_Garfield - Kommentare
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Alle Kommentare von _Garfield
Wunderbarer Quatschfilm! Shue, Brolin und Co knacken genetische Codes wie Videospiele. Und Bacon hat das perfekte Arschlochgesicht für den unsichtbaren Triebtäter und unprofessionellsten Wissenschaftler der Welt. Wichtig für "Hollow Man" ist Verhoeven's elegante Regie mit genügend inszenatorischem Witz und die stimmungsvolle Musik Jerry Goldsmiths. Sie schenken dem Film Atmosphäre und Klasse. Zudem dringt Verhoeven bei seinem Gedankenexperiment selbstbewusst in jene ambivalent zu rezipierenden Bereiche vor, die sich bei der Prämisse sowieso jeder schon einmal überlegt hat. Das Ausleben der Allmacht durch sexuelle Übergriffe im Angesicht überschaubarer Konsequenzen nimmt deshalb auch eine zentrale Position in der Geschichte ein, die sich ansonsten ganz und gar Bacon und seiner süffisanten Rolle widmet, die kaum einschätzbar zwischen charmant-witzelnd und angestauten Allmachtsphantasien erliegend schwankt. Dieser füllt Sebastian Caine mit Leben und thematisiert in sich stetig steigernden, latenten Gotteskomplexen, die auch deswegen so effektiv funktionieren, weil sie die uns immanenten Sehnsüchte und Perversionen zutage treten lassen, vor allem die Funktion des Zuschauers als Voyeur. „Hollow Man“ nimmt sich dafür die nötige Zeit und lässt die Konfliktparteien ziemlich exakt eine Stunde lang bewusst im Unklaren. Inwiefern die exploitationhafte Inszenierung des weiblichen Körpers nun aber ein bewusstes Spiel mit den Voyeurismen der Geschichte provoziert, bleibt mir jedoch verschlossen. Dazu genießt die schwerelose, hervorragende Kameraarbeit viel zu sehr die Rundungen seiner weiblichen Darsteller und macht diese gezielt konsumier- und genießbar. Vielleicht ist das ja die Falle - oder lediglich die Schwäche eines alternden Pulp-Regisseurs, die sich in nackten Brüsten Bahnen bricht. Der zweite Abschnitt funktioniert dann nach bewährtem Slasher-Schema und offeriert kreative Blutwurst-Gerichte. Und im cleveren Finale, in dem Verhoeven variatenreich das Unsichtbaren-Motiv des Filmes ästhetisch aufgreift und gleichzeitig den Plot vorantreibt, bewegt man sich ohnehin schon wieder in einem anderen Film. Und auch dort will sich die Vorschuss-Häme nicht bestätigt sehen. „Hollow Man“ rockt also doch.
Unter die Bettdecke kriechen, unsichtbar werden, allem entfliehen. Verantwortung zu übernehmen bedeutet nicht, die Mutter des Opfers mit Entschädigungszahlungen für die "Dummheiten" der eigenen Gören milde zu stimmen. Verantwortung zu übernehmen bedeutet etwas anderes. Mi-ja, eindringlich gespielt von Yoon Jeong-hee nach sechzehnjähriger Leinwand-Abstinenz, zeigt einen Weg auf: die Bettdecke entreißen, alles in Frage stellen, was gesichert schien, um über den Dialog Veränderung anzustoßen. "Poetry" zeichnet das traurige Bild einer Kultur des Schweigens, die generationsübergreifend, kollektiv den selben Verdrängungsmechanismus vollzieht. Schließlich hat es Tradition den Schein zu wahren, um den Karrieren Empathie-beschränkter, verzogener Rotzlöffel nicht im Wege zu stehen. Dementsprechend hart fällt das Urteil über die nachwachsende Generation aus, die dauerfressend vor der Flimmerkiste hockt und mit dem letzten Quäntchen Respekt den Aufforderungen ihrer Geldgeber folge leistet. Womöglich steht "Poetry" damit in der ewigen Tradition jener Pessimisten, der jungen Generation alles abzusprechen, was die vorige ausgemacht hat, wenngleich sie nur in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander stehen können. Wenn Mi-ja also für ihren Ziehsohn nichts außer Belehrungen übrig hat, von denen man ausgehen kann, dass sie auch schon vor der Vergewaltigung zum Alltag gehörten, ist dessen Verhalten plötzlich kausal erklärbar und ein winziges Mosaik zum Verständnis der gesellschaftlichen Strukturen, die hier aufgezeigt werden, und denen all diese Figuren entsprungen sind, identifiziert. Womöglich trifft "Poetry" auch etwas wahres, viel tiefer liegendes. Einen kollektiven Wesenskern, der mehr Energie darauf verschwendet die Spuren unrechten Verhaltens zu beseitigen, statt zu seinen Gründen vorzustoßen. Vielleicht weil es zu tief führt, und alles blank daliegen würde, ohne schützende Haut, und weil vergessen leichter ist, als zu ändern, was dir seit Anbeginn vorgelebt wurde und tief in dich eingekehrt ist. Ein deprimierender Gedanke.
