RoboMaus - Kommentare

Alle Kommentare von RoboMaus

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    RoboMaus 29.06.2022, 07:39 Geändert 29.06.2022, 11:16

    "Hast du eine Freundin, die um dich weint, wenn du stirbst?"
    Touché - diese gut gestellte Frage aus 'Dieses bescheuerte Herz' (2017) bringt sogar den coolen Playboy Elyas M'Barek ins Grübeln. Der spielt überzeugend ein reiches, verwöhntes Söhnchen, das Daddys Geld verprasst und nichts auf die Reihe bekommt. Eines Tages überspannt er den Bogen und wird von Daddy zur Betreuung eines Jungen verdonnert, der eine Reihe angeborener Krankheiten und vielleicht noch ein Jahr zu leben hat.....
    .....ja, 'The Bucket List' (2007) lässt grüßen, aber vielleicht wäre sogar Jack Nicholson von dieser Version des Rührstoffs angetan. Denn hier ist er wieder einmal, der seltene deutsche Film, der kann: starke Plotideen, glaubhaft dargestellte True Story, fokussierte Dialoge, kein ausgetretenes Geschwafel, sympathische Charaktere, die sich nicht wie hierzulande so oft im krampfhaften Overacting üben. Doch das wichtigste: dieser Film berührt, erzeugt Emotionen, ohne billig auf die Tränendrüse zu drücken, und wirkt in keiner Phase aufgesetzt.
    Gewiss könnte man ihm vorwerfen, dass der Tiefgang fehlt, eine "richtige" Auseinandersetzung mit dem todernsten Thema nicht stattfindet und keine Depri-Stimmung aufkommt, die der Situation viel angemessener wäre. Gerade das sind doch die vermeintlichen Stärken des deutschen Films, aber zum Glück schielen die Macher nicht auf die Goldene Palme, sondern erschaffen eine ausgezeichnete Symbiose aus anspruchsvollem Schicksalsdrama und Unterhaltungskino mit leichten, z.T. komödienhaften Elementen. Sollen doch die Kritiker Trübsal blasen.

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    • 6 .5
      RoboMaus 28.06.2022, 07:56 Geändert 28.06.2022, 09:14

      Über 8 Jahre nach der Erstsichtung (7,5) war die Erinnerung kaum noch vorhanden, aber das richtige Gruselfeeling wollte diesmal erst spät aufkommen. Die Einführung erscheint sehr lang, bis es nach generischem Türzuschlagen, Wandklopfen und nächtlichem Beinziehen (anstatt wie sonst die Bettdecke) endlich konkret wird. 'Conjuring' (2013) kann man im Aufbau und der Struktur als streng genre-kanonisch bezeichnen: im ersten Drittel lebt sich die Familie im neuen Haus ein, merkt dass etwas nicht stimmt; dann zeigt sich der Dämon und heizt mit seinen Aktionen ein, worauf im letzten Drittel die Gegenmaßnahmen und der unvermeidliche Exorzismus folgen. Vielleicht habe ich in den 8 Jahren einfach zu viele Horrorfilme gesehen, aber was in 'Conjuring' (2013) gezeigt wird, erscheint weder einfallsreich noch originell, sondern es werden hauptsächlich Horrorthemen und Gruselideen abgearbeitet, die seit den 70/80ern im Genre kursieren.
      Seine große Stärke hat der Film in der Umsetzung und bietet vor allem in der 2. Hälfte stringente Genre-Unterhaltung mit einigen starken Szenen, worin James Wan sein Können als Horror-Regisseur aufblitzen lässt. Damit hebt sich dieses Werk trotz seines schablonenhaften Inhalts noch von der mittelmäßigen Masse, wozu sämtliche Nachfolger und Spin-offs von 'Conjuring' gehören, im Genre ab. Ein drittes Mal werde ich mir diesen Film allerdings nicht anschauen.

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      • 6 .5

        Tom Cruise & Joseph Kosinski haben die 1 Milliarde Dollar-Marke an der Kinokasse geknackt!
        Bei "nur" 170 Mio. $ Produktionskosten bleibt da einiges hängen. Seit 1985 mit Ridley Scotts Fantasy-Gurke 'Legend' hat Cruise keinen Flop mehr gehabt - irgendetwas hat er Willis, Cage & Co voraus...... vielleicht liest er vor der Zusage das Drehbuch?

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        • 7 .5
          RoboMaus 27.06.2022, 08:14 Geändert 27.06.2022, 17:07

          Ein Film, worin Quentin Tarantino und Adam Sandler gemeinsam auftreten? Es gibt doch nichts, das es nicht gibt, und wenn es bunt durchgeknallt zugehen darf, ist sich in Hollywoods Elite wohl keiner zu schade. Dazu gesellen sich in 'Little Nicky' (2000) noch Harvey Keitel als Teufel und Reese Witherspoon als Engel, und natürlich Ozzy Osbourne mit einem gnadenlos starken Cameo-Auftritt, den man aber erst ganz am Ende bewundern darf. Es fehlte nur noch Jack Black.
          Man sieht es den ambivalenten Bewertungen an - dieser Humor ist nicht jedermanns Sache, obwohl sich Sandler hier mit seinen üblichen Pipikaka-Einlagen zurückhält. Der Score ist durchweg rockig gehalten und bringt einige starke Songs aus den 90ern, wobei auch einer von Ozzy nicht fehlen darf. In der Machart und Stimmung erinnert das etwas an den späteren 'The Pick of Destiny' (2006), ist aber noch eine Runde abgedrehter und nicht so stark in den Plotideen. In meiner, zugegebenermaßen durch Rotweinkonsum zum Film schon leicht getrübten Wahrnehmung, ist das witzige und einfallsreiche, in jedem Fall sehenswerte Unterhaltung. Ich kann aber auch jeden verstehen, der hier beizeiten das Handtuch wirft - meine Mitseherin hat sich bereits nach zwei Minuten (!) mit den Worten "das halte ich nicht aus" verabschiedet. Es könnte helfen, mit Standgas anzutreten.......

