OUROBOROS - Kommentare

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    OUROBOROS 04.06.2023, 08:09 Geändert 04.06.2023, 08:41

    Pauls Vater, Thomas Haller, war in der ländlichen Umgebung bekannt und verspottet wegen seines unkonventionellen Erscheinungsbildes. Auch ein Jahr nach seinem Verschwinden macht es noch die Runde, dass er während einer Landratssitzung im Bademantel erscheint, um dem Bürgermeister seine wissenschaftliche Entdeckung zu präsentieren. Dabei ging es um einen sagenhaften Schatz in einer noch unerschlossenen Höhle. Man hat dies als Spinnerei abgetan.

    Thomas Haller wird uns von seinem Sohn, entgegen der Meinung des vox populi, in Rückblicken als gelehrter Mensch dargestellt, dessen Wissen umfangreich und dessen Charakter liebevoll war. Pauls Mutter hat entschieden ihre große Liebe hinter sich zu lassen und sucht den Neubeginn. Paul will mit dem neuen Freund aber nichts zu tun haben, glaubt er, dass sein Vater zurückkehren wird. Der Schwermut hat ihn gepackt, daran können auch die Sommerferien nichts ändern.

    Doch dann findet er im Arbeitszimmer das Notizbuch seines Vaters, in welchem die Wegbeschreibung aus einem Sagentext in Versform aufgeschrieben ist, sowie eine Karte mit Zeichnungen landschaftlich besonderer Merkmale, die Pauls Vater anhand des Sagentextes angefertigt hat. Paul beschließt den Weg zum Schatz auf sich zu nehmen, um seinen Vater zu finden. Heimlich nimmt er Reißaus und sein Freund Max begleitet ihn dabei.

    Vom Grundmuster erinnert die Geschichte ein wenig an "Tschick": Zwei Jungs, am Beginn der Pubertät, auf einer Abenteuerreise, aber hier geht die Reise durch die Schwäbische Alb, eine sagenhafte Landschaft mit urtypischen Wäldern und einzigartigen Panoramen. Es kann schon gut sein, dass man 20-30 Kilometer läuft und keine Siedlung vorfindet, d. h. auch kein Geschäft für Lebensmittel. Ich werde dort auch noch ein paar Touren machen.

    Sowohl Paul als auch Max haben Entwicklungsaufgaben. Da ist die Pubertät mit dem Erwachen der Sexualität, Leistungsprobleme in der Schule, berufliche Zukunft, Verlust des Vaters, der neue Freund der Mutter, Gewalt in der Erziehung, eine Freundschaft zwischen Jungs, die auf die Probe gestellt wird. Auf dem Weg werden sie zudem noch vor körperliche Herausforderungen gestellt und müssen lernen sich in der Natur zu orientieren. Man darf hier kein Survival-Film erwarten, brauchen die beiden mehr Glück als Verstand. So sind die Aufgaben, die sie zu bewältigen haben eher niederschwellig.

    Ähnlich wie bei "Tschick" wirken die beiden Jungen authentisch. Es gibt rüdes Verhalten, ein bisschen Slang, so dass man nicht den Eindruck hat, dass hier eine von Erwachsenen verklärte Version von Jugendlichen gezeigt wird. Es werden jedoch die positiven Aspekte von ländlich behüteter Erziehung hervorgehoben, so dass die beiden zu tauglichen Rollenmodellen für kindliche und jugendliche Zuschauer werden können.

    Es gibt ein paar abenteuerliche Szenen mit intensiver Spannung, geisterhaften Erscheinungen in Träumen und Momente mit Horror, in welchen selbst mir ein kalter Schauer über den Rücken lief. Ich habe dieses Abenteuer von Anfang bis Ende genossen. Inhaltlich halte ich den Film für besonders wertvoll ab dem Grundschulalter bis 12 Jahre, wobei die etwas Jüngeren überfordert sein können, habe ich schon einige Zweitklässler gesehen, die sich bei "Harry Potter" oder "Vayana" weinend verkrochen.

    Als Erwachsener vergisst man sehr schnell wie zart das kindliche Gemüt ist. Könnt ihr euch daran erinnern, wie ihr als Kinder vor manchen Erwachsenen Angst hattet, wo ihr heute darüber lacht?

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      OUROBOROS 28.05.2023, 15:43 Geändert 28.05.2023, 15:56

      Das Peter Thorwarth ein Meister seines Fachs ist, das hat er für mich mit der Ruhrpott-Trilogie bewiesen. Doch bei "Blood & Gold", da fehlte mir ein bisschen der Humor aus den vorgenannten Werken.

      "Blood & Gold" hat bei aller Überzeichnung, etwa durch Alexander Scheer als SS-Oberschurke, ein Action-Drama geschaffen, das auch ernste Themen bedient. Als besonders positiv möchte ich hier den jungen Downie Simon Rupp hervorheben. Das würde ich mal gelungene Inklusion nennen. Er spielt die Rolle von Elsas Bruder, welche ihm auf den Leib geschrieben wurde glaubhaft und wächst sogar als Held über sich hinaus. Lebensunwert? Eugenik in die Fresse!

      Da ist noch Alexander Scheer, ein Schauspieler den irgendwie jeder kennt. Seine Persönlichkeit ist wohl von Natur aus überzeichnet. Das ist ein heißer Ritt auf schmalem Grat zwischen genial und drüber. Ich mag das normalerweise, aber hier hat mir ein Quäntchen mehr Bösartigkeit und Souveränität gefehlt. Der Cast ist professionell besetzt, doch ein zwei Dialoge sind reingerutscht, bei welchen mir Ausdrucksstärke fehlt. Marie Hacke hat mir allerdings besonders gut gefallen, auch im Zusammenspiel mit Robert Maaser. Beide könnten auch größere Rollen spielen, gerne wieder.

      Am aufregendsten fand ich die Kulissen, die wirklich aussehen wie 1945. Ein Dorf mit imposanter Kirche, aber alles ziemlich heruntergekommen, eben so wie es im Krieg wohl aussah. Da habe ich mich schon gefragt, wo es so eine Kulisse gibt. Die kann man doch unmöglich gebaut haben. Es sieht wirklich aus, als sei die Zeit stehengeblieben in dem Ort. Aber das liegt an der Kirche, die es wirklich so gibt in Tschechien. Aber der Rest des Ortes ist CGI. Man kann das Haus, das zum Gasthaus "Zum Kronprinzen Rudolf" wird, bei google-maps sehen. Da haben sie schon unglaublich viel mit CGI verändert, was man gar nicht bemerkt.

      Die Dramaturgie ist okay, ein wenig mehr Spannung wäre besser gewesen und der Story fehlt mir noch das gewisse Etwas, mehr Abenteuer, mehr Immersion und eben mehr schräger Humor. Die Anfangsszene wirkt wie geklaut aus "Der Hauptmann". Der hat ganz klar beim schrägen Humor die Nase vorn und ist hier die bessere Referenz für Nazi-Ulk.

      Eine Seh-Empfehlung gebe ich trotzdem, weil es kein typisch deutscher Mainstream ist, sondern eher was aus der Nische.

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        OUROBOROS 26.05.2023, 17:50 Geändert 26.05.2023, 17:58
        über Memento

        Als ich den Film damals ganz frisch veröffentlich gesehen habe, da waren die Nolans noch ganz arme Schweine. So einen Film habe ich noch nicht gesehen. Und es war einer der ersten Filme in meinem Leben, die ich sooft gesehen habe, bis ich jeden Frame analysiert habe.

        Es hat wirklich lange gedauert, bis ich verstanden habe, wie das alles geschnitten war. Zuerst dachte ich, es wäre so schwer zu kapieren, weil ich zu stoned war.

        Der Effekt der aufeinander zulaufenden Sequenzen ist, dass man bei der Farb-Sequenz Szenen sieht, bei welchen man die vorausgegangene Handlung-Szene nicht gesehen hat, weshalb man nicht wissen kann, was vorher passiert ist. Dadurch gelingt es genialerweise das Erleben - Verlust des Kurzzeitgedächtnis - von Lenny auf den Zuschauer zu übertragen. Da THC das Kurzzeit-Gedächtnis schwächt, wird der Effekt dadurch noch viel stärker.

