OUROBOROS - Kommentare

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    OUROBOROS 15.04.2023, 14:57 Geändert 15.04.2023, 14:58

    Eine Grizzly Bärin findet eine Ladung Kokain, die aus einem Flugzeug über der Wildnis abgeworfen wurde. Nach dem ersten Kick flippt sie total aus und ist sofort abhängig. Nun tut sie alles für die Beschaffung der Droge. Fast hätte ich mit 8 Punkten gewertet, denn es gab so viele urkomische Situationen in welchen ich laut auflachen musste. Nach und nach werden Wanderer angefressen und aufgefressen, nichts ist vor der hyperaktiven Bärin sicher. Die Zerfleischungsszenen werden zwar immer drastischer und auch hier musste ich lachen. Hier ist natürlich kaum etwas realistisch, die CGI schlecht, aber dafür komisch. Koksende Kinder, dumme Gangster, eine Parkrangerin die immer daneben zielt, schwarzer und aberwitziger Humor dazu, habe ich gerne gesehen.

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      OUROBOROS 13.04.2023, 20:11 Geändert 13.04.2023, 20:21

      In “The Plot Against America” ist eine von HBO adaptierte Miniserie. Sie basiert weitestgehend auf der gleichnamigen Novelle von Philip Roth und erzählt eine alternative Geschichte der USA.

      Hier zu lesen bei passion-of-arts:

      https://passion-of-arts.de/wie-die-usa-fast-einmal-zu-einer-faschistischen-diktatur-wurde/

      Oder meiner website:

      https://oliversiegemund.wixsite.com/dersiegemundschreibt/post/wie-die-usa-fast-einmal-zu-einer-faschistischen-diktatur-wurde

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        OUROBOROS 12.04.2023, 15:45 Geändert 12.04.2023, 15:47

        Hat mir eigentlich gefallen die Idee, dass Humanoide auf der Erde vor 65 Millionen Jahren gestrandet sind. Ist ja nicht unmöglich, dass es eine Zivilisation weit vor unserer Zeit mal auf unseren Planeten verschlagen hat, die uns weit voraus war und jetzt wieder weit weg von und ist und uns selbst in der Zukunft gleicht. Die zwei Protagonisten sind mir ans Herz gewachsen, Ariana Greenblatt ist ziemlich niedlich. Spannend inszeniert ist es auch, aber mir war die Fauna dann doch etwas langweilig. Hätte ich gerne ein paar Rieseninsekten gesehen wie eine Riesenlibelle oder Riesenwespe. Da hatte ja Jacksons "King Kong" einiges mehr zu bieten.

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          OUROBOROS 10.04.2023, 18:14 Geändert 10.04.2023, 20:07

          Unterhaltsame kafkaeske Erzählung mit zwei prächtig aufgelegten Darstellern Sam Neil und Christoph Walz.

          Wenn man ganze Serien-Universen gewohnt ist und falls sie gefüllt wurden, dann kommt einem ein 120-Minüter so vor, als hätte man Potenzial verschenkt. Sicher wäre noch mehr drin gewesen, aber dann bräuchte es eben eine Serie. Und dies wäre eine mittelstarke Episode davon. Wenn man das Gefühl hat, es wäre besser eine Serie, dann war der Film wohl gut genug, wenn man eigentlich mehr davon sehen will.

          Nach meiner Meinung laufen Serien zunehmend Filmen den Rang ab, weil sie qualitativ vom technischen und schauspielerischen Aufwand nicht mehr von Filmen zu unterscheiden sind. So funktionieren Filme meist auch nur noch im Mehrteilern. Das fing mit "Herr der Ringe" an, spiegelt sich im ganzen Superhelden-Kosmos und Star Wars Serien wieder und setzt sich mit "Dune - Teil 1" fort.

          Bestimmt gibt es noch Filme, die in 90 Minuten etwas zu erzählen haben, aber eine gute Serie verhält sich zu einem Film wie ein Comic-Heft zu einem dicken Roman-Wälzer. Ein Comic kann die Dichte eines dicken Wälzers potenziell nicht erreichen.

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            „Lars und die Frauen“ habe ich anfänglich sehr kritisch angesehen, denn Ryan Gosling in einer solchen Rolle zu sehen, hat mich doch etwas aus meiner Komfortzone herausgezogen. Schließlich bemerkte ich, dass er eine außergewöhnliche Rolle spielt.

            Am Anfang habe ich deutlich eine psychische Krankheit oder Störung in Richtung Asperger oder eine Wahnvorstellung erkennen wollen, doch dann zeigt sich, dass es sich hier nur scheinbar eine psychologische Thematik handelt, denn immer deutlicher wird es, dass es sich hier um eine moralische Parabel über eine soziale Utopie handelt.

            Die Geschichte psychologisch zu betrachten macht kaum Sinn. Wenn man hier die psychologische Brille aufsetzt sieht man nur dunkle Nacht. In der Geschichte steckt Soziologie und am meisten Ethik, denn es geht darum zu erkennen, dass hier eine Vision von einer Gesellschaft gezeigt wird, die sich kümmert, die sich empathisch und wertschätzend verhält und dass dadurch alle Menschen, gleich wie abnorm sie sind - sofern sie friedlich sind und rücksichtsvoll verhalten - Teilhabe an der Gesellschaft erhalten.

            Es gibt Anteile des Märchens, doch die Gesellschaft verhält sich untypisch utopisch, d. h. sie verhält sich aus meiner Sicht wünschenswert. Es ist eine Gesellschaftsutopie und das sind Märchen eigentlich nicht. Wer will da widersprechen, dass es sich nicht lohnt dafür zu werben und zu zeigen wie ein positives Verhalten aussehen könnte? Wäre es nicht unfair, die guten Absichten der Geschichte zu zerstören? Es ist nicht realistisch okay, aber danach zu streben ist sicherlich vernünftiger als zum Gegenteil zu streben oder nicht? Kann das gute Beispiel nicht Anreiz sein?

            Das positive Verhalten der Gesellschaft hat Konsequenzen, denn dadurch wird Lars ein Mitglied der Dorfgemeinschaft, wo er vorher ein Außenseiter war. Die Ärztin hilft entscheidend dabei mit, dass die Puppe Bianca genauso in die Gesellschaft eingebunden wird, was Voraussetzung dafür ist, dass Lars motiviert ist. Bianca wird somit – kurioses – Mittel zum Zweck um eigentlich Lars zu integrieren. Es gibt also schon einen therapeutischen Akt durch die Anleitung der Ärztin, die zusätzlich daran arbeitet, dass Lars körperliche Nähe zulässt. Es ist völlig egal, was der Grund dafür ist. Der Grund wird meiner Meinung nach zur angedeutet, eventuell weil Lars‘ Mutter bei seiner Geburt gestorben ist. In jedem Fall ist sein Verhalten zwar friedlich in der Gesellschaft, doch niemand kann akzeptieren, dass er so ein Außenseiter bleiben will.

            Schließlich sucht er sich durch diese Fantasiebeziehung Erfahrungen, die wie eine Simulation wirken. Tatsächlich wächst er an der Fantasiebeziehung und macht eine sozial-emotionale Entwicklung durch, die ihm einen Weg zu einer Bestimmung zeigt, bei der er eine lebendige Liebe finden kann. Er hat schon vieles was Beziehungsfähigkeit ausmacht, aber was er lernt ist, dass seine Geliebte im wahrsten Sinne des Wortes einen eigenen Kopf hat – was die Gesellschaft für die Puppe übernimmt. So kann er mit ihr nicht tun und lassen was er will. Die Behandlung der Ärztin zeigt auch Erfolg, denn der erste Mensch, dem er die Hand gibt ist Margo, eine Frau, die auch etwas abnorm ist.

            Was mir besonders gut gefällt ist das Thema „Treue“. Es kommt der Moment, wo er die Puppe Bianca nicht mehr lieben kann, weil er Liebe für Margo entwickelt. Man könnte Lars vorwerfen, dass er sich ausdenkt, dass Bianca ihn nicht liebt und objektiv redet er sie tot und ertränkt sie, doch hier muss man die Fiktion eben rechtzeitig aufgeben.

            Ich weiß, das verlangt viel Vorstellungskraft und Bereitschaft aus einer fiktiven Parabel ethische Erkenntnisse zu synthetisieren, aber dadurch eröffnen sich neue Erkenntnisse. Als Lars nämlich noch mit Bianca zusammen ist, sichert Margo ihm zu, dass sie seine Traue zu Bianca akzeptiert und nichts tun wird, um das zu gefährden. Das ist ein sehr starker Moment, denn ich sehr ehre, weil ich ihn auch in meinen Moralkodex habe. Das macht die Partnersuche nicht immer leicht. Es gibt wenige Dinge, die ich aus meiner christlich katholischen Erziehung strenger einhalte als treu zu sein und Untreue anderer nicht zu fördern.

            Ich sehe es aber nicht unbedingt als nur christlich-moralischen Wert, sondern ich sehe ihn als moralisch universell sinnstiftend. Ich würde niemals mit einer Frau etwas Körperliches eingehen oder ihr Liebe gestehen, sobald ich weiß, dass sie einen Partner hat. Ich habe sooft beobachtet, wie das missachtet wurde und Beziehung ohne Grenzen vermischt wurden mit dem typischen „fremdgehen“ und wie das andere verletzt hat, wie daraus Wut und Gewalt entstand, aber auch wie jene in der Entwicklung stehengeblieben sind, weil sie es nicht gelernt haben, eine Trennung zu vollenden und diese zeit auszuhalten, selbstbewusst alleine zu stehen. Ihr Mangel an Selbstwertgefühl und die Angst vor Trennung führt dazu, dass sie es nicht schaffen sauber zu trennen und der ständige Mangel an Selbstwertgefühl überträgt sich negativ auf jede Beziehung.

            Die universelle Spirituelle Dimension des Films ist selten, denn auch wenn da eine katholische Dorfgemeinschaft ist, hat das alles wenig mit den Dogmen des Christentums zu tun, sondern einfach mit Nächstenliebe als universellem Wert. Man wird also nicht mit amerikanischen frömmelnden bigotten Evangelikalen belästigt, aber auch nicht mit genuin katholischen Werten.

            Auf der anderen Seite kann man den Film größtenteils schwerlich als Lehrstück für Liebende bezeichnen, weil er nicht realistisch ist, wenn da nicht der für mich wichtige Aspekt der korrekt ausgeführten sauberen Trennung wäre. So nehme ich den Film in meine Liste „Alles Reden über Liebe ist wie Tanzen über Architektur“ auf, weil dieser eine Punkt Gesprächsstoff für Liebende sein kann.

