OUROBOROS - Kommentare

Alle Kommentare von OUROBOROS

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    "Things to come" ist der Blick in einen düsteren schwarzen Spiegel der nahen, mittleren und ferneren Zukunft der Menschheit, also quasi ein "Black Mirror" der 30er Jahre, eine Zukunftsprognose basierend auf dem dem Roman "The Shape of Thing to Come" von H. G. Wells, eines der größten Futurologen der Menschheit.

    Von wem kann eine Erzählung von "Was kommen wird" sonst kommen als von ihm. Im Gegensatz zu Jules Verne hat er neben der technologischen Entwicklung auch eine Prognose zu den gesellschaftlichen Entwicklungen abgegeben. Auch "Die Zeitmaschine" oder "Wenn der Schläfer erwacht" enthalten enbeso technologische wie auch gesellschaftliche Prognosen.

    Die Rahmengeschichte von "Things to Come" bildet ein fiktives Geschichtsbuch, das im Jahr 2106 geschrieben wurde. Rückblickend beginnt es mit dem Jahr 1940 in der London darstellenden fiktiven Stadt Everytown. An der Saint Pauls Cathedral und am Piccadilly Circus habe ich erkannt, dass es London sein muss, aber nicht ohne Grund hat Wells die Stadt "Everytown" genannt um zu verdeutlichen, dass sie überall auf der Welt sein könnte. Die Programmatik Ort und Nationalitäten zu vermeiden zieht sich dann auch durch als ein Weltkrieg ausbricht. Jeder kann sich denken, dass es der Zweite Weltkrieg ist, wobei Wells 1930 schon ziemlich genau vorausgesagt hat, wann und warum dieser Krieg beginnt, nämlich wegen des Streits um den polnischen Korridor. Das wird natürlich nicht im Roman erwähnt, weil hier keine Nationalitäten genannt werden.

    Interessant ist, wie soziapsychologisch genau H. G. Wells das Verhalten der Menschen kurz vor Ausbruch des Krieges beschreibt. Tagelang warenen Transparente und Zeitungen vor dem Krieg. In riesigen Lettern steht War auf den Zeitungen auf Transparenten, aber die Leute ignorieren die Warnungen, feiern ihr Weihnachtsfest und sagen sich "Wir schon nicht so schlimm werden". Auch die Regierung lässt über Megaphone und die Medien verbreiten, dass es nicht so schlimm wird. Aber als der erste Angriff kommt bricht Panik aus. Die Regierung ermahnt im Haus zu bleiben und alles abzudichten, Gasmasken anzuziehen. Doch es trifft die Bevölkerung völlig unvorbereitet, aber sie hätten es wissen können. Damit bestätigt mich H. G. Wells in meiner Beobachtung zu Corona, dem Klimawandel und der Flutkatastrophe. Die Menschen zu warnen ist ein Spiel mit dem Feuer. Sie ignorieren die Warnungen und am Ende beschweren sie sich, dass sie nicht gewarnt worden seien.

    Der Krieg tobt und Geschwader von Bombern entladen ihre unheilvolle Fracht. Die fiktiven Bildern aus dem Jahr 1936 sind eine Blaupause auf die Aufnahme der Wochenschau nur 2 Jahre später. Dieses prohetisch anmutenden Gesichte von H. G. Wells haut mich um. Ich erkenne sogar Prototypen deutscher Stukkas wieder, deren Erstflug sie im Jahr 1935 absolviert hat. Doppekdecker aus dem ersten Weltkrieg lässt er gegen sie kämpfen, was für eine aberwitzige Vorstellung. H. G. Wells ist ein kreativer und zugleich analystischer Kopf der manchmal Humor durchblicken lässt, wie bei diesem Dogfight. Der Doppeldecker ist doppeldeutig, denn erstens zeigt er die technische Rückständigkeit eines Opponenten und zum anderen wird ein Bezug zum Ersten Weltkrieg hergestellt. Er lässt dann witzigerweise den Doppeldecker gewinnen. Es folgt eine ernste Antikriegsfilmszene, in welcher der abgestürzte Stukka-Pilot, der gerade ganze Dörfer mit Gasbombem "vergast" hat vom Feind gerettet wird, der ihm eine Gasmaske überzieht und ihn damit vor den eigenen Waffen rettet. Dann kommt ein Mädchen aus dem Trümmern des Dorfes herbeigelaufen und weil es nur zwei Masken gibt, übergibt der Stukkapilot seine Maske an das Mädchen, um es zu retten, wähend er den Tod wählt. Er keucht die letzten Worte: "Welche Ironie des Schicksals. Gerade eben habe ich ihr Dorf vergast und ihre Eltern getötet und jetzt sterbe ich durch mein eigenes Gas, in dem ich ihr meine Maske gebe".

    Man muss sich diese Szene einmal vorstellen, die schon idealisiert und wenig realistisch erscheint, aber da liegt ein feindlicher Soldat im Sterben und bereut einen sinnlosen Krieg geführt zu haben. Das hatte man schon im Ersten Weltkrieg, aber die Menschen sind vergesslich.Der Krieg dauert 30 Jahre, wobei der Film die technologischen Entwicklungen zeigt und Erfindungen aufgreift, die nach realer Zeitgeschichte erst im kalten Krieg gemacht wurden. An den Krieg schließt eine große Seuche an, die vergleichbar ist mit einer radioaktiven Verstrahlung bzw. ist es Radioaktivität, denn als Gegenmittel soll Jod genommen werden.

    Waren die Filmeffekte am Anfang zwar kreativ aber dennoch ärmlich, zeigt sich jetzt in der post-apokalypstische Szenerie, was der Krieg angerichtet hat. Erschreckend realistisch sehen die zerstörten Städte aus, ein Konterfei von Dresden 1945, allerdings aus dem Jahr 1936. Nach dem die Seuche überstanden ist bilden sich neue Fraktionen, die sich neue Namen gegeben, es bilden sich neue Religionen und neue alte Werte, den Warlords reißen die Macht an sich und der Kampf um Ressourcen wie Öl, Kohle und Stahl flammt in Kleinscharmützeln auf. Es ist eine barbarische Gesellschaft, in einem prätechnologischen bzw. mittelalterlichen Zustand, der Steinzeit näher, wie das Szenario, das Albert Einstein nach dem Dritten Weltkrieg vorausgesagt hat. Schon bald taucht ein Kundschafter einer neuen Fraktion auf, die technlogisch fortgeschritten ist. Er stellt sich als Friedenswächter der Welt vor, dabei wenden sie eine paradoxe Strategie des militanten Pazifismus an. Alle die sich nicht assimilieren lassen werden sobald sie aggressiv werden mit einem "Friedensgas" ruhiggestellt.

    Eine technokratrische Epistokratie etablbliert sich, also eine Herrschaft der Fachleute und Wissenschaftler und die Menschen lebten noch nie so in Frieden und Überfluss, quasi eine hedonistische Freizeitgesellschaft und trotzdem formiert sich ein antiwissenschaftlicher Wiederstand. Parallelen zu den Ursachen für die "Vertreibung aus dem Paradies" wegen Überdrusses bis zu den aktuellen Geschehnissen auf der Welt bezüglich Scientist for Furure, Coronaleugnern und Verschwörungserzählungen sind für mich erschreckend erkennbar. In den letzten Jahrzehnten hat man die Wissenschaft noch nie so respektiert seit es sie gibt, doch in den letzten Jahren keimt eine antiwissenschaftliche parawissenschaftliche esoterischer Saat auf, die nach H. G. Wells nur der Anfang der Epoche sind, die er vorausgesagt hat. Es ist eine Zeit in der man den Mond und anderen Planeten besiedeln möchte, doch die Feinde des Fortschritts schwingen die Reden von wahnhaften Gläubigen. Ein Prophet des Antifortschritts ruft zu Terroranschlägen auf.

    Oh Wehklage. Wir befinden uns in der Erzählung in einer Zeit, die aus unserer Sicht aktuelle und nahe Zukunft ist. Das Setdesign für das Jahr 2106, besonders der Innenarchitektur, könnte man sogar noch für heutige Sci-Fi Filme nutzen. Zur den geräumigen lichtdurchfluteten Wohnung gehören groß Flatscreens, auf denen man Filme und Liveübertratungen sehen kann. Sie werden Radios genannt, denn die gibt es schon im Entstehungsjahr 1933, aber die gleiche Funktechnik bringt ja auch eben die Erfindung des Fernsehens, die hier vorweggenommen wird. Solche schöne Flatscreens habe ich noch nicht gesehen. Es gelingt sogar eine Inscreen-Technik um Filme darauf zu zeigen wie etwas die Geschichte von New York aus dem Jahre 1930, also im Rückblick aus dem Jahr 2036. Auf Schreibtischen, die ich sogar in meine Wohnung stellen würde befinden sich Monitore, die mindestens so stylisch aussehen wie Apple-PC Monitore. Ich hätte fast Verpasst, als dieser Verschwörungsprophet im Radio = Internet spricht, sieht man auch eine Hologrammtechnik in Lebensgröße, als er sagt:

    "Der Fortschritt zerstört uns, Haben wir denn nie genug, sind wir niemals frei und zufrieden. Wir sind Sklaven des Fortschritts."

    Aus heutiger Sicht sind diese Worte des Anti-Fortschrittpropheten geradezu ambig. Ich weiß nicht, was sich H. G. Wells dabei gedacht hat, aber wenn ich sie so verstehen, als würde mir jemand aus meiner Zeit sagen, dann würde ich sie verstehen als würde es mir jemand von der Gruppe "Extinction Rebellion" oder manche von "Fridays for Future" sagen, die radikalen Verzicht predigen bzw. "Die Grenzen des Wachstums" vom "Club of Rome" und "Scientists for Future", aber H. G. Wells meinte wohl eher die Fraktion der Verschwörungsgläubigen konservativen Traditionalisten und Esoteriker, die fortschritts- und wissenschaftsfeindliche sind, also den Vorgenannten diametral entgegenstehen.

    Irgendwie findet für mich in diesem Zitat die unheilvolle Melange aus beiden Fraktionen statt, aber wie man es dreht, H. G. Wells hat mit einer Sache nicht gerechnet und zwar mit dem Klimawandel.

    Ich habe mit einem Werk von H. G. Wells gerechnet, das inhaltlich Zukunftsaussagen machen würde, aber nicht in dieser erschreckenden Weise und zudem ist die filmtechnische Umsetzung für die 30er Jahre innovativ von Kulissen, Schnitttechnik und Kameraführung, das man sich für heutige Filme etwas abschauen kann. Mit wenig Mitteln hat man viel herausgeholt.

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      Leider sieht das schon im Trailer schlechter aus als der Hollywood Blockbuster mit Tom Cruise.

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      • The Voice of Germany 2023 wechselt komplett die Jury aus. Bisher gab es da immer Musiker in der Jury, die wohlgefällig waren und nicht wirklich Ziel großer Kritiker-Schelten wurden. Mit Ronan Keating hat man einen solchen nochmal gewinnen können, aber Shirin David und die Kaulitz-Brüder könnten viele Zuschauer abschrecken, die konservativen sind oder Tokyo Hotel als zu affig empfnden. Der ZDF Clown aus dem Zircus Zarella erhöht für mich die Bandbreite auf ein biederes Publikum.

        Nun, ich habe von 12 Staffeln bestimmt 80% gesehen und in den letzten Jahren war die Werbung so massiv, dass ich fast die Lust verlor. Aber in meinem PC-Browser hatte ich jetzt ein paar Mal 1 Minute Werbung, gefühlt 0 min, was den Genuss der ersten Episode doch ganz schön in die Höhe schnell ließ.

        Ich habe tatsächlich wieder mitgefühlt und sogar Tränen gelacht bei der chinesischen Rapperin. Nicht dass sie schlecht war, sie war der absolute Knaller. Die Performance war lustig, sie war total cool, sie war crazy kreativ, ich habe sie gerne gesehen. Sie ist schon ein fertiger Star, braucht nur einen eigenen Song. Aber ich habe auch mit der Jury gelacht, die sich wieder Rededuelle liefert. Beim Intro hat Zarella Vollplayback gesungen, was mir als erstes negativ aufgefallen war, da man bei TVOG doch immer viel Wert darauf legte, dass die Künstler frei singen.

        Shirin David kannte ich bisher eigentlich nur von Schülern, die mir erzählten wie cool sie sei, in einem Atemzug genannt mit Katja (Krasavice). Diese beiden jungen Künstler kannte ich bisher nur von der Optik. Da ich eher natürliches Aussehen mag, habe ich sie zuerst abgelehnt, aber Katja hat die Bohlen ja gut ein paar mitgegeben und sich auch sonst als empathische und bodenständige Person gezeigt. Die Musik ist nicht meinst. Shirin Davids Musik hingegen, hörte sich für mich dann auch überraschend gut an.

        Ihre Persönlichkeit muss ich jetzt noch ein bisschen wirken lassen auf mich. Die Kaulitz Brüder, die mir schon ordentlich auf den Senkel gingen in der Vergangenheit, die finde ich doch hier ganz angenehm, obwohl ich weder GNTM (was ich immer als Guantanamo lese) noch deren Musik ansprechend finde.

        Eigentlich höre ich überhaupt keine Mainstream-Musik, eher Electro, Ethno, Neoklassik, Bossa Nova, Jazz, Lounge Music, Ambient, doch ab und zu holen mich die Balladen, live gesungen von neuen Stimmen so mit, dass ich um TVOG nicht herumkomme. Man hat auch bei TVOG angefangen ein wenige mehr Drama bei den Kandidaten einzuspielen, aber es ist kein DSDS Melodrama.

