Patrick Reinbott - Kommentare
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Alle Kommentare von Patrick Reinbott
Farbenfroh durchkomponierte Bilder, der eingängige Score, High-School-Kids, ein kreatives Hobby, das darin besteht, europäische Filmklassiker selbstironisch nachzudrehen und ein an Leukämie erkranktes Mädchen.
"Me and Earl and the Dying Girl" ist der typische Sundance-Indie-Film, der meist genau weiß, welche Knöpfe gedrückt werden müssen, um dem Zuschauer die passenden Emotionen zu entlocken. Irgendwie aber auch nicht, denn er enthält einige Elemente, die durchaus überraschen und mit denen man bei dieser Sorte Film nicht wirklich gerechnet hätte.
Die Hauptfigur zum Beispiel, die mit den herzensguten, liebenswürdigen Jungs aus gängigen Indie-Streifen wenig zu tun hat. Greg ist ein egoistischer, fast schon soziopathischer Typ, der sich wenig um andere schert und dabei noch nicht einmal sich selbst wirklich ausstehen kann. Für einige mag dieser Charakter ein unausstehlicher Unsympath sein, doch solche Menschen gibt es eben und warum also nicht auch als Identifikationsfigur in diesem Film?
Ebenso interessant wie ungewöhnlich ist Earl, ein ruppiger, wortkarger Junge aus dem Ghetto, der so etwas wie Gregs bester Freund ist, von ihm aber lediglich als "Co-Worker" bezeichnet wird. Das gemeinsame Hobby der beiden nutzt Regisseur Alfonso Gomez-Rejon für cinephile Referenzen und verspielte Einstellungen, wodurch er oft humorvoll davon ablenkt, dass es in diesem Film eigentlich um die tödliche Krebserkrankung eines Mädchens geht, mit dem sich Greg wiederum eher widerwillig und nur auf Anraten seiner Mutter einlässt.
"Me and Earl and the Dying Girl" wirkt in den besten Momenten beinahe wie ein augenzwinkerndes Jonglieren mit altbackenen Indie-Klischees, die das Drehbuch von Jesse Andrews aufgreift, bedient und verdreht und die von Gomez-Rejon mit einigen visuellen Kniffen gewürzt werden. Die emotionale Komponente der Leukämie-Erkrankung, die den möglichen Tod von Rachel keineswegs so stark in den Mittelpunkt rückt, wie es sich theoretisch angeboten hätte, umrahmt die Geschichte passend, ohne zu aufdringlich und manipulativ zu wirken.
Gegen Ende vergreift sich der Film zwar etwas im Ton, wenn das Finale arg zuckersüß versöhnlich ausfällt, aber beim emotional ergreifenden Höhepunkt, unterlegt von Brian Enos "The Big Ship", dürfte es so ziemlich jedem Zuschauer zumindest etwas das Herz zerreißen.
Selbst 40 Jahre nach seinem Erscheinen ist Nicolas Roegs "The Man Who Fell to Earth" ein Film von zeitlos irritierender Kraft, der auf seine ganz eigene Weise einzigartig und mit wenigen anderen Werken zu vergleichen ist und gleichermaßen fasziniert wie er den Betrachter gehörig vor den Kopf stößt.
Mit der Geschichte eines Alien, das auf der Erde landet, um Wasser für den Heimatplaneten zu sammeln und dabei mehr und mehr zum Opfer des menschlichen Daseins versklavt wird, ging Roeg wie von ihm gewohnt keine Kompromisse ein. Der Regisseur schuf mit diesem Film eine eigenartige Kombination aus Avantgarde, Science-Fiction, Drama, Satire und schrägen Zeitgeist-Elementen, bei denen besonders die freizügigen Sex-Szenen herausstechen. Dabei wirkt die Handlung von "The Man Who Fell to Earth" nie sonderlich fokussiert, sondern zerfasert in einzelne Erzählstränge. Zunächst wollen die jeweiligen Szenen einfach kein stimmiges Bild ergeben, was zusätzlich der Tatsache geschuldet ist, dass der experimentelle Schnitt des Regisseurs andauernd Fragezeichen aufwirft.
Roeg verfremdet Markenzeichen und Banalitäten des menschlichen Treibens zu einem Haufen surrealer Fragmente, die aus der Perspektive der außerirdischen Hauptfigur überfordern. Inmitten dieser Geschichte platziert Roeg einen David Bowie in der Hauptrolle, welcher aufgrund seiner unverwechselbaren Erscheinung und des künstlerischen Images ohnehin wirkt, als sei er nicht von dieser Welt. Eine treffendere Besetzung ist kaum vorstellbar.
So bewegt sich "The Man Who Fell to Earth" mal verwirrend, mal langgezogen, mal aufregend, aber immer interessant auf eine tragische Pointe zu, bei der sich Entmenschlichung, Verfremdung und Depression auf traurige Weise zusammenfügen.
Am Anfang gerät man fast schon ein wenig ins Schmunzeln, wenn man sich Richard Linklaters "Everybody Wants Some!!" ansieht. Der Film ist von der ersten Einstellung an eine einzige Ansammlung von 80er-Klischees und amerikanischen College-Bräuchen, die sich vor allem um all das drehen, was zwischen den Vorlesungen so passiert.
Drei Tage vor Beginn des Semesters ist Jake der typische Neuankömmling, auf den der lockere Studentenalltag wartet, der aus Alkohol, Partys, Kiffen und Sport besteht. Besonders viel Zeit verbringt er dabei mit gleichgesinnten Kumpels und zusammen geht es natürlich darum, Mädels flachzulegen, über dies und jenes zu schwafeln und dem Ernst des Lebens so gut es geht zu entkommen.
Umso ernüchternder ist die Erkenntnis, dass "Everbody Wants Some!!" über die reine Retro-Nostalgie und dem permanenten Versuch, gewisse Momente eines Lebensgefühls einzufangen, hinaus rein gar nichts zu bieten hat. Wer mit dem prolligen "Yeah, Bro, nice, Dude!"-Gehabe der unreifen Figuren wenig anfangen kann und sich nicht damit abfinden will, dass der Film lediglich aus schick gefilmter Oberflächlichkeit besteht, bei der außer lächerlichen Mode-Trends und schrägen Frisuren, einem Soundtrack bestehend aus Klassikern der damaligen Epoche und dem unentwegt maskulin-homoerotischen Verhalten der Figuren nichts passiert, für den dürften die knapp zwei Stunden Laufzeit früh zur nervlichen Belastungsprobe werden.
Linklater ist ein Profi darin, vergangene Erlebnisse, Gefühle und Erinnerungen detailverliebt zu neuem Leben zu erwecken. Die nicht vorhandene Geschichte, unsympathische Charaktere und ein fast ausschließlich einseitiges Rollenbild kann er dadurch aber nicht ausgleichen.
Erst ganz am Ende offenbart der Film ein paar Szenen, die erahnen lassen, dass mehr hinter den Figuren stecken könnte, als es zunächst den Anschein hat und endlich auch mal die weibliche Sichtweise miteinbezogen wird, die ansonsten überwiegend auf das Dasein als Lustobjekt reduziert wird.
Dann beginnt der erste Tag des Semesters. Zeit zu Schlafen. Und wieder zurück auf Anfang.
So sollte ein Erotik-Thriller im Hier und Jetzt sein. Der italienische Regisseur Luca Guadagnino überträgt das Original "La Piscine" als Remake in die Gegenwart und inszeniert ein flirrendes Spiel der stummen Eifersüchte, hitzigen Versuchungen und elegisch ausgedehnten Hahnenkämpfe.
Guadagnino legt die Handlung an der sonnigen Urlaubskulisse Pantelleria an. Auf der italienischen Insel ergibt sich der Regisseur vollständig der Ausstrahlung des Schauplatzes, an dem sich Marianne und Paul eine ruhige Auszeit gönnen wollen. Sie ist Rock-Musikerin, die nach einer Stimmband-Operation wenig bis gar nicht sprechen sollte, er ist im Filmgeschäft tätig, deutlich jünger als seine Freundin und eher verschlossen, außer im Bett. Die überraschende Ankunft einer alten Bekanntschaft kündigt bereits früh nahendes Unheil an, denn der kaum zu bändigende Harry hat nicht nur seine erst kürzlich gefundene, attraktive Tochter Penelope im Schlepptau, sondern pflegt eine besondere Verbindung zu Marianne und Paul.
