Patrick Reinbott - Kommentare

Alle Kommentare von Patrick Reinbott

  • 6 .5
    über Pulse

    [...] Noch nie waren die Möglichkeiten der Kommunikation so vielfältig ausgeprägt wie in unserem heutigen Internetzeitalter. Wer jemand anderen erreichen will, kann das so schnell und einfach machen wie nie zuvor und braucht womöglich lediglich Sekunden, um Kontakt aufzunehmen. Schaut man sich heutzutage allerdings um, zu was diese digitale Vernetzung geführt hat, blickt man eindeutig nicht nur auf Vorteile. In sozialen Netzwerken wie beispielsweise Facebook findet der gemeinsame Austausch kaum noch statt, anstelle dessen lässt sich viel mehr beobachten, wie Menschen andere Menschen aus ihrer Freundesliste lediglich namentlich unter irgendwelchen Posts oder Videos verlinken, um diese auf etwas aufmerksam zu machen. Ähnlich bedenklich verhält es sich in öffentlichen Verkehrsmitteln, in denen, selbst wenn auch der letzte Platz besetzt ist, die Mehrheit in ihr Smartphone vertieft ist, im Netz surft oder Spiele spielt. [...] Weshalb sich die Figuren derartig vor den Erscheinungen der Verstorbenen fürchten, die noch dazu körperlich nie übergriffig auftreten, wird dem Zuschauer allerdings bald klar. Sie erkennen sich selbst in den Toten wieder und merken, dass zwischen der ewigen Einsamkeit im Tod und der bereits bestehenden Einsamkeit im Leben kein Unterschied mehr besteht. Kurosawa schildert auf eindringliche Weise eine Gesellschaft, in der die Schwelle zwischen Diesseits und Jenseits längst aufgehoben ist und eine allumfassende Einsamkeit alles um sich herum verschlingt. Auch wenn der knapp zweistündige Film gelegentlich redundant in seinen Aussagen erscheint, gelangt der Regisseur schließlich zu einer ganz eigenen Form der Apokalypse, in der die Menschen in einem Moment bemerken, dass etwas nicht in Ordnung ist, während im nächsten Moment bereits das gesamte Land vollständig verlassen ist und sämtliche Menschen einfach verschwunden sind. Die digitale Revolution bedeutet bei Kurosawa gleichzeitig das Aussterben der Zivilisation, Vernetzung führt zu Verletzung und am Ende zerfällt das Individuum in eine gänzlich neue Form, die nur noch einen schwarzen Fleck hinterlässt. [...]

    15
    • 7 .5

      [...] "Absentia" handelt anfangs von Themen wie Schuldvorwürfen, Trauerbewältigung und quälender Ungewissheit. Nicht zu wissen, was mit einem geliebten Menschen geschehen ist, ob man ihn jemals wiedersieht und inwiefern man vielleicht auch persönliche Mitschuld an dessen Verschwinden trägt, sind schwerwiegende Gedanken, die weitaus beängstigendere Früchte tragen, als ein konkretes Monster oder blutiger Horror. Mithilfe von schaurigen Erscheinungen trägt Flanagan die inneren Dämonen seiner Protagonistin an die Oberfläche, die sich dazu durchringen muss, ihren Ehemann nach einer so langen Zeit offiziell als tot zu erklären. Doch nach der ersten Hälfte verleiht der Regisseur dem Film einen völlig neuen Dreh und Dan steht auf einmal vollkommen verstört und bleich vor der Haustür seiner Frau. Parallel zum bis dahin eingeschlagenen Kurs verwebt Flanagan das Geschehen von nun an eng mit einem alternativen Erzählstrang, in welchem er die Mythologie eines fürchterlichen Monsters etabliert, das Opfer in eine Art Zwischenwelt entführt und dort gefangen hält. Mit einem raffinierten Spiel aus Licht und Schatten, dem bedrohlich-intensiven Sound-Design und grauenvollen Impressionen, die immer wieder puren Horror versprühen, verzahnt der Regisseur psychologische Schuldbelastung, traurige Realität und übernatürlichen Terror so geschickt ineinander, dass irgendwann eine gänzlich neue Ebene entsteht, bei der man sich fragen muss, ob hier überhaupt irgendeine Form von unerklärlichem Horror existiert oder alles nur der Vorstellungskraft und Traumata der Figuren entspringt. [...]

      16
      • 6 .5
        über The Den

        Eine gewisse Faszination beherbergen sie ja schon, diese in letzter Zeit erscheinenden "Cyber-Horror"-Filme. Neben dem sträflich unterbewerteten "Unfriended" fällt auch "The Den" von 2013 in dieses spezielle Subgenre der "Found-Footage"-Vertreter, denen es tatsächlich gelingt, aufgrund der Verwendung zeitgemäßer und moderner Technik kreative und aufregende Geschichten zu erzählen.
        Regisseur Zachary Donohue bedient sich in seinem Debüt ebenfalls der ungewöhnlichen Erzählform, einen Film beinahe ausschließlich über virtuelle Perspektiven umzusetzen. Donohue lässt das Geschehen über Webcams auf dem Desktop abspielen, wechselt hin und wieder unvermittelt den Benutzer und verfolgt verschiedene Vorgänge in einigen Szenen durch die Smartphone-Kamera. Indem er sich einzig und allein auf moderne Technologien verlässt, kreiert der Regisseur somit eine ganz eigene, neuartige Form einer alternativen (künstlichen) Realität, die einem als regelmäßiger Nutzer solcher Geräte und Software nur allzu vertraut erscheint.
        In "The Den" geht es um eine fiktive Variante einer Webcam-Chat-Plattform wie "Chatroulette", auf der man mit zufällig ausgewählten Nutzern verbunden wird. Elizabeth, die Hauptfigur des Films, führt eine Studie durch, für die sie sich über einen bestimmten Zeitraum hinweg mit möglichst vielen verschiedenen Menschen verbindet und deren Online-Verhalten dokumentiert.
        Anfangs wird dieses Setting für altbekannte Scherze und Spielereien genutzt, wenn zum Beispiel wahllos Geschlechtsteile vor dem Bildschirm auftauchen oder zwielichtige Angebote bezüglich horrender Geldsummen geäußert werden.
        Schon bald macht sich allerdings eine wesentlich konkretere Bedrohung bemerkbar, denn eine Art Cyber-Stalker beginnt, die junge Frau zu terrorisieren. Neben den üblichen Horror-Zutaten, bei denen sich irgendwann auch Leichen anhäufen, findet "The Den" in erster Linie aufgrund der unkonventionellen Machart für den hier dargestellten Terror ebenfalls unkonventionelle, darüber hinaus aber nachvollziehbare Formen des Schreckens.
        Durch das Eindringen in das private Domizil der Figuren werden intimste Momente ausspioniert und an die Öffentlichkeit weitergeleitet. Das Hacken von Accounts führt dazu, dass Freunde untereinander durch Chats in die Irre geführt werden und ein einfacher Link sorgt dafür, dass zahlreiche Stunden Arbeit verschwinden und ganze Teile der eigenen Identität ausgelöscht werden.
        "The Den" versteht es auf gekonnte Weise, Horror über die Manipulation digitaler sowie virtueller Ebenen auszuüben, physisch reale Härte als nebensächliche Gewalt-Spitzen zu platzieren und dabei trotzdem durchgängig für Anspannung zu sorgen. Im Schlussakt entgleitet dem Regisseur das Konzept allerdings leider etwas und der Film gerät zwischen versifften Folter-Kellern, brutalen Tötungsakten, panischen Fluchtversuchen und forcierten Snuff-Pointen zur leicht banalen "Found-Footage-Wackelorgie", die den Gesamteindruck nie wirklich beschädigt, aber eben nicht konsequent zu Ende führt.
        Vermutlich wird man diese Art von Filmen in 10-15 Jahren rückblickend nur müde belächeln können, wenn die Technik wieder massiv weiterentwickelt wurde und noch viel weiter fortgeschritten ist, doch bis dahin und für diesen Moment bieten Filme wie "The Den" eine erfrischende, kreative und spannende Variante, wie sich Horror-Geschichten erzählen lassen.