        Mir gefällts.

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          OUROBOROS 19.09.2023, 20:39 Geändert 19.09.2023, 21:02

          Wenn man sich vorstellt, dass H. G. Wells diese Geschichte 1895 geschrieben hat, dann läuft es einem eiskalt den Rücken herunter. Mein Großeltern erzählten mir von allen Schrecken des 2. Weltkrieges und dann sehe ich als Grundschüler diesen Film, der noch einen 3. Weltkrieg zeigt, bei dem Atombomben zum Einsatz kommen.

          Erst 1914 gab er dieser Waffe den Namen "Atombombe" in seinem Roman "Befreite Welt" und wir damit zum offiziellen Wort-Neu-Schöpfer. Interessant ist, über welches Wissen er bereits 1895 verfügt, sich diese Waffe auszudenken und eine Zeitmaschine, wo sich Einstein und Curie noch im Pionier-Erforschungsstadium ihrer jeweiligen Disziplin befanden. H. G. Wells war kein Atomphysiker oder Astrophysiker, aber hatte aber Kontakt in die Wissenschaftswelt.

          Nur im Buch "Die Zeitmaschine" von 1895 wird klar wieviel er über das wusste was Einstein erst gut 20 Jahren später in wissenschaftliche Theorien zu gießen begann.

          Was im Film auch nicht klar wird, ist das H. G. Wells selbst ein sehr guter Futurologe ist, d. h. er kann zukünftige Entwicklungen antizipieren. Man lese nur folgendes Zitate aus dem Roman "Die Zeitmaschine", welches im Film nicht vorkommt, aber die Eloi beschreibt.

          Man lasse sich diese Worte aus dem Jahr 1895 auf der Zunge zergehen!

          "Sowohl in ihrer Kleidung, wie auch in allen Merkmalen des Körperbaus und Verhaltens die heutzutage die Geschlechter voneinander unterscheiden glichen diese Zukunftswesen einander vollkommen. Die Kinder erschienen mir wie Miniaturausgaben ihrer Eltern.

          Ich schloss daraus, dass die Kinder dieser Ära außerordentlich frühreif sein mussten, körperlich wenigstens, und ich fand diese Vermutung in der Folge mehrmals bestätigt.

          Beim Anblick der Sicherheit und Sorglosigkeit in der diese Leute lebten, wurde mir klar, dass diese Angleichung der Geschlechter eigentlich zu erwarten gewesen war, denn die Stärke des Mannes, die Sanftmut des Weibes, die Institution der Familie und die Arbeitsteilung im Berufsleben sind ja nur in einem Zeitalter unbedingt notwendig, das von physischer Kraft beherrscht wird.

          Wo die Bevölkerung ausgewogen und zahlreich ist, wird reichlicher Nachwuchs eher zu einem Übel, als zu einem Segen für den Staat. Wo Gewalt selten und die Nachkommenschaft gesichert ist, besteht keine Notwendigkeit für eine gut funktionierende Familie und die Spezialisierung der Geschlechter in Hinblick auf die Bedürfnisse der Kinder erübrigt sich. Anfänge dieser Entwicklung beobachten wir ja jetzt schon in unserem Zeitalter." - H. G. Wells, 1895

          H. G. Wells hat einen Film selbst produziert "Was kommen wird" (Things to come), wo er den 2. Weltkrieg bereits Anfang 1936 voraussagt, Waffen zeigt, die zum Einsatz kommen werden, Gesellschaft zeigt, wie sie regieren wird. Dann setzt er noch eins drauf in dem er ein nuklear verwüstete Welt zeigt (eine Krankheit kursiert - gemeint ist die Strahlenkrankheit), einen kalten Krieg voraussagt und nach dem Ende dessen eine Gesellschaft die auf Wissenschaft setzt, die Armut und Langeweile besiegt hat, die sowas wie TV, Bildtelefon mit Holografie, Internet und wikipedia entwickelt. (Im Jahr 1936)

          Doch diese Gesellschaft polarisiert sich und postfaktische Rebellen wollen die Regierung stürzen, just als man den ersten bemannten Flug zu einem anderen Planeten unternehmen will.

          Ich hoffe das wird nicht auch noch war und schon gar nicht "Krieg der Welten". Manche Werke von ihm haben sich nicht erfüllt, aber er hat einen deutlichen Überhang an Treffern.

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            Mondän recken sich waldbehangenen Gipfel in die Höhe. Umsäumt von Nebelfeldern werfen sie einen dunklen Schatten in die Täler, wo sich ein sagenhaftes Ungetüm in dichten Tannenwäldern verbirgt.

            Mit jeder Folge der finalen Staffel 3 erfreute ich mich an diesem fortwährendem Erlebnis, welches mich an die besten Momente von "Die Brücke", "Zone Blanche" und "True Detective" S01 erinnert. Aus ihnen kann man Versatzstücke, aber nicht genug, um von einer Kopie zu sprechen. "Der Pass" ist eigenständig. Es fehlen zwar die existenziellen philosophischen Monologe des Matthew McConaugheys, die autistischen Anwandlungen der Saga Norén und ein Ermittler, der sich in einer entlegenen Gegend namens "Villefranche" einquartiert, wie bei "Zone Blanche".

            Aber dafür ist die Alpenregion im Spätherbst von "Der Passe" ebenfalls ein sehr eindrucksvoller Handlungsort. Wie in "Zone Blanche" kommt in der letzten Staffel ein starkes Mysteryelement dazu, welches ganz viele Horrormomente mit sich bringen kann. Gänsehautspannung zum bersten ist garantiert, es gibt sogar ein paar Jumpscares und Blitzschnitte. Die finale Staffel 3 liegt qualitätsmäßig und inszenatorisch weit über der von mir schon hochgelobten ersten Staffel.

            (Bewertungen Staffel 1: 7,5/10, Staffel 2: 6,5/10, Staffel 3: 9 von 10)

            Nicholas Ofcharek ist als Charakter jetzt so komplex konstruiert, dass er locker mit der von Saga Norén mithalten kann. Seine sich herausschälende Biografie in Staffel 3 ist im Stande als Nebenschauplatz zu schockieren. Julia Jentzsch spielt stark und authentisch, im Gegensatz wie zu Beginn der ersten Staffel. Offenbar hat sie in die Rolle gefunden, ist ihr Charakter aber nicht so wirkstark wie jener von Ofczarek.

            Thematische Elemente wie sexueller Missbrauch an Kindern in einer Hippie-Kommune der 70er, Reichsbürger, eine mythische Sagengestalt sind 3 Elemente, die lange Zeit parallel laufen, so dass man mehrere spannende Handlungsebenen geboten bekommt. Trotzdem hatte ich nach der rauschhaften ersten Folge, in Episode 2 und 3 kurze Schlafanfälle. Vielleicht war es ein anstrengender Arbeitstag, aber spätestens mit Episode 4 hatte ich große Augen.

            Die finale Staffel S03 von "Der Pass" ist wirklich ein Kunstwerk geworden. Viele Register der Inszenierung werden gezogen, was Bildgestaltung, Szenenbilder, Kameraeinstellungen, Schnitte, Einfügungen, Traumszenen und rauschhaftes Erleben betrifft. Hinzu kommen Soundeffekte und Score, die einen in das Geschehen hineinziehen. Das zeigt sich schon in der ersten Folge, die sehr leise und ruhig beginnt und als Ofczarek auftritt in ein rauschaftes Erleben hinübergleitet, denn trägt er zwei Fentanylpflaster auf seinem Körper. Entsprechend der Wirkung des Opioid wabbert die Handlung düster und trostlos schleppend vor sich hin. Wie in einer Blase bewegt er sich durchs Leben, hin und her gerissen zwischen Realität und Tagträumen. Aber es ist konkret fühlbar durch die Inszenierung.

            Ich hatte schon Zweifel daran, dass sie es nicht schaffen werden aus diesem rauschhaften Erleben wieder in normale Bahnen der Inszenierung zu kommen, ohne dass es einen schroffen Cut gibt. Ich habe aufgepasst und es wird wohl über mehrere Episoden ausgeschlichen, hinübergehend in eine psychohorrorthrillerartige Handlung, die ebenso unwirkliche Momente zu bieten hat. Das ist schon ein feines Handwerk.

            Am Ende ist die Geschichte ein Downer, so dass nach dem Abspann noch eine Blende kommt mit einer Abschlussszene, die alle versöhnt, die sich an das ungleiche Ermittlerpaar so gewöhnt haben.

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              OUROBOROS 12.09.2023, 19:20 Geändert 22.09.2023, 20:30

              Ich weiß nicht, wie ich bis zur Hälfte durchhalten konnte. Schon bei der Szene als CIA Agent aka Iain Glen der isländischen Behördenchefin damit erpresst ihren Sohn in Havard scheitern zu lassen, falls man nicht illegale Rechtshilfe leisten will, habe ich verstört reagiert. Da ist sowas von an den Haaren herbeigezogen und maßlos mit Klischee dick aufgetragen, dass man einen Film versaut hat, der schon spannend war, was das Intro und die Verfolgungsjagd betrifft. Es mag unterhaltsam sein, aber für Menschen mit normalsterblichem Wahrnehmungsempfinden ist das eine Erzählung, die 99% eine Zumutung ist.

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                OUROBOROS 11.09.2023, 21:02 Geändert 11.09.2023, 21:23
                über Raum

                Instinktiv haben viele MP-User die Tiefe von "Raum" wahrgenommen, doch ich will ihm hier durch Beweise die Tiefe in einigen Details sichtbar machen. Ich liebe den Film dafür.

                Als ich "Raum" zum ersten Mal sah, wusste ich nicht, um was es gehen würde. Alleine der Titel "Raum" hat mich angezogen. So schildere ich im Folgenden meine Gedankengänge beim Erleben des Ungewissen.

                Umschlungen in einem Bett liegen Mutter und Kind. Es herrscht schummriges und trübes Licht. Ich erkenne langsam Teile eines Raumes. Ich habe den Eindruck, dass ich in einer Junkiehölle gelandet bin. Doch der erste Eindruck schwindet, denn als Mutter und Kind aufwachen, zeigt sich dass die Mutter offenbar nicht drogenabhängig ist, sondern voller Energie ist, die sie für die Gestaltung ihres Tages in diesen „Raum“ steckt.

                Aber was tun sie in solch einer Atmosphäre und warum gehen sie nicht vor die Tür?

                Ich fange an zu vermuten, dass die Mutter vielleicht unter einer psychischen Krankheit leidet und deshalb nicht mehr nach draußen geht. Jedenfalls hat sie sich Strategien zurecht gelegt wie sie ein 5 jähriges Kind unterhält, das, wie sich nun herausstellt, noch nie außerhalb des Raums war. Wäre die Beziehung einer Mutter zu ihrem Kind nicht schon intim genug, teilt sich Joy mit ihrem Sohn Jack einen Raum, der wahrscheinlich nicht mehr als 10 qm misst. Die einzige Verbindung nach Draußen ist ein Oberlicht in der Größe von etwa 50x50 Zentimetern, wodurch man höchstens die Jahreszeit erahnen kann. Jetzt hat es Klick gemacht.

                ***Spoiler***

                Nach dem Lesen der Filmbeschreibung wird jeder etwas ganz anderes erwartet haben. Nicht nur der Titel ist ungewöhnlich sondern auch der Aufbau der Geschichte, die fast genau zu 50% in und zum anderen Teil außerhalb des Raums spielt.

                1. Im Raum
                Zu Beginn dachte ich, dass sie ihr Schicksal, in einem kleinen Raum zu wohnen, selbst gewählt hat. Sie hat sich jedenfalls mit dem Leben in diesem Raum sehr gut arrangiert und es wirkt als brauche sie ihn. Es mutet maximal antithetisch an, weil der „Raum“ morbide wirkt, während das Miteinander von Mutter und Kind so positiv entgegengestellt ist.

                Man hat als unvorbereiteter Zuschauer zu Anfang keine Ahnung, warum sie mit dem kleinen Kind in einem Raum wohnt. So lenkt die Szenerie und das Spiel von Mutter und Kind von der eigentlich sehr nahe liegenden Situation ab. Es hätte auch ebenso eine konstruierte Geschichte sein können um Platons Höhlengleichnis nachzuspielen, denn das Kind „Jack“ hat die Außenwelt noch nicht gesehen und was die Mutter davon erzählt ist stark fiktional und nahezu surreal.

                So gewinnt Jack eine irreale Vorstellung von der Außenwelt, welche an Ungewöhnlichkeit nicht zu überbieten ist. Jack glaubt der Mutter, aber er hinterfragt sie auch. Er glaubt einerseits an die Mutter, andererseits hat Jack kein anderes Wissen, als das was die Mutter ihm zugänglich macht, weshalb er die Fiktion nicht durchschauen kann.

                Die Mutter hat Jack kritisch erzogen und so hegt er seine eigenen erkenntnistheoretischen Anstrengungen über die Welt, um Sinn und Logik in den Erklärungen der Mutter zu erforschen.

                Das ist sehr erfrischend und erinnert mich an das Sachbuch „Philosophieren mit Kindern“. Geschickt geht die Mutter mit einem weiteren Fenster zur Außenwelt um: Dem Fernseher. Es ist zwar ein Fenster zur Außenwelt, aber die Mutter lässt sich dadurch nicht in Erklärungsnot bringen. Sie vermittelt Jack, dass es das alles nicht gibt, denn das wäre nur ein Zusammenspiel von Farben.