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              OUROBOROS 08.04.2023, 19:48 Geändert 08.04.2023, 19:59
              über Precht

              Als Fan der Sendung habe ich schon dutzende Folgen gesehen, aber noch nie kommentiert. So werde ich in Zukunft hier regelmäßig Stellung nehmen zu Themen der Sendung.

              Heute beginne ich mit der Sendung:

              "Die multipolare Welt - neue Rollen, neue Konflikte"

              Precht im Gespräch mit dem Kulturhistoriker Pankaj Mishra.
              Er präsentiert 3 Thesen.

              THESE 1: Die Welt wandelt sich von einer vom Westen dominierten Welt?

              GEGENTHESE 1: Der Westen war nicht immer "der Westen", denn vor 1945 hat der Westen eine tausendjährige Geschichte der Kriege gegeneinander.

              THESE 2: Der Westen ist ein nicht mehr ganz so stimmiges Gebilde geworden.

              GEGENTHESE 2: Der Westen war noch nie ein stimmiges Gebilde. Das ist ein Missverständnis. Erst nach dem zweiten Weltkrieg hat der Westen angefangen mit der Globalisierung und mit der Harmonisierung, weshalb es dankenswerter Weise keinen 3. Weltkrieg gab, denn 2. Weltkrieg und alle davor, waren hauptsächlich Kriege innerhalb des Westens. Es ist aber auch kein Verfall des Westens zusehen nachdem versucht wurde mittels der EU oder der NATO Stabilität hineinzubringen. Die EU und die NATO sind eher gewachsen. Sie vereinen Kulturen, die kulturelle Gemeinsamkeiten haben, aber eher eine feindliche Vergangenheit und auch kulturelle Unterschiede. Es gibt im Westen keine Sprache die von oben herab als die einzige Sprache festgelegt wird, im Gegensatz zu China und Russland.

              THESE 3: Der Westen verfällt nun.

              Zitat von MISHRA:

              "Über 200 Jahre lang haben die drei Länder USA, UK und Frankreich verschiedene Teil der Welt in Besitz gehalten. Dabei bauten sie sich starke Volkswirtschaften auf, denn sie herrschten über Rohstoffe. Und sie hatten Zugriff auf billig Arbeitskräfte, oft mit moralisch verwerflichen Methoden, wie etwa die Sklavenhaltung.

              Dieses Zeitalter <<Die Welt des weißen Mannes>> ist vorbei. Als weißer Mann war man in Afrika und Asien Herr über alles was einem unterstand. Diese Epoche ist beendet.

              China, Indonesien und Indien begannen sich von den westlichen Herrschern loszulösen"

              Soweit Pankraj Mishra.

              GEGENTHESE 3: Das haben China, Indonesien und Indien aber nicht selbst ganz alleine geschafft, sondern der aufgeklärte Westen hat Menschenrechte eingeführt, der es ihm selbst untersagte Menschen auf diese Art wie Tiere zu unterwerfen. China, Russland und die Arabischen Staaten tun das nicht, sie teilen die Menschenrechte nicht.

              Wenn man in der Geschichte wühlt, dann ist es sicher richtig den Kolonialismus bzw. Imperialismus der USA, GB und Frankreichs, aber auch Spanien, Italiens, Hollands und auch Deutschland zu kritisieren.

              Auf der anderer Seite unterschlägt man damit den russischen Kolonialismus und Imperialismus. Die russische Kolonisation war ein Prozess der Erschließung oder Eroberung neuer Gebiete beginnend durch das Zarentum oder Kaiserreich Russland. Sie zeichnete sich im Gegensatz zur Kolonisation der meisten anderen europäischen Kolonialmächte dadurch aus, dass sie nicht auf Gebiete in Übersee abzielte, sondern vor allem auf kontinentale Expansion in angrenzenden Gebiete wie Nord- und Zentralasien.

              Dies ging oft mit Binnenkolonialismus einher.

              Erobert wurde Gebiete der Tataren in Kasan und Astrachan im 16. Jahrhundert. Russland konzentrierte sich dabei auf die Ausbeutung des Pelzhandels. Im Lauf des 18. Jahrhunderts wurde ganz Sibirien kontrolliert. Man begann mit der Ausdehnung nach Alaska. Außerdem wurde versucht die Mandschurei unter Kontrolle zu bringen. Schließlich hat man den Balkan und den Kaukasus erobert. Die Krim wurde von den Osmanen erobert und unterworfen. Als nächstes war Georgien dran. Dann kam Kasachstan. Schließlich wollte Russland Finland und Schweden erobern. Auch Polen wurde im 18. Jahrhundert erobert und die polnische Kultur sollte russifiziert werden.

              https://de.wikipedia.org/wiki/Russische_Kolonisation

              Bei diesen ganzen Eroberungen der Binnenkolonisation hat man nicht weniger Schaden angerichtet, als der Westen bei seiner Kolonisation, mit dem Unterschied, dass der Westen seine Kolonien nach und nach freigab und sogar Kulturgüter zurückgibt. Teilweise gibt das die Kultur der Kolonien wieder frei, bei manchen sogar die ursprüngliche Sprache. Bei der Russifizierung und später bei der Kulturrevolution 1917 passierte das Gegenteil. Man hat die Kolonien bis zur Unkenntlichkeit verändert.

              Was uns heute wie ein kulturell homogene Russland vorkommt ist nichts anderes als das Ergebnis eines kolonialen Raubzuges und der Unterdrückung.

              FAZIT:

              Der Westen zerfällt tatsächlich. Wenn man das Wegfallen der Kolonien damit meint, dann ist das ein Machtverlust. Aber ist das nicht ein gutes Zeichen der Globalisierung, während Russland ebenfalls zerfällt, weil ihm drohen die Kolonien wegzufallen. Der Unterschied ist aber, dass Russland seine Kolonien nicht freigeben will und so tut, als seien sie immer schon russisch gewesen.

              China schickt Lohnsklaven nach Afrika, wo sie Imperialismus betreiben. Uiguren müssen in Umerziehungslager, danach werden sie Arbeitssklaven.

              Saudi Arabien, Qatar, die Emirate nehmen gerne outgesourcte Sklaven aus China oder Afrika, dann müssen sie sie nicht selbst versklaven. Wir erinnern uns wie viele tausende Arbeits-Sklaven für den Bau der Stadien für die Fußball-WM in Qatar gestorben sind. Arabische Staaten versuchen übrigens Länder zu erobern und zu kolonisieren wie Jemen oder Nigeria.

              Der Imperialismus des Westens geht zurück, man könnte dies Verfall nennen, aber dies wurde vom Westen selbst mitinitiiert.

              Zugleich nimmt der Imperialismus Chinas, Arabiens und Russlands zu.

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                OUROBOROS 07.04.2023, 20:13 Geändert 07.04.2023, 20:27
                über Camping

                Camping mit Juliette Lewis

                Als die kontrollsüchtige und tyrannische Jennifer Garner als Kathryn ein langes Camping-Wochenende plant, lädt sie drei weitere Paare mit ein. Dass die durchgeknallte Juliette Lewis als Jandice auftaucht, damit hat keiner gerechnet. Sie wird die Party mit allerlei Ideen und Mitbringseln aus ihrer Zaubertasche auflockern. Das ist auch dringend notwendig, denn so einiges hat sich bei den Paaren an Problempotenzial aufgestaut.

                Was die Camping-Truppe nicht braucht ist eine Kathryn, die alles bis ins letzte Detail geplant hat. Nichts darf von diesem Plan abweichen, der eher an einen Ergotherapie-Plan in einer Psychiatrie erinnert. Schon bald boykottieren einige den Plan. Jandice hat aber auch immer spontane Ideen, die den anderen besser gefallen.

                Der Humor über "5 Freunde essen glutenfrei uns sind Helikopter-Eltern" geht aufgrund der Anwesenheit von Juliette Lewis öfter mal unter die Gürtellinie und nicht nur sie sieht man wie Gott sie schuf in ihren späten 40ern. Trotzdem bleibt das Vergnügen recht gesittet, auch wenn es irgendwie eskaliert. Es gibt zwar eine Überzeichnung manchen Verhaltens und Situationskomik, doch alles bleibt noch in einem realistischen Rahmen. Ein wenig hat die Miniserie etwas von Gaspar Noés "Climax", wenn auch in einer harmlosen und positiven Weise.

                Amüsiert hat mit ich auch die queere Tochter mit ihrer Urlaubsbekanntschaft, wie sie sich über die Erwachsenen, welche sich wie Jugendliche Verhalten lustig machen. In jedem Alter gibt es noch Entwicklungsschritte zu machen, d. h. Coming-of-Age ist nicht mehr auf die Jugendjahre beschränkt. Mit einer Leichtigkeit werden hier Probleme gelöst und Verkrampfungen verschwinden, so dass man die Probleme nicht mehr so engstirnig betrachtet.

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                  OUROBOROS 07.04.2023, 11:55 Geändert 07.04.2023, 20:45

                  In "1883" lernte ich zum ersten mal die fiktive Familie Dutton kennen, für die es in der Realität sicherlich viele Vorbilder gäbe. In Tennessee starten sie ihren Trek mit etwa 100 Planwagen und hunderten Menschen nach Westen, um Oregon zu erreichen. Ein Bruchteil der Menschen kommt dort an, oft nur noch Kleidungsfetzen am Leib tragend. Auch Familie Dutton hat Verluste hinzunehmen. Schließlich siedeln sie in Montana, in einer Gegend, die Yellowstone genannt wird. Dort spielt auch die Neo-Western Serie aus der Jetztzeit "Yellowstone".

                  Weil ich das Prequel "1883" gesehen habe, hilft mir das jetzt an die Familiengeschichte der Duttons im 21. Jahrhundert anzudocken. Ich entdeckte die gleiche Landschaft, das gleiche Tal, der Birkenhain mit einem kleinen Gräberfeld, wo es einen Grabstein gibt, auf dessen der Name Margret Dutton erscheint. Das löst bei mir tiefe Emotionen aus, habe ich sie in "1883" lieben gelernt.

                  Die Prequel Serie hat mir nicht geholfen meine Vorurteile über die Serie "Yellowstone" zu überwinden, aber schließlich habe ich die Serie wegen der Qualität doch in Betracht gezogen. Die Tiefe der Dialoge sind unglaublich, gibt es auch viele poetische Dialoge und metaphorische Sprache. Ich habe nun 5 Staffeln gesehen bis zur Midseason in OmU, weshalb ich auf aktuellen Stand sein werde, wenn das Finale heranrückt.

                  Wer dachte, dass die Prequel-Serie "1883" nur deshalb brutal bitter sein würde, weil diese Zeiten eben hart und gesetzlos waren, in Landesteilen die verwaltungstechnisch und infrastrukturell nicht erschlossen waren, dann irrt man sich, denn 7 Generationen später ist das Leben dort immer noch brutal bitter.