        Den Film zu analysieren gelingt wesentlich leichter, wenn man nicht unter dem Einfluss von THC steht, weil das schizophrene Erleben Lennys sonst ebenfalls nicht erkannt wird. Das liegt daran, dass THC schizophrene Zustände triggern kann. Der Film ist also im Stande einen THC-Konsumenten nachhaltig zu verwirren. Aber selbst im klaren Kopf ist es schwer zu im Kopf zu ordnen, dass er Film aus zwei Sequenzen besteht, nämlich einer in Schwarz-Weiß und einer in Farbe. Die SW-Sequenz läuft mit ihren Teilen ganz normal chronologisch vorwärts, während die Teile der Farb-Sequenz in der Reihenfolge rückwärts abgespielt werden. Das führt dazu, dass sich die beiden Sequenzen irgendwann treffen. Das Aufeinandertreffen der Sequenzen findet zweimal statt, nämlich wenn das Polaroid sich entwickelt. In einer Szene entwickelt sich das Polaroid zu einem schwarz-weißen Foto, in der anderen Szene zur einem Farbfoto. Das ist auch der Moment wo der Film seine Möbius-Schleife hat.

        Ich denke, dass ich gut erklärt habe, warum dieser minimalistische Film wahrhaft genial ist. Das ist im Prinzip kein Handlungsspoiler und nicht wirklich eine Hilfe die Handlung zu verstehen.

        Nun zur Lösung...

        EXTREM-SPOILER und Kurz-Lösung

        Lenny ist Sammy, aber er hat es vergessen. Er hat damit auch vergessen, dass er seinen Frau selbst umgebracht hat und deshalb den Mörder nicht finden kann. Er jagt sich selbst. Noch schlimmer: Die Hinweise, die er findet und sich eintattowiert sind falsch, aber er bemerkt es nicht, weil er es immer vergisst und seine einzige Erinnerungshilfe die falschen Tattoo-Informationen sind. So dreht sich die Jagd immer wieder im Kreis und er tötet einen vermeintlich neuen Killer seiner Frau.

        Das Lenny tatsächlich Sammy ist ergibt sich, wenn man sich die Szene anschaut, wo Sammy im Rollstuhl sitzt und ein Psychologe vorbei geht. Nur wenn man sich diese Szene unbedingt in Zeitlupe anschaut, dann wird der Frame gezeigt, wo nicht mehr Sammy im Rollstuhl sitzt, sondern Lenny.

        "Following" ist ebenfalls ein außergewöhnlicher Film für Gourmets.

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          So einen deutschen Film habe ich noch nie gesehen, einer der gegen den Mainstream ist, vielleicht mit geringen Budget aber mit gutem Handwerk.

          Die Story ist natürlich primitiv, doch filmisch ist das ein sehr gutes Niveau. Besonders haben mir die Interviews der Gaffer gefallen und das Spektrum der Meinungen zur Todesstrafe. Das wirkte in den meisten Fällen sehr authentisch. Diese Gesellschaftskritik und Medienkritik erinnert mich doch an "Natural Born Killers".

          Ziemlich gelungen sind auch die Schießereien und die Granaten-Explosion. Die musikalische Gestaltung hat mir sehr gut gefallen, mit Agenten-Gangster-Sound von Francesco De Masi.

          Der Film hat eine simple Message, dass sich Verbrechen nicht lohnt, aber Amadeus August kam mir zu schnell auf die schiefe Bahn. Er hat bei zwei Folgen Dallas mitgespielt. Mit 50 ist er gestorben. Christina Böhm, ist wenige Jahre später mit 27 bei einem Unfall gestorben. Gila von Weitershausen ist ein Name, den man im Deutschen Film kennt, genauso wie Raimund Harmstorf, den ich hier in einer ähnlichen Rolle sehen konnte wie in "Der Seewolf". Da ist ihm auch kein Menschenleben etwas Wert.

          Insgesamt hätte ich Lust auf mehr von diesem Regisseur.

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            Den Aufstieg von Hape Kerkeling habe ich miterlebt, wie er die biedere deutsche Fernsehlandschaft aufgemischt hat mit der Sendung "Total Normal" auf ARD. Danach hat mir von ihm nichts mehr so gut gefallen wie diese Sendung.

            Die "Hurz"-Kunstsatire, die Mitropa-Kaffeemaschine oder "Nie wieder Krieg...ich einen Kaffee bei dir" oder verkleidet als Königin Beatrix sind nur ein paar Höhepunkte seines jungen kreativen Schaffens. Viele Jahre später, hat er mich dann erneut mit "Ich bin dann mal weg" gekriegt.

            Es war also Zeit sich diesen Film über die Kindheit einer Legende anzuschauen. Der kleine Bub, der ihn spielt, macht das grandios, ich fühle mich auch in die Zeit hineinversetzt, wie damals so die Familienverhältnisse und das Leben mit Kaffee, Kuchen und Eierlikör so waren. Das ist unheimlich authentisch eingefangen. Bei der ganzen Komik hat mich Luise Heyer auch wieder voll erwischt. Ich sehe sie so gerne und was habe deshalb mitgelitten.

            Aber der Film schafft es grandios Leid und Freude auf eine süße Art zu vermischen. Ich fühle mich an den bayrischen Film "Wer früher stirbt ist länger tot" in Erinnerung, ebenfalls eine Film der auf der gleichen Gefühls-Klaviatur spielt, innovativ dazu.

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              OUROBOROS 17.05.2023, 18:05 Geändert 17.05.2023, 18:17

              Schließe mich meinen Vorrednern an. Der Film ist nicht nur low-budget sonder auch low-quality. Für die miesen Synchronsprecher kann der Film nix, aber die Dialoge sind schon sehr uninspiriert und dröge. Das Hotel ist ein modernes Luxus-Hotel und alles ist so hell und freundlich, dass man hier eher Urlaub machen möchte und sicher keinen Grusel vermutet. Sicher konnte man das während dem Corona-Lockdown kostengünstig als Kulisse buchen. Als dann noch die Geschichte des Hotels zur Einführung von unbegabten Schauspielern dargebracht wird, merkt man, dass schon die Story so blöd ist, dass echt nichts besseres folgen kann. Abbruch nach 15 Minuten.

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                OUROBOROS 16.05.2023, 18:50 Geändert 16.05.2023, 20:58
                über Crater

                Die Erde ist fast unbewohnbar geworden, weshalb die Menschen, die es sich leisten können eine 75-jährige Reise im Cryoschlaf zum Planeten Omega buchen. Calebs lebt mit seinem Vater in einer Kolonie auf dem Mond unserer Erde, denn er er ist Minenarbeiter für Helium 3, womit die Schiffe getankt werden, die zu Omega fliegen. Die Arbeiter können sich solch einen Flug nicht leisten, sind sie meistens hochverschuldet mit Arbeitsstunden, die sie noch nachholen müssen. Es kommt nicht selten vor, dass ein Sohn, die Arbeitsstunden des Vaters abarbeiten muss und dann noch seine eigenen.

                Doch als Calebs Vater bei einem Arbeitsunfall stirbt, greift das Programm für Waisen. Caleb wird von einer Familie auf Omega adoptiert und soll in 72 Stunden abreisen. Eigentlich will er das gar nicht, weil er seine liebgewonnen Freunde nicht verlassen will, doch er hat keine Wahl. In den letzten 72 Stunden unternehmen sie jedoch noch eine Reise auf dem Mond, denn Calebs Vater hat ihm erzählt, dass es in einem Mondkrater ein Geheimnis gibt. 5 Kids machen sich während eines Lockdowns, der wegen Meteoritenschauers ausgerufen wird, auf dem Weg zu dem besagten Krater.

                Es handelt sich hier um einen kleinen Abenteuer-Film für Kinder unter 10 Jahren, wobei die Schauspieler und Schauspielerinnen so um die 16 Jahren sein dürften. Das hat schon seinen Sinn, weil natürlich kleine Kinder auf ein paar Jahre ältere Kinder und Jugendliche als Rollenvorbilder schauen. So ist der Film sehr harmlos und trotzdem ist er ein wenig traurig. Das liegt an der Öko-Message und auch an der Kapitalismuskritik. Mir hat das gefallen und ich denke auch, dass dies ein Bewusstsein bei Kindern erzeugen kann, die Welt zu einem besseren zu wandeln.

                Unter anderem geht es um alte Freundschaften und neue Freundschaften, über sich hinaus zu wachsen, familiäre Verluste zu überwinden und neu beginnen zu können. Vielleicht ist es in 200 Jahren einmal möglich so weit zu reisen und das Szenario damit nicht unmöglich.

                Von dem Abenteuer auf dem Mond habe ich ja doch viel weniger erwartet, doch dann haben sie mit Fantasie etwas mehr geschaffen. Mit der Musik und dem harmonischen Spiel der Kids war das für mich eine runde Sache, wenn auch nicht ganz so großartig wie Disney Filme eben sein können.

