand des Staates sicher sein können. Besonders eindringlich wird dies durch die Gegenüberstellung von Pensionären und Rentnern veranschaulicht, die im ganzen Land um ihre Renten fürchten müssen und den Gehaltskürzungen von Investment-Bankern, die Feinberg im Zuge des großen Finanzcrashs vornehmen musste. Während mit der vollständigen Rückzahlung staatlicher Kredite in den großen Banken wieder die Millionen-Boni flossen, gehen Rentner wieder arbeiten, weil das Geld nicht zum überleben reicht. [...]

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              Bitte gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen! - Peter Jackson leistet den Offenbarungseid. Tritt - ergraut, ermattet, hadernd durch Studio-Diktat und Gewichts-Jojo - aus der Mühle an die Öffentlichkeit - unzufrieden. Das darf er sein, ein kurzes Kinderbuch auf epische Größe in drei Teilen hoffnungslos überdehnt. Derart überdehnt, dass Risse sichtbar wurden, unter denen sich die Hässlichkeit gescheiterter Ansprüche Bahnen bricht. Was „The Lord of the Rings“ war, soll hier reproduziert werden. Einiges davon wird sichtbar: der Elben-Fetisch von Büchern und Filmen, die fliegende, rotierende Kamera, die Musik von Howard Shore, maßgebliches Element jener legendären Buch-Adaptionen, die innerhalb weniger Jahre zu modernen Klassikern kultiviert wurden - trotz ihrer Fehler. Auenland und Zwergen-Bande sollen warme Herzlichkeit verströmen, Gastauftritte und Easter Eggs Erinnerungen wecken, (natürlich) nostalgisch machen. Aber die Filme schaffen nur dies: Uncanny Valley, atemberaubende, hochauflösende CGI-Ungetüme von abstoßender Hässlichkeit.

              Besonders traurig stimmt die Ideenlosigkeit eines ehemaligen Independent-Regisseurs, der Tolkiens Stoff einst mit einem tiefen Humanismus und Mut zum Gefühlskitsch begegnete. Im Aufeinandertreffen mathematisch präzise angeordneter Schlachtformationen direkt aus dem Hochleistungs-Computer ist nichts spürbar außer ein gebrochener Wille, ein ängstlicher Filmemacher, der vergessen hat zwischen Studio und eigenem Anspruch einen annehmbaren Kompromiss auszuhandeln. Nichts von alledem haftet eine tiefere Bedeutungsebene mehr an, nichts weist mehr über die albern anmutenden Fantasy-Gestalten hinaus, sodass auch demjenigen die Magie dieser mythologischen Welt nahegebracht werden kann, der sich von der Oberfläche eigentlich abgestoßen fühlt. An die Stelle von Sam und Frodo, dem Seelenkern der Ringe-Filme, treten ein Dutzend (Plus 1) Zwerge und ein lächerlich grimassierender Freeman, der, sich einmal verirrt im schauspielerischen Niemansland, leider auch nicht mehr zurück findet. Unter dem Weichzeichner verblasst plötzlich jede klare Kontur und jede Haltung, so es denn eine gibt, verschwindet in diesem riesigen, epischen Missverständnis von phantastischem Unterhaltungskino, dem man eher „Gute Besserung“ wünschen möchte als eine lange Hasstirade entgegen zu brüllen.

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              • 8

                Am Anfang ist da eine Straße, dahinter ein weiter, ebener Landschaftstrich. Einige Autos rasen aus dem toten Winkel der Kamera ins Bild gen Horizont. Wie aus dem Nichts schlägt plötzlich ein Blitz ein, der Donner knallt fast synchron. Die Person hinter der Kamera erschreckt, niest zweimal und erschüttert die Kamera. - So klein und trivial diese Szene zunächst auch wirken mag, in ihr drückt sich doch eine ganz profunde Erkenntnis über das Filmemachen aus: Filmemacher und gefilmte Welt stehen immer in einem Verhältnis der Wechselwirkung zueinander. So wie die Kamera aus der Welt hervorgebracht wurde, die sie repräsentiert, und deshalb maßgeblich ihren Einflüssen unterliegt, so wirkt diese auch immer zurück; verändert und verformt das Bild, das wir von der Welt und seinen Bewohnern haben. Die Bilder aus „Cameraperson“ weisen auch immer wieder auf ihre Erschafferin zurück, die seit fünfundzwanzig Jahren als Kamerafrau für Dokumentarfilme den Planeten bereist. Dieser Film seien ihre Memoiren, lässt diese in den Anfangstiteln verlauten. Und doch geht diese wunderschöne Collage persönlicher Erinnerungen weit darüber hinaus. Wenn es im Schnitt heißt „kill your darlings“, dann hat sie diese in ihre Schatzkiste gesperrt und nun vor unser aller Augen geöffnet. Ihre Bilder werfen schlaglichtartig einen Blick in die vielfältigsten Lebensentwürfe und sind doch Bestandteil eines universellen Sinnzusammenhangs. Denn über allem steht die Reflexion der eigenen Rolle: Worin liegt die Verantwortung des Dokumentarfilmers? Wann ist der Eingriff in die Welt geboten, die man doch eigentlich so unberührt wie möglich zu fassen versucht? Wie lässt sich in den Realitäten der Postmoderne noch Bedeutung generieren, wenn jede Wahrheit eine Frage der Perspektive ist? Was ist Wirklichkeit und existiert sie auch absolut? Was verändert die Kamera in der Begegnung mit dem Anderen, was eröffnet sie, was verhindert sie? Johnson macht dem Zuschauer das wertvollste Geschenk von allen, indem sie sich sichtbar macht, hinter der Kamera hervortritt und selbst Teil des Bildes wird.