Der „Krise der Repräsentation“ entgeht Petzold. Der Holocaust ist nicht repräsentativ. Und er versucht es erst gar nicht. Die Seelen der Ermordeten streifen das Geäst, das rauschende Blätterdach, das in jedem seiner Filme auftaucht, weil es immer in der einen oder anderen Form um Gespenster geht, die seine Figuren plagen und die doch eigentlich nur der Vergangenheit entgehen wollen, um endlich zu vergessen. Hier hallt der Deportationszug in der lebhaften Erinnerung Nellys nach und eine Zahlenfolge am Unterarm bezeugt ihre Nahtoderfahrung - wenn sie auf eine Art nicht im Lager trotzdem gestorben ist. Ihr Mann sieht all die Zeichen nicht, die ihn zur Person hinter Nelly führen könnten, weil er sie nicht sehen möchte. Er spürt die Schuld. Und er lässt sie ein zweites Mal sterben, indem er das Vermächtnis des Holocausts und die Erinnerung der jüdischen Gemeinschaft Mosaik für Mosaik rekonstruiert, so wie er eine idealisierte Version seiner Nelly Schicht für Schicht, Farbe für Farbe neu aufträgt und nach seinen Vorstellungen zusammensetzt. Natürlich steht er damit stellvertretend für all jene, die in den Tagen nach dem zweiten Weltkrieg erblindet sind, und taub geworden für das, was sie in den Krieg getrieben. Trotzdem ist ihnen der Tod nicht vergönnt. So wie er Nellys Mann nicht vergönnt ist. Weil nichts schmerzhafter ist, als der Moment der Wahrheit, die für einen selber doch eine andere war. Natürlich ist das herausragend gespielt, beängstigend präzise gefilmt und geschrieben und in seiner letzten Einstellung nichts anderes als einer der herausragenden Kinomomente der vergangenen Jahre. Weil Petzold immer selbstbewusster das Kammerspiel und die Details nach vorne stellt. Und er mehr denn je in den Gesichtern nach Geschichten forscht. Und die Musik die letzte Note spielen darf - ohne Worte.
Es gibt viel zu entdecken beim „Babadook“. Zum Beispiel Oedipus - und damit Freud. „I gonna protect you“ flüstert das hysterische „Problemkind“ seiner Mutter ins Ohr und nimmt damit die Rolle des verstorbenen Vaters ein. Nachher unterbricht er sie bei der Selbstbefriedigung und tritt unfreiwillig mit den Gespenstern der Vergangenheit in Konkurrenz – denn sie alle wollen seine Mutter besitzen. Ohnehin: „Babadook“, das Debüt der Regisseurin Jennifer Kent, ist durch und durch durchpsychologisiert. Denn zuvorderst ist es das Psychogramm einer überforderten Mutter, das hier thematisiert wird. Auffallend ist hierbei das beachtliche Maß an inszenatorischer Eigenständigkeit mit der Kent ihre Protagonistin auf ihrer seelischen Reise begleitet. Der flotte Schnitt und die kargen, entrückten Bilder zwängen ein und lassen kaum Platz zum atmen, während man sich mit integrierten Stummfilm-Schnipseln und knarrenden Dielen selbstbewusst oldschool gibt ohne sich der modernen Technik gänzlich zu versperren. Prinzipiell lobenswert lässt sich „Babadook“ zudem bis zur Kehrtwende der Mutter auffällig viel Zeit die Lebenssituation, die Figuren und die Stimmung zu etablieren. Leider ist die Lebenssituation bereits nach fünf Minuten geklärt und weder die Figuren, noch die Stimmung ausreichend inhaltlich unterfüttert. Den Babadook in die Mutterfigur einkehren zu lassen und damit den fürsorglichen Anker zur monstrous feminine zu stilisieren bringt jedoch drive in den Film und beschränkt das Abjekt nicht weiter auf eine gesichtslose Bilderbuch-Fratze. Das sorgt für Spannung und lässt die fragile Mutter-Sohn-Beziehung ganz konkret in einen offenen Konflikt eintreten. Das führt zum schönen Finale und zu einem Kind, das sich dem Bösen stellt, um die Mutter aus ihrer selbst gewählten Lethargie zu befreien - mit feuchter Hose aber breiter Brust. In bester Tradition darf wieder geblutet, gerotzt und geschwitzt werden. Auch der Babadook ist nur Metapher für die Ängste, die einen regieren und muss kathartisch ausgetrieben werden. Nicht revolutionär, aber mit Inbrunst und Stilwillen vorgetragen.
Der Dichte und Stringenz, und ein wenig auch der Poesie, wird die zeitlose Vorlage in dieser animierten Neuauflage leider beraubt. Trotzdem: die Geschichte auszuweiten mag nicht ganz funktionieren, dennoch vermittelt „Der kleine Prinz“ auch in dieser Variante wertvolle, zutiefst humanistische Weltansichten, die von Kinderaugen unbedingt gesichtet werden sollten. Weil uns solche Filme, wenngleich sie sich dem Fundus alter, universeller Stoffe bedienen und sie sich bis zur Unkenntlichkeit einverleiben, daran erinnern, wie es war, die Welt das erste Mal bestaunen zu dürfen und dazu anhalten sich ein Stück unserer naiven, weisen Kinderseelen zu bewahren. Sei es um einfach mal wieder nach oben in den Sternenhimmel zu blicken und demütig innezuhalten.
So schlecht wie sein schon jetzt vorauseilender Ruf. Ich mag ihn ja, aber Reeves sollte man nur noch Rollen geben, in denen er ernst Rachepläne verfolgt. Wenn er in den ersten zehn Minuten versucht glückliche Familie zu spielen, ist das der wahre Horror. Dass er nach dieser Arbeitsverweigerung nicht nach einem Drehtag durch irgendeinen anderen Schauspieler ersetzt worden ist, kann nur mit seinem Box-Office-Zug oder Eli Roth hinter der Kamera zu erklären sein. Die ersten dreißig Minuten fühlen sich tatsächlich an wie ein Porno und man wartet auf den großen Bums. Der kommt aber nicht. Bei "Knock Knock" kommt eh niemand.