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                • OUROBOROS 08.05.2023, 20:54 Geändert 11.05.2023, 16:51
                  über Beef

                  Hatte die Erwartung, dass das hier zu einem unterhaltsameren und komischeren "Unhinged - Außer Kontrolle" werden würde. Deshalb war ich bestimmt 20 Minuten sehr angetan von dem "Beef" zwischen den beiden, doch dann habe ich mich drei vier Folgen dahingeschleppt. Mir hat die Musik in der Kirchengemeinde gut gefallen. Konnte nachvollziehen, warum er hier Tränen vergossen hat. Aber die Serie hat mich nicht mitnehmen können mit ihrer Story. So bleibt mir die Moral der Geschicht gegen Ende versagt. Bestimmt gab es die auch für mich schon anderswo zu erfahren.

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                    OUROBOROS 08.05.2023, 20:37 Geändert 08.05.2023, 20:50

                    Sorgen im Gepäck, familiäre Probleme, Erwachsenwerden und andere sensible Lebenssituationen, die bewältigt werden müssen, treffen auf verschüttete Empathien zwischen zwei Menschen. Die gegenseitigen Kränkungen, treffen den einen härter, es entsteht eine labile Verfassung. Unreife bzw. unüberlegte Entscheidungen, die keine harmlosen Konsequenzen haben, bewirken eine chaotische Spirale unglücklicher Umstände in einem Beziehungsgeflecht von Menschen, die sich zu gut kennen oder jeden Tag aneinander vorbeilaufen. Der Mensch ist am Anschlag, nur ein Tropfen fehlt, der das Fass zum Überlaufen bringt. Schließlich versagt die Impulskontrolle.

                    Am Ende ist es das Drehbuch und eine exzellente Dramaturgie, sowie das handwerkliche Können des Regisseur Parallelhandlungen aus einem unübersichtlichen Netz von Akteuren und ihren Schicksalen langsam zu einem Knoten zu verweben, welcher im Finale so eskaliert, dass er platzt. Ich würde sagen, dass es wieder ein österreichisches Filmwerk ist, das es mühelos schafft sogar eine Serie in TV-Optik zu einer Attraktion zu machen.

                    Den Rest erledigen Schauspieler, die allesamt ein gehobenes Niveau für das Schauspiel repräsentieren. Murathan Muslu sehe ich eigentlich ganz gerne als beherzten Akteur mit dem Herz am richtigen Fleck, doch er schockt mich hier mit einer tragisch chaotisch-bösen Rolle. Aber auch einige andere Charaktere scheitern nicht daran glaubhaft den Eindruck zu machen, sie könnten der Attentäter sein. Direkt zu Anfang wird uns das Finale der Staffel vor Augen geführt, doch Opfer und Täter:in bleiben uns unbekannt. Immer wieder werden einem negative Vorausdeutungen präsentiert, doch das sind alles Fragmente, die einen kein Stück weiter bringen, genauso wenig wie die sich zuspitzenden Schicksale, die uns scheinbar Motive liefern. So können wir wohlfeil dasitzen und kühn spekulieren, wer das schwächste Glied in der Kette sein wird. Hier sind wir Gaffer, wir sind unbeteiligt, können nicht einschreiten, dazu hat uns das Fernsehen zur Passivität verdammt.

                    Dass es Fiktion ist, mag uns hier von unserer Untätigkeit freisprechen. Doch das ist kein Logik-Spiel. Es findet täglich in unserer Gesellschaft statt. Dein Nächster könnte deine Hilfe gebrauchen, vielleicht reicht nur ein Kompliment oder eine positive Bestätigung und das Schlimmste wird verhindert. Das kostet uns nicht wirklich viel. Und trotzdem versagen wir täglich daran, anderen Menschen Aufmerksamkeit und Wertschätzung zu geben. Lieber verurteilen wir. Am schlimmsten ist es, wenn wir uns mit unserer guten Stimmung über schlechte Stimmungen hinwegsetzen oder das Unglück eines Menschen vollumfänglich als seine eigene Schuld abtun.

                    Kein Mensch ist ohne Fehler, denn kein Mensch ist vollkommen. Manche Fehler bleiben ungestraft, andere werden über Gebühr bestraft. Jeder Mensch braucht deshalb Vergebung und Aufmunterung, für das Scheitern am dem Versuch gut zu sein. Wie schnell vergisst man es, wenn man selbst vom Glück gesegnet ist, dass das Leben auch anders kann.

                    Es gibt einige Filme und Serien, in denen das Ende schon feststeht, aber die Entwicklung dahin ein kompliziertes Netzwerk aus Handlungen und Zufällen ist. Ob nun "Magnolia" oder "L. A. Crash" oder "11:14", das sind nur Beispiel für eine ähnliche Erzählstruktur, bei welcher vor allem wichtig ist, dass ein Teil der Menschen sich sehr gut kennt, ein anderer Teil sich nur ab und zu über den Weg läuft, bis es zu diesem Knoten kommt, an dem alle aufeinandertreffen. An dieser Stelle birst die angestaute Flut aller getroffenen Entscheidungen und entlädt ihre Kraft auf die Opfer.

                    Die Wertung ist nur deshalb nicht höher, weil es eben keine audiovisuelle Veredelung für das Kino besitzt.

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                      Bei Shyamalan kann ich meistens die Idee und das filmische Handwerk loben, doch Dramaturgie beherrscht er nicht, weshalb die meisten seiner Filme hinten raus abschmieren. Das ist auch hier wieder passiert.

                      Er hat einfach kein Gespür für Tempowechsel und Spannungsanstiege. Alles hat ein und dasselbe Tempo. Stark finde ich hier aber die psychologischen Aspekte für die Echo-Kammer, Fake News und induzierte Wahnstörung, wobei der letzte Begriff nicht explizit auftaucht.

                      [SPOILER SPOILER SPOILER]

                      Da ich nicht an übernatürliche unbewiesene Dinge glaube, hätte ich mich genauso verhalten wie diese Familie. Deshalb habe ich auch weniger Spaß, wenn das Ende dann übernatürlich apokalyptisch wird, also einen Gott verkündet, der unschuldige Menschen tötet, weil ein Teil der Menschheit nach den Geboten eines Buches unmoralisch gehandelt hat.

                      Was will uns der Film sagen?

                      Es gibt doch einen Gott und er ist ein Arschloch, weil er Dinge verlangt die gegen die Vernunft sind.

                      Nicht missverstehen! Ich glaube an Gott, aber an einen der nicht willkürlich handelt und gegen die Vernunft, wie hier bei Shyamalan. Immerhin ist die Vernunft das einzige Geistesgeschenk, das uns Ethik und Moral erkennen lässt. Wenn Shyamalan hier eine Satire beabsichtigt hat, dann ist das jedenfalls nicht deutlich geworden.

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                        OUROBOROS 03.05.2023, 20:14 Geändert 03.05.2023, 20:20

                        Eine Staffel hätte man daraus machen können. Gehört unbedingt zur Serie dazu. Bildet den Abschluss der Historie und beendet das worum es von Anfang an geht.

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                          OUROBOROS 03.05.2023, 20:13 Geändert 03.05.2023, 20:35

                          Als ich dem Geschichtswissenschaftler meines Vertrauens freudestrahlend davon berichtete, dass ich mit "The Last Kingdom" begonnen habe, meinte er nur "geht so, ist halt Fantasy". Das war ein ordentlicher Hieb, aber er würde seiner Qualifikation nicht gerecht, wenn er sein wissenschaftliches Niveau nicht verteidigte.

                          Er hat schon Recht, denn die Chroniken der Angelsachsen aus dieser Zeit sind nicht glaubwürdiger als die Teile der Bibel, die einen historischen Kern haben. Die Römer waren hier zuverlässiger, denn da wusste man wenigstens einzuordnen was Propaganda und was Wahrheit war. Es ist aber wahr, dass Alfred der Große derjenige war, der das Dark Age beendete, welches nach dem Wegfall der römischen Geschichtsschreibung entstanden war. Sagen wie das Nibelungenlied, das Artuslied oder das Rolandslied, sind Relikte eines dunklen Zeitalters ohne Chronisten. Mehrere hundert Jahre Geschichtsschreibung sind verschollen und wurden zusammengepresst in wenigen mündlich überlieferten Liedern, die zusätzliche Drei- oder Vierhundert Jahre später erst aufgeschrieben wurden, eingekleidet in ein Hochmittelalterliches Kostüm, das die Zeit in Zelten oder Holz- und Lehmbauten mit feinstem Tuch und Goldglanz ausstattete, keltische um christliche Mysterien ergänzte und miteinander verschmolz, dass daraus eher eine anachronistische multikulti Märchen entstanden war.

