OUROBOROS - Kommentare

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    OUROBOROS 26.03.2023, 20:45 Geändert 26.03.2023, 20:49

    Back in the 80ies mit Werner Schroeter, der hier mit "Palermo oder Wolfsburg" den Goldenen Bären 1980 erhalten hat.

    Die Geschichte erzählt das Leben von Nicola, der in der Nähe von Palermo auf dem Land aufwuchs. Die Lebensumstände sind sehr einfach, dafür scheint die Sonne, man sieht das Meer und es herrscht eine himmlische Ruhe. Nicola entscheidet sich mit 18 Jahren nach Deutschland zu gehen, um Arbeit zu finden.

    Geschildert wird die Strapazen der Reise und Orientierung in einem fremden Land, was dadurch erschwert wird, dass Nicola gar keine Deutsch spricht. Die ersten Nacht schläft er in einer Hecke, wo ihn die 16-jährige Brigitte findet, welche ihm dabei hilft Kontakte zu knüpfen zur hübschen mütterlichen Wirtin Giovanna. Über sie findet er ein Zimmer und letztlich einen Job bei VW in Wolfsburg. Nahezu dokumentarisch ist das Werk zu diesem Zeitpunkt, weshalb man einen interessanten Blick in das Jahr 1979 erhält.

    Alles könnte so gut sein, hat er viele Menschen um sich herum, die positiv auf ihn einwirken und die Integration erleichtern können. Er lebt mit drei weiteren Italienischen Migranten auf einem Zimmer. Der Älteste ist von einer Naturkatastrophe und dem Verlust seiner Familie traumatisiert. Von den beiden Jüngeren ist Napolitaner, der andere heißt Orlando. Letzterer gibt die ganze Zeit kommunistische Reden von sich und versucht Nicola dazu zu überzeugen Terroranschläge zu verüben. Dazu kommt es nicht, denn es gibt einen anderen tragischen Verlauf der Geschichte.

    Vernarrt in Brigitte lässt Nicola nicht ab von ihr, doch sie sucht nur Freundschaft. Damit kann Nicola nicht umgehen, der aus seiner Kultur gewohnt ist, dass Mann und Frau sich treu bleiben. Bei einem Volksfest mit Talentbühne, moderiert von Juliane Werding, benutzt Brigitte Nicola dazu den Typen eifersüchtig zu machen, auf den sie tatsächlich steht. Nicola versteht das natürlich total falsch, folgt dem Typen und seinem Kumpel. Nach gegenseitigen Provokationen eskaliert die Situation und Nicola ersticht beide mit einem Sprungmesser.

    Nicola stellt sich und es kommt zur Gerichtsverhandlung. Bei dieser wird die dokumentarische Ebene verlassen und sie wechselt zwischen Realismus und Surrealismus mit expressionistischen Einlagen. Themen der Gerichtsverhandlung sind Vorurteile gegen Südländer und deren Kultur, aber auch das Thema Prostitution wird prominent ins Forum gestellt, nachdem der Staatsanwalt die Wirtin Giovanna im Zeugenstand darauf anspricht, wie sie es geschafft hat ein Restaurant zu erwerben. Die Gerichtsverhandlung ist stark inszeniert. Alle Menschen, die Nicola zugetan werden, sprechen sich im Zeugenstand für ihn aus.

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      OUROBOROS 26.03.2023, 12:10 Geändert 26.03.2023, 13:57

      Wäre hätte gedacht, dass Bill Kaulitz aka Aaron Hilmer einmal den Gangster spielen würde. Als der junge Protagonist Klaus Barbowsky hat er den Traum einmal reich zu werden. Er hat keine Bildung, ist eher schwach und herrlich dumm-naiv. Wie sollte er das wohl schaffen? Zum Glück hat er sich in eine Hure verliebt, die schon bald 30 Jahre im Geschäft ist und ihm unter die Arme greift, weil sie das Geschäft kennt. Notwendige Unterstützung erhält er von zwei Freunden. Einer erledigt die Buchhaltung, der andere übernimmt die Buchhaltung. Klaus Barbowskys Erfolgsgeheimnis ist, dass er seine Huren nicht schlägt und mit Würde behandelt.

      Wahrscheinlich läuft das heute meistens auch nicht so. Aber es dauert ja auch nicht lange bis er alle guten Wege verlässt. Auch hier gilt: "Wenn du Monstern kämpfst, pass auf, dass du nicht selbst zu einem wirst." Das Milieu der Reeperbahn ist dreckig, keinesfalls wie heute, die Fassaden herausgeputzt und mehr ein Museum für Prostitution, sondern ekelhaft wie der 70er Jahre Suff, Drogen und Fick halt war. Wahrscheinlich hatte AIDS nachhaltig Wirkung darauf, vermute ich schon während des Anschauens. Wer sieht nicht gerne eine Geschichte des Aufstiegs eines Neuen gegen das Establishment. Er reißt auch mich mit, weil ich am Anfang noch die ganze Unmoral ausblenden kann.

      Nein, ich bin nicht gegen Prostitution, nur gegen diese, die hier dargestellt wird. Es gibt Menschen, die Wählen es selbstbestimmt als Beruf, aber ich bin nicht naiv. Es gibt verschiedene Ausprägungen davon. Natürlich ist die Edelprostituierte diejenige mit der meisten Selbstbestimmung. Für Sie ist es leichtes Geld, denn sie bestimmt die Anzahl und Qualität der Freier und den Preis. Aber der Übergang ist fließend, denn sobald man abhängig wird von einem bestimmten Geldverdienst und sich die teure Wohnung, die Urlaube nach Dubai und die schönen Kleider nicht mehr leisten kann, dann geht es Weg Richtung Anschaffen. Wenn man bis zu 1000 Euro in ein paar Stunden verdienen kann, ist das ein hoher Anreiz, aber dazu muss man schon herausragend attraktiv sein. Ich frage mich dann, ob man nicht anders Geld verdienen kann. Nach der Edelhure, kommt die preisklassige Hure, die zumeist nicht so attraktiv ist. Auch sie ist selbstbestimmt, aber das meiste spielt sich unter 100 Euro ab. Wenn das die einzige Verdienstmöglichkeit ist, kann das schon mal zu krassen Einkommensschwankungen kommen. Außerdem bezahlen einige eine Security, also ein zwei Männer, die sie vor Freiern auch beschützen können. Dann kann es schnell sein, dass man am Ende doch einen Luden hat, bei dem man mehr als die Hälfte des Verdienstes abdrücken muss. Auch Elendsprostitution gibt es in Deutschland, wenn randständige Frauen für 15 Euro oral befriedigen. Das ist zwar auch selbstbestimmt, aber es ist furchtbar mit anzusehen. Ich wohne in einem Haus Downtown in meiner Stadt und es wohnen gleich vier Huren hier. Man unterhält sich und so erfuhr ich diese Dinge. Drei davon bilden genau das ab was ich vorher beschrieben habe. Eine von den Vieren kam aus der Zwangsprostitution, zog neu in Haus ein, wollte aussteigen, aber letztlich geht es hier weiter. Letzteres ist wohl der Grund, was Prostitution zum Menschenhandel macht und einfach illegal und unmoralisch ist, denn die Selbstbestimmung ist nicht vorhanden. Wenn man als Minderjährige schon entführt und missbraucht wird für die Prostitution, dann kommt man da schwer raus. Es fehlt einfach oft Schule und Ausbildung.

      Ich habe die Normalverdienerin mal gefragt, wie freiwillig sie ihren Job macht. Sie meinte, allgemein habe sie Spaß an der Arbeit, denn für sie sei die Vermietung ihres Körpers sowas wie Lohnarbeit für andere in ihrem Beruf als Arbeiter oder Angestellter. Jeder hat mal Tag, wo er seinen Job nicht so gerne macht, aber muss. Zum ersten Mal in meinen Leben bekam ich einen Gewerbeschein vorzeigt. Den erhält sie, wenn sie regelmäßig zum Gesundheitsamt geht. Schwankt ihr Einkommen sehr stark, erhält sie Bürgergeld. Ich helfe ihr ab und zu bei den amtlichen Angelegenheiten. Letztens frage ich sie, was sie am Wochenende macht. Da macht sie ein Tänzchen und rief mit singender Stimme "Ich geh ficken". Ich glaube, dass die Mehrheit der Prostituierten in einer Art des deutlichen Zwangs arbeiten, also nicht wie meine Bekannte, die ich als lebenslustige Geringverdienerin erlebe. Schon ihre Mutter verdient damit Geld.