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                • 6

                  Den biografischen Kern der Geschichte, den Tod seines Vaters und die Verarbeitung dieser Verlust-Erfahrung, macht Trey Edward Shults für den Zuschauer nie so wirklich emotional fruchtbar. Das ist überraschend, vielleicht auch enttäuschend, aber letztlich vollkommen in Ordnung. Stattdessen inszeniert Shults einen ziemlich straighten Paranoia-Thriller ohne größere Schnörkel. Das ist gut gespielt, ebenso exzellent inszeniert und dank knappen Budgets auch halbwegs profitabel, sodass sich nur hoffen lässt, dass talentierte Filmemacher wie Shults durch kluge Vertriebskonzepte wie jenem von A24 weiterhin eine Chance bekommen.

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                  • 3

                    Maximal Zielgruppen-optimierter Superhelden-Quark, den ich mit Zwölf bestimmt auch maximal gefeiert hätte. Wie sich die Macher mit Youtube-Clips, Spider-Man-Live-Streaming und Lego-Death Stars den Zeitgeist zu eigen machen und zu jedem Zeitpunkt wissen, welche Knöpfe zu drücken sind, verdient allerdings schon ein gewisses Maß an Respekt. Dass solche Filme auch von Vollbart-tragenden Mitdreißigern mit Yankees-Cap und Motto-Shirt gefeiert werden, ist dennoch einigermaßen befremdlich. Mir persönlich fehlte ein Gespür für das Coming-of-Age-Sujet, in dem man sich mit einer Origin-Story des Spinnenmanns ja zwangsläufig verortet. Im mittlerweile dritten Franchise-Anlauf wurde der Welt des Spinnenmanns nämlich jede Kante geglättet. In der Highschool sieht keiner mehr Scheiße aus, jeder hat einen flotten Spruch auf den Lippen und die olle Tante May wurde inzwischen auf Marisa-Tomei-Hotness ge-upgraded. Für schräge Vögel und stille Außenseiter (den man beispielsweise einem eigentlich viel zu alten Tobey Maguire noch abkaufte) ist hier kein Platz mehr. Peter Parker trägt stattdessen feschen Seitenscheitel und Sixpack und das Leben wird spielerisch gemeistert. "Homecoming" ist damit vor allem eine Traumwelt für pickelige Teens, die sich sehnsuchtsvoll in den Körper von Tom Holland projizieren können, in der Lebenswirklichkeit des Films aber nirgends repräsentiert werden. Irritierend ist auch, wie oft der Film über seine Figuren darauf hinweisen muss wie „awesome“ und „cool“ dies und jenes gerade war. Bei so viel Selbstbegeisterung und Meta-Gag vergisst Marvel natürlich mal wieder eine gute Geschichte mit liebenswerten Charakteren zu erzählen. Stattdessen gliedert man sich nahtlos in das Referenzsystem des MCU ein, indem man den Film durch Bezugnahme auf den Civil War und kleinere und größere Cameos fast schon wie eine Behind-the-Scenes-Folge der „Avengers“-Reihe erzählt. So viel Zielgruppen-Kalkül muss dann zu allem Überfluss auch noch von den armen Ramones bespielt werden. Weil's so fucking rebellisch ist.

