_Garfield - Kommentare
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Alle Kommentare von _Garfield
Kogoro bittet natürlich als erstes um die Adresse eines guten Wirtshauses mit einer hübschen Bardame. Und irgendwo fühle ich mich diesem cholerischen, sexistischen Alkoholiker, dem der Ruf als Meisterdetektiv zu gelten eher zufällig zufiel, näher als dem titelgebenden Klugscheißer. Dieser muss auch in jeder Szene deutlich machen, wie sehr er den anderen, mit Lastern beladenen Menschen überlegen ist – schließlich hat er den „scharfen Verstand eines siebzehnjährigen Teenagers behalten" (sic!). „Die azurblaue Piratenflagge“ ist derweil eine der leichteren Urlaubsepisoden geworden – kaum spannend, nur leidlich aufregend, aber all das vor schönen, im Vergleich zum Serien-Standard leicht aufpolierten Landschaften. Vor dem unsäglichen CGI-Trend ist Conan bis hierhin nämlich weitgehend verschont geblieben. Die Geschichte um zwei Schnitzeljagden, die schließlich ineinander zusammenfließen, wäre allerdings schon für eine Doppelfolge reichlich dünn gewesen.
Keine locker-leichte Impro-Show, vielmehr eine zutiefst traurige Beziehungs-Studie. Der Elektrizität der Stadt weicht hier alsbald die lähmende Stille einer verzweifelten Landflucht. Am Seeufer tritt zutage, was in der Stadt noch vergraben war, aber von jeher angelegt. War es in Lass Vorgängerwerk noch seine eigene Figur, die in der stetigen Auseinandersetzung mit einem ausgeprägten Mutterkomplex durch sein Liebesleben stolperte, ist es nun die Figur seiner Freundin, die in den Armen älterer Männer auf Vatersuche geht. Wie in all seinen Filmen sind es pathologische Strukturen, die schlussendlich auch jeden Beziehungsverlauf determinieren. Formal ist das so ungezwungen wie das Spiel seiner Darsteller, aber auch „all over the place“, fragmentarisch, Impuls-getrieben, bisweilen kaum nachvollziehbar. Darin liegt die Großartigkeit der Filme des Berlin Flow, denen man in ihrer Verweigerung gegenüber herkömmlichen Storytelling-Anleitungen manchmal euphorisch zujubeln möchte. Auch weil diese Verweigerungshaltung sich nicht in anderen Dogmen manifestiert, sondern man das Gefühl bekommt, dass hier nach wie vor Filmemacher am Werk sind, die ihre intimsten Erinnerungen einem filmischen Übersetzungsprozess zugänglich machen. Kein Bullshit also, sondern Gefühlswelten und Ängste, unangenehme, schmerzhafte Beobachtungen, die in ihrer Beiläufigkeit erst ihre Wirkkraft entfalten; wenn die eigenen Fantasien scheitern und nichts übrig bleibt als das Gefühl, dass du dich schämen müsstest dafür zu denken; notfalls zu viel und in die falsche Richtung. Spricht man über den modernen deutschen Film, muss man auch dringend hierüber sprechen.
Ich benötigte eine geschlagene Stunde, um mir einen Reim darauf zu machen, wovon dieser Film eigentlich erzählt. Das sind immerhin Zweidrittel der gesamten Laufzeit, die ich so im Dunkeln verbrachte - nachdenklich, hadernd, suchend. Und bitte versprechen Sie mir, nicht zu gehen, wenn ich Ihnen verraten habe, was ich entdeckt habe. „Ende eines Sommers“ handelt nämlich von alledem, das zunächst kalt, dinglich und seelenlos erscheint. Er handelt von Objekten, die zu Artefakten werden, von Orten, die mit den Hinterlassenschaften eines Toten beladen sind und denen jedes Leben entwichen ist. Er handelt vom Schreibtisch - dem alten, der Kommode - der hässlichen, der Vase - der seltenen. In gewisser Weise handelt also auch „Ende eines Sommers“ von Gespenstern, oder doch zumindest von den Dingen, die ihre Anwesenheit indizieren. Und er erzählt von der seltsamen Praktik der Menschen, ein Leben lang die Dinge anzusammeln, als Ausdruck eines Selbstverständnis, aber auch als Teil eines Selbst, diese Dingwelten mit Bedeutungen aufzuladen und die intimsten Erinnerungen an sie zu ketten; er erzählt davon, sich in der Materialität der Dinge etwas gewiss zu werden, das sonst so unfassbar durch die Gedanken schwebt. Mit dem Ende eines Lebens stehen diese Dinge nur noch da, als Ankerpunkte und Erinnerungsfragmente an einen Menschen.
Auf die Brutalität des Todes folgt gleichsam die Brutalität der Bürokratie, die die Dinge nach ihrem Verkaufswert evaluiert, Bestände aufteilt und sie aus der Sphäre des Privaten herauslöst, um sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen – institutionalisiert, mit Sachverstand kommentiert und in weiten, kalten Räumen ausgestellt. Der Film erzählt deswegen auch von musealen Praktiken und dem verzweifelten Versuch der Vergangenheit materiell fassbar zu werden. Welchen Sinn hat die Vase in der Glasvitrine, mit Samthandschuhen präpariert, wenn sie keine Blumen trägt? Assayas ist parteiisch, nähert sich der Institution aus den intimen Erinnerungen einer weit verstreuten Familie heraus – und doch gelangt er zu einer ganz profunden Erkenntnis: Die Vergangenheit lässt sich nicht konservieren und sie haftet den Dingen nicht für ewig an – sie verblasst. Assayas verlässt das Museum und wischt den Staub von den Tischplatten. Das Gottverlassene Haus lässt er von Jugendlichen bevölkern, die die Räume der Vergangenheit mit neuen Bedeutungszuschreibungen überschreiben – indem sie dort eigene Erinnerungen erschaffen. Hinter den letzten Bildern des Films steht nichts als Zuversicht und Vertrauen. Auf den Tod folgt das Leben, aber auf das Ende des Sommers folgt... der Sommer!
Gore-Bauern werden enttäuscht sein: Sicherheitskameras, Kamerawinkel und Jump Cuts verstellen jeden Blick auf die exzessiven Gewalteskalationen. Alle äußere Gewalt schirmt Ramsay von unserem Blick ab. Die gewaltsamste Szene geschieht folglich nur in der Vorstellung ihres Protagonisten. Was wir zu sehen bekommen, sind vielmehr die Effekte von Gewalt - auf diejenigen, die Gewalt erfahren, aber auch auf diejenigen, die Gewalt ausüben – nicht selten eint sich Opfer- und Täterschaft in ein und der selben Person. Das wird sowohl in Phoenix Charakter Joe als auch im zu rettenden Mädchen deutlich. Diese verkopfte Annäherung dekonstruiert das Genre im gleichen Maße, wie es dieses ultimativ ernst nimmt, indem es seine Mechanismen erprobt, Strukturen emuliert, um dann die dahinterliegenden Voyeurismen sichtbar zu machen. Der Rache-Thriller erreicht in der Konsequenz seinen Endpunkt, denn der Rächer mag nicht mehr, poliert jedem die Fresse, scheint unbesiegbar, weil schon längst besiegt.