        11
        • 0

          Eine gut gemeinte Warnung:
          Mit einem Film im herkömmlichen Sinne hat "Five Across the Eyes" nicht viel zu tun. Greg Swinson und Ryan Thiessen können sich nach dieser Zusammenarbeit damit rühmen, ganz klar einen der unerträglichsten, nervtötendsten und schlichtweg schlechtesten Filme aller Zeiten gedreht zu haben.
          Komplett frei von jeglichem Talent wackelt die Kamera durch die schwach beleuchtete Szenerie, welche meist auf das Innere eines Fahrzeugs beschränkt ist, zoomt rein und wieder raus und macht den Streifen formal zu einer einzigen Qual für die Augen.
          Der Schnitt ist eine einzige Katastrophe, die einzelnen Szenen wirken wahllos zusammengestückelt und bei der Musikauswahl hat man wohl darauf gesetzt, mit einem simplen Programm eigene Kompositionen zu kreieren, die so misslungen klingen, dass einem die Ohren bluten.
          Sämtliche Darstellerinnen sind vermutlich gelangweilte Studentinnen, die für einen Sixpack Bier ihre nicht vorhandenen Schauspielfähigkeiten ausprobieren durften.
          Was wohl so etwas wie ein Terror-Film sein soll, in dem eine Gruppe junger Frauen irgendwo im verlassenen Nirgendwo von einer gestörten Psychopathin verfolgt und gequält werden, ist in Wirklichkeit eine Abfolge von beleidigendem Amateur-Getümmel mit lachhaften Dialogen wie aus einem drittklassigen Soft-Porno und unentwegtem Gekreische, Geheule und Fluchen der Hauptfiguren.
          Wer noch nie in seinem Leben persönliche Erfahrungen im Filmemachen gesammelt hat, sich eine Kamera ausleiht und selbst mal ein wenig ausprobiert und einfach losfilmt, hat gute Chancen, einen besseren Film wie "Five Across the Eyes" zu produzieren.

          20
          • 7 .5

            [...] Dieser kurzfristige Paukenschlag, den Yinan unvermittelt und sehr früh inszeniert, ist wieder so ein herber Einschlag im ansonsten so ruhigen Erzählfluss. "Feuerwerk am helllichten Tage" enthält eine Reihe solcher Szenen und Momente, in denen der Regisseur Stille mit hässlicher Gewalt aufbricht, das Schöne dem Verlorenen gegenüberstellt und vor allem stilistisch einen schmalen Grat entlang wandert. Yinan bedient sich für seine Geschichte und Figurenzeichnung ebenso bei zerrissenen Neo-Noir-Charakteren, meist gebrochene Existenzen, wie er im Gegenzug das desolate Gesellschaftsbild des gegenwärtigen Chinas aufgreift. Die Kamera führt den Betrachter immer wieder durch heruntergekommene Wohngegenden, trostlose Gassen oder vereinsamte Schauplätze, in denen Schmutz, Resignation und Hoffnungslosigkeit regieren. Im harten Kontrast hierzu sind viele Szenen oftmals von markanten Neonlichtern durchflutet, die dem jeweiligen Moment Wärme, Energie oder so etwas wie einen Puls verleihen. [...] Yinan erzählt fortan auf zwiegespaltene Weise von einem Menschen, der nur durch eine neue Frau in seinem Leben, also durch Liebe, neue Lebenskraft schöpfen kann, während in ihm der Drang nach Vollendung brennt, wonach er den ungelösten Fall, die Laster seiner Vergangenheit, die ihn bis heute verfolgen, ein für alle mal bezwingen möchte. Die verzwickte Situation, stilistisch zwischen zärtlicher Arthouse-Poesie und lupenreinem Genre-Film umgesetzt, verdichtet sich immer wieder in großartig inszenierten Spannungssequenzen, die durch lange Einstellungen glänzen und die Intensität kontinuierlich steigern. [...]