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                    • 6

                      Die Jedis sind fernöstlich geschulte Kampfmönche, irgendwo zwischen spirituellem Wegführer und Superheld. Und die Kultur der Jedis ist es, die „Star Wars“ in seinem Kern ausmacht. Die große Chance der Prequel-Trilogie lag folglich in der großen Rolle, die die Jedis in ihr spielen sollten. Statt Relikt vergangener Tage (die Original-Trilogie) oder sogar zum Mythos verblasst („Force Awakens“) ist diese Kultur hier noch tief verwurzelt mit den politischen Strukturen der Republik und sogar eigenständiges Organ in der Gewaltenteilung. „Revenge of the Sith“ ging mit dem Kapital ungeheurer Fallhöhen in den Abschluss der viel gescholtenen Prequel-Trilogie: Der als Auserwählte gehandelte Skywalker darf endgültig zur behelmten Ikone aufsteigen, die Republik in seine Einzelteile zerfallen und als Diktatur wiederauferstehen und der Jedi-Orden den Kampf um die Demokratie und damit um seine nackte Existenz verlieren – zumindest vorerst.

                      In den Gesprächen zwischen Anakin und Palpatine (scharfzüngig und wunderbar sinister gespielt von Ian McDiarmid) beschreitet Lucas wirklich neue Wege und erklärt die Philosophie der Sith als naturgegebenes Ausgleichsgewicht gegenüber den Jedis fast schon zu einer legitimen Option. Leider ist die Wandlung von Anakin nur schwer nachvollziehbar und dessen Dilemma im Gesicht von Hayden Christiansen schlecht aufgehoben. Die immer eher theoretisch gedachten Allegorien auf Staatsstürze und aufkommende autoritäre Systeme bekommen in der Fratze von Palpatine in seiner auch äußerlichen Angleichung an den Imperator aus der Original-Trilogie dafür umso mehr ein Gesicht. Im Shakespeare-Theater von Palpatine wird das Kartenhaus der Sterne-Saga wirklich lebendig und Lucas kann beruhigt den breiten Pinsel schwingen. In der Inszenierung zwischenmenschlicher Konflikte und in der Enge von Räumen stößt er aber immer wieder an seine Grenzen.

                      Aus einer selbstständigen, verantwortungsvollen Politikerin wie Padme macht Lucas eine dauer-verheulte Hausfrau, die geduldig auf irgendwelchen Balkons wartet, Anakin mutiert vom orientierungslosen Lappen mit einem Mal zum Massenmörder und im dritten Teil muss sogar Ewan McGregor erkennen, dass in dieser Oper jede schauspielerische Anstrengung vergebens ist. Der Faszination der Jedis mit frischen Ideen neue Konturen zu verleihen, bleibt Lucas leider auch schuldig. In der Runde des Jedi-Ordens nehmen neben Mace Windu und Yoda (pro CGI) kaum neue, interessante Lichtschwert-Gestalten Platz. Und gute Lichtschwert-Duelle sind in „Star Wars“ ironischerweise nach wie vor rar – einen alten Christopher Lee als CG-Charakter zu übertriebenen akrobatischen Fähigkeiten zu verhelfen ist dabei ebenso wenig episch, wie Sidious und Yoda, die sich mit fliegenden Untertassen beschmeißen.

                      Und doch – und das sollte man bei allem Ärger nicht vergessen - steht hinter all den albernen Höhepunkten dieser Trilogie, und insbesondere in ihrem Abschluss, eine ziemlich gute Geschichte, die erwartbar fatalistisch die Brücke zur neuen Hoffnung schlägt. Die Hoffnungslosigkeit und Konsequenz von „Revenge of Sith“ wäre im gegenwärtigen Blockbuster-Kino jedenfalls kaum denkbar und stellt der beliebigen Folgenlosigkeit dutzender Superhelden-Filme nihilistische Untergangs-Bilder entgegen.

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                      • 6

                        Das ist schlicht und ergreifend gut gemachtes Thriller-Kino, das weniger die Bekämpfung eines Kartells (deutscher Titel), als die innenpolitische Intrige (Originaltitel) zum Zentrum hat. Ford ist für die Besetzung von Clancys idealistischer Romanfigur ein absoluter Glücksgriff und agiert fernab des süffisanten Schmuggler-Grinsens eines Han Solo. Zudem ist Jack Ryan kein klassischer Action-Held, folglich ist „Clear and Present Danger“ auch kein reinrassiger Action-Film. Stattdessen sind viele großartige Einzelszenen neben den zwei großen Action-Set-Pieces zu finden, wenngleich der Anschlag auf einen Auto-Konvoi in Kolumbien unfassbar Druck auf dem Kessel hat. Besonders memorabel sind die Auftritte von James Earl Jones als krebskranker Vorgesetzter, der in seinen letzten Atemzügen noch an die Verantwortung gegenüber dem Souverän gemahnt. Denn inmitten interventionistischer US-Außenpolitik und wiederholtem Völkerrechtsbruch platziert der Film klugerweise Ryan, der im Weißen Haus die Graustufen des politischen Tagesgeschäfts am eigenen Leib zu spüren bekommt. In einer Parallelmontage, in der der US-Präsident eine Begräbnisansprache zu einer Grundsatzrede über politische Ideale erhebt und in Kolumbien zu gleicher Zeit ein illegales Kampftrupp der Amerikaner durch Söldner des Drogenkartells aufgerieben wird, das dieser beauftragt hat, zeigt der Film klar, dass seine Solidarität bei den Soldaten, keinesfalls aber bei den hohen politischen Entscheidungsträgern liegt. Diese Ambivalenzen trübt lediglich ein allzu heroischer Horner-Score und der Showdown in „Phantom-Kommando“-Manier. - Geschenkt.