Joe ist befremdet von der Moderne und seinen Widersprüchen, zerrissen von der Banalität der Gewalt (ein Kind erschießt ein anderes für einen Schockriegel) und ihren Hinterlassenschaften in ihm (er imitiert seinen Vater in der Wahl seiner Waffe). Die Erfahrung von Gewalt ruft in Joe jedoch nicht eine ebenso willkürliche, gewaltsame Reaktion hervor, wie sie Kriegsheimkehrer Travis Bickle einst charakterisierte, sondern ist ungleich kanalisierter (professionalisierter). Die gewaltsamen Erfahrungen aus Kindheit und Kriegszeit richten sich stattdessen gegen ihn selbst. Joe möchte nicht mehr da sein, weil er denkt nie wirklich dagewesen zu sein. Haben Depressionen ein Gesicht, sind sie bei Joaquin Phoenix zuhause, der durch diesen Film schlurft, Menschen mit einem Hammerhieb aus dem Leben tilgt und am liebsten gleich mitgehen würde - also legt sich Joe neben eines seiner Opfer, mit dem Bauchschuss langsam dahinsiechend und gemeinsam summen sie das Lied einer längst verblassten Erinnerung.
Es sind solche Szenen der Irritation und Elegie, die "You Were Never Really Here" besonders machen; sie markieren das Moment der Überraschung. Und man ist froh, dass Ramsay die Errettung eines armen Mädchens aus den Fängen eines Prostitutionsrings überhaupt nicht versucht als erbauliche „Kick-Ass“-Variante zu erzählen. Die Beziehung zwischen Joe und Nina ist so ambivalent und vielschichtig wie der ganze Film: so sehr der finale Akt der Gewalt für Nina Selbstermächtigung bedeutet, so sehr bringt er für Joe die grauenvollste aller Realisationen mit sich. Und so wie sich die Gewalt durch die Erlebnisse seiner Kindheit in ihm fortgepflanzt hat, so hat sie sich nun in Nina neu gebärt. Joe reißt sich also das Hemd vom Leib, wünscht sich eine Kugel in den Kopf und sackt weinend in sich zusammen. Er muss erkennen, dass Gewalt niemals endet.
„Smallville“ mit einem Wort: bittersüß. Clark und Lex, hier Freunde, die sich nie so ganz die Wahrheit sagen können und die die Kräfte der Bestimmung immer weiter auseinander zu treiben droht, sind dazu verdammt, zur Nemesis des jeweils anderen heranzureifen. Währenddessen dürfen Clark und Lana sich zwar tonnenschwere Blicke zuwerfen, schmachtend die Lippen befeuchten, aber eben nie wirklich zueinander finden. - So will es der Kanon der Popkultur, der jedes Schicksal im Kansas-Kaff Smallville zu einem Puzzle-Teil einer kosmischen Prophezeiung degradiert. Mit anderen Worten: alles ist determiniert und niemand entrinnt seiner vorherbestimmten Rolle. Die Geister der Vergangenheit ruhen nicht so lange, bis sie in der Gegenwart die Zukunft gestalten. Vielleicht mit Ausnahme dieser süßen Blonden mit den abstehenden Haaren an den Seiten - die mit dem unwiderstehlichen Lächeln. Jene rasende Reporterin, die außerhalb der Comic-, Fernsehen- und Kinogeschichte erdacht, aber umso schneller akzeptiert worden ist - als der fehlende Link zwischen Smallville-Clark und Metropolis-Clark. Aber auch ohne diese funktionale Rolle ist Chloe Sullivan eine Bereicherung für das Kleinstadtleben, das manchmal öde sein kann und vorhersehbar. Irgendwer fällt auf Meteoriten-Gestein, entwickelt irgendwelche Kräfte und kidnapped vornehmlich das Love Interest des Man of Steel, der dann in letzter Sekunde Kugeln stoppen oder Mutanten ausknocken darf – gerne auch beides. An solchen Tagen ist Chloe pure Energie und pure Lebensfreude. Ihre „Wall of the Weird“ begleitet die Serie dabei, wie das „I want to believe“ Mulder und Scully bei ihren Konfrontationen mit dem Undenkbaren. Ihre unerwiderten Gefühle sind eine der Spannungskonstanten der Serie. Und sie eines jener Identifikationsangebote, die man in einer Teenager-Serie so dringend braucht.
Eine Serie, die auch vornehmlich die Leitmotive der teenage angst behandelte, und es lediglich mit überbauhafter Phantastik zu garnieren wusste, war Whedons „Buffy“, in der auch ein mit übermenschlichen Kräften ausgestatteter Teenager mit seinen Freunden den Kräften des Bösen trotzte. „Smallville“ ist, bei allen strukturellen Gemeinsamkeiten, allerdings kein „Buffy“; nicht so Neunmalklug, nicht so witzig, nicht so konsequent und nicht so kreativ. Im Verbund stellen sie dennoch eine aussterbende Sorte Serien-Unterhaltung dar, in der hingebungsvoller Gefühlskitsch und Genre-Sensibilitäten noch eine hochentzündliche Verbindung eingingen. „Smallville“ geht dabei seinen eigenen Weg, bei dem nicht immer sicher ist, was ernst gemeint und was augenzwinkernd. Werden Teenager in Smallville zu Bad Boys tragen sie plötzlich Ledermantel und Sonnenbrille und haben die Haare hochgegelt – an einer Stelle tragen sie sogar einen Ghettoblaster durch die Gegend, weil das in der Schule ja besonders gut kommt. Die Stärken der Serie, bei aller Häme, sind indes nicht zu übersehen. Statt des Monsters of the Week gibt es den Freak of the Week, der immer auch Produkt seiner Umwelt ist und nicht bloß manifestiertes Böses in Mythengestalt. „Smallville“ behandelt die Leitmotive der Adoleszenz auch immer über seine Gegenspieler, deren Handeln fast immer Ausdruck verborgener Sehnsüchte oder angestauter Frustrationen ist. Bei so viel Menschenliebe verzeihe ich gerne jede Repetition, jeden hässlichen Weichzeichner und jede versteinerte Miene Tom Wellings, unfähig auch nur eine einzige ambivalente Emotion glaubhaft zu machen.
