Patrick Reinbott - Kommentare

Alle Kommentare von Patrick Reinbott

  • 7

    Zieht man nach dem dritten Teil der "Lone Wolf & Cub" - Reihe Bilanz, sind abermals unzählige Menschen überaus gewaltsam zu Tode gekommen. Es wäre aber falsch, dieses Werk alleine auf seine üppige Anzahl der Gestorbenen zu reduzieren, denn inhaltlich geht Teil 3 durchaus überraschende Wege.
    Regisseur Kenji Misumi verknappt die atmosphärischen Schwertkämpfe auf ein äußerst überschaubares Maß, räumt zwischenmenschlichen Charakter-Momenten größeren Raum ein und ist allgemein eher daran interessiert, ein düsteres Bild der damaligen Gesellschaft zu zeichnen, in der Frauen gegen ihren Willen prostituiert und verkauft werden und verblendete Söldner aufgrund fragwürdiger Vorschriften zu Raubtieren mutieren.
    Darüber hinaus erlaubt sich Teil 3 außerdem einen Kommentar zum Ehrenkodex der Samurai, hinterfragt den "Weg des Kriegers" kritisch und findet eine zunächst zufriedenstellende Antwort, welche trotzdem wieder in der fragwürdigen Folge resultiert, dass Köpfe rollen müssen.
    Aufgrund des etwas zu episodenhaft zerwürfelten Gesamteindrucks bleibt das Werk ein wenig hinter dem atmosphärisch konzentrierten Vorgänger zurück, gewinnt der Reihe als solches aber aufgrund des überraschenden inhaltlichen Bruchs in Richtung Geschichte und Charaktere interessante, neue Facetten ab.

    8
    • 8

      Die Weichen wurden gelegt, das Ausgangsszenario etabliert und die stilistische Marschroute eingeschlagen.
      Der zweite Teil der "Lone Wolf & Cub" - Reihe ist schließlich eine dieser Weiterführungen, welche vorangegangene Markenzeichen noch ausgefeilter, formvollendeter und spektakulärer einzusetzen weiß. Tomisaburô Wakayama besticht weiterhin als todbringender Rächer, der sich mit stoischer Präzision gegen ständig anrückende Feindeshorden oder aus dem Hinterhalt anschleichende Bedrohungen zur Wehr setzt.
      Auf recht amüsante Weise wird in diesem Teil der Fokus kurzzeitig auch ein wenig auf den kleinen Sohn gelegt, der sich mittlerweile ebenfalls schlagkräftig und unterhaltsam verteidigen kann und dabei dem Vater in der ein oder anderen Szene mehr als unverzichtbare Stütze denn loses Anhängsel dient.
      Höhepunkt bleiben aber weiterhin die Kampfszenen, die sich diesmal zu einer wahren Symphonie des Blutvergießens formen, welche zwischen prachtvollen Landschaftspanoramen tänzelt und den absurden Gewaltgrad, bei dem reihenweise abgetrennte Gliedmaßen auf den Boden prallen und es rote Fontänen regnet, stets mit poetischer Wärme in der Bildgestaltung kontrastiert.
      "Lone Wolf & Cub" bleibt daher auch mit dem zweiten Teil eindeutig eine Angelegenheit für Ästhetik-Fetischisten, die sich in unaufhörlich zelebrierten, wundervoll inszenierten Schwertkampf-Gemälden verlieren und dabei über ein nahezu verzichtbares Minimum an Substanz hinwegblicken können.
      Amüsantes Detail am Rande: Wer John Carpenters "Big Trouble in Little China" gesehen hat, darf hier eine nette Referenz entdecken.

      14
      • 7

        Dieser erste Teil der berüchtigten "Lone Wolf & Cub" - Reihe darf sicherlich als Grundstein betrachtet werden, welcher stilistisch und inhaltlich eine Marschrichtung vorgibt, in die sich dieses sechsteilige Samurai-Epos bewegt.
        Inhaltlich beschränkt sich der Auftakt auf ein überschaubares Mindestmaß an Handlung, die lediglich gängige Themen des Samurai-Mythos umkreist. Ein Auftragsmörder des Shogun wird brutal hintergangen, verliert seine gesamte Familie bis auf den kleinen Sohn und begibt sich fortan, da er den eigenen Samurai-Kodex bricht, als gebrandmarkter Verräter auf einen erbitterten Rachefeldzug.
        Was hier letztlich alles geschieht, ist weitaus weniger reizvoll als die Tatsache, wie es geschieht. "Lone Wolf & Cub" präsentiert seine auffälligste Qualität recht früh ganz klar im Bezug auf die Kampfszenen. Die werden ebenso spektakulär und prachtvoll choreographiert wie inszeniert.
        Wer sehen möchte, wann stilbildende Schwertkämpfe mehr oder weniger ihren Ursprung fanden und wo sich gegenwärtige Regisseure wie zum Beispiel Quentin Tarantino offensichtlich bedient haben, ist hier an der richtigen Adresse. Das raffinierte Prinzip besteht hierbei aus entschleunigten, meditativ eingestreuten Ruhepausen und kunstvoll arrangierten Schwert-Duellen, bei denen das Blut nicht nur in abstrusen Mengen vergossen wird, sondern auch audiovisuelle Kniffe ihre Verwendung finden. Dadurch verstummen mal sämtliche Umgebungsgeräusche, um einzig und allein das Wirbeln der Schwerter akustisch zu intensivieren oder wird eine Auseinandersetzung in einem Kornfeld unter hitziger Sonne zum poetischen Akt.
        Ein vielversprechender Auftakt, sehr schlicht in seiner Handlung und Figurenzeichnung, aber umso eindrucksvoller im Entwerfen einer künstlerisch überbordenden Kampfkunst-Stilistik.

        13
        • 7

          [...] Die eigentliche Handlung des Films ist denkbar schlicht und für den ein oder anderen dürfte die Geschichte eines Mädchens, das zwischen dem zurückgelassenen Leben in der Vergangenheit und dem anfangs komplizierten Fußfassen in der Großstadt hin- und hergerissen wird, an manchen Stellen womöglich zu einfältig, kitschig und vorhersehbar gestrickt sein. Es ist aber gerade die schlichte, unprätentiöse und unaufgeregte Art, mit der "Brooklyn" von Themen wie Heimweh, Selbstfindung, Aufwachsen, Neuorientierung und Liebe erzählt, die ihn zu einem angenehmen Seherlebnis werden lassen. Im Mittelpunkt steht dabei ganz klar Hauptdarstellerin Saoirse Ronan, die dem Werk mit ihrer bewegenden Leistung ein pochendes Herz verleiht, welches dafür sorgt, dass man als Zuschauer jederzeit in die Geschichte hineingezogen wird und sämtliche Geschehnisse emotional greifbar erscheinen. [...] "Brooklyn" dürfte in jedem etwas auslösen, ein vertrautes Gefühl ansprechen oder einen Teil der eigenen Persönlichkeit widerspiegeln. [...]