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                        • 6

                          Irgendwo in „Death Proof“ steckt ein richtig toller Film. Das Konzept, Slasher-Reißer und 70er Jahre-Auto-Film miteinander zu kreuzen, klingt reizvoll und zunächst nach einer durchaus originellen Idee. Ebenso reizvoll ist es, eine erste Frauengruppe zu installieren, gänzlich über die Klinge springen zu lassen, um dann eine weitere vorzustellen, die dem bis dahin zum bedrohlichen Mythos gewordenen Russell mal so richtig hart den Arsch versohlt. Hier ist der Film ein einziger Triumph. Leider erzählt Tarantino bis dahin unglaublich unkonzentriert und naheliegend. Emanzen sind bei Tarantino vor allem laut, sexbessesen und unfassbar geschwätzig. Gleichzeitig erzählen sie über einen ausschweifend langen Bar-Abend hinweg erschreckend wenig – und Tarantino kann einfach nicht aufhören noch eine weitere, besonders tolle Platte aufzulegen, die er aus den Untiefen irgendeines unbekannten Vinyl-Schuppens geborgen hat. Statt dem Grindhouse-Konzept einen straighten, konzentrierten Beitrag zu schenken, will Tarantino unbedingt Klassenbester sein und auch schon die Hausaufgaben für nächste Woche machen. Hier wäre weniger mehr gewesen.

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                          • 6

                            Irritierend. Zunächst hat man das Gefühl „Blind & Hässlich“ wolle jede Konvention verdammen. Durch den fragmentarischen, eigenartigen Schnitt bekommt der Film einen ganz eigenen Rhythmus. Gleichzeitig installiert der Film tatsächlich so etwas wie eine Bösewicht-Figur und verliert sich bisweilen in den typischen Bildern eines Becks-Werbespots. Für einen Werbespot ist das aber wiederum viel zu schön gespielt und hat einen viel zu guten, eigenen Humor. Also schon ziemlich sehenswert, schätze ich.

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                              Richtig Profil bekommt "Atomic Blonde" leider erst nach über einer Stunde. Wenn Charlize Theron von einem Action-Szenario ins nächste stolpert, verstummt auch endlich einmal der sagenhaft penetrante Neue Deutsche Welle-Soundtrack. Man merkt dem Film an, dass der bisherige Schwerpunkt von Regisseur Leitch in der Stunt-Choreographie lag. In den realitätsnahen, auch den Körperverschleiß inszenierenden Konfrontationen (ohne Gewackel!) findet der Film auch zu so etwas wie einer Identität und einer Idee davon, wie sich Körperkino von den Fesseln lästigem Plot-Denkens befreit anfühlen könnte. Leider muss man sich für den einzigen, wirklichen Höhepunkt des Filmes durch eine krude erzählte Geheimdienst-Geschichte und allerlei Verhör-Gebrabbel löffeln. Schade.

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                                über Her

                                In „Her“ wird Utopie und Dystopie gleichermaßen sichtbar. Utopisch sind nicht nur die Müll-befreiten Promenaden und farbenfrohen Großraum-Büros, die Graffiti-freien High-Tech-Züge (natürlich gefilmt in Japan) oder das gänzlich Smog-freie Downtown L.A., sondern vor allem die Realitäten der zukünftigen Arbeitswelt. Denn Arbeit, so scheint es zumindest, ist hier schon lange keine ökonomische Notwendigkeit mehr, sondern zuvorderst ein Instrument zur Selbstverwirklichung. Protagonist Theodore (Hundeblick: Joaquin Phoenix) schreibt beruflich die persönlichen Briefe fremder Leute, die nicht in Worte zu fassen glauben, was sie fühlen und denken; später sollen diese sogar professionell verlegt und physisch erhältlich sein. Freundin Amy (Amy Adams), ein bemitleidenswerter Charakter, der dreinschaut wie ein Schluck Wasser in der Kurve, dreht Kunstfilme über das Schlafen und sucht in der Einfachheit der Kunst berufliche Erfüllung. Als das nicht ganz zu klappen scheint, produziert sie Videospiele über Kindererziehung. Das bedingungslose Grundeinkommen hat den Menschen dieser Utopie endlose Freiheit gewährt, zeigt aber auch diejenigen, die an den Herausforderungen schier grenzenloser Selbstbestimmung zu scheitern drohen. Auch Oberlippenbärte und Hüfthosen ohne Gürtel sind Bestandteil dieser Utopie. Aber ob diese nun utopisch sind oder nicht, steht wohl offen zur Debatte.