                In diesem Moment muss ich sofort an das Gedankenexperiment der „Mary“ von Frank Jackson denken:

                „Mary ist eine brillante Wissenschaftlerin, die, aus welchen Gründen auch immer, gezwungen ist, die Welt von einem schwarzweißen Raum aus mithilfe eines schwarzweißen Fernsehmonitors zu untersuchen. Sie spezialisiert sich auf die Neurophysiologie des Sehens und eignet sich, wie wir annehmen wollen, alle physikalischen Informationen an, die verfügbar sind, über das, was passiert, wenn wir reife Tomaten oder den Himmel sehen und Begriffe wie ‚rot‘ ‚blau‘ usw. benutzen. Sie entdeckt zum Beispiel, welche vom Himmel ausgehenden Wellenlängen-Kombinationen genau die Netzhaut stimulieren und wie genau dies mithilfe des zentralen Nervensystems ein Zusammenziehen der Stimmbänder und Ausstoßen von Luft aus der Lunge hervorruft, das zur Äußerung des Satzes ‚Der Himmel ist blau‘ führt. […] Was wird passieren, wenn Mary aus ihrem schwarzweißen Raum gelassen wird oder wenn man ihr einen Farbfernseher gibt? Wird sie etwas lernen oder nicht?“ (Lit.: Jackson 1982, S. 130)

                Das Phänomen um das es hier geht wird in der Philosophie als Qualia bezeichnet.

                Das "Rätsel der Qualia" (= phänomenales Bewusstsein) tritt in der ersten Hälfte von "Raum" deutlich in den Vordergrund. Mit ihm haben sich schon so viele bedeutende Philosophen wie Hume, Locke, Descartes, Wittgenstein oder Leibnitz beschäftigt.

                Kann ein Mensch anhand einer möglichst genauen wissenschaftlichen Beschreibung über ein sinnliches Phänomen, das er noch nie erlebt hat, ein Gefühl erzeugen, welches das Erlebnis perfekt simuliert?

                Wir wissen heute, dass es umgekehrt funktioniert. Wenn wir eine Sinneserfahrung gemacht haben, dann können wir diese, wenn auch nicht so einfach doch, als synästhetische Erinnerung wieder abrufen, teilweise sogar als wäre es ein echtes Erlebnis.

                Aber was passiert wenn wir eine sinnliche Erfahrung noch nicht gemacht haben?

                Wie kann man jemandem beschreiben, wie eine Kirsche schmeckt, wenn er sie noch nicht gekostet hat?

                Gibt es eine Beschreibung die dazu führt, dass derjenige danach eine Kirsche ist und sagen kann, dass die Beschreibung dazu geführt hat, dass die simulierte Erfahrung authentisch war?

                „Wir können uns keinen Begriff vom Geschmack einer Ananas bilden, ohne diese tatsächlich gekostet zu haben.“ – Hume, Treatise on Human Nature (1739).

                Die Antwort darauf liefert "Raum" auch nicht, aber das Erleben und Deuten des Kindes liefert die konkrete Motivation die Frage zu erörtern, was hier in der Kognition und Psyche passiert.

                Was anfänglich als Qualia-Problem auftritt, geht nun tatsächlich schleichend in das Höhlengleichnis über. Denn es stellt sich heraus, dass die Mutter namens Joy als Minderjährige sieben Jahre zuvor von einem Sexualstraftäter entführt und in einen Schuppen gesperrt wurde. Von den ständigen sexuellen Missbräuchen ist sie schwanger geworden und hat ein Kind geboren. Die beiden sind also Gefangene, ähnlich den Gefangenen des Höhlengleichnisses.

                Doch ihr Sohn Jack kennt die Welt nur von ihren teils fiktionalen Beschreibungen und durch die beiden "Fenster", welche eine Analogie zu den Schatten der Feuer im Höhlengleichnis darstellen. Es ist also keine Überinterpretation und erst recht kein Zufall, dass hier eine philosophische Fragestellung Platons aufgeworfen werden soll.

                Es kommt natürlich die Frage auf, was Jack wohl denken oder erleben würde, wenn er es nach draußen schafft.

                Es gelingt tatsächlich die Befreiung, die Joy anhand der Romanvorlage von „ Der Graf von Monte Cristo“ entlehnt und geplant hat. Diese weitere klassische literarische Bezug beweist weiter, dass sich "Raum" auch an ein gebildetes Publikum richtet. Wenn man die Bezüge kennt und vor allem genau zuhört, was Jack sagt, dann wird das deutlich.

                Nach der Befreiung wird nicht nur die Qualia durch Jacks mimisches Feedback sichtbar, sondern die ganze Welt deckt sich für ihn auf, wie für den befreiten Gefangenen aus dem Höhlengleichnis, was in folgendem Zitat Jacks gipfelt:

                "Als ich noch klein war wusste ich nur kleine Dinge. Jetzt bin ich Fünf und weiß alles."

                Damit bestätigt er die erste Einsicht des Höhlengleichnis, dass der Befreite auf einmal denkt, er wüsste alles und sei gegenüber den Befreiten im Vorteil.

                "Es gibt Türen und noch mehr Türen. Hinter jeder Tür ist immer ein neues Drin und ein neues Draußen. Andauernd passieren Sachen, es hört niemals auf."

                Aber er nimmt eine Einsicht aus dem Höhlengleichnis vorweg, die im Höhlengleichnis nicht gelöst wird, sondern erst durch die Kommentatoren des Höhlengleichnis. Im Prinzip haben die Gefangenen nach ihrer "geistigen" Befreiung nicht die völlige Freiheit, nicht das vollkommene Wissen über die Welt erlangt. Alles ist weiter eine Täuschung, denn Wahrheit gibt es nicht. Für uns Menschen gibt es nur die Wirklichkeit, also das was wir von der Wirkung ableiten können. Doch Wirkungen können uns eine falsche Ursache vortäuschen. Wir kennen die gesamte Wirkkette von Ursache und Wirkung im Kosmos nicht, wir besitzen nur einen Näherungswert.

                „Es gibt so viele Orte, aber so wenig Zeit, weil alle Zeit auf alle Orte verstrichen werden muss wie Butter auf Brot.“

                Hinter dieser Einsicht steckt eine ontologische Aussage über das Sein. Nach der gültigen Definition Platons ist das "Sein" das vollkommene Ewige und wir erleben nur einen Abglanz davon. Diesen Abglanz nannte er "Dogma", was soviel wie Meinung heißt. Das Sein ist ewig, es füllt den ganzen Kosmos aus, den der Mensch gar nicht überblicken kann, weil er so "wenig Zeit" hat den ganz Kosmos zu bereisen, um ihn zu überblicken. Jeder Mensch hat also seine Perspektive auf den Kosmos, weshalb seine Aussagen Meinungen sind.

                "Die Welt ist wie alle Fernsehplaneten auf einmal. Ich weiß nicht was ich kucken und hören soll. [...] Es gibt soviel Sachen. Manchmal habe ich deshalb Angst."

                2. Außerhalb des Raums
                Die Umstände, dass es auch zu ihrer Befreiung gekommen ist, sind ebenso überraschend inszeniert, wie die Wendung danach. Der Zuschauer wird völlig aus der Bahn geworfen, denn mit der Befreiung, die bei 50% der Filmlaufzeit stattfindet, enden die meisten Filme bzw. kommt danach eigentlich wenig Gehaltvolles. Alles hat man schon nach Entführungen in Filmen thematisiert gesehen von der Problematik der medialen Berichterstattung über das psychische Trauma des Opfers bis hin zum Strafprozess oder Racheaktionen.

                Doch das wird hier alles nur an Rande gestreift.

                Natürlich hat Joy psychische Probleme, doch sie kann stolz auf sich sein, denn ihr Kind hat die 5 Jahre psychisch schadlos überstanden. Einmal wird sie von einer Fernsehreporterin gefragt, warum sie das Kind von dem Täter nicht in die Kinderklappe hat bringen lassen, ob es nicht besser für das Kind gewesen wäre. Sicherlich war es eine egoistische Entscheidung mit ungewissem Ausgang, aber die Entscheidung ist nachvollziehbar, denn es ist ihr Kind und sie wollte nicht alleine sein. Allein darüber könnte ich Stunden nachdenken. Diese Frage führt auch bei Joy zu einem Zusammenbruch.

                Nach einer gewissen Zeit bekommt man das Gefühl, ob das Leben in diesem Raum für beide nicht besser war, als das Leben draußen. Sie wurde jetzt in ein Leben hinein geworfen welches sie gar nicht mehr kennt. Der Raum wird erweitert auf den nahezu unendlichen Raum der Welt. Wo der Raum vorher schnell gefüllt war gibt es jetzt ein Überangebot.

                So weicht die anfängliche Freude über die Befreiung einer großen Leere. Das was sie dem Kind Gutes getan hat als sie mit ihm zusammen in dem kleinen Raum gelebt hat und es vorbildlich erzogen hat, das beginnt sie jetzt falsch zu machen. Auch Joys Vater droht durch sein ablehnendes Verhalten, wohl weil Jack auch das Kind des Täters ist, Jack emotionalen Schaden hinzuzufügen. Einzig Joys Mutter und der Bruder nehmen ihren Enkel bzw. Neffen voll und ganz auf. Jack weiß gar nicht was ihm passiert ist und wieder muss man sich die Frage stellen ob das wichtig ist, wenn er es weiß.

                So fragt die Fernsehreporterin Joy danach, ob sie dem Kind die Wahrheit darüber erzählen wird, was passiert ist und wer der Vater ist.

                Natürlich sind solche Fragen interessant für die Zuschauer, aber sie zu stellen ist therapeutisch kontraproduktiv. Das Kind hat nach seiner Wahrnehmung nichts schlimmes erlebt, also wäre es sehr irrational den Kind einzureden, dass es etwas schlimmes ungebührliches erlebt hat. Die Therapie besteht eher in einem Anpassungsvorgang, bei dem das Kind automatisch aufzeigen wird, wo es Hilfe benötigt. Es ist keine Hilfe Mitleid zu äußern, zu dramatisieren und Menschen Traumata einzureden, weil man dadurch dem Kind die Unbeschwertheit nimmt.

                Um diese Frage für sich selbst beantworten zu können benötigt man wohl viel Zeit, wenn man nicht in einem Berufsfeld arbeitet, bei welchem man mit traumatisierten Menschen zu tun hat. So handelt man eigentlich auch bei sexuellem Missbrauch, wenn Kinder keine Ahnung davon hatten was ihnen passiert ist und sie auch keine Leiden von sich tragen. Leider ist das beim Fall mit den mutmaßlichen Missbrauchsfällen um Michael Jackson nicht passiert. Da Michael Jackson bestraft werden sollte, falls er es getan hat, wurde dem betroffenen Kind natürlich gesagt, dass es missbraucht wurde und was das bedeutet. Hier steht die rationale Justiz gegen die rationale Psychotherapie. Ich habe übrigens keine Ahnung wie man das Spannungsfeld auflöst. Aber hier im Forum sind bestimmt einige, die eine Expertise dazu haben.

                Dass was Joy ihrem Sohn Jack mit der Erziehung an Gutem getan hat, um es vor dem Tod, vor dem Aussetzen und was weiß ich noch zu bewahren, zahlt sich am Ende aus. Das Kind schafft es mit seiner unbeschwerten positiven Art seine Mutter aufzufangen, so dass sie anfängt zu verarbeiten. Das zeigt sich besonders in der Situation als Jack seine Haare abschneiden lässt um sie als Symbol für Superkräfte an seine Mutter weiterzugeben. Es wirkt und die Mutter kommt nicht nur sofort aus der Depression heraus, sondern sie beginnt schneller zu verarbeiten. So ist sie am Ende sogar bereit mit Jack für einen Besuch in „den Schuppen“ zurückzukehren, der für Jack Geburtsort und „Heimat“ ist, an dem er so schöne Stunden mit seiner Mutter verbracht hat.

                Die Erkenntnis dieser Antithetik steht Joy förmlich ins Gesicht geschrieben, vor allem als Jack sich von Bett, Tisch, Stuhl, Schrank, Herd, Toilette und Badewanne verabschiedet. Joy möchte fast lachen, dafür hat sie den Oscar verdient, und das offene Ende bietet positive Aussichten.

                „Raum“ basiert auf einem Roman, aber ich würde ihm die Auszeichnung Novelle verleihen, denn er zeigt bisher unerhörtes und ungesehenes.

                „Raum“ verlangt den Zuschauer einiges an Beobachtungsgabe und Bildung ab, damit die leisen Zwischentöne wahrgenommen werden können.

                „Raum“ stellt ganz wichtige Fragen, Fragen die kein anderer Film bisher gestellt hat.

                „Raum“ zeigt, dass die Dinge nie so sind wie sie scheinen und dass das Blatt, welches zwei Seiten hat, sich wenden kann, wodurch nicht nur durch etwas Negatives etwas Positives entstehen kann, sondern einfach alles möglich wird.

                Schließen möchte ich mit einem Zitat des Moviepiloten Seductive Barry, von dem ich lange nichts gehört habe:

                "Durch Blicke werden familiäre Konflikte spürbar. Durch Gesten Gefühle wie Verzweiflung und Überforderung. Gesprochen wird in dem Film gefühlt wenig, es wird stattdessen kommuniziert mit Blicken und Gesten und dadurch bekommt der Film eine Sorgfalt, durch die Raum zum künstlerischen Triumph wird. Es wird nicht gefilmt, um Botschaften zu vermitteln, es wird gefilmt, um zu beobachten - und so erscheint die Entwicklung der Charaktere nur logisch. Es geht nicht um Räume, es geht nicht nur um Misshandlung, es geht vor allem um das, was in uns vorgeht - und wenn man das so sorgfältig einfängt wie Lenny Abrahamson, dann kann man es wirklich schaffen, das Mensch-Sein zumindest ein klein bisschen verständlicher zu machen und vor allem: den Zuschauer anzuregen und zu inspirieren. Ein künstlerischer Triumph!"