                  Ich weiß nicht in wie weit es realistisch ist, was es in Montana für einen Klüngel und Seilschaften gibt, was für eine Vetternwirtschaft und Korruption, ob das was in "Yellowstone" gezeigt wird ein Sittengemälde unserer Zeit in diesem Bundesstaat der USA ist. Es scheint jedenfalls so, als würde Washington D.C. nicht existieren. Die Bundespolizei FBI hat hier scheinbar keinen Zugriff, dafür gibt es eine Viehzucht-Polizei. In der Serie wird die Institution als sehr mächtig dargestellt, hat sie Exekutivgewalt und tritt auf wie eine Polizei. Ihre Deputies erhalten ihre Konzession von einem staatlichen Sheriff. Da in den USA in vielen Countys Sheriffs auch gewählt werden, können ihre Lobbygruppen Interessen einfacher durchsetzen.

                  Diese Vetternwirtschaft und Korruption hat ein Ausmaß, das man sich in Deutschland nicht vorstellen könnte, doch dort kräht kein Hahn danach, wo die Grenzen zur Illegalität überschritten werden. Ich kann nur den Kopf schütteln, wenn ich sehe, dass eine Familie sowohl den Posten der Viehschutzpolizei und des Generals-Staatsanwalts als auch den des Gouverneurs besetzt. Von den 3 Gewalten sind also 2,5 von einer einzigen Familie besetzt, nur der Richter ist unabhängig. Doch der Verlauf der Serie wird zeigen, dass man dafür ein wenig Verständnis haben kann, wenn es um die Frage geht was legal und was legitim ist.

                  Die Familie Dutton besitzt Land, das halb so groß wie Deutschland ist, wobei Deutschland etwa die Größe von Montana hat, jedoch Montana nur 0,3% der Bevölkerung Deutschlands. Dass eine Familie soviel Besitz hat ruft Neider und Feinde auf den Plan, dabei ist die Familie nicht so reich wie es scheint, lebt man dafür im Verhältnis, zu dem wie krass luxuriöse der Reichtum sein kann, eher bescheiden bäuerlich. Der wahre Luxus für die Duttons besteht darin, dass sie ihr Überleben selbst sichern. Sie sind ziemlich unabhängig von der Gesellschaft, aber sie müssen sich nach den Gesetz der Natur richten. Nach getaner Arbeit kann man die Blicke in ein wunderschönes Panorama gleiten lassen, der Sternenhimmel entfaltet seine Pracht ohne Lichtverschmutzung, die Stille gibt es ebenfalls gratis dazu.

                  Doch die Idylle ist in Gefahr. Es treten nun gleich mehrere Fraktionen auf, die den Duttons den Krieg erklären. Die Gemengelage erinnert geradezu an "Game of Thrones".

                  Die Yellowstone Ranch der Duttons kommt einem fast vor wie Königsmund und die Duttons wie die Starks. Viele feindliche Lager zeigen sukzessive ihre Präsenz auf: Rivalisierende Rancher, die Konföderierten Indianer mit ihrem Präsidenten Rainwater, Immobilienhaie von der Ostküste und Investoren aus Kalifornien, Umweltaktivisten und der Staat. Interessant ist es wenn man das Ende von "1883" kennt, wo es zu einem Vertrag zwischen den Indianern in Yellowstone und den Duttons kommt, welcher die friedliche Koexistenz für alle folgende Generationen regelt, und es mit dem Verhältnis der Indianer Konföderation und den Duttons heutzutage vergleicht, wo die Duttons vertrieben werden sollen. Die Erben der First Nations wollen ihr Land zurück. Das ist ganz verständlich, aber wenn man eine Ungerechtigkeit aus der Welt schafft, entsteht eine neue.

                  Wenn ich sehe, was in Montana passiert und an anderen Stellen der USA, wird mir klar, dass die USA sich mit sich selbst im Krieg befindet. Es gibt hier keine Nationen sondern Clans, Lobbys und finanzstarke Interessengruppen, die teilweise mit barbarischen Mitteln gegen ihre Gegner vorgehen. Das ist kein Wunder, wenn die Gewaltenteilung praktisch aufgehoben wird und jeder Staat sein eigenen Gesetze machen kann, mit einem nahezu unvorstellbaren Spielraum.

                  Ein weiteres Element aus "Game of Thrones" ist, dass die Kontrahenten temporäre Allianzen bilden, um wenig später wieder erbittert gegeneinander zu kämpfen. Das Rezept von "Game of Thrones" war, dass in jeder Episode jemand sterben musste und kurzfristig auch ein paar auf einmal oder eine wichtige Figur, von der man es niemals gedacht hätte. Die Dramen und Tragödien sind also Teil der Serie und der Bodycount nimmt erst in der dritten Staffel ab, es kommt eine Idyll zum Vorschein, bevor es dann zu einer Steigerung der Gewalt kommt. Auch mit der vierten Staffel bekommt das Idyll mehr Raum, aber zum Finale zeichnet sich dann ein großer blutiger Endkampf ab. Es gibt keine Guten und Bösen, denn diejenigen die als gut erscheinen, haben ebenfalls Dreck am Stecken. Was legitim ist, das ist nicht legal und auch diejenigen, die als die besseren Menschen in dem Krieg erscheinen werden so in den Gewaltexzess hineingezogen, das sie sie zu Monstern werden, weil sie mit Monstern kämpften.

                  Ich möchte mich auf die Seit der Duttons stellen, doch ich sehe die Defizite, aber auch das Schicksal. John Dutton der Chef der Familie hat seine Frau verloren, da war er mit ihr in den 30ern. Drei Kinder hat er oder sind es sogar mehr oder weniger. Es stellt sich heraus, dass nicht alle Kinder von ihm abstammen, doch er ist ein Mensch, der ein Herz für Streuner hat. Er bietet unter anderem Waisen und Ex-Häftlingen eine Heimat an, um sich zu entwickeln oder zu resozialisieren. An manchen Stellen verschwimmen die Grenzen zu dem was Familie ist, anderen Stellen werden sich tragisch aufgebrochen und nichts ist so wie es scheint.

                  Eine wirklich wichtig Figur in der Serie ist Beth Dutton. Zwei Schicksalsschläge haben sie zu einem Monster gemacht, das sich jetzt an der Wallstreet austobt. Wenn sie niemanden hat, den sie zerstören und ruinieren kann, dann macht sie das mit sich selbst. Sie ist auf der einen Seite ein starke Frau, die Männer wie Schuljungen in die Ecke stellt, auf der anderen Seite ist ihre Psyche desaströs. Für sie führen die Wege plötzlich nach Hause. Aber sie ist nicht das Schlimmste was den Dutton Ranch passieren kann, ist sie eher das Schlimmste was den Feinden der Dutton Ranch passieren wird.

                  Die Familienverhältnisse sind wirklich kompliziert und wenn man die Wahrheit Stück für Stück erfährt, dann weichen auch die Vorurteile gegenüber einem Überhang an konservativen republikanischen Werten, welche die Serie angeblich transportiert. In US-amerikanischen Medien wurde die Serie als Rednecksaga für Trumpfans präsentiert. Die könnten sich zu mindestens anfangs sehr wohl fühlen, doch die Serie gleitet immer mehr ins Graue ab, bis sie an einigen Stellen den Trumpismus inklusive White Trash und MAGA-Ambitionen an die Wand stellt, genauso aber die übersensibelen Woken. Der Stern schreibt zurecht:

                  „‚Yellowstone‘ gilt dem Feuilleton als Rednecksaga für Trumpfans. Das ist dumm, die Serie bietet viel mehr. Sie hat die stärksten Frauen- und Indianerrollen der Branche. [...] Im Umgang mit den Indianern wühlt ‚Yellowstone‘ den ganzen Schmutz der US-Geschichte auf. [...] In ‚Yellowstone‘ gibt es keine Frau am Herd [...] die Frauen sind derb und aus Stahl.“

                  Politik, bezüglich Republikaner und Demokaten wird hier nur ganz äußerlich berührt, eher stellt sich im Laufe von zwei Staffeln heraus, dass es in Montana nahezu egal ist, wer der Gouverneur oder die Gouverneurin ist. Seit 1889 gab es 15 demokratische Gouverneure und 10 republikanische.

                  Immer wieder wird der Gegensatz von Stadt zu Land Bevölkerung thematisiert bezüglich Gentrifizierung, wobei die Serie sich nicht auf eine Seite stellt, sondern eher versucht die Missverständnisse aufzuklären. Das zeigt sich besonders in der Episode, wenn zwei woke lesbische Städterinnen auftauchen, die beim Wahlkampf für den Dutton Sohn zum General-Staatanwalt helfen. Eine ist eigentlich Journalistin und will Vater Dutton als korrupten Landbesitzer darstellen, der nicht vor Selbstjustiz, Gewalt oder gar Mord zurückschreckt. Da ist ja was dran, aber sie kennt die Situation der Duttons nicht, die auf der anderen Seite das Stückchen Natur bewahren wollen, von dem sie nur einen Bruchteil bewohnen. Ansonsten haben dort alle Tiere, samt Zuchttiere eine Paradies zur Heimat, im Gegensatz zu der üblichen Vieh- und Fleischindustrie. Sie stellt es aber so dar, dass Yellowstone ohne die Duttons besser dastünde und natürlicher wäre. Damit irrt sie, denn die Gegner der Duttons sind Investoren, welche dort die Natur zerstören wollen mit Ressorts, Hotels, Skiliften und Skipisten, Golfclubs, Casinos, Flugplätzen und Parkplätzen.

                  John Dutton nimmt die Umweltaktivistin und Veganerin Summer bei sich auf, nachdem er ihre Kaution bezahlt hat. Sie hat seinen Sohn bei einer Demonstration angegriffen. Nun will er ihr die Ranch zeigen.

                  Auf dem Weg zur Ranch sagt sie:

                  "Wir fahren hier durch eine Landschaft die ursprünglich ist. Wissen Sie wie es um die Welt da draußen steht? Ich glaube der Planet wird uns nicht länger tolerieren." - Summer

                  "Weil die Leute aufgehört haben mit ihm zu leben, sie leben nur noch auf ihm. Sie haben Recht. Irgendwann wird uns die Erde abwerfen wie tote Haut. Und es ist alles unsere Schuld." - John Dutton

                  Kevin Costner in der Figur des John Dutton kämpft nicht nur für sein Vermächtnis, er würde auch soweit gehen, es herzugeben, wenn es so bleibt wie es ist. Immer wieder fällt Dutton mit Reden auf, wo er die Umweltzerstörung anprangert und auch wenn es nicht gesagt wird, suggeriert er auch, dass der Klimawandel vom Menschen beeinflusst ist. Es ist interessant mit wieviel Weisheit das alles gesagt wird und so, dass die üblichen Grabenkämpfe zwischen Öko-Aktivisten und den Leugnern des menschengemachten Klimawandels aufgelöst werden. Insgesamt nimmt die Serie einen Auftrag war, bei welchem sie Republikaner und Demokraten miteinander versöhnen will, ohne diese Etiketten zu verpassen.