                                Die Dystopie von „Her“ liegt nicht in der technologischen Fortentwicklung und der Evolution der Arbeitswelt – die Dystopie ist vielmehr ideologischer Natur: sie liegt in der Idee des Glücks. Das Streben nach dem Glück, unter anderem in der Präambel der Verfassung festgeschrieben, ist in der nahen Zukunftsvision von Jonze mehr denn je zu einer amerikanischen Bürgerpflicht geworden. „Her“ ist bestimmt von der Omnipräsenz der Gefühle. Andauernd befragen sich die Figuren nach ihren Gefühlszuständen, prüfen nach, was sich in ihnen gerade bewegt und ob sie glücklich sind oder nicht. Gerade weil die Menschen in dieser Dystopie unentwegt ihre Seelenwelt erforschen müssen, können sie nicht glücklich sein. Wenn Ideal- und Ist-Zustand laufend abgeglichen werden, muss die eigene Vorstellung des Glücks zwangsläufig scheitern. Im Falle von Theodore scheitert jede neue Kontaktaufnahme mit anderen Menschen an der idealisierten Erinnerung an eine vergangene Beziehung, die Jonze über langweilige, weil viel zu offensichtliche Rückblenden sichtbar macht. Theodore lässt sich von der Idee eines Glückes beherrschen, das per Definition nie final festgestellt werden kann, weil Sehnsüchte und Bedürfnisse sich laufend neu gebären. Die Konsequenz daraus ist deprimierend: die Menschen in „Her“ werden niemals glücklich sein. - Die Dystopie von „Her“ liegt in der Diktatur des Glücks.

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                                  Cotillard gleitet nicht, fliegt nicht anmutig, treibt nicht sehnsuchtsvoll dahin. Cotillard kriecht auf allen Vieren, hängt kraftlos in den Seilen, schleppt sich von Haustür zu Haustür, die Hoffnung längst an den rostigen Nagel gehängt. Einmal buckeln und betteln, dann wieder aufraffen, dann nochmal alles von vorne, aber bitte nett dabei. Täglich grüßt das Murmeltier. Die Depression sitzt noch im Nacken, macht die Schultern schwer und trübt den Verstand, der durch die glasigen Augen ohnehin nichts zu erkennen vermag. Und depressiv macht „Zwei Tage, eine Nacht“ auch. Tief depressiv. Solidarität ist so ein schönes Wort, wenn es Leute in Anzügen über die Flimmerkiste verbreiten oder auf Wahlplakate schreiben. Cotillards Figur, ein geprügelter Hund, der uns auf eine moderne Odyssee mitschleift, die einem am liebsten erspart bleiben würde, darf sich erniedrigen, den Kopf einziehen und doch irgendwie versuchen Haltung zu wahren. Ihre Reise und ihre Begegnungen machen traurig und hoffnungsvoll zugleich, die meiste Zeit aber zuvorderst wütend auf System und Leute. Und doch selbst so ahnungslos dabei.