            18
            • 6 .5

              Eigentlich ist Michael nur ein gewöhnlicher Rumtreiber, der auf der Suche nach einem Job ist. Als er in einer Bar in Red Rock landet, handelt sich der hitzköpfige Texaner, der keinesfalls auf den Mund gefallen ist, einen Auftrag ein, den er sich so wohl nicht erhofft hatte. Er soll die Frau des Barbesitzers gegen Bezahlung ermorden.
              Regisseur John Dahl hat mit "Red Rock West" einen schwülen Texas-Noir gedreht, in dem er rasante Entwicklungen, pfiffige Überraschungen und clevere Handlungsstrukturen gegen eine verdichtete Atmosphäre, trockenen Humor und vor allem markante Figuren eintauscht.
              Nicolas Cage als obercooler Haudegen, Dennis Hopper als wieder einmal psychopathischer Killer oder Lara Flynn Boyle in der Rolle der geheimnisvollen Schönheit sind willkommene, charismatische Noir-Archetypen, die sich in der geradlinig-unkomplizierten Handlung tummeln und den wenig innovativen Plot um tödliche Verwechslungen, hinterlistige Intrigen, harte Kerle und schräge Vögel stimmig aufpeppen.
              Einen Originalitätspreis gewinnt John Dahl mit seinem Film also sicherlich nicht, doch "Red Rock West" unterhält kurzweilig aufgrund der flirrenden Texas-Aufnahmen, den launigen Darstellern und einer schnörkellosen wie direkten Geschichte, die atmosphärisch dicht inszeniert wurde.

              8
              • 7
                über Zardoz

                [...] Das grundsätzliche Konzept dieser doch mehr als ungewöhnlichen Dystopie klingt nicht nur reichlich abgefahren, sondern wird von Boorman mit äußerstem Größenwahn zu wahnwitzigem Leben erweckt. Der Regisseur schildert die Reise eines kriegerischen Auserwählten, der das göttliche System in Frage stellt und durch eine List in das Reich der Oberschicht gelangt, wo ihn unglaubliche Szenarien erwarten. "Zardoz" ist dabei ambitioniert und völlig durchgeknallt zugleich, mit zahlreichen Ideen des Regisseurs durchsetzt und extrem unentschieden, welche erzählerische und vor allem tonale Richtung eingeschlagen und beibehalten werden soll. Boorman schneidet zeitweise scharfe Zivilisationskritik und philosophisches Gedankengut an, wühlt sich mitunter durch eine haarsträubend esoterische Hippie-Mentalität und taucht immer wieder tief in psychedelische Phantasmagorien ein, die beispielsweise dem Verstand eines Alejandro Jodorowsky ("El Topo") entsprungen sein könnten. Der Stil schwankt zwischen einem unglaublich kreativen Produktionsdesign und trashig überzogenen Albernheiten, sodass eine Reaktion zwischen erstaunter Bewunderung und unfreiwillig komischer Lächerlichkeit keine Seltenheit ist. [...] Größenwahnsinniger Fehlschlag, faszinierende Endzeit-Vision oder mutige, experimentelle Science-Fiction-Extravaganz? "Zardoz" verweigert sich eindeutigen Zuordnungen, spaltet die Meinungen bis heute und hat ebenso viele Bewunderer wie Hasser. Regisseur John Boorman hat seinen Film mit derart vielen Ansätzen, Ideen und gestalterischen Elementen vollgestopft, dass am Ende eine Explosion des psychedelischen, abgedrehten Irrsinns entstanden ist. Das wirkt manchmal unentschlossen und nicht konsequent zu Ende gedacht, ist aber einzigartig, faszinierend und abgefahren genug, um in jedem Fall für höchste Aufmerksamkeit zu sorgen. Positiv wie negativ natürlich. [...]

                16
                • 7
                  über Life

                  Anton Corbijn hat mit "Life" einen spürbar persönlichen Film gedreht. Auch wenn das Drehbuch von Luke Davies geschrieben wurde, ist die zentrale Thematik der Fotografie so auffällig mit der Vergangenheit von Corbijn verknüpft, dass die Parallelen kaum zu übersehen sind.
                  Im Kern erzählt "Life" allerdings die wahre Geschichte von zwei Künstlern nach, die sich beide sehr ähnlich sind und daher schnell eine freundschaftliche Beziehung zueinander entwickeln. Dennis Stock, ein introvertierter und unsicher wirkender Fotograf strebt mit seinen Bildern den großen Erfolg an. Auf einer Party trifft er den jungen Schauspieler James Dean, der ebenfalls sehr öffentlichkeitsscheu und in sich gekehrt wirkt, aber eine unglaubliche Präsenz ausstrahlt. Stock wittert in ihm das Potential für ein durchschlagendes Foto-Essay.
                  Corbijn beleuchtet die Beziehung zwischen diesen beiden Menschen auf die für ihn gewohnte Weise, mit wundervoll eingefangenen Aufnahmen und getragen von einem fluffig-schwungvollen Jazz-Score. Die Filme des Regisseurs waren bislang immer sehr speziell und "Life" ist da keine Ausnahme. An ausufernden Handlungen oder klassischen Spannungsbögen war Corbijn noch nie interessiert, viel mehr geht es ihm stets darum, gewisse Stimmungen, einzelne Emotionen oder markante Momentaufnahmen in seinen virtuosen Bildern einzufangen. Das Gefühl von Verlorenheit, Überforderung und einer bestimmten Ziellosigkeit bringt der Regisseur dabei in beiden Hauptfiguren immer wieder zum Vorschein und beschert sowohl Stock wie auch Dean gelegentlich kleine große Momente, in denen entscheidende Hintergründe oder Charakterzüge zum Vorschein gelangen.
                  In erster Linie ist "Life" aber vor allem unwiderstehliches Schauspielkino. Robert Pattinson mag zwar immer noch nicht zu den größten Darstellern gehören, doch trotz seiner gelegentlich blass wirkenden Art sucht er sich in letzter Zeit glücklicherweise immer die perfekt passenden Rollen. Er verleiht seinem Dennis Stock eine unterkühlte, fast schon zerrissene Art, die den stillen Fotografen nichtsdestotrotz sympathisch wirken lässt. Geradezu phänomenal ist Dan DeHaan, der optisch zwar nicht vollkommen wie James Dean aussieht, sich dessen Mimik und Gestik aber fantastisch angeeignet hat und ein unglaubliches Charisma entwickelt.
                  In den fast zwei Stunden von "Life" passiert vordergründig nicht allzu viel. Anton Corbijn hat mit seinem Biopic ein Künstlerportrait geschaffen, das einerseits von der wunderschönen Ästhetik lebt, andererseits durch die beiden perfekt gewählten Hauptdarsteller emotional sehr stimmig ist. Wer hingegen an konkreten Handlungssträngen, tiefgehenden Auseinandersetzungen oder eindeutigen Aussagen interessiert ist, könnte etwas enttäuscht sein. "Life" verfolgt den flüchtigen Moment, genauso wie ein geschossenes Foto kommen und gehen die wertvollen Augenblicke hier im Sekundentakt, wirken dadurch aber noch stärker und dürften jeden, der das Gefühl von Ziellosigkeit und das zweifelnde Infragestellen momentaner Zustände kennt, persönlich berühren.