Feiert im Finale leider die üblichen Erlösungsmythen jener ab, die im Leben nie eine Chance hatten und lässt seine Figuren vorhersehbar und eitel sterben. Und man ergeht sich dann doch wieder den Männlichkeitsidealen stolzer Gestrandeter, die den letzten Knall im Märtyrertum suchen, während sich die Frauen am Ende um die Kinder kümmern dürfen, weil sie als einzige fähig sind, die Verantwortung und den Mut für eine andere, neue Zukunft aufzubringen. Aber vielleicht ist das, was Frank und Ray als Figuren in ihrem Kern ausmacht: die Unfähigkeit zur Bindung und der im Weg stehende Stolz - also doch die Dekonstruktion aller Männlichkeitsideale? Ich glaube nicht. Farrell und McAdams sind auf jeden Fall wunderbar anzusehen und die guten Darstellerleistungen (auch Kitsch meistert seine schwierige, stille Figur) machen die mitunter peinlichst grimmigen Dialoge von Pizzolatto weitgehend wett. Das funktioniert meiner Meinung nach in Buchform besser. Die schwer verworrene Geschichte als narratives Experiment, die repetitive Inszenierung und die behaupteten Konflikte tun ihr übriges. Mich hat's jedenfalls nicht gepackt, geschüttelt oder anders gekümmert. Schade.
Miller erweist sich abermals als begnadeter Erzähler im Detail: Schultz im Warteraum des Sekretariats sitzend fügt er beispielsweise auf der vorderen Bildebene sinnbildlich ein jüngeres Ich hinzu, weil er auch im Körper eines Wrestler-Olympioniken wie der hilflose Junge wirkt, der gerade zum Rektor gerufen wurde. Und auch die Aufwärmübungen mit seinem Bruder ähneln intimen, zwischenmenschlichen Berührungen, sind aber nur mechanisches Tagwerk, das auf dem Weg zur nächsten Medaille verrichtet werden muss. In Wahrheit ist seine Beziehung vielfältig zerrüttet und ambivalent, einerseits voll Dankbarkeit seinem Bruder gegenüber, andererseits bedrückt von dessen Schatten, der sich über ihn legt. Gezeichnet wird zudem das Porträt eines Mannes, der an seinem eigenen Mythos feilt, während Steve Carell leider Make-up-Schichten und ein allzu offensichtlicher Mutterkomplex aufgedrückt werden. Trotzdem bestimmt dessen Charakter den bedrückenden Ton des Filmes, der von seltsam gearteten, soziopathischen Figuren bevölkert wird. Den finalen Knall inszeniert Miller gar wie beiläufig, der Schlag sitzt dafür umso tiefer. Mit Ruffalo's Figur verlässt auch die letzte Hoffnung diesen tristen Film.
Ich verstehe diese Welt nicht. Wo kommen diese grässlichen Tapeten her? Warum darf hier nur zwischen emotionalen Extremen geschwankt werden und jede Regung scheinbar nur wild gestikulierend, laut krakeelend ausgespien? Warum sind hier alle so voll von sich selbst und so falsch in Gesellschaft? Bei Streitgesprächen wackelt die Kamera und schwenkt was das Zeug hält, weil das ja die Desorientierung und innere Unruhe der Protagonisten direkt physisch spürbar macht. Zwischendurch pumpen Pop-Songs vergangener Dekaden und Leute von der Fashion-Week laufen in Zeitlupe Straßen hinunter – sowieso ein typisches Dolan-Bild. Vor lauter Gefühlen, Tränen und Schmerz in exaltierter Ausgestelltheit spüre ich in dessen dritter Regie-Arbeit aber leider gar nichts mehr. Und sein redundanter Inszenierungsstil wird in der exorbitanten Lauflänge umso deutlicher spürbar. Dolan ist nicht doof und seine Themen brisant. Es ist nicht so, dass sich hinter der verschmierten Mascara nur Leere verbirgt und hinter den Klamotten nur Plattitüden. Aber leider zieht er es vor über Penetranz, statt über Details zu erzählen. Und leider zieht er eine Welt vor, in der nur der gehört wird, der am lautesten schreit und der am buntesten gekleidet ist. Ein Ort voller extrovertierter Hedonisten, die der Welt den lackierten Mittelfinger entgegenstrecken und die Borderline zum Zuhause machen. Leider lebt dieser Dolan in einer anderen Welt und womöglich ist das auch okay und gar nicht so traurig wie ich mir einreden will. Filmliebhaber anyway.
Ich hätte nicht gedacht, dass ich nochmal derart in die Serie finden würde. Showrunner Dan Harmon fällt eine ganze Reihe kluger Entscheidungen: Das fängt schon beim Verzicht an, die unersetzlichen Weggänge Glover und Chase kompensieren zu wollen. Mit ihnen sterben auch ihre Figuren und Figurentypen - das ist konsequent und macht den Abschied auf lange Sicht leichter. Zudem kehren mit dem wunderbaren Jonathan Banks (für länger) und Brie Larson (für 2 Episoden) neue, sympathische Gesichter in den breiten Figurenpool von Greendale ein und Shirley, die im Ensemble immer etwas abseits und funktionslos agierte, als gelegentlicher Gegenspielerin ein anderes Gesicht zu verleihen, erweist sich als sinnvoller Schritt, weil er neue Räume erschließt und eine Figur der ersten Stunde ein Stück weit neu erfindet. Sogar Liebling Abed darf sich wie Jeff in entscheidenden Nuancen weiterentwickeln, während die aufgestockten Auftritte von Figuren wie Duncan, dem Dean oder Chang zu Recht deren großer Beliebtheit Rechnung tragen. Der Abschied von großen, übergreifenden Subplots ermöglicht es darüber hinaus, "Community" nun vollkommen befreit als Detail-versessene Gimmick-Serie für den Feierabend genießen zu können. Nicht mehr, aber auch kein Stück weniger.