                          Dafür dass "The Last Kingdom" so unhistorisch sein soll, hat man versucht so gut wie möglich an die Lebensbedingungen der Spätantike anzuknüpfen. Der Prunk des Mittelalters, der eigentlich auch anachronistisch ist, weil grundsätzlich Mittelalter und Renaissance romantisch in der Literatur so vermischt wurden, dass der Konsument gar nicht mehr den Unterschied kennt, auf den hat man in "The Last Kingdom" stark verzichtet. So residiert der König von Wessex in einer alten römischen Villa in Winchester, welche in einem bemitleidenswerten Zustand ist. Die Römer waren viel kunstfertiger und entwickelter, so leben die Angelsachen eigentlich in römischen Ruinen. Der Kreuzgang im Innenhof der Villa ist immer wieder Schauplatz von Ränkespielen in "The Last Kingdom". Die Kelten waren bekannt für ihre filigrane Kunst, von der sogar die Angelsachsen schwärmten. Ich erinnere nur an die Szene als der angelsächsische Bischof Tränen in die Augen bekommt als man ihm eine Kreuz-Reliquie aus dem keltischen Wales überreicht. Er kommentiert es auch entsprechend.

                          Die Germanen, so auch die Angeln und Sachsen waren dafür bekannt, dass sie in einer Sache sehr gut waren. Sie wussten was Wert hatte, was tauglich ist und kunstfertig, weshalb sie sich auf das Plündern konzentrierten. Seit die ersten Germanen sich in der Steppe des fernen Ostens aufgemacht hatten, bewegten sie sich mit Pferden von Ort zu Ort fort, um Beute zu machen. Das war durch Raubzüge erbeutet wurde, war mehr Wert, als das was du eigene Hände Arbeit geschaffen wurde. Der vorläufige Endpunkt der Völkerwanderung der germanischen Stämme sind die britischen Inseln. Dahinter kommt der Atlantik. Von der Besetzung Britanniens durch Germanenstämme, deren Vereinigung zum Vereinten Königreich, bis zur Eroberung der neuen Welt Amerika, sollten wieder ein paar hundert Jahre vergehen.

                          Bis dahin mussten die Germanenstämme im heutigen Britannien, Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland erst einmal saturiert werden. Jedes Land für sich hatte einen Entwicklung zur Nation, was von der ursprünglichen Idee der Stammeszugehörigkeit stark abwich. Alle waren einmal Germanen, heute sind sie Briten, Franzosen, Deutsche usw. wobei sich ihre Sprache auch voneinander wegentwickelt hat. Sprachwissenschaftler gehen davon aus, dass die Nuancen der germanischen Sprache so eine Bandbreite hatte, dass damals tatsächlich zwei sich verstehen konnten die 3000 Kilometer voneinander getrennt lebten. Natürlich waren die reisenden Edelmänner, die sich das leisten konnten auch eher jene, die diese vielen Dialekte verstehen konnte. Man kann auch heute noch feststellen, dass Deutsche weniger Probleme haben Englisch zu verstehen, wobei z.B. die Franzosen fränkisch so sehr latinisiert haben, das es eben nicht gelingt. Interessant ist aber, dass das heutige Englisch keltische, normannische fränkische, sächsische, lateinische und französische Wörter enthält. Schwein heißt in England entweder Swine, Porc oder Pig. Es ist das Wort für Schwein aus drei verschiedenen Sprachen, aber es wird unterschiedlich eingesetzt. Mit dem einen ist das Stalltier gemeint, mit dem anderen nur Schweinefleisch, mit letzteren die Spezies im Allgemeinen.

                          Hat sich mal jemand gedanken gemacht, was "Window" eigentlich bedeutet. Es bedeute "Windauge". Würde ein deutscher Sachse Windauge sagen, würde es wie Windöuw klingen, fast so wie bzw. nicht nur fast so wie man es im englischen ausspricht. Da ist aber noch ein Problem. Die Sachsen in England kamen aus dem Gebiet von Niedersachsen und nördlicher. Sie haben nichts mit den Sachsen in Ostdeutschland zu tun. Dazu gibt es aber Legenden bzw. erfundene Geschichten, die schon hunderte Jahre alt sind, die diesen Zusammenhang herstellen wollen. Aber das ist leider noch weniger beweisbar als die Existenz eines historischen Jesus. Die Leute reimen sich da gerne was zusammen. Ist halt auch eine Art romantische Sinnstiftung. Aber wer sich im Leben nichts taugliches einbildet, der hat ein langweiliges Leben.

                          Genauso ist es wohl eine romantische Sinnstiftung, dass mein Großvater Alfred Engel hieß. Er erzählte mir von Alfred dem Großen, dem König der Angelsachsen. Sein Familienname Engel leitet sich nicht vom dem Himmelwesen ab, sondern von dem Stamm der Angeln. Von daher war es schon sinnstiftend führ ihn, dass man ihn Alfred nannte. diesen Namen hatte er in den 1920er Jahren bekommen, einer Zeit in der der Nationalsozialismus und das Völkische Gedankengut noch nicht so bestimmend waren, dass man sagen könnte, er wäre deshalb mit einem solchen Namen bedacht worden. Seine Söhne erhielten teils christliche Namen, aber einer wurde Alfred jun. genannt. Hildegard und Gudrun nannte er dann seine Töchter. Letztere ist meine Mutter. Sie passen alle auch gut in das Bild des nordischen Phänotyps, ich bin jedoch anders und betrachte das Geschehen in England also mit einem gewaltigen Abstand. Übrigens haben die Kinder meines Großvaters gar kein Interesse an diesen Dingen. Mein Vater, der mir vom Phänotyp am meisten vererbt hat, sowie dessen kelto-germanischen Namen, hat mit dann auch noch einen Vornamen beschert, der sich gut in jeder Prophezeiung machen würde. Bisher hat sich jedoch keine Prophezeiung erfüllt. Aber so erging es auch vielen in "The Last Kingdom".

                          Uthred von Bamburg hatte jedenfalls kein Leben, das ihn "nicht" in die Geschichtsbücher brachte. Es gab zwar einen Uthred als angelsächsischen Lord, aber über den ist nichts bekannt, was hier so in der Serie erzählt wird. Vielleicht hat man ihn deshalb ausgegraben und zum geheimen Held der Serie gemacht. Er steht ja praktisch für die unweigerliche Inkulturation, d. h. der vielen angel-sächsisch-dänischen Mischlinge. Er ist als Angelsachse geboren, wird aber dänisch und heidnisch erzogen. Da die Angelsachsen den Franken bei der Christianisierung folgten waren Dänen mit Glauben an Odin und Co. den Christen ein Dorn im Auge. Es gab Bischöfe, die die Verbreitung des christlichen Glaubens mit Gewalt verurteilten, aber sie waren in der Minderheit.

                          Immer wieder kämpft Uthred für König Alfred, der ihm verspricht seine Ehre als Lord von Bamburg wieder herzustellen. Das zieht sich über die meisten Staffeln. Es erinnert an die Nibelungensage, wo König Gunter immer wieder neue Forderungen an Siegfried stellt. Gunter ist ein Christ, Siegfried ein Heide. Alfred ist ein Christ, Uther ein Heide. Es ist überhaupt ein wiederkehrendes Sagen- und Märchenelemente, dass die Könige ihre Handlager um ihre Lohn betrogen haben. "Töte den Drachen, dann bekommst du mein Königreich zur Frau und erhältst meine halbe Tochter". Pustekuchen, Satz mit X war wohl nix. Das ist wie einen störischen Esel zu reiten in dem man ihm mit einer Angel eine Karotte vor die Nase hält.

                          "The Lost Kingdom" hat mich gut unterhalten, nicht sehr gut, dafür aber dauerhaft gut. Es ist vom Worldbuilding und den Kulissen kein 'Game of Thrones' dafür trotz des Unterhaltungsanspruchs historisch einigermaßen korrekt. Für meinen Geschmack sind die Lovestories mir viel zu viel, was ich selten bemängele, mehr als bei GoT, das will was heißen, aber die Kämpfe sind sehr gut choreografiert, zahlreich und blutig.

                          Den Kommentar für den Film "The Last Kingdom" spare ich mir, der ist mit eingeschlossen. Man sollte es sehen, auch wenn man daraus eine Staffel hätte machen können. Dann muss man eben mit der Schnellreisefunktion wie bei GoT oder "Herr Der Ringe - Die Rückkehr des Königs" im Finale leben.