                  Als die Gouverneurin von Montana beschließt als Senatorin nach Washington zu gehen pointiert sie diesen Anspruch der Autoren der Serie mit folgenden Worten:

                  "Sie haben die Kompromisse verlernt. Ich denke ich habe die richtige Fähigkeiten dafür."

                  Was die Serie für die Angehörigen der First Nation tut ist auch sehr lobenswert gelungen. Tief taucht man in die Familienverhältnisse von Indianern in den Reservaten ein. Das gelingt dadurch, dass ein Dutton Sohn Kacey mit einer Indianerin verheiratet ist. Er war in Afghanistan und leidet anfangs unter dem Kriegstrauma, seine Frau hat studiert und unterrichtet als Lehrerin im Reservat. Sie nimmt außerdem die Möglichkeit wahr an einer Universität einen Fachbereich für amerikanische Geschichte im Bezug auf die Kultur der First Nation und der Ungerechtigkeiten, die sie erfahren haben, zu leiten.

                  Ich könnte über viele Charaktere etwas schreiben, aber dazu würde ich zu viel von der Serie preisgeben, was man selbst entdecken sollte. Es gibt viel zu entdecken, denn die Charaktere entwickeln sich weiter, leider nicht alle zum Guten. Aber die Dialogtiefe nimmt stetig zu, dafür werden die Themen nicht weniger. So nenne ich oberflächlich Themen, die in der Serie angesprochen werden, ohne Garantie auf Vollständigkeit:

                  Resozialisierung von Ex-Häftlingen
                  Wertschätzung, Fordern und Fördern
                  Adoption von Kindern
                  Abtreibung, Totgeburt
                  Sterilisation von Indianerfrauen
                  Frauen als Cowboys und in Machtpositionen
                  First Nation Vertreibung, Probleme der Reservate
                  Coming of Age
                  Traumatherapie
                  Gewaltenteilung, Korruption, Bürgerwehr
                  Protestantischer Kapitalismus
                  Umweltschutz und Klimawandel
                  Vegetarier und Tierschutz
                  Geschwisterzoff
                  Selbstjustiz
                  Machtmissbrauch

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                    OUROBOROS 03.04.2023, 09:35 Geändert 03.04.2023, 12:32

                    Ringo will im Leben nichts gelingen, trotzdem wird er von einer Frau und seinen zwei Kindern sehr geliebt. Er ist nicht nur Geringverdiener sondern geradezu ein Tollpatsch, denn ca. vor einem Jahr haben Gangster ihm ihre Beute in die Hand gedrückt - 100.000 Euro in einer Sporttasche - und gesagt, dass sie die Beute bei ihm abholen, wenn die Lage sich beruhigt hat.

                    Nun kommen sie wieder, aber das Geld ist weg. Eigentlich wusste Ringo gar nicht, dass da Geld drin ist. Wer es jetzt hat ist den Gangstern aber egal, also fordern sie Ringo auf das Geld aufzutreiben. Das Geld zu besorgen ist natürlich ein Problem. Seine Frau könnte ihren Vater fragen, der Boss einer Geschäftsdynastie im Schwarzwald rund um den Titisee ist, aber sie gilt als ungeliebte Tochter, weil sie sich mit einem Idioten eingelassen habe. Ihr Vater bietet seinem Schwiegersohn sogar 100.000 Euro an und 50.000 drauf, wenn er seine Tochter verlässt.

                    Dann gibt es noch Urs Tsara aus Zürich der ebenso ein ungeliebter Schwiegersohn ist, auch unfähig Geld zu machen in der großen Immobilien-Dynastie des Schwiegervaters. Da Schicksal führt ihn zu Ringo, dem er seine Premium-Immobilie, ein Urlaubs-Schloss der Kaiserin Sissy, verkauft.

                    Wie Ringo das hinbekommt? Er gibt sich als einer der unehelichen Söhne des Scheichs von Qatar aus.

                    Die Art wie er das schafft erinnert ein wenig an "Inventing Anna", nur dass er da irgendwie hineinstolpert und nicht schon den Plan hatte. Es offenbart, wie leicht Menschen sich blenden lassen, wenn sie Geld-Gewinne riechen, denn seine Geschichte ist wirklich zu aberwitzig, dass man sie ihm abnehmen könnte. Der Ausstieg gelingt Ringo nicht zu einfach, da es immer größere Kreise zieht. Schnell zieht er einen Tross von Investoren hinter sich her, die bereitwillig sind auf jegliche Sicherheiten zu verzichten. Schließlich soll Scheich Ringo Al-Qatami vor dem Schweizer Nationalrat sprechen.

                    Dany Levy ist soviel gelungen an dieser Erzählung, welche wie eine Mischung aus "Fargo" und "Inventing Anna" daherkommt. Das spiegelt sich auch wieder in der Auswahl und Gestaltung der Kulissen. Viel Aufwand wurde betrieben möglichst stilvolle antikontemporäre Requisiten zu finden, ähnlich wie bei den Coen Brothers. Überhaupt ist die Gestaltung der Serie in den kleinen Details sehr aufwendig in allen Belangen, auch bei der Musikauswahl. Die Schauplätze sind exquisite. Ob es das Motel an der B500 ist, das Moor, die Berglandschaften um Schluchsee, Titisee und Sankt Blasien oder in der Schweiz die Villen am Zürichsee, alles ist vom Feinsten. Ich habe letztes Jahr am Ufer des Schluchsees unter freien Himmel geschlafen. Nur ein Berg weiter hinter mir, war Sankt Blasien. Das muss ich das nächste Mal unbedingt besuchen. Da steht ein gewaltiger Dom mitten in einem kleinen grünen Tal.

                    Schräg sollten auch die Ganoven sein und die Polizisten, die so überzeichnet sind, dass es für deutsche Verhältnisse unglaubwürdig laienhaft im Schauspiel wirkt, wo man es bei US-amerikanischen Produktionen selbstverständlich als primitiv und schmuddelig eben komisch hinnimmt. Auch mir ist es schwer gefallen eine deutschen Coen-Stil zu akzeptieren, man ist es halt von deutschen Produktionen nicht gewohnt. Vielleicht ist es leichter über schräge Leute zu lachen, wenn sie Nicht-Deutsch sind. So gelingt der Humor nicht so ganz wie bei den Coen Brothers, d. h. ich muss zwar selten laut auflachen, aber am Ende ist das Ganze doch sehr amüsant, allein wegen der Story.

                    Ärgerlich ist, dass es auch immer nah am Niveau eines Familienfilms bleibt, obwohl es so viele makabre Tote und heftige Szenen gibt. Hervorheben möchte ich hier Sylvester Groth, der als Killer in Rente, mit seiner Verwandlungsfähigkeit ein Genuss ist. Er hat einiges von der Bösartigkeit eines Billy Bob Thornton in "Fargo".

                    Fazit

                    Hätte schärfer und witziger sein können, aber Dany Levy ist kreativ genug um mit viel Stil zu unterhalten. Die Story ist sehenswert!

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                      Hab keine Sekunde Langeweile verspürt. Der Anfang war recht abenteuerlich. Die Gemeinschaft ist doch eher klein und dem Szenario fehlt der Charakter den "The Village" hatte, aber mir hat die Kirche als Kulisse gefallen. Der Horror kam ganz gut, mit dem Resultat, dass ich nach dem Anschauen ein paar Stresssymptome zeigte. Aber ich kann mich auch ganz in etwas vertiefen. Es war ein guter Lückenfüller, aber nichts was darüber hinaus noch wirkt oder zum Nachdenken anregen würde.

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                        OUROBOROS 01.04.2023, 13:30 Geändert 01.04.2023, 13:31

                        Eine Frau in der Einsamkeit, nur mit ein paar Kühen und Hunden und dann noch 80 Jahre alt, ist die Arbeit für sie beschwerlich. Noch sehe ich, kann sie sie bewältigen. Die Frage ist, was passiert, wenn sie die Arbeit nicht mehr bewältigen kann. Der Punkt wird schon bald kommen. Manchmal dachte ich, dass ich ihr anbieten könnte für ein paar Wochen bei ihr einzuziehen um ihr Gesellschaft zu leisten, bei Monopoly, UNO und Brettspielen und bei ein paar Tätigkeiten zu helfen. Aber das ist nicht so einfach, weil es sehr weit weg ist und irgendwie muss ich ja mein Geld verdienen.

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                          "Yellowjackets" gefällt mir jetzt doch besser.

                          Christina Riccis hat mit ihrer Figur Misty ein Kultpotenzial, wie oft habe ich über sie gelacht. Dabei bemerkt man nicht mal einen Unterschied zwischen der Teenie- und Erwachsenen-Misty. Respekt Sammi Hanratty.

                          Eine anderen Kult-Schauspielerin ist die total abgefuckte Juliette Lewis. Ob sie jetzt 30 Jahre älter ist als in "Natural Born Killers", egal in welchem Alter, für mich ist sie der Shane MacGowan der weiblichen Schauspielerei. Juliette Lewis spielt polytoxikoman, d. h. in jedem Zustand. Gleich unter welcher Droge und wieviel Promille, ihren Text hat sie drauf. Und wenn sie mal ausrastet, dann sieht das immer so aus, als sei sie wirklich gefährlich. Da hat die junge Nat aber wirklich sehr schöne sinnliche Kussszenen mit Travis.

                          Paramount+ bietet gerade aktuell 2 Folgen der zweiten Staffel. Ärgerlich mit 7 Tagen Probeaccount.

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                            Mit "Das Leben der Anderen" dachte ich schon, ich hätte alles gesehen, war dieser auch als Gesamtpaket viel stärker. Doch "Nahschuss" ist genauso knüppelhart wie sein Titel.

                            Der Strafprozess DDR gegen Dr. Teske bildet die Rahmenerzählung für den Film. Die Vergangenheit und der Grund für den Prozess wird also von Teske rückblickend erzählt.

                            Lars Eidinger, ein Schauspieler, den ich als besonders gut empfinden spielt Dr. Werner Teske, einen jungen ahnungslosen Akademiker. Man offeriert ihm die Möglichkeit einer Professur, wenn er für den HVA arbeitet. Geradezu naiv sagt er zu.