                  12
                  • 5 .5

                    Wer bei Regie-Chamäleon Takashi Miike stets den puren Exzess erwartet, wird nicht allzu oft enttäuscht. Miike hat allerdings auch schon oft bewiesen, dass er eine ruhige, in sich gekehrte Seite der Inszenierung beherrscht, in der sich die Spannung ganz langsam aufbaut und schließlich umso intensiver entlädt. Wer "Ôdishon", ein Prachtstück des Regisseurs, gesehen hat, wird das mit Sicherheit bestätigen können.
                    "Kuime" schlägt von der Machart her ebenfalls diese Richtung ein, in der sich Miike zunächst mit einem zurückgenommenen Rhythmus durch die vertrackte Geschichte bewegt. Im Fokus der Handlung befindet sich ein Theaterstück, das immer wieder geprobt wird. Miike nutzt seine Erfahrungen als Theaterregisseur und konzentriert sich über die gesamten ersten zwei Drittel tatsächlich lediglich darauf, die Proben dieses Stücks zu inszenieren und recht unauffällig merkwürdige Parallelen zwischen der Handlung des Theaterstücks und dem realen Leben einiger mitwirkender Darsteller zu spinnen, die wenig überraschend durch ein gemeinsames Verhältnis verbunden sind.
                    So richtig in Schwung kommt "Kuime" dabei trotz der gewohnt stilsicheren Optik von Miike selten und wer mit der Vorlage des Theaterstücks, welche im japanischen Raum weit verbreitet und allgemein bekannt ist, nicht sehr vertraut ist, könnte hier durchaus ab und an den Überblick verlieren.
                    Wer Miike allerdings kennt, kann sich schon ungefähr denken, worauf das Ganze hinauslaufen wird. So bricht die letzte halbe Stunde radikal mit dem vorangegangenen Erzählrhythmus, kippt in Gewaltexzesse, die den Blick auf das Geschehen manchmal schwer auf die Probe stellen, wirklich gänsehauterregende Gruselmomente aufgrund der kribbelnden und verstörenden Musikuntermalung sowie eine surreale Vermischung von Realität und Fiktion, die immer wieder für ungläubige Verwirrung sorgt. Oder eben: Ein atmosphärisch starker Miike in Reinform, der nach dem holprigen Verlauf endlich in die Spur zu finden scheint.
                    Sobald der Abspann erscheint, bleibt trotzdem ein etwas unbefriedigtes Gefühl zurück. Zu sehr wie Schablonen wirkten die Figuren, denen man sich kaum annähern konnte, zu unausgegoren war die erste Stunde des Films und fast schon zu berechenbar waren die vertrauten Motive und Stilbrüche des gewohnt provokativen Regie-Extremisten. In der finalen halben Stunde fährt Miike durchaus starke Geschütze auf und legt sich auf der Zielgeraden nochmal ordentlich ins Zeug, aber letztlich bleibt er mit "Kuime" weit hinter seinen besten Werken zurück und beschert lediglich oberes Mittelmaß mit einigen angenehm grotesken und somit immerhin denkwürdigen Ausreißern.

                    12
                    • 8

                      [...] Bereits frühzeitig distanziert sich "Der Dialog" von gewöhnlichen Thrillern, verzichtet fast durchgängig auf große Knalleffekte oder plötzliche Entwicklungen und verschreibt sich einem sehr langsam inszenierten, sorgfältig ausgebreiteten Psychogramm seiner höchst sensitiven Hauptfigur. Der anfangs porträtierte Kontrollzwang und Ordnungswahn, den Caul mit äußerster Sorgfalt praktiziert, lässt sich recht einfach als Verhalten erkennen, welches das Resultat vorangegangener Ereignisse oder Erlebnisse sein muss. Innere Spannung und subtile Anziehung generiert der Regisseur hier im Zusammenspiel mit dem wahnsinnig konzentrierten Spiel von Hauptdarsteller Gene Hackman durch das Ergründen der Seelenwelt von Caul, der nach und nach weitere Facetten seiner Persönlichkeit offenbart, Beweggründe preisgibt und dabei aufgrund seines aktuellen Auftrags, bei dem er glaubt, in ein Mordkomplott geraten zu sein, immer tiefer in einen wahren Strudel aus Paranoia, Schuldgefühlen und psychischer Belastung versinkt. Für Caul ist ein Leben außerhalb seiner eigens errichteten Überwachungswelt kaum mehr möglich, zu tief ist bereits die Angst in ihm verankert, ebenfalls ein kleiner Teil einer übergeordneten Verschwörung zu sein. "Der Dialog" entpuppt sich hierbei vor allem auf der tonalen Ebene als kunstvoller Triumph, denn selten hat ein Film so präzise, intensiv und aufmerksamkeitsfordernd mit Geräuschen, Tönen, wirren Stimmgefügen und verdichteten Sound-Schnipseln jongliert, wie dieser. [...] Gerade wenn man meint, Coppola führe seinen Film konsequent bis zum Schluss auf dieser ruhigen Charakterdrama- sowie Psychothriller-Ebene, spitzt der Regisseur die Situation zum Ende hin nochmal drastisch zu, erreicht beinahe Qualitäten eines verstrickten Hitchcock-Werks und überrascht mit einem ebenso schockierenden wie deprimierenden Finale, in dem der tragische Käfig, den sich die Hauptfigur Stück für Stück selbst errichtet hat, keinen Ausweg mehr zulässt. [...]