"A Bigger Splash" überrascht in seiner ersten Hälfte vor allem dadurch, dass er nur sehr widerwillig erzählt, Figuren unkonkret und langsam aufeinander zu und wieder voneinander weg bewegt und alles einem eigentümlichen, entschleunigten Rhythmus unterordnet. Es wird getrunken, getanzt und gesungen, im edlen Ferienhaus und in lokalen Bars, während sich wohl geformte Körper am Pool entblößen und es zwangsläufig zu kurzen, intensiven Anflügen sexueller Spannungen zwischen den vier zentralen Charakteren kommt.
Guadagnino inszeniert sein Werk in erster Linie mit dem Können und der unbändigen Energie großer europäischer Regie-Schwergewichte. Ungewöhnliche Kamerafahrten, Schwenks, abrupte Schnitte sowie ungewöhnliche Szenenübergänge bestimmen den Filmen und sorgen so für eine Ansammlung knisternder Stimmungsbilder anstelle einer möglichst treibenden Handlung.
Tilda Swinton, Matthias Schoenaerts, Ralph Fiennes und Dakota Johnson sind jeder für sich so treffend wie nur möglich besetzt. Swinton agiert aufgrund der eingeschränkten Sprachfähigkeit mit unterkühlter Mimik und gelegentlich markanten Ausdrücken, Schoenaerts ist der knackige Schönling, hinter dessen Fassade ungeahnte Spannungen brodeln und Johnson das typisch reizvolle, zu junge Mädchen, das als geheimnisvolle Lolita immer einmal zu viel dort auftaucht, wo sie eigentlich gerade nichts zu suchen hat. Höhepunkt ist aber Fiennes, der als hyperaktiver Hitzkopf nie eine Pause einlegt und mit Wortkaskaden jede seiner Szenen dominiert.
Allgemein wird dieser Film von einer merklichen Körperlichkeit bestimmt, auch dann, wenn sich die Geschichte in der letzten halben Stunde zum konsequent bitteren Drama wandelt, in dem Mord, Krimi und Verzweiflung zu flirten beginnen. Der zeitgemäße Kontext, bei dem die momentane Flüchtlingsthematik eher aufgesetzt eingeflochten wird, wäre nicht unbedingt nötig gewesen, aber als erotischer Kampf der selbstbezogenen Persönlichkeiten vor malerisch-aufsaugender Kulisse ist "A Bigger Splash" ein stark inszenierter wie gespielter Film, der mit seinem eigenwilligen Erzählrhythmus und spärlichen, aber dafür treffsicher platzierten Höhepunkten auftrumpft.
[...] Der Film setzt sich hierbei mit einer speziellen Art der depressiven Trauerbewältigung auseinander, indem Davis nach und nach vor die quälenden Fragen gestellt wird, ob er seine Frau jemals wirklich geliebt hat, ob das Leben, das er bisher geführt hat, ansatzweise dem entspricht, was er sich vom Leben erhofft und ob er tief in sich überhaupt noch irgendwelche Gefühle verspürt. Im Vergleich zu seinen vorherigen Filmen "Dallas Buyers Club" und "Wild", die eher konventioneller inszeniert waren und eine glatte Handschrift trugen, welche nach typischem Oscar-Material aussah, versprüht "Demolition" eine wesentlich verspieltere Atmosphäre. Durch die experimentelle Montage, bei der Vallée durch die Zeit springt, Erinnerungen in aktuelle Szenen einfügt und einzelne Abschnitte völlig undurchschaubar anordnet, entsteht der Eindruck eines chaotischen Erzählstils, der sich dem verwirrten Charakter der Hauptfigur stimmig angleicht. Eine große Stärke des Films besteht darin, dass er sich dauerhaft eine gewisse Unvorhersehbarkeit bewahrt, die nie erahnen lässt, in welche Richtung sich die Geschichte als nächstes bewegen wird. Man kann "Demolition" als ironische Zuspitzung einer Lebenskrise betrachten, bei der die Hauptfigur auf eine offensiv destruktive Weise nach dem eigenen Ich gräbt, wobei Davis nicht bemerkt, was er mit seinem Umfeld anrichtet, während er sich ausschließlich um persönliche Probleme kümmert. Diesen Eindruck sabotiert das Drehbuch von Bryan Sipe im nächsten Moment aber wieder, wenn der Film dramaturgisch zunehmend episodenhaft zerfasert. [...] "Demolition" verliert den Fokus immer wieder aus den Augen, wirkt unentschlossen, wer nun mit wem interagieren soll und landet gegen Ende im erzählerischen Nirwana, wenn nicht mehr klar ist, auf was für eine Aussage der Film zwischen all den mal mehr, mal weniger eindeutigen Metaphern schlussendlich abzielt. Die quälende Unsicherheit in Gyllenhaals Augen, sein rätselhaftes Auftreten, das zwischen eingeschüchterter Nervosität, überheblicher Ignoranz und selbstsicherer Destruktion changiert, bleibt neben der phasenweise brillanten Montage auch nach diesem Streifen im Gedächtnis, aber was darüber hinaus? [...]
"Death Wish" war 1974 nicht nur eine regelrechte Blaupause für etliche Rache-Thriller, die auf dieses Werk folgen sollten, sondern ist bis heute ein äußerst diskussionswürdiger Film, dessen zentrale Aussage mehr als kontrovers aufgefasst werden kann.
Nach einem grauenvollen Überfall, bei dem seine Frau ermordet und die Tochter brutal vergewaltigt wird, bleibt der Architekt Paul Kersey paralysiert und desillusioniert zurück. Als Ausweg aus seinem tiefen Leid hilft ihm nur noch der langsame Abstieg in stumpfe Gewalt, weshalb er jeden, der ihm auch nur ansatzweise gefährlich wird, sofort erschießt.
Viel mehr Handlung gibt es in Michael Winners Film nicht, denn der Regisseur setzt auf spröde Geradlinigkeit, die zusammen mit der unzureichend reflektierten Selbstjustiz der Hauptfigur einen mehr als bitteren Nachgeschmack hinterlässt. "Death Wish" übt bisweilen scharfe Kritik an einem amerikanischen System, das längst nicht mehr dazu in der Lage ist, die hohe Kriminalitätsrate in Schach zu halten oder auch nur im Ansatz zu senken. Als Lösungsansatz für diese Problematik findet der Film hingegen lediglich monotone Gewalttaten, die sich mit weitestgehend überflüssigen Füllszenen abwechseln, in denen nach der Hauptfigur gefahndet wird und diese mit der Zeit den Status eines gefürchteten Serientäters verliehen bekommt.
Man könnte den Streifen als düstere Charakterstudie interpretieren, in der ein Mensch seelisch immer stärker zerfällt und aufgrund des unfähigen Polizeiapparats keine andere Möglichkeit findet, als sich mit radikalsten Mitteln zur Wehr zu setzen, doch für eine differenzierte Gesellschaftskritik reicht es am Ende nicht, dazu ist der Film zu offensichtlich vernarrt in sein plumpes, gewaltbereites Konzept.
Im Prinzip könnte man "Death Wish" als kontrovers angehauchtes B-Movie abhaken, wäre der Film nicht so hochwertig inszeniert. Die Einstellungen sind präzise durchkomponiert und strahlen eine beklemmende Atmosphäre aus, was sich am deutlichsten in der frühen Überfallszene bemerkbar macht, die eine ungemein schockierende Wirkung hinterlässt. Das kongenialste Element der Inszenierung ist aber ganz klar der Soundtrack von Herbie Hancock, der das Geschehen immer wieder in psychedelisch-unwirkliche Höhen befördert, was ein wenig dabei hilft, den stringenten Inhalt mitunter in überhöhte Fantasien zu verwandeln.