          15
          • 5 .5

            Mit "Southbound" wurde eine moderne Horror-Anthologie geschaffen, die aus fünf Episoden besteht, welche von vier verschiedenen Regisseuren (darunter ein ganzes Regie-Kollektiv) gedreht wurden.
            Was dieser Ansammlung an unterschiedlichen Horror-Motiven, unter denen sich satanische Sekten ebenso befinden wie Grindhouse-Splatter, eine eskalierende Notoperation oder grimmiger Home-Invasion-Terror, eine gewisse Faszination verleiht, ist die übergeordnete Mythologie, die hier kreiert wird. Der Schauplatz der endlosen, flirrenden und verlassenen Mojave-Wüste, in der sich alle Geschichten abspielen, wird zum symbolischen Höllenschlund, in dem sich Schuldgefühle und verdrängte Geheimnisse zu realem Schrecken manifestieren und die jeweiligen Figuren mit dem puren Grauen konfrontiert.
            Abgesehen davon schwanken die einzelnen Episoden in ihrer Qualität, wie man es von solchen Anthologie-Streifen oftmals gewohnt ist, und jede Geschichte zeichnet sich einerseits durch wirklich beklemmende Momente aus, bleibt durch die Eigenschaft, dass nur wenig Zeit gegeben ist, um auf den Punkt zu kommen, aber zu vorhersehbar, oberflächlich angerissen und bruchstückhaft. Kaum erreicht eine Geschichte eine gewisse Klimax, wird auch schon umgehend zur nächsten übergeleitet, wobei das Ende der einen Episode den fließenden Übergang zum Beginn der anderen darstellt.
            Was aber darüber hinaus wirklich enttäuscht, ist die Stilistik des Films. Auch wenn das Gesamtwerk mit einem sehr stimmigen Synthie-Score und ansehnlichen Effekten überzeugt, wirkt "Southbound" auf negative Art und Weise wie aus einem Guss. Den unterschiedlichen Regisseuren gelingt es nicht, die einzelnen Handlungsstränge inszenatorisch durch eine klare Handschrift voneinander zu trennen, was zur Folge hat, dass der Anthologie-Faktor lediglich hinsichtlich der verschiedenen Horror-Elemente zum Tragen kommt.
            So ist es am Ende die nie vollständig ausformulierte Mythologie, welche zudem einige Fragen unbeantwortet lässt, die von "Southbound" am ehesten Eindruck hinterlässt. Sicherlich bieten die einzelnen Geschichte in punkto Atmosphäre, Kreativität und handwerklicher Umsetzung mitsamt expliziten Gewaltspitzen ihre bestechenden Momente, doch als Gesamtwerk wirkt der Streifen einfach zu einheitlich, stilistisch nicht differenziert genug, um wirklich positiv zu punkten.

            9
            • 4 .5

              [...] Als es schließlich zu einem gewissen Höhepunkt kommt, bei dem in der israelischen Hauptstadt wortwörtlich die Hölle los ist, wandelt sich "JeruZalem" zu einem atemlosen, unübersichtlichen Terror-Stück, in dem mithilfe von laut ertönenden Sirenen, panischen Menschenmassen, hart durchgreifenden Militärtruppen und natürlich sporadisch auftauchenden, dämonischen Kreaturen auf relativ gelungene Weise ein plausibles Szenario erzeugt wird, in dem sich die Protagonisten einer scheinbar ausweglosen Bedrohung ausgeliefert sehen, die sämtliches rationales Verständnis übersteigt. Von nun an verliert die High-Tech-Brille der Hauptfigur allerdings zunehmend an Bedeutung und es bestätigt sich der Verdacht, dass diese lediglich eine geschickt eingefädelte Ausrede war, um die ansonsten verwendete (Handy-)Kamera in üblichen Found-Footage-Vertretern durch ein anderes, als ungewöhnlich angepriesenes Element zu ersetzen. Ebenso enttäuschend wie dieses ungenutzte Potential bezüglich möglicher technischer Innovationen innerhalb eines beklemmenden Apokalpyse-Szenarios ist außerdem der Schlussakt geraten, in dem grelle Panik gegen ein nur allzu bekanntes Setting eingetauscht wird, in dem die Figuren durch eine schwach beleuchtete Höhle flüchten und letztlich nur noch plumpe Schockeffekte und eine mäßig klaustrophobisch wirkende Stimmung kreiert werden. [...]

              8
              • 5

                Müsste man "Cashback" von Sean Ellis einzig und allein danach bewerten, in was für einer Qualität entkleidete Frauenkörper ästhetisch in Szene gesetzt werden, hätte er wahrscheinlich die Höchstpunktzahl verdient.
                Um dieses Kriterium herum gibt es allerdings noch einen Film und der ist nur teilweise gelungen. In der ersten Hälfte offenbart "Cashback" noch einiges an interessantem Potential, bezogen darauf, was hier für Theorien bezüglich der Vergänglichkeit von Zeit und kunstvoller Schönheit im kurz festgehaltenen Moment aufgeworfen werden. Außerdem gibt der Film amüsant Aufschluss darüber, wie man einen nicht enden wollenden 8-Stunden-Arbeitstag übersteht.
                Selten ist ein Film hingegen nach der ersten Hälfte derart eingestürzt wie dieser. Da Ellis zwei Jahre zuvor eine 18 Minuten lange Version dieses Streifens gedreht hatte, musste er für einen vollwertigen Langfilm logischerweise neues Material bringen. Dies hat zur Folge, dass sich viele komplett schwachsinnige Szenen in den Film verirrt haben, welche die Handlung mit fortschreitender Laufzeit zu einer banalen Indie-RomCom werden lassen, die zusammen mit den bedeutungsschwangeren, selbstverliebten Montagen, in denen jede Einstellung nach makelloser Kunst schreit, gehörig auf die Nerven geht.
                Zusätzlich ist es generell schwierig, einen Zugang zum Geschehen zu finden, denn Hauptfigur Ben, ein tiefsinniger Kunststudent mit Liebeskummer, ist ein äußerst unsympathischer Zeitgenosse, was dazu führt, dass man sich zeitweise doch lieber kreative Alternativen ausdenkt, um die Laufzeit des Films zu überstehen.
                Grundsätzlich kein uninteressanter Film, aber mit dem Kurzfilm von 2004 ist man wahrscheinlich deutlich besser beraten.