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                  OUROBOROS 11.09.2023, 20:23 Geändert 11.09.2023, 20:28

                  Gleich zu Beginn erinnert das Setting sofort an den Film "Raum" mit Brie Larson, den ich qualitativ sehr hoch einordne. Eine Mutter, offensichtlich eingesperrt in einem Keller, der als Wohnung ausgebaut ist, lebt dort mit ihren beiden Kindern, bei welchen man gleich spürt, dass diese noch nie ein Leben draußen gelebt haben.

                  Der Sklavenhalter tritt zwar auf, aber sein Kopf ist nie zu sehen. Während für die Kinder alles normal ist und sie gar nicht mitbekommen, dass sie in einem Gefängnis leben, scheint die Mutter höchst traumatisiert zu sein.

                  Dass die Flucht gleich zu Anfang stattfindet, ohne dass man überhaupt weiß, wie das geschehen konnte, hat mich zunächst gestört. Doch es ist tatsächlich interessanter, wenn das nachgeliefert wird, denn so ist das Rätselraten um so vieles größer. Mir ist klar, dass sich jene beschweren, die den Roman kennen, aber wenn man ihn nicht kennt, holt man hier das maximale Mysterium heraus.

                  Der Fokus liegt unter anderem darauf, wie die Kinder reagieren, als sie die normale Welt sehen. Es ist extrem erschreckend, wie normal sie ihre Gefangenschaft empfunden haben, so dass sie am liebsten dort hin zurückkehren würden. Interessant ist dabei, was die Therapeuten tun, nämlich den Kindern nicht sagen "Oh je ihr habt das was schreckliches erlebt. Was man mit euch gemacht hat ist unmenschlich und traurig." Wenn die Kinder schon keine Traumata haben, dann muss man sie nicht dadurch erzeugen. Anders ist das mit der Mutter, denn diese hat nicht die DNA der Kinder. Sie liegt im Koma und kann keine Antworten geben, wer sie nun wirklich ist.

                  Zwei Ermittler sind damit beschäftigt den Fall zu lösen. Sie arbeiten kaum zusammen, denn der männliche Ermittler arbeitet seit 13 Jahren an dem Fall der verschwundenen Tochter, welche jetzt diese unbekannte Frau im Koma sein könnte. Die Familie der vermissten Tochter wird eingeschaltet, doch sie erkennen ihre Tochter nicht wieder. Hat die Tochter sich so drastisch verändert und warum trägt sie die individuellen Merkmale der verschwundenen Tochter.

                  Besonders herausstellen möchte ich die Darstellung des post-traumatischen Erlebens der mutmaßlichen Mutter. Sie wurde in ihrem Gefängnis so konditioniert auf Disziplin, dass ich bei jedem Anfall mit erschrak und mitgerissen wurde. Es war wirklich wie ein Überfall auf die Psyche, der man nicht entrinnen kann. Die Effekte fand ich sehr gelungen. Da ich auch schon Traumata zu bewältigen hatte, kann ich bestätigen, dass es mich triggerte und sich wohl so auch anfühlt. Ich weiß nur nicht ob Menschen, die noch keine Trauma erlebt haben, von dem Effekt auch so getriggert wurden. Gerne würde ich das Wissen, falls es jemand liest.

                  Diese Miniserie war unterhaltsam und spannend genug, um sie an einem arbeitsfreien Nachmittag durchzubingen. Gefallen hat mir von Anfang an Bildgestaltung, internationaler Filter, satte Farben, Schärfe, ansprechendes Szenenbild und ein vom Tempo gemäßigter Schnitt. Die Dramaturgie mag nicht dem Buch entsprechen, aber ich habe sie so als maximal überraschend empfunden.

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                    OUROBOROS 05.09.2023, 18:19 Geändert 05.09.2023, 18:38

                    Der Eingang zur Höhle befindet sich 1973 m auf dem Untersberg im Berchtesgadener Land. Gleich zu Beginn geht es fast tausend Meter an den erhabenen Steilwänden hinab in den Felsenschlund. Allein die Klippen des 180erSchachts würden den Kölner Dom überragen.

                    Insgesamt ist das Höhlensystem fast 1.200 Höhenmeter tief und führt mehr als 20 Kilometer durch spektakuläre, unterirdische Landschaften bergab, als wollte man zum Mittelpunkt der Erde wandern. Das Ende wurde noch nicht gefunden, da es wilde Verzweigungen gibt.

                    Über weite Strecken erlebt man als Zuschauer die abenteuerliche Tour mit. Mir kommt oft das das Grauen, wie man sich durch Engstellen im Schlamm windet. Ich würde auch gar nicht hindurchpassen. Ist eine Engstelle durchwunden, kommen größere Hallen und Kilometer lange Gänge zum Vorschein oder eine Passage über einen unterirdischen Fluss mit einem Boot, das sie bei einer Tour mal mitgeschleppt hatten. Man merkt gleich, dass die Höhlenforscher keine Anfänger sind. In diese Höhle sind sie etliche Male hinabgestiegen.

                    Mittlerweile haben sie sich mehr als 20 Kilometer vorgekämpft und dabei mehrere Biwaks eingerichtet, denn hier ist man mehrere Tage lange unterwegs. Ständig habe ich mir die Frage gestellt, warum sie das machen. Klar, sie stoßen in Welten vor, die kein Mensch zuvor gesehen haben, es gibt auch atemberaubende Bilder, doch auch für die geübten Kletterer ist das ein Marathon. 2003 kam es zu einem Unfall eines Höhlenforscher, bei dessen großangelegten Rettungsaktion die Höhle in den Medien bekannt wurde.

                    Begleitet wird die Dokumentation von Musik, die mich an Werner Herzogs "Fitzcarraldo" oder "Aguirre" erinnert, doch die Reise in die Finsternis des Riesgendings hat für mich visuell nicht ganz den gleichen Reiz. Mit dem Erzähler Benjamin Völz, der u.a. auch Keanu Reeves und Matthew McConaughey synchronisiert, hat die Doku insgesamt eine Auszeichnung verdient.

                    Immer noch bei ARTE verfügbar!

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                      OUROBOROS 04.09.2023, 20:59 Geändert 04.09.2023, 21:47

                      Der Film fordert vom Zuschauer, dass er ihn selbst auflöst. Und es gibt eine Lösung!

                      Den Fall zu lösen hätte ich auch nicht geschafft, hätte ich nicht zuvor einen Film von Hitchcock gesehen, der offen auflöst, woran polizeiliche Ermittler über Jahrzehnte bei historischen Kriminalfällen scheiterten, wie auch die ahnungslosen Zuschauer des Films.

                      Wenn ich die Wertungen sehe, geht der Anspruch deutlich schief. Es kann helfen, wenn man fleißiger Krimileser ist oder Kriminalistik studiert hat.

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                        über Freud

                        Marvin Kren, der Schöpfer dieser Serie, ist für mich kein Unbekannter. Während ich seinen Film Rammbock – Zombie Outbreak in Berlin – noch belächelte, hat mich der Horrorfilm Blutgletscher, der sehr an Das Ding aus einer anderen Welt erinnert, wirklich überzeugt, genauso wie die meisten meiner Moviepiloten. Ich wusste "der Kren" kann inszenieren, der hat ein besonders Feeling und interessante Themen.

                        Dann sah ich Mordkommission BERLIN 1, eigentlich ein unbekannter RTL-Spielfilm und war plötzlich noch mehr begeistert, aber nicht nur ich war das, sondern viele Moviepiloten zogen den Hut davor. Schließlich hat das Setting auch Tom Tykwer inspiriert zu nichts geringerem als Babylon Berlin. Kren hätte Babylon Berlin inszenieren sollen, aber er hat die erste Staffel von 4 Blocks erhalten und gerockt.

                        Nun habe ich Freud angeschaut. Wow, diese Intensität aus düsteren, dreckigen und schaurigen Bildern gebannt in ein Panoptikum auf hypnagoger Schwelle hätte ich nicht erwartet. Und schon nach ein paar Minuten hat mich brennend interessiert, wer diese Serie inszeniert hat. Es ist Marvin Kren. Noch nie habe ich einen deutschsprachigen Film mit so einer exzellent schaurig-mystischen Atmosphäre gesehen.

                        Es gibt sogar Jumpscares. „Freud“ ist ein Fiebertraum mit klaren Momenten, aber trotzdem ohne Brüche. Marvin Kren nutzt wirklich ein riesiges Repertoire um Szenenbilder zu kreieren, gewagte Kamerapositionen, Verfolgerperspektive, Vogelperspektive, First Person Wackelkamera, surrealistische Perspektiven, Tunnelblick, Linsentrübung, Gothic Art, Giallo etc.

                        So lässt einen die Atmosphäre, die soundtechnisch erstklassig und abwechselnd in rauschhafte Bilder eingebettet ist, nicht mehr los. Der Score kommt für mich zum Höhepunkt als Salomé sich mit Kronprinz Rudolf zu einem tête-à-tête aufmacht. Die Inszenierung ist sogar stimmiger als "Babylon Berlin", wobei „Babylon Berlin“ viel komplexer ist, ja nahezu überladen mit Komplexität ist.

                        Prächtig wurden bei „Freud“ Kulissen aufgefahren vom habsburgisch mondänen Wien um 1880er, dass man glauben könnte es wäre das viktorianische London. Später stellt sich heraus, dass so viel von Wien auch nicht gezeigt wird, höchstens in Panoramen. Sonst findet viel in Spelunken und Gassen statt und im Wienkanal.

                        Dafür sind die Kulissen innerhalb von Schlössern und Villen dermaßen prunkvoll gelungen, dass es fast wie Zeitreisen ist, dabei sind die Kostüme zum niederknien schön. Wenn man gefallen am Gothic-Style hat, bekommt man hier einiges geboten. Wirkliches Alter verleiht dem Film der österreichische Dialekt, der Norddeutschen ganz schön überfordern wird, vor allem was die beiden Polizisten betrifft. Georg Friedrich ist hier schon eine Nummer für sich, aber liebe seinen Dialekt und sein Spiel, das hier nah an Kinski ist.

                        Böser habe ich ihn noch nicht gesehen. Norddeutsche sollten lieber die englische Synchronisation hören, da verstehen sie mit Sicherheit mehr. Ich muss mich ja schon als Süddeutscher anstrengen, um auch wirklich alle zu verstehen. Es wird aber auch Schriftdeutsch gesprochen. Es wird sogar Ungarisch gesprochen und nicht übersetzt, was zum Glück nicht soviel ist und was am Ende die Spannung wahrt.

                        Zum Inhalt

                        Sigmund Freud stellte fest, dass die Menschheit drei Kränkungen erfahren habe. Die erste läge in der Kopernikanischen Wende, erkennen zu müssen, dass der Planet Erde kosmologisch unbedeutend und nicht zentral im Kosmos gelegen sei. Die zweite Kränkung sei die Darwin'sche Erkenntnis, dass der Mensch aus den tierischen Arten hervorgegangen sei und die letzte Kränkung liegt in der Erkenntnis, dass die Menschen unbemerkt vom Unterbewusstsein ihrer eigenen Kontrolle entzogen würden.

                        Siggi wie seine Liebste ihn nannte hatte es wahrlich nicht leicht, als Kind jüdisch-orthodoxer Eltern, die hohe Erwartungen an ihn hatten, auch waren Juden schon immer von Teilen der Gesellschaft argwöhnisch betrachtet worden, dabei haben die größten Aufklärer der westlichen Welt jüdische Wurzeln, genau genommen ist sogar Jesus ein jüdischer Aufklärer.

                        Freud war nicht spirituell, auch wenn er sich mit Spiritisten, Okkultisten, Schamanismus, Mythologien, Mystik, Esoterik und antikem Wissen auseinandersetzte. Antikes Wissen als Wissen zu bezeichnen ist eigentlich anachronistisch, denn war antikes Wissen immer sehr stark spirituell verankert bzw. hatte metaphysische Aspekte die mit dem Glauben verbunden waren. So sind Platons Körperflüssigkeiten aus heutiger Sicht peinlich und haben nicht mal einen wahren Kern.

                        Doch so schnell darf man diese Form von Wissen nicht übergehen, jedenfalls war Freud dieser Ansicht. Es ist ihm zu verdanken, dass viele antike Schriften gehoben wurden und neu betrachtet wurden und zwar mit seinen Augen, ohne spirituellen Humbug. Die Schriften des antiken Traumdeuter Artemidor gehören dazu und liefern die Grundlage für Freuds Traumdeutung. Nicht nur bei Artemidor, auch bei anderen antiken esoterischen Autoren oder auch bei praktiziertem Schamanismus und Mysterienkulten beobachtete Freud Effekte auf Basis der Psyche, die sich reproduzieren ließen und damit aus wissenschaftlicher Sicht eine Basis bieten um durch Experimente auf Reliabilität und Validität prüfen zu können, wo andere Geister seiner Zeit nur Märchen, Humbug und Zauberei sehen wollten.