Der Titel ist irreführend. Es ist Elle Fanning, und nur Elle Fanning, die hier die Last und den Schrecken des Kalten Krieges auf ihren Schultern trägt. „Ginger & Rosa“ ist ein Film über Ginger und nicht über Rosa. Bis zuletzt ist der Film von ihrem Blick bestimmt, der aus den persönlichen Unwegbarkeiten sich zwischen zwei abstoßenden Elternteilen wiederzufinden eine globale Katastrophe herleitet. Die klare zeithistorische Verortung erlaubt es hierbei natürlich auch die Gefahr ganz wirklich zu verstehen, wenngleich das Interesse von Regisseurin Sally Potter ganz deutlich bei der feuerroten Hauptfigur zu liegen scheint. Dafür vernachlässigt sie andere Parteien und nimmt der eigentlich brisanten Dreiecksgeschichte die Tiefe und verschiebt den Fokus spürbar. Großes Glück für den Film ist Elle Fanning, der die Zerrissenheit und das Aufwachsen in immerwährender Alarmbereitschaft von ihren Zügen abzulesen sind und die den Film mit Natürlichkeit und Ausdrucksstärke beschenkt. Potter weiß das und überlässt ihr konsequenterweise die Bühne. Und sie ergibt sich auch nicht den Mythen des Feminismus oder erliegt dem blinden Schrei nach „starken“ Frauenfiguren. Fanning darf, wie jede andere Figur auch, fallen, zweifeln und wachsen, während die Welt aus ihren Fugen gerät. Fast schon ein kleines Wunder.
Ein präziser, gut beobachteter, vielschichtiger und komplexer Film, der viele Themenkomplexe anbietet, von denen sich jeder greifen mag, was er will. Mein „Elena“ erzählt in erster Linie von verschiedenen Formen der Gewalt – eine, die aus der Repression und Frustration erwächst und einer, die rituell die Zugehörigkeit zu einer Gruppe beschließt. Der erste Gewaltakt ist ein Resultat der Frustration um eine fast ausschließlich routinisierte Ehe, die in einer tristen Alltagswelt verortet ist. Zudem bricht sich im Mord am Ehemann auch die Frustration um unerfüllte Träume und die Machtlosigkeit im eigenen Lebensentwurf bahn. Elena verblieben begrenzte Handlungsoptionen, um aus dem Gefängnis Ehe auszubrechen und die Aussicht auf ein besseres Leben für die unterprivilegierte Familie ihres Sohnes zu erhalten. Der zweite Gewaltakt ist physischer, seinem sozialen Milieu entsprechend und im Grunde selbsterklärend. „Elena“ eint die Gesellschaft im Akt der Gewalt. Wo Gewalt in dem einen Milieu jedoch lediglich das tumbe, in gewisser Weise ehrliche Ausleben von Trieben bedeutet (ein Schlag in die Fresse provoziert eine konkrete, physische Reaktion), bedeutet es im anderen Milieu die vollständige Verrohung gesellschaftlicher Strukturen, die der Film in einem Dialog zwischen Vater und Tochter bereits nihilistisch andeutet. Elena's Mord geschieht aus Kalkül, sie infiltriert die High Society und lässt die Trainings-Anzug-tragenden, dauerschwangeren Langzeitarbeitslosen in ihre Paläste einkehren. „Elena“ entbehrt dementsprechend schon nicht eines gewissen, rabenschwarzen Humors. Auch wenn einem das Lachen bisweilen im Halse stecken bleiben möchte. Für das Leben im Elfenbeinturm!
Ich wage es: Der beste Film zum Thema Amoklauf kommt aus Deutschland. Regisseur Thomas Sieben erzählt nicht in erster Instanz die Geschichte eines Amokläufers, stattdessen erzählt er von den Dingen, die zählen. Abseits biographischer Strichlisten, Kommentaren von denen und jenen, die dachten Hans Wurst sei immer so ein lieber Junge gewesen; den Nachbarn, den entsetzten, die gar nicht glauben wollten, dass so etwas auch in der bayerischen Provinz passieren könnte. Oder eben kalkulierter Tathergangs-Rekonstruktion und den damit verbundenen Diskussionen darüber, was geht oder was nicht. All das klammert „Staudamm“ klugerweise aus.
Der Blick auf den Amoklauf eines Jungen ist zunächst einmal der eines Außenstehenden, der am Küchentisch in seiner Wohnung im Rahmen einer zeitlich befristeten Anstellung die Akten wälzt, ordnet und hörbar macht, um so das Leben eines viel beschäftigten Juristen zu erleichtern, der selbst in den Skype-Sitzungen nicht den Blick von den Akten abwenden kann. Es ist in gewisser Weise unser Blick, den wir uns über Zeitungsartikel und Fernsehberichte eröffnet haben, zuzüglich einiger Trivia-Informationen über das, was einige Augenzeugen gesehen haben wollen und was nicht. Dieser Blick ist vage und fern.