                8
                • 7

                  [...] Wie es bei solchen erfolgreichen Komödien oftmals der Fall ist, musste natürlich irgendwann eine Fortsetzung her und nach stolzen 9 Jahren gibt es mit "Anchorman– Die Legende kehrt zurück" mehr von Ron Burgundy und seinem legendären "Action-4-News-Team". Bei Sequels, die vor allem nach so einer langen Zeit veröffentlicht werden, macht man sich im Vorfeld berechtigterweise Sorgen, dass der Vorgänger nicht erreicht werden kann und lediglich ein uninspirierter Aufguss bekannter Elemente geboten wird. "Anchorman – Die Legende kehrt zurück" erweist sich diesbezüglich allerdings praktisch ab der ersten Minute als freudige Überraschung, denn McKay und Ferrell, die das Drehbuch erneut gemeinsam schrieben, präsentieren sich von Anfang an in humoristischer Höchstform und feuern einen Gag nach dem anderen auf die Lachmuskeln der Fans ab. Dabei ist der Film vor allem in der ersten Hälfte ein wahres Feuerwerk ungehemmter Gaga-Späße, fängt den charmanten (Zeit-)Geist des ersten Teils gekonnt wieder ein und liefert, trotz einiger nicht ganz so zündender Witze, eine erstaunlich hohe Trefferquote ab. [...] Die Fortsetzung passt sich den Sehkonventionen kein bisschen an, wirkt auf angenehme Weise in der Zeit zurückgeblieben und überzieht jeden noch so abstrusen Kalauer und jede noch so unglaublich bescheuerte Einlage bis zum absoluten Limit, was den anarchisch-unangepassten Ton von Teil 1 würdig weiterführt. Im Vergleich zu diesem ist die Fortsetzung allerdings auch eine gute halbe Stunde länger ausgefallen, was dem Pacing und der Gagdichte ab der zweiten Hälfte schließlich auffällig schadet. In einigen Szenen, wenn "Anchorman– Die Legende kehrt zurück" tatsächlich ab und an versucht, Charakterentwicklung zu betreiben und eine zusammenhängende Geschichte zu erzählen, flacht die vorangegangene Unterhaltungskurve stark ab. Handlungsstränge wie zum Beispiel die eingestreute Episode rund um das kurzfristige Erblinden Burgundys wirken überflüssig, kaum witzig und bremsen den gesamten Streifen unnötig aus. Zum Ende hin kriegt McKay zwar nochmal die Kurve und kredenzt als finales Spektakel eine leicht gesteigerte Variante der Massenschlägerei, wie sie schon im Vorgänger zu sehen war, doch die erzählerischen Unebenheiten des Gesamtwerks kann er dadurch nicht komplett ausbügeln. [...]

                  10
                  • 7 .5

                    [...] Wie es genau zu einem scheinbaren Aussterben der bestehenden Zivilisationsordnung kam, lässt der Regisseur ebenso ungeklärt wie die Antwort auf die Frage, was sich nun genau auf der Welt verändert hat. Fingleton beschränkt sich für seine Geschichte auf drei Figuren, die er zu einer paranoiden, ausgezehrten sowie kämpferischen Zweckgemeinschaft zusammenschweißt und beleuchtet auf teilweise beängstigende Art, was der tägliche Kampf ums Überleben aufgrund akuter Ressourcenknappheit im Zusammenhang mit ständiger Angst vor drohenden Attacken unerwünschter Angreifer in den Menschen auslöst. Die Inszenierung ist für ein Debüt fast schon unverschämt gut gelungen und "The Survivalist" erzählt gekonnt mit konzentrierten Bildern und intensiver Geräuschkulisse. Die Kamera tastet sich unentwegt an der harmonisch wirkenden Waldidylle entlang, in der die Handlung angesiedelt ist, während sie in anderen Szenen kurze Spannungsmomente zu atemlosen Höhepunkten verdichtet und die meditative Stille ab und zu mit Aufnahmen aufbricht, die das pure Grauen beschwören. Fingleton verlässt sich dabei zurecht auf das zentrale Hauptdarsteller-Trio, das mit zähneknirschenden, bedrohlichen und gleichzeitig undurchsichtigen Leistungen auftrumpft und setzt unentwegt auf potentielle Bedrohungen sowie Eskalationen. Gerade das Ausklammern konkreter Fakten, sichtbarer Erkenntnisse und simpel dargestellter Ereignisse macht den Film zu einem noch unbequemeren Seherlebnis, in dem viel mehr mit Gestik und Mimik als mit Dialogen gearbeitet wird. [...]

                    14
                    • 4 .5

                      Auf audiovisueller Ebene übt "The Demolisher", das Regiedebüt von Gabriel Carrer, stellenweise wirklich mächtig Druck aus und ist mit seiner Inszenierung, die von artifizieller Lichtsetzung, flirrenden Montagen, traumähnlichen Kameraeinstellungen und dröhnender Electro-Musik durchzogen ist, wirklich schick geraten. Der markante Stil kommt dem bewanderten Filmfan, welcher sich in jüngster Vergangenheit mit pulsierenden Neon-Noir-Streifen beschäftigt hat, allerdings nicht von ungefähr sehr bekannt vor und so hat sich der Regisseur am Ende der Credits auch sicherheitshalber direkt bei Nicolas Winding Refn bedankt.
                      Inhaltlich erweist sich dieses furios verpackte Höllenfeuer hingegen als stumpfer Rohrkrepierer, bei dem Carrer zwischen schier endlosen Zeitlupen-Aufnahmen und monotonen Rumgekloppe völlig vergessen hat, sein Werk mit ansatzweise interessanten Charakteren oder einer ansprechenden Handlung zu füllen.
                      "The Demolisher" schafft es daher zu keinem Zeitpunkt, den Zuschauer in den düsteren Seelenabgrund der kaputten, zwiegespaltenen Hauptfigur zu reißen und macht ihn bereits nach kurzer Zeit zu einem eher desinteressierten Außenstehenden, der aufgrund der aufsehenerregenden Hülle dennoch hinschaut.
                      Dabei hangelt sich der Film überfordert von einer überstilisierten Sequenz zur nächsten und endet nach 80 Minuten, die ohne die ganzen Slow-Motion-Einstellungen geschätzt 60 Minuten gewesen wären, an einem Punkt, der dem Betrachter letztlich nur noch egal ist. Handwerkliches Talent ist bei Gabriel Carrer für dieses Debüt definitiv zu erkennen, doch inhaltlich muss der Regisseur noch kräftig zulegen, um sein Publikum auch stimmig in das Geschehen zu involvieren.