                        So beschäftigt sich die Serie "Freud" mit den schweren Anfangsjahren, in welchen er Spiritisten und Medien folgt, Seancen beobachtet, den Zustand der Trance untersucht und Hypnose als Technik einsetzt, um aus Menschen Dinge heraufzubefördern, die sie heilen könnten. Sein Verkehr mit dem Medium Salomé war nicht unbedingt seinem Ruf förderlich, doch das hat man in der Serie um etwa 20 Jahre vorgezogen, was es jedoch nicht wirklich stört, denn ich finde Kontraktionen der Zeitlinie ermöglichen ein dichteres Bild von einer Lebenszeit, die sonst in Entwicklungsstadien betrachtet werden müssten.

                        Auf jeden Fall würde ich die Serie „Freud“ als coming-of-age Phase Sigmunds Freunds bezeichnen, die dem nahe kommt, was er so erlebt haben soll. Dabei geht man hier nicht vor wie in Charité wo fast alle Begleithandlungen historisch akkurat sind und man die persönlichen Schicksale gepimpt hat. Die Serie bedient sich natürlich vielen fiktiven Geschehnissen, aber sie bedient sich dabei so geschickt, dass man noch einmal die Geschichte des Habsburger Monarchie überfliegt, um heraus zu finden, ob Kronprinz Rudolf wirklich so ein armer Trottel von verzogenem Sohn war, wie er hier in der Serie dargestellt wird.

                        Ich will es nicht vorwegnehmen, aber das Ende der Serie eröffnet interessante und wahrscheinlich Deutungsspielräume, was dazu geführt haben kann, dass sich Kronprinz Rudolf wenig später mit einem Kopfschuss selbst gerichtet hat. Damit nehme ich nichts vorweg, es kommt noch nicht einmal vor in der Serie, es ist einfach historisch, wie als würde ich verraten, dass die Titanic gesunken ist oder der Zweite Weltkrieg ausgegangen ist.

                        Interessant ist aber wie Rudolf politisch dargestellt wird und da ist die Serie auf der Linie mit der offiziellen Historie. Kronprinz Rudolf vertrat im Gegensatz zu seinem Vater Franz eine sehr diplomatische friedliche Position zum ungarischen Adel. Das Verhältnis von Österreich zu Ungarn ist nicht zum Besten bestellt, denn Österreich-Ungarn wurde von den Habsburgern aus Wien regiert und der ungarische Adel, aber auch das ungarische Volk traten als Freischärler und Rebellen gegen den Habsburger Geschlecht auf.

                        Diese Stimmung gegen Wien erstreckte sich weit in den Osten und Südosten Europas und wir wissen aus der Geschichte, dass der österreichische Thronfolter in Sarajevo erschossen wurde, was direkt in den 1. Weltkrieg mündete. Bis dahin gab es immer wieder Terroranschläge in Österreich, ausgeführt von Geheimagenten aus den unterjochten Ländern. Ein wenig soll da auch Russland gezündelt haben, was man aber nicht nachweisen kann.

                        Die Serie „Freud“ vermittelt solch einen Hintergrund, jedoch wird dieser erst in den letzten drei Folgen offenbar bzw. muss man bis zur vorletzten Folge warten bis man alles weiß, was von langer Hand geplant war. Dabei beginnt alles so harmlos und hat wenig mit dem zu tun was sich noch offenbaren wird. Die ersten Morde sind quasi nur Fingerfood-Häppchen einer ganz großen Sache.

                        Zuerst dachte ich, dass „Freud“ sich dahingehend entwickelt, dass er mit Alfred Kiss, dem von Georg Friedrich gespielten Polizeiinspektor, ein Ermittlungsteam bildet, aber solche Konstellationen findet man bei „Sherlock Holmes“, „Batman“ oder „Die Einkreisung“, wobei bei Letzteren ein ganzes Team agiert. „Die Einkreisung“ und „Sherlock Holmes“ aber spielen später und greifen schon auf Freud oder Robert Koch zurück.

                        Dieser Freud tritt eben nicht wie ein Ermittler oder Detektiv auf, sondern als Nervenarzt, der nicht mal etwas über Anatomie weiß. Kriminalistik gab es nicht und so ermittelt der Polizeiinspektor auf einem ganz groben Level. Beide tappen völlig im Dunklen. „Freud“ spielt in einer Zeit die mehr an das Mittelalter erinnert. Er muss sich wirklich mit Dingen auseinandersetzen, die als grandiose Vorarbeit verstanden werden müssen.

                        Am ehesten könnte man es mit der Serie „Mindhunter“ vergleichen, denn auch dort hat die Psychologie einen schweren Stand.

                        Sigmund Freud hat einen Beitrag für die Aufklärung geleistet der ähnlich wie die Ideen Platons, Gutenbergs oder Newtons unschätzbar ist und die Welt weitreichend verändert hat. Die Macht des Unterbewussten, die Entdeckung der Mechanismen der Hysterie haben nicht nur die Kriminalistik bereichert, die Psychologie zu einer Wissenschaft gemacht, die Menschen helfen kann, sondern auch Pädagogik ins Leben gerufen.

                        Aber auch Nationen und Reiche haben sich bei ihre Politik und Staatsführung daraufhin psychologischer Methoden bedient, um die Massen aufzuwiegeln und für ihre Zwecke zu missbrauchen, wodurch schreckliche Regime entstanden sind.

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                          OUROBOROS 31.08.2023, 11:11 Geändert 31.08.2023, 18:59

                          Stephen King ist hier auf dem Spuren der Hexen von Salem, denn in "Chapelwaite" spielt der Ort Salem auch eine wichtige Rolle.

                          Kaum jemand weiß, dass die evangelische Kirche um ein vielfaches mehr und vor allem länger Hexen verbrannt hat, als die katholische Kirche. Das liegt daran, dass viele Einwanderer in die USA Protestanten waren, die sich einer neuen Welt mit neuen Gefahren gegenübersahen und ihre Religion fundamentalistisch frömmelnd betrieben. Sie klammerten nachvollziehbarerweise aus Angst an die Religion, gab es wenig Gebildete. Die europäischen Horrormythen reichen in eine sehr alte Zeit zurück, während die US amerikanischen Horrormythen eher jünger sind, weshalb man sich der alten europäischen Sagenwelt bedient und die Horrorfiguren einfach mitnimmt.

                          Ich will nicht vorwegnehmen, um was es sich dabei handelt, denn das alles entwickelt sich erst in vier Episoden. Wer es schon vorher weiß, kann sich die Serie eigentlich schenken. Normalerweise würde mich diese Form des Horrors nicht so ansprechen, aber es war einfach audio-visuell stimmig am Zeitkolorit orientiert, mit einen Adrien Brody, dessen Talent ihn auch hier nicht verlässt.

                          Das Ende habe ich noch einmal gesehen und fand es so toll feinfühlig, ruhig und episch inszeniert, dass ich die Wertung deshalb noch mal angehoben habe.

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                            Zu Beginn ist das Setting optisch unglaublich mächtig, auch das Schiff ist sehr weitläufig und interessant in Szene gesetzt, aber irgendwann schaut man auf eine Story, die keine besonderen Kniffe besitzt.

                            Habe gerade die Serie "Chapelwaite" gesehen. Man muss schon sagen, dass Serien mittlerweile mehr zu erzählen haben also so ein kurzer Film, der einen vorkommt wie der Auftakt zu einer Serie. Wäre es der Pilot zu Chapelwaite, hätte ich sicher 8 Punkte gegeben.

                            Wer "Chapelwaite" sehen will, kann zum Einstieg diesen Film sehen. Der Nosferatu in diesem Film zeigt sich weniger als untoter Mensch, sondern mehr als bluthungriges Tier ohne Text, während der Nosferatu in "Chapelwaite" durchaus auch viel Text hat.

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                              Ein filmisches Denkmal, da es das Leben in Berlin der 1920er Jahre zeigt und sich mit dem Thema sozialem Abstieg beschäftigt. Das Ende des Films ist nicht das wirkliche Ende, denn Murnau musste es ändern, weil es nach Ansicht der Produzenten zu negativ war.

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                                Da ich mich, nach ein paar Wochen und 2000 km Deutschlandtour zwischen Ostsee und Schwarzwald, wo ich in der Wildnis übernachtet habe, von den Strapazen körperlich erholen muss, habe ich mir "7 vs. Wild" vorgenommen und mir zwei Staffeln angeschaut.

                                "7 vs. Wild" ist das RTL Dschungelcamp in seriös und interessant, was nicht heißt, dass es auch lustige Momente gibt. Aber was ist anders?

                                Die Kandidaten werden nicht gegeneinander ausgespielt, sondern sie werden alle einzeln ausgesetzt und es geht darum aus eigenen Kräften mit einer begrenzten Zahl an Ausrüstungsgegenständen 7 Tage und 7 Nächte in der Wildnis zu überleben. Man filmt sich mit einer GoPro selbst, d. h. es ist kein Kamerateam dabei. Das merkt man auch ganz deutlich. Nur der Schnitt wertet die ganzen GoPro Aufzeichnungen nachher auf. Es gibt also weder lästige Kommentatoren, noch ein Skript, weil die Teilnehmer ihre Aktionen selbst filmen und kommentieren. Die Gegenstände sind auf 7 begrenzt (ausgenommen Kamerapack und Medipack). Man kann auch mit weniger starten und erhält dafür mehr Punkte. Ein Medipack ist dabei, aber dessen Nutzung kostet Punktabzug. Darin ist auch ein Telefon erhalten, wenn man sich abholen lassen will. Dann scheidet man aber aus.

                                Ich nehme mit:

                                Schlafsack
                                Hängematte
                                Topf
                                Feuerstarter
                                Machete
                                Angelset
                                30 m Parachord

                                Welche 7 Gegenstände würdest du mit nehmen?

                                Mein Beginn mit der Serie ist Panama in der zweiten Staffel. Schweden war auf jeden Fall ein Urlaub gegen Panama, das sagt Fritz Meinecke, der beides erlebt hat und ich der beides gesehen hat. Sie lebten in Panama nicht nur auf einer Insel, sondern nur auf einem kleinen Spot von 100 qm, denn der Dschungel war gnadenlos. Selbst mit Machete kommt man dort nach ein paar Stunden an seine Grenzen, so zugewachsen ist das dort alles. Zusätzlich kann man keine Energie aufnehmen, weil das Nahrungsangebot auf Kokosnüsse begrenzt ist. Was nicht thematisiert wurde ist, dass dauerhafte Ernährung mit Kokosnüssen zu Durchfällen führt, aber frisches Wasser hatte dort jeder genug.

                                Dass sich viele in Panama am Strand einquartierten, unterhalb der Abbruchkanten sogar, das war für mich vorausschauend schon sehr riskant, weil man ja an den Abbruchkanten sehen kann, wie weit die See ihre Wellen hineintragen kann. Die Gezeiten mit der größer werdenden Flut wurde zunehmend zum Problem, bis alle Shelter dann auch weggespült wurden.

                                Die Panamafolge hat mich auch mitgenommen, weil man sehen konnte wieviel Müll die Welt produziert, so dass er auf dieser Insel angeschwemmt wurde. Sie lebten alle nicht nur auf einem kleinen Spot, sondern auf einer Müllhalde, umgeben von giftigen Tieren und teilweise Krokodilen. Auf der Insel war wirklich alles lebensfeindlich, denn sogar harmlose Palmen hatten an ihren Blättern und Rinden Stacheln. Am Ende der Staffel wurde Geld für die Seenotrettung und eine Organisation gespendet, die für die Reduktion von Plastik weltweit eintritt.

                                Trotzdem fand ich die Staffel in Schweden auch besser, aber von der Punktevergabe nicht so drastisch wie hier teilweise gewertet wird. In Schweden gab es einfach mehr Möglichkeiten sich durch Kreativität auszuzeichnen.

                                Staffel 1: 9 Punkte
                                Staffel 2: 8 Punkte

                                Die Fakevorwürfe kann ich nicht nachvollziehen, davon kann man wirklich nichts ausmachen. Es gibt dafür keine Beweise. Aber Fritz Meinecke weckt bei mir Vorurteile, sieht er aus wie einer der typischen rechtsextremen Prepper. Eigentlich finde ich ihn sympathisch, aber irgendwie denke ich die ganze Zeit, dass er irgendwie politisch sehr weit außen stehen könnte. Hab nix gegen solche Äußerungen von ihm über Odin, Walhalla und eine germanisch pagane Spiritualität, aber jetzt hat man ihm nachgewiesen, dass er sich bei der Vorauswahl für die nächste Staffel, wohl zwei rechtsextreme Influencer ausgesucht hat. Es ist ein schwieriges Thema, in wie weit man Menschen mediale Reichweite gibt, die Intoleranz und Zwist in die Welt hineintragen. Meinecke reagierte auf die Vorwürfe mit "Gutmenschen"-Beschimpfung. Sponsoren sind deshalb abgesprungen. Nun scheint er einzulenken.

                                Mein Fazit ist, dass ich an "7 vs. Wild" keine Verbreitung von problematischen und intoleranten politischen Inhalten festmachen kann. Auch ist mir Meinecke nicht negativ aufgefallen in der Sendung. Ich habe die Sendung sehr genossen, weil es keine geskriptete Show ist und man sich ein gute Bild darüber machen kann, was einem erwarten, wenn man in bestimmten Gegenden mit wenig Ausrüstung überleben will.

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                                  Warum ich die ersten beiden Staffeln gut fand, kann ich nach Ansicht der ersten drei Episoden der dritten Staffel nicht mehr sagen. Plötzlich finde ich das Setting albern und verliere jegliches Interesse daran.

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                                    über Barry

                                    Barry ist Auftragskiller. Sein Manager Fuches schickt ihn dieses mal nach Los Angeles, wo er für die tschetschenische Mafia einen Auftrag erfüllen soll, wozu diese anscheinend zu blöd sind. So buchen sie ihn gleich mehrfach.