                          8 von 10 Punkten.

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                            Mit Freude erwarte ich die Fortsetzung der Miniserie "1883", wobei die Zeitlinie exakt in "1883: The Bass Reeves Story" weitergeführt wird.

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                              Der Titel "Wir könnten genauso gut tot sein" hat mich doch angelockt, denn aus ihm hörte ich eine Prise Ironie heraus. Bekommen habe ich eine leicht kafkaeske Geschichte, was mich grundsätzlich anspricht. Gelungen ist es eine Welt zu kreieren, die etwa an die Serie "Severance" erinnert, denn alles spielt in einem isolierten Kosmos, in welchem es nur das Hochhaus und die mit Stacheldraht umzäunte Außenanlage des Gebäudes gibt. Das hat etwas interessant und dezent Surreales.

                              Wer hier einziehen darf bestimmt eine Hausgemeinschaft in einem Konferenzraum, als wären sie ein Konzern. Doch arbeiten tut hier nur eine, nämlich die interne Haus-Security. Kontakt mit der Außenwelt, wie etwas über Radio, Fernsehen, Internet oder anderen Medien gibt es hier nicht. Das einzige was man weiß ist, dass sich Menschen außerhalb der Wohngemeinschaft darum reißen, in das Haus einziehen zu dürfen, weil die Gesellschaft eine Bedrohung darstellt. Warum das erfährt man nicht.

                              Neben einem Golfplatz, gehört auch eine Turnhalle und ein Schwimmbad zur Anlage. Es ist wohl ein idyllisches Fleckchen. Es scheint eine Arche zu sein, doch bald kommt einiges durcheinander. Zuerst verschwindet ein Hund, dann wird ein versuchter Einbruch gemeldet und schon verbreitet sich eine Hysterie unter einzelnen Bewohnern. Man vermutet, dass alles noch schlimmer kommen wird. Eine Paranoia entsteht sogar. Eine Bürgerwehr gründet sich, einzelne Personen versuchen Druck auf anderen auszuüben. Ein ganz schöner Schlamassel entsteht und dabei ist alles nicht so wie es scheint. Das kann der Zuschauer beobachten.

                              Auch wenn die Inszenierung an vielen Stellen sehr gelungen ist, hat sie doch einzige Längen und mein Interesse fiel manchmal auf 0, doch insgesamt kann man sagen, dass es hier aber auch viele schöne Analogien gibt, die Parabeln auf unsere Gesellschaft darstellen, wie ein überhöhtes Sicherheitsbedürfnis, Verschwörungserzählungen, autoritäre Entwicklungen, die sich hier erkennen lassen. Nicht immer ist klar, was die Dinge so bedeuten, gibt es auch surreale Momente in dieser sowieso schon seltsamen Erzählung.

                              Am Ende ist es mehr Arthouse als Massentauglich.

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                                Das hat ja lange gedauert, bis ich endlich zu "The Last Kingdom" gefunden habe. "Vikings" interessiert mich eher weniger, weil man Fokus mehr auf der germanischen, römischen und vor allem keltischen Geschichte liegt.

                                Die Wikinger sind eher ein Phänomen bei welchem man in der letzten Zeit, in der Geschichtswissenschaft neu darüber nachdenkt, ob man wirklich von einem heterogenen ethnischen Verbund sprechen kann. Scheint es eher ein wirtschaftlicher Verbund gewesen zu sein, der vor allem in den Küstenregionen Skandinaviens im Ostseeraum seinen Ursprung hatte. Ein Stammesverbund von Wikinger unter Rurik hat jedenfalls den Kiewer Rus besiedelt, der Geburtsort Russlands.

                                Die Kelten finde ich eben interessant, weil sie die meisten mythologischen Elemente für die Artussage und Nibelungensage liefern, wobei Germanisten davon ausgehen, dass Germanen diese mythologischen Elemente ihren eigenen spärlichen vorgezogen haben. Die Kelten haben nichts aufgeschrieben, weshalb die keltischen Sagen in germanischen Sprachen verschriftlicht wurden. In Irland und Wales haben aber Druiden, die zu christlichen Mönchen konvertiert sind, ebenfalls kleine Mythen und Sagen verschriftlicht.

                                Bei "The Last Kingdom" ist sehr schön dargestellt, wie pagane Kulte sich mit christlichen Vorstellungen vermischen. Diese Inkulturation hat überall in Europa stattgefunden. Das Christentum ist in Europa nicht mehr in der Reinform vorhanden, wie es in Jerusalem begründet wurde. Die Römer hatten darauf großen Einfluss und bekämpften solche Heretiker, wie in der Serie im Königreich Cornwall dargestellt, an dem König mit seinem Priester und seiner Schattenkönigin-Zauberin.

                                Es gibt interessante Rededuelle zwischen Christen und Paganen, auch werden Zauberduelle angedroht. Schade dass in Staffel 1 noch keines dieser Zauberduelle stattgefunden hat, welche Mönche in Irland und Schottland aufgeschrieben haben. Im 9. Jahrhundert war das Christentum wohl links der Elbe dominierend, ausgenommen die Skandinavier. In der ersten Staffel sind hier die ärgsten Gegner die Dänen, doch auch dort bröckelt der Widerstand. Aber es zeigt sich real-historisch, dass wie auch bei Chlodwig die Konvertierung zum Christentum eher ein machtpolitischer Akt war um Bündnisse einzugehen. Ich weiß nicht ob man so hart um Polytheismus und Monotheismus gestritten hat.

                                Aber am Ende war es wohl auch immer "Mein Gott hat den Längsten".

                                Die übertriebene Frömmigkeit und Eiferei bei Christen scheint mir aber realistisch getroffen zu sein. Gibt es da ja heute noch Gruppierungen, die auf dem Entwicklungslevel stehen geblieben sind, den man kurz zusammenfassen kann mit "Glauben überwindet alles". Mir ist Glauben wichtig, natürlich muss man in guter Erwartung sein, um das Beste herauszuholen, aber das "Glauben überwindet alles" ist mir zu infantil. "Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied" oder wie Jesus am Kreuz sagt "Hilf dir selbst" ... "Dann hilft dir Gott".

                                Der erste Auftritt von Isolde (Charlie Murphy) hat bei mir krass eingeschlagen. Ich habe diese Szene als sehr stark empfunden. Insgesamt gibt die Serie viele qualitativ hochwertige Dialoge her, die mich an "Game of Thrones" erinnern. Auf dem Niveau ist man locker, aber "Game of Thrones" hat eben die größere Welt zu bieten und die aufwendigeren Kulissen. Wenn ich "The Last Kingdom" diese Punkte als nicht gegeben kann für das visuelle Aufwendige, müsste ich sie aber geben für das realistisch historische Setting. Das alte Römerkastell in Winchester wirkt farblos und grau, könnte mal eine Renovierung vertragen. Sicher hat es unter den römischen Erbauern besser ausgesehen. Aber die Germanen waren eben nicht so kunstfertig wie die Römer und Kelten. Schön finde ich es deshalb, dass man das auch bei der Ausstattung des Britannierkönig sehen kann. Die keltische Kreuzreliquie aus seinem Thronschatz und der wertschätzende Kommentar des angel-sächsischen Bischofs sprechen Bände.

                                Dankbar bin ich den Machern der Serie für die musikalische Untermalung durch Eivør Pálsdóttir. Hier gibt es ein Video mit ihrer Musik, aufgenommen Live auf der Alm eines Fjords. Wow was für eine Optik und was für ein Sound...

                                https://www.youtube.com/watch?v=wsl-KHGe4Kk

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                                  Das Budget für diese Märchenadaption war sicher gering, aber real-historische sowie surreale Elemente, eine bedrohliche Atmosphäre und die Angst der Kinder machen für mich dieses kleine Werk viel größer. Die Inszenierung gleicht einem Fiebertraum. Das ist meine filmische Lieblingsversion des Märchens.

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                                    "Arthus Gesetz" - biedere deutsche Schauspieler in völlig untypischen Rollen und vom Humor Richtung Fargo.

                                    Endlich gibt es die Serie auch woanders, als bei magenta-TV, nämlich bei AMAZON freevee, also kostenlos.