                      10
                      • 4

                        Vom Tonfall her ist "Hail, Caesar!" ein Bruch, wie ihn die Coens schon einmal vollzogen haben. Auf ihr staubtrockenes, unvergleichlich intensives Meisterwerk "No Country for Old Men" ließen die Brüder mit "Burn After Reading" eine gänzlich anderen, äußerst humorvollen und mit absurden Pointen angereicherten Film folgen. Nach dem melancholisch-einfühlsamen Geniestreich "Inside Llewyn Davis" haben sie nun diesen Film gedreht, doch es ist nicht nur der wieder radikal geänderte Stil, der mit diesem Werk einhergeht, sondern ein qualitativ betrachtet erschreckender Absturz auf allen Ebenen.
                        In "Hail, Caesar!" treiben Joel und Ethan Coen ihr gewohnt absurdes Erzählprinzip vollkommen auf die Spitze und man muss es den beiden fast schon erstaunt anrechnen, dass so ein Werk anstandslos von einem großen Studio durchgewunken wurde. Natürlich hatten selbst die kultigsten Werke der Coens wie "The Big Lebowski" keine ansatzweise stringente Handlung, sondern waren eher eine lose durcheinander gewürftelte Ansammlung skurriler Episoden, doch diese wurden stets mit großartiger Atmosphäre, grandiosem Humor und detailverliebtem Stilbewusstsein inszeniert.
                        "Hail, Caesar!" hingegen ruht sich faul auf dem eigenen Konzept aus, welches einzig und allein daraus besteht, der goldenen Ära des Hollywood-Studio-Systems gleichermaßen ehrwürdige Reminiszenzen zu verleihen wie diese Epoche spitz aufs Korn zu nehmen. Die Brüder rezitieren opulente Choreographien wie eine Stepptanz-Einlage oder ein edel vollführtes Wasserballett wie zu seligen Busby-Berkeley-Zeiten, demonstrieren wahlweise eitle Manierismen oder belächelnswerte Unfähigkeiten der damaligen Stars und verknüpfen diese kaum miteinander zusammenhängenden Einzelszenen mit Josh Brolin als immerhin charismatischen Studio-Fixer, der den Alltag der Arbeit in solch einem wilden Getümmel unter ständigem Zeitstress am Laufen halten muss.
                        Bis auf lediglich ein paar zündende Gags, in denen der gewohnte Dialogwitz der Coens aufblitzt, wirkt der Film allerdings unheimlich lieblos, so als hätten die Regisseure einen Film gedreht, den sie sich selbst anschauen und darüber amüsieren können, der Zuschauer aber eher nicht.
                        Sicherlich sind die ganzen Anspielungen an vergangene Hollywood-Zeiten stellenweise ganz nett gelungen und auch im Cast erweist sich neben dem wie schon erwähnten, gut aufspielenden Josh Brolin vor allem Alden Ehrenreich in der Rolle des texanischen, leidlich talentierten Schauspielers als wahre Neuentdeckung, doch im selben Moment enttäuscht wiederum die Tatsache, dass andere Darsteller wie Scarlett Johansson, Jonah Hill, Channing Tatum, George Clooney, Frances McDormand oder Tilda Swinton für wenige Szenen verpulvert werden, die man gerade einmal als Cameo-Auftritte bezeichnen kann oder als kurzweilige Anekdoten angerissen werden.
                        Am Ende ist "Hail, Caesar!" ein Film, der nichts zu erzählen hat, doch selbst in seiner absurden Verweigerung einer auch nur im Ansatz stringenten oder irgendwie folgenreichen Geschichte enttäuscht dieses Werk der Coens, die vermutlich noch nie so unlustig, uninspiriert und höhepunktarm durch ihr eigenwilliges, filmisches Universum geführt haben.

                        11
                        • 7

                          [...] Die gesamte Geschichte des Films wird ausschließlich aus der Perspektive des 12-jährigen Marty erzählt, der mit begleitendem Off-Kommentar anfangs die Situation schildert, in der er in der Bowling-Tasche im Schrank seines Bruders den abgetrennten Kopf eines Menschen vorfindet. Aus dieser reichlich skurrilen, zutiefst beunruhigenden Eröffnungsszene formt Regisseur Scott Schirmer einen Film, der sich zwischen den Genres bewegt und dabei zaghafte Coming-of-Age-Stilistiken ebenso bedient wie reißerischen Killer-Thrill. Über weite Strecken entsteht somit ein ruhig erzählter Handlungsfluss, in dem es um den problembehafteten Alltag eines Jungen geht, dessen regelmäßige Unterdrückung durch Mobbing von Mitschülern und der exzessive Konsum extremer Horrorfilme in seiner Freizeit zusätzlich durch den Umstand verschärft wird, dass sein größerer Bruder ganz offensichtlich ein gestörter Killer ist. Die Wahl der Motive, mit denen der Regisseur seinen Film bestückt, ist hierbei allerdings mitunter arg plakativ ausgefallen und für die Hintergründe des Geschehens wird allzu gerne in die psychologische Klischee-Kiste gegriffen. Wilde Heavy-Metal-Musik, reißerische Horrorfilme, ein mobbendes Umfeld in der Schule sowie das augenscheinlich zerrüttete Familienleben sind denkbar banale Elemente, mit denen hier eine höchst plumpe und keineswegs subtile Charakterisierung der Figuren stattfindet. Seine angestrebte Wirkung verfehlt der Streifen dadurch allerdings zu keinem Zeitpunkt. Immer wieder kommt es zu Szenen, die in ihrer intensiven Härte, welche gelegentlich nicht einmal durch besonders explizite Zeigefreudigkeit entsteht, derart unbequem und knüppelhart erscheinen, dass das Hinschauen zur reinen Mutprobe wird. [...]