                                    Barry, der sonst so professionell und pedantisch sein Handwerk verrichtet, lernt zufällig eine Schauspielschülergruppe kennen, welche mehrmals wöchentlich bei Gene Cousineau Schauspielunterricht auf dessen Schauspielbühne nimmt. Alle haben die Hoffnung in Hollywood einmal groß herauszukommen. Barry interessiert sich anfangs mehr für die karriereorientierte narzisstische Sally und irgendwie scheinen die beiden sich anzuziehen, er ist ja sooo ein sensibler Mann, der keiner Fliege was zu Leide tun kann. Barry entwickelt sich schnell zu einem Liebling des Meisters Cousineau, was Sally eifersüchtig macht. Beziehungsprobleme sind also vorprogrammiert und nicht nur das.

                                    Barry verliert sein Interesse an dem alten Killer-Job und als er nicht mehr so fokussiert ist, geht so manches schief. Die Tschetschenen verlangen, dass nachgearbeitet werden muss und sein Manager wittert das große Geschäft in L. A., weshalb er persönlich erscheint. Barry kommt einfach aus dieser Mühle nicht heraus. Das Problem ist aber, dass er seine privaten Probleme ebenfalls gerne mit schnellen Morden aus dem Weg räumt.

                                    "Barry" ist die Geschichte des Serienkillers Barry, der das Töten einfach nicht lassen kann und der in drei Staffeln aus seltsamen zufälligen und komischen Gründen der Strafverfolgung oder seiner anderen Feinde entkommen kann. Polizei, verschiedene Mafiaclans, ehemalige Partner, geschädigte Hinterbliebene, die Zahl seiner Verfolger summiert sich ständig. Eine Spirale der Gewalt entsteht und seine Häscher werden immer mehr.

                                    Aber nicht nur er trägt die Serie allein, sondern auch Hank, der unfähige Boss der Tschetschenen unterhält mit seiner skurrilen Geschichte, genauso wie die bolivianische und burmesischen Mafiaclans. Barrys Manager gerät auch immer wieder in heikle Situationen und sorgt für Lacher. Barrys Freundin Sally führt ebenfalls ein Eigenleben, denn immer wieder versucht sie bei Castings an Rollen zu kommen. Schließlich ist da noch Gene Cousineau der Schauspiellehrer, der mit seiner Vergangenheit kämpft. Da gibt es also schon einiges zu erzählen in kleinem Rahmen.

                                    All das ist in eine schräge schwarze Komödie eingebunden mit viel Situationskomik, die häufig an die Coen-Brothers heranreicht. Die Serie hat einige innovative Szenen und ist durchweg unterhaltsam und spannend. Der manchmal lakonische Humor ist immer vorhanden und ebbt niemals ab. Fans des skurrilen Humors sollten zugreifen, denn das bekommt man nicht so häufig geboten.

                                    Staffel 4 ist bereits das Ende einer Show mit Episoden jeweils unter 30 Minuten Laufzeit. Irgendwie hat mich die abschließende Staffel nicht so gepackt und ich war nicht so interessiert bei der Sache. Bis auf ein paar einzelne Szenen hat mich alles kalt gelassen. Okay, alles ist am Ende sehr crazy konstruiert, aber ich habe wirklich keine Ahnung was mir hier fehlte.

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                                      OUROBOROS 23.08.2023, 21:41 Geändert 23.08.2023, 21:48
                                      über The Ark

                                      Auf der Ark 1 geht es ziemlich chaotisch zu. Das hat damit zu tun, dass die im Cryoschlaf befindliche Besatzung unsanft geweckt wird. Mehr als die Hälfte der Passagiere verliert durch eine Kollision mit ? ihr Leben. Der Rest besteht aus Zivilisten, einem Sicherheitschef und ein paar Mitgliedern der militärischen Crew. Bei letzteren fehlen die höheren Offiziere.

                                      Leutnante sind die höchsten Offiziersränge an Bord.

                                      Gewöhnlich befinden sich eher junge Menschen Anfang 20 in den Leutnants-Rängen, weshalb ein Hauen und Stechen um die Kapitänsposition beginnt. Man könnte sagen, dass Storming, Norming, Performing als typisches Verhalten beim Teambuilding hier ziemlich realistisch gezeigt wird. Es gibt leider unheimlich dumme Charaktere und anfangs erscheint eigentlich kaum jemand sympathisch. Es gibt viele Passagiere und Crewmitglieder, weshalb einiges im Angebot ist, was einem zusagen könnte. Von gebräunten Sportlern und Models bis zu bleichen Brillen-Nerds a la "Lower Decks" reicht das Angebot.

                                      Sex wird auch reichlich praktiziert, aber das wirklich Spannende ist der Kampf ums Überleben. Kaum hat man eine Gefahr überwunden, hält einen schon die nächste in Atem. Das macht den Reiz der ersten Episoden aus. Dabei kann ich aber nicht sagen, ob die ganzen physikalischen und astrophysikalischen Probleme und Lösung irgendwie der Realität entsprechen. Tech-Bubble a la Star Trek ist angesagt.

                                      Obwohl die Serie von SyFy ist, kann ich mit vielen Schauspielerleistungen noch leben, aber gerade so. Viel mehr spricht mich die Gestaltung des Raumschiffs an. Da kommen wir schon eher in den Bereich von Star Trek. Es gibt eine Brücke, Quartiere, Gemeinschaftsräume, Besprechungsräume und Maschinenräume, wo sich das Leben abspielt. Aber auch bis zur 9. Episode nimmt der Stress nicht ab, kommt es unter anderem zu Meutere, wobei mir die Handlung und die aufgeworfenen moralischen Fragen manchmal etwas plakativ erscheinen. Interessant finde ich aber eine Auseinandersetzung der Wissenschafts- und "Sport"-Offiziere, ob man Verstorbene nicht zu Dünger umwandeln soll, wenn man schon einen Schnellkomposter an Bord hat.

                                      Auf der Erde sind entweder ganze Kontinente abgesoffen oder verbrannt und so macht sich die total hysterische und verrückte Restmenschheit auf, um einen neuen Planeten zu besiedeln. Ob das gut geht, nachdem sie schon eine Erde zerstört haben? Ob die überhaupt ankommen?

                                      Doch die Serie kann mich irgendwie bei der Stange halten, gerade auch wegen den Nerds und weniger dummen Crew-Mitgliedern. Die Schauspielleistung könnte sich aber noch im Laufe der Zeit verbessern, wenn alle in ihre Rolle hineingewachsen sind, so hoffe ich.

                                      Die Qualität ist gerade so über low budget angelegt, aber man hat sich Mühe gegeben die Zuschauer nicht zu langweilen.

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                                        OUROBOROS 22.08.2023, 21:36 Geändert 23.08.2023, 14:50
                                        über Arcadia

                                        Globale Katastrophen, die nicht näher benannt werden, haben zur Dezimierung der Menschheit geführt und den Großteil der Erde unbewohnbar gemacht, so dass auch die Rohstoffe knapp sind.

                                        Arcadia ist eine strengbewachte Siedlung mit einer hohen Mauer, wahrscheinlich im Nirgendwo der belgischen Ardennen. Manchmal sieht man nachts, dass es sich um eine Großstadt handeln muss, ansonsten sieht man häufig abgelegene Häuser von Wohlhabenden und brutalistische Bauten, entweder für die Arbeiter oder für funktionelle Gebäude bzw. Behörden. Die Architektur des Schilds oder des Visiers ist sowas von wie von einem anderen Planeten, dass es ein Augenschmaus ist.

                                        Bei Schild und Visier handelt es sich um Militär und Polizei, die gleichzeitig auch die Geheimpolizei ist und den ganzen Staat mit Kameras und Wanzen überwacht, sowie die Bürger chippt. Regulatoren werden die Polizisten genannt. Die Hüterin stellt so etwas wie die Staatslenkerin dar. Es wäre aber keine Dystopie wenn hier nicht etwas falsch liefe, was an große Werke wie "1984" erinnert. Kombiniert wird das hier mit einem "Score", den jeder Bürger hat. Damit werden die Zugänge zu Bereichen des Lebens geregelt, von der Kultur, dem Konsum, den Anspruch auf eine Wohnung entsprechend dem Scores oder Vorrechte bei der Benutzung von Bussen bzw. ob man sogar ein Auto besitzen darf. Am krassesten sind aber die Einschränkungen im Gesundheitssystem, die Menschen mit einem geringen Score erleben. Der Score ist eine Skala von 0-10, wobei bei Scores unter 3 die Deportation nach draußen erfolgt. Gefängnisse gibt es also nicht, aber es gibt Polizeireviere mit Verhörräumen.

                                        In allen Bereichen bestimmen hauptsächlich die Frauen das Geschehen bei "Arcadia". Das könnte bedeuten, dass viele männliche Zuschauer es ablehnen und wegen der ausgeprägten Diversität werden es sicher die üblichen Verdächtigen geringschätzen und als Belehrungsfernsehen verurteilen.

                                        Die Erzählung handelt von einer wohlhabenden Familie, dessen männliches Familienoberhaupt zu den Gründern zählt. Sowohl am Chip als auch am Scoresystem hat der Patriarch mitgearbeitet. Gerade als er seine Tochter mit einer anderen Frau verheiraten will, tritt der Schild erstmals auf und sprengt die Hochzeitsfeier. Die ganze Familie wird abgeführt.

                                        Vorwurf: Manipulation der Scores von Familienmitgliedern.

                                        Der Vater wird deportiert, weil er gesteht und somit den Rest seiner Familie (4 Töchter und seine Frau) heraushält. Doch deren Score, der vorher über 8 war, wird nun auf 6 gesenkt und sie werden weiter überwacht, ohne dass sie es wissen. Während sie teilweise ihren hochdotierten Job verlieren und in ein kleineres Haus umziehen müssen, mit beengten Wohnverhältnissen, könnte die Deportation für den Vater den Tod bedeuten, denn draußen soll angeblich kein Mensch überleben. Eine Tochter, die als Soldatin beim Visier arbeitet, lässt sich an die Außengrenzen versetzen, um vielleicht so ihren Vater finden zu können. Die andere Tochter ist ebenfalls Soldatin. Ihr wird ein unmoralisches Angebot gemacht. Sie soll ihre Familie denunzieren, damit ihr früherer Score wiederhergestellt wird. Die dritte Tochter arbeitet als Krankenschwester, wo sie mit der harschen Ungerechtigkeit des Gesundheitssystem konfrontiert wird. Die vierte Tochter ist Autistin und taumelt unbeholfen durch diese seltsame Gesellschaft, wo sie immer wieder aneckt, was dazu führt, dass ihr Score weiter sinkt.

                                        In dieser Gesellschaft stimmt so vieles nicht, weshalb auch Gesellschaftsschichten mit niedrigen Scores denunziert wird oder illegale Machenschaften verübt werden. Von Anfang an spürt man, dass es da auch eine Untergrundbewegung geben muss.

                                        "Arcadia" scheitert ein wenig an seiner Komplexität, denn manche Aspekte werden so vertieft, dass kein gesamtes Gesellschaftsbild sichtbar wird. Darunter leidet das Worldbuilding nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch. Natürlich sind die Kulissen und die Ausstattung erhaben, ich habe schon die außergewöhnliche Architektur gelobt, gehört dazu auch das Design von Autos oder teilweise die Innenarchitektur, doch zu keinem Zeitpunkt hat man das Gefühl die Großstadt gesehen zu haben, deren Panorama, beim Blick aus dem Fenster am Horizont aufleuchtet.

                                        Ich werde die Serie weiterschauen, weil die Dramaturgie stimmt und mich das Schauspiel der Charaktere und das edle Setdesign sehr ansprechen.

                                        Doch ein großer Wurf ist das leider nicht, weil diese Großstadt eher wie ein Dorf wirkt. Ein zweite Staffel ist schon in der Produktion. Ich habe trotzdem weiter Interesse daran.

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                                          OUROBOROS 18.08.2023, 20:12 Geändert 18.08.2023, 22:06

                                          Auf einmal ist da eine Doku über Porninfluencer und als ich das lese, denke ich so an "Jamie Young". Plötzlich ist das eine Dokumentation über sie und ihren Freund. Sie produzieren Pornos mit gefühlvollem und - wie sie sagt - natürlichen Sex und weil sie ein echtes Pärchen sind läuft das unter dem Tag "verified couple".

                                          Hier in der Mediathek:

                                          https://www1.wdr.de/fernsehen/menschen-hautnah/sendungen/pornfluencer-100.html

                                          Mir gefällt sie und das Konzept "Couple Porn". Ich finde im Allgemein nichts schlechtes dabei Pornos zu konsumieren, vor allem fiel mir Jamie Young auf, als relativ natürliche Frau. Nur als Freundin könnte ich mir sie wirklich nach der Dokumentation nicht vorstellen. Dafür ist sie mir zu devot.

                                          Die Doku versucht nicht Pornografie als etwas Negatives darzustellen, auch wenn Pornografie auch Schattenseiten besitzt, aber wenn ich das Paar so intim sehe, ohne dass es um Sex geht, dann bemerke ich eben doch Dinge in deren Beziehung, die mich nicht ansprechen oder die ich nicht ideal finde. Der Sex ist gut, aber dadurch, dass sie so devot ist, bestimmt er sehr viel und eigentlich fehlt ihm etwas mehr Empathie und Wille sie noch etwas besser zu bedienen. Aber da gibt es ganz viel andere Kaliber mit Null Talent.