                      16
                      • 4

                        "The Forbidden Room" von Regisseur Guy Maddin ist wieder einmal eines dieser Beispiele, die sehr drastisch veranschaulichen, wie anstrengend, wirr und unzusammenhängend ein Film sein kann.
                        Formal mag Maddin, der hier mit Evan Johnson als Co-Regisseur agiert hat, sicherlich ein außergewöhnlicher Film geglückt sein, der stilistisch mit nichts zu vergleichen ist, was man in den letzten Jahren zu sehen bekommen hat. Das Werk fühlt sich allgemein wie ein schlimmer Acid-Trip an, in dem skurrile Stummfilm-Klassiker und Vertreter der frühen Tonfilm-Ära durch einen Mixer gejagt, mit extremen Stilmitteln und Farbfiltern verfremdet wurden und fragmentarisch sowie unvermittelt auf den Betrachter einstürzen.
                        Kohärenz sucht man dabei von Beginn an vergebens und der Film folgt viel mehr dem Prinzip, Kurzgeschichten aneinander zu reihen, sämtliche Handlungsebenen willkürlich zu verschachteln und von einem Szenario zum nächsten zu springen.
                        Trotz eines regelrechten Staraufgebots bewirkt Maddin allerdings schnell eine absolute Reizüberflutung beim Zuschauer, der aufgrund der sprunghaften, willkürlichen und dramaturgisch nie wirklich stimmigen Erzählfetzen sowie elliptischen Anekdoten schnell an die Grenze seiner Geduld gelangen wird.
                        Die unterschiedlichen, teils interessanten und wirklich kreativen Denkansätze, Genres, Stimmungen und Einfälle hätten in einem Kurzfilm wahrscheinlich eindrucksvoll gewirkt, doch als Spielfilm von unglaublich zähen 120 Minuten Länge hat der Streifen sein ungewöhnliches Konzept bereits vor der Hälfte voll ausgeschöpft, dreht sich redundant um die eigene Achse und beginnt bald, äußerst beliebig, austauschbar und belanglos zu verwässern.
                        "The Forbidden Room" ist daher ein Film, der die Gemüter seines Publikums garantiert radikal spalten wird. Während die einen in ihm ein wagemutiges, kreatives Experiment von unglaublicher Wirkung erkennen werden, dürften die anderen frühzeitig mehr als genervt sein von diesem anstrengenden, willkürlich montierten Kunstfilm-Brocken, der außer einer mehr als ungewöhnlichen Optik und unzähligen kaum zu Ende gedachten oder grob angerissenen Einfällen wenig zu bieten hat.

                        16
                        • 7 .5

                          Jeder, der Filme liebt, kennt ihn mit Sicherheit und ist garantiert wiederholt auf seine Kritiken gestoßen.
                          Robert Ebert war einer der weltweit bekanntesten sowie beliebtesten Filmkritiker und seine Leidenschaft gegenüber dem Medium, sein unaufhörlicher Arbeitsdrang und seine persönliche Ausdrucksweise haben der Filmkritik einen Status als eigene Kunstform verliehen und dafür gesorgt, dass sie von der breiten Masse wertgeschätzt wird.
                          "Life Itself" ist ein Nachruf für Ebert, porträtiert dessen Leben und Schaffen weitestgehend chronologisch und zeigt einen Menschen, der seine Arbeit bis zum letzten Tag geliebt hat. Die Dokumentation ist an manchen Stellen allerdings auch wehmütig und schwer mit anzusehen, wenn Eberts Kampf gegen den Krebs gezeigt wird, seine letzten Wochen und was für schreckliche Folgen die Krankheit an ihm anrichtete.
                          Doch selbst, nachdem ihm der Krebs den Unterkiefer und somit die Fähigkeit zu sprechen nahm, verstummte er nicht, sondern teilte seine Meinung über Filme und das Leben an sich weiterhin in Textform mit.
                          "Life Itself" ist somit eine mal erheiternde, mal zutiefst bedrückende aber insgesamt eine sehr optimistische und lebensbejahende Dokumentation, die einer wahren Legende unter den Filmkritikern eine letzte Würdigung erweist.

                          11
                          • 8

                            [...] Im Fahrwasser typischer Vertreter wie"American Pie", "Girls United", "Party Animals –wilder geht´s nicht" oder "Road Trip - Heißer Trip nach Texas" kann ein Film wie "Die Regeln des Spiels – Rules of Attraction" leicht falsch aufgefasst werden. An der Oberfläche lässt sich ein weiteres 08/15-College-Filmchen erkennen, in dem Sex, verträumte Liebeleien und heftige Partys mit übermäßigem Drogenkonsum die Hauptrolle spielen. [...] Hier lauert unter der gut getarnten Fassade ein ebenso zynischer wie entlarvender Blick auf eine Jugendkultur, die aus lauter Langeweile, banalen Luxusproblemchen und egozentrischen Manieren beginnt, sich selbst oder den jeweils anderen tief ins Verderben zu reißen. Bedeutungslose Techtelmechtel, stumpfer Sex und sinnloser Drogenkonsum führen bei den grundlos überforderten bis ziellosen Studenten zu innerer Leere, unverstandenen Gefühlen, drastischen Missverständnissen bis hin zu richtigem Schmerz und potentieller Suizidgefährdung. Avary inszeniert diese sehr sprunghaft angeordneten und perspektivisch wild durcheinander wechselnden Erzählfetzen als audiovisuelles Feuerwerk, bei dem der Regisseur von zahlreichen Stilmitteln Gebrauch macht. Der Prolog ist beispielsweise eine rauschhafte Party-Montage, in der das Geschehen mehrfach zurückgespult wird, um die Handlung immer wieder aus der anderen Sichtweise einer neuen Person zu zeigen, was direkt als Einführung der wichtigsten Hauptfiguren dient. Desweiteren gibt es Split-Screens, um Realität und Wunschvorstellung im selben Bild gegenüberzustellen oder radikale Zeitraffer, bei denen der Kopf des Betrachters beinahe zu explodieren droht aufgrund der Flut an visuellen Informationen und stakkatoartig abgefeuertem Voice-over. [...]