Als zynischer Selbstjustiz-Reißer hat der Streifen sicherlich seine Spuren in der Filmgeschichte hinterlassen, doch die Botschaft von "Death Wish" sollte weiterhin kritisch beäugt werden, denn die wenigen Ansätze handfester Gesellschaftskritik in diesem Film werden zu auffällig von der plumpen Machart übertrumpft.
[...] Mithilfe eines experimentierfreudigen Konzepts bricht er seine Geschichte auf ein minimalistisches Theater-Niveau runter, bei dem die wenigen Schauplätze durch die reduzierte Ausstattung an typische Sitcom-Settings erinnern. [...] Die typischen Lacher aus der Konserve bleiben hingegen aus, denn Horace and Pete ist ab der ersten Episode an ein tonnenschwerer Brocken, in dem nur ein paar wenige überaus schwarzhumorige Spitzen ein kleines Ventil bieten, um an einigen Stellen nicht völlig an die Belastungsgrenze des emotional Erträglichen getrieben zu werden. [...] C.K. scheut sich nicht davor, die ganz großen Tragödien anzugehen, indem er schwerwiegende Psychosen und körperlich drastische Krankheiten wie Krebs ebenso offenlegt wie Missbrauch, Gewalt, dunkle Geheimnisse, Rassismus und Homophobie. Das Herzstück der Serie sind sicherlich C.K. selbst und Steve Buscemi (Reservoir Dogs), die das ungleiche Brüderpaar auf eindringliche wie unwiderstehliche Weise verkörpern. Während Horace mit seiner wechselhaften Art aus stoischem Versager und liebenswürdigem Jedermann noch am ehesten Sympathien auf seine Seite zieht, besticht Buscemi als Pete mit einer beängstigend glaubwürdigen Darstellung eines psychisch Kranken, der sich stets voll und ganz der Tatsache bewusst ist, dass er dem absoluten Wahnsinn verfällt und zur unkontrollierbaren Gefahr wird, sollte er seine Medikamente nicht regelmäßig einnehmen. [...] Die Atmosphäre dieser Serie ist unangenehm beklemmend, denn ständig verschmelzen peinlich berührtes Schweigen, heftige Konflikte und wüste Beschimpfungen zeitweise schwer erträglich und geradezu deprimierend miteinander zu einer wahren Tragödie, die den Betrachter spätestens nach dem Finale wie betäubt zurücklässt. [...]
Puh, sieht das gut aus. Seit ich vor kurzem "Fish Tank" von Andrea Arnold gesehen habe, gibt es wenige Filme, auf die ich mich in diesem Jahr noch mehr freue als auf "American Honey"!
[...] Der Regisseur inszeniert seine beiden Hauptfiguren dabei als angehende Rockstars, die sich ihren ganz eigenen Traum von Sex, Drugs & Rock n´ Roll erfüllen. Auf mehreren Bühnen gleichzeitig versammeln sie verschiedene Musiker und Künstler, deren grundsätzlich unterschiedliche Spielarten zu einem sprudelnden Mix der Klänge verschmelzen, während im Backstage-Bereich Groupies vernascht werden und das Kokain durch die Nase ins Gehirn schießt. In den exzessivsten Szenen ist Café Belgica ein beispielloser Rausch von unglaublicher Energie, der das Adrenalin und die ständig ausgeschütteten Glücksgefühle der Hauptfiguren für den Betrachter spürbar werden lässt, was ganz klar an der wuchtigen Inszenierung liegt. Am beeindruckendsten ist der Soundtrack von Soulwax. Das belgische DJ-Duo hat exklusiv für den Film fiktive Bands kreiert, die von Indie-Rock über Electro bis hin zu Big-Band-Jazz-Extravaganzen sehr abwechslungsreiche Genres bedienen und die grandiose Party-Atmosphäre von einem Extrem zum nächsten peitschen. Da ist es fast ein wenig schade, dass sich hinter dem audiovisuellen Rausch, den dieser Film die meiste Zeit präsentiert, ein recht gewöhnliches Drama verbirgt. Nach dem taumelnden, betäubten Gefühl des ständigen Höhenflugs folgt logischerweise irgendwann der harte Aufprall, wobei die Ernüchterung bei beiden Brüdern erstmal für unterschiedliche Einsichten sorgt. Die Handlung jedenfalls folgt einer jederzeit klar ersichtlichen Rise-and-Fall-Dramaturgie, welche ohne wirkliche Überraschungen stringent von unten nach oben und letztlich wieder nach unten führt. [...]
Nachdem er sich mit seinem Low-Budget-Debüt "Absentia" als eines der aufregendsten Talente im Horror-Genre etablierte und seitdem einen stolzen Arbeitsrhythmus an den Tag legte, muss Mike Flanagan nach "Before I Wake" so langsam aufpassen, dass er bald nicht völlig in Vergessenheit gerät und nur noch generische Dutzendware von der Stange abdreht.
Sein mittlerweile vierter Spielfilm in fünf Jahren weist auffällige Abnutzungserscheinungen auf, was das Erzählen einer Geschichte und das Erzeugen einer wirklich gruseligen Atmosphäre betrifft. Zwei Faktoren, welche er in seinem Debüt noch virtuos verknüpfte und die hier nur noch wie ein warmer Aufguss längst bekannter Themen und Motive wirken. Einer simplen Kategorisierung entzieht sich der Regisseur erneut, denn "Before I Wake" ist kein gewöhnlicher Horrorfilm. Durch seine Figuren, in diesem Fall ein Ehepaar, das den gemeinsamen Sohn durch ein tragisches Unglück verloren hat, und ein kleiner Junge, dessen leibliche Mutter sehr früh verstorben ist, ergründet Flanagan ähnlich gelagerte Traumata, die im Gewand eines Mystery-Dramas aufeinanderprallen.
Mit einem fantasievollen Kniff, der etwas an Jennifer Kents jüngst von vielen gefeierten "The Babadook" erinnert, visualisiert der Regisseur tief liegende Ängste, unüberwindbaren Verlust und unausgesprochene Konflikte als reale Manifestationen. Hierdurch fallen ebenfalls wieder Parallelen zu Flanagans eigenem Werk "Absentia" auf, doch während der Regisseur hier noch auf gänsehauterzeugende Leerstellen und psychologischen Nervenkitzel setzte, löst er in "Before I Wake" fast jeden schaurigen Höhepunkt oder bizarren Schockmoment mit einem ohrenbetäubenden Jumpscare auf und zerstört so jegliche Form von dichter Atmosphäre umgehend.
Mit Jacob Tremblay, der einem breiten Publikum mittlerweile durch seine fantastische Leistung in "Room" bekannt sein sollte, hat der Streifen einen Jungdarsteller auf seiner Seite, der etwas unterfordert wirkt, während sich zwischen Kate Bosworth und Thomas Jane keine richtige Chemie entwickeln will. "Before I Wake" strebt nach nachhaltigen Emotionen, kann aber nur mit halb durchdachten Ideen aufwarten, während das inhaltliche Konstrukt aus Charakterdrama, Jumpscare-Horror und mysteriösen Fantasy-Elementen überwiegend farblos vor sich hin plätschert, um zu einer plumpen Auflösung zu gelangen, die dem potentiell mehrdeutigen Szenario schließlich auch den letzten Funken von Originalität raubt.
Nachdem Flanagan mit "Hush" zuletzt im Home-Invasion-Genre bewies, dass er abgegriffene Szenarien auf seine eigene Weise variieren und intensivieren kann, bleibt "Before I Wake" hoffentlich ein einmaliger Ausrutscher. Von den gewohnten Qualitäten des Regisseurs ist dieser Film weit entfernt und wirkt stattdessen wie ein uninspirierter Aufguss altbekannter Motive.
Für ihre schlagfertige Art, die sympathische Ausstrahlung und ein Gespür für guten Witz kann man Tina Fey durchaus bewundern. Mit ihrer bloßen Anwesenheit verhilft sie "Whiskey Tango Foxtrot" zu einem vielversprechenden Start, denn ihrer Rolle als frustrierte Journalistin, die den Kick in Afghanistan sucht, wo sie an der Front des Krieges berichten will, verleiht sie ein klares Profil, das neben den gewohnt lockeren Seiten auch mit ernsten Facetten besticht.