                                          Es ist ihr erster Freund, sie trafen sich mit 18, da war er gerade bei ein paar Pick-Up-Methoden Kurse, um zu lernen wie man Frauen abschleppt. Ich finde das furchtbar, weil diese dominante manipulative Art am Ende meistens nur Sex bringt. Jamie Young aka Andrea weiß, dass er sie mit der Pick-Up-Methode angesprochen hat, aber jetzt sind sie so viele Jahre zusammen. Es gibt also auch manchmal positive Fälle und man merkt, dass die beiden sich optisch vergöttern. Liebe ist da auf jeden Fall.

                                          Sie wehren sich gegen die großen Pornoseiten-Streaming-Portal-Betreiber-Konzerne und ziehen ihr eigenes Ding durch. Er ist da schon talentiert und so haben sie gemeinsam andere bekannte Profi/Amateur-Pornodarstellerinnen für einen Gast-Dreh gewinnen können. Das gefällt ihr. Sie stört es nicht, dass er dann auch anderen Frauen hat, jedoch mit ihr zusammen. Auf der anderen Seite möchte sie aber keinen männlichen Gast-Pornodarsteller, sondern nur ihren Freund. Das finde ich ziemlich gefährlich für die Beziehung.

                                          Nicht nur das habe ich bemerkt. Er bezieht sie zwar in alle Entscheidungen mit ein, wünscht sich auch von ihr mehr Kreativität, aber andererseits bremst er sie dabei und lehnt Vorschläge von ihr ab. Er achtet aber auch darauf, wenn sie "Nein" sagt. Er versucht es zwar, indem er die Vorschläge variiert, aber sie setzt sich durch mit einem deutlichen "Nein", wenn sie etwas nicht will. Ein paar Mal fällt mir aber auf, dass sie etwas sagen will, eigentlich etwas entscheidendes, aber er dominiert dann, redet einfach drüber. Sie hält sich dann zurück, ist eben auch schüchtern, wie sie sich selbst beschreibt. Aber da gibt es keinen ideal Zustand. Viele Männer oder Frauen sind unsicher und ziehen Einwürfe zurück und lassen den anderen sprechen. Aber es waren Einwürfe, die problematisch werden können, weshalb ihre Zurückhaltung mal Umschlagen kann, wenn sie das wirklich durchsetzen wollte.

                                          Ich vermute, dass die Beziehung der Beiden dann enden wird, wenn er sie geschäftlich nicht mehr als jung verkaufen kann. Sie ist auch noch so jung, dass sie Selbstbewusstsein gewinnen wird und dann wird die Beziehung sowieso auf die Probe gestellt. Es wurde in der Doku nicht geklärt, ob beide verschiedene Konten haben, denn sie haben schon ein kleines Vermögen verdient. Auf dem Weg zur Million sind sie. Offenbar wachsen aber beide daran und haben keine Scham davor, damit viel Geld zu verdienen und die Konsumenten auszunehmen.

                                          Ein Geschäft ist auch das, aber es ist eine Dienstleistung. Manche Fans sind bereit pro Monat 50 Euro (ohne Extras) zu zahlen und nicht wenige empfinden so viel Liebe zu Jamie Young, dass sie sie als vollwertigen Freundinnen-Ersatz betrachten und sich damit zufrieden geben. Manche Pornfluencerinnen z.B. die kanadisch ImMeganLive bieten sogar Fan-Sex an für zahlende Kundschaft.

                                          Zum Glück verprasse ich mein Geld nicht für solchen Spezial-Content und kann so auch noch meinen Hobbys nachgehen, wie derzeit Outdoor-Biwak im Schwarzwald. Damit will ich sagen, dass es Sex-Sucht gibt, aber Kritiker damit das ganze Thema Sex nur negativ abhandeln wollen. Deshalb fand ich die Doku besonders interessant und gebe deshalb soviel Punkte, weil das Pärchen zwar denkt, sie haben die Situation vollkommen im Griff, aber sie doch einen tieferen Einblick gewähren, als sie selbst ahnen. Es gibt eben viel zu beobachten, bei einem relativ neuen Geschäft.

                                          Ich gehe nicht soweit ihren Freund Nico als toxisch männlich zu bezeichnen, wie meine Vorredner, denn das wäre etwas übertrieben, denn er ist schon zärtlich und hält Grenzen ein, die sie aufzeigt. Eine wirklich toxische Person ist er nicht, aber er nutz manchmal seine Dominanz und sie lässt es geschehen. Es gibt in vielen Beziehungen ungleiche Machtverhältnisse und dem Ideal einer völlig ausgeglichenen Beziehung näher zu kommen, braucht zwei dominante Charakter und erfahrene Personen. Das kann man von so jungen Menschen kaum erwarten. So sind wohl viele Beziehungen in jungen Jahren von starker Asynchronität geprägt, aber das Leben ist lang genug, um zu lernen, wie man sich durchsetzt oder auch nicht. Diese Beziehung ist für die beiden jungen Menschen Nico und Andrea auch ein Experimentierfeld und sie werden beide daraus lernen.

                                          Es ist schon so, dass ich glaube, dass sie in einem Traum lebt, aus dem sie irgendwann unsanft aufwachen wird. Ihr ist es schon wichtig damit ein Vermögen anzuhäufen. Ich hoffe, sie hat ihr eigenes Konto, denn einmal spricht er von "seinem Konto".

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                                            OUROBOROS 11.08.2023, 03:30 Geändert 11.08.2023, 12:20

                                            "Über tote Mörder hält niemand Gericht, aber ihre Taten geben Zeugnis." - OS

                                            Ein italienischer Gastarbeiter Fabrizio Collini ermordet in den 90er Jahren einen erfolgreichen Berliner Unternehmer durch Schüsse in den Kopf. Er verbleibt in der Nähe des Tatorts, so dass die Polizei ihn als mutmaßlichen Mörder in Gewahrsam nimmt. Er spricht kein Wort. Weder legt er ein Geständnis ab, noch gibt er ein Motiv an. Die Öffentlichkeit rätselt um die Beweggründe.

                                            Als Pflichtverteidiger nimmt der junge Rechtsanwalt, mit türkischem Migrationshintergrund, Caspar Leinen (Elyas M'barek), den Fall an, ohne zu wissen, dass der Ermordete sein Adoptiv-Vater ist. Als er die Situation erfasst, plagt ihn sein Gewissen, ob er dem Gericht seine Befangenheit mitteilen oder den Mörder seines Ziehvaters verteidigen soll.

                                            Da genug Beweise Collini als Täter überführen werden, lässt sich Casper darauf ein, nicht ohne gesteigertes Interesse daran zu haben, was Fabrizio Collini zu dem Mord bewegt hat. Collini bricht das Schweigen nicht. Als Casper die Tatwaffe überprüft und die Geschichte dieses Waffentyps recherchiert dämmert es ihm.

                                            Ich schreibe im Präsens, was bedeutet, dass die Geschichte frei erfunden ist, doch steht sie modellhaft für einen Skandal der Deutschen Rechtsgeschichte.

                                            Ferdinand von Schirach hat in dieser Erzählung wieder seine gesamte juristische Erfahrung verarbeitet und ich vertraue darauf, dass die Wiedergabe des Prozessablaufs der Realität entspricht, auch wenn es diesen Prozess leider in dieser Pointenhaftigkeit nicht gegeben hat. Die Schwäche dieser Erzählung ist, dass die Biografien aller Beteiligten ahistorisch sind, aber die Stärke liegt daran einen historisch-realen Skandal der deutschen Rechtsgeschichte in Erinnerung zu rufen.

                                            Die Dramaturgie ist exzellent und eine kleine Achterbahnfahrt, so dass meine Tränenkanäle sich wie Schleusen öffnen, genau dann wann es beabsichtigt wurde. Die sich steigende hochemotionale Erzählung spielt zu 80% vor Gericht. Es gibt einige Rückblenden in zwei unterschiedlichen Zeitepochen sowie eine Reise nach Italien. Ausgezeichnet audiovisuell ist der Film ebenfalls gelungen. Eine TV-Film Optik weicht einer Bildgestaltung mit internationalem Anspruch, fast so wie man sie aus US-Gerichtsfilmen kennt.

                                            Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, warum mir der Schauspieler von Collini so bekannt vorkommt. Es ist Franco Nero und er wirkt alleine schon intensiv, ohne dass er ein Wort sagt. Heiner Lauterbach gibt den Mephisto, in einer Szene sogar mit direkten Referenzen an Goethes Werk "Faust". Ich habe es genossen. Elyas M'Barek spielt hier eine Rolle völlig ohne seinen sonst albernen Humor. Die Rolle verlangt eine hohe Seriosität und die kann er hervorragend bedienen. Sein Migrationshintergrund spielt hier nur ein paar Sekunden eine Rolle, so dass die Anti-Woke-Fraktion beruhigt sein könnte. Allerdings wird das gleiche Milieu, zu dem die Anti-Woke-Fraktion gehört, kein gutes Wort darüber verlieren. Die üblichen verdächtigen Fans des speziellen deutschen Films werden sich hier schnell tummeln.

                                            Der Ausgang des Prozesses ist völlig unerwartet und stellt Beteiligte wie Zuschauer vor eine besondere Herausforderung.

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                                              OUROBOROS 10.08.2023, 21:33 Geändert 10.08.2023, 21:42

                                              Es tut mir leid für die ganzen Frauen, die wegen Harvey Weinstein leiden mussten. Das was er getan hat, ist nicht das was viele Männer unter einer Vergewaltigung verstehen, das wird in dem Film auch stellvertretend für die "patriarchalisch" erzogenen und handelnden Männern von Weinsteins Anwalt zum Ausdruck gebracht.

                                              Dass ich hier auf den Kampfbegriff "alte weiße Männer" verzichte liegt daran, dass ich trotz der Häufigkeit, wie Angehörige dieser älteren Generationen zu Tätern werden, nicht verallgemeinern will, denn damit würde ich die Unschuldigen unter ihnen diskriminieren.

                                              Zurück zum Thema Vergewaltigung. Tatsächlich verstehen viele Menschen darunter physische Gewalt und eine Frau, die sich mit Händen und Füßen sowie mit Hilfeschreien zur Wehr setzt. Unterschlagen wird dabei, dass die Angst so starr machen kann, dass Vorgenanntes nicht möglich ist. Weinstein war offenbar gut darin seine Opfer einzuschüchtern und so langsam mit seinen Belästigungen vorzugehen, dass irgendwann die Duldungsstarre einsetzt, ein angeborener Reflex.

                                              Immer wieder habe ich gehört, dass man beim Fall des Rammsteinsteinsängers Till Lindemann darauf verwiesen hat, dass auch hier viele Opfer sich viele Jahre später melden, weil sie möglicherweise aus Scham ebenfalls schweigen bzw. aus Angst mit Klagen überzogen zu werden. Ich denke, dass es hier in Deutschland einen Unterschied gegenüber dem Rechtssystem der USA gibt. Wenn in Deutschland eine Staatsanwaltschaft von einer möglichen Straftat Kenntnis erlangt, dann ist eine außergerichtliche Einigung im Zivilverfahren nicht möglich, da der Staat jede Straftat verfolgt, die im StGB von einem Gesetzt erfasst wird. Ein weiterer Unterschied zwischen Lindemann und Weinstein ist, dass Lindemann Sex mit Konzertbesucherinnen nachgesagt wird und nicht mit Angestellten. Weinstein hatte ein zusätzliches Drohmittel seine Opfer mundtot zu machen, nämlich ihre berufliche Karriere zu beenden.

                                              Ich kann nicht ausschließen, dass Lindemann Frauen gegen ihren Willen zum Sex gezwungen hat, aber ich beklage die Vorverurteilung.

                                              Wenn man "She Said" gesehen hat, kann man auf die falsche Idee kommen und grundsätzlich jeden Mann unter Generalverdacht stellen gegen den Vorwürfe erhoben werden. Es steht keinem Menschen zu von anderen zu verlangen, dass man den Opfern Glauben schenken muss, denn es geht nicht um Glauben, sondern es geht um Fakten. Es ist ideologischer Aktivismus wenn Menschen glauben, dass Anschuldigungen ausreichten Menschen zu verurteilen. Dafür gibt es zu viele Menschen die Geschichten erfinden oder Trittbrettfahrer sind und davon profitieren mögen oder psychisch krank sind, die solche Anschuldigungen zu Unrecht erheben, dass es an der Überprüfung der Fakten Mangeln dürfte.

                                              Mögen die entsprechenden mit der Lösung des Falles beauftragten staatlichen Stellen der Wahrheit näher kommen und wenn die Anschuldigungen sich bestätigen, Lindemann zur entsprechenden Strafe verurteilt werden. Die Strafen für sexuellen Missbrauch und Vergewaltigung sind in Deutschland zu gering.

                                              Um die 90% der sexuellen Gewalt an Frauen wird durch Männer verübt. Die Hälfte davon sollte ihre Ursache in der Herkunft aus Ländern haben, mit vornehmlich patriarchalischer Kultur, darunter auch viele Länder im Ostblock und Russland, also nicht nur immer der "südländische Typ" bzw. muslimische Mann. Erschreckend ist, dass deutsche Männer (vom Blute her Deutsch, mindestens seit der 5. Generation, ganz nach den Rassengesetzen der Nazis ;-), aus einem aufgeklärten progressiven Deutschland, mit vorangeschrittener Emanzipation der Frau, ebenso abscheuliche Dinge tun. Warum gibt es so viele Deutsche Männer, die vom Patriarchat geprägt sind? Die Frage wird gar nicht beantwortet, weil man grundsätzlich alle Vergewaltigungen denen in die Schuhe schiebt, die man auch als "Messermänner" pauschal herabwürdigt.