                            Sein Auftrag ist die Bespitzelung eines Verräters, der in den Westen geflüchtet ist und jetzt für den Hamburger SV Fußball spielt. Sind die Methoden anfangs schräg, werden sie im Laufe der Zeit sowas von ekelhaft, dass er da einfach raus will. Er versucht die überwachte Person zu kontaktieren und zu warnen und hofft dass er dabei nicht erwischt wird. Da wir ihn vor Gericht sehen, ist die Frage wann und warum er entdeckt wird.

                            Das erfährt man auch, genauso wie Inhaftierung, Gespräche mit seinem Verteidiger und das Plädoyer der Verteidigung. Das Ende hat mich sprachlos zurückgelassen.

                            Ich hab dann immer wieder Kommentare von Leuten in den Ohren wie "In der DDR ging es mir gut." Das will ich ja nicht bestreiten, aber das heißt nicht, dass die DDR gut war.

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                              OUROBOROS 28.03.2023, 17:47 Geändert 29.03.2023, 07:38

                              Der ambivalente Titel "Rat mal wer zum Essen kommt" gehört zu einem Film, der mir grob als Vorläufer von Jordan Peeles "Get out" erscheint. Wo "Get out" aber zum Albtraum für den Protagonisten wird, dort wird "Rat mal wer zum Essen kommt" zum Albtraum für den rassistischen Zuschauer.

                              Man stelle sich vor, die 23-jährige Tochter bringt zum dritten Mal einen neuen Freund mit nachhause und eröffnet nun, dass sie diesen gleich heiraten möchte, obwohl er 14 Jahre älter ist und sie sich gerade 10 Tage lang kennen. Vor vollendete Tatsachen gestellt, sollen jetzt die Eltern noch am gleichen Abend entscheiden, ob sie der Ehe zustimmen oder nicht. Nicht nur damals, sondern auch heute, würde das bei der Mehrzahl der Eltern - wenngleich diese hier als außergewöhnlich liberal eingeführt werden - einen Schock auslösen, denn plötzlich müssen sie ihre geliebte Tochter einem völlig Fremden anvertrauen, zudem bringt hier die weiße Tochter einen schwarzen Mann mit nachhause.

                              Nun schreibt das Lexikon des Internationalen Films in seiner Kritik, dass es sich um ein unrealistisches Stück handelt, vor allem bezogen auf das Ende. Mich empört es gewaltig, wenn man einem Film bloß mangelnden Realismus vorwirft, auch wenn dieser gerade eines möchte, nämlich die Realität ändern! Realismus zementiert die Verhältnisse i. d. R., das beweist die empirische Lernforschung.

                              Zugegebenermaßen ist vieles an diesem Stück tatsächlich unrealistisch, vor allem aber wenn man es aus der Zeit heraus betrachtet in der es spielt. Viele beklagen, dass es kaum eine Rolle spielt, dass die Heirat so überstürzt erfolgen soll und die Eltern darüber kein Wort verlören. Das stimmt so nicht, denn den Eltern ist das schon klar. Sie haben das Alter von Joanna öfter betont, nämlich dass sie mit 23 sehr jung sei, während er 37 ist. Auch haben sie von den 10 Tagen gesprochen und auch von der kurzen Zeit des Kennenlernens und der kurzfristen Entscheidung.

                              Aber das Problem an dieser Konstellation wäre eben das Dilemma des Rassismus, in das sich die Eltern begeben würden. Abzulehnen wegen der fehlenden "Reife" könnte nämlich von den Liebenden als vorgeschobener Grund aufgenommen werden, vor allem nachdem klar war, dass die Tochter einen soliden, wohlerzogenen und sogar berühmten Mann mit nachhause gebracht hat. Deshalb wurde das Thema "Reife" nur im Subtext angesprochen z. B. durch die Haushälterin. Sie haben auch verstanden, dass jetzt eigentlich die Zeit dafür ist, die Früchte ihrer Erziehung zu überprüfen, also ihrer Tochter das Vertrauen entgegenbringen, um ihr die Erfahrung zu Scheitern oder zu Gewinnen zu ermöglichen, weil sie nun reif genug dafür sein könnte selbstverantwortlich zu handeln. Den Anspruch hat die professionalisierte Erziehung von heute, aber für damals klang das schon ziemlich windig.

                              So ging es bei der Tragweite der Entscheidung nie um die Ehe-Reife, darin waren sich die Eltern einig, es ging um die Reife einen massiven gesellschaftlichen Widerstand aushalten zu können. So mahnt Joannas Vater Mr. Drayton aka Spencer Tracy:

                              "Macht euch keine Illusionen. Ich weiß nicht wie viele Millionen Menschen in diesem Land über das schockiert, empört und entsetzt sein werden, was ihr seid (eine Mischehe aus schwarz und weiß), und es bleibt euch nicht erspart das durchzustehen. Es wird ein schwerer Kampf, solange ihr lebt."

                              Während Joannas und Johns Vater die gleiche Ausgangsposition haben diese Verbindung deshalb anzuzweifeln, weil sie fürchten, dass ihre Kinder dem Druck der Gesellschaft nicht gewachsen sein werden, vertritt gerade der Kirchenvertreter Monsignor Mike die appellativ optimistische Auffassung gegenüber Joannas Vater:

                              "Sie sind Amerika, und sie ändern sie, diese schlechte Welt!"

                              Damit zimmert er den Kritikern des mangelnden Realismus - der hier ja fast wie eine Satire daherkommt - eine Statement ins Antlitz, das darauf gründet, was ich eingangs schon gesagt habe. Realismus in der Medienrezeption zementiert die Verhältnisse, um sie zu ändern darf man also nicht realistisch sein.

                              Am wenigstens schockiert über die Vorstellung der Mischehe ist der katholische Monsignore Mike, der einfach nur sagt.

                              "Ich habe in meinem Beruf ständig mit Mischehen zu tun und sie glücken auch."

                              Der Monsignore kennt den Schwiegersohn in Spé Dr. John Prentice aus dessen wissenschaftlichen Veröffentlichungen und outet sich sogar als Fan dessen Arbeit. Er hat also weder Bedenken wegen der Mischehe, noch wegen der Tauglichkeit von John. Er vertritt die Institution der katholischen Kirche, die ich persönlich in meiner Gemeinde als Kind und Jugendlicher ebenfalls als antirassistisch erfahren habe. In den USA ist jedoch ein rassistisches Christentum in manchen Konfessionen verbreitet, weshalb der Mann der Kirche mit seiner Meinung, stellvertretend für die USA, nicht fehlen darf. Ich möchte die Rolle der katholischen Kirche hier als sehr positiv herausstellen, was den Kampf gegen den Rassismus betrifft und das nicht nur in dieser fiktiven Erzählung.

                              Die beiden Mütter hingegen interessiert mehr die Frage nach der Basis der Liebe und beide Mütter sind der Meinung, dass daran kein Zweifel bestünde. Beide sind sich schnell einig. In einem weiteren Zwiegespräch argumentiert Johns Mutter gegenüber Joannas Vater, dass er vergessen haben muss, wie er einst liebte, weshalb er diesen Aspekt gar nicht in seine Überlegung eingebracht habe. Für Joannas Vater ist die Entscheidung schon deshalb ein Dilemma, weil er seiner Tochter damit schwer wehtun würde und sie dabei verlieren könnte, weil sie nicht davon abzubringen ist. In dieser Zeit wurde oft noch von den Eltern entschieden, weil sie dachten, man könnte zu jung für eine Ehe sein, aber am Ende macht es alles nur noch schlimmer. Das mag ja vielleicht in der Masse stimmen, aber einerseits werden Ehen Mitte 30 genauso oft geschieden und andererseits ist das eine individuelle Sache der Reife. Manche Erfahrungen des Scheiterns muss man einfach auch selbst erst machen bevor man es versteht. Noch 30 Jahre zuvor hat man Zwangsehen mit 16 Jahren oder früher geschlossen und manche wurden gute Ehen. Meine Großeltern, geboren in den 1920er Jahren haben im Lebensalter von 20 Jahren frei gewählt geheiratet und waren die meiste Zeit glücklich bis an ihr Lebensende.

                              Aber auch Vater und Sohn Prentice jr. gehen in ein Zwiegespräch. Wütend lässt Prentice sen. Schimpftiraden gegen seinen Sohn los, was er sich denn erlaube eine Ehe mit einer Weißen einzugehen, die unter keinem guten Zeichen stehe, in Anbetracht des Rassismus in der Gesellschaft. An dieser Stelle wird auch ein typischer Generationenkonflikt deutlich.

                              "Eure starrsinnige Generation. Ihr denkt, es müsste immer alles so bleiben wie es war. Wenn ihr dann endlich alle ins Gras gebissen habt, dann sind wir diese Bürde los."

                              Da wirft Vater Prentice seinem Sohn sogar vor, dass sein Sohn eine Schuld zu begleichen hätte für die Arbeit, die er sich als Vater gemacht habe, um aus seinem Sohn das zu machen was er jetzt sei. Doch sein Sohn hat im Coming-of-Age Manier noch am selben Tag seinen Kampfeswillen entdeckt und widerspricht seinem Vater einer eindrucksvollen Gegenrede.

                              "Ich schulde dir gar nichts, auch wenn du deine Posttasche Millionenkilometer für mich getragen hättest. Ab dem Zeitpunkt an dem du mich in die Welt gesetzt hast, bist du derjenige der mir alles schuldet. Und wenn ich einmal selbst Kinder habe, dann schulde ich es ihnen."

                              Vom San Francisco der späten 1960er Jahre bekommt man Downtown, eine Eiscafé-Drive-Inn und ein stylisches Speiselokal zu sehen, außerdem die Skyline im Sonnenuntergang, doch die meisten Anteile des Films präsentieren sich als Kammerspiel in der Villa. Der interessante Ansatz dabei ist, dass es während Films bei 8 Personen fast drei Viertel aller möglichen Kombinationen von Zwiegesprächen gibt, bis dann am Ende alle versammelt sind und der Ansprache von Mr. Drayton zuhören und wie seine Entscheidung ausfällt.

                              Die Kritik des Evangelischen Film-Beobachters ist vernichtend, denn sie spricht von einer formal wenig überzeugenden, sentimentalen Komödie, die keinen ernstzunehmenden Beitrag zu amerikanischen Innenpolitik aufwiese. Ich weiß nicht was den Kritiker zu diesem Urteil verleitet hat, vielleicht liegt es daran, dass die Kritik aus dem Entstehungsjahr 1968 stammt, denn es gab einen Oscar für Katharine Hepburn und für das Drehbuch von William Rose, außerdem gab es den United Nations Awards und er ist auf Platz 99 der besten Filme aller Zeiten gelistet. Postum hat man Spencer Tracy für die Rolle geehrt, der kurz nach dem Film starb. Es war sein letzter.