                          10
                          • 4

                            [...] Gibson inszeniert seinen Film in der ersten Hälfte noch recht zurückhaltend und schildert zunächst den Verrat an Jesus Christus, dessen Festnahme und den anschließenden Prozess, bei dem dieser, durch das aufgebrachte Volk aufgehetzt, wegen Blasphemie zum Tod durch Kreuzigung verurteilt wird. Auffällig ist hierbei die Inszenierung, bei der Gibson mithilfe von Kameramann Caleb Deschanel wahrhaft beeindruckende Impressionen erzeugt, die einem aufgrund der oftmals meisterhaften Bildkompositionen und symbolträchtigen Einzelheiten förmlich unter die Haut gehen. Formal ist "Die Passion Christi" unbestreitbar ein Werk von höchster Könnerschaft, dem man den Hang zum überbordenden Kino der wuchtigen Eindrücke in praktisch jeder Szene ansieht. In der zweiten Hälfte lässt sich der Film allerdings nur noch als redundante Folterorgie bezeichnen, in dem ein Reigen abstoßender Grausamkeiten auf den Betrachter eindrischt. Um den Leidensweg von Jesus Christus zu visualisieren, findet Gibson nichts als Gewalt, Gewalt und nochmals Gewalt, was zu einer monotonen Abfolge von minutenlangen, in Zeitlupe überstilisierten Auspeitschungen, erbarmungslosen Erniedrigungen und dem schlussendlichen Schlagen der Gliedmaßen an das Kreuz resultiert. Man könnte dieses inszenatorisch reißerische Vorgehen als konsequent der überlieferten Vorlage gegenüber bezeichnen, doch in seiner Wirkungsweise verkommt der Streifen dadurch eher zu einer ermüdenden, unnötig expliziten und somit ärgerlich geschmacklosen Angelegenheit, die nur noch durch den faden Beigeschmack verstärkt wird, den der deutlich antisemitische Tonfall, bei dem beinahe sämtliche Juden als sadistische, mordlüsterne Unmenschen dargestellt werden, hervorruft. [...]

                            12
                            • 6

                              Wenn man eine alte Beziehung hinter sich hat und ein festes Verhältnis mit einem neuen Partner eingehen will, kann sich das oftmals als schwierig erweisen.
                              Für Rob und Holly ist diese Situation nochmal eine andere Nummer. Die beiden haben sich frisch kennengelernt, doch immer wenn sie Sex haben, legt Robs (Ex-)Freundin während des Geschlechtsakts einen blutigen Auftritt hin. Blutig insofern, da Nina, Robs letzte Freundin, bei einem gemeinsamen Autounfall verstorben ist.
                              Das Grundkonzept von "Nina Forever" ist grundsätzlich ein kreatives, denn die gleichermaßen morbide wie skurrile Dreiecksbeziehung, die der Film in Gang setzt, ist eine erfrischende Idee, um sich der Thematik von verflossener Liebe, unüberwindbarem Trennungsschmerz und unsicheren Bindungsängsten auf unkonventionelle Weise anzunähern.
                              Doch abseits der außergewöhnlichen Idee, auf der sich die gesamte Handlung des Films begründet, kommt "Nina Forever" erzählerisch nicht wirklich stimmig voran. Schon früh macht sich der Eindruck breit, dass die beiden Regisseure ihr Werk ursprünglich als geschätzt 40-50 Minuten langen Kurzfilm konzipiert hatten und sich anschließend dazu entschlossen, das Material auf einen abendfüllenden Spielfilm auszudehnen.
                              So gerät die Geschichte immer wieder ins Stocken, erscheint redundant und schafft es selten, den anfangs aufgeworfenen Thematiken eine vernünftige Vertiefung zu verleihen. Das ist bedauerlich, denn inszenatorisch ist der Film vor allem für ein Debüt teilweise außerordentlich gut gelungen, beeindruckt mit vielen durchdachten Einstellungen und einem allgemein sehr künstlerischen Schnitt.
                              Diese stilbewusste Inszenierung in Verbindung mit sympathisch gewählten Schauspielern und einer schmalen Gratwanderung zwischen morbidem Ekel und erotischer Faszination sorgt letztendlich dafür, dass "Nina Forever" trotz inhaltlicher Schwächen, bei denen sich das kreative Konzept eher um die eigene Achse dreht, anstatt aufgeworfene Thematiken aufzugreifen und sinnvoll auszuformulieren oder zu vertiefen, ein gerade noch so gelungener Film geworden ist, bei dem aber einfach noch so viel mehr Potential vorhanden gewesen wäre.

                              5
                              • 5 .5

                                [...] Eine wirklich umfassendere Beschäftigung mit den Figuren bleibt deshalb fast vollständig aus, denn "Remember – Vergiss nicht, Dich zu erinnern" greift in vielen Momenten auf die Tatsache zurück, dass die demente Hauptfigur immer wieder mental von vorne beginnen, gegen das eigene Vergessen ankämpfen und gleichzeitig seinem Ziel näher kommen muss. Der Film wird seinem Titel somit direkt in doppelter Hinsicht gerecht, denn es geht nicht nur darum, weit in der Vergangenheit zurückliegende Ereignisse aufzuarbeiten und dadurch alte Wunden neu aufbrechen zu lassen, sondern auch um die Schwierigkeit, sich mit der chaotischen Situation des Hier und Jetzt zu arrangieren. Nach einer Weile, wenn Egoyan seine Hauptfigur irreführende Stationen passieren lässt und immer stärkere Klarheit in die Handlung bringt, scheint man die zentralen Motive erfassen zu können, die eine Auseinandersetzung einer Täter-Opfer-Beziehung, einen Rache-Akt sowie Identität, Schuld und Vergebung zu thematisieren scheinen. Ab dem letzten Drittel entgleist der zuvor puzzleartige, nebulöse Plot allerdings zunehmend und zerfällt in mitunter wirklich verwirrend bizarre Momente, die mit den vorab vermuteten Kernaussagen des Films komplett brechen und brutale Haken schlagen. [...] "Remember – Vergiss nicht, Dich zu erinnern" ist als Gesamtwerk ein mehr als seltsamer Film, der einen nach der Sichtung sicherlich noch etwas beschäftigen wird. Während sich der Plot zunächst sehr unklar und mysteriös entfaltet, schlägt die eigentlich vielversprechende Geschichte mit zunehmender Dauer immer wildere, mitunter völlig bizarre Haken und gipfelt in einen absurden Höhepunkt. Trotzdem offenbart der Film dabei einen gewissen Unterhaltungswert und ergibt zusammen mit den gelungenen Ansätzen und einem tollen Christopher Plummer in der Hauptrolle trotz des inhaltlichen Chaos einen interessanten Film, der aber unter Garantie nicht jedem zusagen wird und alles in allem nicht wirklich als gelungen bezeichnet werden kann. Faszinierend gescheitert sozusagen. [...]