Sieben kehrt nun in die finstersten Winkel ein, indem er die Perspektive eines Outsiders wählt und sie sukzessive zum Insider wandelt. Mit jedem Mosaikstück des Falles, das zu den Gründen für den Amoklauf führt, mit jeder Sekunde gemeinsam mit der Überlebenden Laura und der sich langsam entfaltenden Romanze zu ihr. Sieben hält das in einer besonders kraftvollen Szene fest: nach einer romantischen Nacht in einer bayerischen Dorfkneipe steigen die beiden Protagonisten in die Schule des Amoklaufs ein. Sie rasen euphorisch durch die Gänge, beseelt von dem Gedanken aneinander Halt gefunden zu haben. Während sie auf der Treppe eine Pause macht, geistert er ins nächstgelegene Stockwerk. Es kehrt Stille ein, er atmet ruhig. Seine Arme winkeln sich an, sodass ein imaginiertes Gewehr seinen Platz findet. Er nimmt den Finger an den Abzug. Er drückt ab und gibt ein leises Schussgeräusch von sich. Bähm. Schnelle Drehung, noch ein Schuss. Bähm.
Der Amoklauf in „Staudamm“ führt zu Gründen, die jedem von uns innewohnen. Er führt zur Wut, zur Frustration, zu den Nackenschlägen, die impulsiv ausgekotzt werden. Die Rückschläge vergessen, die erdrückenden Erwartungen zerschlagen, die unendliche, überwältigende Ohnmacht für einen Augenblick der Allmacht Platz gemacht. Die Reise dorthin vollzieht der Film kaum merklich, das Einzelschicksal dient eher als Fallbeispiel. „Staudamm“ ist nicht erschreckend, weil er einen Amoklauf und die Biographie seines Verursachers reflektiert, „Staudamm“ ist erschreckend, weil wir an diesem Ort die Amokläufer sind. Und damit alleine mit unseren Problemen und den finstersten Winkeln unserer Herzen.
Christian Bale und Kate Beckinsale sind toll miteinander. Wie sie sich als Team aufmachen, in stillschweigender Übereinkunft eines geplanten, gemeinsamen Lebens, wie sie anfangen zu grübeln, zu zweifeln und zu fallen. Wie sie umherirren mit schwirrendem Kopf und offener Hose und konfrontiert sind zu finden, was das Herz verlangt und dem man sich gar nicht erwehren möchte – selbst wenn man es könnte. Es macht Spaß diesen beiden Schauspielern, deren Karrieren grundlegend verschiedene Richtungen einnahmen, dabei zuzuschauen, wie sie sich anschreien, sich abstoßen und doch wieder zusammenraufen, weil es das Drehbuch nur an ganz entscheidenden Stellen zu offenen Konfrontationen kommen lässt. Das sorgt für beibehaltende Spannungen im interessanten Figurengepflecht zwischen Mutter und Sohn und den jeweiligen Partnerschaften. Denn nicht zuletzt erzählt „Laurel Canyon“ von zerrütteten Familienverhältnissen und der Last des Schweigens, die Distanz aufbaut, statt Gedanken zu teilen. Cholodenko lässt die Konflikte auf einem komprimierten Raum offen zu Tage treten und thematisiert in der Intimität des alltäglichen Miteinanders sowohl Vergangenheitsbewältigung als auch Zukunftsangst und verlautbart diese über seine Figuren. Bale's Lebenswirklichkeit spiegelt nämlich ganz konkret die Vergangenheit wider und die absurd anmutenden sexuellen Eskapaden der Protagonisten die Ängste, die sie beherrschen. Auch die Angst, das Leben nicht richtig gelebt zu haben.
Nach einiger Zeit findet Ruby, das Mädchen, das durch die Magie einer Schreibmaschine zum Leben erwachte, Freunde fernab der Sphäre von Calvin. Calvin ist konservativ, ernst und hält in seiner Vorstellung an einem Frauenideal fest, das außerhalb seiner angestaubten Fantasien weiter vorangeschritten ist. Ruby findet einen Ausgleich zur Beziehung durch die Verwirklichung von Träumen und das Ausleben von Interessen mit Anderen. Calvin folgt diesem Lebensmodell nicht und glaubt weiter an die Magie der Schreibmaschine und daran, seine Traumfrau zusammenbauen zu können; aus Satzkonstrukten und Phrasen, die einzufangen suchen, was eine Frau in ihrem tiefsten Innern ausmacht. Das funktioniert natürlich nicht. Er glaubt weiterhin die Beziehungswelt kreist um ihn. Er ist egoistisch. "Ruby Sparks" zieht aus diesen Spannungsfeldern kluge Erkenntnisse und macht die phantastische Prämisse zum Ursprung von schrägem Witz. Ruby wird als Kurzschlussreaktion weiter eingezäunt und an die Leine genommen. Sie wird runter-rationalisiert und zu einer willenlosen Puppe gemacht. Calvin's Allmacht gipfelt schließlich in einer hochdramatischen Konklusion: wer unfähig ist zu adaptieren, einen Kompromiss herauszuarbeiten, sich zurückzunehmen und zuzuhören, wird für immer einsam bleiben. Trotzdem ist "Ruby Sparks" kein Film über Ruby Sparks: sie ist austauschbar, den Launen ihres Erschaffers unterworfen. "Ruby Sparks" ist ein Film über den Erschaffer - einen soziopathischen Diktator, der in einer weltfremden Welt lebt, und dem das größte Wunder widerfährt. Und dann gibt es da noch diesen wunderbaren Meta-Moment. Wenn die Figur von ihrem Figursein erfährt - und damit von ihrer Ohnmacht.