Der Film von Glenn Ficarra und John Requa führt zunächst geschickt hinters Licht, denn er lässt anfangs tatsächlich den Eindruck entstehen, dass man mit "Whiskey Tango Foxtrot" eine differenzierte, interessante und unkonventionelle Art von Kriegskomödie sieht, die das Berufsfeld der Kriegsreporter zufriedenstellend beleuchtet. Dem ist aber leider nicht so, denn die Handlung verläuft sich bald in redundanten Klischees, wobei die Kombination von Witz und schwerer Dramatik überhaupt nicht funktioniert.
Wenn Kim zum ersten Mal nach Afghanistan kommt, schildert die Handlung auf nachvollziehbare Weise das Wesen einer Frau, die von anfänglicher Unsicherheit hin zu feuchtfröhlichen Verlockungen gerät und schließlich vom Rausch des Krieges geradezu verführt wird, sobald Schüsse fliegen, der Knall von Bomben erklingt und Leben auf dem Spiel stehen. Auch wenn der Humor des ersten Drittels eher zum Schmunzeln einlädt anstatt richtige Lacher zu entlocken, kaschiert er recht gut, dass sich die Figuren in diesem Film als ziemlich oberflächliche Abziehbilder entpuppen. Vor allem bei der Darstellung der afghanischen Bevölkerung verlässt sich der Film zu sehr auf Stereotypen, während die Hauptfigur zunehmend oberflächlich von einem Gemütszustand zum nächsten gedrängt wird.
Da die Handlung auf einer Buchvorlage beruht, in der eine Journalistin von ihren realen Erlebnissen als Kriegsreporterin berichtet, ist es geradezu paradox, dass das Drehbuch die größte Schwäche des Films ist. Auch wenn man das Buch nicht gelesen hat, wird man leicht feststellen, dass für die filmische Adaption einiges verändert oder gekürzt wurde. Hier wird die Motivation von Kim Barker aus eher belanglosen Luxusproblemen kreiert, während ihr Aufenthalt in Afghanistan auf ständige Feiersequenzen, oberflächlich angerissene Probleme mit der eigenen Persönlichkeit, eine unpassende Romanze sowie nur schwer glaubwürdige Begegnungen und Aktionen reduziert wird.
Spätestens, wenn amerikanische Soldaten zu gefühlsduseliger Musikuntermalung eine Geisel befreien, indem sie das Versteck der Terroristen mit Granaten zerbomben und Kim am Ende eine unerträgliche Katharsis erfahren darf, wenn ihr ein Soldat, der seine Beine verloren hat, wofür sie sich verantwortlich fühlt, eine kitschige Absolution erteilt, sind auch die wenigen gelungenen Momente des Films endgültig unter Bedeutungslosigkeit, Redundanz, Oberflächlichkeit und ärgerlichen Klischees begraben worden.
Dem schauspielerisch erkennbaren Talent von Tina Fey und vor allem der echten Kim Barker wird "Whiskey Tango Foxtrot" keineswegs gerecht. Zu einem viel härteren Urteil kann man kaum kommen.
[...] Obwohl Popstar: Never Stop Never Stopping ganz offensichtlich als Parodie auf gängige Musik-Klischees und moderne Popkultur-Phänomene ausgelegt ist, wirkt der Film keineswegs zu überdreht und weltfremd. Wer früher regelmäßig MTV geschaut hat und sich in der heutigen Kultur von Internet-Memes, TMZ-Skandälchen, viralen Kurzzeit-Hits und Instant-Superstars, die eben noch in der Pubertät steckten, halbwegs zurechtfindet, entdeckt in dem Werk einen augenzwinkernden Spiegel, der den ganzen Celebrity-Rummel und das Abfeiern von glänzenden Oberflächen unser heutigen Zeit treffender einfängt als er ihn schrill durch den Fleischwolf dreht. Dass der Streifen blendend unterhält und gleichzeitig äußerst liebenswert erscheint, hat er dem komödiantischen Talent von "The Lonely Island" zu verdanken. Die Jungs haben nicht nur einige große Lacher im Gepäck, wenn sie beispielsweise mit der CMZ-Redaktion eine urkomische Alternative zum realen Vorbild TMZ präsentieren, sondern zeigen sich vor allem musikalisch mal wieder in absoluter Hochform. Die Songs des Trios sind neben ihrer textlichen Mischung aus Nonsense und satirischer Schärfe nämlich auch verdammt eingängig. So überrascht es nicht, dass sich Titel wie "I´m So Humble", "Equal Rights", "Finest Girl (Bin Laden Song)" oder "Mona Lisa" aufgrund ihrer Melodien und Hooks sofort im Gehörgang festsetzen. [...] Der nicht enden wollende Fluss aus flippigen Zitaten, schrillen Aktionen, Situationskomik, Wortwitzen und natürlich Seitenhieben gegen sowie Anspielungen an reale Vorbilder täuscht kurzweilig über die zweckmäßige Handlung hinweg, zumal der Film mit knapp 85 Minuten Laufzeit genau die richtige Länge hat. Und nach dem Film bleibt dann noch genügend Zeit, um sich auf Spotify direkt eine Playlist mit den besten Songs zu erstellen. [...]
In der ersten halben Stunde entpuppt sich "Beterang" zunächst als unberechenbarer, munter Haken schlagender Zappelphilipp, indem Regisseur Ryoo Seung-wan dem üblichen Schema koreanischer Thriller auf ebenso unterhaltsame wie irritierende Weise saftige Abweisungen erteilt.
Mit einem vergnügt temporeichen Stil, der überraschende Slapstick-Einlagen mit wohl dosierter und noch besser choreographierter Action vereint, führt der Regisseur in seine Geschichte ein, wobei sich der Zuschauer über sämtliche Figuren, Verbindungen und Zusammenhänge erstmal einen Überblick verschaffen muss, was bei dem ungestümen Mix der Stilistiken gar nicht so einfach ist. Schaut man sich nur das erste Drittel an, ist es durchaus verständlich, wieso "Beterang" in seiner Heimat der dritterfolgreichste koreanische Film aller Zeiten wurde.
Seung-wan kann und will dieses Niveau aber anscheinend nicht halten und begibt sich zunehmend in schleppende, enttäuschende Erzählgefilde. Die Geschichte des abgeschlagenen Cops, der sich im Alleingang gegen einen schier übermächtigen Widersacher behaupten muss und dabei zusätzlich mit Korruption auf hoher wirtschaftlicher Ebene sowie in den eigenen Reihen konfrontiert wird, ist im Genre des Cop-Crime-Thrillers gelinde ausgedrückt ein alter Hut, den sich dieser Film über den gesamten Mittelteil hinweg auf äußerst dröge Art aufsetzt.
Der Regisseur erzählt auf unnötig zerfaserte und ausgedehnte Weise von verschiedenen Parteien, deren eher unübersichtliche Handlungsstränge spät verknüpft werden, wirft einen satirischen Blick auf die schonungslose Führungsebene der kriminellen Großkonzerne und bestückt die angestrengt inszenierte Ermittlungsarbeit der Hauptfigur mit vereinzelten Szenen, die wahlweise bespaßen, verwirren oder unschön aus dem Rahmen fallen.
Ein Lichtblick in diesem Film der vergebenen Möglichkeiten ist Schauspieler Ah In Yoo als schleimig-unberechenbarer Antagonist, der viel mehr Screentime verdient hätte und mit seinen herrlich fiesen Aktionen zu oft zur Randfigur verkommt. Erst im Finale erhält der Streifen einen krachenden Showdown, der für den äußerst zähen Mittelteil zumindest ein wenig entschädigt, doch "Beterang" bleibt als Gesamtwerk enttäuschend, trotz der gelungenen ersten halben Stunde und einiger interessanter wie unterhaltsamer Einzelszenen.