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                                    Paterson ist die Stadt. Paterson ist der Mensch. „Paterson“ ist der Film von Jim Jarmusch, angelegt als Hommage an Stadt, Mensch, Fluss. Angelegt als Hommage an William Carlos Williams „Paterson“, Vorbild für den busfahrenden Poeten aus „Paterson“: Paterson. In den Alltagsstrukturen sieht dieser nicht Monotonie, Repetition, endlose Wiederholungsschleifen, in denen der Wahnsinn nur durch die Zeit auf Distanz gehalten wird. Er sieht nicht zermürbende Leere, lästige Pflicht, Stillstand in der Bewegung. Paterson sieht nicht jeden Tag gleich, und Jarmusch inszeniert nicht jeden Tag gleich. In den Alltagsstrukturen von Paterson werden die Variationen und Feinheiten des Lebens sichtbar, die im Außerhalb verborgen bleiben, wenn der Blick nicht zur Seite geht. Im Nacken von Paterson wird die Zukunft einer Liebe geschmiedet und die großen philosophischen Themen angepackt. In den Bars von Paterson, unter den wachsamen Augen von Paterson, wird die Zukunft einer Beziehung verhandelt und zum Scheitern verurteilt. Paterson, also die Stadt, ist aber auch Jarmusch-Town, bevölkert von stilbewussten, interessanten Menschen und dichtenden Fünftklässlerinnen. Backsteingebäude und Arbeiterschicht. Philosophie-Studenten und Designer-Vorhänge. Und „Paterson“, also Jarmusch, gesteht dem Alltag seine Liebe. Und er formuliert ein hehres Ziel: das Kleine im Großen erkennen, das Besondere in zyklischen Wiederholungsmustern. Und dieses Besondere kurz festhalten, um dann zu erkennen, dass es nicht für ewig währt. Und dann nicht zu resignieren, sondern stoisch seinen Weg zu gehen. Eine Zeile nach der nächsten, ein Wort auf das andere. Auf jede gute Formulierung folgt eine missratene, auf jede missratene... eine gute.

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                                      Regisseur Ezra Edelman knüpft die außerordentliche, höchst wendungsreiche Karriere O.J. Simpsons unmittelbar an die Zeitgeschichte, aus der sie erwachsen ist. Zwischen den Lebensstationen von Simpson, den frühen Tagen als Football-Talent am College, den darauf folgenden Profi-Jahren bei den Buffalo Bills bis zu seinen ersten Gehversuchen als Schauspieler in Hollywood, drängt sich dabei immer wieder ein größerer Bewandtnis-Zusammenhang in den Vordergrund. Die tiefen rassischen Konflikte im L.A. der 80er Jahre, die lange Vergangenheit von Polizeigewalt an Menschen der afro-amerikanischen Gemeinschaft und die nach wie vor präsenten Strukturen der Segregation geben der Geschichte von Simpson Kontext und Referenzpunkte. Sie erklären dabei nicht nur den ungewöhnlichen Stand Simpsons in der weißen Oberschicht, sondern erklären vor allem die überwältigende Wirkung, die der politisch aufgeladene, abstruse Prozessverlauf zuvorderst auf die schwarze Bevölkerung der USA ausübte.

                                      Insbesondere die Omnipräsenz der Medien spiegelt „O.J.: Made in America“ hierbei eindrucksvoll: Zu jedem Spiel und jedem wichtigen Run des Ausnahmetalents Simpson gibt es Fernsehaufzeichnungen, zu jeder Kontroverse existiert eine Stellungnahme in einem Interview, jeder öffentliche Auftritt wurde auf Tape gebannt, jeder Film-, Werbe- und Radioauftritt ist archiviert und jederzeit wiederabrufbar. Es existieren Homevideos aus dem Privatleben Simpsons ebenso, wie Aufzeichnungen einer Verfolgungsjagd zwischen dem inzwischen dringend Tatverdächtigen Simpson und der Polizei oder den darauf folgenden über zweihundert Prozesstagen – alles live im Fernsehen übertragen. Medien spielen eine ambivalente Rolle in der Betrachtung des Falles Simpson, sie zerstreuen die Aufmerksamkeit einer ganzen Nation, priorisieren Einzelschicksale, etablieren Marken und bauen Ikonen auf und verdienen schließlich am Untergang eben jener. Und doch sind es ironischerweise sie es, die es Edelman erlauben die Chronik der Causa Simpson beinahe lückenlos mit Originalmaterial nachzuzeichnen.

                                      Das gesamte Erwachsenenleben Simpsons scheint durch eine Kameralinse sichtbar gemacht, jedes intime Detail scheint an die Oberfläche gespült. Eine ganze Karriere als live-übertragende Reality-Show quasi, mit all den Höhenpunkten, den Partys und dem Geld und am Ende mit all der Gewalt und Grausamkeit des Absturzes eines als Nationalhelden gefeierten Mega-Stars. Die stetig auf Simpsons gerichteten Kameras entlarven dabei nicht nur dessen schizophrenen Charakter, sie verweisen auch immer wieder auf sich zurück. Denn auch die Medien haben aus dem grausamen Verbrechen des Football-Stars an seiner Ex-Frau Nicole Brown Simpson und ihrem Freund Ronald Goldman ein Politikum gemacht, das die Schuld oder Unschuld des Angeklagten nicht länger zur Streitfrage erklärte. Stattdessen nahm die afro-amerikanische Bevölkerung kollektiv Rache für Jahrhunderte der Unterdrückung und Marginalisierung - besonders fatal begünstigt durch die Lotterie der Jury-Zusammensetzung. Damit leistet sich auch das fehlgeleitete US-Justiz-System einen Offenbarungseid. Und es werden plötzlich vor allem Systemfehler sichtbar, die fundamentale Charakterfehler fast schon in den Hintergrund treten lassen.