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            RoboMaus 23.06.2022, 22:03 Geändert 27.06.2022, 16:20

            Love it or leave it - die erste Staffel von "Stranger Things" (ab 2016) hatte noch etwas Unterhaltsames und einige gute Ideen im Retro-80er-Format, in der zweiten zeigten sich inhaltlich schon deutliche Ermüdungserscheinungen, und als die dritte mit einem Verschnitt aus 08/15-Coming of Age-Geblubber und "Baywatch" aufwartete, sowie im mageren SF-/Grusel-Anteil einer glatten Wiederholung der früheren Pandora Box-Öffnung, war es das Signal, den Stecker zu ziehen. Es ist wie mit den meisten Serien oder Franchises, die anfangs punkten: die Kreativität geht flöten und man reitetet die schön erzeugte Welle einfach ab, bis es ausser den die-hard-Fans keiner mehr braucht.
            Lieber die Originale von Spielberg & Co als dieser endlos ausgetretene Retro-Kram.

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            • 6 .5
              RoboMaus 21.06.2022, 07:51 Geändert 21.06.2022, 16:16

              Leichter Grusel auf Einsteiger-Niveau.
              'The Manor' (2021) punktet mit einer inzwischen 73jährigen Barbara Hershey, die wegen beginnender Ausfallerscheinungen freiwillig ins Altersheim geht, sich aber den Vertrag nicht durchgelesen hat. Obwohl keineswegs dement oder sonstwie unzurechnungsfähig, hat sie sich damit selbst entmündigt und ist nun der Willkür der Heimleitung ausgesetzt. Das allein ist schon ein interessanter Aspekt, der einem zu denken gibt, falls man selbst für jemanden einen Platz sucht.......
              Hier kommt noch erschwerend hinzu, dass es im Heim nicht mit rechten Dingen zugeht, aber natürlich niemand Hersheys Spukgeschichten glaubt - ein Grund mehr, sie ruhig zu stellen. Gleichzeitig ist das aber auch die schon x-mal gesehene Variante von der Betroffenen, die überall abblitzt und ignoriert wird, aber recht hat. Rein als Mystery/Gruselfilm betrachtet, ist 'The Manor' kein großer Wurf, überrascht jedoch positiv mit einem unerwarteten Ende, das weitere Perspektiven eröffnet und man hätte ausbauen können:

              SPOILER
              Da Hershey nun nicht mehr altert, wäre das ihrer unwürdigen Tochter bei den Heimbesuchen irgendwann aufgefallen, die aktiv wird, selbst Nachforschungen anstellt und der Wahrheit gefährlich nahe kommt. Letztlich muss auch die Tochter dem Jungbrunnen geopfert werden....
              SPOILER ENDE

              Doch nach nur 80 min endet der Film. Insgesamt darf die Verbindung von Altersheim-Willkür und (leichtem) Grusel als gelungen bezeichnet werden, auch wenn das im Horrorgenre nur aus Altbekanntem zitiert.

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              • 6 .5
                RoboMaus 18.06.2022, 07:21 Geändert 21.06.2022, 09:11

                Nur ein echter Held überlebt einen Schleudersitz-Ausstieg bei 12.500 km/h, so schnell, dass die Aussenhaut des Flugzeugs schon zu glühen anfängt.....
                .... doch da brauchen wir uns bei Tom Cruise keine Sorgen machen, denn er ist auch mit 59 immer noch der schnellste, wendigste und bestaussehendste Pilot der Navy.
                'Top Gun: Maverick' (2022) ist genau das, was zu erwarten war: eine geile zwei Stunden Flugschau mit gelungenen emotionalen Momenten. Der Film fängt immer dann zu leben an, wenn Cruise in der Luft ist und es ob seiner Herzensdame oder seiner Schicksalsschläge warm ums Herz wird. Damit deckt sich aber kaum die Hälfte. In Ermangelung einer Story füllt sich der Rest mit den üblichen Reibereien und dem Geplänkel der eineinhalbstündigen(!) Vorbereitung, bis endlich die große Mission startet und Spannung aufkommt. Für mein Empfinden zu viel inhaltlicher Leerlauf, was sogar im Premiumsessel des Kinos den Blick zur Uhr provoziert hat. Immerhin entschädigt die letzte halbe Stunde für das Ausharren.
                Im Nachhinein kam der Gedanke auf, dass es besser gewesen wäre, den Film in 3D zu sehen, denn er lebt vor allem aus den Luft-Aktionen. Das hätte den atemberaubenden Manövern wohl die Krone aufgesetzt und vielleicht noch einen Punkt mehr herausgekitzelt. So bleibt es vorerst bei einem okayen Kinoerlebnis, das, wenn überhaupt, eine Wiederholung und Steigerung im IMAX erfährt.

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                • 5

                  Wen wundert's? Die Mystery-Serie 'Manifest' (2018-2021) gestaltet sich genauso, wie es viele hier posten - die Hoffnung stirbt bekanntlich immer zuletzt! Der starke Beginn eröffnet enormes Potential zu einer Serie, die inhaltlich irgendwo zwischen 'Final Destination' und einem High Tech-Verschwörungsthriller liegen könnte: ein Linienflug gerät in eine Art Raumzeit-Verzerrung und landet 5 Jahre in der Zukunft. Alle waren für tot erklärt und scheinen nun von den Toten auferstanden. Was steckt dahinter? Naturphänomen? Experiment der Regierung? Was ist mit den Rückkehrern nicht in Ordnung? Die Fragen werden in den ersten 2-3 Folgen geschickt eröffnet und machen Appetit auf mehr. Doch viel mehr kommt nicht: die Handlung driftet immer weiter in Richtung Beziehungsdrama, das sich aus der neuen geschaffenen Situation durch die Rückkehrer ernährt. U.a. sind die alten Partner nach 5 Jahren mit einer/m anderen zusammmen, was natürlich jede Menge Probleme aufwirft, die im Detail beleuchtet werden müssen. Die Mystery/SF-Handlung läuft nur noch im Hintergrund weiter und bringt zwar alle paar Folgen etwas neues ans Licht, dreht sich dabei aber umso länger im Kreis, je länger die Serie läuft.
                  Nach zwei Staffeln war endgültig Schluss: Letztendlich ist 'Manifest' zu gefühlt 90 % lediglich eine Drama-Serie, die die fiktiven, v.a. beziehungstechnischen und familiären Probleme von Menschen beleuchtet, die irgendwie 5 Jahre in die Zukunft gelangt sind. Wer so etwas braucht, ist hier genau richtig. Für mich ist das uninteressant, daher im Grunde 4,5 Punkte - einen halben Bonus-Zähler gibt es für die ersten drei gelungenen Folgen.