Die Terror und die Erebus stechen in See, aber alsbald stecken sie in ihr fest. Beginnt die Polarnacht, kommt mit ihr die Finsternis und der Schrecken, der sich in ihr gebärt. Lovecrafts Berge des Wahnsinns bestehen aus Eis und sie entschleunigen die Symbole imperialistischen Pionier-Geistes solange, bis sie endgültig zum Stehen kommen. Mit den Schiffen kommt auch ihre Mission zum Stehen, die vorsah, durch die Entdeckung einer Nordwestpassage dem britischen Imperium einen global-strategischen Vorteil zu verschaffen; und mit den Manieren der feinen Englishmen bröckelt auch das ideologische Fundament der Zivilisation, die sie hervorgebracht hat. Erebus und Deimos (Terror), Götter und Dämonen eines untergegangenen, antiken Imperiums, werden von nun an zu einem ständigen Begleiter – und einem prophetischen Omen. Je existenzieller die Bedrohungen werden, desto leichter lässt sich jede mühsam erkämpfte zivilisatorische Errungenschaft wieder ablegen und mit der Ausnahmesituation treten aus dem unüberschaubar breiten Figuren-Pool echte Charaktere hervor. Es werden die ganz persönlichen Lieblinge sichtbar, die Starken und die Schwachen, die Fürsorgenden und Mutigen, die Mitläufer, die Anführer, die Feiglinge, die Opportunisten - die Verrückten. Und es treten die Differenzen der Überlebensstrategien zutage, je deutlicher die Verzweiflung der Situation für alle spürbar wird. Die Themenkomplexe der Serie liegen dabei offen zur Schau: das Andere, die Grenzen des solidarischen Gedankens, die Grenzen humanitärer Ethik, aber auch die Grenze, die geschichtsträchtige Frontier selbst und seine Verlockungen. In der Beschäftigung mit den großen Mysterien der Franklin-Expedition greift die Serie bekannte Theorien auf (das Blei in den Konservendosen) und erweitert sie um wenig ergiebige, phantastische Elemente (sie wurden von einem Eisbären aus dem Computer gefressen). Mit zunehmender Dauer opfert man nicht nur prinzipiell spannende Dichotomien und Ambivalenzen einer unausgegorenen Figuren-Idee (Mr. Hickey), es werden auch die Hallen sichtbar, in denen die Serie gedreht worden ist. Verzieht sich dann der Nebel des Mythos (der gerade durch die Leerstellen des historischen Falles an deren Stelle getreten ist), wird es hässlich und konkret. Und der Schrecken wird gebannt.
Schon klar, das Leben ist kein Wunschkonzert. Ich wünsche Greta Gerwig trotzdem mehr Ruhe, in den Leben ihrer Figuren auch die hässlichen Momente auszuhalten. Denn das hohe Tempo fordert seinen Tribut: der tänzelnde Schritt des Filmes, einer Frances Ha gleich, verdichtet die vielen Themenkomplexe einer Emanzipationsgeschichte zu einem außerordentlich kurzweiligen, federleichten Vergnügen, droht aber auch über jede Tiefe ignorant hinweg zu tänzeln. Die extrovertierte Lady Bird knüpft direkt an jene lebensbejahenden, quirligen Figurentypen an, der sonst Gerwig selbst Gesicht und Körper leiht. Sie sind das Übertragungsmedium dieser sommerlichen, elektrisierenden Lebensfreude und der schier unstillbaren Lust auf die Welt, die einen, wenn unkontrolliert übertragen, fast zum bersten bringt. Aber sie schieben auch andere Dinge beiseite, die ebenfalls beachtenswert wären. Die liebevolle Vaterfigur hätte beispielsweise ebenso gut gleichberechtigt neben der Mutter existieren können, um den Film als ausgleichendes Temperament auch tonal zu erden.
Dieser schreitet – vielleicht ganz bewusst – tatsächlich wie ein bockiger, engstirniger Jugendlicher ohne einen Blick zur Seite zu wagen voran; mäht alles über, was sich ihm in den Weg schmeißt; kreischt los, wenn es sich richtig anfühlt, weint, wenn es sich richtig anfühlt, lacht, wenn es sich richtig anfühlt. Die Direktheit seiner Hauptfigur legitimiert dem Film jeden Ausrutscher: die Freundin wird für ein vermeintlich reiferes Mädchen fallen gelassen, die Mutter immer wieder vor den Kopf gestoßen. Fehltritte realisiert Lady Bird erst nachdem sie ihr unmittelbar vorgeführt worden sind und der Film kommentiert sie nicht, wenn sie geschehen. Hier spricht der Film ganz und gar die Sprache seiner Hauptfigur, die sich konsequenterweise in erster Linie um sich selber kümmert. Insofern lässt sich sicherlich für diese perspektivische Entscheidung argumentieren, auch wenn sich mir persönlich nur ganz sporadisch ein Zugang zu den Figuren und ihrer Welt eröffnete. Dafür blieben sie in der Geschwindigkeit, in der sie durch die Schauplätze der Adoleszenz rasten, immer seltsam distanziert. Wo ich lieber länger in den Gesichtern nach einer Regung geforscht hätte, kam mir ein Song dazwischen; wo die Worte eigentlich noch Raum benötigten, um ein Echo zu erzeugen, kam der Schnitt.
Wenn die Zeit im Raum gefriert: Harry und Hermine tanzen in einem Zelt. Die Musik von Nick Cave and the Bad Seeds bäumt sich auf. Keiner dieser beiden Schauspieler spielt das in diesem Moment ausgestellt bedeutungssschwanger, sondern genau so wie diese Szene gemeint ist: als kleine, tröstliche Enklave des Glücks inmitten weltumspannender Veränderungsprozesse. Das ist ganz große Klasse und zeugt von einem Regisseur, der an weit mehr interessiert ist als den großen Eckpfeilern der Buchvorlage. Es ist sowieso erstaunlich, wie wortkarg dieser erste Teil des großen Franchise-Finales bisweilen durch seine hoffnungslos gewordene Welt reist. Ständig müssen Harry, Ron und Hermine damit rechnen, verraten zu werden; der Horkrux hat zu allem Überfluss auch noch ähnliche Effekte wie jener Ring, der einst Frodo und Sam eine beschwerliche Reise bereitete; auch er sät Zwietracht und Misstrauen zwischen Menschen, die doch eigentlich Freunde sind und wiegt schwer als Last, die es zu (er-)tragen gilt, wenn man die Kräfte des Bösen zurückzudrängen versucht. Yates scheint zuvorderst an der Beziehungsstruktur des zentralen Trios interessiert zu sein und thematisiert immer wieder die Bürde Potters, der Auserwählte zu sein, aber auch der Eifersucht anderer darüber, es nicht sein zu können. Für eine Buchadaption nimmt sich Yates viel unbesprochenen Raum, stattdessen wird vieles rein visuell miterzählt - abseits von den erwartbaren "schönen" Bildern irgendwelcher Landschaften vom Ende der Welt. Nein, wird haben es hier mit einem Regisseur zu tun, der wirklich Lust hat auf seine Figuren und ihre Spannungsfelder. Nur ganz selten wird der zurückhaltende Score von Desplat bemüht - etwa in den kurzen, unvermittelt einsetzenden Gefechtssituationen, die überhaupt keine Anstalten machen, irgendwelchen ominösen Erwartungen an eine festgeschriebe Dosis Spektakel nachzukommen. Der Film ist von einer stetig präsenten Hoffnungslosigkeit durchzogen, weil er sich in der komfortablen Situation wiederfindet, eben nur das Vorspiel zu einem großen Finale liefern zu müssen. Insofern kann man der Entscheidung, das letzte Buch in zwei Teile zu untergliedern, nur begrüßen, hat es uns doch diese wunderbare filmische Anomalie beschert.