                                    https://www.amazon.de/Arthurs-Gesetz-Staffel-1/dp/B07P6XK5C8

                                    Arthur Ahnepol fühlt sich vom Leben betrogen, will ihm nichts gelingen, glaubt er zudem dass er besonders schlau ist. Aber eigentlich ist er ein Volltrottel, wie er im Buche steht. Arthurs Frau ist kaufsüchtig und damit er ihre Einkäufe weiter finanziert, verlangt sie von ihm, dass er einen Arbeitsunfall vortäuscht, bei welchem er sich seine Hand absägt, damit sie die Versicherungssumme kassieren können. Leider hat die Überwachungskamera im Betrieb alles mitgefilmt.

                                    Arthur ist nun auch noch arbeitslos. Frustriert nach einem Besuch bei der Sachbearbeiterin im Jobcenter betritt er die gegenüberliegende Kneipe. Eine Prostituierte nimmt sich ihm an, natürlich nichtsahnend, dass Arthur nichts zu holen ist. Aber irgendwie hat es gefunkt zwischen den beiden depressiven Charakteren. Das bleibt nicht ohne Folgen, denn der Zuhälter bekommt Wind davon und erscheint bei ihm zuhause. Damit beginnt das Unheil, wobei sich die Probleme multiplizieren und sogar potenzieren, mit der Folge, dass zu einer Serie von betrüblichen Sterbefällen kommt.

                                    ARTHURS GESETZ könnte man sicher als den besten deutschen Versuch bezeichnen den Coen-Brothers Humor aus FARGO auf deutsche Verhältnisse zu übertragen: Schwarzer Humor und Situationskomik. Dazu hat man eine originell deutsche Heimat-Erzählung gestrickt, welche Stereotypen und Klischees treffend persifliert und von skurrilen Charakteren und grotesken Szenen nur so überbordet. Sogar Nora Tschirner schießt hier den Vogel ab mit ihrer Performance und auch Liefers habe ich so noch nie gesehen. Hier gibt es wirklich hammerharte schräge Szenen, die einen unvorbereitet erwischen wie ein Nackenschlag und die Dramaturgie ist abartig aberwitzig bis zur letzten Szene.

                                    Es ist zu Schade, dass die Serie ein Alleinstellungsmerkmal in der deutschen Filmlandschaft darstellt. Coen Brothers-Freunde sollten unbedingt einen Blick riskieren.

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                                      Ein wenig auf den Pfaden von "Black Mirror" ist "K.I. - Die letzte Erfindung" unterwegs.

                                      Die Protagonisten dieses kleinen Filmes leben einem futuristischen Berlin. Die Kulissen sind hier ansprechend gelungen. Selbstfahrende Autos, Auto freie Innenstädte gehören zur Selbstverständlichkeit, nur ein paar Drohnen stören die Ruhe. Aktuelle Nachrichten berichten von einem Vorfall, bei welchem eine K.I. auf einer hawaiianischen Insel alle Menschen getötet hat. Die K.I. sollt eigentlich ein Vakzin finden um Bienen zu schützen. Das Ziel wurde erreicht, aber für Menschen war es leider tödlich.

                                      In Berlin ist man derweil besorgt in einem Unternehmen, das an einer K.I. arbeitet, wobei der Leiter gänzlich unbesorgt ist. Er kündigt an, dass diese K.I. die letzte menschliche Erfindung sein wird - weil sie von nun anstelle des Menschen erfindet. Das ist aber - wie im Titel des Films - sehr zweideutig.

                                      Unter anderem geht es darum, dass Jugendliche keine Job-Perspektiven mehr haben, weil sie sich nicht mehr selbst verwirklichen können. K.I. schreiben Romane, komponieren Musik, erzeugen von Fotografien und Filmen. Wer braucht da noch einen Menschen mit seiner Kreativkraft. Eine Spieleentwicklerin für VR und AR Anwendungen erfährt, dass man mit Data Mining mehr verdient als mit den Spielen. Ihr Freund will sich einen Chip einsetzen lassen mit dem er Zugriff auf alles Informationsquellen im Internet hat. Der Entwickler verspricht, dass man ab sofort alles automatisch weiß, als wäre es der eigene Gedanke. Träume lassen sich auch aufzeichnen und ansehen. Hier ist die Forschung heute schon soweit, dass sie Träume aufzeichnen können, aber die Bildqualität ist noch sehr schlecht. Dann gibt es noch eine Mitarbeiterin in der K.I. Entwicklung, deren Vater an ALS erkrankt ist. Sie erhofft sich vom Supercomputer Infos, die ihr helfen könnten.

                                      Immer wieder wird der Film unterbrochen und Kommentare von Wissenschaftlern eingespielt. Okay, dieser ZDF-Fernsehfilm ist weder "Blade Runner" noch "Ghost in the Shell" oder "Johnny Mnemonic", doch dafür ist er gefüllt mit einigen kritischen Zukunftsvorausschauen und Fragestellungen.

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                                        "Wer die Welt nicht von Kind auf gewohnt wäre, müsste über ihr den Verstand verlieren. Das Wunder eines einziges Baumes würde genügen ihn zu vernichten"

                                        - Christian Morgenstern

                                        Im Rahmen der Projektwoche "Bildung Nachhaltigkeit und Entwicklung" war ich mit der Grundschulklasse im Film "Die Eiche - Mein zuhause".

                                        Eine mehrhundertjährige Eiche bildet den Lebensraum für ein Eichelhäherpärchen, ein Eichhörnchen, eine Mäusefamilie, eine Kolonie Ameisen und Rüsselkäfer. Hin- und weder zu Gast sind eine Äskulapnatter, ein Fuchs, ein Dachs, eine Rotte Wildschweine ein Habicht und eine Eule. Mir war vorher nicht klar, dass eine Eiche so ein abgeschlossener Kosmos ist. So setzt man sich, wenn nötigt gemeinsam gegen die ungebetenen Gäste zur Wehr.

                                        Das besondere an dem Film sind Tieraufnahmen, die so manches Tier so zeigen, dass manche Emotionen sichtbar werden, wenn man die nötige Empathie besitzt. Besonders die Eichelhäher tun sich hier vor. Am Anfang zanken sie um das Futter und doch sind sie ein Paar. Einer wird von einem Habicht verfolgt. Die Verfolgungsjagd könnte nicht besser inszeniert sein. Bei der Rückkehr ist das Vogelpaar quasi aus dem Häuschen vor Freude. Der Rückkehrer wird sofort gepflegt. Lustig ist auch, wenn der stressige schwer erziehbare Nachwuchs endlich flügge ist, dann nimmt das Eichelhäherpärchen gemeinsam eine Auszeit und setzen sich auf einen weit entfernten Ast und beobachten ihre Brut. Dabei wirken sie, als wäre sie erleichtert, dass sie endlich von dem Fluch der Brutpflege befreit sind.

                                        Genauso mit Bravour werden auch die anderen Tierschicksale im Jahreskreislauf in Szene gesetzt. So erlebten wir eine Zeit von Spätsommer bis Frühsommer im Reich der Tiere mit. Klingt alles fast so, als wäre es eine Fabel, aber nein ist es ist ein geschickt gefilmter Tierfilm, der zum Beobachten einlädt. Manche Kinder sind allerdings schnell eingeschlafen. Die Aufmerksamkeitsspanne reicht für einen solch langen beschaulichen Film eben nicht aus. Das Bedenken viele Erwachsene eben nicht mit. Besser wäre es, wenn es den Film in 10-minütigen Episoden gäbe oder wenigstens nach Jahreszeiten getrennt.

                                        Für mich war es ein fesselnder Abenteuerfilm zum staunen. Nur dachte ich, dass am Ende eine Motorsäge das Idyll zerstören würde, zu schön war es.

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                                          OUROBOROS 23.04.2023, 17:51 Geändert 23.04.2023, 18:22

                                          Auch wenn George Lucas "Star Wars" in meiner Kindheit geboren wurde, war ich nie der große Fan. Irgendwie hatte ich es mehr mit "Star Trek". Aber seit "The Mandalorian" kann ich "Star Wars" genießen.

                                          Ich weiß noch als es in der ersten Staffel begann, als der Mandalorianer in der Wüste strandet. Das Setting war nicht schnell schnell, sondern es war eine abenteuerlich Atmosphäre, bei der man Zeit hatte sich etwas anzusehen was einem visuell geboten wird. Aber der Langsamkeit steht eine große Schnelligkeit entgegen, so dass die Tempowechsel dem Werk Leben einhauchen, was mir bei "Ringe der Macht" gänzlich zu fehlen scheint. In keiner Minute hat man das Gefühl, dass hier das Timing nicht stimmt, weil man mutwillig Füllstoff brauch um die Minuten einer Episode voll zu kriegen.