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                    RoboMaus 10.06.2022, 07:03 Geändert 10.06.2022, 13:10

                    Ein US-Astronaut der späten 1990er gerät in ein erdnahes Wurmloch und wird in einen entlegenen Teil der Galaxie transportiert - dort entwickelt er sich zum Zentrum eines Machtpokers und steht mit seiner bunt zusammengewürfelten Outlaw-Alien-Truppe häufig am Rande des Abgrunds.
                    Anfangs ist 'Farscape' (1999-2004) noch trashig-gewöhnungsdürftig, denn manche Charaktere scheinen eher der Muppets-Show entsprungen, als einer SF-Serie. Auch die CGI hat aus heutiger Sicht eher Nostalgiecharakter, aber das ist in 90er 'Star Trek'-Folgen kaum anders. Die Serie steigert sich bis Staffel 2 mit teilweise starken, ideenreichen und spannenden Folgen, und die inzwischen fest zusammengeschweißte Crew macht mit ihren sympathischen Charakteren Laune. Streckenweise ist die Atmosphäre schön düster und die Gangart im Vergleich zu 'Star Trek' deutlich härter. Am Ende von S2, zur Mitte der Serie, hätte ich 'Farscape' 7 Punkte gegeben, doch während S3 gingen den Machern allmählich die Ideen aus. Die Handlung bekommt immer mehr Züge einer Space Opera mit den unvermeidlichen Intriegen, Komplotts, Verrat und dem gegenseitigen Wasserabgraben der diversen Parteien. In S4 ist es überwiegend nur noch ein generisches Hin und Her zwischen den Antagonisten, das in einem enttäuschenden Finale mit pathetisch ausgewalzter Melodramatik kulminiert (auf MP als S5 tituliert, sowie separat nochmal als 'The Peacekeeper Wars', 2004, aber das sind nur 2 Folgen in Spielfilmlänge, die mangels Bewilligung einer ganzen Staffel 'Farscape' abgeschlossen haben). Ich brauchte Monate, um mich von S3 zum Ende zu schleppen - das untrügliche Zeichen einer verbrauchten Serie, wenn man die nächste Folge nicht mehr unbedingt sehen will.
                    Unter dem Strich bleibt eine SF-Serie, auf die nostalgietaugliche Genrefans durchaus einen Blick werfen können. Die Durchschnittsbewertung von 7,3 auf MP zeigt, dass 'Farscape' ein geneigtes Publikum stark unterhalten kann.

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                      RoboMaus 08.06.2022, 07:44 Geändert 08.06.2022, 07:45

                      Umgekehrte Verhältnisse im Horror-Genre: normalerweise muss man die erste halbe Stunde durchsitzen, bis endlich die Familienverhältnisse und andere Sachverhalte geklärt sind, oder die Opfer in spe sich irgendwo eingelebt haben, wonach die mehr oder weniger einfallsreiche Bedrohung für Gruselstimmung sorgt. In 'Lloronas Fluch' (2019) ist hingegen der Aufbau das interessanteste, worin eine Sozialarbeiterin beleuchtet wird, die die vermeintliche Verwahrlosung einer Mutter mit zwei Kindern bearbeitet. Natürlich steckt ein übler Geist dahinter, der mit gelungenen Scares punktet......
                      Doch anstatt daraus eine Story zu entwickeln, verwendet man im Verlauf nur noch dutzende Male gesehene Genre-Versatzstücke, einschließlich dem unvermeidlichen (Ex-)Priester, der mit Kreuz und geweihten Utensilien anrückt, um dem Geist den Garaus zu machen. Teilweise wirkt das sogar unfreiwillig witzig, aber insgesamt macht sich ob der schreienden Einfallslosigkeit allmählich der Wunsch breit, man möge das ohnehin vorhersehbare Ende doch bald herbeiführen. Entsprechend mehren sich die Blicke zur Uhr. Immerhin ist das routiniert inszeniert und wirkt nicht billig, was jedoch den uninteressanten Eindruck nur wenig anheben kann. Im Grunde 4 Punkte, aber für das gelungene erste Drittel gibt es einen Extra-Zähler.

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                        RoboMaus 07.06.2022, 08:20 Geändert 07.06.2022, 08:33

                        Selten hat man in neueren Filmen solch ein Starensemble vor der Kamera, und an Will Smith, Ed Norton, Helen Mirren, Kate Winslet & Keira Knightley liegt es gewiss nicht, dass 'Verborgene Schönheit' (2016) kaum der Mittelmäßigkeit entrinnt. Auch die Story um einen Konzernchef, der seine kleine Tochter verloren hat und in anhaltender Extremtrauer das Geschäft zu ruinieren droht, ist nicht das Problem. Es sind die mangelnde Glaubwürdigkeit und die gezielte Tränendrückerei, womit dieses Werk sich selbst ins cineastische Abseits manövriert. Wenn Will Smith mit derart viel eingetreufelter Flüssigkeit in den Augen zum Heulen antritt, dass man meint, er hätte Tabasco abbekommen, wirkt nicht nur das zu dick aufgetragen. Offensichtlich beabsichtigte man, dem Publikum großes Gefühlskino, verkörpert von einem großartigen Cast zu präsentieren, doch leider stehen Effekt- und Empathiehascherei zu deutlich im Vordergrund, als dass der Trauerfunke überspringen könnte. So reduziert sich der Film auf seinen herausragenden Cast, der das Geschehen in gewohnter Qualität an das Publikum trägt, so dass man die flüssig inszenierten eineinhalb Stunden wenigstens nicht bereut. Großes (Gefühls-)Kino sieht jedoch anders aus.