[...] In zehn ungefähr halbstündigen Episoden, die sich äußerst angenehm wegschauen lassen und allesamt sehr flott mit schnellen Schnitten und einem hohen Pacing inszeniert wurden, darf der Zuschauer in die Welt der Football-Manege eintauchen, was in erster Linie bedeutet, teilzuhaben an eher seichten Luxusproblemen, extrem protzigen Partys, einem allgemein luxuriösen Lifestyle mit viel Geld, traumhaften Autos und noch traumhafteren Frauen an der Seite der Hauptfiguren. Ballers ist Eskapismus in seiner reinsten Form und nimmt mitunter schwindelerregende Höhen an, was die Ansammlung an oberflächlichen Hochglanz-Attraktionen betrifft. Alleine die dritte Folge, welche sich praktisch ausschließlich von einer Party-Szene zur nächsten hangelt, dürfte für viele der Punkt sein, an dem sie entweder genervt abschalten oder endgültig mit dem verlockend unterhaltsamen Konzept mitgehen. Dass die Serie so gut funktioniert, liegt zusätzlich an den überaus sympathischen Charakteren, mit denen man sich schnell anfreundet. Das größte Zugpferd von Ballers ist dabei ganz klar Dwayne "The Rock" Johnson (Pain & Gain), der als Finanzmanager und selbst ehemaliger Football-Star Spencer Strasmore mit seinem typischen Charme und dem wuchtigen Auftreten alle Szenen dominiert. Der Schauspieler zeigt hier wieder einmal, dass ihm selbstironische Komik ebenso liegt wie ernstere Zwischentöne, denn Spencer ist nicht nur ein netter Kerl, der seine Kunden am liebsten als enge Freunde betrachtet, sondern hat darüber hinaus mit eigenen Problemen zu kämpfen, die vor allem in seiner traumatischen Vergangenheit liegen, welche zum Ende seiner Football-Karriere führte. [...]
Nachdem er mit seiner Arbeit an "Iron Man 3" wohl erstmal satt war vom großen Blockbuster-Trubel, kehrt Shane Black mit "The Nice Guys" sowohl als Drehbuchautor und Regisseur zu dem zurück, was ihn in den 80ern einst groß machte.
Ein lässiger Tonfall, Figuren, die trotz ihrer offensichtlichen Makel stets Würde und Fassung wahren und dabei die Coolness in Person verkörpern, flotte Sprüche, knallige Action und ein vertrackter Krimi-Fall. Diese Zutaten, gepaart mit den richtigen Schauspielern und einem Händchen für stilvolle Atmosphäre, sind es, die zum Markenzeichen von Black wurden und das freche Genre der "Buddy-Cop-Comedy" auf ein unglaublich unterhaltsames wie charmantes Niveau hoben.
"The Nice Guys" ist wieder genau solch ein Film geworden, in dem im Los Angeles der 70er einiges los ist, nachdem Mordfälle in der Pornoindustrie und ein vermisstes Mädchen zwei sehr unterschiedliche Privatermittler eher unfreiwillig zusammenbringt.
Während Russell Crowe der Mann fürs Grobe ist, der lieber zuschlägt anstatt viele Fragen zu stellen, ist Ryan Gosling der flapsige Tollpatsch mit dem frechen Mundwerk. Zusammen entwickeln die beiden Schauspieler eine fast schon unwiderstehliche Chemie, so dass es eine wahre Freude ist, ihnen zuzusehen. Nicht zu unterschätzen ist außerdem die junge Angourie Rice, die als Tochter von Goslings Figur äußerst aufgeweckt, charmant und liebenswürdig auftritt, wodurch sie den großen Jungs ein ums andere Mal gehörig die Schau stiehlt.
Bei den Dialogen hält sich Black erwartungsgemäß kaum zurück und feuert praktisch alle paar Sekunden einen One-Liner auf sein Publikum, wartet mit einer Slapstick-Einlage auf oder lenkt den bisweilen etwas unübersichtlich geratenen Plot, der irgendwann gar nicht mal mehr so eine große Rolle spielt und am Ende von den Figuren selbst als überflüssig abgetan wird, in schnittig inszenierte Action-Sequenzen, in denen die Fetzen fliegen.
Der eigentliche Star in "The Nice Guys" ist allerdings die starke Atmosphäre, bei der Black die 70er ähnlich gelungen wiederauferstehen lässt wie beispielsweise Paul Thomas Anderson in "Boogie Nights" oder "Inherent Vice". Der Regisseur kreiert ein pulsierendes Los Angeles, in dem die Sonnenstrahlen tagsüber durch die Palmen scheinen und ständig ein Gefühl von unbekümmerter Leichtigkeit in der Luft liegt, während in der Nacht schillernde Porno-Partys gefeiert werden, auf denen zeitlose Klassiker zum Besten gegeben werden, zwielichtige Typen an jeder Ecke lauern können und die Stadt der Stars und Sternchen, mit all den vordergründigen Versprechen und der glamourösen Fassade, zum Ort der Attraktionen und gleichzeitig des Verderbens wird.
Bei den Gags schießt Black immer wieder übers Ziel hinaus, wenn manche Pointen wirkungslos verpuffen oder die seltsame Vorliebe des Regisseurs für Hitler-Witze unangenehm auffällt, doch "The Nice Guys" ist wie ein eisgekühlter Longdrink in Filmform, bei dem man unmöglich nicht gut gelaunt sein kann, wenn Gosling ständig mit Zigarrette im Mund einen Drink nach dem anderen kippt, als alleinerziehender Vater gleichzeitig um das Wohl seiner Tochter bemüht ist, während Crowe hinter der rauen Schale viel Sympathie aufblitzen lässt und beide zunehmend in einen Strudel aus Partys, Schusswechseln, Faustkämpfen, volltrunkenen Ausreißern, korrupten Enthüllungen und frustrierenden Ermittlungen abtauchen.
[...] Über die letzten Jahre hinweg hat sich Jeff Nichols zu einem der momentan interessantesten Regisseure entwickelt. Den einfachen Weg ging er dafür nie, denn seine Filme vereinen meistens verschiedene Genres und Stimmungen miteinander, die noch dazu auf den ersten Blick nicht immer einwandfrei zusammenpassen wollen. [...] Für "Midnight Special" hat der Regisseur seinen speziellen Stil nun vollständig auf die Spitze getrieben und das in seiner bisherigen Karriere wohl polarisierendste Werk geschaffen, bei dem es extrem schwer fällt, zu einem eindeutigen Urteil zu gelangen. [...] Nichols verfolgt mit seinem Ansatz ein höchst interessantes Konzept, das sich allerdings in gewisser Weise auch als frustrierend entpuppt. Der Regisseur will sich zu keinem Zeitpunkt für eine klare Linie entscheiden, streut Science-Fiction-Elemente in die Geschichte, nur um in der nächsten Szene nach den ganz großen Drama-Lorbeeren zu greifen, wenn er Thematiken wie familiären Zusammenhalt, unausweichliche Schicksale und moralische Zweifel in einen geerdeten, zurückhaltenden Rahmen bringen will. Als wäre das nicht schon ambitioniert genug, nimmt "Midnight Special" auch immer wieder Züge eines reinrassigen Thrillers an, in dem sich die Figuren zu einem wuchtig-mitreißenden Score in Verfolgungsjagden befinden oder konzentrierte Schusswechsel liefern. In seinen besten Momenten läuft der Film dadurch zu wahrer Höchstform auf und bietet eine Reihe von Einzelszenen, die schlichtweg überwältigend sind und die Grenze zum Konventionen sprengenden Meisterwerk sowie innovativen Genre-Hybrid immer wieder streifen. Leider beschränkt sich dieser Eindruck lediglich auf Einzelszenen, denn letztlich bleibt "Midnight Special" als Gesamtwerk seltsam ungreifbar, zerbricht regelmäßig an der Last, leise Dramatik mit überbordender Fantasie zu verbinden und irritiert mit Einschüben in Form des Nebenhandlungsstrangs der Regierungsaktivitäten, die sich in bloßen Spurensuchen und trockenen Theorien erschöpfen. [...] "Midnight Special" ist am Ende aber trotzdem nicht weniger als ein überaus interessantes Werk, das so faszinierend aus dem Ruder läuft wie schon lange kein Film mehr. Selbst in den schwächeren Momenten hält einen der Film nahe bei sich, während in den besten Momenten Potential eines brillanten Meisterwerks aufblitzt, das bedauerlicherweise nie vollständig entblättert wird. [...]