Tatsächlich der beste Teil der Reihe und das nicht einmal nur wegen seines tollen emotionalen Finales. Fast alle Figuren der Filme bekommen hier mehr Profil: Dumbledore und dessen detektivische Suche nach einem Erinnerungsfragment vertieft die Mentor-Schüler-Beziehung zu Potter, der eigentlich stets doof-platte Bully Draco trägt einen glaubwürdigen Gewissenskonflikt durch den Film und Snapes Geheimnis wird angedeutet, ohne es endgültig aufzulösen. Auch die vielen romantischen Anbahnungen stören nicht, im Gegenteil: so passiert zumindest mal etwas zwischen den sonst so blassen Hogwarts-Schülern. Das wird zum Beispiel am neuen Love Interest Ginny sichtbar, die anders als die eher devote Cho die Rolle einer Verführerin einnimmt. Yates scheint in seinem zweiten Beitrag zum Universum ziemlich genau zu wissen, wohin er mit den Filmen gehen möchte und malt die Welt zunehmend in Grautönen - das passt und mutet bisweilen so an, als erstarrten die Bilder zu Gemälden. Sogar das sinnlose Quidditch sieht nicht mehr komplett beschissen aus. „Der Halbblutprinz“, der auch sogleich die interessanteste Figur der Vorlagen zum Titel hat, macht auch endlich unmissverständlich klar, was in der Bedrohung durch Voldemort und seine Gefährten alles auf dem Spiel steht. Der Film endet damit auf einer ähnlich düsteren Note wie seinerzeit „Revenge of the Sith“, der mit dem Untergang einer freien Weltordnung die Grundlagen für die aufkommende Rebellion gelegt hatte.
Den bereits im Vorgänger aufkommenden, und logischerweise den Vorlagen geschuldeten, düsteren Grundtenor intensiviert "The Prisoner of Azkaban" weiter, bereichert die Reihe aber darüber hinaus mit vielen klugen Entscheidungen. Cuarón lässt den Schauspielern grundsätzlich mehr Zeit, indem er Einstellungen schlichtweg länger laufen lässt, statt sie wie die Vorgängerfilme andauernd mit Reaction-Shots oder Stellvertreter-Staunen zu malträtieren. Das entspannt den Film nicht nur rein strukturell, sondern spielt vor allem den jungen Schauspielern zu, die hier nochmal einen deutlichen Sprung im Vergleich zu den Vorgängerfilmen machen. Mit Professor Lupin (verkörpert vom wundervollen David Thewlis) kann der Film zudem eine der interessanteren Figuren des Potter-Kosmos inszenieren und gibt diesem folgerichtig viel Raum. Dessen Konfrontation mit seinen eigenen Dämonen koppelt sich dabei sinnig mit den aufkommenden adoleszenten Ängsten seiner Schüler. Dass das wendungsreiche Finale diesen erst zum Bösewicht und dann zur tragischen Figur umdichtet, erscheint da nur logisch. Dass auch „The Prisoner of Azkaban“ - wie jeder andere Twist-intensive Film - mit jeder neuen Sichtung (spätestens nach der zweiten) eher verliert, denn gewinnt, liegt wohl einfach in der DNA der Geschichte, die immerhin den gröbsten Zeitreise-Paradoxien gekonnt aus dem Weg geht.
Vielleicht sollte Michael Shannon seinen Agenten wechseln. Schon wieder mimt er den harten Kerl, das durchtriebene Arschloch, das alle Makel auf sich vereinen muss, aber zumindest, und das ist neu, freihändig pissen kann. Seine Figur ist keine Figur im herkömmlichen Sinne, sondern so holzschnittartig gearbeitet und symbolisch angelegt, dass sie höchstens der groben Idee eines Menschen gleicht. Er ist die Karikatur eines Konservativen, das hässliche Gesicht des amerikanischen Kapitalismus und stets zeitgemäß rassistisch, wie sexistisch. In der Vorstadthölle wartet ein seelenloses Hausfrauen-Püppchen und noch gruseligere Maschinen, die sich als seine Kinder ausgeben; beruflich sitzt ihm ein unnachgiebiger Vorgesetzter im Nacken, der in der Leistungsgesellschaft kein Scheitern erlaubt. Bei so viel Gruselkabinett liegt die Flucht im Materialismus nahe; sein Cadillac steht symbolträchtig für den wirtschaftlichen Aufstieg der Mittelklasse während der ausgehenden 50er und beginnenden 60er Jahre, denen del Toro hier in jeder Hinsicht ausgiebig huldigt. In der stummen Hawkins, im Film latein-amerikanischer Herkunft, sieht Shannons Charakter vor allem ein Objekt der Begierde, das sich beherrschen lässt; im Amphibienmenschen ein wildes Tier, das obduziert werden muss.
Dem gegenüber steht eine liberale Schicksalsgemeinschaft um zwei Putzfrauen (die eine schwarz, die andere stumm), die in ihrem Zusammenschluss die Stärke suchen, bestehende Herrschaftsverhältnisse zumindest kurzzeitig zu überwinden. Gemeinsam wollen sie das Andere vor seiner Zerstörung bewahren – und sind doch nur Spielsteine in einem ideologischen Grabenkampf. Denn so sehr es einem der Film auch glauben machen mag: das Andere in dieser Geschichte ist nicht der Amphibienmensch, irgendwo zwischen Abe Sapien und der Kreatur aus der schwarzen Lagune angelegt; es ist vielmehr Shannon als resoluter Sicherheitschef. Mit der Geschichte im Rücken lässt sich auf diesen alles projizieren, das der eigenen Identitätspolitik zuträglich ist und spricht gleichzeitig vor allem Bände über diejenigen, die an den Grenzen seiner Kontur versuchen Profil zu gewinnen. In seiner ewigen, künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Anderen, seiner Empathie und Faszination für das, das sich im Schatten verbirgt (oder sich von der dunklen Wasseroberfläche aus offenbart) findet del Toro nur eine fatale Antwort: um das Andere retten zu können, muss ein anderes erschaffen werden, auf das sich alles konzentriert, das man von sich abstoßen möchte.