                            16
                            • 6

                              [...] "Kill Your Friends" entwickelt vor allem in den ersten zwei Dritteln eine durchaus sogartige Wirkung, denn Harris peitscht seinen Film mit extremen Schnittfolgen, rasenden Entwicklungen und einem bunten Sound-Mix aus nervös-pulsierendem Original-Score und abwechslungsreicher 90er-Hits-Nostalgie gnadenlos voran, sodass das Werk zum atemlosen Ritt verkommt. Das ist auch bitter nötig, denn inhaltlich tritt der Streifen recht stark auf der Stelle, hat wenige wirklich überraschende Wendungen zu bieten und begnügt sich mit der eigenen Ästhetik sowie einer direkt zu Beginn entworfenen, zynischen Blickweise auf das verdorbene Musik-Business. Wirklich neu dürfte die Kernaussage des Films für den Zuschauer allerdings nicht sein, denn jeder müsste eigentlich wissen, dass hinter milliardenschweren Industrien selten innovative Faktoren oder der individuelle Wert des Künstlers steht, sondern in erster Linie reine Profitgier und egozentrische Denkweisen. "Kill Your Friends" steht und fällt neben der kurzweilig-rasanten Inszenierung, die für sich genommen bereits Geschmackssache ist, eindeutig mit dem Hauptdarsteller. Nicholas Hoult, der einem größeren Publikum mittlerweile durch seine Nebenrolle in George Millers "Mad Max: Fury Road" bekannt sein dürfte, spielt seine grundsätzlich verachtenswerte Figur mit dem nötigen Charisma und der schwarzhumorigen Boshaftigkeit, so dass es ihm trotz mehr als offensichtlicher Parallelen zu Patrick Bateman aus "American Psycho" gelingt, den Zuschauer trotz der einseitigen, wenig innovativen Handlung bei Laune zu halten. [...]

                              10
                              • 7 .5

                                Philip Kadelbach stellt mit seinem Thriller "Auf kurze Distanz" den Gegenbeweis zur These auf, dass deutsche, für das öffentlich-rechtliche Fernsehen produzierte Filme nach dem immer gleichen Schema ablaufen und auf Nummer sicher auf die Sehgewohnheiten eines Zielpublikums gemünzt werden, das keinerlei Abweichungen der vertrauten Normen wünscht.
                                Kadelbachs Film ist ein packender Einblick in die Undercover-Arbeit eines Polizisten, dem der eigene Fall bereits relativ frühzeitig über den Kopf wächst, da er beginnt, große Sympathien zu einer der Zielpersonen zu entwickeln. Klaus Roth, den Tom Schilling mit einer hinreißenden Mischung aus abgehalfterter Nervosität und unsicherem Charme spielt, wird als Durchschnittstyp eingeführt, der auf den ersten Blick so gar nicht wie ein typischer Polizist wirkt und dem das Leben offensichtlich übel mitgespielt hat.
                                Da verwundert es nicht, dass er sich mit Luka, dem Neffen des Anführers einer serbischen Wettmafia, schnell anfreundet, denn auch der ist der klassische Außenseiter, der sich das Vertrauen der Familie hart verdienen muss, aber aufgrund seines fast schon zierlichen Auftretens nicht in diese kriminelle Welt passen mag.
                                Der aufreibende und unheimlich aufsaugende Kern von "Auf kurze Distanz" ist die Dynamik zwischen Klaus und Luka, welche der nicht gerade außergewöhnlichen Geschichte, bestehend aus vertrauten Elementen zahlreicher Undercover-Thriller, einen emotionalen Zugang verschafft.
                                Wenn Luka Vater wird und Klaus plötzlich zum Paten seines neugeborenen Sohnes erklärt, da dieser längst dessen Vertrauen für sich gewinnen konnte, entsteht für beide ein Gefühl von Familie, Zusammenhalt und Angehörigkeit, das sich der jeweils andere schon immer gewünscht hat.
                                Trotzdem verliert der Film seine zentrale Thematik nie aus den Augen. Bereits nach kurzer Zeit wird die erste Nase gebrochen, Mordpläne gegen Konkurrenten geschmiedet und vor allem die Schlinge um den Hals des unsicheren Polizisten immer fester zugezogen, denn Klaus zerbricht zunehmend an seiner falschen Identität, in der ihm das Leben trotz seiner ernsten Lage Momente des Glücks beschert, die er in seinem alten Leben nicht kannte.
                                Kadelbach und seine Drehbuchautoren führen ihr Werk mit niederschmetternder Konsequenz, holen den überforderten Undercover-Polizisten immer wieder hart auf den Boden der Tatsachen zurück und beenden den Film schließlich mit einem furiosen Paukenschlag, der noch lange nachhallt.
                                Souverän inszeniertes und großartig gespieltes deutsches Genre-Kino, das man sich in dieser Form sehr gerne viel öfter auf dem Sendeplatz der sonst so wohligen, unspektakulären bis abgrundtief schlechten Alternativen wünscht.

                                11
                                • 8
                                  über Kids

                                  Den ganzen Tag nur Sex, Sex, Sex, kiffen, Party, rumhängen und verantwortungslos von einem flüchtigen Moment zum nächsten treiben.
                                  Regisseur Larry Clark und Drehbuchautor Harmony Korine haben mit "Kids" ein Denkmal geschaffen, das ganz der Jugendkultur der frühen 90er Jahre in New York gewidmet ist und den Alltag perspektivloser, unbekümmerter und verrohter Teenager zeichnet. Dabei ist weniger eine zusammenhängende Geschichte entstanden als viel mehr lose Eindrücke, dokumentarisch inszenierte Momentaufnahmen, die sich nach und nach zu einem immer deprimierenderen und erschütternden Porträt verdichten.
                                  Manche mögen das "Elendstourismus" oder "Sozialpornographie" nennen, doch diese unzureichenden Bezeichnungen wirken wie reflexartige Schutzmechanismen, mit denen man den Blick vom wahren Leben abwendet, das hier so unglaublich authentisch und erschreckend genau abgebildet wird.
                                  Die Sprache der Jugendlichen ist ungeschönt und vulgär, das Verhalten unüberlegt, naiv und oftmals sogar unverantwortlich, doch man merkt in jeder Szene, dass Regisseur und Drehbuchautor ihr Milieu und die darin lebenden Figuren exakt kennen, ganz sicher mit genau den gleichen Menschen in ihrem Umfeld aufgewachsen sind und nun mal wissen, wovon sie hier erzählen.
                                  "Kids" strotzt nur so vor roher Kraft und ist ein eindringliches Statement, das die immer stärker ins Verderben abgleitende Jugend mit der harten Realität kollidieren lässt, in der AIDS schlagartig als unaufhaltsame Welle in der Gesellschaft einschlägt und Orientierungslosigkeit sowie unbekümmertes Handeln zu Isolation, Trauer und noch mehr Leid führen. Faszinierend und frustrierend zugleich und auch nach über 20 Jahren immer noch so relevant und eindringlich wie eh und je.