[...] Regisseur Guillaume Nicloux (Die Nonne) hat mit seinem Werk eine ambitionierte, nicht immer leicht zu erfassende Version eines Beziehungsdramas geschaffen, in das er Meta-Elemente genauso einbringt wie rätselhafte Mystery-Anleihen sowie Anflüge spiritueller Untertöne. Im Kern funktioniert der Film als ausgiebige Auseinandersetzung einer verflossenen Liebe, bei der beide Parteien Vergangenes Revue passieren lassen, sich mit der unausweichlichen Schuldfrage beschäftigen, ob sie am Tod ihres Kindes nicht womöglich mitverantwortlich sind und was sie mit der gemeinsamen Situation anfangen sollen, in der sie sich aktuell befinden. Nicloux ergründet das Verhältnis seiner Hauptfiguren mit ausführlichen Dialogsequenzen, die durch das Setting zusätzliche Intensität erhalten. Mitten in der Wüste, wo sich die Figuren einfinden, kochen die Emotionen schnell über, denn die allgegenwärtige, flirrende Hitze, durch die sich Depardieu beispielsweise dauerhaft verschwitzt und extrem schwerfällig bewegt, hat einen gewaltigen Einfluss auf das ehemalige Pärchen. Als durchaus kontrovers gestaltet sich schließlich das finale Drittel des Films, in dem Valley of Love – Tal der Liebe zunehmend mit übernatürlichen Vorfällen und surrealen Irritationen aufwartet. Die Art und Weise, wie Nicloux seine Geschichte zu einem recht eindeutigen Höhepunkt führt, welcher gleichermaßen bewegend wie verwirrend ist, dürfte bei vielen für Unverständnis sorgen. Gerade diese auffälligen Details und mitunter deplatziert wirkenden Ideen sind es aber letztlich, die dem Streifen eine schwer zu beschreibende Aura verleihen, die ihn von gewöhnlichen Dramen mit ähnlicher Thematik abhebt und bei Einsetzen des Abspanns zum Nachdenken anregt. [...]
[...] In Die Schlange im Regenbogen schickt Craven einen Anthropologen nach Haiti, wo dieser nach einem mysteriösen Pulver suchen soll, das angeblich Tote wieder auferstehen lässt, allerdings in Form zombieähnlicher Gestalten. Der Regisseur fackelt dabei nicht lange und stürzt den Betrachter bereits mit einem unheimlichen Vorspann, in dem ein Mann offenbar lebendig begraben wird, mitten in das mystische Geschehen. Das bemerkenswerte an diesem Film ist, dass er seine fiebrig-geheimnisvolle Atmosphäre von Anfang bis Ende aufrecht erhält. Zwischen bizarren Voodoo-Ritualen, möglicher schwarzer Magie und religiösen Symbolen erschafft sich Die Schlange im Regenbogen seine ganz eigene Mythologie, die zusätzliche Brisanz durch den Fakt erhält, dass hier einige Elemente auf wahren Begebenheiten beruhen sollen. Dadurch, dass Craven einerseits Bilder heraufbeschwört, die wirken, als seien sie aus den tiefsten Albträumen des Unterbewusstseins hervorgewühlt worden, diese aber als regelmäßige Einschübe in Form von unklaren Visionen oder möglicherweise unangenehmen Begleiterscheinungen eines üblen Drogentrips inszeniert, bleibt der Film weitestgehend mit der Realität verankert. In Verbindung mit den eindringlichen Percussion-Klängen, deren Rhythmus die intensiven Bilder hypnotisch begleitet, zelebriert der Regisseur mit diesem Film eine Grusel-Orgie, die wie ein luzider Traum erscheint, in dem die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Wahn zunehmend gefährlich miteinander verschmelzen. [...] Nachdem sich der Film vorher nie so recht in die Karten schauen ließ, Bedrohungen von außen und innen parallel zueinander stellte und der Zuschauer eigene Vermutungen anstellen durfte, während er in die wirklich furchterregenden Impressionen abtauchen konnte, entzaubern die letzten gut 15 Minuten das Szenario. Dem Bösen wird eine klare Gestalt verliehen, Motive werden aufgetischt und ein linearer Verlauf, der sich immer stärker in übernatürlich versponnene Gefilde begibt, macht den vorher so schön unbestimmten Eindruck etwas zu berechenbar. Wenn sich plötzlich Skorpione in Hälsen manifestieren, rücksichtslos Enthauptungen durchgeführt werden oder mit der Hauptfigur ein Bogen hin zur ominösen Anfangssequenz gespannt wird, ist Die Schlange im Regenbogen immer noch äußerst effektiver Horror, der Wahnsinn und Schrecken regelrecht zelebriert, im Schlussakt den starken Eindruck der ersten zwei Drittel jedoch nicht ganz aufrechterhalten kann. [...]
Der Titel "Happiness" könnte kaum ironischer gewählt sein, denn in diesem Film ist es ausgerechnet jenes Gefühl, das entweder komplett abwesend ist oder von sämtlichen Figuren mit schierer Verzweiflung angestrebt wird.
Todd Solondz hat mit seiner polarisierenden Groteske ein unkonventionelles Porträt menschlicher Einzelschicksale geschaffen, das sich irgendwo zwischen der Verbindungen knüpfenden, fast schon poetischen Qualität eines "Magnolia" und den extremen Abgründen sowie Tabubrüchen der Werke des Kino-Grenzgängers John Waters einordnen lässt.
Der Regisseur schreckt zu keinem Zeitpunkt davor zurück, extreme Themen wie Pädophilie und Missbrauch anzuschneiden, doch Solondz blickt nie mit Abscheu, Demut und verurteilendem Voyeurismus auf seine gescheiterten, zerrissenen oder geplagten Figuren. Auch wenn "Happiness" zur Speerspitze dessen zählt, was dem Publikum in einer amerikanischen Produktion in den letzten 20 Jahren vor allem psychisch zugemutet wurde, offenbart der Film gerade in seiner schonungslosen Art und Weise eine entwaffnende Ehrlichkeit, durch die der innerste Kern seiner Charaktere freigelegt wird.
Durch Bilder, welche die malerische Vorstadt-Idylle und typisch amerikanische Familien-Mentalität regelmäßig bissig durchbrechen, Musik, die mit ihren lässigen Jazz-Kompositionen und süßlichen Soap-Melodien an kitschige TV-Sendungen in den Vorabendprogrammen aus den späten 80ern oder frühen 90ern erinnern sowie großartig geschliffene Dialoge, von denen man gefühlt jeden dritten nach der Sichtung dieses Werks entweder ironisch oder völlig ernst gemeint zitieren möchte, kommen nach und nach wunderbar gezeichnete Persönlichkeiten zum Vorschein. Mit ihrer offenen Art, die in episodenhaften Szenen Schmerz, Trauer, Lügen, Geständnisse, Verlangen, Laster und Sünden hervorbringt, stellt dieses Figurenensemble den willkommenen, perfekten Gegenentwurf zu den sonst so glattgebügelten, problemfreien und letztendlich falschen Figuren dar, mit denen zahlreiche Wohlfühl-Produktionen, Mainstream-Komödien oder beschönigend oberflächliche Dramen überflutet werden.
Todd Solondz geht in seinem Werk aufs Ganze, dringt zwischen Abscheu, Extremen und Tabus zum wahren Kern des Menschseins vor und zeigt zwischen absurden Situationen, heiklen Zuspitzungen und mitunter schockierenden Vorfällen, was es bedeutet, am Leben zu sein.
Das aufregendste an "10 Cloverfield Lane" war die mysteriöse Geheimhaltung im Voraus, die das Projekt umgab. Niemand wusste so genau, was sich hinter dem Film überhaupt verbirgt. Der Titel weist recht offensichtlich auf eine Verbindung zu "Cloverfield" von 2008 hin, an dem das Marketing-Ass J.J. Abrams ebenso als Produzent beteiligt war wie hier.