                                10
                                • 9
                                  über Raum

                                  Die klaustrophobisch-albtraumhafte Ausgangslage von "Room" erzählt die Geschichte einer Mutter, die sich in der Hölle auf Erden befindet und dabei mit aller Kraft versucht, ihrem Sohn ein kleines Paradies zu kreieren.
                                  Lenny Abrahamson hätte mit seinem Film leicht in gänzlich andere Stimmungslagen abtauchen können, wenn man die Prämisse genauer betrachtet, doch "Room" ist letztlich etwas ganz anderes geworden, als es zunächst im ersten Drittel den Anschein hat.
                                  Nach einem Auftakt, der ebenso beunruhigt wie fassungslos stimmt, entblättert der Regisseur behutsam den zärtlichen Kern seines Werks, welches die bedingungslose Liebe einer Mutter zu ihrem Kind, den unglaublich starken Bund zwischen beiden, behandelt.
                                  "Room" ist einer dieser Filme, die einen die Welt kurzfristig mit anderen Augen sehen lassen. Das schön angerichtete Frühstück auf dem Teller, das Rauschen des Windes durch die Blätter der Bäume, das weiche Gefühl eines Hundefells oder der unaufhörliche Strom an Geräuschen und kleinen Ereignissen. Allesamt Augenblicke, die uns selbstverständlich erscheinen, vom Film allerdings in Momente beeindruckender Intensität aus zärtlicher Wärme und staunenswerten Errungenschaften verpackt. Brie Larson und Jacob Tremblay verschmelzen zu einer schauspielerischen Einheit, ein überragendes Mutter-Sohn-Gespann, mit dem man durch diese Geschichte gleitet, durch die unangenehmen, kaum zu ertragenden, aber noch viel wichtiger, die reichhaltigen, wundersamen und einzigartigen Dinge der großen, weiten Welt, die einem nach dem Film noch größer vorkommt und ein wohliges Gefühl von Freiheit vermittelt.
                                  "You´re gonna love it. - What? - The World."

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                                  • 6

                                    [...] Dabei ist "Deadpool" ganz gemäß seiner Vorlage ein kurzweiliger, unterhaltsamer Film geworden, dessen Humor, welcher verschiedenste Ausmaße annimmt und von plumpen Fäkalhumor über bösartigen Slapstick hin zu bissigen Popkulturreferenzen reicht, zwar nicht immer den richtigen Tonfall trifft, aber auch aufgrund einiger gekonnter, zynischer Pointen für viele Lacher sorgt. Das selbstironische Meta-Konzept, bei dem der Film ständig gegen Vertreter aus dem eigenen Lager schießt, funktioniert weitestgehend und das R-Rating sorgt für den nötigen Druck, was Freizügigkeit, Gewalt und unverblümte Sprachweise angeht, bleibt allerdings zu oft hinter den eigenen Möglichkeiten zurück. "Deadpool" gelingt es daher nicht, die vergifteten Wurzeln des Genres der Comicverfilmungen auszureißen und immer wieder ertappt man den Film auf frischer Tat dabei, wie er doch in die Strukturen abrutscht, die er eigentlich so schamlos aufs Korn nehmen will. [...] "Deadpool" gibt aufgrund des R-Ratings eine Marschrichtung vor, wie künftige Comicverfilmungen auch sein können und offenbart einiges an schroffem Charme und bösartigem Spaß, ist aber selbst nie die anarchische, das Genre zerpflückende Granate, die man sich erhoffen durfte. Andere Werke wie "Kick-Ass" oder "Super" waren in dieser Hinsicht konsequenter. [...]

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                                    • 7

                                      Es ist sicherlich eine Tatsache, dass sich die Filmlandschaft und vor allem die Sehgewohnheiten in unserer heutigen Zeit verändert haben. Wer allerdings zu denjenigen gehört, die sich unentwegt beschweren, dass nur noch schlechte Filme gemacht werden, selektiert schlichtweg nicht sorgfältig genug oder sucht an den falschen Ecken.
                                      Trotzdem gab es eine Zeit, in welcher der Kinobesuch noch zu einem aufregenden Erlebnis zählte, das einen in bislang völlig unbekannte Welten transportierte. Die Rede ist von den 70ern, in denen die "Midnight Movies" geboren wurden. Die Dokumentation "Midnight Movies: From the Margin to the Mainstream" von Stuart Samuels funktioniert als Eintrittskarte in eine Zeitmaschine, die einen vorübergehend in diese Ära zurückbringt, in der unkonventionelle Werke Grenzen überschritten, den schlechten Geschmack zur verehrenswerten Kunstform erhoben, erschütternde Gewalt, bizarre Gedankenergüsse und schrille Stilistiken auf den Zuschauer einprasseln ließen und den Kinobesuch an sich zum drogengeschwängerten, euphorischen Event machten, dessen Publikum wiederum zukünftige Kultfilme gebärte.
                                      Die Dokumentation bietet hierfür einen gelungenen Querschnitt durch die prägendsten und bedeutendsten Filme dieser Epoche, liefert Hintergrundinformationen zu Entstehung, Vertrieb und Aufführung der einzelnen Streifen und lässt die "Midnight Movies" anhand von Interviews der verantwortlichen Regisseure, Filmkritiker oder Verleiher nochmal auferstehen.
                                      Für alteingesessene Liebhaber des schrägen, obskuren und abseitigen Filmgenusses bietet "Midnight Movies: From the Margin to the Mainstream" womöglich keine unglaublich erhellenden Erkenntnisse oder neues Wissen, doch als schick arrangiertes Best-of und Denkmal einer mittlerweile ausgestorbenen, aber dafür in ihrem Geiste endgültig in den Mainstream eingewanderten Filmepoche taugt die Dokumentation allemal. Wer aber tatsächlich noch nie etwas von Alejandro Jodorowsky, David Lynch und John Waters gehört oder gesehen hat, sollte hier unbedingt einen Blick riskieren und den eigenen filmischen Horizont schleunigst erweitern.