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                          RoboMaus 04.06.2022, 07:15 Geändert 04.06.2022, 11:41

                          'Mystery Road: The Series' (2018/2020) war als abgeschlossene australische Mini-Serie mit 6 Folgen konzipiert (S1), der nach dem Heimerfolg eine zweite Mini-Staffel nachgeschoben wurde. Den Angaben nach reicht die nicht annähernd an die erste heran, wie so oft - der Kommentar bezieht sich auf S1.
                          Dies ist entgegen der MP-Zuordnung kein Drama, auch kein Mystery wie im Titel suggeriert, sondern eine clever aufgebaute Kriminalstory mit markanten, gut dargestellten Charakteren. Man nutzt geschickt die Spannbreite der ersten fünf Folgen, um die Fakten zum Verschwinden von zwei Personen nach und nach ans Licht zu bringen. Dadurch eröffnen sich rätselhaft aufgebaute Zusammenhänge, die sich letztlich als Facetten in einem perfiden Spiel erweisen. Die Kunst, nie zu viel zu verraten, es aber trotzdem von Anfang bis Ende mit einem soliden Spannungsbogen interessant zu halten, wird hier gelungen ausgespielt. Mit Nebenhandlungen und den unvermeidlichen Familiendrama-Einlagen hält man sich angenehm zurück, so dass die Krimi-Handlung fokussiert bleibt und etwa 80 % der Screentime einnimmt. So werden die wenigen Längen verzeihbar, und man möchte immer wissen wie es weitergeht, was zum Bingen einlädt. De facto ist S1 ein stark erdachter Krimi in Überlänge, der deutlich über dem Niveau der meisten hiesigen Produktionen wie 'Tatort' steht und auf den man durchaus einen Blick werfen kann.

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                            RoboMaus 28.05.2022, 18:33 Geändert 31.03.2025, 16:36

                            Terroristen und eine Vertreterin der Staatsmacht ("Protector") aus der Zukunft von 2077 landen im Jahr 2012. Daraus entwickelt sich eine interessante Zusammenarbeit des Protectors mit der Polizei, um Fälle zu lösen und den Machenschaften der Zukunfts-Terroristen Einhalt zu gebieten. Natürlich verfolgt jeder seine Absichten, die Zug um Zug ans Licht kommen und die Story mit guten Ideen weiterentwickeln - wenigsten auf die ersten beiden Staffeln. Danach gingen den Machern die kreativen Ideen weitgehend aus, wobei die Handlung überwiegend zu einem gegenseitigen Beharke der diversen Parteien verkommt, was auch mit absurden Wechseln der jeweiligen Allianzen einhergeht. Die inzwischen rudimentäre SF-Story im Hintergrund hält das Interesse, weitersehen zu wollen, am Leben. Gleichzeitig nehmen jedoch dass pathetische Geschwurbel und die überflüssigen Begründungen der jeweiligen Absichten zu, wie auch die Screentime der zumeist hanebüchenen Kloppereien und Schusswechsel, z.B.,
                            SPOILER
                            (in S4) Wirklich? Da macht man im Polizeirevier Bekanntschaft mit Waffen einer überlegenen (Zukunfts-)Technologie, die richtig Wumms haben, und rückt eine Folge später zum Showdown gegen denselben Gegener mit Pistolen und normalkalibrigen Gewehren an? Das kann doch nur Kopfschütteln statt Spannung oder gar Mitfiebern erzeugen.
                            SPOILER ENDE

                            Dass die vierte Staffel nur noch 6 Folgen hat und die Auflösung weitgehend in die letzte Folge gequetscht wurde, ist wohl kein Zufall. Wir blieben nach S3 nur noch dran, um zu sehen, wie es ausgeht - immerhin, soviel sei spoilerfrei verraten, gibt es keinen Cliffhanger, aber einfallsreich ist anders.
                            Die einzelnen Staffeln würde ich mit 7,5-6,5-5,5-5,0 bewerten - das ist in der Gesamtschau keineswegs eine schlechte Serie, und zwei Staffeln starke Unterhaltung (dafür die Bewertung) ist immer noch besser als das meiste, das im SF-Sektor an Serien in der letzten Zeit auf den Markt kam.

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                              RoboMaus 20.05.2022, 18:50 Geändert 21.05.2022, 08:39

                              Robert Redford ist nicht nur ein starker und erfolgreicher Schauspieler, sondern auch ein ambitionierter Regisseur, der es immerhin auf neun Spielfilme gebracht hat. Ausser 'Der Pferdeflüsterer' (1998) waren seine Regiestuhl-Bemühungen zumindest an der Kasse jedoch nicht erfolgreich. So auch 'Milagro' (1988), der ein ernstes Thema in leichter Form präsentiert: im trockenen Südwesten der USA will ein Arbeitsloser Bohnen anbauen, wobei er das Wasser vom Kanal eines Großgrundbesitzers abzweigt. Der baut mit Investoren einen Golfplatz und braucht dafür den Flecken Land des Arbeitslosen unbedingt. So beginnt ein Tauziehen, das zu eskalieren droht, denn die Gemeinde steht hinter dem Arbeitlosen und stellt sich auch der Polizei entgegen.....
                              Redford zeigt in seiner Inszenierung Gepür für das Feinsinnige, das den Charakteren innewohnt und ihr gegenseitiges Auskommen regelt. Komische Vögel und ein störrisches Schwein eingeschlossen. Er stellt eher dar, wie die Gemeinde funktionert und Dinge auf ihre Weise regelt, als die Story und das Drama in den Vordergrund zu stellen. Packend ist das nicht, witzig auch nicht, aber Redfords Erzählweise weiß zu unterhalten und stellt die Kontroverse wenigstens so interessant dar, dass es nicht langweilig wird. Mit Christopher Walken als Polizei-Handlanger der Golfplatzbauer hat er zwar einen potentiellen Top-Bösewicht im Cast, lässt ihn aber nur mit angezogener Handbremse walten. Offensichtlich will Redford sein zartbesaitetes Publikum nicht aus der Komfortzone holen, doch allzu leicht gerät man damit auch in das flache Wasser der Seichtigkeit.
                              Nichts, das ein großes Publikum anziehen kann, aber allemal ansprechende, harmlose Unterhaltung.