      Wenn es nicht rohe Gewalt war, die sie dazu brachte oder die reine Not, dann denke ich, dass sie einen wichtigen Beruf ausüben. Es gibt wohl leider viele Männer, vor deren Gewalt man bewahrt bleibt, weil sie ein Ventil haben. Das es so ist, liegt auch an der männlichen Rolle, wobei es meine Hoffnung ist, dass sie sich durch die Erziehung verändern kann. Die Welt kann nicht besser machen, wenn ich mich allgemein gegen Prostitution ausspreche, denn Illegalität löst nicht das Problem, es macht es nur schlimmer.

      "Luden" befriedigt die pure Schaulust, d. h. trotz aller Ekelhaftigkeiten des Milieus ballert man sich die Inszenierung rein. Es geht rasant und witzig zu, die Musikpallette bietet außergewöhnliche und selten gehörte Stücke, dazu ein Hintergrundscore, der es in sich hat. Ein wenig kommt das gemischte Gefühl wie bei "Wolf of Wallstreet" und "Breaking Bad" auf. Das bedeutet auch, dass es für eine deutsche Serie deutlich überzeichnet ist. Aber wenn man das an amerikanischen Erfolgsfilmen und Serien nicht kritisiert, wofür man sie abfeiert, warum sollte man das hier jetzt als Kritikpunkt bringen?!

      Für mich ist das Milieu anzuschauen trotzdem eine Quälerei, obwohl die Schauspieler in Spielfreude sind. Beatle hatte ich für Bjarne Mädel gehalten, aber es ist Karsten Mielke. Sie sehen sich mit diesem Gesichtshaar sehr ähnlich. Bei all den zwielichtigen und ambivalenten Charakteren ist das junge Schauspieltalent Lena Urzendowsky mein Lichtblick. Sie spielt sich schon wieder die Seele aus dem Leib. Ich habe keine Ahnung ob sie den Song "Love me" selbst gesungen hat, aber es war wunderschön. Es ist meine Lieblingszene.

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        OUROBOROS 24.03.2023, 19:00 Geändert 24.03.2023, 21:26

        Episode 1: Mangrove 9 Punkte / ARD-One Mediathek

        Die Episode "Mangrove" aus der Serie "Small Axe" in ein Spielfilm mit der Länge von ca. 120 Minuten. Erzählt wird die wahre Geschichte des jamaikanischen Restaurantbesitzers Frank Crichlow, der in den 1960er Jahren in London lebt. Er eröffnet im Londoner Stadtteil Notting Hill ein Restaurant mit dem Namen "Mangrove", das schnell zum Treffpunkt für die schwarze Gemeinschaft und Aktivisten der Black Panthers wird.

        Doch die Polizei schikaniert nicht nur das Mangrove regemäßig mit Razzien unter blinder Zerstörungswut, sondern sie drangsalieren auch die schwarze Bevölkerung mit Personenüberprüfungen und Festnahmen. Nicht selten werden dabei unschuldige Menschen vorverurteilt, landen im Keller der Polizeiwache, wo sie zudem noch krankenhausreif geprügelt werden.

        Nach der 4 Razzien in 6 Wochen und dem Entzug der Ausschanklizenz verbünden sich die Schwarzen im Stadtteil und rufen zu einer Demo auf, welche vor die besagte Polizeiwache in Notting Hill zieht. Hundertschaften von Polizisten beginnen plötzlich auf sie einzuprügeln. Am Ende werden Frank und acht weitere Personen angeklagt und vor Gericht gestellt wegen Aufruf zum Aufruhr, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung von Polizeibeamten.

        Die Gerichtsverhandlung macht mindestens die Hälfe des Films aus und zeigt den Kampf der Angeklagten gegen Rassismus und Polizeigewalt. Man kann eigentlich von einem Gerichtsfilm sprechen. Für den Prozess haben die Angeklagten 6 (weiße) Pflichtanwälte, mangels Geld, und einen jungen engagierten weißen Anwalt der pro-bono arbeitet. Er steigert sich in die Sache emotional hinein und will unbedingt Gerechtigkeit für die Schwarzen. Zwei Angeklagte verteidigen sich selbst, wobei sie sich zwar von dem pro-bono Anwalt beraten lassen, aber selbst die juristischen Grundlagen für ihren Fall studieren. Das ist überaus interessant geschildert.

        Schon der Beginn des Prozesses ist eine Farce, denn versucht der konservative Richter die Öffentlichkeit aus dem eigentlich öffentlichen Prozess auszusperren, auch stehen nur 12 weiße Geschworene zur Auswahl. Ein packendes Gerichtsdrama nimmt seinen Lauf.

        Oho, das hätte ich beileibe nicht erwartet. Das hat mich die halbe Nacht wachgehalten. Vieles an dem Fall ist genauso passiert und auch dokumentiert. Okay, ich muss zwar sagen, dass man die panoramatischen Kulissen Londons im Jahre 1968 CGI-technisch irgendwie auffällig künstlich verfremdet hat, aber das spielt keine Rolle, wenn man sieht wie detailgetreu die 1968 ansonsten gezeigt werden. Ich war mittendrin in den 60ern. Die Inszenierung ist klasse, eingebettet in karibischen Sound mit viel Reggae. Ich liebe Reggae. Die Schauspielerischen Leistungen sind überzeugend, muss man dazusagen, dass das schwarze Schauspiel oft lauter und emotionaler ist. Ich kann das auch von meinen afrikanischen Nachbarn sagen und ehemaligen afrikanischen Kommilitonen. Sie platzen emotional geradezu auf, positiv und leider auch negativ.

        Das führt in Gesellschaften wie in Deutschland oder Groß-Britannien oft zu peinlich berührten Reaktion von Normal-Bürgern, in den 1960er Jahren erst Recht. Ich habe mich dabei immer sehr wohl gefühlt und musste aufpassen, dass ich die ausgelassene Stimmung nicht mit unter bestimmte Deutsche genommen habe.

        Diese Episode "Mangrove" ist ein erstklassiges Gerichtsdrama und ich war verwundert, dass sowas gutes in der Mediathek zu finden ist. Mit der zweiten Episode lasse ich mir noch etwas Zeit, diese hier wirkt noch lange nach.

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          OUROBOROS 21.03.2023, 21:36 Geändert 22.03.2023, 06:57

          Mit der ersten Staffel habe ich das bekommen, was ich mir schon immer von einem "Krieg der Welten" gewünscht habe, nämlich eine Alieninvasion im europäischen Stil mit europäischen Schauplätzen und möglichst wenig übersteigertem Patriotismus.

          Dieses Szenario hat mir atmosphärisch super gefallen, doch Staffel 2 baut gewaltig ab und nimmt eine krasse Wendung. Klar, man erfährt jetzt wer hinter den Alien-Maschinen steht, aber mich hat das jetzt nicht so abgeholt, auch wenn die Story mit dem Wurmloch im Orbit der Erde wirklich interessant war. Ich weiß nicht wirklich woran es liegt, war das Setting insgesamt schon mondän, was das zerstörte London betrifft. Ein bisschen reicht das an "The Last of Us" ran, was es in den Städten zu sehen gibt, aber eben nur ein bisschen. Es gab ausreichend Actionmomente, aber auch nur ausreichend.