Die Erkenntnis von Riley am Ende ist eine extrem gewichtige: Kummer zuzulassen und offen auszuleben ist auch eine Form der Kommunikation, die Signale sendet, um gehört zu werden und sich schlussendlich geborgen zu fühlen. Dann kann in den Armen der Eltern aus einer Träne auch wieder ein Lächeln erwachsen. Hierzulande kommentiert man die Loblieder auf den Wert der Familie, die ja gerade beim Disney-Konzern in jeder Produktion inbegriffen sind, stets mit einem gewissen Zynismus. „Inside Out“ jedoch legt die Funktion der Familie als Auffangnetz und Rückzugsort in wenigen Szenen umso eindringlicher dar, weil der Film die Auswirkungen eines gesunden Familienlebens durch die Prämisse, sich im Kopf eines heranwachsenden Mädchens zu befinden, unmittelbar spürbar macht. Riley muss sich zeigen, um gehört und schließlich verstanden zu werden. Ihre kleine Welt bricht zusammen, weil sie sich in sich zurückzieht und das Gefühl hat alleine auf dieser Welt zu sein. Sie lernt, dass jede Emotion eine Facette ihrer Selbst ist und dass keine Identität, sondern Identitäten ihr Selbst ausmachen. Und dabei ist keine Emotion überflüssig – das darf sogar das traurige Pullunder-Mädchen in ihrem Kopf lernen, das sich mit Freude im Langzeitgedächtnis verlaufen hat. Alleine dieser Satz gibt einen Ausblick auf die wundersame, wahnwitzige Welt, die wir in „Inside Out“ besuchen dürfen. Sie fordert Kinder und kreiert eine Fallhöhe, die sie auf der Kante ihres Sitzes hocken lässt - selbst wenn ich dabei nicht fortwährend gefangen war.
Es gibt sie also noch. Ich hätte es ja nicht geglaubt, wenn ich es nicht mit eigenen (Kinder-)Augen gesehen hätte. „Hugo Cabret“ - gestatten: ein Kinderfilm, Herzensfilm, Familienfilm, was heißt, dass hier die gesamte Familie auf ihre Kosten kommt. Und ein Ensemblefilm, wenngleich eine ganze Reihe bekannter Gesichter hier nur Weihnachtsdekoration ist, die die Bahnhofhalle etwas farbenprächtiger strahlen lässt. Manchmal registriert man sie überhaupt nicht, aber man ist doch froh, dass sie trotz allem da ist. Die Magie liegt ohnehin in den funkelnden Kinderaugen, im Stellvertreter-Staunen, den Zwischenmenschlichkeiten, weil Scorsese nicht das Risiko scheut seine Geschichte auf zwei jungen Schultern zu verteilen. Die Jungen werfen einen Blick zurück und die Alten dürfen sich daran erinnern, wie es war die Wunder dieser Welt das erste Mal erfahren zu dürfen; daran wie unendlich sie schienen, unendlich wertvoll, überwältigend ganz im Sinne des Wortes, sentimental, verklärt, trotzdem tröstend, Staubschicht mit zerfurchten Fingern zusammengeschoben. Daran wie einem die Worte fehlten zu beschreiben, was der Verstand noch gar nicht zu fassen mochte. Das Kino noch jungfräulich. Dennoch ist dieser Blick kein wehmütiger. Einer der letzten großen Zauberkünstler verneigt sich lediglich vor jenen, die ihm die Tricks beibrachten; inbrünstig, mit der Begeisterungsfähigkeit eines Kindes und auch durch die Augen eines solchen. In einer gerechten Welt stünde „Hugo Cabret“ irgendwann in einer Reihe mit Filmklassikern wie „E.T.“ - kein Marvel-Film. Denn das Kino ist heilig und wertvoll, weil es uns daran erinnert Kind zu sein. Und der Zauber existiert.
Ein unheimlich kraftvoller, ganz und gar und ganz im Wortsinn schräger, aber immer liebevoller Ausflug eines Regisseurs, der keinem mehr etwas beweisen muss. "Punch-Drunk Love" beherbergt so viel und vermag noch mehr zu geben. Er weiß über das eingepfercht, das in die Ecke gedrängt und von Erwartungen erdrückt sein zu berichten, von verpassten Chancen und den Traumatas der Vergangenheit. Er begleitet eine schrullige Figur, gibt sie aber nicht der Lächerlichkeit preis, weil sie universell genug ist, um jeder von uns sein zu können. Anderson's Tempo ist in jedem Moment eigenwillig und trotz 90 Minuten Lauflänge schwierig zu adaptieren. Er inszeniert komplex und anspruchsvoll, schreibt aber Dialoge von imponierender Klar- und Direktheit. "Punch Drunk Love" weckt das Verlangen, dem, was einen kaputt macht und dem, was fremden Ansprüchen entwächst, einfach zu entfliehen. Und vielleicht ist das ein zentrales Thema des Films: der Ausbruch aus einer fremdgesteuerten Welt und damit auch ein Ausbruch aus einer konstruierten Form des Selbstbildes. Ein Ausbruch aus sich selbst.