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                                      • 4

                                        Seit seinem Erscheinen hat "Zoolander" einen gewissen Kultstatus erlangt und man muss sich fragen: Wieso eigentlich?
                                        Ben Stillers überdrehte Komödie ist zunächst eine Satire mit Potential, die der Modeszene den Spiegel vorhält und den oberflächlich-dekadenten, meist völlig weltfremden Lifestyle genüsslich ad absurdum führt.
                                        Das Problem ist nur, dass sich der satirische Faktor des Films bereits nach ungefähr 15 Minuten gänzlich erschöpft hat und der nachfolgende Rest eine einzige Anhäufung von nervtötendem Schwachsinn darstellt, der sich einzig und allein auf der grenzdebilen Humorfärbung ausruht.
                                        Was bleibt, ist lediglich die flotte Inszenierung mit ein paar netten Songs auf der Tonspur, motivierte Darsteller mit angenehmen Hang zur Überziehung des eigenen Images und ein paar wenige Schmunzler.

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                                        • 6 .5

                                          [...] Überraschungen sind hier Fehlanzeige und man muss schon selbst wissen, ob es das ist, was man will. Das bedeutet konkret: Man folgt dem Trio auf eine lose durch das Leitmotiv Weihnachten zusammengehaltene Odyssee absurder Einzelepisoden, in denen der gewohnte Wahnwitz zelebriert wird, wenn auch nicht mit ganz so hoher Schlagzahl, wie man es bislang gewohnt war. Seth Rogen rückt dabei zwischenzeitlich mehr in den Mittelpunkt als die anderen, denn seine Figur Isaac bekommt von seiner Frau ein Kästchen geschenkt, in dem sich alle Drogen befinden, die es gibt. Das chaotische Resultat ist natürlich vorprogrammiert und führt sicherlich zu den lustigsten Szenen des Films, in denen die größten Lacher folgen dürften. Ansonsten darf James Franco auch mal kurz vorbeischauen, Michael Shannon als Mr. Green einen herrlich kryptischen Drogendealer spielen und Red Bull als überdeutliches, fast schon dreistes Product Placement eingefügt werden. "Die Highligen Drei Könige" ist aber keinesfalls nur auf Gags ausgelegt, sondern versprüht ganz getreu der weihnachtlichen Stimmung immer wieder überaus seichte Zwischentöne, in denen angespannte freundschaftliche Verhältnisse, komplizierte Liebesbeziehungen und das familiäre Umfeld mal besinnlich, mal nachdenklich in den ungezähmten Tonfall miteinbezogen und schlussendlich versöhnlich aufgelöst werden. [...] "Die Highligen Drei Könige" wirkt wie eine Ansammlung gewohnter, humoristischer Bausteine, die Rogen und seinen Co-Stars eine Spielwiese bieten, um gemeinsam vor der Kamera Spaß zu haben und mit ihnen auch der Zuschauer. Dabei ist der Film allerdings immer wieder auffällig gemäßigt, versucht sich zusätzlich in ernst gemeinten Zwischentönen und endet aufgrund der weihnachtlichen Atmosphäre versöhnlich wie friedfertig. Dieses Verquicken von ungezügeltem Spaß und besinnlicher Festlichkeit könnte abschreckend wirken, funktioniert aber trotzdem irgendwie auf seine ganz eigene Weise. [...]

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                                          • 7 .5

                                            Die Zeit ist gekommen, abtreten zu müssen und den Boxring einer neuen Generation zu überlassen. Regisseur Ryan Coogler nimmt sich mit "Creed" der nicht gerade einfachen Aufgabe an, ein von der Masse geliebtes Franchise in eine neue Zeitrechnung zu stoßen, den Rücktritt der Legende Rocky Balboa zu vollführen und dabei für charismatischen Nachwuchs zu sorgen.
                                            Wenn man Coogler etwas vorwerfen kann, ist es die Dramaturgie, mit der er seinen Film gestrickt hat. "Creed" folgt einer sturen Underdog-Mentalität, die stellenweise antiquiert wirkt und dadurch nie für wirkliche Überraschungen sorgt, eher vorhersehbar verläuft.
                                            Was hier aber schließlich zählt, sind die Figuren, mit denen der Regisseur die Geschichte füllt. Coogler übernimmt die Vorzüge seines vorherigen Werks "Fruitvale Station" gekonnt in dieses und formt Charaktere, die einen emotional abholen und stark an die Handlung binden, in der vertraute Themen des Franchise wie der unermüdliche Kampf nach Anerkennung, das Heraustreten aus den Schatten der eigenen Vergangenheit und eine schlussendliche Legendenbildung stehen.
                                            Coogler beweist erneut ein hohes Feingefühl, wenn es um zwischenmenschliche Momente geht, kleine Augenblicke purer Menschlichkeit entstehen und das Kernelement des Boxkampfs eher als druckvoller Katalysator dient, Gefühle anzustauen, zu verdichten und in intensiven Auseinandersetzungen zu entladen. Mit elektrisierender Energie löst der Regisseur die Kämpfe mitunter in wuchtigen Plansequenzen auf, fügt dem Geschehen treibende oder epochale Musik hinzu und beschreitet eine feine Linie zwischen aufgeplustertem Pathos und spürbarem Herzblut.
                                            An vorderster Front positioniert Coogler mit Michael B. Jordan und Sylvester Stallone außerdem ein kraftvolles Schauspieler-Duo. Jordan spielt seinen Adonis Creed mit unkontrolliertem Temperament, beeindruckender Physis und charismatisch-rauem Charme, während Stallone seiner ikonischen Figur einen Ruhestand beschert, wie er kaum besser ausfallen konnte. Als in die Jahre gekommener, abgeschlaffter Kämpfer, dem immer noch gelegentlich das alte Feuer in den Augen anzusehen ist, sobald er sich seinem neuen Schützling annimmt und gleichzeitig seine eigenen, persönlichen Dämonen bekämpfen muss, zeigt sich Stallone auf seine alten Tage hin nochmal in großer Form, nimmt sich angenehm zurück und geht sichtlich in einer Rolle auf, in der er nicht verkrampft und künstlich aufgepumpt an alte Zeiten anknüpfen muss, sondern in Würde zurückblicken kann.
                                            Eine Überführung in eine neue Generation, die trotz angestaubter Dramaturgie vollends geglückt ist.