Trotzdem sollte man sich gerade von dieser Erwartungshaltung befreien, dass einem mit diesem Werk eine Art Sequel oder Prequel zu "Cloverfield" geboten wird. "10 Cloverfield Lane", welcher eine ereignisreiche Vorgeschichte aufweist, bei der das Drehbuch lange Zeit unter einem anderen Titel unberührt in einer Schublade lag, ist viel mehr ein bedrohliches Kammerspiel, das seine beklemmenden Räumlichkeiten zu einem Labyrinth der Ungewissheit verdichtet, in dem sich stetige Anspannung, rapide Stimmungswechsel und behutsam verschobene Sympathiefaktoren miteinander abwechseln.
Ob Michelle, eine junge Frau, die sich nach einem anfänglichen Autounfall eingesperrt in einem Bunker wiederfindet, tatsächlich einem irren Entführer ausgesetzt ist oder ob der wuchtige Howard viel mehr ein Retter in der Not ist, der sie vor einer unbekannten Gefahr außerhalb der abgesperrten Türen und verriegelten Fenster beschützen möchte, ist der ausschlaggebende Faktor des Zwiespalts, dem sich die Hauptfigur ebenso wie der Zuschauer stellen muss. Neben der Leistung von Mary Elizabeth Winstead, die ihrer Figur eine glaubwürdige Ausstrahlung mitsamt nachvollziehbarer Verhaltensweisen verleiht, ist es vor allem die unvergleichlich imposante Wirkungskraft von John Goodman, durch die dieser Film ein mitreißendes Gewicht erhält.
Regisseur Dan Trachtenberg erweist sich in seinem Langfilmdebüt als effizienter Spannungs-Dirigent, der in jedem Winkel des eingeschränkten Settings neue visuelle Perspektiven der Verunsicherung und Paranoia seiner Protagonistin auslotet, während die orchestral stark anschwellende Musik von Bear McCreary den bebenden Spannungsteppich bildet, der immer dann regelrechte Panik erzeugt, sobald die Musik auch mal völlig aussetzt. Und dann ist da eben noch Goodman, dessen Charakter hier einem menschlichen Fragezeichen entspricht, das sich ständig zwischen gröhlender Psychose und sanfter Warmherzigkeit bewegt. Durch ihn findet "10 Cloverfield Lane" immer wieder zu Szenen, in denen einem förmlich das Herz in die Hose rutscht.
Nur das Finale, das hätte so nicht sein müssen. Es wirkt nachträglich angefügt, wie ein panischer Fremdkörper, der den subtilen Schrecken der vorherigen Ereignisse gegen sichtbaren Terror tauscht und mit einem lärmenden Szenario abschließt, das eher Verwunderung denn Absolution hinterlässt.
[...] Großartige Gedanken machen sie sich nicht, als die beiden FBI-Agenten Ray und Jess, eigentlich bei der Anti-Terror-Einheit angestellt, zu ihrem neuesten Tatort aufbrechen. Doch die Reaktion von Ray, der sich als erster der Mülltonne nähert, in welcher das Opfer rücksichtslos wie Abfall einfach weggeworfen wurde, spricht sofort Bände. Um Luft ringend und wie in eine Schockstarre verfallen läuft er zu seiner Partnerin zurück, um ihr zähneknirschend die grauenvolle Entdeckung mitzuteilen. Die junge Frau, die vergewaltigt und ermordet wurde, ist die Tochter von Jess. Vor ihren Augen, ein US-amerikanisches Remake des argentinischen Films In ihren Augen, beginnt ungemein stark, indem er seinen zentralen Mordfall frühzeitig ganz eng mit den entscheidenden Hauptfiguren verzahnt. [...] Viel spielt sich in diesem Film auf den Gesichtern oder besser in den Augen der Protagonisten ab und es ist dem starken Hauptdarsteller-Trio zu verdanken, dass der nicht-chronologische, sprunghafte Erzählmotor das Werk nicht vollends ins Stottern bringt. Der verbissene Eifer von Chiwetel Ejiofor (Salt), die Trauer sowie verbrauchte Resignation von Julia Roberts (Pretty Woman) sowie der wie eigentlich in jedem Film mit ihr zerbrechlich wirkende Ausdruck von Nicole Kidman (Dogville), deren Antlitz auch im höheren Alter paradoxerweise immer mehr einer Porzellanpuppe gleicht, verschmelzen zu intensiven Gefühlswelten, die den Betrachter viel stärker in einen Strudel der überschäumenden Emotionen und zweifelhaften moralischen Entscheidungen ziehen als die eigentliche Handlung, die damit beschäftigt ist, Allgemeinschauplätze des Genres wie die unermüdliche Ermittlungsarbeit abzugrasen. Am Ende ist der Film womöglich etwas zu sehr darauf bedacht, überraschende Enthüllungen zu präsentieren anstatt Charaktere und einzelne Handlungsstränge befriedigend auszuarbeiten, doch als Zuschauer ertappt man sich letztlich dabei, dass man den Weg dahin durchaus gefesselt sowie in die persönlichen Schicksale involviert mitverfolgt hat. [...]
Wie der Vater, so der Sohn? Könnte man bei Brandon Cronenbergs Filmdebüt "Antiviral" zunächst glatt meinen. Ähnlich wie sein Vater David beschäftigt sich der Sohn hier ebenfalls mit Themen, in denen es darum geht, dass sich Körper im bekannten Body-Horror-Muster verändern, Lust und Begierde sowie abgründige Obsessionen zu einer Symbiose des bizarren Wahnsinns verschwimmen und hinter einer skurrilen Vision markante Gesellschaftskritik verborgen liegt.
Cronenberg entwirft ein makabres Zukunftsszenario, in dem sich Menschen Viren der Erkrankungen ihrer bevorzugten Promi-Vorbilder injizieren lassen, womit der Regisseur die krankhafte Celebrity-Besessenheit einer abgestumpften Fankultur absurd überspitzt. Den vielen Ansätzen und bemerkenswerten Details, die Cronenberg im ersten Drittel seiner durchaus beklemmenden Geschichte bietet, hat er allerdings nach der ersten halben Stunde nur noch wenig bemerkenswertes entgegenzusetzen, wenn sich der Plot zu einem banalen Verschwörungs-Thriller wandelt. Das könnte auch an Hauptdarsteller Caleb Landry Jones liegen, der mit seiner kreidebleichen, oftmals regungslosen Art wie ein schlaffer Vampir wirkt, der stoisch von einer Situation in die nächste gerät, ohne beim Betrachter jemals so etwas wie Mitgefühl zu erzeugen. Was bedauerlicherweise auch für den Film als Gesamtwerk gilt.
"Antiviral" sieht in jeder Szene kleinlichst genau durchdacht aus, doch dadurch, dass jedes Bild eine klinisch-sterile Atmosphäre ausstrahlt, die jegliche Form von Wärme, Zugänglichkeit und Empathie aus den formstrengen Einstellungen saugt, dringen die mitunter albtraumhaften Impressionen und beängstigenden Ideen nie unter die Haut des Betrachters. Da kann der Score noch so bedrohlich dröhnen und dürfen vereinzelte Einschübe von Gewalt und Ekel hereinbrechen.
Wo es bei David Cronenberg stets auf der Haut kribbelt, sich ein leichter Juckreiz breit macht oder eine wohlige Gänsehaut durch den ganzen Körper strömt, bleibt bei Brandon Cronenberg lediglich das Gefühl von kühler Ernüchterung, gelungenen Ansätzen und verschenktem Potential zurück.