Überraschend toll. "Godzilla" ist ganz und gar nicht fehlerfrei, kommt am Anfang nicht ganz aus dem Schuh und hat am Figurenarsenal offenbar zugunsten der Effekte eingespart. Trotzdem ist das unterm Strich eine viel zu beeindruckend bebilderte Sause, um sie ernsthaft als gescheitert zu verbuchen. Edwards inszeniert das bis zum Ende äußerst sorgfältig, übersichtlich, mit ruhiger Hand und immer auf den besten Effekt bedacht. Und der liegt nunmal zumeist in der Zerstreuung der Sehenswürdigkeiten. Godzilla bleibt fortwährend eine Sensation, von der man nicht genug bekommen kann, einfach weil Edwards sie immer wieder als Sensation zu verkaufen weiß. Die feine Kameraarbeit und die kluge Integration von Displays und Fernsehbildschirmen, Nachrichtenschnipseln und POVs entrücken immer wieder die Perspektive und verstellen den Blick - das sorgt für ein Gefühl der Unmittelbarkeit und spielt auf sinnige Weise den Computereffekten zu, die auf sich alleine gestellt nur halb so eindrucksvoll gewesen wären. Die apokalyptischen Szenen in einem San Francisco vor dem Untergang gemahnen überdies an die Bilderwelten eines Lovecraft und machen die Ausmaßen des Monster-Clashs deutlich, während der atmosphärische Halo-Sprung wieder Mitten ins Geschehen versetzt. Aaron Taylor-Johnson einen ganzen Blockbuster im Alleingang schultern zu lassen, mag eine weniger kluge Entscheidung gewesen sein, tritt der unterstützende Cast doch entweder ab (Cranston), zurück (Watanabe) oder ganz einfach kaum auf (Olsen). Doch das macht in der letzten halben Stunde kaum noch einen Unterschied. Dann tritt Publikumsliebling Godzilla Ärsche, umhüllt von Nebel und verzerrt von lodernden Flammen. Edwards beschwört die Hölle herauf. Mir gefällt's.
Jim Carrey ist eine Naturgewalt. Geboren und aufgewachsen in Newmarket, Ontario, Kanada. Zunächst in geordneten, gewöhnlichen Verhältnissen, dann in Armut. Bestärkt von einem Vater, der seinen Sohn das zu tun antrieb, was er sich selber nicht erfüllen durfte. Als Klassenclown mal mehr oder weniger erfolgreich, dann nach der Schule 8-Stunden-Schichten. Imitationstalent, Rampensau, Atheist, Spiritualist. Schwere Zeiten auf Prozac, dann wieder Grimassen-ziehender Comedy-Gott und nach sensationell erfolgreichen Karrieredekaden als zweifacher Globe-Gewinner Ende der 90er Jahre zum neuen Millennium mit abflauendem Erfolg und gefühlter Leinwand-Abstinenz. Kaufman-Verehrer und eher unernst Emma Stone-Stalker, zumindest ist das das, was er sagt. Womöglich der meistunterschätzte Schauspieler aller Zeiten und womöglich trotzdem der beste. In einer gerechten Welt stünde Carrey irgendwann in einer Reihe mit Brando und Chaplin. Als eigentlich unspielbare Maske im gleichnamigen "The Mask" die einzig denkbare Besetzung für das Comedy-Wunder der 90er, als Dummbacke und Paradiesvogel auch weitläufig als Brachial-Komiker bekannt. Das stimmt natürlich nicht. Nichts ist härter als Comedy. Dann als Truman in der Medien-Reflektion "The Truman Show" auch im Feuilleton am Start, weil der ja bekanntlich für alles Abseitige blind ist, ein Jahr später als Kaufman auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Wieder war Carrey die einzig denkbare Besetzung. Er begreift das Kino als "the last place to tell the truth" und hat damit hoffentlich nicht recht, auszuschließen ist es aber nicht. Er war mit Gott auf der Leinwand zu sehen und durfte Cameron Diaz küssen. Er ist Redenschwinger, Verfechter der transzendentalen Meditation, empathischer Gefühlsmensch und Aufmerksamkeitssüchtig – aber wer ist das nicht? Ihm gehört die Bühne, wenn er sie betritt und er ist „the man of 150 faces“, weil die Eintausend dann doch zu viele waren. Er ist Interview-Gold und sollte unbedingt aufmerksamer geschaut werden. Zumindest der Meinung dieses Autoren nach.
Die zweite Hälfte ist besser. Dann werden auch die dem Genre seit jeher inhärenten melancholischen Zwischentöne zugelassen, nicht zuletzt getragen vom tollen Score von Jo Yeong-wook. Zudem machen dann die desillusionierten, zerstörten Figuren Sinn und der entschleunigten Erzählweise wird durch knackige Wendungen der nötige Drive verliehen. Darüber hinaus weiß „New World“ seinen schönen Schlussgag vom Wolf im Schafspelz inszenatorisch auszuspielen, so wie es südkoreanisches Kino sowieso versteht, visuell alle Register zu ziehen. Trotzdem hinterlässt die erste Hälfte einen faden Beigeschmack: als Zuschauer bleibt nichts zu entdecken, keine Einzelheit selber zusammenzusetzen. Jede Figur handelt aus klaren Motiven heraus, Raum für Ambivalenzen, Mysterien und Andeutungen gibt es nicht. Die sparsam eingestreuten Eskalationen können die Koreaner aber einfach, auch wenn man sich dafür vorher durch eine lauwarme „Infernal Affairs“-Soße löffeln muss.