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                                RoboMaus 18.05.2022, 08:41 Geändert 23.05.2022, 12:09

                                Die Geschichte der Hochstaplerin Anna Sorokin in Form einer Mini-Serie mit 9 Folgen, die es zusammen auf gut 10 Stunden bringen. Die im Kern wahre Story ist gut, sehr gut sogar, aber es stellt sich die Frage: wäre bei dem Thema ein Spielfilm nicht der bessere Ansatz gewesen? Aus meiner Warte beantwortet sich das eindeutig mit ja, denn ihr gerissenes Auskommen und ihre beachtenswerten Tricks, mit denen sie ihre Umgebung manipuliert, werden zu sehr von ausgetretenen Nebensächlichkeiten verwässert, um die 10 Stunden irgendwie zu füllen. Wie es ein User hier so treffend ausdrückt: "Dieses Hin- und Her-Geschwenke zwischen Luxus-Designer-Läden und grauenhaft teuren Restaurants und Hotels ermüdet nach kurzer Zeit" (Nadesha). Dazu kommen unnötig ausgiebige Charakterbeleuchtungen und Nebenhandlungen - wenn es zum Beispiel um die Schwangerschaftsprobleme und schwierige Geburt der Journalistin geht, die Annas Geschichte auf die Titelseiten bringen will, droht 'Inventing Anna' (2022) auf schmierigem Soap fortzugleiten.
                                Auf der Habenseite stehen interessante Inhalte, die glaubhaft aufzeigen, wie Anna ihre Umgebung gefügig macht. Mit einer Mischung aus hoher Intelligenz, extremer Hartnäckigkeit, Gewissenlosigkeit und Eiern wie Stierhoden bewegt sie sich mit traumhafter Sicherheit im New Yorker Jet Set. Sie macht zwar Fehler, aber nie zweimal denselben und lernt schnell dazu..... bis ihr Abstieg beginnt, worin sie eher aus Verzweiflung handelt. Je mehr sie sich im Geklüngel der High Society etabliert, desto weniger wird sie hinterfragt. Obwohl ihr betont zickenhafter Charakter unsympathisch erscheint, gönnt man ihr beinahe das ultimative Ziel ihrer Bemühungen.
                                Wäre die Handlung nicht in diesem Maß mit repetitivem Schicki-Micki-Gedöns und anderen Füllstoffen verwässert, hätte 'Inventing Anna' eine sehr starke Mini-Serie oder ein zweiteiliger Spielfilm werden können. Doch auch in dieser Form ist das interessant genug, um die nächste Folge sehen zu wollen und gehört noch zu den besseren Netflix-Produktionen.

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                                  RoboMaus 17.05.2022, 08:30 Geändert 17.05.2022, 18:05

                                  Guy Ritchies 'King Arthur'-Verfilmung (2017) - handelsübliches Fantasy mit Zauberern, guten und bösen Mächten und der immer gleichen rudimentären Story vom Bösewicht, der den Königsthron usurpiert (gelangweilt: Jude Law), mit schwarzer Magie paktiert, aber dann von den Guten doch irgendwie zur Strecke gebracht wird. Natürlich in einem hanebüchenen Endkampf. Inhaltlich banal, aber es kommt wohl auf die Ausführung an - die gibt sich düster (wohl dem, der einen OLED-Bildschirm hat und nicht allzusehr unter Color Banding leidet), aber ansprechend, wie auch der Erzählfluss. Als störend empfand ich manchmal die Guy Ritchie-Dialoge, wenn damit eine abgestandene Coolness und ein gewisser Humor transportiert werden soll, was bei mir in keinem seiner Filme zündet. Zwischendurch zieht es sich - erstaunlicherweise habe ich aber erst nach 80 min auf die Uhr geschaut. Bei Harry Potter, zum Besipiel, ist mein Langweilweilfaktor deutlich größer, und in logischer Konsequenz muss die Bewertung hier besser ausfallen. Etwas besser nur, denn unter dem Strich ist das wirklich kein Werk, das man gesehen haben muss und das ich als "geht gerade noch" einstufen würde.

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                                    RoboMaus 08.05.2022, 09:18 Geändert 08.05.2022, 11:55

                                    'Last Night in Soho' (2021) schlägt eine interessante Brücke von der Gegenwart in das 'Swinging London' der 60er Jahre, genauer gesagt, die Zeit um 1966/67. Eine medial begabte graue Maus aus der Provinz wird Studentin in London und findet ein Zimmer, worin ihr im Traum ein selbstbewusstes Mädchen aus den 60ern erscheint, das der Lebewelt jener Zeit angehört. Zunehmend zeigen sich jedoch die Schattenseiten der 60er im verruchten Soho, wobei das Mädchen in eine Abwärtsspirale gerät, aus der es scheinbar kein Entrinnen gibt. Das Mädchen der Gegenwart scheint von denselben üblen Mächten verfolgt zu werden und droht ebenfalls in den Sog zu geraten....
                                    Die Story ist stark, schwächelt aber im Aufbau, denn zu lange passiert in diesem Film kaum etwas Nennenswertes. Nach der Einführung bis zur Mitte dieses knapp zwei Stunden-Plots dreht sich die Handlung im Kreis, beleuchtet lediglich das Milieu und Auskommen der beiden Protagonistinnen. Das wäre unterhaltsam, wenn dabei eine vibrierende 60er-Stimmung aufkäme, was aber nur selten der Fall ist. Das liegt vor allem am Score - bis auf zwei Songs kennt man die Lieder nicht. Vieles klingt zwar nach den 60ern, scheint aber extra für den Score gemacht worden zu sein und wirkt austauschbar. Wahrscheinlich ist das durch üppige Tantiemen begründet, aber wer solch einen Film macht, sollte wenigstens eine Handvoll der angesagtesten Original-Songs jener Zeit im Budget einkalkulieren. Zum Glück weiß sich Edgar Wright (Drehbuch & Regie) in H2 zu steigern und zieht die Spannungsschraube an, was mit guten Plotideen und einem stark erdachten, nicht vorhersehbaren Verlauf einher geht. 'Last Night in Soho' ist somit wieder ein Film, in dem weniger mehr gewesen wäre. Weniger Milieudarstellung (vor allem die überflüssige Zicken-Nebenhandlung der Gegenwart) und weniger des billigen Scores würden die Qualität bereits deutlich steigern. Unter dem Strich bleibt auf Grund der ausgezeichneten zweiten Hälfte dennoch ein sehenswerter Film, den Genrefans im Bereich Mystery/Grusel/Thriller nicht verpassen sollten.