                              Der Film ist eindrucksvoll und ausgezeichnet.Ich sah ein sich ständig steigerndes Melodrama, das mich zu Tränen der Rührung genauso zu Freudentränen brachte, wie kaum ein anderes Werk, weil die lustigen Szenen jeden Rassisten maximal ärgern dürften. Der Vorwurf des Lexikon des internationalen Films, dass es sich "unrealistisches sentimentales Rührstück" handele ist wohl auch Filmkritikern der 1960er geschuldet, die unbedingt einen realistischen Film haben wollten und keinen utopistischen. Es wurde kein Wert darin gesehen, dass die vielen Diskussionen es aber auch Wert sind als positive Beispiele und positive Rollenmodelle für respektvolles und empathisches Verhalten geschätzt zu werden, ein Verhalten, das in den 1960ern eher noch als sentimental gesehen wurde. Überdies ist vieles was in den 1960er als unrealistisch galt ein Jahrzehnt später Normalität geworden. Der Negativ-Bias, also die Schwarzmalerei der Kritiker von damals hat sich nicht erfüllt. Mischehen sind in einer globalisierten Welt in weiten Teilen der Gesellschaft zur Normalität geworden.

                              An die Stellen im Film, welche heute noch unrealistisch wirken, tritt für mich die edukative Vision es den Protagonisten gleichzutun und den ersten Schritt Dinge aus eigener Kraft zu ändern z.B. als die Mutter Joanna Ms. Drayton eine Mitarbeiterin entlässt, weil sich diese rassistisch äußert. Spencer Tracys flammender Appell gegen Vorurteile anzutreten - für moralische Positionen dafür stand er immer (mein Großvater liebte ihn deshalb) - wird nun immer für mich in meinen Ohren nachklingen.

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                                OUROBOROS 26.03.2023, 20:45 Geändert 26.03.2023, 20:49

                                Back in the 80ies mit Werner Schroeter, der hier mit "Palermo oder Wolfsburg" den Goldenen Bären 1980 erhalten hat.

                                Die Geschichte erzählt das Leben von Nicola, der in der Nähe von Palermo auf dem Land aufwuchs. Die Lebensumstände sind sehr einfach, dafür scheint die Sonne, man sieht das Meer und es herrscht eine himmlische Ruhe. Nicola entscheidet sich mit 18 Jahren nach Deutschland zu gehen, um Arbeit zu finden.

                                Geschildert wird die Strapazen der Reise und Orientierung in einem fremden Land, was dadurch erschwert wird, dass Nicola gar keine Deutsch spricht. Die ersten Nacht schläft er in einer Hecke, wo ihn die 16-jährige Brigitte findet, welche ihm dabei hilft Kontakte zu knüpfen zur hübschen mütterlichen Wirtin Giovanna. Über sie findet er ein Zimmer und letztlich einen Job bei VW in Wolfsburg. Nahezu dokumentarisch ist das Werk zu diesem Zeitpunkt, weshalb man einen interessanten Blick in das Jahr 1979 erhält.

                                Alles könnte so gut sein, hat er viele Menschen um sich herum, die positiv auf ihn einwirken und die Integration erleichtern können. Er lebt mit drei weiteren Italienischen Migranten auf einem Zimmer. Der Älteste ist von einer Naturkatastrophe und dem Verlust seiner Familie traumatisiert. Von den beiden Jüngeren ist Napolitaner, der andere heißt Orlando. Letzterer gibt die ganze Zeit kommunistische Reden von sich und versucht Nicola dazu zu überzeugen Terroranschläge zu verüben. Dazu kommt es nicht, denn es gibt einen anderen tragischen Verlauf der Geschichte.

                                Vernarrt in Brigitte lässt Nicola nicht ab von ihr, doch sie sucht nur Freundschaft. Damit kann Nicola nicht umgehen, der aus seiner Kultur gewohnt ist, dass Mann und Frau sich treu bleiben. Bei einem Volksfest mit Talentbühne, moderiert von Juliane Werding, benutzt Brigitte Nicola dazu den Typen eifersüchtig zu machen, auf den sie tatsächlich steht. Nicola versteht das natürlich total falsch, folgt dem Typen und seinem Kumpel. Nach gegenseitigen Provokationen eskaliert die Situation und Nicola ersticht beide mit einem Sprungmesser.

                                Nicola stellt sich und es kommt zur Gerichtsverhandlung. Bei dieser wird die dokumentarische Ebene verlassen und sie wechselt zwischen Realismus und Surrealismus mit expressionistischen Einlagen. Themen der Gerichtsverhandlung sind Vorurteile gegen Südländer und deren Kultur, aber auch das Thema Prostitution wird prominent ins Forum gestellt, nachdem der Staatsanwalt die Wirtin Giovanna im Zeugenstand darauf anspricht, wie sie es geschafft hat ein Restaurant zu erwerben. Die Gerichtsverhandlung ist stark inszeniert. Alle Menschen, die Nicola zugetan werden, sprechen sich im Zeugenstand für ihn aus.

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                                  OUROBOROS 26.03.2023, 12:10 Geändert 26.03.2023, 13:57

                                  Wäre hätte gedacht, dass Bill Kaulitz aka Aaron Hilmer einmal den Gangster spielen würde. Als der junge Protagonist Klaus Barbowsky hat er den Traum einmal reich zu werden. Er hat keine Bildung, ist eher schwach und herrlich dumm-naiv. Wie sollte er das wohl schaffen? Zum Glück hat er sich in eine Hure verliebt, die schon bald 30 Jahre im Geschäft ist und ihm unter die Arme greift, weil sie das Geschäft kennt. Notwendige Unterstützung erhält er von zwei Freunden. Einer erledigt die Buchhaltung, der andere übernimmt die Buchhaltung. Klaus Barbowskys Erfolgsgeheimnis ist, dass er seine Huren nicht schlägt und mit Würde behandelt.

                                  Wahrscheinlich läuft das heute meistens auch nicht so. Aber es dauert ja auch nicht lange bis er alle guten Wege verlässt. Auch hier gilt: "Wenn du Monstern kämpfst, pass auf, dass du nicht selbst zu einem wirst." Das Milieu der Reeperbahn ist dreckig, keinesfalls wie heute, die Fassaden herausgeputzt und mehr ein Museum für Prostitution, sondern ekelhaft wie der 70er Jahre Suff, Drogen und Fick halt war. Wahrscheinlich hatte AIDS nachhaltig Wirkung darauf, vermute ich schon während des Anschauens. Wer sieht nicht gerne eine Geschichte des Aufstiegs eines Neuen gegen das Establishment. Er reißt auch mich mit, weil ich am Anfang noch die ganze Unmoral ausblenden kann.

                                  Nein, ich bin nicht gegen Prostitution, nur gegen diese, die hier dargestellt wird. Es gibt Menschen, die Wählen es selbstbestimmt als Beruf, aber ich bin nicht naiv. Es gibt verschiedene Ausprägungen davon. Natürlich ist die Edelprostituierte diejenige mit der meisten Selbstbestimmung. Für Sie ist es leichtes Geld, denn sie bestimmt die Anzahl und Qualität der Freier und den Preis. Aber der Übergang ist fließend, denn sobald man abhängig wird von einem bestimmten Geldverdienst und sich die teure Wohnung, die Urlaube nach Dubai und die schönen Kleider nicht mehr leisten kann, dann geht es Weg Richtung Anschaffen. Wenn man bis zu 1000 Euro in ein paar Stunden verdienen kann, ist das ein hoher Anreiz, aber dazu muss man schon herausragend attraktiv sein. Ich frage mich dann, ob man nicht anders Geld verdienen kann. Nach der Edelhure, kommt die preisklassige Hure, die zumeist nicht so attraktiv ist. Auch sie ist selbstbestimmt, aber das meiste spielt sich unter 100 Euro ab. Wenn das die einzige Verdienstmöglichkeit ist, kann das schon mal zu krassen Einkommensschwankungen kommen. Außerdem bezahlen einige eine Security, also ein zwei Männer, die sie vor Freiern auch beschützen können. Dann kann es schnell sein, dass man am Ende doch einen Luden hat, bei dem man mehr als die Hälfte des Verdienstes abdrücken muss. Auch Elendsprostitution gibt es in Deutschland, wenn randständige Frauen für 15 Euro oral befriedigen. Das ist zwar auch selbstbestimmt, aber es ist furchtbar mit anzusehen. Ich wohne in einem Haus Downtown in meiner Stadt und es wohnen gleich vier Huren hier. Man unterhält sich und so erfuhr ich diese Dinge. Drei davon bilden genau das ab was ich vorher beschrieben habe. Eine von den Vieren kam aus der Zwangsprostitution, zog neu in Haus ein, wollte aussteigen, aber letztlich geht es hier weiter. Letzteres ist wohl der Grund, was Prostitution zum Menschenhandel macht und einfach illegal und unmoralisch ist, denn die Selbstbestimmung ist nicht vorhanden. Wenn man als Minderjährige schon entführt und missbraucht wird für die Prostitution, dann kommt man da schwer raus. Es fehlt einfach oft Schule und Ausbildung.

                                  Ich habe die Normalverdienerin mal gefragt, wie freiwillig sie ihren Job macht. Sie meinte, allgemein habe sie Spaß an der Arbeit, denn für sie sei die Vermietung ihres Körpers sowas wie Lohnarbeit für andere in ihrem Beruf als Arbeiter oder Angestellter. Jeder hat mal Tag, wo er seinen Job nicht so gerne macht, aber muss. Zum ersten Mal in meinen Leben bekam ich einen Gewerbeschein vorzeigt. Den erhält sie, wenn sie regelmäßig zum Gesundheitsamt geht. Schwankt ihr Einkommen sehr stark, erhält sie Bürgergeld. Ich helfe ihr ab und zu bei den amtlichen Angelegenheiten. Letztens frage ich sie, was sie am Wochenende macht. Da macht sie ein Tänzchen und rief mit singender Stimme "Ich geh ficken". Ich glaube, dass die Mehrheit der Prostituierten in einer Art des deutlichen Zwangs arbeiten, also nicht wie meine Bekannte, die ich als lebenslustige Geringverdienerin erlebe. Schon ihre Mutter verdient damit Geld.