                                              Es fängt schon mit der sexuellen Belästigung an. Damit meine ich nicht, wenn ein Diplomat Sawsan Chebli ein Kompliment wegen ihres Aussehens macht, das sie in hysterischer Weise als sexistisch missversteht. Ich meine, wenn Männer denken, dass Frauen intellektuell und mental nicht genauso gut wie Männer sein können, dass Frauen nur Geburtsmaschinen seien, über deren Gebärmutter der Mann bestimmt, dass Frauen bei der Hausarbeit viel geschickter seien, dass man nur solange baggern oder schrauben muss, bis die Frau sich hingibt, dass Frauen "Ja" meinen, wenn sie "Nein" sagen.

                                              Ich finde aber, dass volljährige Frauen einen Kredit auf Mündigkeit haben sollen, weshalb man nicht sagen kann "Aber die Frauen wussten doch nicht, dass es da so ein großes Machtgefälle gibt." Man muss von einer volljährigen, mündigen und emanzipierten Frau auch erwarten können, dass sie "Nein" sagt und geht, dass sie weiß, dass sie sich nicht mehr wehren kann, wenn sie sich mit Alkohol und Drogen so zudröhnt, dass das gegenüber davon ausgeht, dass man breit und willig ist. Wenn man sich so zurichtet, fällt es einem Gegenüber, das genauso breit und zugedröhnt ist, sichtlich schwer zu bemerken, ob jemand willig ist oder nicht.

                                              Klar kann man sich in einer idealen Welt auch Sex vorstellen ohne Alkohol oder Drogen. Mir macht das zum Beispiel im klaren Kopf sehr viel Spaß, ich hatte es auch anders und weiß, dass die mangelnde Zurechnungsfähigkeit leicht missinterpretiert werden kann. Und es gibt Menschen die wollen Sex nur mit Alkohol oder Drogen. Es gibt sogar Frauen, die mögen simulieren, dass sie schlafen, während der Mann mit ihr Sex hat. Und wer kennt nicht die Fessel und Peitschspiele. Es gibt Frauen, die mögen härter rangenommen werden, es gibt sogar Rollenspiele, die einer Vergewaltigung gleichen. Die Dinge sind sehr kompliziert. Ein befreundetes Paar, in langjähriger Beziehung, mochte es die Rolle zu tauschen zu Herr und Sklavin. So erzählten sie mir, wie sie für das Wochenende ein Zimmer gebucht hatten im "FREIRAUM". Ich dachte es wäre ein Romantik-Wochenende im Schwarzwald, aber nein, es war ein Sex-Spiele-Hotel. Ich meinte nur zu ihnen, dass ich das Hobby psychologisch bedenklich finde bzw. nicht normal, aber wenn es ihnen Spaß macht und sie keine Straftaten dabei begehen, dann wünsch ich ihnen viel Spaß dabei.

                                              Lange Rede kurzer Sinn: Beim Sex gibt es viel Spielraum zwischen Spiel und Ernst, zwischen gespielter Gewalt und echter Gewalt, so dass Menschen sich dabei leicht verirren können. Ein höhere Sensibilität dafür muss also gegeben sein. Man muss über seine Vorlieben sprechen und beide müssen es wollen.

                                              Weinstein war nicht im Drogenrausch, er lies alle Empathie vermissen zu bemerken, dass die meisten Frauen, die er sexuell missbrauchte, deutlich zum Ausdruck brachten, dass sie das nicht wollen. Drängeln und nötigen mit Erpressung und Machtgefälle, das ist psychische Manipulation, aus der auch selbstbewusste Frauen schwer rauskommen. Weinstein ist ein großer Kerl, ich kann mir schon vorstellen, dass man da als kleine Frau starr vor Angst wird.

                                              Möglich, dass es bei Lindemann auch so ist, aber dafür fehlen noch die Beweise.

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                                                OUROBOROS 09.08.2023, 19:12 Geändert 09.08.2023, 19:16
                                                über Toubab

                                                Was wahre Freundschaft ist, das soll sich gerade zeigen im bildungsfernen und sozial schwachen Milieu?

                                                Babtou wird aus dem Knast entlassen. Es wir wohl Dealerei gewesen sein, aber ist ja auch egal. Er ist nicht der Typ des ekelhaften gewalttätigen Kriminellen. Es scheint er so, als hätte er in dem Hochhaus-Block-Komplex die falschen Freude gehabt. Aber kaum tritt er durch das Tor des Gefängnisses, steht auch schon ein Freund bereit, der ihn abholt.

                                                Zurück in seinem Block erscheinen ein halbes Dutzend hupende Autos und blockieren die Kreuzung. Laute Bässe hämmern aus den Subwoofern der Autos und Babtous Rückkehr wird auf offener Straße gefeiert. Schon bald rückt die Polizei an. Babtou will die anderen warnen, dreht die Lautstärke der Musik runter und eine Schlägerei wird dadurch ausgelöst. Die Polizei kommt in die Schlägerei und Babtou greift einen Polizisten an, der auf seinen Freund einprügelt.

                                                Wenn man sich die Situation so begreiflich macht, dann ist Babtou Opfer der Umstände. Klar hätte er anders handeln können, aber ihm wäre nur die Möglichkeit geblieben wegzulaufen. Aber auch das war erschwert. Diese Bullshit-Aktion führt dazu, dass er auf dem Polizeirevier landet und man ihm dort verkündet, dass er abgeschoben werden soll in den Senegal.

                                                Mit allen Mitteln versucht er das zu verhindern, sogar mit einer homosexuellen Scheinehe und das hat mich an vielen Stellen zum Lachen gebracht, wegen vieler kurioser Situationen, aber der Film wird dabei gerade am Ende nicht wirklichkeitsfern.

                                                Den Film empfinde ich als geglücktes Statement gegen Homophobie und für Freundschaft.

                                                /////SPOILER-ALARM//////

                                                Gelacht habe ich über die Versuche alle Girls abzuchecken, ob sie ihn heiraten wollen. Er braucht die Heirat mit einer Deutschen, um Bleiberecht zu erhalten. Doch die Exen lachen ihn aus. Selbst die eine, die er verschmäht hat, lacht ihn aus, und sie wird sich noch bitterlich an ihm rächen. Das Video wird am Ende sein Sargnagel. Es ist sehr lustig dargestellt, wie die Ausländerbehörde versucht, seine Heirat mit seinem besten Kumpel als Scheinehe auffliegen zu lassen. Aber die besten Freunde wissen natürlich viel übereinander, sicher mehr als so mancher Ehemann von seiner Frau.

                                                Das pikante ist, dass beide sich in die Rolle von Homosexuellen versetzen müssen, um den Schein zu wahren, aber damit ihre eigene homophobe Haltung abbauen. Das führt dazu, dass sie selbst zu Verfolgten von Homophoben Gewalttätern werden. Sie können sich dagegen wehren, aber viele Opfer von Homophobie eben nicht.

                                                Ich habe wieder öfter gelesen, dass es sich hier um öffentlich-rechtliches Belehrungsfernsehen handelt. Wenn man alle Statements gegen Homophobie und Xenophobie als Belehrung bezeichnet, ist Hopfen und Malz verloren. Diese beiden Aspekte, nämlich Menschen nicht nach ihrer Herkunft oder dem Geschlecht zu beurteilen ist keine Belehrung. Und der Film tut das auch nicht belehrend, sondern er zeigt, das in erfrischender humoristischer aber auch tragischer Weise, denn Babtou wird abgeschoben, in ein Land mit dem er nichts gemeinsam hat. Andererseits hat er seine zweite Chance vergeigt.

                                                Das Traurige daran ist aber, dass viel für wesentlich schlimmere Straftaten, wie sexuelle Gewalt an Frauen nicht abgeschoben wurden und es hier Babtou traf.

                                                Als Dennis in den Senegal reist, um Babtou zu besuchen, da setzt sich die wahre Freundschaft weiter fort. Der Film hat mich erreicht.

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                                                  OUROBOROS 09.08.2023, 18:52 Geändert 09.08.2023, 18:54

                                                  ////SPOILER-ALARM////

                                                  Heute hatte ich nah am Wasser gebaut, jedenfalls hat der Film bei mir mehrmals kleine Weinkrämpfe ausgelöst und viele Gedanken ausgelöst.

                                                  Alles fing damit an, dass ich die erste Szene mit Anna und Henry so erotisch fand. Die Beziehung der Eltern von Milla hatte für mich einen sehr großen Anziehungspunkt, weshalb ich zuerst gar nicht bemerkte, in welchem Zustand Milla war.

                                                  Überhaupt findet man in den Dialogen nur selten in Nebensätzen Hinweise darauf, dass Milla krebskrank ist und eine Chemotherapie macht. Sehr lange will ich das nicht sehen und sehe nur eine junge Frau, die sich mal hübsch und mal weniger hübsch gibt. In dem Moment, als eine Mitschülerin ihre Perücke anprobiert und durch die Blume sagt, dass Milla eigentlich viel schöner ist, da denke ich nur, dass der Glanz dieser schönen Blume schon bald verglühen wird. Man sieht Milla in der Szene an, dass sie selbst nicht mehr mit einem Überleben der Krankheit rechnet. Plötzlich beginne ich mich zu erinnern, wie wir als Zuschauer Milla kennengelernt haben. Sie wollte vor den Zug springen, aber da taucht Moses auf und rettet sie bzw. stört sie dabei.

                                                  An diesem Punkt beginnt eine Liebesgeschichte, von der ich immer weniger glaube, dass sie eine Zukunft haben könnte, jedoch nicht deshalb weil Moses drogenabhängig ist und dealt. Bei diesem Aspekt glaube ich sogar an die Macht der Liebe, dass sich diese Dinge ändern. Nein, ich denke, dass Milla sich aufbäumen wird, dieses Geschenk der Liebe zum ersten Mal zu empfangen bevor sie geht.

                                                  Für die Eltern aus wohlhabendem Haus, wobei mit das kultivierte daran wichtiger ist, war es schwer zu akzeptieren, wenn da ihre Tochter anschleppt. Moses ist obdachlos, sieht wie ein Junkie aus, aber er ist hübsch. Er klaut die ganzen Psychopharmaka, die bei der Familie von Milla eingelagert sind. Millas Vater Henry ist Psychotherapeut und besitzt ein Arsenal davon, mit dem er seine Tochter und seine Frau zudröhnt, bald auch Moses, dem er anbietet bei ihnen zu wohnen. Diese Entscheidung war nicht leicht, aber sie macht nicht nur Milla glücklich, sondern auch Mutter Anna beginnt clean zu werden.

                                                  Das alles hört sich an wie die stereotype Lovestory, aber Milla verfällt Moses nicht komplett, sie wehrt sich gegen dessen Untreueanfälle und Drogengeschichten, jedoch ohne ihn völlig domestizieren zu wollen. Dass Milla hier so stark agiert und Moses nicht für immer verjagt, aber ihm auch nicht hinterherläuft ist ein Aspekt des Coming-of-Age, dass sich so manche Liebende oder so mancher Liebender sehr genau anschauen sollte. Gerade als die Hürden der Annäherung überwunden sind und Moses beginnt zu reflektieren, Milla von seinem Background erzählt und seine Haltung zum Leben ändert, in dem Moment, wo die Liebe zwischen beiden ein Stück gereift ist, weil beide ein Stück gereift sind, wo in einer Beziehung vielleicht der erste Sex ansteht, verlangt sie von Moses, dass er sie mit einem Kissen erstickt.

                                                  Ich wurde noch nie in so eine drastische Szene mit hineingezogen, habe ich mich doch in die Rolle von Moses reinversetzen, der sie jetzt umbringen soll. Ich soll sie umbringen. Soll das ein Liebesbeweis sein? Ich mir sträubt sich alles und ich lehne ab, aber letztlich kann ich nicht sagen, was ich getan hätte in so einer emotionalen Ausnahmesituation. Moses hat es sogar versucht, aber er konnte es nicht durchziehen. Keine Ahnung, ob Sterbehilfe - auf so eine Art - in Australien erlaubt ist, aber ich schätze, damit hätte Moses sein Leben noch mehr verpfuscht. Was für eine dumme Idee.

                                                  Daraufhin folgt der erste Sex von Milla, mit einem Moses und am nächsten Tag liegt sie tot neben ihm.

                                                  Was ist das für ein Ende, müssen sich alle Beteiligten gedacht haben. So kann man das doch nicht stehen lassen. Die Szene, in der Mutter Anna Moses beschuldigt sie nicht gerufen zu haben, ihm vorwirft, dass er ihren letzten Atemzug erlebt hat und sie als Mutter nicht, das ist ganz starke Dramaturgie. Dazu gehört auch der Moment, wenn Moses sie in den Arm nimmt und tröstet.

                                                  Damit dieses Ende nicht in Erinnerung bleibt, haben sich die Drehbuchschreiber ausgedacht, den letzten Tag mit der ganzen Familie und Bekannten zu zeigen, mit dem Blick auf den tosenden Ozean.

                                                  Die guten Erinnerungen bleiben.

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                                                    OUROBOROS 09.08.2023, 15:03 Geändert 09.08.2023, 15:04
                                                    über Barbie

                                                    Nach dem Green-Washing setzen die Konzerne jetzt Woke-Washing ein. Die Konsequenz ist, dass der Absatz von Mattel massiv gestiegen ist. Was man nicht alles für die Profitmaximierung tut und scheinbar kommt es an. Wäre der Film nicht von "Mattel" sondern eine echte unabhängige Satire, dann hätte ich es mir angeschaut.

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