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                                      RoboMaus 07.05.2022, 12:28 Geändert 07.05.2022, 16:26

                                      Wieder ein Film, der dem falschen Genre zugeordnet wird und wohl auch deshalb enttäuschte Bewertungen kassiert: 'Reminiscence' (2021) ist in erster Linie kein SF-Film, sondern ein Noir-Krimi, der statt des üblichen 40er Jahre-Ambientes ein SF-Gewand bekommen hat. Düsterer Stil, Aufbau, zäher Handlungsfortschritt, diverse Inhalte (vor allem die obligatorische Rolle einer mysteriösen, verführerischen Frau), sowie ein allmähliches Herausschälen vertrackter Beziehungen, die das Motiv offenlegen, zeigen, wo dieser Film wirklich angesiedelt ist. Das post-Klimawandel-Szenario, worin der Meeresspiegel etwa 20 m höher liegt und die US-Küstenstädte teilweise überflutet sind, ist ansprechend, dient aber rein optischen Zwecken. Der einzige futuristische Inhalt, immerhin geschickt in die Noir-Story eingewoben, ist das Herausholen von Erinnerungen mittels Zukunftstechnologie, aber das ist mittlerweile ein schon (zu) oft gemolkenes Euter im SF-Genre.
                                      Hugh Jackman und Rebecca Ferguson überzeugen, wobei vor allem die erste halbe Stunde Interesse weckt. Leider erliegt der Plot danach seinem Noir-Stil, der für mein Empfinden zu zäh vorankommt und inhaltlich zu wenig bietet. Im Verlauf wird das Beziehungsgeflecht immer wirrer, und es ist kaum noch nachzuvollziehen, wer was aus welchem Grund macht oder gemacht hat. Die Idee, einen Noir-Krimi im dystopischen Zukunftssetting anzusiedeln, ist durchaus gelungen dargestellt und etwas Neues. Allerdings wird zu wenig daraus gemacht, was vor allem den SF-Anteil, aber auch die Noir-Story betrifft, um einen spannenden, einnehmenden Film zu liefern. Letztendlich ist das kein ausgewogener Genremix, sondern 90 % Noir und 10 % SF - Fans beider Genres könnten hier mehr mitnehmen.

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                                        RoboMaus 01.05.2022, 17:10 Geändert 01.05.2022, 22:16

                                        Eine wahre Geschichte aus der Mitte des 19. Jahrhunderts: der Sklavin Minty gelingt die Flucht auf 100 Meilen bis zur Grenze des Nordens, wo die Sklaverei bereits abgeschafft war. Dort wird sie sich Harriet Tubman nennen und zur Befreiung weiterer Sklaven immer wieder in ihre alte Heimat aufbrechen. Das hohe Risiko und ein grausamer Tod, falls sie erwischt wird, können sie nicht abhalten - so wird sie zur Ikone der Sklaven-Befreiungsorganisation.
                                        Harriet (2019) zeichnet das erhebende Bild einer echten Heldin und erzeugt damit ebenso viel Spannung wie Emotionen. Wesentlich trägt dazu Cynthia Erivo alias Harriet bei, die das unbeirrbare, todesmutige Wesen der Protagonistin glaubhaft verkörpert. Eine andere gewichtige Stütze ist das Drehbuch: man verzichtet auf lange Dialoge, sondern lässt Taten sprechen, was eine stringente Handlung auf zwei Stunden Laufzeit erzeugt. So nimmt man als Zuschauer an ihren Aktionen teil, spürt selbst den Atem der Suchhunde im Nacken und kostet den Erfolg wie auch die Dankbarkeit mit aus, wenn sie es wieder einmal geschafft hat. Ein Film zum Mitfiebern und -fühlen, der sich trotz des im Grunde traurigen Themas niemals in Selbstmitleid und Depression verirrt.

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                                          RoboMaus 30.04.2022, 16:43 Geändert 01.05.2022, 17:35
                                          über Tenet

                                          Nolan und die Zeit - wieder einmal. Vorwärts, rückwärts und vermeintlich auch seitwärts zum Zangenangriff aus entgegengesetzten zeitlichen Richtungen..... an Phantasie mangelt es Nolan gewiss nicht, auch nicht an der nötigen Gestaltungskraft, sein ausgeklügelt-verschachteltes Zeituniversum audio-visuell betörend umzusetzen. Die Frage nach Logik oder Schlüssigkeit stellt sich hier nicht: Nolan gibt die Regeln vor, nach denen sein Universum funktioniert, und darin kann alles irgendwie schlüssig sein. Nur, will oder kann man ihm so einfach folgen? Für mein Empfinden trägt er in 'Tenet' (2020) nicht nur eine Spur zu dick auf. Irgendwann hatte ich genug von Leuten, die von irgendwoher rückwärts durch das Bild gelaufen kommen, von Autos, die in verschiedenen Zeitsträngen nebeneinander oder gegeneinander fahren, von Kugeln, die rückwärts aus einer Wand fliegen....... Mein größter Fehler war wohl, dass ich tatsächlich zu verstehen suchte, wie Nolans Gedankengebäude funktionert, aber das weiß wohl nur er selbst und die, die sich redlich Mühe geben, in diesem Malstrom der nolan'schen Zeiteffekt-Ergüsse über Wasser zu bleiben. In meiner eher bescheidenen Welt wäre weniger mehr gewesen. Viel weniger, um einen Film zu genießen. Was man bei Marvel & Co als CGI-Overload muniert, könnte bei Nolan analog als Confusing Contorted Content (CCC)-Overload bezeichnet werden.