[...] Für all diejenigen, denen das traditionelle Feiern im großen Kreis der Familie regelmäßig wie eine Zusammenkunft des Terrors erscheint, in der sich freundlich angelächelt, über sämtliche Belanglosigkeiten geplaudert oder Nichtigkeiten echauffiert wird, während man sich selbst wie ein hilfloser Fremdkörper vorkommt, der zu den meisten Themen lieber gar nichts sagt, ist Das Fest von Thomas Vinterberg (Die Jagd) gemacht worden. [...] Es ist aber auch alles andere als eine gewöhnliche Geburtstagsfeier, für die der 60 Jahre alt gewordene Hotel-Patriarch Helge die eigene Verwandtschaft zusammenruft. Wie die anderen Geburtstagsfeiern die Jahre zuvor verlaufen sind, lässt sich nur mutmaßen, doch diesmal kommt alles ein wenig anders. Kleinere Streitigkeiten zu Beginn, wenn einer der Söhne mit der Ehefrau in ein wüstes Schreigelage ausbricht, weil diese spezielle Schuhe nicht eingepackt hat, sind erste Vorboten einer wüsten Eskalation, bei der die bislang so wohl behütete Fassade der gutbürgerlichen, wohl situierten Familie in Scherben zerbricht. Eigentlich sollte Christian, ebenfalls einer von Helges Söhnen, vor versammelter Gästeschar nur eine ehrenvolle Rede für den Vater halten, doch der Sohn nutzt die Gunst der Stunde, um sich ein quälendes Geheimnis aus der Jugend von der Seele zu reden. Fast schon beiläufig erwähnt Christian, dass er und seine Schwester, die noch dazu nicht allzu lange vor dieser Feier Selbstmord beging, vom Vater missbraucht wurden. Ein scheußlicher Paukenschlag, der nicht der letzte an diesem Abend bleiben soll. Vinterberg lotet die Abgründe hinter dem viel zu oft falsch verstandenen Mythos des heiligen Bunds der Familie aus, blickt auf einen egoistischen, heuchlerischen Haufen aus Leuten, die den Seelenstriptease eines verzweifelten Menschen mit peinlich berührter Ignoranz kommentieren und viel lieber auf die schön platzierten Speisen auf ihren Tellern starren oder die Oma dazu animieren, einen fröhlichen Song anzustimmen. Zwischen widerlichem Stammtisch-Rassismus, totgeschwiegenen Untaten und der verzweifelten Bemühung, den schönen Schein aufrechtzuerhalten, offenbart Das Fest eine zeitlos schöne Grausamkeit, die sich auf ewig in den Kopf des Betrachters einbrennt und mithilfe des unentwegten Aufeinanderstapelns von schockierenden Offenbarungen, wütend stimmenden Verhaltensweisen und sprachlos machenden, unmittelbaren Reaktionen ein Gefühl von Ohnmacht, Beklemmung und Unwohlsein hervorruft. [...]
[...] Nachdem er sich mit seiner Regiearbeit As I Lay Dying schon einmal an eine Verfilmung von William Faulkners Literatur gewagt hat, liefert Franco nun mit The Sound and the Fury sein bislang vielleicht ambitioniertestes Werk ab. [...] Franco hat sich mit dieser Verfilmung daher von vornherein keine einfache Aufgabe ausgesucht und kämpft sich mit einer surreal-hypnotisch gewählten Inszenierung durch das sperrige Handlungsgeflecht. Unterteilt in drei Kapitel widmet sich der Film den drei erwachsenen Brüdern der Compsons, die allesamt von seelischen Qualen, körperlichen Lastern oder verdorbenen Wesenszügen vereint werden. Im ersten Akt geht es um den geistig zurückgebliebenen Benjy, wie er die Welt wahrnimmt und vor allem wie seine Verwandten und Freunde mit ihm umgehen. In diesem Auftakt nimmt The Sound and the Fury direkt experimentellste Ausmaße an, wenn einzelne Szenen und Eindrücke mit mystisch-sphärischen Klängen unterlegt und zu assoziativen Montagen im Stil eines Terrence Malick (The Tree of Life) verknüpft werden. Ebenso radikal und polarisierend ist das Schauspiel von Franco, der persönlich in die Rolle von Benjy schlüpft und den geistig Behinderten extrem überzogen, aber trotzdem nicht minder eindringlich darstellt. Überhaupt wird in diesem ersten Akt der atmosphärische Grundstein für die nachfolgenden Kapitel gelegt, denn bereits hier legt sich früh ein äußerst düsterer Schleier über das Geschehen, wenn Benjy von seinem Umfeld missverstanden wird, was von Missachtung bis hin zum seelischen wie körperlichen Missbrauch führt und in einem tragischen Höhepunkt eskaliert. In den nachfolgenden Kapiteln schlägt Franco als Regisseur zwar etwas konventionellere Töne an, was die Inszenierung betrifft, doch die angestoßenen Themen bleiben drastisch, provokant und deprimierend. Der schlechte Einfluss des alkoholkranken Vaters, der als zynischer Misanthrop aus dem Leben schied, ein nahezu inzestuöses Verlangen zwischen Bruder und Schwester, Suizidgedanken, Egoismus und purer Menschenhass sind nur einige der Motive, die dem Zuschauer in bitteren Impressionen dargeboten werden. Am Ende bleibt der Eindruck, dass trotz des teilweise recht schwer verfolgbaren Handlungsverlaufs das Bild einer Familiendynastie entstanden ist, die den schlimmsten Albträumen entsprungen zu sein scheint und die beinahe ohne jegliche Hoffnungen dem Untergang geweiht ist. Womöglich nicht einmal die schlimmste Perspektive für sie. [...]
Eines muss man Andrzej Zulawski lassen. Die Filme des polnischen Regisseurs waren immer eine einzigartige, mitunter sogar unvergessliche Erfahrung, weshalb er völlig nachvollziehbar von vielen Arthouse-Fans verehrt wurde. Durch seinen Tod im Februar 2016 hinterlässt Zulawski zweifelsohne eine Lücke im Sektor der experimentellen, extremen und zutiefst speziellen Filmerfahrungen. So ist "Cosmos", sein erster Spielfilm seit 15 Jahren, auch gleichzeitig ein Abschiedswerk geworden.
Der Streifen handelt grob geschildert von zwei jungen Männern, die in einem skurrilen Gasthaus unterkommen. Einer von beiden ist eben erst durch das Staatsexamen gefallen, während der andere seinen Job in einer Modefirma gekündigt hat. Eine grobe Schilderung der Handlung muss insofern ausreichen, als dass "Cosmos" fortlaufend ein typischer Zulawski ist, der so ziemlich alle Markenzeichen des Regisseurs zu bieten hat, was sowohl positiv als auch negativ zu verstehen ist.
Herkömmliche Dialoge gibt es in diesem Film nur wenige, viel mehr wirken die unzähligen Gespräche und Monologe der sonderbaren Figuren wie prätentiöses Geschwafel, in dem sich munter durch die Kunstgeschichte zitiert, pseudophilosophisch daher gequatscht und sich in großen Gesten aufgeplustert wird. Auch wenn der Film durch seine extrem überzogene und sehr dick aufgetragene Art fast schon wie eine Parodie selbstverliebter, schwerfälliger sowie bedeutungsschwangerer Arthouse-Brocken erscheint, macht es dieser anstrengende, sperrige Stil dem Zuschauer nicht unbedingt leichter.
Ansonsten ist man hier wie von Zulawski gewohnt an der richtigen Adresse, wenn es darum geht, surreale, bizarre und absurde Elemente im Überfluss anzuhäufen. Tiere werden fast schon symbolartig an Schnüren erhängt, Insekten krabbeln über das Frühstück, Erbsen werden auf dem Boden verteilt und wie wild von sämtlichen Beteiligten aufgesammelt, die Besitzerin des Hauses erstarrt vorübergehend zu einem Eisblock, sobald sie in Rage gerät und der Besitzer des Hauses streut Salz über die Warze an seiner der Hand. Und dann gibt es da noch die Haushälterin mit der deformierten Oberlippe, merkwürdige Traumsequenzen und ein Ensemble, das allgemein regelmäßig in lautstarkes Overacting verfällt und versucht, sich an hysterischem Wahnsinn gegenseitig zu übertreffen.
Sinn ergibt das alles kaum und diesen absurden Schabernack wirklich zu mögen ist gar nicht mal leicht. Abschließend lässt sich also festhalten: Andrzej Zulawski hat sich gebührend verabschiedet.