[...] Der Titel zielt darauf ab, ob es nicht Gott vorenthalten sein sollte über den Wert eines Menschen zu richten und stellt ganz grundlegend die Frage, ob es nicht unethisch ist so viel Macht in einer Einzelperson zu bündeln – gerade angesichts der einflussreichen religiösen Lobby in den USA eine Frage von ungeheurer Sprengkraft. Es macht aber auch deutlich, wie ohnmächtig private Einzelkläger gegenüber den großen US-Konzernen sind, die sich nach groben Fehltritten der schützenden Hand des Staates sicher sein können. Besonders eindringlich wird dies durch die Gegenüberstellung von Pensionären und Rentnern veranschaulicht, die im ganzen Land um ihre Renten fürchten müssen und den Gehaltskürzungen von Investment-Bankern, die Feinberg im Zuge des großen Finanzcrashs vornehmen musste. Während mit der vollständigen Rückzahlung staatlicher Kredite in den großen Banken wieder die Millionen-Boni flossen, gehen Rentner wieder arbeiten, weil das Geld nicht zum überleben reicht. [...]
Bitte gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen! - Peter Jackson leistet den Offenbarungseid. Tritt - ergraut, ermattet, hadernd durch Studio-Diktat und Gewichts-Jojo - aus der Mühle an die Öffentlichkeit - unzufrieden. Das darf er sein, ein kurzes Kinderbuch auf epische Größe in drei Teilen hoffnungslos überdehnt. Derart überdehnt, dass Risse sichtbar wurden, unter denen sich die Hässlichkeit gescheiterter Ansprüche Bahnen bricht. Was „The Lord of the Rings“ war, soll hier reproduziert werden. Einiges davon wird sichtbar: der Elben-Fetisch von Büchern und Filmen, die fliegende, rotierende Kamera, die Musik von Howard Shore, maßgebliches Element jener legendären Buch-Adaptionen, die innerhalb weniger Jahre zu modernen Klassikern kultiviert wurden - trotz ihrer Fehler. Auenland und Zwergen-Bande sollen warme Herzlichkeit verströmen, Gastauftritte und Easter Eggs Erinnerungen wecken, (natürlich) nostalgisch machen. Aber die Filme schaffen nur dies: Uncanny Valley, atemberaubende, hochauflösende CGI-Ungetüme von abstoßender Hässlichkeit.
Besonders traurig stimmt die Ideenlosigkeit eines ehemaligen Independent-Regisseurs, der Tolkiens Stoff einst mit einem tiefen Humanismus und Mut zum Gefühlskitsch begegnete. Im Aufeinandertreffen mathematisch präzise angeordneter Schlachtformationen direkt aus dem Hochleistungs-Computer ist nichts spürbar außer ein gebrochener Wille, ein ängstlicher Filmemacher, der vergessen hat zwischen Studio und eigenem Anspruch einen annehmbaren Kompromiss auszuhandeln. Nichts von alledem haftet eine tiefere Bedeutungsebene mehr an, nichts weist mehr über die albern anmutenden Fantasy-Gestalten hinaus, sodass auch demjenigen die Magie dieser mythologischen Welt nahegebracht werden kann, der sich von der Oberfläche eigentlich abgestoßen fühlt. An die Stelle von Sam und Frodo, dem Seelenkern der Ringe-Filme, treten ein Dutzend (Plus 1) Zwerge und ein lächerlich grimassierender Freeman, der, sich einmal verirrt im schauspielerischen Niemansland, leider auch nicht mehr zurück findet. Unter dem Weichzeichner verblasst plötzlich jede klare Kontur und jede Haltung, so es denn eine gibt, verschwindet in diesem riesigen, epischen Missverständnis von phantastischem Unterhaltungskino, dem man eher „Gute Besserung“ wünschen möchte als eine lange Hasstirade entgegen zu brüllen.
Am Anfang ist da eine Straße, dahinter ein weiter, ebener Landschaftstrich. Einige Autos rasen aus dem toten Winkel der Kamera ins Bild gen Horizont. Wie aus dem Nichts schlägt plötzlich ein Blitz ein, der Donner knallt fast synchron. Die Person hinter der Kamera erschreckt, niest zweimal und erschüttert die Kamera. - So klein und trivial diese Szene zunächst auch wirken mag, in ihr drückt sich doch eine ganz profunde Erkenntnis über das Filmemachen aus: Filmemacher und gefilmte Welt stehen immer in einem Verhältnis der Wechselwirkung zueinander. So wie die Kamera aus der Welt hervorgebracht wurde, die sie repräsentiert, und deshalb maßgeblich ihren Einflüssen unterliegt, so wirkt diese auch immer zurück; verändert und verformt das Bild, das wir von der Welt und seinen Bewohnern haben. Die Bilder aus „Cameraperson“ weisen auch immer wieder auf ihre Erschafferin zurück, die seit fünfundzwanzig Jahren als Kamerafrau für Dokumentarfilme den Planeten bereist. Dieser Film seien ihre Memoiren, lässt diese in den Anfangstiteln verlauten. Und doch geht diese wunderschöne Collage persönlicher Erinnerungen weit darüber hinaus. Wenn es im Schnitt heißt „kill your darlings“, dann hat sie diese in ihre Schatzkiste gesperrt und nun vor unser aller Augen geöffnet. Ihre Bilder werfen schlaglichtartig einen Blick in die vielfältigsten Lebensentwürfe und sind doch Bestandteil eines universellen Sinnzusammenhangs. Denn über allem steht die Reflexion der eigenen Rolle: Worin liegt die Verantwortung des Dokumentarfilmers? Wann ist der Eingriff in die Welt geboten, die man doch eigentlich so unberührt wie möglich zu fassen versucht? Wie lässt sich in den Realitäten der Postmoderne noch Bedeutung generieren, wenn jede Wahrheit eine Frage der Perspektive ist? Was ist Wirklichkeit und existiert sie auch absolut? Was verändert die Kamera in der Begegnung mit dem Anderen, was eröffnet sie, was verhindert sie? Johnson macht dem Zuschauer das wertvollste Geschenk von allen, indem sie sich sichtbar macht, hinter der Kamera hervortritt und selbst Teil des Bildes wird.
Den biografischen Kern der Geschichte, den Tod seines Vaters und die Verarbeitung dieser Verlust-Erfahrung, macht Trey Edward Shults für den Zuschauer nie so wirklich emotional fruchtbar. Das ist überraschend, vielleicht auch enttäuschend, aber letztlich vollkommen in Ordnung. Stattdessen inszeniert Shults einen ziemlich straighten Paranoia-Thriller ohne größere Schnörkel. Das ist gut gespielt, ebenso exzellent inszeniert und dank knappen Budgets auch halbwegs profitabel, sodass sich nur hoffen lässt, dass talentierte Filmemacher wie Shults durch kluge Vertriebskonzepte wie jenem von A24 weiterhin eine Chance bekommen.