                                  Wenn es nicht rohe Gewalt war, die sie dazu brachte oder die reine Not, dann denke ich, dass sie einen wichtigen Beruf ausüben. Es gibt wohl leider viele Männer, vor deren Gewalt man bewahrt bleibt, weil sie ein Ventil haben. Das es so ist, liegt auch an der männlichen Rolle, wobei es meine Hoffnung ist, dass sie sich durch die Erziehung verändern kann. Die Welt kann nicht besser machen, wenn ich mich allgemein gegen Prostitution ausspreche, denn Illegalität löst nicht das Problem, es macht es nur schlimmer.

                                  "Luden" befriedigt die pure Schaulust, d. h. trotz aller Ekelhaftigkeiten des Milieus ballert man sich die Inszenierung rein. Es geht rasant und witzig zu, die Musikpallette bietet außergewöhnliche und selten gehörte Stücke, dazu ein Hintergrundscore, der es in sich hat. Ein wenig kommt das gemischte Gefühl wie bei "Wolf of Wallstreet" und "Breaking Bad" auf. Das bedeutet auch, dass es für eine deutsche Serie deutlich überzeichnet ist. Aber wenn man das an amerikanischen Erfolgsfilmen und Serien nicht kritisiert, wofür man sie abfeiert, warum sollte man das hier jetzt als Kritikpunkt bringen?!

                                  Für mich ist das Milieu anzuschauen trotzdem eine Quälerei, obwohl die Schauspieler in Spielfreude sind. Beatle hatte ich für Bjarne Mädel gehalten, aber es ist Karsten Mielke. Sie sehen sich mit diesem Gesichtshaar sehr ähnlich. Bei all den zwielichtigen und ambivalenten Charakteren ist das junge Schauspieltalent Lena Urzendowsky mein Lichtblick. Sie spielt sich schon wieder die Seele aus dem Leib. Ich habe keine Ahnung ob sie den Song "Love me" selbst gesungen hat, aber es war wunderschön. Es ist meine Lieblingszene.

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                                    OUROBOROS 24.03.2023, 19:00 Geändert 09.06.2025, 22:03

                                    Episode 1: Mangrove - 9 Punkte / ARD-One Mediathek

                                    Die Episode "Mangrove" aus der Serie "Small Axe" in ein Spielfilm mit der Länge von ca. 120 Minuten. Erzählt wird die wahre Geschichte des jamaikanischen Restaurantbesitzers Frank Crichlow, der in den 1960er Jahren in London lebt. Er eröffnet im Londoner Stadtteil Notting Hill ein Restaurant mit dem Namen "Mangrove", das schnell zum Treffpunkt für die schwarze Gemeinschaft und Aktivisten der Black Panthers wird.

                                    Doch die Polizei schikaniert nicht nur das Mangrove regemäßig mit Razzien unter blinder Zerstörungswut, sondern sie drangsalieren auch die schwarze Bevölkerung mit Personenüberprüfungen und Festnahmen. Nicht selten werden dabei unschuldige Menschen vorverurteilt, landen im Keller der Polizeiwache, wo sie zudem noch krankenhausreif geprügelt werden.

                                    Nach der 4 Razzien in 6 Wochen und dem Entzug der Ausschanklizenz verbünden sich die Schwarzen im Stadtteil und rufen zu einer Demo auf, welche vor die besagte Polizeiwache in Notting Hill zieht. Hundertschaften von Polizisten beginnen plötzlich auf sie einzuprügeln. Am Ende werden Frank und acht weitere Personen angeklagt und vor Gericht gestellt wegen Aufruf zum Aufruhr, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung von Polizeibeamten.

                                    Die Gerichtsverhandlung macht mindestens die Hälfe des Films aus und zeigt den Kampf der Angeklagten gegen Rassismus und Polizeigewalt. Man kann eigentlich von einem Gerichtsfilm sprechen. Für den Prozess haben die Angeklagten 6 (weiße) Pflichtanwälte, mangels Geld, und einen jungen engagierten weißen Anwalt der pro-bono arbeitet. Er steigert sich in die Sache emotional hinein und will unbedingt Gerechtigkeit für die Schwarzen. Zwei Angeklagte verteidigen sich selbst, wobei sie sich zwar von dem pro-bono Anwalt beraten lassen, aber selbst die juristischen Grundlagen für ihren Fall studieren. Das ist überaus interessant geschildert.

                                    Schon der Beginn des Prozesses ist eine Farce, denn versucht der konservative Richter die Öffentlichkeit aus dem eigentlich öffentlichen Prozess auszusperren, auch stehen nur 12 weiße Geschworene zur Auswahl. Ein packendes Gerichtsdrama nimmt seinen Lauf.

                                    Oho, das hätte ich beileibe nicht erwartet. Das hat mich die halbe Nacht wachgehalten. Vieles an dem Fall ist genauso passiert und auch dokumentiert. Okay, ich muss zwar sagen, dass man die panoramatischen Kulissen Londons im Jahre 1968 CGI-technisch irgendwie auffällig künstlich verfremdet hat, aber das spielt keine Rolle, wenn man sieht wie detailgetreu die 1968 ansonsten gezeigt werden. Ich war mittendrin in den 60ern. Die Inszenierung ist klasse, eingebettet in karibischen Sound mit viel Reggae. Ich liebe Reggae. Die Schauspielerischen Leistungen sind überzeugend, muss man dazusagen, dass das schwarze Schauspiel oft lauter und emotionaler ist. Ich kann das auch von meinen afrikanischen Nachbarn sagen und ehemaligen afrikanischen Kommilitonen. Sie platzen emotional geradezu auf, positiv und leider auch negativ.

                                    Das führt in Gesellschaften wie in Deutschland oder Groß-Britannien oft zu peinlich berührten Reaktion von Normal-Bürgern, in den 1960er Jahren erst Recht. Ich habe mich dabei immer sehr wohl gefühlt und musste aufpassen, dass ich die ausgelassene Stimmung nicht mit unter bestimmte Deutsche genommen habe.

                                    Diese Episode "Mangrove" ist ein erstklassiges Gerichtsdrama und ich war verwundert, dass sowas gutes in der Mediathek zu finden ist. Mit der zweiten Episode lasse ich mir noch etwas Zeit, diese hier wirkt noch lange nach.

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                                      OUROBOROS 21.03.2023, 21:36 Geändert 22.03.2023, 06:57

                                      Mit der ersten Staffel habe ich das bekommen, was ich mir schon immer von einem "Krieg der Welten" gewünscht habe, nämlich eine Alieninvasion im europäischen Stil mit europäischen Schauplätzen und möglichst wenig übersteigertem Patriotismus.

                                      Dieses Szenario hat mir atmosphärisch super gefallen, doch Staffel 2 baut gewaltig ab und nimmt eine krasse Wendung. Klar, man erfährt jetzt wer hinter den Alien-Maschinen steht, aber mich hat das jetzt nicht so abgeholt, auch wenn die Story mit dem Wurmloch im Orbit der Erde wirklich interessant war. Ich weiß nicht wirklich woran es liegt, war das Setting insgesamt schon mondän, was das zerstörte London betrifft. Ein bisschen reicht das an "The Last of Us" ran, was es in den Städten zu sehen gibt, aber eben nur ein bisschen. Es gab ausreichend Actionmomente, aber auch nur ausreichend.

                                      Trotzdem habe ich mir die Serie dann doch bis zur finalen Folge 8 in Staffel 3 angeschaut und war wenigstens zufrieden mit dem Ende. Was die Aliens getrieben hat zu dieser Invasion bleibt mir aber ein Rätsel. Es gibt viele weitere ungelöste Fragen. Mein Vorredner Epicfrog hat ein paar unbequeme Fragen gestellt. Ich habe da wohl viel ausgeblendet. Aber meine Wertung ist für das was ich normal vergeben auch sehr verhalten.

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                                        OUROBOROS 17.03.2023, 14:47 Geändert 17.03.2023, 15:02

                                        Ein wenig versöhnt hat mich ja schon das fiktive Innere des Mondes, aber das hat man alles schon mal irgendwo gesehen. Im Gesamten war es weniger grauenhaft als "Die wandernde Erde".

                                        Was die Physik betrifft, hat man ja mal wieder mächtig übertrieben und Unvorstellbares gezeigt, wo keiner weiß, wie es wirklich aussehen würde. So jedenfalls nicht und da ist die Erde aber ziemlich heil geblieben.

                                        Was ich schlimm fand, dass man sogar die gestörtesten Verschwörungsfantasien geadelt hat in dem sich das hier noch erfüllt hat:

                                        "Der Mond hat einen Hohlraum, da kommt auch das Obst und Gemüse her. Oder was glaubst du, woher die Inkas wohl die Kartoffeln haben?!"

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                                          OUROBOROS 16.03.2023, 19:17 Geändert 16.03.2023, 20:15

                                          Bei "The Last of Us" war ich sehr kritisch, weil alles danach aussah, dass es zu realitätsfremd und fantastisch zugehen würde. Manchen mag das gefallen, aber ich wollte was halbwegs ernstes sehen. Auch hatte ich Bedenken, dass es nur ein Abklatsch von TWD sein würde, d. h. Fokus auf die Zombies/Mutanten, ewig lange Aufenthalte an Orten. All das hat sich dann nicht bestätigt.

                                          Hatte ja eine Woche zuvor "Vongozero" geschaut und fühle mich in vielen Momenten bei "The Last of Us" daran erinnert, die beide Road-Movies sind. Im Unterschied zu "Vongozero" macht TLOU Zeitsprünge, am Anfang einen sehr großen, über mehr als 10 Jahre. Der erste Zeitsprung bei TLOU hat mich erst mal abgeschreckt, weil ich mir so sehnlich ein Szenario wünschte, welches sich mit den direkten Folgen einer Apokalypse mit Zusammenbruch der Gesellschaft beschäftigt. Das hat mir "Vongozero" geboten. Diese Woche konnte ich TLOU genießen und zum Glück folgten dann keine allzugroßen Zeitsprünge mehr.

                                          Für mich liegen beide Serien auch nicht so weit auseinander, weil mich die russische Version der Virus-Apokalypse ebenfalls abgeholt hat, dadurch dass die Konzentration nicht so sehr auf der Bedrohung durch den Virus und den Mutanten liegt, sondern die Bedrohung durch den Menschen. In "Vongozero" sind die Infizierten absolut keine Bedrohung, die einen verfolgt, es sei denn man sucht die Nähe. Damit möchte ich nur vorwarnen. TLOU bietet schon einige moralische Aspekte und ist weniger oberflächlich wie erwartet, hat "Vongozero" damit sogar schon besser punkten können. Beide haben mir von der Inszenierung deutlich besser gefallen, als die inflationäre Zombieschau in TWD in jeder Folge.