                                          Da er sehr viel Wert auf die Darstellung seiner Zeitumkehr und deren Auswirkungen legt, bleibt für andere Inhalte nicht mehr viel Raum, nicht einmal auf knapp zweieinhalb Stunden Überlänge. Die reine Story um einen Bösewicht, der die Welt kontrollieren oder zerstören will, hat in etwa das Level von James Bond-Filmen und gibt entsprechend wenig her. Der in meiner Wahrnehmung attraktivste Aspekt im Sinne des Unterhaltungskinos ist Nolan's Umsetzung - optisch perfekt, wie auch der Score. Dafür im Wesentlichen die Punkte. Da in genügend kurzen Abständen irgendetwas interessant umgesetztes passiert, wird es selbst auf Überlänge nicht langweilig. Am Ende bleibt das Gefühl, etwas großes, voluminöses, aber nicht großartiges gesehen zu haben. Obwohl man ob der künstlich erzeugten Komplexität meint, diesen Film noch einmal sehen zu müssen, um einen klareren Eindruck zu bekommen und ihn dann eventuell besser zu bewerten, sagt der Instinkt, dass das nichts bringen wird. Eher schon nutzen sich die (Zeit-)Effekte ab, da man sie nun schon kennt. Da ist nichts ausser Nolan's selbstgebasteltem Zeituniversum, das er seinem Publikum zum Fraß vorwirft und das auch beim wiederholten Anlauf nicht mehr Sterne enthält. Friss oder stirb.

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                                            RoboMaus 13.04.2022, 07:54 Geändert 13.04.2022, 19:20

                                            Hätte ich 'The Green Knight' (2021) ohne jede Vorkenntnis gesehen und müsste ich schätzen, wer diesen Film gemacht hat, wäre die Antwort N.W. Refn gewesen. In einigen wesentlichen Parametern ist dieser Film mit Refns 'Valhalla Rising ' (2009) vergleichbar: sehr starke Düster-Optik, authentisch wirkende Mittelalter-Atmosphäre, entschleunigtes Tempo, sowie eine rudimentäre Story, die eher Mittel zum Zweck ist, als Aussagen zu liefern. Dazu kommen einige wohlplatzierte und einfallsreiche Fantasy-Elemente, die sich erfreulicherweise abseits des üblichen Inventars bewegen (auf Trolle, Feen, weißbärtige Zauberer etc. etc. wird verzichtet).
                                            Wie bei allen Style-over-Substance-Filmen sieht es mit dem Inhalt konsequenterweise mager aus, und es stellt sich dem Filmfan die Frage, wie weit man so etwas tolerieren kann. Meine Präferenz liegt auf der Seite von Inhalt und einer stringenten Handlung, was derartigen Filmen eher zuwider läuft. 'The Green Knight' bildet jedoch eine Ausnahme, weil David Lowery (Regie und Drehbuch) es mittels seiner einnehmenden Atmosphäre schafft, genug Schauwerte und Spannung zu erzeugen, so dass es trotz der kargen Handlung und des langsamen Tempos auch auf über zwei Stunden nie langweilig wurde. Zudem zieht einen die einzige Frage, was am Ende wohl geschieht, d.h., ob und eventuell wie der Protagonist seinen Kopf aus der Schlinge ziehen wird, durch manche Länge (nicht gespoilert, denn es ist schnell klar, worauf das hinausläuft). Leider enttäuscht Lowery in diesem Punkt, denn er windet sich aus der lange aufgebauten und dem geduldigen Zuschauer durchaus geschuldeten Auflösung des Dilemmas seines Anti-Helden. Stattdessen wird wieder einmal ein scheinbar nichtssagender, kryptischer Ansatz präsentiert, der den unbedarften Betrachter in etwa mit dem Gefühl entlässt "Was soll das denn? War das jetzt alles?". Ein See voll verschenktem Potential. Gewiss hat sich Lowery etwas dabei gedacht, und ebenso gewiss findet das bei Filmfans Anklang, die gerne kryptische Inhalte sezieren, um des Meisters brilliante Intentionen ebenso brilliant herauszuarbeiten. Wer allerdings nicht zu Letzteren gehört, sollte sich geistig auf einen enttäuschenden Ausklang vorbereiten.
                                            Abgesehen von diesem dicken Wermutstropfen, der bei mir eine bessere Bewertung verhindert, ist 'The Green Knight' erfrischend anders und sehenswert, in jedem Fall eine Bereicherung für das Fantasy-Genre, dem dieser Film zugeschlagen wird.

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                                              RoboMaus 09.04.2022, 14:01 Geändert 13.04.2022, 09:25

                                              Weder der Originaltitel 'I met a Girl' (2020), noch die deutsche Übersetzung 'Das Mädchen deiner Träume' lassen erahnen, worum es in diesem Film geht. Das ist schade, denn beim bloßen Drüberlesen entsteht unweigerlich der Eindruck einer Romanze, vielleicht auch einer RomCom, und die laufen meistens nach demselben Strickmuster ab. Quasi vorprogrammiertes Mittelmaß. Im Löwenanteil ist 'I met a Girl' jedoch ein Psychodrama, worin ein gut aussehender Australier in seinen Zwanzigern mit schubartig auftetenden mentalen Problemen zu kämpfen hat, die sein Talent als Singer-Songwriter an der Entfaltung hindern und die Beziehungen zu seiner Umgebung nachhaltig belasten......
                                              Die Darstellung reicht von locker-heiter bis gruselig, wenn seine Schübe und die damit einhergehenden Ängste visualisiert werden - das ist auch optisch stark gemacht. Da man häufig nicht genau weiß, was seiner Einbildung entspringt, und wo die Realitätsebene liegt, erinnert dieser Film über die Verwirrung phasenweise an das sehr starke Psychodrama 'The Father' (Anthony Hopkins, 2020). Allerdings wird in 'I met a Girl' im Verlauf immer klar, was real ist und was nicht (was für die einrahmende Handlung unerlässlich ist), so dass das Folgen leicht fällt. Die Story ist gut erdacht, wartet mit einigen starken Plotideen auf und ist kaum vorhersehbar, bleibt somit von Anfang bis Ende interessant. Man identifizert sich schnell mit dem sympathischen Protagonisten und wird Teil seines Schicksals, was es ermöglich, in einige emotional starke Momente einzutauchen, sowohl in den Höhen, als auch in den Tiefen. Im letzteren Bereich hätte man für mein Empfinden allerdings noch mehr in Richtung Horrortrip gehen müssen, anstatt die Light-Variante zu wählen. Offensichtlich will man den Zuschauer nicht allzuweit aus seiner Komfortzone holen, was für die Zartbesaiteten sicher der richtige Ansatz ist, andererseits aber den Geschmack von Seichtheit erzeugen kann.
                                              Die Überraschung ist auf jeden Fall gelungen - in Befürchtung einer mehr oder weniger oberflächlichen Romanze/RomCom ergab sich ein weitaus interessanterer Film, der mehr Aufmerksamkeit verdient hätte.