                                  18
                                  • 4

                                    [...] Dabei verfolgt "Chatroom" zunächst ein interessantes Konzept, bei dem die virtuelle Kommunikation in Chaträumen aus den digitalen Welten in reale Settings gefiltert wird und in echten Räumen stattfindet, bei denen die einzelnen Protagonisten offen miteinander interagieren, obwohl sie in Wirklichkeit keinerlei Informationen über Aussehen oder Charakter des jeweils anderen besitzen. Diese visuelle Spielerei nutzt Nakata für ein paar recht gelungene Einfälle, bei denen er die kunterbunte Optik der einzelnen Räume stets der extrem auffällig inszenierten Alltagstristesse des realen Londons gegenüberstellt. Abgesehen davon ist bei "Chatroom" inhaltlich allerdings nicht viel los, denn genutzt wird dieses potentiell vielversprechende Setting lediglich für eine überaus flache Geschichte, in der sich ein frustrierter, psychisch labiler Teenager an seinem Umfeld rächen will, indem er seine Chat-Partner gegeneinander ausspielt, hinterhältige Intrigen schmiedet und manipulatives Verhalten an den Tag legt. Der Film wirkt in seinen schlimmsten Momenten tatsächlich so, als sei das Internet die furchtbarste Erfindung überhaupt, eine Plattform, auf der sich beinahe ausschließlich geschädigte Individuen, krankhafte Hobby-Psychopathen und verzweifelte Existenzen rumtreiben und im Kern wird die Botschaft vermittelt, sich von diesem virtuellen Ort gefälligst möglichst weit entfernt zu halten. [...]

                                    9
                                    • 4

                                      [...] Die Handlung ist wenig überraschend bloßes Mittel zum Zweck, um die chaotische Reise in kleine sketch-artige Einzelszenen aufzuteilen. "Dirty Grandpa" ist nicht weniger als eine Aneinanderreihung derber Wortgefechte, wüster Beschimpfungen und schamloser Zoten, in denen vom Niveau her ausnahmslos unter die Gürtellinie gefeuert wird. Geschätzt jeder zweite Dialog dreht sich um Sex, Geschlechtsteile oder diskriminierende Beleidigungen, während exzessiver Alkohol- und Drogenkonsum, ausgelassene Partys, heftige Abstürze und schräge Intermezzi an der Tagesordnung stehen. Wer mit dem typischen Humor der Apatow-Schmiede vertraut ist, hat schon ein ziemlich genaues Bild, was hier auf einen zukommt und in welche Richtung es geht. Auf explizite Fäkal-Einlagen wird zum Glück weitestgehend verzichtet, doch das stark einseitige und somit vorhersehbare Gag-Schema wird auf Dauer recht schnell repetitiv und viele Witze verpuffen. [...] Was letztlich aber am meisten enttäuscht, ist die Inkonsequenz, mit der der Film gegen Ende massiv einbüßt. Wenn man sich nach außen hin so niveaulos, brachial und bisweilen anarchisch gibt, sollte man diesen Ton auch bis zum Schluss aufrecht erhalten. "Dirty Grandpa" rutscht im letzten Drittel aber ärgerlicherweise in äußerst gefühlige Regionen ab, zielt im Kern auf eine klischeebehaftete, seichte Liebesgeschichte und führt zusätzlich in ein schleimiges Wohlfühl-Finale, in dem sich so ziemlich jeder dann doch noch lieb haben muss. Das wirkt verlogen, verträgt sich überhaupt nicht mit dem vorangegangen Vulgär-Exzess und macht dem Film in seiner Wirkung gehörig einen Strich durch die Rechnung. [...]

                                      9
                                      • 7

                                        Adam MacDonalds Regie-Debüt "Backcountry" wurde hierzulande lediglich als DtV-Veröffentlichung ausgewertet, ein regulärer Kinostart blieb dem Werk verwehrt.
                                        Zu Unrecht, denn dieses fiese Stück Survival-Horror offenbart ungemein effektive Qualitäten, die den Streifen durchgängig atmosphärisch aufsaugend, stellenweise gar unerträglich machen. MacDonald lässt sich viel Zeit, bietet dem Zuschauer mehr als ausreichend Gelegenheit, einen Draht zu den beiden Hauptfiguren aufzubauen und erweist sich inszenatorisch als klares Talent, wenn es darum geht, unheilvoll Stimmung zu erzeugen.
                                        "Backcountry" spielt genüsslich mit Sehgewohnheiten und Erwartungshaltungen, legt über sämtliche Szenen einen Schleier der ungewissen Bedrohung, ohne das definitive Grauen vorschnell konkret und sichtbar zu verorten und schlägt nach zwei sehr dicht gestalteten Dritteln umso überraschender zu.
                                        Unbarmherziger, härter und erschütternder hat ein Survival-Film schon länger nicht mehr auf die Nerven seiner Zuschauerschaft eingeprügelt und wenn es im Finale schließlich um das nackte Überleben geht, wird dieser letzte Akt fast schon zu kurz, aber dafür sehr knackig, intensiv und kompakt umgesetzt.
                                        Ein mehr als vielversprechendes Debüt des Kanadiers, das neugierig darauf macht, was dieser Regisseur noch an potentiellen Terror-Knüppeln oder behutsam errichteten Nägelkauern in petto hat.