Die Kamera suchend, rotierend. Cameo eines schweinsköpfigen Menschenfeindes, der gerne seine Tochter bumst. Rektal-Untersuchung, durch endlose Schläuche, pulsierend, ins Rektum. Ein schwarzes Loch, die Wände schwitzen, der Boden bebt unter unaufhörlich treibenden Elektrobeats. Wer hat Le Tenia gesehen? Kennst du Le Tenia? Ist Le Tenia hier? Blas' mir einen! Fiste mich! Fiste mich! Die Schwuchtel bumsen im Verborgenen, weil sie anderswo nicht geduldet werden. Das Rektum ist ihre Parallelgesellschaft. „Irreversibel“ findet hier seinen Anfang, und sein Ende. Der Akt der Rache erreicht hier seine Endgültigkeit, die fatalistische Wendung folgt später. Auf eine Interview-Frage hin, die mögliche Homophobie seines Filmes betreffend, machte Noé nur darauf aufmerksam, dass er sich ja selber masturbierend im Rektum platziert hätte. Quasi präventiv, um den zu erwartenden Vorwürfen etwas handfestes entgegensetzen zu können. Zumindest spricht diese Maßnahme für einen nicht vollkommen unreflektierten Filmemacher mit einem Bewusstsein um Außenwirkungen. Dementsprechend dürften die albernen Reaktionen unprofessioneller Erfüllungsgehilfen in Cannes für Noé nicht sonderlich überraschend gewesen sein - medienwirksam waren sie sowieso. Jede Diskussion um Homophobie ist „Irreversibel“ am Ende des Tages zuträglich. Und doch ist sie nichts wert. „Irreversibel“ ist gegen alles und jeden und damit schlussendlich gegen nichts. Homosexualität, Travestie, Immigration – sie alle sind hier negativ konnotiert. Selbst der sonst so besonnene Lehrer – gebildet, weiß, gut situiert – zermatscht die falsche Visage, sein Kumpel ist ein homophober Hitzkopf, der sich - wenn es drauf ankommt - den Arm brechen lässt und der Vergewaltiger ist einem Cartoon entsprungen. Alles in „Irreversibel“ geschieht aus egoistischen Motiven heraus. Die Nacht ist so finster, dass man glaubt, es gäbe keinen Morgen mehr. Und die einzige Möglichkeit der Nacht zu entfliehen besteht darin, die Zeit zurückzudrehen.
Man sollte sich nicht den Kopf über „Coherence“ zerbrechen. Was nicht bedeutet, man könne sich hier nicht auch ein zweites oder gar drittes Mal auf die Suche nach Antworten machen. Dennoch gilt es ihn, ohne es sich zu einfach machen zu wollen, doch in erster Linie zu erleben, statt jedes liebevoll arrangierte Detail, jede beiläufige Andeutung und jedes vielsagende Wort entschlüsseln zu müssen, um so möglicherweise einem Gesamtkonzept intellektuell beizukommen, das bei „Coherence“ nicht am Anfang aller Überlegungen stand. Die Entstehungsnotizen schaffen dahingehend Klarheit: Ganz am Anfang stand ein Wohnzimmer, eine Kamera und eine Gruppe fähiger Schauspieler. Geld: gerade nicht flüssig. Crew: nicht ganz beisammen. Also musste eine Idee her, die fähig war diese Elemente zu bündeln und damit schlussendlich auch den ökonomischen Limitationen Hehr zu werden, die sich Debütant James Ward Byrkit mit seinem ersten Langfilm-Projekt boten. Am Anfang also stand keine Idee, sondern statische Rahmenbedingungen. Die Idee entstand schließlich im Zuge einer Lösungssuche. Sie ist zweckgebunden und notwendig und nicht Ausdruck irgendeines konkreten, künstlerischen Bedürfnisses. „Coherence“ steht zudem in der Tradition von Effektfilmen - und ein Magier verrät niemals seine Tricks. Insofern ist „Coherence“ zweckdienlich inszeniert, im ersten Drittel gar atemberaubend spannend und vergisst trotz allem seine Figuren nicht. Und selbst wenn gen Ende Auflösungserscheinungen an ihm zehren, der doppelte Boden sichtbar wird, allein für dieses wunderbar freie Gefühl sich ausbreitender Möglichkeiten und der unendlichen Kraft eines Gedankenspiels sollte „Coherence“ ganz dringend geschaut, genossen und meinetwegen auch entworren werden.
Ich bin es leid. Geben Anime-Serien in ihrer Synopsis zumindest noch Freunden phantastischen Quatsches Grund zur Vorfreude, hat sich das doch spätestens mit der Installation von Nicht-Figuren und deren Konstellationen endgültig erledigt. Im auf der Stelle treten macht den Japanern solange niemand etwas vor und angesichts der lediglich auf der Texturen-Ebene variierten Figuren-Schablonen und behaupteten Konflikte neigt man schon beinahe dazu handelsüblichen Hollywood-Filmen avantgardistischen Wagemut zu unterstellen. Auch "Parasyte", produziert im Jahre 2014, erdacht in den späten 80er Jahren, macht nichts neues. Nach wie vor muss Anime-Tussies an die Glocken gefasst werden, um auch die Jüngeren abzuholen, nach wie vor dürfen Frauenfiguren, ihrer angestammten Rolle entsprechend, den Männern das Essen kochen, schmachtend, sich im Kreis drehend einem Vollidioten ergeben oder einfach nur, so weit, so doof, vollkommen unerträglich sein. "Parasyte" greift auf bewährte Strukturen zurück, ist stockkonservativ und repräsentiert ein anti-progressives, frauenfeindliches Bild japanischen Zeichentricks, das man nach wie vor viel zu oft ertragen muss und das diesem "Genre" - leider nach wie vor von Quatsch wie diesem dominiert - in keinem Aspekt gerecht wird.
Allerhöchstens Kurzfilm-tauglich. Lahme, sichtlich über-ambitioniert gespielte Figuren, deren Vergangenheit nicht kümmert, kämpfen sich von einem quadratischen Raum zum nächsten. Die Wendungen um das Cube-Mysterium waren für mich Mathe-Niete zumindest nicht zu erahnen, die gruppendynamischen Entwicklungen riecht man dagegen zehn Meilen gegen den Wind. Und natürlich erweist sich gerade der, der 90 Minuten full retard gehen durfte, schließlich als Zahlen-Genie. Richtig schön blöd. Da kram' ich lieber den Zauberwürfel raus.