                                          War die Ausstattung der ersten beiden Staffel noch nicht an die Star-Wars-Filme herangekommen, übersteigt die dritte Staffel alles bisher dagewesene, zumindestens einige der letzten Star-Wars-Filme. Gleich drei völlig unterschiedliche Planeten bekommt man zu sehen, brachiale Monster werden aufgefahren, die sogar die Würmer in "Dune" in den Schatten stellen. Nur die Schlachten fallen nicht ganz so episch aus, sind die Scharmützel aber trotzdem eindrucksvoll. Ein Meisterwerk von einem Monumentalfilm ist in 3 Staffeln Serie entstanden.

                                          Der Kosmos von "Star Wars" gibt gerade mal einen Blick preis auf eine handvoll Planeten und vielleicht auf ein dutzend Spezies und gerade deshalb ist noch soviel Raum, um in weiteren Staffeln von dem Mandalorianer und Grogu zu erzählen.

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                                            OUROBOROS 21.04.2023, 19:01 Geändert 22.04.2023, 16:30

                                            Abschied von der Zukunft

                                            "Der Hundertjährige der aus dem Fenster stieg" und mit seiner Demenzkrankenbetreuerin Raffi in den Weiten der Galaxie verschwand heißt Jean-Luc Picard. Er ist Lichtjahre von der Erde unterwegs und dring in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat, um seine pensionierte Crew zu finden.

                                            Nach dem seltsamen Auftakt in Staffel 1 und meinem Abbruch nach drei Folgen in Staffel 2, wollte ich doch noch einen Blick wagen. Mittlerweile hat sich die Rentner-Crew warmgespielt in Staffel 3 und Picard wirkt nicht mehr so verdaddert und gebrechlich. Ich finde es schön, dass alle noch einmal gefordert werden. Ich habe selbst Senioren begleitet und gemerkt, wie sie wieder aufblühen, wenn sie individuell gefördert werden. Ein Altersheim ist meistens Massenabfertigung, außerdem verstehen sich die schwerhörigen Mitbewohner untereinander gar nicht oder wollen nicht. Also lässt man das Reden.

                                            Ja es hat ein Abschied gefehlt, war ich nach den letzten TNG Filmen auch nicht mehr so Feuer und Flamme. In Staffel 3 kommt es zwar zu einem brutalen Mash-Up aus den spannendsten Ideen samt Dominion und Borg, einige Original-Momente aus der TNG-Serie werden sogar gezeigt, samt Besuch im Star Trek Schiffsmuseum, so dass ich doch am Ende doch ein paar Tränen kullern. Danke, es war ein ehrwürdiger Abschied. Wegen der letzten Staffel gebe ich eine 8 und die gebe ich als Fan, denn TOS und TNG sind prägende Teile meiner Kindheit und Jugend. Das kommt nicht wieder dafür neue spannende aktuelle Geschichten. Captain Henson ist eine gute Wahl für eine neue Enterprise 1701-G, genauso wie der Sohn von Beverly und Jean Luc als Leutnant unter Seven of Nine. Hier beginnt für mich die Zukunft neu, nicht bei den aufgewärmten Discovery-Strange-New-World-Geschichten aus dem vorletzten Jahrhundert von TNG.

                                            Mal sehen ob das Erbe von Archer, Kirk, Picard, Cisco und Janeway dieses Mal anständig in eine neue Generation übertragen wird. Ich möchte neue Gesichter, neue Freundschaften, neue Themen, moralische politische religiöse ethisch Fragen von heute, zur Not kann man sich Tipps bei "The Orville"-Erfinder Seth MacFarlane holen.

                                            Wiedersehen in der Zukunft!

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                                              OUROBOROS 19.04.2023, 18:19 Geändert 19.04.2023, 20:36

                                              Camille ist Journalistin in St. Louis. Als ihr Geburtsort Wind Gap, Missouri, wo sie ihre Kindheit und Jugend verbrachte, von einer Reihe von Mädchenmorden erschüttert wird, macht sie sich auf den Weg in die alte Heimat, um von den Ermittlungen zu berichten.

                                              Gerade angekommen quartiert sie sich in einem Motel ein, nicht ohne literweise Schnaps ins sich hineinzuballern. Im Hotel hält sie es keine 2 Stunden aus. Also fährt sie zu einem Haus, eine Villa aus den Zeiten des amerikanischen Bürgerkrieges, mit Südstaatenflair und französischem Charme. Die ganze Landschaft ist umgeben von wildem Grün, so wie es Mark Twain in seinen Erzählungen beschrieben hat. Wenn man den Mississippi sieht, weiß man, dass er sich von dort in den Süden bis nach New Orleans schlängelt. Es ist bestimmt traumhaft, gibt es ja auch einen Film, wo zwei Kinder mit einem Ruderboot den Mississippi hinunterfahren.

                                              Camilles Zustand wirkt sich manchmal auf die Inszenierung aus, wenn sie dösend durch die Welt stapft, manchmal mit Absenzen oder Flashbacks aus ihrer Kindheit und Jugend. Ihre Wasserflasche ist immer dreiviertel voll... mit Vodka, so dass niemand ahnt, was sie für ein Wrack ist. Sie scheint ihre Sucht so kontrollieren zu können, dass es nicht auffällt wieviel sie intus hat, jedenfalls wenn sie arbeitet. In der Freizeit springen dann irgendwann die Sicherungen raus.

                                              Schon die Eingangssequenz der Serie führt zu dieser Villa. War es im Intro bloß ein Albtraum, erfahren wir jetzt, dass es diese Villa ist. Eine ältere Dame von Welt tritt Camille entgegen. Es handelt sich um Camilles Mutter Adora. Sie ist eine äußerst unangenehme Person. Sobald Camille anderer Meinung ist, reagiert ihre Mutter cholerisch und hysterisch, dass es sie krank mache, so dass man am liebsten klein bei geben würde, so ein Terror ist es. Ihr Ehemann steht unter ihrem Schlappen, er beschäftigt sich auch lieber damit den DJ zu spielen mit Klassik und Südstaaten-Chansons. Unter anderem habe ich Max Richter gehört und "Nuvole Bianche" von Ludovico Einaudi. Dazu reichen sich die Rentner Cocktails am Stück, als wären sie auf einem Kreuzfahrtschiff.

                                              Im Haus lebt auch Camilles jüngere Schwester Amma. Sie ist kränklich, bettlägerig und wird von Mutter Adora ständig umsorgt. Das kleinste Wehwehchen ist Adora wichtig. Irgendwie scheint Amma viel zu überbehütet für ein Teenie und viel zu überpflegt, wenn man den Ausdruck überhaupt benutzten kann. Ich finde die Mutter äußerst seltsam und die ganze Situation mit Amma auch. Sie sitzt den ganzen Tag zuhause und spielt mit einem Puppenhaus, welches den detailgetreuen Miniatur-Nachbau ihres gemeinsamen Elternhauses darstellt.

                                              Aber es stellt sich schnell heraus, dass Amma es faustdick hinter den Ohren hat, denn sie schleicht sich nachts aus dem Haus und streift dann nicht nur ihr brav-sittliches Hausoutfit ab. Camille stellt das schnell fest, als sie abends durch die Bars tourt, um sich wieder einmal ins Koma zu saufen.

                                              "Sharp Objects" ist ein Slow-Burner, ähnlich wie viele nordische Krimis, hat man aber den Eindruck es spielt im Dschungel. Es ist heiß, ständig will man Cocktails on Ice schlurfen und hofft, dass die Klimaanlage bloß nicht ausfällt. Manchmal hat das Tempo etwas von den Hundstagen. Camille selbst hört elektronische Musik, Minimal und Loungemusik, gediegene Chillout Sounds. Jede Episode beginnt mit chilligen Klängen. Es ist wie ein Aufwachen aus dem Rausch. Ich ließ das Intro deshalb jedes mal gerne über mich ergehen.

                                              Was den Kriminalfall betrifft, wurde ein Ermittler aus St. Louis in den Ort zugezogen. Camille trifft gleich auf ihn. Er ist der Einzige in diesem idyllischen Loch, der Großstadt-Erfahrung hat, weshalb er ihr schon mal sympathisch ist. Ich kenne das auch. Von der Großstadt in der ich wohne bis aufs Land sind es 15 Kilometer und dann ist auch wirklich im Radius von 70 Kilometern nur Provinz, weil sich alle Städte entlang der Saar ziehen. Manche Landbewohner haben regelrecht Angst auf Städter zu treffen. Schon meine Mutter meint immer "Oh je was in der Stadt für Sachen passieren und mit Auto trau ich mich da auch nicht mehr hin zu fahren". Der Vater eines Studienkollegen meinte mal ganz stolz "Ja, mein Großer wohnt jetzt in der Stadt", hat er selbst immer nur im Dorf gewohnt.