Maximal Zielgruppen-optimierter Superhelden-Quark, den ich mit Zwölf bestimmt auch maximal gefeiert hätte. Wie sich die Macher mit Youtube-Clips, Spider-Man-Live-Streaming und Lego-Death Stars den Zeitgeist zu eigen machen und zu jedem Zeitpunkt wissen, welche Knöpfe zu drücken sind, verdient allerdings schon ein gewisses Maß an Respekt. Dass solche Filme auch von Vollbart-tragenden Mitdreißigern mit Yankees-Cap und Motto-Shirt gefeiert werden, ist dennoch einigermaßen befremdlich. Mir persönlich fehlte ein Gespür für das Coming-of-Age-Sujet, in dem man sich mit einer Origin-Story des Spinnenmanns ja zwangsläufig verortet. Im mittlerweile dritten Franchise-Anlauf wurde der Welt des Spinnenmanns nämlich jede Kante geglättet. In der Highschool sieht keiner mehr Scheiße aus, jeder hat einen flotten Spruch auf den Lippen und die olle Tante May wurde inzwischen auf Marisa-Tomei-Hotness ge-upgraded. Für schräge Vögel und stille Außenseiter (den man beispielsweise einem eigentlich viel zu alten Tobey Maguire noch abkaufte) ist hier kein Platz mehr. Peter Parker trägt stattdessen feschen Seitenscheitel und Sixpack und das Leben wird spielerisch gemeistert. "Homecoming" ist damit vor allem eine Traumwelt für pickelige Teens, die sich sehnsuchtsvoll in den Körper von Tom Holland projizieren können, in der Lebenswirklichkeit des Films aber nirgends repräsentiert werden. Irritierend ist auch, wie oft der Film über seine Figuren darauf hinweisen muss wie „awesome“ und „cool“ dies und jenes gerade war. Bei so viel Selbstbegeisterung und Meta-Gag vergisst Marvel natürlich mal wieder eine gute Geschichte mit liebenswerten Charakteren zu erzählen. Stattdessen gliedert man sich nahtlos in das Referenzsystem des MCU ein, indem man den Film durch Bezugnahme auf den Civil War und kleinere und größere Cameos fast schon wie eine Behind-the-Scenes-Folge der „Avengers“-Reihe erzählt. So viel Zielgruppen-Kalkül muss dann zu allem Überfluss auch noch von den armen Ramones bespielt werden. Weil's so fucking rebellisch ist.
Die Jedis sind fernöstlich geschulte Kampfmönche, irgendwo zwischen spirituellem Wegführer und Superheld. Und die Kultur der Jedis ist es, die „Star Wars“ in seinem Kern ausmacht. Die große Chance der Prequel-Trilogie lag folglich in der großen Rolle, die die Jedis in ihr spielen sollten. Statt Relikt vergangener Tage (die Original-Trilogie) oder sogar zum Mythos verblasst („Force Awakens“) ist diese Kultur hier noch tief verwurzelt mit den politischen Strukturen der Republik und sogar eigenständiges Organ in der Gewaltenteilung. „Revenge of the Sith“ ging mit dem Kapital ungeheurer Fallhöhen in den Abschluss der viel gescholtenen Prequel-Trilogie: Der als Auserwählte gehandelte Skywalker darf endgültig zur behelmten Ikone aufsteigen, die Republik in seine Einzelteile zerfallen und als Diktatur wiederauferstehen und der Jedi-Orden den Kampf um die Demokratie und damit um seine nackte Existenz verlieren – zumindest vorerst.
In den Gesprächen zwischen Anakin und Palpatine (scharfzüngig und wunderbar sinister gespielt von Ian McDiarmid) beschreitet Lucas wirklich neue Wege und erklärt die Philosophie der Sith als naturgegebenes Ausgleichsgewicht gegenüber den Jedis fast schon zu einer legitimen Option. Leider ist die Wandlung von Anakin nur schwer nachvollziehbar und dessen Dilemma im Gesicht von Hayden Christiansen schlecht aufgehoben. Die immer eher theoretisch gedachten Allegorien auf Staatsstürze und aufkommende autoritäre Systeme bekommen in der Fratze von Palpatine in seiner auch äußerlichen Angleichung an den Imperator aus der Original-Trilogie dafür umso mehr ein Gesicht. Im Shakespeare-Theater von Palpatine wird das Kartenhaus der Sterne-Saga wirklich lebendig und Lucas kann beruhigt den breiten Pinsel schwingen. In der Inszenierung zwischenmenschlicher Konflikte und in der Enge von Räumen stößt er aber immer wieder an seine Grenzen.
Aus einer selbstständigen, verantwortungsvollen Politikerin wie Padme macht Lucas eine dauer-verheulte Hausfrau, die geduldig auf irgendwelchen Balkons wartet, Anakin mutiert vom orientierungslosen Lappen mit einem Mal zum Massenmörder und im dritten Teil muss sogar Ewan McGregor erkennen, dass in dieser Oper jede schauspielerische Anstrengung vergebens ist. Der Faszination der Jedis mit frischen Ideen neue Konturen zu verleihen, bleibt Lucas leider auch schuldig. In der Runde des Jedi-Ordens nehmen neben Mace Windu und Yoda (pro CGI) kaum neue, interessante Lichtschwert-Gestalten Platz. Und gute Lichtschwert-Duelle sind in „Star Wars“ ironischerweise nach wie vor rar – einen alten Christopher Lee als CG-Charakter zu übertriebenen akrobatischen Fähigkeiten zu verhelfen ist dabei ebenso wenig episch, wie Sidious und Yoda, die sich mit fliegenden Untertassen beschmeißen.
Und doch – und das sollte man bei allem Ärger nicht vergessen - steht hinter all den albernen Höhepunkten dieser Trilogie, und insbesondere in ihrem Abschluss, eine ziemlich gute Geschichte, die erwartbar fatalistisch die Brücke zur neuen Hoffnung schlägt. Die Hoffnungslosigkeit und Konsequenz von „Revenge of Sith“ wäre im gegenwärtigen Blockbuster-Kino jedenfalls kaum denkbar und stellt der beliebigen Folgenlosigkeit dutzender Superhelden-Filme nihilistische Untergangs-Bilder entgegen.
Das ist schlicht und ergreifend gut gemachtes Thriller-Kino, das weniger die Bekämpfung eines Kartells (deutscher Titel), als die innenpolitische Intrige (Originaltitel) zum Zentrum hat. Ford ist für die Besetzung von Clancys idealistischer Romanfigur ein absoluter Glücksgriff und agiert fernab des süffisanten Schmuggler-Grinsens eines Han Solo. Zudem ist Jack Ryan kein klassischer Action-Held, folglich ist „Clear and Present Danger“ auch kein reinrassiger Action-Film. Stattdessen sind viele großartige Einzelszenen neben den zwei großen Action-Set-Pieces zu finden, wenngleich der Anschlag auf einen Auto-Konvoi in Kolumbien unfassbar Druck auf dem Kessel hat. Besonders memorabel sind die Auftritte von James Earl Jones als krebskranker Vorgesetzter, der in seinen letzten Atemzügen noch an die Verantwortung gegenüber dem Souverän gemahnt. Denn inmitten interventionistischer US-Außenpolitik und wiederholtem Völkerrechtsbruch platziert der Film klugerweise Ryan, der im Weißen Haus die Graustufen des politischen Tagesgeschäfts am eigenen Leib zu spüren bekommt. In einer Parallelmontage, in der der US-Präsident eine Begräbnisansprache zu einer Grundsatzrede über politische Ideale erhebt und in Kolumbien zu gleicher Zeit ein illegales Kampftrupp der Amerikaner durch Söldner des Drogenkartells aufgerieben wird, das dieser beauftragt hat, zeigt der Film klar, dass seine Solidarität bei den Soldaten, keinesfalls aber bei den hohen politischen Entscheidungsträgern liegt. Diese Ambivalenzen trübt lediglich ein allzu heroischer Horner-Score und der Showdown in „Phantom-Kommando“-Manier. - Geschenkt.