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                                        „[…] Das Problem liegt weniger an den Grundzutaten, nur scheint Spielberg das Feingefühl abhanden gekommen zu sein, die einzelnen Elemente auszubalancieren. Aus einer romantischen Annäherung muss hier zwingend eine übersteuerte Hochzeitszeremonie folgen, die Bedrohungsszenarien nach Giftschlangen und mörderischen Fallen in einer Atomexplosion gipfeln und die Verfolgungsjagd im Dschungel muss noch damit gekrönt werden, dass Ravenwood gezielt auf einen Baum am Abgrund zusteuert und an diesem herab in den Fluss gleitet. Das ist so drüber, wie es Plastik ist. Und statt Gefahren existieren hier nur noch Attraktionen am Wegesrand. Das ist am Ende leider so aufregend wie ein Familienausflug in den Serengeti-Park – und mindestens so falsch. […]“

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                                          „[…] Trotz des beständigen Flirts mit Horror-Elementen über die gesamte Reihe hinweg, ist es der zweite Film, der sich ganz klar zu den Traditionen des B-Horrors bekennt. Im Tempel des Todes werden während ritueller Opferzeremonien Herzen mit bloßer Hand aus der Brust gerissen, hysterische Frauen durch dunkle Gänge mit giftigen Krabbeltieren gejagt und Indy durch schwarze Magie zum willenlosen Diener degradiert. „Temple of Doom“ vollzieht einen lobenswerten, tonalen Wechsel und scheint sich und seiner Idee doch nie ganz zu vertrauen: Der Titel-gebende Tempel des Todes spielt erst in der zweiten Hälfte des Filmes eine wirkliche Rolle, zuvor überlassen sich Spielberg und Lucas ganz und gar den Steigerungs-Mechanismen, die einige Jahre später auch den dritten und 24 Jahre später vor allem den vierten Film bestimmen sollten. […]“

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                                            „[…] Im Kampf gegen die Karikaturen der Hakenkreuz-Bande um den Prototypen des schmierigen Gestapo-Majors Toht gilt: nur ein toter Nazi ist ein guter Nazi. Während die Nazis an der Bundeslade nur interessiert sind, weil sie sich einen beträchtlichen Machtzuwachs davon versprechen, liegt Indy zuvorderst der historische Wert am Herzen. Und Spielberg findet für die Tour de Force nach der Bundeslade die passenden Bilder. Sofort eingebrannt haben sich die wunderschönen Matte-Paintings von den Bergen Nepals, die erste Begegnung mit dem wunderbar fiesen Krötengesicht Toht eben dort, die Basare Kairos oder der unsterbliche, ikonische Shot von Jones vor der untergehenden Sonne in der Wüste Ägyptens. Der Reiz des ersten Filmes liegt in der Ferne des Unbekannten und in der Aussicht der Möglichkeiten. […]“

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                                              [...] Am Ende des kreativen Vakuums, das die fehlenden Vorlagen Martins hinterlassen haben, steht damit auch die Ablöse des einen kreativen Modells durch das andere. An die Stelle einer individuellen Schaffensvision rückt, auch schon bedingt ausgelöst durch den Transfer vom einem Medium ins andere, die kreative Kollaboration und das künstlerische Werk als Gemeinschaftsarbeit. Und auch ohne diese grundverschiedenen, kreativen Modelle gegeneinander ausspielen zu wollen, wird deutlich, dass „Game of Thrones“ schon längst zwei Identitäten lebt. Aus einer Serie, die sich immer wieder wütend von ihrem Zuschauer abwandte und ihn alleine im Regen stehen ließ, ist eine Serie geworden, die diesen nun regelmäßig in einer umsorgenden, mütterlichen Geste fest in die Arme schließt. Und so spannend es für viele sicherlich gewesen wäre, zu sehen, wie sich die Geschehnisse auf Westeros in der Vision Martins ausgestaltet hätten, zumindest auf dem Fernsehbildschirm wird diese Vision niemals sichtbar sein. Stattdessen gibt es Staffel 7: ein teures Lizenzprodukt und eine höchst schizophrene Serien-Erfahrung. [...]