          Trotzdem habe ich mir die Serie dann doch bis zur finalen Folge 8 in Staffel 3 angeschaut und war wenigstens zufrieden mit dem Ende. Was die Aliens getrieben hat zu dieser Invasion bleibt mir aber ein Rätsel. Es gibt viele weitere ungelöste Fragen. Mein Vorredner Epicfrog hat ein paar unbequeme Fragen gestellt. Ich habe da wohl viel ausgeblendet. Aber meine Wertung ist für das was ich normal vergeben auch sehr verhalten.

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            OUROBOROS 17.03.2023, 14:47 Geändert 17.03.2023, 15:02

            Ein wenig versöhnt hat mich ja schon das fiktive Innere des Mondes, aber das hat man alles schon mal irgendwo gesehen. Im Gesamten war es weniger grauenhaft als "Die wandernde Erde".

            Was die Physik betrifft, hat man ja mal wieder mächtig übertrieben und Unvorstellbares gezeigt, wo keiner weiß, wie es wirklich aussehen würde. So jedenfalls nicht und da ist die Erde aber ziemlich heil geblieben.

            Was ich schlimm fand, dass man sogar die gestörtesten Verschwörungsfantasien geadelt hat in dem sich das hier noch erfüllt hat:

            "Der Mond hat einen Hohlraum, da kommt auch das Obst und Gemüse her. Oder was glaubst du, woher die Inkas wohl die Kartoffeln haben?!"

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              OUROBOROS 16.03.2023, 19:17 Geändert 16.03.2023, 20:15

              Bei "The Last of Us" war ich sehr kritisch, weil alles danach aussah, dass es zu realitätsfremd und fantastisch zugehen würde. Manchen mag das gefallen, aber ich wollte was halbwegs ernstes sehen. Auch hatte ich Bedenken, dass es nur ein Abklatsch von TWD sein würde, d. h. Fokus auf die Zombies/Mutanten, ewig lange Aufenthalte an Orten. All das hat sich dann nicht bestätigt.

              Hatte ja eine Woche zuvor "Vongozero" geschaut und fühle mich in vielen Momenten bei "The Last of Us" daran erinnert, die beide Road-Movies sind. Im Unterschied zu "Vongozero" macht TLOU Zeitsprünge, am Anfang einen sehr großen, über mehr als 10 Jahre. Der erste Zeitsprung bei TLOU hat mich erst mal abgeschreckt, weil ich mir so sehnlich ein Szenario wünschte, welches sich mit den direkten Folgen einer Apokalypse mit Zusammenbruch der Gesellschaft beschäftigt. Das hat mir "Vongozero" geboten. Diese Woche konnte ich TLOU genießen und zum Glück folgten dann keine allzugroßen Zeitsprünge mehr.

              Für mich liegen beide Serien auch nicht so weit auseinander, weil mich die russische Version der Virus-Apokalypse ebenfalls abgeholt hat, dadurch dass die Konzentration nicht so sehr auf der Bedrohung durch den Virus und den Mutanten liegt, sondern die Bedrohung durch den Menschen. In "Vongozero" sind die Infizierten absolut keine Bedrohung, die einen verfolgt, es sei denn man sucht die Nähe. Damit möchte ich nur vorwarnen. TLOU bietet schon einige moralische Aspekte und ist weniger oberflächlich wie erwartet, hat "Vongozero" damit sogar schon besser punkten können. Beide haben mir von der Inszenierung deutlich besser gefallen, als die inflationäre Zombieschau in TWD in jeder Folge.

              Es gibt so viele stehende und ruhige Szenen in TLOU bei welchem man die Atmosphäre atmen kann, wo man am liebsten auf Pause drückt, um das Panorama zu genießen. Das habe ich auch gemacht. "Vongozero" bietet zwar auch viele Landschaftspanoramen und spannende Settings, aber TLOUs Kulissen sind aufwendiger, musste man hier ja ganze Städte im Verfall zeigen. Ich sag nur Giraffen, aber auch das Panorama mit der Palisadenstadt etc.

              Im Gegensatz zu TWD ist das Tempo bei TLOU sehr variabel. Nichts ist mutwillig in 45 Minuten oder 10 bzw. 12 Folgen gepresst oder gedreht. 9 Episoden mit wechselnder Länge sind sehr untypisch von der Anzahl. Man merkt auch, dass es keine Füllhandlungen oder gar ganze Füllepisoden gibt. In einer Episode bricht bei TLOU völlig unerwartet das Mutanten-Chaos aus und ein Level-Boss springt aus einem Erdloch. Schön, dass ich das noch erleben darf, dass man hier von der gewohnten Standard-Dramaturgie abweicht. Das war ein Moment bei dem ich nur staunen konnte. Ein wenig hatte das Szenario den Thrill des Spieleklassikers "Left for Dead". Ich bekam ganz große Augen und Gänsehaut. Das hatte ich schon lange nicht mehr bei einer Serie.

              TLOU hat eine epischere Story als "Vongozero" durch Zeitsprünge, wodurch ein Wechsel der Szenarien möglich wurde. Da kommen noch Episoden dazu mit dem Männerpärchen oder weitere Hintergrundgeschichten, die ich allesamt sehr schön fand. Für Diversität hat man hier so dermaßen gesorgt, dass ich mich wundere, dass die Typischen Diversitäts-"Ich fühle mich belehrt"-Kritiker hier schweigen, ist das hier genauso konstruiert.

              Besonders gefiel mir das Protagonistenpärchen, fast wie Vater und Tochter. Ann entspricht zwar nicht der niedlichen Optik, wie man sie aus dem Spiel kennt, aber sie wurde mir in kürzester Zeit sympathisch und wuchs mir mit ihrem Humor und ihrem Habitus sofort ans Herz. So muss Unterhaltung sein.

              Mich würde interessieren, was einige zu "Vongozero" sagen. Sicher ist es nicht so stark, aber ich denke, dass es auch sehr gut unterhält, wenn man das Thema mag.

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                Als sich in Moskau eine tödliche Virus-Epidemie (keine Zombies) ausbreitet, versuchen Regierung und Medien zunächst den Ernst der Lage herunterzuspielen, doch schnell wird die Stadt mithilfe des Militärs unter Quarantäne gestellt. Panik, Plünderungen und Kämpfe um Geld, Essen, Benzin sind die Folge.

                Sergei, der mit seiner neuen Partnerin Anja und ihrem Sohn Mischa außerhalb Moskaus lebt, wird von seinem Vater Boris aufgesucht, um sie weit entfernt außer Gefahr zu bringen. Seine Ex-Frau Ira mit ihrem gemeinsamen Sohn Anton stoßen dazu, wie auch Sergeis Nachbar Leonid mit seiner schwangeren Partnerin Marina und Tochter Polina.

                Die unfreiwillig zusammengewürfelte Gruppe begibt sich mit einer Autokolonne auf den Weg durch das verschneite und eisige Russland. Ziel ist der titelgebende See Wongosero (Wong-See) in der Republik Karelien im Norden, wo Sergejs Vater ein Schiff besitzt, das er zu einem Haus umgebaut hat. Auch mich hat die Sehnsucht ergriffen dahin mitzufahren. Wunderschöne Bilder mit Schnee und Eis werden geboten. Die Bildgestaltung ist bei Tag und Nacht gelungen, so dass dieses Road-Movie-Abenteuer auch visuell ein Genuss ist.

                Konservative und liberale Welten prallen hier mit den beiden Familien aufeinander. Das ist ganz witzig, vor allem weil der konservative Teil ein bisschen grobschlächtig und gemein dargestellt wird. Der Grobschlächtige hat übrigens die Synchronstimme von Ferry Bouman aus der Serie "Undercover". Das kann den Einstieg echt erleichtern. Trotz der Pointen entsteht ein ziemlich realistisches Sittengemälde des Russlands von heute, bei welchem neben dem Thema Solidarität, aber auch die Themen Generationenkonflikt, Autismus, Scheidung, Patchwork-Familie behandelt werden. Anfangs werden die Themen noch mit Humor präsentiert, später zeigen sie auch ernsthafte tiefsinnige Züge.