Irgendwo in „Death Proof“ steckt ein richtig toller Film. Das Konzept, Slasher-Reißer und 70er Jahre-Auto-Film miteinander zu kreuzen, klingt reizvoll und zunächst nach einer durchaus originellen Idee. Ebenso reizvoll ist es, eine erste Frauengruppe zu installieren, gänzlich über die Klinge springen zu lassen, um dann eine weitere vorzustellen, die dem bis dahin zum bedrohlichen Mythos gewordenen Russell mal so richtig hart den Arsch versohlt. Hier ist der Film ein einziger Triumph. Leider erzählt Tarantino bis dahin unglaublich unkonzentriert und naheliegend. Emanzen sind bei Tarantino vor allem laut, sexbessesen und unfassbar geschwätzig. Gleichzeitig erzählen sie über einen ausschweifend langen Bar-Abend hinweg erschreckend wenig – und Tarantino kann einfach nicht aufhören noch eine weitere, besonders tolle Platte aufzulegen, die er aus den Untiefen irgendeines unbekannten Vinyl-Schuppens geborgen hat. Statt dem Grindhouse-Konzept einen straighten, konzentrierten Beitrag zu schenken, will Tarantino unbedingt Klassenbester sein und auch schon die Hausaufgaben für nächste Woche machen. Hier wäre weniger mehr gewesen.
Irritierend. Zunächst hat man das Gefühl „Blind & Hässlich“ wolle jede Konvention verdammen. Durch den fragmentarischen, eigenartigen Schnitt bekommt der Film einen ganz eigenen Rhythmus. Gleichzeitig installiert der Film tatsächlich so etwas wie eine Bösewicht-Figur und verliert sich bisweilen in den typischen Bildern eines Becks-Werbespots. Für einen Werbespot ist das aber wiederum viel zu schön gespielt und hat einen viel zu guten, eigenen Humor. Also schon ziemlich sehenswert, schätze ich.
Richtig Profil bekommt "Atomic Blonde" leider erst nach über einer Stunde. Wenn Charlize Theron von einem Action-Szenario ins nächste stolpert, verstummt auch endlich einmal der sagenhaft penetrante Neue Deutsche Welle-Soundtrack. Man merkt dem Film an, dass der bisherige Schwerpunkt von Regisseur Leitch in der Stunt-Choreographie lag. In den realitätsnahen, auch den Körperverschleiß inszenierenden Konfrontationen (ohne Gewackel!) findet der Film auch zu so etwas wie einer Identität und einer Idee davon, wie sich Körperkino von den Fesseln lästigem Plot-Denkens befreit anfühlen könnte. Leider muss man sich für den einzigen, wirklichen Höhepunkt des Filmes durch eine krude erzählte Geheimdienst-Geschichte und allerlei Verhör-Gebrabbel löffeln. Schade.
In „Her“ wird Utopie und Dystopie gleichermaßen sichtbar. Utopisch sind nicht nur die Müll-befreiten Promenaden und farbenfrohen Großraum-Büros, die Graffiti-freien High-Tech-Züge (natürlich gefilmt in Japan) oder das gänzlich Smog-freie Downtown L.A., sondern vor allem die Realitäten der zukünftigen Arbeitswelt. Denn Arbeit, so scheint es zumindest, ist hier schon lange keine ökonomische Notwendigkeit mehr, sondern zuvorderst ein Instrument zur Selbstverwirklichung. Protagonist Theodore (Hundeblick: Joaquin Phoenix) schreibt beruflich die persönlichen Briefe fremder Leute, die nicht in Worte zu fassen glauben, was sie fühlen und denken; später sollen diese sogar professionell verlegt und physisch erhältlich sein. Freundin Amy (Amy Adams), ein bemitleidenswerter Charakter, der dreinschaut wie ein Schluck Wasser in der Kurve, dreht Kunstfilme über das Schlafen und sucht in der Einfachheit der Kunst berufliche Erfüllung. Als das nicht ganz zu klappen scheint, produziert sie Videospiele über Kindererziehung. Das bedingungslose Grundeinkommen hat den Menschen dieser Utopie endlose Freiheit gewährt, zeigt aber auch diejenigen, die an den Herausforderungen schier grenzenloser Selbstbestimmung zu scheitern drohen. Auch Oberlippenbärte und Hüfthosen ohne Gürtel sind Bestandteil dieser Utopie. Aber ob diese nun utopisch sind oder nicht, steht wohl offen zur Debatte.
Die Dystopie von „Her“ liegt nicht in der technologischen Fortentwicklung und der Evolution der Arbeitswelt – die Dystopie ist vielmehr ideologischer Natur: sie liegt in der Idee des Glücks. Das Streben nach dem Glück, unter anderem in der Präambel der Verfassung festgeschrieben, ist in der nahen Zukunftsvision von Jonze mehr denn je zu einer amerikanischen Bürgerpflicht geworden. „Her“ ist bestimmt von der Omnipräsenz der Gefühle. Andauernd befragen sich die Figuren nach ihren Gefühlszuständen, prüfen nach, was sich in ihnen gerade bewegt und ob sie glücklich sind oder nicht. Gerade weil die Menschen in dieser Dystopie unentwegt ihre Seelenwelt erforschen müssen, können sie nicht glücklich sein. Wenn Ideal- und Ist-Zustand laufend abgeglichen werden, muss die eigene Vorstellung des Glücks zwangsläufig scheitern. Im Falle von Theodore scheitert jede neue Kontaktaufnahme mit anderen Menschen an der idealisierten Erinnerung an eine vergangene Beziehung, die Jonze über langweilige, weil viel zu offensichtliche Rückblenden sichtbar macht. Theodore lässt sich von der Idee eines Glückes beherrschen, das per Definition nie final festgestellt werden kann, weil Sehnsüchte und Bedürfnisse sich laufend neu gebären. Die Konsequenz daraus ist deprimierend: die Menschen in „Her“ werden niemals glücklich sein. - Die Dystopie von „Her“ liegt in der Diktatur des Glücks.