                                        13
                                        • 7 .5

                                          [...] Ein Konzept, ebenso unverantwortlich und größenwahnsinnig wie visionär, was dazu führt, dass die Produktionsbedingungen des Films untrennbar mit dem Seherlebnis verbunden sind. Und das ist ein ganz besonderes, denn "Roar –Die Löwen sind los" ist nichts anderes als pures Überwältigungskino, das einen aufgrund der bahnbrechenden Aufnahmen von Anfang an gefangen nimmt und bis zum Ende kaum los lässt. Kameramann Jan De Bont ("Speed") hat mit speziellen Drehtechniken und unter Einsatz seines Lebens unvergessliche Bilder geschaffen, die wie nie zuvor und auch nie danach den unterlegenen Menschen in Interaktion mit unkontrollierbaren Tieren zeigen. Dabei ist die eigentliche Handlung des Films ein vergessenswertes Nichts, das mit plumpen Dialogen versehen ist und bis auf Tippi Hedren ("Die Vögel"), die damalige Ehefrau des Regisseurs, mit Laiendarstellern besetzt wurde, darunter die Söhne von Marshall. Diese Faktoren fallen allerdings so gut wie nie störend auf, denn die meiste Zeit über kann man sich kaum sattsehen an den Einstellungen, in denen die Figuren vor den überschwänglichen, kaum zu bremsenden Wildtieren in Sicherheit flüchten und sich stellenweise ein packendes Katz- und Mausspiel zwischen Mensch und Natur entfaltet, das zusätzlich mit passend eingesetzter Musik in Form von Bongos oder Percussion unterlegt wurde und dadurch einen fieberhaften Rhythmus entwickelt. [...] Selbst 35 Jahre nach erstmaligem Erscheinen hat "Roar – Die Löwen sind los" nichts an erfrischender, staunenswerter Intensität eingebüßt. Der einzige Film von Noel Marshall ist handlungstechnisch und schauspielerisch zwar nicht der Rede wert, hat dafür aber Bilder im Gepäck, die eine unvergleichliche Atmosphäre kreieren und sicherlich auch noch weitere 35 Jahre und länger für große Augen sorgen werden. [...]

                                          13
                                          • 8

                                            Im letzten Teil von "Lone Wolf & Cub" ist der Blick auf das Wesentliche gerichtet und wird in keiner Szene durch unnötige Nebenhandlungsstränge gestört.
                                            "Blutiger Schnee" wird seinem deutschen Titel zwar erst im Finale gerecht, ist aber auch schon zuvor eine Rückbesinnung auf die großen Stärken der Reihe, besticht mit fantastischen Setpieces, atemberaubenden Choreographien und einem zentralen Konflikt, bei dem die Hauptfigur gegen die letzten mobilisierten Kräfte von Erzfeind Retsudo Yagyu ankämpfen muss.
                                            Besonders die Tsuchigumo-Krieger, welche aufgrund ihrer psychologisch zermürbenden Kampftechnik eine ungemein schaurige Präsenz besitzen und dem Werk bisweilen eine wirklich gruselige Atmosphäre hinzufügen, erweisen sich als wahre Bereicherung.
                                            Nach einer herausragenden Massenschlacht im Finale, bei dem sich der Schnee ganz gemäß dem Titel rot färbt und dutzende Feinde ihr Leben lassen müssen, endet dieser Abschluss allerdings offen. Fortsetzungen wurden nie gedreht und so bleibt ein unvollständiger, nicht geschlossener Eindruck, der wiederum zum unangepassten Ton der gesamten Reihe passt.

                                            10
                                            • 7

                                              Entgegen der bisher relativ schlicht gehaltenen Geschichten der "Lone Wolf & Cub" - Reihe startet der vorletzte Teil der Saga ungewohnt verspielt und führt nach und nach in immer komplexere Verstrickungen.
                                              Wie ein Puzzle entfaltet sich die Handlung, bei der Hauptfigur Itto Ogami diesmal fünf verschiedene Herausforderer bezwingen muss, die ihm jeweils einen Teil der benötigten Informationen und der ihm zustehenden Vergütung weitergeben.
                                              Der fünfte Teil entpuppt sich ziemlich rasch als bislang erbarmungslosester und härtester Eintrag, bei dem vor allem auch vor Kindern nicht zurückgeschreckt wird.
                                              Der Weg des Blutes, den Hauptfigur Itto Ogami beschreitet, nimmt hier zum ersten Mal moralisch erschütternde Ausmaße an, denn sein neuester Auftragsmord beinhaltet das Ziel, eine Familie mitsamt kleiner Tochter zu töten.
                                              Auch Ogamis Sohn muss lernen, was es bedeutet, sich in dieser Welt als Mann zu behaupten und sieht sich brutalen Peitschenhieben ausgesetzt, um eine Diebin auf den rechten Weg zu weisen.
                                              Die Geschichte selbst wird zwar zum Ende hin etwas unverständlich, sofern keine umfassenden Kenntnisse über damalige Machtstrukturen und politische Verhältnisse vorliegen, doch die bittere Konsequenz und gnadenlose Eindringlichkeit, mit der dieser Teil beschließt, spricht eine klare Sprache und dürfte jedem mehr als nur plausibel einleuchten.

                                              8
                                              • Die Nominierungen für "Fantastic 4" sind natürlich lächerlich, hätte man genauso gut (oder noch passender) mit "Avengers: Age of Ultron" ersetzen können.

                                                9
                                                • 23
                                                  • 7

                                                    Bislang waren die Gegner von Hauptfigur Itto Ogami mehr oder weniger beinahe vollständig ohne Profil, stellten für den übermächtigen Samurai kaum eine ernsthafte Bedrohung dar und wurden in den glorreich inszenierten Schwertkämpfen eher gesichtslos verheizt.
                                                    Im vierten Teil der Reihe ändert sich das nun, denn erstmals sieht sich Ogami mit zwei Kontrahenten konfrontiert, die innerhalb des Films ungewohnt viel Hintergrundinformationen erhalten. Zum einen die tätowierte Killerin Oyuki, die ganz ähnlich wie Ogami selbst aus völlig persönlichen Motivationen handelt und tötet, zum anderen ein Klan-Mitglied, das aus der Vergangenheit noch eine Rechnung mit dem wutentbrannten Samurai offen hat.
                                                    Regisseur Buichi Saito erzählt die Handlungsstränge dieser beiden Figuren stellenweise etwas ungelenk, mit ausufernden Rückblenden und einem unausgewogenen Verhältnis, worunter die Dramaturgie des Films manchmal leidet.
                                                    Trotzdem findet die Erzählung zu ihren einzelnen Höhepunkten, beendet so manches Figurenschicksal überaus tragisch und läuft nach einem Showdown, der verfrüht wirkt, am Ende nochmal zur absoluten Höchstform auf.
                                                    In einem fulminanten Finale, in dem Ogami sichtlich in Schwierigkeiten gerät und dadurch zum ersten Mal seine eigenen Grenzen aufgezeigt bekommt, schwingt sich die Reihe dramatisch in neue Höhen und endet in einem atemlosen Gemetzel, das schweißtreibend, blutüberströmt und erschöpft zum resigniert wirkenden Abschluss findet.

                                                    8