                Interessant ist, dass die Serie, die auf einem in Russland erfolgreichen Roman basiert, bei Gazprom-Media wöchentlich mit einer Folge veröffentlich wurde. Gazprom-Media betreibt Abonnentenfernsehen wie sky hierzulande, aber auch das Soziale Netzwerk VK und Rutube. Es ist also kein Wunder, dass als Folge 5 an der Reihe war, sie kurzfristig aus dem Programm genommen wurde. Sie sollte auf den Index, denn dort wird gezeigt, wie russische Soldaten den Auftrag erhalten Dörfer zu säubern, ob die Bewohner nun infiziert sind oder nicht. Diese Folge ist sensationell und hat eine außergewöhnliche moralische Tragweite. Sie zeigt Russland als grauenhaften diktatorischen Staat, gegen den sich die Menschen auflehnen. Folge Fünf wurde wieder veröffentlicht, aber man munkelt, dass sie abgeändert wurde. Ich schätze mal, dass man derzeit so eine Serie nicht veröffentlicht hätte, scheint das Land sich gerade zurück zu entwickeln.

                Insgesamt zeigt sich die Serie vor allem in der Auftaktfolge von der weltoffenen Seite, denn der Anteil westlicher Musik überwiegt deutlich. Diese ist, wie ich finde, sehr sophisticated ausgewählt. Später werden die Töne ernster, klassischer Score kommt dazu, den ich überzeugend finde, lehnt er sich ans Zimmers "Time" an oder den Score von John Murphy aus "Sunshine".

                Normalerweise mag ich viele russischen Filme nicht, wegen Theatralik und Overacting und einfach Desinteresse am politischen System, doch das hier habe ich am Stück durchgebinged, gerade weil es eine Überlebensituation einer Gruppe auf einem langen Weg OHNE Zombies zeigt. Vongozero ist also kein "The Walking Dead", es gibt keine Zombies und der Titel hat mich völlig abgeschreckt. Infizierte sind hier nicht der dominierende Horror, sondern eher die Menschen, die sich gegenseitig für Vorräte umbringen. Alleine das macht die Serie, trotz der Krise mit Russlands Angriffskrieg, sehenswert.

                Hätte ich keinen Tipp bekommen, hätte ich die Serie nicht geschaut. Das war eine interessante Reise.

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                  OUROBOROS 10.03.2023, 18:01 Geändert 10.03.2023, 18:01

                  Warum ich der Meinung bin, dass die Neuinszenierung auf einer Stufe mit der Erstverfilmung steht, das begründe ich hier in meinem Blogartikel:

                  - bei PASSION-OF-ARTS.DE

                  https://passion-of-arts.de/im-westen-nichts-neues-entmenschlichung-im-industrialisierten-krieg/

                  - bei moviepilot

                  https://www.moviepilot.de/news/im-westen-nichts-neues-entmenschlichung-im-industrialisierten-krieg-1139567

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                  • Netflix hat mir die Serie praktisch aufgedrückt, aber ich wollte nur reinschauen.

                    Sie spielt ja nicht weit weg von da wo ich wohne im Dreiländereck Saar-Lor-Lux. In der ersten Folge habe ich also gleich auf Luxemburgische Sprache umgeschaltet. Ein Teil der Saarländer spricht fast annähernd so, also hatte ich wenig Problem es zu verstehen. Das Saarland teilt sich in moselfränkische und rheinfränkische Dialekte. Gerade diesen moselfränkischen Dialekt aus dem Nord-West-Saarland und Luxemburg finde ich so lustig, dass es für mich fast Comedy war. Meine Oma hat so gesprochen. Heute verschwinden die Dialekte ja immer mehr. In Luxembourg hat man praktisch einen germanischen Dialekt konserviert. Ja, die Serie reizt mich jetzt nicht so doll, also lasse ich die Bewertung sein.

                    Pittoreske Schauplätze bietet die Serie auf jeden Fall, aber wohl auch mehr als Touristen-Portfolio statt in der ersten Liga der Krimiserien.

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                      Saarland-Tourismus-Portfolio Akte II:

                      Für einen 90-Minüter gar nicht so schlecht von der Story. Ansonsten TV-Film-Optik. Biederes Schauspiel. Passt so gar nicht zu ARTE. Ist wahrscheinlich nur dort, weil das Saarland bekanntlich der Donbass zwischen Deutschland und Frankreich war und das Dreiländereck der Ort für die Beendigung des Revanchismus und dem Beginn für die Versöhnung. Deshalb liebe ich ARTE, genau wegen dieser Programmatik der Versöhnung.

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                        OUROBOROS 07.03.2023, 19:34 Geändert 07.03.2023, 19:49

                        Die Reihe "In Wahrheit" auf ARTE

                        Meine wohlwollende Wertung basiert darauf, dass man wirklich schöne Kulissen aus dem Saarland und Lothringen generiert hat. Der ganze Krimi ist quasi ein Touristen-Portfolio für das Saarland. Ist sehr pittoresk geworden. Respekt dafür.

                        Das Schauspiel ist gerade so noch in Ordnung, obwohl sogar noch Jeanne Goursaud mitspielt, die man von BARBAREN kennt und die ich gerade in der Miniserie SIMON BECKETTS - DIE CHEMIE DES TODES gesehen haben. Das war übrigens ein Krimi mit Landschaftskulissen, die Deutschland nur mit seinen erlesensten Touristen-Hotspots annähernd qualitätsmäßig erreichen kann. Der hässliche deutsche TV-Film-Filter hätte nicht sein müssen.

                        Immerhin gelingt es der Serie (es gibt weitere Filme) mehr saarländische Kultur und Sprache zu vermitteln, als der traditionsbehaftete TATORT aus Saarbrücken. Die Story finde ich auch besser, wie auch der musikalische Background, der großen Krimi-Serien-Vorbildern aus dem Norden in nichts nachsteht. Spektakulär ist das trotzdem alles nicht.

                        Zuschauer ohne Bezug zum Saarland kann "In Wahrheit" als Einschlafhilfe dienen.

                        Ich schaue mir jetzt einen weiteren Teil an, aber nur um mir Ideen zu holen für Fotomotive, die ich im Saarland noch nicht abgelichtet habe.

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                          • über Echoes

                            20 Minuten habe ich durchgehalten. Aber die Charaktere waren mir zu exaltiert im Schauspiel, dass ich das Grauen frühzeitig beenden musste.

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                            • 6 .5

                              Der Anfang war für mich so interessant, da kam echt politische Tiefe mit rein. Am Ende bemerkt man aber, dass das Meiste nur Fassade war. Da hätte man mehr daraus machen können.

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                                über Maid

                                "Die meisten kapieren es erst beim sechsten oder siebten Mal"

                                Die junge Mama Alex entschließt sich mitten in der Nacht mit ihrer 3-jährigen Tochter Maddy aus der gemeinsamen Wohnung ihres Freundes Sean zu flüchten. Sean ist Alkoholiker. Bisher ist er gegenüber Alex und Maddy nicht gewalttätig geworden, jedoch gegen Inventar und Mobiliar. Die Lage ist also brenzlig und wer weiß wann die nächsten Grenze überschritten wird.

                                Alex wird im Frauenhaus aufgenommen und dort erhält sie nicht nur Obdach und Schutz, sondern auch Hilfe bei staatlichen Hilfeanträgen und Psychoedukation, was ihr helfen soll aus ihrer Mühle herauszukommen. Gleichzeitig beobachtet sie auch andere Frauen, wie diese mit ihrem Schicksal hadern.

                                In der Serie wird auch herausgestellt, dass eine Frau nicht erst bei häuslicher Gewalt mit Körperverletzung das Anrecht hat in ein Frauenhaus zu geben, um sich zu schützen, sondern dass schon psychische Gewalt eine Grenzüberschreitung ist, die eine ernstzunehmende Verletzung der Person und ihrer Psyche verursacht. Die Angst davor geschlagen zu werden, ist so schlimm wie geschlagen zu werden. Die Wunden von Schlägen heilen leichter, als die Wunden der Seele. Noch immer werden in der Gesellschaft seelische Krankheiten als Schwäche eines Menschen ausgelegt, der nicht genug Lebenswille aufbringe. Dabei haben psychische Probleme nicht generell eine Ursache in falschen Lebensstrategien, sondern sie können auch rein körperliche Ursachen haben, wie genetische bzw. induzierte Stoffwechselprobleme.