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                                                Durch die gewählten Betrachtungswinkel bringt Trier in seinen Figuren neue Facetten zum Vorschein, die ansonsten verborgen blieben. Ihre Probleme und Komplikationen werden in ein Verhältnis gesetzt und in einem globalen Bewandtnis-Zusammenhang verortet, der über die eigenen vier Wände hinausweist. Die Figur von Isabelle Huppert spukt wie ein Gespenst in den Köpfen ihrer Familie herum. Ihr Echo besetzt die Räume des Filmes, zuvorderst all jene kommunikativer Natur. Ihre Anwesenheit sollte eigentlich bezeugen, wie nichtig die Schmerzen sind, die ihre Hinterbliebenen fühlen. Die Bilder, die sie bis in die privateste Sphäre hineinträgt, müssten eigentlich abschwächen, was im Moment des Schmerzes so gewaltsam und vernichtend ist. Aber die Bilder von Bomben und Schutthaufen, staubigen Gesichtern und getrocknetem Blut vom Ende der Welt nehmen keiner Gefühlswelt ihre Gewalt und keinem Problem seine Daseinsberechtigung. Trier priorisiert keine Gefühlswelten über andere, erklärt nicht die einen für nichtig im Angesicht der unendlichen Ungerechtigkeit dieser Welt – selbst wenn sein Gespenst daran zerbrochen sein mag.

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                                                  Tom Hardy schlüpft abermals in die Rolle des patentierten Brummbären, die schon in „Fury Road“ den Komplikationen einer lebensfeindlichen Umgebung mit einem stoischen Kopfnicken begegnete. Keine Bedrohung vermag es, ihn an den Rand der Verzweiflung zu treiben; keine Situation erweckt auch nur den Anschein für ihn ausweglos zu sein. Auf jede hinterlistige Sabotage-Aktion der Tee-schlürfenden Herren-Runde der East India Company, angeführt von einem Alters-befleckten Jonathan Pryce, hat er eine Antwort. Leider steht hinter James Delaney keine spannende Figuren-Idee, sondern lediglich eine coole Schauspieler-Socke, der man mit Freude bei ihrer Arbeit zusieht - breitbeinig, zielstrebig, minimales Grimassen-Theater, aber maximale Bane-Coolness. Die simplen Beziehungsgeflechte beherbergen aber kaum interessante Figuren, die ohnehin viel zu schnell, viel zu eindeutig an klaren Feindlinien verortet werden. Königs-Karikaturen und alte Tyrannen überwiegen zumeist spannende, vielschichtige Figuren wie die des Michael Godfrey, höchst sensibel porträtiert von Edward Hogg. Stattdessen stehen Bond-mäßige Superschurken Hardy und seiner coolen Gang gegenüber. Und wo das wish-fulfillment bei „Vikings“ beispielsweise noch großzügig ausgezahlt wurde, steht man bei „Taboo“ am Ende mit leeren Händen da. Die wunderschönen Sets und der sichtbare Produktionsaufwand machen einen dabei zu allem Überfluss auch noch wehmütig.

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                                                    Was braucht ein Kind? Wo verhindert der Leistungsgedanke des Vaters eine glückliche Kindheit und bürgt vor allem Lasten und Erwartungen auf, statt aufzufangen und Halt zu bieten? Und wo versäumt es ein anderer sein Kind auf eine Leistungsorientierte, kapitalistische Gesellschaftsordnung vorzubereiten? Liegt das Glück in der Gegenwarts-bezogenen, hedonistischen Lebensweise des einen oder im Zukunfts-orientierten Karrieredenken des anderen? Aus der Konfrontation zweier grundverschiedener Erziehungsphilosophien ergeben sich für Koreeda eine Vielzahl hochkomplexer Fragestellungen, die weit über bloße Erziehungsfragen hinausweisen. Denn von der Erziehung ihrer Kinder ausgehend erzählt „Like Father, Like Son“ vor allem von den Vätern und ihren Lebensweisen, von ihren Vorstellungen eines geglückte Lebens und ihrem Blick auf die Menschen, die sie umgeben. Und obwohl Koreeda seinen Figuren zu diesem Zwecke klare Konturen verleiht, sie vereinfacht und exemplarisch positioniert, bleiben diese durch feine, zwischenmenschliche Beobachtungen immer emotional glaubwürdig. Er geht dabei nicht den einfachen Weg, dem vermögenden Paar aufgrund ihrer teuren Designer-Wohnung automatisch Gefühlskälte zu unterstellen und den anderen etwas doof und genügsam zu sein. Für Einfachheiten und Schnellschüsse ist „Like Father, Like Son“ viel zu unaufgeregt und achtsam montiert, zu gut gespielt und am Ende so klug, eben keine Patentrezepte anzubieten. Dafür schließt er mit einem unkonventionellen Erziehungsmodell und einer leisen Hoffnung, die in den Klaviertasten Shin Yasuis ihre Erfüllung erfährt.

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