Cotillard gleitet nicht, fliegt nicht anmutig, treibt nicht sehnsuchtsvoll dahin. Cotillard kriecht auf allen Vieren, hängt kraftlos in den Seilen, schleppt sich von Haustür zu Haustür, die Hoffnung längst an den rostigen Nagel gehängt. Einmal buckeln und betteln, dann wieder aufraffen, dann nochmal alles von vorne, aber bitte nett dabei. Täglich grüßt das Murmeltier. Die Depression sitzt noch im Nacken, macht die Schultern schwer und trübt den Verstand, der durch die glasigen Augen ohnehin nichts zu erkennen vermag. Und depressiv macht „Zwei Tage, eine Nacht“ auch. Tief depressiv. Solidarität ist so ein schönes Wort, wenn es Leute in Anzügen über die Flimmerkiste verbreiten oder auf Wahlplakate schreiben. Cotillards Figur, ein geprügelter Hund, der uns auf eine moderne Odyssee mitschleift, die einem am liebsten erspart bleiben würde, darf sich erniedrigen, den Kopf einziehen und doch irgendwie versuchen Haltung zu wahren. Ihre Reise und ihre Begegnungen machen traurig und hoffnungsvoll zugleich, die meiste Zeit aber zuvorderst wütend auf System und Leute. Und doch selbst so ahnungslos dabei.
Paterson ist die Stadt. Paterson ist der Mensch. „Paterson“ ist der Film von Jim Jarmusch, angelegt als Hommage an Stadt, Mensch, Fluss. Angelegt als Hommage an William Carlos Williams „Paterson“, Vorbild für den busfahrenden Poeten aus „Paterson“: Paterson. In den Alltagsstrukturen sieht dieser nicht Monotonie, Repetition, endlose Wiederholungsschleifen, in denen der Wahnsinn nur durch die Zeit auf Distanz gehalten wird. Er sieht nicht zermürbende Leere, lästige Pflicht, Stillstand in der Bewegung. Paterson sieht nicht jeden Tag gleich, und Jarmusch inszeniert nicht jeden Tag gleich. In den Alltagsstrukturen von Paterson werden die Variationen und Feinheiten des Lebens sichtbar, die im Außerhalb verborgen bleiben, wenn der Blick nicht zur Seite geht. Im Nacken von Paterson wird die Zukunft einer Liebe geschmiedet und die großen philosophischen Themen angepackt. In den Bars von Paterson, unter den wachsamen Augen von Paterson, wird die Zukunft einer Beziehung verhandelt und zum Scheitern verurteilt. Paterson, also die Stadt, ist aber auch Jarmusch-Town, bevölkert von stilbewussten, interessanten Menschen und dichtenden Fünftklässlerinnen. Backsteingebäude und Arbeiterschicht. Philosophie-Studenten und Designer-Vorhänge. Und „Paterson“, also Jarmusch, gesteht dem Alltag seine Liebe. Und er formuliert ein hehres Ziel: das Kleine im Großen erkennen, das Besondere in zyklischen Wiederholungsmustern. Und dieses Besondere kurz festhalten, um dann zu erkennen, dass es nicht für ewig währt. Und dann nicht zu resignieren, sondern stoisch seinen Weg zu gehen. Eine Zeile nach der nächsten, ein Wort auf das andere. Auf jede gute Formulierung folgt eine missratene, auf jede missratene... eine gute.
Regisseur Ezra Edelman knüpft die außerordentliche, höchst wendungsreiche Karriere O.J. Simpsons unmittelbar an die Zeitgeschichte, aus der sie erwachsen ist. Zwischen den Lebensstationen von Simpson, den frühen Tagen als Football-Talent am College, den darauf folgenden Profi-Jahren bei den Buffalo Bills bis zu seinen ersten Gehversuchen als Schauspieler in Hollywood, drängt sich dabei immer wieder ein größerer Bewandtnis-Zusammenhang in den Vordergrund. Die tiefen rassischen Konflikte im L.A. der 80er Jahre, die lange Vergangenheit von Polizeigewalt an Menschen der afro-amerikanischen Gemeinschaft und die nach wie vor präsenten Strukturen der Segregation geben der Geschichte von Simpson Kontext und Referenzpunkte. Sie erklären dabei nicht nur den ungewöhnlichen Stand Simpsons in der weißen Oberschicht, sondern erklären vor allem die überwältigende Wirkung, die der politisch aufgeladene, abstruse Prozessverlauf zuvorderst auf die schwarze Bevölkerung der USA ausübte.
Insbesondere die Omnipräsenz der Medien spiegelt „O.J.: Made in America“ hierbei eindrucksvoll: Zu jedem Spiel und jedem wichtigen Run des Ausnahmetalents Simpson gibt es Fernsehaufzeichnungen, zu jeder Kontroverse existiert eine Stellungnahme in einem Interview, jeder öffentliche Auftritt wurde auf Tape gebannt, jeder Film-, Werbe- und Radioauftritt ist archiviert und jederzeit wiederabrufbar. Es existieren Homevideos aus dem Privatleben Simpsons ebenso, wie Aufzeichnungen einer Verfolgungsjagd zwischen dem inzwischen dringend Tatverdächtigen Simpson und der Polizei oder den darauf folgenden über zweihundert Prozesstagen – alles live im Fernsehen übertragen. Medien spielen eine ambivalente Rolle in der Betrachtung des Falles Simpson, sie zerstreuen die Aufmerksamkeit einer ganzen Nation, priorisieren Einzelschicksale, etablieren Marken und bauen Ikonen auf und verdienen schließlich am Untergang eben jener. Und doch sind es ironischerweise sie es, die es Edelman erlauben die Chronik der Causa Simpson beinahe lückenlos mit Originalmaterial nachzuzeichnen.
Das gesamte Erwachsenenleben Simpsons scheint durch eine Kameralinse sichtbar gemacht, jedes intime Detail scheint an die Oberfläche gespült. Eine ganze Karriere als live-übertragende Reality-Show quasi, mit all den Höhenpunkten, den Partys und dem Geld und am Ende mit all der Gewalt und Grausamkeit des Absturzes eines als Nationalhelden gefeierten Mega-Stars. Die stetig auf Simpsons gerichteten Kameras entlarven dabei nicht nur dessen schizophrenen Charakter, sie verweisen auch immer wieder auf sich zurück. Denn auch die Medien haben aus dem grausamen Verbrechen des Football-Stars an seiner Ex-Frau Nicole Brown Simpson und ihrem Freund Ronald Goldman ein Politikum gemacht, das die Schuld oder Unschuld des Angeklagten nicht länger zur Streitfrage erklärte. Stattdessen nahm die afro-amerikanische Bevölkerung kollektiv Rache für Jahrhunderte der Unterdrückung und Marginalisierung - besonders fatal begünstigt durch die Lotterie der Jury-Zusammensetzung. Damit leistet sich auch das fehlgeleitete US-Justiz-System einen Offenbarungseid. Und es werden plötzlich vor allem Systemfehler sichtbar, die fundamentale Charakterfehler fast schon in den Hintergrund treten lassen.