                                Die Serie vereint das praktische Leben mit Pädagogik und Psychologie, mit einer großen Portion Beobachtung und Selbstreflexion, wobei die Erkenntnisse der Protagonisten in Worte gefasst werden, die Umgangssprache mit psychologischer Terminologie vermischen. Explizit psychologische Terminologie gibt es auch noch in den Psychoedukationen des Frauenhauses und in der Psychiatrie. Der Film ist Imstand reale Betroffene aufzuklären.

                                Alex ist intelligent und hat eine blühende Fantasie, deshalb fragt man sich, wie sie so dumm sein kann. Doch mit 25 Jahren ist sie noch sehr gutgläubig und idealistisch. Sie glaubt daran, dass das was dem erfahrenen Zuschauer als unmöglich vorkommt doch noch möglich zu machen ist. Der jugendliche Idealismus schafft auch einiges möglich zu machen, was Pessimisten strikt ablehnen. Aber Alex erlebt Höhen und Tiefen, ihr Idealismus gibt ihr Kraft und sie hat auch Glück. Die Frage, die sich aber in diesem Drama stellt, ist ob sie an den Tiefen zugrunde geht.

                                Auf der Suche nach einer Wohnung, nach Arbeit und eventuell einem Studium, unter Vermeidung von Drogen, einem einengenden, unzuverlässigem und unberechenbaren Ex-Freund, inklusive Sorgerechtsstreit und dem Versuch Hilfeangebote abzuschlagen, um es selbst zu schaffen, erlebt sie glückliche aber auch niederschmetternde Momente. Obwohl ich manchmal denke "Oh nein, warum tust du das" und ich genau weiß wie manches Verhalten enden kann, schaue ich weiter und manchmal passiert neben dem erahnten Negativen doch etwas Positives.

                                Dann ist da noch ihre spezielle Mutter. Ich habe mich nicht vertan dabei, dass Andie MacDowell und Margaret Qualley irgendwie verbunden sind. Sie sind nämlich im realen Leben Mutter und Tochter. Andie MacDowell spielt die manisch-depressive aber künstlerisch verrückte Mutter von Alex. Unerfahrene Beobachter könnten anfangs meinen, dass sie Frau halt einfach ein bisschen drüber ist, aber dahinter steckt eine Bipolarität. Sie fällt von Beginn an als manisch auf. Die Biografie der Mutter hat natürlich Potenzial auf die Tochter induziert zu werden. Das wäre dann Prägung und nicht genetische Vererbung.

                                Auf die manischen Hochphasen - in diesem Falle des kreativen Schaffens und der euphorischen Gedankenstürme - folgt immer der Absturz. Das liegt daran, dass das menschliche Gehirn nicht nur ständige Trauer nicht aushält, sondern auch anhaltende Freude kann die Synapsen zerstören und das elektro-chemische Gleichgewicht im Gehirn wie eine Sicherung im Stromkasten durchbrennen. Die Folge ist, dass das Gehirn keine Freude mehr erzeugen kann, eine Depression und oft auch psychotische bzw. schizophrene Episoden sind die Folge.

                                Alex' Mutter geht keinem geregeltem Leben nach, lebt wie ein Hippie, ist aber ebenso gutgläubig wie ihre Tochter. Die Hintergrunderzählung offenbart, die biografischen Parallelen zwischen Mutter und Tochter, denn ihre Mutter hatte schon einen Alkoholiker als Mann, Alex' Vater. Alex hat aus ihrer Kindheit ein Trauma davongetragen, das immer wieder hochkommt.Es gibt also außer ihrem Ex-Freund und dessen prekär lebender Peergroup auch noch Vater und Mutter, die Alex das Leben schwer machen.

                                Auf der anderen Seite, gibt es Menschen die Alex helfen, teilweise nicht uneigennützig. Alex nimmt nicht gerne Hilfe an, weil sie instinktiv Angst hat Verbindlichkeiten einzugehen oder irgendwann dafür bezahlen zu müssen, eventuell auch mit Zuneigung. So hilft ihr Nate indem er ihr sein Auto leiht, sie übergangsweise in seiner Wohnung wohnen lässt und sie in Notsituationen abholt. Er tut das aus Liebe, aber Alex teilt die Liebe nicht, sie versucht sich gerade zu trennen und eigentlich will sie sich nicht binden, denn sie sucht nach Selbstverwirklichung. Darin ist sie aber noch nie reflektiert genug, weshalb sie nicht bemerkt, dass sie Nate damit an der Nase herumführt. Aber auch ihr Ex-Freund macht sich Hoffnungen, außerdem gibt es Streits um das Sorgerecht.

                                Für ihre Träume hat ihr familiäres Umfeld kein Verständnis. Deren Hilfe anzunehmen bedeutete sich dem zu fügen, was diese glauben, was für Alex gut wäre. Um dem zu entfliehen nimmt sie einen Job bei einer Putzfirma um eigenes Geld zu verdienen, wobei sie oft die Häuser wohlhabender auf Fishers Island putzt - was im krassen Gegensatz zu ihren prekären Ausbeuterjob steht - u. a. das Haus der Anwältin Regina.

                                Ein unerfüllter Kinderwunsch und ein kriselnde Beziehung belasten Regina. Das ist auch eine wichtige Erfahrung für Alex, die geglaubt hat, dass mit Geld alles soviel besser ist. Durch ihre Bekanntschaft mit Regina lernt sie die Schwächen von wohlhabenden Menschen kennen, aber auch ihre eigenen Stärken kennen.

                                Es unglaublich was in den USA, trotz des kaum vorhandenen Sozialsystems, für Mütter möglich ist. Wahrscheinlich hat man auch dort kapiert, dass Kinder unter allen Umständen ein geborgenes Leben haben, damit sie nicht später dysfunktional und delinquent werden. Hier lohnt sich die Investition jedes Cents, es ist eine Prävention für die Zukunft. Die Frauenhäuser haben staatliche Unterstützung, aber ohne private Spenden könnten sie die notwendige Hilfe nicht leisten. Das ist alles noch nicht genug, wenn man die individuellen Probleme von Alex sieht. Ihr Kontostand und das was sie kauft wird regelmäßig eingeblendet. Es gibt in den USA, in Ermangelung eines effizienten Sozialsystems eben auch private Organisationen oder Förderer. Letztere können Menschen in Not zwar effektiver helfen, aber eben nur einer kleinen Anzahl von Menschen.

                                Am Ende ist es wie eine Lotterie, aber das Glück trifft dann doch eher den Tüchtigen. Wie es für Alex in der Serie ausgeht kann man nicht sagen, weil das nicht alleine in ihren Händen liegt.

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                                  OUROBOROS 02.03.2023, 21:05 Geändert 02.03.2023, 21:19

                                  Runa - Die Insel der verlorenen Seelen

                                  Dr. David Hunter ist eine verlorene Seele. Davongelaufen aus einem Leben der Trauer um Frau und Tochter beginnt der forensische Anthropologe in Manham, Norfolk UK, ein neues Leben. Doch in dem idyllischen Kaff häufen sich Ritualmorde. Der in dem Fall ermittelnde Detective trifft durch zu Fall auf Hunter, erkennt ihn als weltweit bekannten Spezialisten und bindet ihn in den Fall ein. Hunter arbeitet widerwillig mit.

                                  Hat mich der Fall irgendwie nicht so ganz mitgenommen, endet er plötzlich schon nach 3 Episoden ganz plötzlich mit einem Schlusszeitraffer. Das hat mich schon ziemlich genervt, weil ich fand, dass es ein origineller Fall war und es war audiovisuell gut inszeniert. Dann plötzlich passieren allerhand Dinge und alles löst sich von selbst. Der dünne viel zu schnell gelöste Fall, der sich durch mehr Glück als Verstand löst, hat mich nicht angesprochen. Auch musste ich mich damit abfinden, dass eben nicht ein Fall pro Staffel behandelt wird. Da hat mich DER PASS aber mehr überzeugt oder gar TRUE DETECTIVE Staffel 1.