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                                            • 8

                                              [...] Jarecki zeichnet diese Verwicklungen und Begebenheiten in seiner Dokumentationsreihe nach und das auf äußerst gelungene Weise. Der Regisseur kombiniert existierende Archivaufnahmen, geführte Interviews mit sämtlichen Beteiligten sowie fiktiv inszenierte, nachgestellte Szenen zu einem aufsaugenden Kaleidoskop wirrer Verstrickungen, verblüffender Erkenntnisse, hochinteressanter Querverweise und rätselhafter Spurensuche. Die Machart von "The Jinx: The Life and Deaths of Robert Durst" ist außerdem zutiefst filmisch geprägt. Durch die ausgefeilte Schnittarbeit, den Einsatz toller Musikuntermalung sowie ein ausgeklügeltes Spiel mit wechselnden Zeitebenen und Perspektiven ist diese Mini-Serie nicht bloß faktengetriebene Rekonstruktion, sondern erweckt Robert Durst als lebendigen Mythos vor den Augen des Betrachters zum Leben. Dabei entfaltet sich nach und nach eine immer verblüffendere Geschichte, die einen ständig erstaunt sowie nachdenken und mitfiebern lässt, was da wohl noch kommen mag. [...] Andrew Jarecki ist mit seiner dokumentarischen Mini-Serie ein kleiner Geniestreich geglückt. Dieses Format, welches den Mythos um eine zutiefst rätselhafte, fragwürdige Persönlichkeit virtuos zu pulsierender Intensität belebt, ist so verblüffend, mitreißend und mitunter schockierend, dass man zeitweise vergisst, hier eine wahre Begebenheit zu verfolgen. [...]

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                                              • 7 .5

                                                [...] Der Film ist ein Ensemble-Drama, wie man es sich kaum hochkarätiger besetzt vorstellen könnte. Stars wie Mark Ruffalo, Michael Keaton, Rachel McAdams, Liev Schreiber oder Stanley Tucci sorgen hier durch ihre unglaublich konzentrierten, vielschichtigen Performances dafür, dass dem investigativen Qualitätsjournalismus, welchem vor allem in unseren heutigen Zeiten ein immer zwiespältigerer Ruf anhaftet, ein Gesicht verliehen wird. Neben der eigentlichen Enthüllungsgeschichte, die immer schockierendere Ausmaße nach sich zieht, sind es vor allem die Menschen, um die es McCarthy in seinem Werk geht. Ob dies nun Journalisten, Opfer, Täter, Mitschuldige oder Staatsangehörige sind, die in den jeweiligen Szenen aufeinandertreffen, spielt gar keine große Rolle, denn das feinfühlige Drehbuch von Josh Singer und McCarthy ist gut darin, Klischees zu umschiffen und moralische Grenzen ambivalent zu streuen. [...] Auch wenn einige Passagen vermutlich etwas trocken erscheinen, falls man nicht wirklich vollends an dieser Thematik interessiert ist, sind es die kleinen Errungenschaften sowie Etappensiege des Teams oder schockierende Schilderungen der Opfer, die haften bleiben. Im Grunde genommen ist "Spotlight" nur ein Film, in dem man Journalisten zwei Stunden lang bei ihrer Arbeit zusieht. Viel mehr hat der Streifen inhaltlich nicht zu bieten, doch genau in eben dieser konsequenten Erzählweise lässt sich ebenfalls ein positiver Faktor ausmachen. Der Film ist dadurch in erster Linie ein Denkmal für dieses Berufsfeld, das ohnehin seit Jahren merklich in der Krise steckt und es sind Werke wie dieses, das leidenschaftliche, sich aufopfernde Menschen zeigt, die für ihren Beruf alles (auf)geben, welche die Fackel für investigativen Qualitätsjournalismus neu entfachen und ihren dringenden Wert in unserer Gesellschaft ganz dick unterstreichen. [...]

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                                                • 4

                                                  Das Thema Religion war schon immer ein sehr sensibles und die Auseinandersetzung mit den Wurzeln des Glaubens an sich und den Anhängern dieses ist oftmals äußerst schwierig. Wie soll man an etwas glauben, für das es offensichtlich keine stichfesten Beweise gibt? Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch: Wenn es keine Beweise für eine höhere Macht gibt, ist die Annahme, dass sie nicht existiert, ebenso nicht einwandfrei zu beweisen.
                                                  Nichtsdestotrotz gilt es aber, Religion stets kritisch zu hinterfragen und in einigen Aspekten, welche eindeutig praktiziert werden, klar zu verurteilen. Große Teile der Anhängerschaft der katholischen Kirche ist immer noch davon überzeugt, Homosexualität sei eine psychische Krankheit, die es zu heilen gilt. Genauso beruhen zahlreiche Kriege auf religiösen Konflikten.
                                                  Larry Charles, der mit seiner bissigen und mitunter ganz schön niveaulosen Satire "Borat" den Finger tief in fragwürdige, absurde sowie rückschrittliche Befindlichkeiten der USA bohrte, geht hier zusammen mit Bill Maher als Interviewer dem religiösen Kern in der amerikanischen Gesellschaft auf den Grund.
                                                  In einigen Momenten, wenn der freche, ungehaltene Ton von Maher in Verbindung mit einem ratlosen Interviewpartner tatsächliche Absurditäten innerhalb des religiösen Glaubens aufdeckt, gelingen hier tatsächlich einige amüsante Momente und es werden eindeutig die richtigen Fragen gestellt, um hanebüchene Theorien zu unterwandern.
                                                  Die restliche Zeit über verfehlt "Religulous" seine eigene Thematik gnadenlos aufgrund der undifferenzierten, einseitigen und geradezu ärgerlich manipulativen Machart. Oftmals begegnet Maher seinen Gesprächspartnern extrem herablassend, macht unentwegt Scherze über deren Überzeugungen und lässt rational wirkende Menschen, welche ernsthaft an einer anregenden Diskussion interessiert sind, nicht zu Wort kommen oder unterbricht sie ständig. Diesen misslungenen Eindruck unterstreicht die in keinem Moment subtile Inszenierung von Charles nur noch weiter. Harte Schnitte reißen einzelne Passagen oder Gespräche offensichtlich aus ihrem Kontext, während eingespielte Clips inmitten ernst zunehmender Gespräche einen deplatzierten, albernen Eindruck hinterlassen.
                                                  "Religulous" trifft in einigen Szenen durchaus ins Schwarze, wenn relevante Themen angesprochen und nachdrücklich hinterfragt werden und regt in ganz kurzen Momenten sogar zum Nachdenken an. Die respektlose, undifferenzierte Inszenierung des Regisseurs in Verbindung mit der herablassenden, eitlen Einstellung von Bill Maher sorgt allerdings überwiegend dafür, dass hier Menschen für den schnellen Lacher bloßgestellt oder entwürdigt werden. Eine "Dokumentation", die man ablehnen sollte.

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