                                          Es gibt so viele stehende und ruhige Szenen in TLOU bei welchem man die Atmosphäre atmen kann, wo man am liebsten auf Pause drückt, um das Panorama zu genießen. Das habe ich auch gemacht. "Vongozero" bietet zwar auch viele Landschaftspanoramen und spannende Settings, aber TLOUs Kulissen sind aufwendiger, musste man hier ja ganze Städte im Verfall zeigen. Ich sag nur Giraffen, aber auch das Panorama mit der Palisadenstadt etc.

                                          Im Gegensatz zu TWD ist das Tempo bei TLOU sehr variabel. Nichts ist mutwillig in 45 Minuten oder 10 bzw. 12 Folgen gepresst oder gedreht. 9 Episoden mit wechselnder Länge sind sehr untypisch von der Anzahl. Man merkt auch, dass es keine Füllhandlungen oder gar ganze Füllepisoden gibt. In einer Episode bricht bei TLOU völlig unerwartet das Mutanten-Chaos aus und ein Level-Boss springt aus einem Erdloch. Schön, dass ich das noch erleben darf, dass man hier von der gewohnten Standard-Dramaturgie abweicht. Das war ein Moment bei dem ich nur staunen konnte. Ein wenig hatte das Szenario den Thrill des Spieleklassikers "Left for Dead". Ich bekam ganz große Augen und Gänsehaut. Das hatte ich schon lange nicht mehr bei einer Serie.

                                          TLOU hat eine epischere Story als "Vongozero" durch Zeitsprünge, wodurch ein Wechsel der Szenarien möglich wurde. Da kommen noch Episoden dazu mit dem Männerpärchen oder weitere Hintergrundgeschichten, die ich allesamt sehr schön fand. Für Diversität hat man hier so dermaßen gesorgt, dass ich mich wundere, dass die Typischen Diversitäts-"Ich fühle mich belehrt"-Kritiker hier schweigen, ist das hier genauso konstruiert.

                                          Besonders gefiel mir das Protagonistenpärchen, fast wie Vater und Tochter. Ann entspricht zwar nicht der niedlichen Optik, wie man sie aus dem Spiel kennt, aber sie wurde mir in kürzester Zeit sympathisch und wuchs mir mit ihrem Humor und ihrem Habitus sofort ans Herz. So muss Unterhaltung sein.

                                          Mich würde interessieren, was einige zu "Vongozero" sagen. Sicher ist es nicht so stark, aber ich denke, dass es auch sehr gut unterhält, wenn man das Thema mag.

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                                            Als sich in Moskau eine tödliche Virus-Epidemie (keine Zombies) ausbreitet, versuchen Regierung und Medien zunächst den Ernst der Lage herunterzuspielen, doch schnell wird die Stadt mithilfe des Militärs unter Quarantäne gestellt. Panik, Plünderungen und Kämpfe um Geld, Essen, Benzin sind die Folge.

                                            Sergei, der mit seiner neuen Partnerin Anja und ihrem Sohn Mischa außerhalb Moskaus lebt, wird von seinem Vater Boris aufgesucht, um sie weit entfernt außer Gefahr zu bringen. Seine Ex-Frau Ira mit ihrem gemeinsamen Sohn Anton stoßen dazu, wie auch Sergeis Nachbar Leonid mit seiner schwangeren Partnerin Marina und Tochter Polina.

                                            Die unfreiwillig zusammengewürfelte Gruppe begibt sich mit einer Autokolonne auf den Weg durch das verschneite und eisige Russland. Ziel ist der titelgebende See Wongosero (Wong-See) in der Republik Karelien im Norden, wo Sergejs Vater ein Schiff besitzt, das er zu einem Haus umgebaut hat. Auch mich hat die Sehnsucht ergriffen dahin mitzufahren. Wunderschöne Bilder mit Schnee und Eis werden geboten. Die Bildgestaltung ist bei Tag und Nacht gelungen, so dass dieses Road-Movie-Abenteuer auch visuell ein Genuss ist.

                                            Konservative und liberale Welten prallen hier mit den beiden Familien aufeinander. Das ist ganz witzig, vor allem weil der konservative Teil ein bisschen grobschlächtig und gemein dargestellt wird. Der Grobschlächtige hat übrigens die Synchronstimme von Ferry Bouman aus der Serie "Undercover". Das kann den Einstieg echt erleichtern. Trotz der Pointen entsteht ein ziemlich realistisches Sittengemälde des Russlands von heute, bei welchem neben dem Thema Solidarität, aber auch die Themen Generationenkonflikt, Autismus, Scheidung, Patchwork-Familie behandelt werden. Anfangs werden die Themen noch mit Humor präsentiert, später zeigen sie auch ernsthafte tiefsinnige Züge.

                                            Interessant ist, dass die Serie, die auf einem in Russland erfolgreichen Roman basiert, bei Gazprom-Media wöchentlich mit einer Folge veröffentlich wurde. Gazprom-Media betreibt Abonnentenfernsehen wie sky hierzulande, aber auch das Soziale Netzwerk VK und Rutube. Es ist also kein Wunder, dass als Folge 5 an der Reihe war, sie kurzfristig aus dem Programm genommen wurde. Sie sollte auf den Index, denn dort wird gezeigt, wie russische Soldaten den Auftrag erhalten Dörfer zu säubern, ob die Bewohner nun infiziert sind oder nicht. Diese Folge ist sensationell und hat eine außergewöhnliche moralische Tragweite. Sie zeigt Russland als grauenhaften diktatorischen Staat, gegen den sich die Menschen auflehnen. Folge Fünf wurde wieder veröffentlicht, aber man munkelt, dass sie abgeändert wurde. Ich schätze mal, dass man derzeit so eine Serie nicht veröffentlicht hätte, scheint das Land sich gerade zurück zu entwickeln.

                                            Insgesamt zeigt sich die Serie vor allem in der Auftaktfolge von der weltoffenen Seite, denn der Anteil westlicher Musik überwiegt deutlich. Diese ist, wie ich finde, sehr sophisticated ausgewählt. Später werden die Töne ernster, klassischer Score kommt dazu, den ich überzeugend finde, lehnt er sich ans Zimmers "Time" an oder den Score von John Murphy aus "Sunshine".

                                            Normalerweise mag ich viele russischen Filme nicht, wegen Theatralik und Overacting und einfach Desinteresse am politischen System, doch das hier habe ich am Stück durchgebinged, gerade weil es eine Überlebensituation einer Gruppe auf einem langen Weg OHNE Zombies zeigt. Vongozero ist also kein "The Walking Dead", es gibt keine Zombies und der Titel hat mich völlig abgeschreckt. Infizierte sind hier nicht der dominierende Horror, sondern eher die Menschen, die sich gegenseitig für Vorräte umbringen. Alleine das macht die Serie, trotz der Krise mit Russlands Angriffskrieg, sehenswert.

                                            Hätte ich keinen Tipp bekommen, hätte ich die Serie nicht geschaut. Das war eine interessante Reise.

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                                              OUROBOROS 10.03.2023, 18:01 Geändert 10.03.2023, 18:01

                                              Warum ich der Meinung bin, dass die Neuinszenierung auf einer Stufe mit der Erstverfilmung steht, das begründe ich hier in meinem Blogartikel:

                                              - bei PASSION-OF-ARTS.DE

                                              https://passion-of-arts.de/im-westen-nichts-neues-entmenschlichung-im-industrialisierten-krieg/

                                              - bei moviepilot

                                              https://www.moviepilot.de/news/im-westen-nichts-neues-entmenschlichung-im-industrialisierten-krieg-1139567

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                                              • Netflix hat mir die Serie praktisch aufgedrückt, aber ich wollte nur reinschauen.

                                                Sie spielt ja nicht weit weg von da wo ich wohne im Dreiländereck Saar-Lor-Lux. In der ersten Folge habe ich also gleich auf Luxemburgische Sprache umgeschaltet. Ein Teil der Saarländer spricht fast annähernd so, also hatte ich wenig Problem es zu verstehen. Das Saarland teilt sich in moselfränkische und rheinfränkische Dialekte. Gerade diesen moselfränkischen Dialekt aus dem Nord-West-Saarland und Luxemburg finde ich so lustig, dass es für mich fast Comedy war. Meine Oma hat so gesprochen. Heute verschwinden die Dialekte ja immer mehr. In Luxembourg hat man praktisch einen germanischen Dialekt konserviert. Ja, die Serie reizt mich jetzt nicht so doll, also lasse ich die Bewertung sein.

                                                Pittoreske Schauplätze bietet die Serie auf jeden Fall, aber wohl auch mehr als Touristen-Portfolio statt in der ersten Liga der Krimiserien.

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                                                  Für einen 90-Minüter gar nicht so schlecht von der Story. Ansonsten TV-Film-Optik. Biederes Schauspiel. Passt so gar nicht zu ARTE. Ist wahrscheinlich nur dort, weil das Saarland bekanntlich der Donbass zwischen Deutschland und Frankreich war und das Dreiländereck der Ort für die Beendigung des Revanchismus und dem Beginn für die Versöhnung. Deshalb liebe ich ARTE, genau wegen dieser Programmatik der Versöhnung.

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                                                    OUROBOROS 07.03.2023, 19:34 Geändert 07.03.2023, 19:49

                                                    Die Reihe "In Wahrheit" auf ARTE

                                                    Meine wohlwollende Wertung basiert darauf, dass man wirklich schöne Kulissen aus dem Saarland und Lothringen generiert hat. Der ganze Krimi ist quasi ein Touristen-Portfolio für das Saarland. Ist sehr pittoresk geworden. Respekt dafür.

                                                    Das Schauspiel ist gerade so noch in Ordnung, obwohl sogar noch Jeanne Goursaud mitspielt, die man von BARBAREN kennt und die ich gerade in der Miniserie SIMON BECKETTS - DIE CHEMIE DES TODES gesehen haben. Das war übrigens ein Krimi mit Landschaftskulissen, die Deutschland nur mit seinen erlesensten Touristen-Hotspots annähernd qualitätsmäßig erreichen kann. Der hässliche deutsche TV-Film-Filter hätte nicht sein müssen.

                                                    Immerhin gelingt es der Serie (es gibt weitere Filme) mehr saarländische Kultur und Sprache zu vermitteln, als der traditionsbehaftete TATORT aus Saarbrücken. Die Story finde ich auch besser, wie auch der musikalische Background, der großen Krimi-Serien-Vorbildern aus dem Norden in nichts nachsteht. Spektakulär ist das trotzdem alles nicht.

                                                    Zuschauer ohne Bezug zum Saarland kann "In Wahrheit" als Einschlafhilfe dienen.

                                                    Ich schaue mir jetzt einen weiteren Teil an, aber nur um mir Ideen zu holen für Fotomotive, die ich im Saarland noch nicht abgelichtet habe.

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