                                  Wäre da nicht noch der zweite Fall und die biografische Entwicklung Dr. Hunters, hätte ich jetzt mit 6 Punkten gewertet.

                                  Den zweiten Fall finde ich deutlich besser ausgearbeitet. Da lässt man sich mehr Zeit, es gibt tatsächliche Spuren und die Auflösung hält ein Paar interessante Wendungen parat. Ein Leckerbissen sind die restlichen 3,5 Episoden alleine schon wegen der Kulissen auf den äußeren Hebriden.

                                  Hunter läuft nämlich wieder davon und quartiert sich auf der Insel Runa auf den äußeren Hebriden ein. Die Landschaft haben sie satt gefilmt. Man kann da beim Filmen und Fotografieren auch keinen Fehler machen. Selbst wenn man dort die Kamera auf Selbstauslöser stellt und in die Luft wirft, wird der Schnappschuss ein Kunstwerk. Aber man hat hier auch tolle Panoramen mit rauem Wetter, sattem Grün, tosendem Meer und wechselhaften Himmeln geboten.

                                  Die Atmosphäre ist recht düster und die Leute auf dem kleinen Island sind schräg drauf. Das milde Tempo trägt zur Stimmung bei. Aber ein zwei Figuren gibt es, die sympathisch sind, später auch mehr, so dass Hunter Anschluss findet. Aber er ist eigentlich dort, weil er einen Unfall zur Begutachtung wollte. An der Version des Unfalls kommen mehr und mehr Zweifel auf. Interessant fand ich hier die Analysen über den Tod des Opfers durch Verbrennen. Das ist schon ziemlich eklig, aber auch interessant. Ich kann dafür 8 Punkte geben, machen gemittelt 7 Punkte. Ich gebe 0,5 drauf, damit ein Anreiz besteht den zweiten Fall zu sehen, der doch sehr beschaulich ist.

                                  Das Ende will ich nicht spoilern, nicht mal die kleinsten Andeutungen geben. Man sollte jedoch beim Abspann nicht abschalten.

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                                    OUROBOROS 01.03.2023, 19:57 Geändert 02.03.2023, 21:21

                                    Folge 4, 5 und 6.

                                    Langweiliger als den Roman empfinde ich die Serie kaum, aber es scheint, als hätte man den Roman geviertelt, statt halbiert, wie ich befürwortet hätte. Das größte Problem habe ich deshalb mit dem Tempo. Durch die Kürzung passieren die Dinge alle ziemlich aus dem nichts, die Erzählung ist inkohärent als würde man drei Teile von DER HERR DER RINGE in 45 Minuten erzählen.

                                    Waren Walangriff und Hummergift-Angriff noch ganz nett inszeniert, wirkt der Angriff der Krebse schon sehr gekürzt. Da ich gerade frisch noch mal die Stelle mit dem Tsunami im Roman wiederholt habe, war ich nun absolut enttäuscht, nicht nur von den wenigen und schlechten CGI-Effekten, sondern auch vom Spannungsbogen, welcher mir hier zu flach war. War das spannend im Roman, als der Hubschrauber sich der Wasserfront entgegensieht. Danach verstand ich Schätzings Kommentar mit dem dass es "mehr pilchert". Nein Sigurd, ich kann mir ein Leben ohne dich und die Schwarm-Serie sehr gut vorstellen.

                                    Was mir jetzt noch gefällt ist, dass die 8 Wissenschaftler, die niemand so richtig ernst nimmt, auf die Suche nach den YRRs geht. Das Feeling, als die Outsider sich verbünden, war schon stark. Ist dann so ein bisschen wie in ES von Stephen King. Aber im Roman ist die Pressekonferenz bedeutend interessanter, wird da mehr auf eine feindliche menschliche Macht eingegangen. Mir war das auch alles zu kurz gefasst.

                                    Von den letzten beiden Folgen erhoffe ich mir jetzt nicht mehr so viel. Gut gemacht, aber weit weg von "sehenswert", obwohl man DER SCHWARM als Kombination aus Versatzstücken von THE DAY AFTER TOMORROW, DON'T LOOK UP und ABYSS sehen kann. Was wäre da möglich gewesen, es besser zu machen als Frank Schätzing.

                                    Ich empfehle trotzdem meinen Blogartikel über das Genre Öko-Horror - keine Angst DER SCHWARM spielt eine Mini-Rolle - mit vielen Beispielen für Bedrohungen für die Menschheit und wissenschaftliche Fälle und mythologische Beispiele.

                                    https://www.moviepilot.de/news/der-schwarm-und-andere-werke-aus-dem-genre-oeko-horror-1140176

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                                      OUROBOROS 26.02.2023, 13:09 Geändert 26.02.2023, 15:00
                                      über Freibad

                                      FREIBAD ist so richtig schön doof und schräg, vom Stil keine Satire, sondern eine provinzielle Posse.

                                      Man mische Dutzende Klischees mit völlig unwahrscheinlichen Begebenheiten in einen Cocktail und garantiert wird er beschissen schmecken. Deshalb ist diese Mixtur von stereotypischen Verhaltensweisen der individuellen kulturellen Emanzipation auf der einen Seite und Culture-Clash auf der anderen Seite eine drastisch chaotische Veranstaltung mit entsetzlichen Szenen des Fremdschams.

                                      Der unfassbaren Klischees bedarf es aber, denn wenn man Vorurteile bzw. Menschen die sie hegen zur Schau stellen will, dürfen Klischees nicht fehlen. Jedes Vorurteil gründet auf Klischees, deshalb wimmelt es hier nur so von Idiotie. Wer das für ein normalen Verhalten hält, der hat den Schuss nicht gehört. Hier wird der Kleinbürger porträtiert, der im ländlichen Freibad die Begegnung der Dritten Art hat.

                                      Der Kabarettist Heinz Becker schimpft auch gerne gegen Migranten, Frauen und Diversität und das rechtsextremistische Publikum bemerkt noch nicht einmal, dass er nur einen kleinbürgerlichen Idioten spielt. Die vielfache Identifikation von Menschen mit dieser Kunstfigur des engstirnigen Kleinbürgers ist immer wieder erschreckend. Eigentlich heißt er im realen Leben Gerd Dudenhöffer und ist ziemlich genau das Gegenteil des fiktiven Alter Egos. In Zeiten, bei der sich die Serie DIE SIMPSONS Vorwürfen der Diskriminierung ausgesetzt sieht, war bei FREIBAD zu erwarten, dass man sich auf hier aufreibt. Den Vorwurf des belehrenden Erziehungsfernsehen sehe ich hier genauso wenig, wie die Verharmlosung der Diskriminierung von Minderheiten.

                                      Doris Dörrie erschafft in einer Art Kammerspiel im Freien einen knallbunten Mikrokosmos unserer Gesellschaft und wirft mit viel Witz und Scharfsinn die Frage auf, ob wir wirklich so tolerant sind, wie wir immer glauben. Der Humor in Freibad ist zudem ein Musterbeispiel dafür, dass emanzipatorische Inhalte nicht bieder vermittelt werden müssen. Die komödiantische Auseinandersetzung mit heiklen Themen, kommt hier weder pseudorebellisch mit einer vermeintlichen „political correctness"-Daktat daher, noch auf aufgezwungene moralapostelmäßige Weise, denn hier werden schon Tabus unter Fremdscham-Alarm gesprengt.

                                      Allerdings hätte es gerne noch ein wenig übertriebener sein können. Ich schätze, sowas wie FREIBAD zeigt man trotzdem nicht in der Primetime der ÖRR.