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                                                RoboMaus 01.04.2022, 08:19 Geändert 01.04.2022, 13:29

                                                'The 12th Man' (2017) ist eher für Zuschauer mit einer langen Aufmerksamkeitsspanne und entsprechendem Sitzfleisch geeignet, zu denen ich definitiv nicht gehöre. Anfangs noch interessant, flacht die Odyssee des von Nazis gejagten Norwegers inhaltlich schnell ab. Es passiert in diesem Überlänge-Streifen nichts, ausser dass er sich verletzt durch die verschneite Landschaft schleppt und von den Einheimischen liebevoll in Verstecken versorgt und gepflegt wird, während die Nazis Häuserkontrollen durchführen. Gewiss ist das ein anspruchsvolles Thema, aber derart langatmig inszeniert, dass die Wirkung kaum zur Geltung kommt. Trotz des Leids und des Überlebenskampfes des zwölften Mannes gelang es nicht, sich mit der Figur zu identifizieren oder Empathie aufzubauen. Eher schon mehrten sich die Blicke zur Uhr, nur um beim ersten Mal festzustellen, dass von den zweieinviertel Stunden noch eineinhalb durchzusitzen sind......
                                                Immerhin wartet am Ende die Belohnung, was aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Falls es das Ziel der Macher sein sollte, die Agonie des Protagonisten auf den Zuschauer zu übertragen, ist das immerhin gelungen, wenn auch nicht in dieser Form geplant. Wirklich nur für Filmfans, die Langatmigkeit abkönnen, ansonsten kann der Vorlauf Abhilfe schaffen. Schlecht ist dieser Film jedoch keineswegs.

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                                                  RoboMaus 31.03.2022, 08:11 Geändert 31.03.2022, 18:47

                                                  "herrlich überdrehte Action-Achterbahnfahrt", "mega geiler Spaßfilm", "Kreativität, die ihresgleichen sucht" - offensichtlich ist 'Shoot 'em up' (2007) ein Fest für Baller-Action-Fans, denn die Kreativität findet sich vor allem in der Inszenierung der Baller-Einlagen, die ein ums andere Mal mit einer neuen Finte, einem neuen Trick, oder einer aberwitzigen Kameraeinstellung aufwarten. Die Action ist derart konsequent auf die Schusswechsel reduziert, dass (wider Erwarten) nicht einmal die obligatorische Autoverfolgungsjagd eingestreut ist. Ein Film, dessen Höchstbewertungen der Genrefans sofort nachvollziehbar werden. Die Frage, die man sich als Nicht-Genrefan, aber nicht völlig abgeneigter, stellen muss, bevor man dieses Werk ins Auge fasst: komme ich mit einem Film klar, der gefühlt zu 50 % aus Baller-Einlagen besteht, im Rest hauptsächlich aus Paul Giamattis Bösewicht-Geschwurbel und den Onelinern des karottennagenden Helden Clive Owen? Zumindest bei mir hängt das von der Stimmung bzw. Tagesform ab: man sollte explizit einen derartigen No-Brainer sehen wollen und alle anderen Ansprüche heruntergeschraubt haben, dann ergibt sich solide Unterhaltung. Wer diesen Film schlecht bewertet, hätte sich das wohl sparen können und ist zumeist selbst schuld, denn selten ist es so leicht vorhersehbar, was man serviert bekommt. Wer kein Fast Food mag, geht auch nicht zu Burger King - so einfach ist das ;-)

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                                                    Clint Eastwood im Alter von 91 Jahren - da darf es schon etwas gesetzter zugehen. In seinem entschleunigten Road Movie 'Cry Macho' (2021) mimt er einen ausgemusterten Ex-Rodeostar, der einen Personentransport-Auftrag annimmt, um über die Runden zu kommen. Dafür muss er den sperrigen Teenager-Sohn seines Chefs von Mexico nach Texas bringen, was kein leichtes Unterfangen ist. Jeder findet auf diesem Trip irgendwo seine Bestimmung und eröffnet sich neue Horizonte. Hier geht es nicht um tiefschürfende Inhalte oder Gespräche, sondern um zwischenmenschliche Nähe und das Gefühl des Geborgenseins, das entsteht, wenn sich verwandte Seelen treffen, die nie ihre Bestimmung gefunden haben. Oder sie verloren. Man bekommt den Eindruck, dass Eastwood sich ein Stück weit selbst spielt bzw. seine Träume veranschaulicht, u.a. mit 91 nochmal etwas mit einer rassigen Brünetten anfangen..... ihm kann man das sogar abnehmen, auch wenn er inzwischen sichtlich klapprig unterwegs ist und so manche Aktion eher ins Reich der Altersheim-Fantasy gehört.

                                                    Die vermittelte Stimmung in 'Cry Macho' hat meine Gefühls-Wellenlänge getroffen, vor allem in der zweiten Hälfte. Das ist gewiss nicht bei jedem der Fall, womit nachvollziehbar wird, wenn jemand dieses Werk als schwachsinnig, seicht, oder langatmig bezeichnet, was alles hier zu lesen ist. Dennoch, ein schöner Film.

                                                    Keep on rockin', Clint!

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