                                              In jedem Fall kann ich also Camilles Ablehnung gegen ihre Heimat verstehen, wenn sie die Chance nutzt gleich schon beim Erblicken alter Klassenkamerad:innen rechtzeitig mit einem Winken wieder abzudrehen. Aber warum sollte man das Ganze nicht als Urlaub betrachten. Das genieße ich an Weihnachten bei meinen Eltern auch immer. Sie wohnen eben auch idyllisch im Mittelgebirge, da kommen weiße Weihnachten ab und zu sogar vor. Man trifft dann auf dem Weihnachtsmarkt auch immer Leute von früher, die alle so traditionelle Jobs haben, weshalb sie sich umgekehrt wundern, was man so in der großen weiten Welt der Stadt so arbeitet. Man wird dann behandelt als sei man ein Abenteuer auf großer Fahrt gewesen.

                                              Aber nicht nur das erlebt Camille, sondern sie hat auch Erinnerungen, die wirklich tragisch sind, die auf eine verschnörkelte völlig indirekte Art vielleicht sogar mit den Mädchenmorden verbunden sind. Wahre Traumata werden wach, woraus eine wirklich schlimme traurige Geschichte um Camille herum gehoben wird. Bis zum Ende hat man Mühe all die Teile zusammenzusetzen, doch je mehr man erfährt, desto besser versteht man die Dysfunktionalität mehrerer Charaktere und die Leiden der Protagonistin. Selten war ich so still im Mitleiden und habe mir soviel Gedanken gemacht, wie zerbrochen ich an dieser Stelle sein würde.

                                              Es hat mich Sitzfleisch gekostet. Nach den ersten beiden Episoden habe ich zunächst 5 Staffeln "Yellowstone" erstgesichtet, aber dann hat mich "Sharp Objects" gerufen, immer wieder und ich habe zwei weitere Episoden gesehen. Ich bin eingeschlafen, aber ich habe mit diesem Sound der Südstaaten-Fauna gut geschlafen und gedöst. Ich hab mich praktisch in die Stimmung versetzt. Ich habe immer wieder neu angesetzt, was ich verpasst habe nachgeholt und immer wieder hat mich "Sharp Objects" gerufen oder war es Amy Adams, die ich so gerne ansehe. Ich muss unentwegt auf ihre Nasenspitze starren, die für mich mit Augen und Mund eine wunderschöne Komposition ergeben.

                                              Schließlich habe ich heute die letzten beiden Episoden gesehen und ich habe es im Gesamten genossen.

                                              Das ist nichts für jedermann oder jederfrau, aber es war irgendwie besonders. Ich bin dann auch trotzdem noch verwundert, dass die Serie unter meinen MPs, dann doch mit einer stabilen 8 von 10 abschneidet. Das ist hoch!

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                                              • 7 .5
                                                OUROBOROS 16.04.2023, 16:40 Geändert 16.04.2023, 16:46

                                                Skurrile Serie aus dem Saarland, nach Art der Coen-Brothers. Drei Waldarbeiter aus Saarbrücken finden Drogengeld in einem Koffer, was sie in Hildes Kneipe investieren. Hilde ist die Frau von Heinz Becker. (der spielt aber nicht mit). Die Gangsterbande aus dem deutschen Ausland lässt nicht lange auf sich warten.

                                                Ich muss sagen, dass der Humor dann doch ankommt, wenn auch nicht jeder Schauspieler immer hochklassig ist. Dafür gibt es mindestens 5 Schauspieler, die Meister ihres Fachs sind. Auch einer der dümmlichen saarländischen Polizisten aus der Serie "Recht & Ordnung" ist dabei.

                                                Leider kann man die Serie nirgendwo mehr streamen. Deshalb gibt es hier eine Version von "Breaking Bad" auf saarländisch mit den zwei Polizisten Recht & Ordnung.

                                                Untertitel "Saarländisch-Deutsch" verfügbar.

                                                https://www.youtube.com/watch?v=dYPIRMfbo1s

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                                                • 6 .5
                                                  OUROBOROS 16.04.2023, 16:04 Geändert 17.04.2023, 11:44
                                                  über Sharper

                                                  Die finale Wendung hat mir deshalb nicht gefallen, weil alles so danach aussah, dass man sich ein völlig anderes Ende überlegt hat und dann die fehlenden Teile einfach in einer Rückblende nachträglich ergänzt hat, damit es stimmig ist.

                                                  Natürlich kann man dann alles weglassen, was vorher schon Zweifel schürt, damit man wirklich ahnungslos ist, aber das ist dann kein natürlicher Verlauf. Der Plot ist mir im Finale leider zu Reißbrett mäßig geplant, da fühle ich mich veräppelt. Ein Inszenierung ist klüger, wenn jemand nach einem Film sagen und es beweisen kann "Da hast du was übersehen". Hier gibt es nichts zu übersehen.

                                                  Deshalb wird man auch bei einem zweiten Durchlauf keine Stellen entdecken, wo man es hätte vorher schon ahnen können. Der Rückschaueffekt sorgt natürlich dafür, dass man das gerne verdrängt und sich einredet "Ich habe es vorher schon gewusst". Selbst wenn, war das kein Wissen sondern Glück aus einer wahrscheinlichen Auswahl an Ende die richtige gefunden zu haben.

                                                  Schön wenn der Trick "In der Rückblende zeigen wir was wirklich passiert ist" bei anderen funktioniert hat. Da fand ich den Trick bei "Haus des Geldes" oder bei "Better Call Saul" wesentlich besser umgesetzt.

                                                  Bis zur letzten Wendung ist der Film aber interessant und unterhaltsam, durch seine Wendungen, die Schauspieler klasse, solche Zwischenszenen mit blühenden Kirschbäumen und anderen Szenenbilder waren ein Genuss. Die Musik war nicht von der Stange, das hat mir gefallen.

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                                                  • 6 .5
                                                    OUROBOROS 16.04.2023, 15:32 Geändert 17.04.2023, 11:46

                                                    Die Frau eines Freundes ist wegen so einer Präeklampsie bei der Geburt der Zwillinge gestorben. Er steht jetzt mit beiden Kindern alleine im Leben.

                                                    In diesem Film ist es ebenfalls eine Präeklampsie, die zur Fehlgeburt führt, nur dass die Mutter überlebt. Vor der Geburt fällt sie in Ohnmacht, danach wird sie wach und sucht nach ihrem Kind. Als sie realisiert, dass es bei der Geburt gestorben ist, versucht sie den Verlust zu verarbeiten.

                                                    [SPOILER]

                                                    Von ihrem Umfeld kann sie keine Hilfe erwarten, scheinen sämtliche Personen hier ahnungslos empathielos und dumm, macht sie auch einen stabilen Eindruck. Zunächst heißt es, dass ihr Freund sie verlassen habe, wegen der Schwangerschaft. Doch dann rettet er sie aus einer Situation, als sie beginnt sich im Wahn selbst zu verletzen, nur um sie im nächsten Moment sexuell missbrauchen zu wollen. Das stupide Unverständnis ist so krass, dass man es nicht glauben möchte. Leider kommt sowas oft genug vor.

                                                    Doch das ist so eine Sache mit post-natalen Depression, welche durch Hormonschwankungen nach der Schwangerschaft ausgelöst werden kann. Dabei treten Stimmungstiefen, Ängste, Zwänge oder auch körperliche Beschwerden auf. Zudem plagen betroffene Mütter oft große Schuldgefühle, vor allem gegenüber dem Baby. Was das mit einer Frau macht, die zudem eine Fehlgeburt hat, kann man hier sehen.

                                                    Fazit

                                                    Für einen Kurzfilm präsentiert der Film seine Informationen sehr dicht, ist er auch gut inszeniert, doch ohne Hintergrundwissen, kann man ihn nicht gut verstehen. Ich schätze, dass Menschen mit wenig Wissen darüber, wie Geburten und das danach verlaufen kann, hier auch nichts verstehen. Die Möglichkeit das Trauma zu verarbeiten in dem man einen Erfahrungsbericht schreibt bzw. Buch halte ich schon für geeignet, aber wenn es verfilmt wird in einem 20-Minüter, dann finde ich, dass man den Adressaten schon mehr Wissen vermitteln sollte, damit sie die Situation verstehen und vorbereitet sind.

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