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                                        OUROBOROS 26.02.2023, 09:34 Geändert 26.02.2023, 09:35

                                        Gefallen hat mir das Setting in Irland, aber eher wegen der Landschaften. Den mythologisch-keltischen Hintergrund mag ich normalerweise sehr, finde ich ihn hier zu wenig interessant umgesetzt. Er erfüllt aber seinen Zweck. In ZONE BLANCHE fand ich den mythologisch-keltischen Hintergrund passender eingesetzt.

                                        Ansonsten hatte ich an dem Fall sehr zu knabbern, denn ein paar Mal schlief ich ein. Obwohl ich die Stellen alle nachholte, wollten sich die Bruchstücke nicht zusammenfügen. Ich wusste also nicht, ob ich etwas durch mein Einschlafen verpasst habe oder es gewollte im Nebulösen blieb.

                                        Am Ende denke ich, dass ich alles verstanden habe, auch dass nicht alles gelöst wurde.

                                        Trotz alledem war das schon ein schwerer und deshalb guter Brocken!

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                                          OUROBOROS 25.02.2023, 13:52 Geändert 25.02.2023, 17:38

                                          Nach Jordan Peeles GET OUT wurde quasi das Genre des Rassismus-Horrors mit weiteren Werken geflutet, darunter ANTEBELLUM, HIS HOUSE, die ich beide sehr gelobt habe sowie MASTER und die Serie THEM.

                                          Klar hat THE STRAYS eine andere Geschichte und beginnt recht unterhaltsam, aber das kann aus mehreren Gründen nicht an die Vorgenannten heranreichen. Als sich die Story auf FUNNY GAMES dreht, ist sie plötzlich mit einem Knall bzw. Knattern zu Ende. Der Schluss hat schon eine Message, aber die kommt sehr früh und ungar. Sie ist so lakonisch, dass man wenigstens einen Lacher hat.

                                          Lange wartete ich auf die Antwort auf meine Frage, warum die Mutter so schräg drauf ist, und warum sie auf diese Weise gehandelt hat, aber auch das wird unzureichend beantwortet. Es fehlt ihre eigene Kindheits-Biografie, während die der Kinder auch nur angedeutet wird. Ihr Psychogramm bleibt unerklärlich und ich habe auch keine Lust eines herzuleiten. Sie hat tatsächlich einmal Halluzinationen, aber daraus folgt nichts weiteres.

                                          Der Film ist technisch gut, aber inhaltlich enttäuschend. Ich kann nur warnen seine Zeit damit zu vertrödeln. Für Freunde des Blutes ist da nix zu sehen und für Freunde des Wahns auch nicht.

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                                            OUROBOROS 24.02.2023, 21:11 Geändert 24.02.2023, 21:14

                                            Wer das Bedürfnis nach rauem Klima und ewigem Eis hat, der hat jetzt die Möglichkeit, die Atmosphäre, einer Schiffsreise im 19. Jahrhundert in die Arktis, vom Sofa aus zu genießen.

                                            Grundlage der Erzählung THE NORT WATER bildet die, u.a. von der New York Times, Chicago Tribune und dem Royal Society of Literature Encore Award hochgelobte, gleichnamige Novelle von Ian McGuire.

                                            Oberflächlich betrachtet, hat die Geschichte viel gemeinsam mit der ersten Staffel von THE TERROR, nur dass es sich eben nicht um eine Expedition zur Erkundung der Nordwestpassage handelt. War THE TERROR mit viel Horror und Schauwerten ausgestattet, finden sich bei THE NORTH WATER hingegen zusätzlich verschiedene philosophische Fragestellungen, welche die Tiefe von DER SEEWOLF und MOBY DICK oder HERZ DER FINSTERNIS erreichen, aber eigene Themenschwerpunkte setzen können.

                                            In meiner Rezension VON DER UNFÄHIGKEIT DER VERNUNFT GRENZEN INS UNGEWISSE ZU ÜBERSCHREITEN beschreibe ich die Themen von THE NORT WATER und ergänze sie um weitere Erkenntnisse.

                                            https://www.moviepilot.de/news/von-der-unfaehigkeit-der-vernunft-grenzen-ins-ungewisse-zu-ueberschreiten-1139585

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                                              Endlich ist es soweit. Der Schwarm, ein Roman von Frank Schätzing aus dem Jahr 2004, in welchem die Welt auf ein Massenaussterben zusteuert, feiert fast zwei Jahrzehnte nach Veröffentlichung seine Premiere als Serie und ist ab Morgen dem 22.02.2023 um 10:00 Uhr in der ZDF Mediathek unter folgendem Link zu finden.

                                              https://www.zdf.de/serien/der-schwarm

                                              Da DER SCHWARM dem Genre Öko-Horror zugerechnet werden kann, war die herannahende Serienpremiere für mich der Anlass das Film- und Serien-Genre Öko-Horror einmal zu rekapitulieren und Filme und Serien aus unterschiedlichen Sub-Genres des Öko-Horrors vorzustellen, die u.a. eine Bedrohung für die Menschheit darstellen können. Dazu gehören zum Beispiel Pilze, Viren, Bakterien, Insekten, Tiere, Pflanzen, das Klima oder menschliche Technologien, wobei mein Fokus darauf lag, dass der Mensch in den meisten Fällen selbst die Verantwortung dafür trägt, dass Mutter Natur ihre Waffen zückt.

                                              Eine Meta-Rezension über das Genre des Öko-Horror in meinen Blog:

                                              https://www.moviepilot.de/news/der-schwarm-und-andere-werke-des-oeko-horrors-1140176

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                                                OUROBOROS 20.02.2023, 20:11 Geändert 20.02.2023, 21:57

                                                "Unser Haus ist aus Scherben gebaut,
                                                aber es gibt immer einen Hoffnungsschimmer.
                                                Jedes Kind hinterlässt seine Spuren an unseren
                                                alten Wänden, Spuren bei uns und den Freunden,
                                                die sie hier finden."

                                                [Region Luhansk, Donbass, Ukraine in den Jahren 2019-2022]

                                                Aufgrund der Kämpfe, die seit 2014 im Donbass stattfinden, haben viele Menschen ihre Arbeit verloren, sind obdachlos oder Alkoholiker geworden. Die Schwächsten in der Gesellschaft - Kinder - tragen hier das größte Leid. Unfähig ihren Kinder ein sicheres Heim zu geben oder eine verlässliche sozial-emotionale Bindung nimmt das Jugendamt den Eltern die Kinder ab, während die Behörden über ihr weiteres Schicksal entscheiden.

                                                Das Heim ist nur eine Zwischenstation oder wie man in der Fachsprache sagt: eine Auffangstation.

                                                Es ist also klar, dass die Kinder hier nicht lange bleiben, denn in den meisten Fällen können sie an Langzeiteinrichtungen und Pflegefamilien übergeben werden, doch in diesen Monaten oder Jahren sind die Kinderseelen rastlos und finden sich langsam mit der Situation ab, dass sie ihre Eltern verloren haben, als wären sie gestorben.

                                                Bevor ich mit dem Film angefangen habe, erinnerte ich mich an die Berichte im Jahr 1990, nach dem Ende der Ceaușescu Diktatur, die die erschütternden Zustände im rumänischen Kinderheim Cighid aufdeckten, doch diese ukrainische Einrichtung ist eher eine Hommage an Menschen, die mit dem ganzen Herzen dabei sind Kindern und Jugendlichen zu helfen.

                                                Keine Hartherzigkeit, Vernachlässigung oder emotionale Verwahrlosung bestimmen den Alltag, wie man das aus früheren Zeiten in diktatorischen Regimes beobachten konnte, sondern weiche Stimmen, die den Kindern positive Bestätigungen geben oder helfen zu verstehen, welche Konsequenzen unerwünschtes Verhalten haben kann.

                                                40 Kinder zwischen 3 und 15 Jahren mit so wenige Personal zu betreuen ist eine Sisyphos-Aufgabe, ganz klar, denn ist die Zeit viel zu kurz, um die Traumata zu heilen. Es ist unglaublich mit welcher Feinfühligkeit und Sensibilität man vorgegangen sein muss, um die Kinder so authentisch zu filmen, dass sie die Kamera ganz vergessen zu haben scheinen. Die echten Emotionen zu ertragen, treibt mir Tränen in die Augen und ich habe ein dumpfes Gefühl in der Magengegend. Andererseits fühle ich mich ertappt, als schaute ich einen Seelenporno, bei dem Kinder sich mit ihrer Lebensgeschichte prostituieren, während ich im warmen Sessel sitze.

                                                Mir hilft es, selbst in einem Umfeld der der Kinder- und Jugendhilfe zu arbeiten, als Integrationshelfer. Aber die ganz traurigen Schicksale bleiben mir verborgen. Wir haben an unserer Grundschule mehrere ukrainische Kinder. Man kann deutlich beobachten, wie sie für Momente apathisch sind und traurig in die Luft starren, während die Kinder ohne traumatische Erfahrungen fast ständig gute Laune haben, eben ganz unbeschwert. Die meisten ukrainischen Kinder sind still und zurückhaltend, selbst wenn sie die deutsche Sprache in kurzer Zeit gut erlernt haben, was man bemerkt, wenn sie sich mal zu Wort melden.

                                                Ich kenne die Hintergrundgeschichten der geflüchteten Kinder nicht, betreue ich ein geistig behinderten Jungen mit russischen Eltern. Das hat mir anfangs Sorge bereitet, denn der Junge suchte Streit mit dem ukrainischen Jungen in der Klasse. Jetzt hat sich herausgestellt, dass die russischen und ukrainischen Eltern ein friedliches Auskommen haben. Vor allem liegt der Konflikt zwischen den beiden Jungen nicht an der Nationalität. Mindestens einer davon weiß gar nicht, was Nationalität oder Religion bedeutet. Das ist das Schöne an der Grundschule. Da gibt es noch wenig selektive Empathie.

                                                Die Dokumentation ist audio-visuell künstlerisch wertvoll gestaltet mit schönen Szenenbildern eines Unwetters, Winterlandschaften, Graslandschaften mit Vögeln und Musik u.a. von Arvo Pärt. Die Beschaulichkeit überträgt sich auf die beobachtende Kamera, die die Kinder nah an den Bildschirm bringt und ihre Gespräche und Mimiken einfängt.

                                                Alina und Sascha, die sich als Freundinnen gefunden haben, nach einem ruppigen Auftakt mit Schlägen und intensiven Versprechen, dass sie alles tun werden um beste Freundinnen zu sein, unterhalten sich darüber, dass ihre Eltern Alkoholiker sind. Sascha hat schon einige Male Bier getrunken, dabei war sie nicht mal 10 Jahre alt. Sie wurde oft sich selbst überlassen, weil ihre Mutter tagelang auf Tour war, also musste auch für sich selbst kochen.

                                                Als Sascha zu Alina sagt: "Deine Mutter hat dich vergessen", sagt Alina "Nein", doch Sascha setzt nach "Deine Mutter hat sich selbst vergessen". So einige Gespräche, die man eher von Erwachsenen vermutet, kann man hier mithören.

                                                Es gibt eine Situation, in der die Kinder ein Wahrsagerinnen-Rollenspiel spielen. Ein älteres Kind spielt die Wahrsagerin unter einer Wolldecke mit einer Kugelleuchte mit vielen Farben und Mustern. Während sie einem Kind eine positive Zukunft voraussagt, erzählt sie Alina: "Du wirst hier weggehen, in eine schlechte Pflegefamilie, die dich behandelt wie wie eine Sklavin. Es wird eine sehr schlimme Zeit für dich. Wenn du erwachsen bist, heiratest du einen Mann der dich schlägt. Dann fängst du an Alkohol zu trinken und man nimmt dir die Kinder weg."

                                                Man kann die Tränen in Alinas Augen sehen, den Schock, der ihr ins Gesicht geschrieben steht, als sie das hört. Ich frage mich, welche Folgen diese düstere Prophezeiung eines anderen Kindes für ihr Inneres hat. Führt es dazu, dass sie kapituliert und tatsächlich den Fluch der Erziehungsdefizite der Mutter in die nächste Generation weiterträgt oder schafft sie es den Fluch zu durchbrechen.

                                                Alina und ihre Freundin Sascha werden schließlich getrennt, weil Alina von einer Pflegefamilie übernommen wird. Schon bei der Verabschiedungsfeier Alinas, einen Tag zuvor, kann man die Trauer von Sascha sehen. Mit glasigen Augen schaut sie teilnahmslos der Feier zu. Am nächsten Tag sitzt sie im Flur und schaut wie Alina aus der Tür geht. Alina kommt noch mal zurück und umarmt sie lange. Danach ist sie wieder allein.

                                                Es werden noch weitere Schicksale beschrieben, was ich jedoch nicht vorweg nehmen will. In dieser tristen Welt gibt spenden Margarita und ihr Sozialarbeiter-Team Lächeln, Umarmungen und Fürsorge. Es ist ihnen gelungen, einen magischen Ort in einer von Kriegen verheerten Region zu schaffen. Der Kommentar - möglicherweise stammt er von Margarita - ist sanft und herzlich, so wie ich die russische Sprache sehr selten gehört haben. Ein Hauch von Poetik ist zu spüren.

                                                Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 wurde das Kinderheim evakuiert: Einige der Kinder könnten auch in Deutschland sein, an meiner Grundschule, denn viele Kinder teilen dieses Schicksal.

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                                                  OUROBOROS 19.02.2023, 09:44 Geändert 19.02.2023, 09:46

                                                  "Eine Revolution ist nicht ein Dinner, bei dem man die Gäste einlädt, sondern ein Kampf, bei dem man sie besiegt."
                                                  – Emiliano Zapata

                                                  Mexiko hat, neben anderen lateinamerikanischen Ländern, eine lange Geschichte struktureller Probleme, wie etwa die Benachteiligung von bestimmten Gruppen aufgrund ihrer Ethnie und Abstammung, Geschlecht oder wegen der Herkunft aus verarmten oder bildungsfernen Gesellschaftsschichten, die eine große soziale Ungerechtigkeit hervorgebracht hat. Das hat immer wieder zu blutigen Aufständen geführt.

                                                  Um dieses Thema in Form eines Essays genauer zu beleuchten, werde ich drei mexikanische Filme vorstellen, die ich zunächst nicht mit einem bestimmten Ziel ansah. Der Zufall führte mich dahin, zu entdecken, dass diese Filme dieselben Phänomene in unterschiedlichen Epochen der mexikanischen Geschichte abbilden. Dazu gehört ROMA, NUEVO ORDEN und DER WÜRGEENGEL.

                                                  https://www.moviepilot.de/news/essay-das-trauma-der-ewigen-revolution-im-mexikanischen-film-1140147

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                                                    "Eine Revolution ist nicht ein Dinner, bei dem man die Gäste einlädt, sondern ein Kampf, bei dem man sie besiegt."
                                                    – Emiliano Zapata

                                                    Mexiko hat, neben anderen lateinamerikanischen Ländern, eine lange Geschichte struktureller Probleme, wie etwa die Benachteiligung von bestimmten Gruppen aufgrund ihrer Ethnie und Abstammung, Geschlecht oder wegen der Herkunft aus verarmten oder bildungsfernen Gesellschaftsschichten, die eine große soziale Ungerechtigkeit hervorgebracht hat. Das hat immer wieder zu blutigen Aufständen geführt.

                                                    Um dieses Thema in Form eines Essays genauer zu beleuchten, werde ich drei mexikanische Filme vorstellen, die ich zunächst nicht mit einem bestimmten Ziel ansah. Der Zufall führte mich dahin, zu entdecken, dass diese Filme dieselben Phänomene in unterschiedlichen Epochen der mexikanischen Geschichte abbilden. Dazu gehört ROMA, NUEVO ORDEN und DER WÜRGEENGEL.

                                                    https://www.moviepilot.de/news/essay-das-trauma-der-ewigen-revolution-im-mexikanischen-film-1140147

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